Das Buch untersucht das Verhältnis von Kino und Fernsehen in der Bundesrepublik mit besonderem Blick auf die fiktionalen Filme, die aus Koproduktionen beider Medien entstanden sind. Julia von Heinz analysiert dieses Verhältnis in seinem historischen Verlauf von Beginn der 1950er-Jahre bis zum Jahr 2010, die Arbeit betrachtet also sechzig Jahre Film- und Fernseh-Geschichte. Das Buch liefert auf verschiedenen Ebenen eine durchgängig detaillierte und sehr informative Schilderung der Beziehungen zwischen der Kinofilmwirtschaft und dem Fernsehen, hauptsächlich dem öffentlich-rechtlichen, am Rande aber auch dem privaten. Es zeichnet zahlreiche Diskussionen und Positionsbestimmungen dieser sechzig Jahre nach und liefert ein beeindruckendes Bild der spannungsreichen Geschichte der beiden dominanten Bewegtbildmedien.
Die Verfasserin ist in der Kinospielfilmproduktion tätig und diese Herkunft bestimmt auch ihren Blick auf das Verhältnis des Kinospielfilms zum Fernsehen. Sie nimmt, auch wenn sie sich immer wieder um Relativierungen bemüht, eine deutliche Position auf Seiten der Kinofilmmacher ein. Diese haben die öffentliche Diskussion des Verhältnisses von Film zum Fernsehen seit den 1950er-Jahren dominiert und – wie auch die meisten Filmkritiker – das Zusammenspiel von Fernsehen und Spielfilm häufig als ‚Vergewaltigung’ des kulturell wertvollen Kinospielfilms durch das minderwertige Fernsehen angesehen. Für die Darstellung einer Beziehungsgeschichte ist eine solche Einseitigkeit jedoch misslich. Eine Perspektive vom Fernsehen her, die durchaus auch denkbar ist und berechtigt wäre, wird nur selten eingenommen, sie hat im bundesdeutschen Kulturbetrieb auch keine wirkliche Tradition. Spielfilm wird von Julia von Heinz auch normativ auf das Kino bezogen verstanden, dabei ist der Spielfilm nicht naturhaft – wie es bei ihr immer wieder durchschimmert – ein spektakelhaftes „Event“. Es hat immer auch – und nicht erst mit dem Fernsehfilm – andere Formen der filmischen Fiktion gegeben, wofür sich zahlreiche Beispiele seit den Anfängen des Kinofilms finden lassen. Ein Vorwort von Gunther Witte, dem langjährigen Leiter der WDR-Fernsehspielabteilung und neben Günter Rohrbach und Heinz Ungureit wohl wichtigstem Fernsehvertreter in dieser Kino-Fernseh-Zusammenarbeit, gibt einige kritische Anmerkungen aus der Fernsehsicht. Er wendet sich vor allem gegen die These, dass der Kinospielfilm der „eigentliche“ Film sei und geht damit gegen das langjährig bestehende Vorurteil vor, dass der Fernsehspielfilm letztlich nur ein Derivat des Kinospielfilms sei.
Der Untersuchungszeitraum ist in fünf Phasen gegliedert, die jeweils etwas größer als eine Dekade sind: 1950 bis 1961, eine Zeit, in der es nach von Heinz noch zu keiner Zusammenarbeit kam („Ignoranz und falsche Weichenstellungen“), die Zeitspanne von 1962 bis 1973 mit ersten Kooperationen („Das Fernsehen und der Junge Deutsche Film“), 1974 bis 1983, gekennzeichnet von einer ersten vertraglichen geregelten Zusammenarbeit durch das Film-Fernseh-Abkommen („Der amphibische Subventionsfilm“), 1984 bis 1997 („Abschied vom Autorenfilm“), 1998 bis 2010 („Die freundliche Übernahme“).
Die Darstellung jeder Phase folgt immer dem gleichen Grundschema, was die Übersicht erleichtert. Am Anfang steht stets eine Tabelle der fiktionalen Koproduktionen, wobei sich die Autorin auf Angaben der SPIO, der Spitzenorganisation des deutschen Films, stützt. Das ist insofern etwas problematisch, als davon nicht alle Koproduktionen erfasst wurden, was auch im Text des Buches an manchen Stellen deutlich wird. Folgt man zum Beispiel gleich der ersten Tabelle, dann hat es von 1950 bis 1961 keine Koproduktionen gegeben. Dabei werden jedoch die Filme vergessen, die die 1956 neu gegründete Universum Film AG (UFA) für das Fernsehen gedreht hat. Über diese Zusammenarbeit wird im Folgenden jedoch gesprochen (S. 57f.), ohne dass dies zu Anmerkungen oder Änderungen bei der Statistik geführt hätte. Ähnliches gilt später auch für die Kinoverwertung von Fernsehfilmen. Seit den 1970er-Jahren gab es vom Fernsehen finanzierte Filme, die zuerst im Kino zu sehen waren, was ja auch eine Form der Zusammenarbeit von Filmwirtschaft und Fernsehen darstellt. Die Tabellen spiegeln also nur Tendenzen der Entwicklung wider, die angegebenen Zahlen sind nicht als absolute Werte zu verstehen.
Danach folgt bei jeder Phase ein allgemeiner kurzer filmgeschichtlicher Überblick, der sich an einschlägigen Filmgeschichten orientiert. In einem dritten Schritt werden die institutionellen Beziehungen zwischen der Filmwirtschaft und dem Fernsehen dargestellt, hier vor allem nach Unterlagen der SPIO und aus deren Perspektive, die Debatten der Fernsehgremien und -intendanten kommen etwas zu kurz. Dass die bundesdeutsche Fernsehorganisation in den 1950er-Jahren „schwer zu durchschauen“ (S. 68) gewesen sei, ist nicht ganz nachvollziehbar, haben doch die Fachkorrespondenzen (etwa die „Fernseh-Informationen“, „epd/Kirche und Rundfunk“ und die „Funkkorrespondenz“) darüber ausführlich berichtet und sind auch die Protokolle der ARD-Gremien und auch die des ZDF entweder bei den Anstalten selbst oder im Deutschen Rundfunkarchiv einsehbar. Das SPIO-Material liefert also nur eine perspektivische Sicht auf die Entwicklung, noch dazu eine, wie von Heinz’ Darstellung aus auch sichtbar wird, die zunehmend an Bedeutung verlor. Gleichwohl gibt die Darstellung dieser institutionellen Abschnitte für die einzelnen Phasen einen guten Einblick in den Diskussionsverlauf und auch in das institutionelle Verhalten der Konfliktparteien.
Im vierten Schritt folgt eine als „Diskursanalyse“ verstandene Auseinandersetzung mit den ästhetischen Debatten über das Verhältnis von Fernsehen, Kino, Film im Fernsehen und das Fernsehspiel. Hier wird viel zusammengefasst, was die medienwissenschaftliche Literatur schon dargestellt hat, etwa über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Film und Fernsehen im Kameragebrauch, Montage bzw. Mischung und anderem. Dabei werden allerdings die grundlegenden Gemeinsamkeiten von Fernsehen und Film, die diese beiden Bewegtbildmedien eng zusammenführen und deutlich von anderen Medien abheben, nicht wirklich reflektiert. Diskursanalyse versteht von Heinz in der Weise, dass sie sich hauptsächlich auf die jeweils zeitgenössischen Äußerungen konzentriert (in den 1950er-Jahren beispielsweise von Gerhard Eckert oder dann auf die frühen Fernsehspiel-Dissertationen von Schwaegerl und Rhotert)1, ohne die kritischen Anmerkungen zu diesen Positionen aus der späteren Fachliteratur aufzunehmen. Hilfreich wäre hier sicherlich auch gewesen, einmal einen Blick auf einige frühen Fernsehspiel- und Fernsehfilmproduktionen zu werfen, um zu einer Einschätzung der Debatte zu kommen.
Ganz ohne Zweifel sind die Passagen des Buches am informativsten, die die institutionellen Entwicklungen darstellen. Hier kann die Verfasserin – auch unter der filmwirtschaftlich geprägten Perspektive – sehr klar die unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb der Filmwirtschaft selbst herausarbeiten. Denn die Filmtheaterbesitzer nahmen – aus ihrer Interessenlage heraus verständlich – eine durchgehend ablehnende Haltung dem Fernsehen gegenüber ein, während die Kinofilmproduzenten dem Fernsehen gegenüber aufgeschlossen waren, stellte sich ihnen doch das Fernsehen als zusätzlicher Absatzmarkt ihrer Filme dar. Wie die Interessenlagen auf Seiten des Fernsehens gewesen sind – auch hier gab es im historischen Verlauf etwa zwischen verschiedenen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten durchaus unterschiedliche Auffassungen – wird hingegen nicht richtig sichtbar. Warum sich in der Frage der Kooperation etwa die Positionen des WDR-Fernsehspiels und des ZDF-Fernsehspiels unter Rohrbach und Ungureit stärker annäherten und sich das NDR-Fernsehspiel unter Dieter Meichsner oder die entsprechenden Abteilungen des BR und SFB bis in die 1980er-Jahre hinein dazu eher konträr verhielten, wäre untersuchenswert gewesen.
War die erste Phase (1950–1961) zunächst sehr stark von einer Ignoranz des Problems durch die Filmwirtschaft und dann von einer massiven Abwehr geprägt, ist die zweite (1962–1973) von ersten Bemühungen um eine Koproduktion seitens des Fernsehens und um die Autoren des Neuen Deutschen Films (insbesondere von Fernsehspielvertretern wie Rohrbach, Egon Monk und anderen) bestimmt. Die dritte Phase (1974–1983) steht im Zeichen des Film-Fernsehabkommen, die vierte (1984–1997) zeigt die Tendenz einer stärkeren Einflussnahme des Fernsehens auf die Koproduktionen. Die letzte Phase, die bei von Heinz bis 2010 reicht, wird als eine der „freundlichen Übernahme“ bezeichnet, was als Etikett griffig, aber auch problematisch erscheint. Die Analyse reicht bis zur Darstellung des Falles Heinze, also der Aufdeckung der Brancheninsidern schon vorher bekannten Tatsache, dass die Fernsehspielleiterin des NDR, Doris J. Heinze, unter einem Pseudonym Drehbücher geschrieben und sie dem eigenen Sender verkauft hatte. Diese verschiedenen Phasen der Entwicklung von 1950 bis 2010 werden jeweils ziemlich gleichwertig behandelt. Das macht einen Vorzug des Buches aus, denn daraus ergibt sich eine durchgehende, detaillierte Beschreibung eines medialen Bezugsystems.
Das Buch ist insgesamt als diskursorientierte Darstellung angelegt, es zeichnet Debatten nach und macht die damaligen Diskussionsverhältnisse sichtbar. Oft liefert es jedoch keine wirkliche analytische Einschätzung: Unklar bleibt häufig, wer aus welcher Interessenlage heraus jeweils spricht und mit welchem Ziel. Oft wurden nur Meinungen referiert. So kommt es, dass die, die sich viel zu Wort gemeldet haben, weil es ihr Geschäft ist (wie zum Beispiel die Filmkritiker), im Buch viel Raum erhalten, interessengeleitete Polemiken gehen der Autorin dabei manchmal als Tatsachendarstellungen durch. Gelegentlich wird nicht ausreichend nachgefragt: Warum beispielsweise kommen nicht alle Filme, die gefördert wurden, ins Kino? Warum suchen sich die Produzenten und Filmemacher nicht (wie etwa Bernd Eichinger) andere Finanzquellen, wenn das Fernsehen so übergriffig gewesen sein soll? Und schließlich: Wenn die Koproduktionen im Fernsehen liefen, war dies wirklich negativ für die Filme? Denn die meisten deutschen Spielfilme (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) erreichten im Fernsehen mehr Zuschauer als im Kino. Das kann ja wohl eigentlich nicht negativ sein.
Sieht man also einmal von der Perspektivität der Darstellung (die in den Zusammenfassungen manchmal wieder aufgehoben wird) ab, handelt es sich um ein sehr informatives Buch, an das weitere Diskussionen zum Kino wie zum Fernsehen anknüpfen können.
Anmerkung:
1 Gerhard Eckert, Die Kunst des Fernsehens. Emsdetten 1953; Tony Schwaegerl, Das deutsche Fernsehspiel von 1936–1961. 25 Jahre deutsches Fernsehspiel, Diss., Erlangen 1964; Bernt Rhotert, Das Fernsehspiel, Diss., München 1961.