Für Forschungen und Veröffentlichungen über das Wirken der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) zwischen 1945 und 1949 als Ganzes sowie der regionalen sowjetischen Militärbehörden in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg waren die Originalunterlagen dieser Besatzungsbehörde den Historikern, Publizisten und Zeitzeugen jahrzehntelang unzugänglich. In deutschen Archiven sind vor allem die sogenannten Offenen Befehle der SMAD bzw. der SMA der Länder sowie Teile des Schriftwechsels zwischen deutschen und sowjetischen Besatzungsbehörden jener Zeit überliefert. Die von der SMAD und den Chefs der SMA der Länder erlassenen nicht geheimen (Offene Befehle), geheimen und streng geheimen Befehle sowie weitere Materialien sind im Russischen Staatsarchiv (Gosudarstvennyj archiv Rossijskoj Federacii – GARF) in Moskau im Bestand „Sovetskaja voennaja administracija Germanii (SVAG)“ vereint. Es gibt auch weitere Bestände in anderen russischen Archiven wie z. B. im Archiv des Außenministeriums der Russischen Föderation. Unbekannt ist der Verbleib der Materialien der sowjetischen Zentralkommandantur von Berlin.
Das GARF erarbeitete 1998 gemeinsam mit anderen interessierten russischen Einrichtungen ein Programm zur Erforschung der Dokumente der SMAD. In Rahmen dieses Programms gibt es auch mehrere deutsch-russische Gemeinschaftsprojekte. Daran sind das Bundesarchiv, das Institut für Zeitgeschichte München (Berlin) sowie das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam beteiligt.
Das Brandenburgische Landeshauptarchiv (BLHA) in Potsdam kooperierte mit dem russischen Kollegen Wladimir W. Sacharow, Professor am Lehrstuhl Geschichte der Militäruniversität des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation in Moskau. Auf der Grundlage des bereits 1997 von Klaus Geßner, Abteilungsleiter am BLHA, veröffentlichten archivischen Inventars der im BLHA überlieferten Befehle des Chefs bzw. des Stellvertretenden Chefs der SMA Brandenburg, erschien nun ein Inventar der Offenen Befehle der SMA Brandenburg (SMAB) nach der Überlieferung im Russischen Staatsarchiv. Es ist die bisher einzige Darstellung dieser Art über die Befehle einer Länderverwaltung der SMA.
Die Neuerscheinung liefert in der Einleitung neben kurzen Darstellungen über die „Sowjetische Militäradministration in Deutschland“ (S. 9ff.) und „Brandenburg als föderale SBZ-Verwaltungseinheit“ (S. 16ff.) erstmals einen umfassenden Überblick über die „Struktur und personelle Besetzung der Verwaltung der SMAB“ (S. 25ff.). Es werden 147 Personen mit Nennung ihrer Position und des jeweils höchsten ermittelten Dienstgrades aufgeführt, die zwischen 1945 und 1949 unmittelbar zur Verwaltung der SMAB gehört haben. Weiterhin werden 37 sowjetische Mitarbeiter benannt, die verschiedenen Kontrollapparaten der SMAD bzw. der Regierung der UdSSR, der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) und dem Operativsektor des sowjetischen Geheimdienstes bei der Verwaltung der SMAB angehörten.
Diese Übersicht berücksichtigt keine Veränderungen im Laufe des Dienstes innerhalb der SMAB (das würde den Rahmen der Darstellung sprengen). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Positionsinhaber von Anfang bis Ende in dieser hier genannten Tätigkeit in der SMAB eingesetzt war. Wie diese Übersicht durch weitere Verwaltungspositionen zu ergänzen ist, bleibt weiteren Forschungen im Bestand der SMAB im Moskauer Archiv vorbehalten. Von den Autoren nicht genannt wurde z. B der Chef der militärischen Abteilung Oberst Matschichin. Keine Information erhält der Leser über die Oberstleutnante Germakow, Matinjanow, Miniakow und Rosenzweig sowie die Majore Tarotschkow und Mnojim sowie Hauptmann Ofrichter, die auf einer Liste der Angehörigen der SMA Brandenburg für einen Empfang beim Ministerpräsidenten am 13.01.1949 mit Wissenschaftlern und Künstlern des Landes Brandenburg standen. Die Geschichte der Verwaltung der SMA Brandenburg, einschließlich der Bezirks- und Ortskommandanturen sowie deren personellen Besetzung, ist nur fragmentarisch bekannt. Die vorliegende Publikation vermittelt für deren weitere Erforschung wichtige Anstöße.
Die Autoren beschreiben detailliert die Überlieferung der Offenen Befehle der Verwaltung der SMAB im Russischen Staatsarchiv (S. 50ff.). Gegenüber bisher 288 bekannten Befehlen der SMAB aus der „offenen Serie“, die im BLHA im Bestand Rep. 202 A „Büro des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg“ vorhanden sind, gibt das neue Inventar von Geßner/Sacharow jetzt Auskunft über die Existenz von 832 Befehlen und Anweisungen der SMAB aus der Zeit zwischen 1945 und 1949. Davon betreffen nach Analyse der Bearbeiter 341 Befehle die Durchsetzung der sowjetischen Besatzungspolitik in der Provinz/Land Brandenburg und 491 Befehle innerdienstliche Angelegenheiten der SMAB (S. 53). Für die russischen Archivare war es wohl überraschend, dass einige der offenen Befehle nicht im GARF überliefert, dafür aber im BLHA vorhanden sind. Doch das sind Ausnahmen (S. 52).
Die Autoren erörtern auch die Frage der Subordinationsbeziehungen zwischen dem Befehl („prikas“) und der Anweisung (“prikasanije“) (S. 61f.). Im Inventar sind für das Jahr 1945 Anweisungen in der chronologischen Abfolge der Befehle aufgeführt. Für das Jahr 1946 werden 87 Anweisungen einzeln aufgeführt (S. 124ff.), wovon drei nicht in der Publikation inhaltlich erwähnt, sondern mit einem Fragezeichen versehen wurden (Anweisung Nr. 3, 25, 27), obwohl sie im Fonds 7077/opis 2, Akte 4 im GARF vorhanden sind. Für 1947 sind 204 Anweisungen einzeln aufgeführt, für die Jahre 1948 und 1949 sind je 191 bzw. 190 Anweisungen summarisch genannt.
Die Publikation schließt mit Schemen über die Struktur der SMAD, der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg 1946, der staatlichen Verwaltung in der Provinz und der administrativen Gliederung der Provinz/des Landes Brandenburg 1945/46, einem Abkürzungsverzeichnis sowie dem Personen- und Ortsregister im Anhang.
Für die Forschung noch nicht aufbereitet sind die Befehle der Serie „O“ (geheim) und der Serie „00“ (streng geheim). Für die SMA Brandenburg können durch den Rezensenten aus dem Archivbestand des GARF bisher 1250 geheime und 36 streng geheime Befehle für die Jahre von 1945 bis 1949 nachgewiesen werden. Es ist dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv zu wünschen, dass es seine Veröffentlichungen der Inventare über die Verwaltung der SMAB in naher Zukunft vervollständigen kann. Der interessierte Nutzer der Offenen Befehle der SMAB wird die im vorliegenden Inventar angeführten Befehle und Anweisungen mit Quellenverweis auf das GARF auch künftig nicht im BLHA einsehen können, sondern muss seine Forschungen in Moskau durchführen. Das Inventar von Geßner und Sacharow gibt dafür einen notwendigen Leitfaden in die Hand.