Das Verhältnis von Medien und Politik ist eine Zweckgemeinschaft: beide benötigen den jeweils anderen. Während Politik für die Medien einen wichtigen Nachrichtengegenstand bildet, verstehen Politiker die Medien als Möglichkeit, Botschaften zu senden und Stimmungen zu eruieren. Die Frage, ob eine Phase der Politisierung der Medien durch einen Prozess der Medialisierung des Politischen abgelöst wurde, stellt sich der vorliegende Sammelband. Die Herausgeber versammeln dazu ausgewählte Beiträge einer Tagung, die in Kooperation von der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), des Studienkreises Rundfunk und Geschichte (StRuG) und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) im Januar 2007 stattfand. Der Frage nach dem Wechselverhältnis von Medien, Politik und Öffentlichkeit gehen dabei Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen nach: Historiker, Kommunikations- und Publizistikwissenschaftler verfolgen das in der Einleitung formulierte Ziel, dem Verhältnis eine historische Dimension zu geben und damit für das Fernsehzeitalter aufgestellte Befunde historisch rückzubinden.
Der Sammelband ist in vier Felder unterteilt. Nach der Einleitung folgt ein Block, der sich mit den Begriffen und der Theorie der Medialisierung auseinandersetzt. Der Historiker Thomas Mergel eröffnet mit seinem Beitrag die Debatte um die lineare Abfolge der beiden Prozesse. Angelehnt an die Systemtheorie kommt er zu dem Schluss, dass eine lineare Medialisierung dazu führen würde, dass das System Politik völlig medialisiert würde und letztendlich sich beide Systeme ineinander auflösen müssten. Dies, so Mergel, sei bereits „theoretisch“ nicht möglich (S. 40). Ob dies jedoch auch „praktisch“ nicht denkbar wäre oder es gegebenenfalls Gegenbeispiele dafür geben könnte, bleibt offen. Mergel schlägt drei Differenzierungen für eine Untersuchung vor. Eine Historisierung, eine nationsübergreifende Vergleichsebene und ein Blickwinkel auf den Rezipienten seien hilfreich, um das Verhältnis von Medien und Politik zu beleuchten. Die Bedeutung einer historischen Herangehensweise bestärken anhand der Systemtheorie ebenfalls Frank Marcinkowski und Adrian Steiner, betonen aber, dass der Begriff der Medialisierung nicht nur eine gewählte Untersuchungsperspektive sei, sondern ein Prozessbegriff, der eng an andere gesellschaftliche Prozesse (Politisierung, Ökonomisierung, Verwissenschaftlichung) gekoppelt ist. Wie zentral die Betrachtung der historischen Tiefendimension ist, zeigt auch Rudolf Stöber. Sein Beitrag verdeutlicht, dass Medialisierung ein zeitgebundener, aber keineswegs ein unidirektionaler Prozess ist, der in der Frühen Neuzeit begann. Hier setzte bereits eine zunehmende Professionalisierung der Medien (Periodisierung, Umfang, Medienroutinen) und eine Öffentlichkeitsarbeit bzw. Pressepolitik ein. Als bedeutenden Aspekt in der Entwicklung hebt Stöber die interpersonale Kommunikation hervor, die gerade in Krisenzeiten neben den medial vermittelten Zugang zur Welt trete. Hierbei bezieht er sich zum einen auf die handelnden Akteure aus Politik und Journalismus, zum anderen auf die Rezipienten. So waren Gerüchte sowohl die „wichtigste Form der revolutionsalltäglichen Kommunikation“ (S. 88), als auch während des Nationalsozialismus ein wichtiges Instrument der staatlichen Informationspolitik.
An diese theoretischen Überlegungen schließen sich zwei Blöcke von Fallstudien an. Der erste nimmt die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Blick und besticht durch seine Breite an Zugängen. Wie bereits Stöber erweitert Jürgen Wilke den zeitlichen Blickwinkel. Er analysiert die Medienpolitik und Medienstrategien des Reichskanzlers Bernhard von Bülow, der Pressearbeit als einen Teil seiner dienstlichen Aufgabe verstand und bereits eine „Art Medienkanzler“ (S. 111) war. Bülow hatte nicht nur ein Interesse an seiner Medienresonanz, er pflegte auch einen direkten Kontakt zu Journalisten und verfolgte bereits Strategien der Medienlenkung durch Vorkontrolle und finanzielle Unterstützung, die sich keineswegs nur auf das Inland bezogen. Wilke zeigt die Interpendenz der beiden im Mittelpunkt des Sammelbandes stehenden Prozesse und verdeutlicht dies insbesondere an der Daily Telegraph Affäre 1908, die er als ein „frühes, exorbitantes Exempel“ (S. 109) der Medialisierung des Politischen versteht.
Dominik Geppert ergänzt die bisherigen Zugriffe, indem er nicht nur einen nationsübergreifenden Ansatz wählt, sondern die Journalisten als Akteure in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. Geppert arbeitet die Unterschiede der Pressepolitik anhand von deutschen und britischen Journalistenreisen 1906 und 1907 heraus. Während der deutsche Staat noch einen sehr bürokratischen Umgang mit den Journalisten pflegte, war das britische Verhältnis zwischen Journalisten und Staat durch soziale Kontakte und Netzwerke charakterisiert. Er verdeutlicht, dass Medien in den außenpolitischen Beziehungen nicht nur zu Spannungen, sondern auch zur Entspannung beitragen konnten.
Die folgenden Beiträge von Bernhard Fulda (Adolf Hitler als Medienphänomen), Inge Marszolek („Nur keine Öde“. Radio im Nationalsozialismus) und Patrick Rössler („Wir zerstreuen uns zu Tode.“ Formen und Funktionen der Medialisierung des Politischen in illustrierten Zeitschriften der NS-Zeit) rücken alle die NS-Diktatur in den Mittelpunkt. Während Fulda die Verzahnung von Medienaufmerksamkeit und der politischen Durchsetzung Hitlers nachzeichnet, zeigen Marszolek und Rössler die Grenzen der Politisierung der Medien auf und verdeutlichen, dass mediale Eigenlogiken (enge Kopplung von Rundfunk und Unterhaltung sowie Visualisierungstechniken bei Illustrierten) mitgedacht werden müssen. Form und Funktion des Mediums beeinflussen folglich die Medialisierung des Politischen.
Im dritten Teil des Sammelbandes erfolgt ein Blick auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch hier bleiben die Beiträge größtenteils auf Deutschland beschränkt, sind aber zeitlich breit aufgestellt. Gabriele Melischek und Josef Seethaler widmen sich in einer historischen Längsstudie der Wahlkampfkommunikation seit 1945, Norbert Grube zeichnet die „Regierungspropaganda in der Ära Adenauer“ nach und Kurt Imhof zeigt anhand von vier Konfliktperioden in der Schweiz (1918-1921, 1933-1936, 1968-1975, 1989-1993) den Einfluss des Strukturwandels der Öffentlichkeit auf die Konfliktdynamiken auf. Der Frage nach Publikum und Medienwirkung widmen sich die Beiträge von Michael Meyen und Klaus Arnold. Letzterer konstatiert eine ansteigende Nutzung politischer Medieninhalte. Hervorzuheben ist in diesem Block besonders der Beitrag von Christoph Classen, der den klassischen Politikbegriff öffnet und nach der Repräsentation der Politik in populären Filmen und Fernsehserien fragt. Classen zeigt dabei die Grenzen der Fiktionalisierung der Politik im Genre des deutschen Spielfilms nach dem Zweiten Weltkrieg im Kontrast zu den politischen Visualisierungen in den USA und zum Nationalsozialismus auf. Solch ein kulturgeschichtlicher Zugang verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Untersuchungskomplexes ebenso wie die Erweiterung auf das journalistische Genre des Boulevards, den Susanne Kinnenbrock und Helene Bilandzic vornehmen.
Im letzten Teil des Sammelbandes erfolgt eine Betrachtung der kritischen Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Öffentlichkeit und Politik. Während Thymian Bussemer sich mit dem Begriff der Öffentlichkeit und der „Masse“ auseinandersetzt, und sich Adelheid von Saldern den Kulturkonservativen widmet, die die Massenkultur bekämpfen wollten, beschäftigen sich Andreas Scheu und Manuel Wendelin mit der linken Kulturkritik und hier speziell mit den Vertretern der Kritischen Theorie, die die Medien zunächst als gefährliche Instrumente des Faschismus und Kapitalismus betrachteten.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Sammelband ein breites Spektrum an Perspektiven auf das Wechselverhältnis von Politik und Öffentlichkeit bietet. Dabei rücken die Autoren mehrere zeitliche Perioden, unterschiedliche Medien (von Film, Radio, Zeitschriften bis hin zur Demoskopie) sowie verschiedene Genres (Qualitätspresse, Boulevard) in den Blick. Allerdings stellen nur wenige Beiträge den journalistischen Akteur ins Zentrum und der Zugriff bleibt größtenteils nationalstaatlich ausgerichtet. Auch die Visualität von Politik, die zu beachten Mergel in seinem theoretischen Beitrag fordert (S. 30), fehlt weitgehend. Während sich viele Beiträger mit den Begriffen der Medialisierung und der Medien auseinandersetzen, bleiben die Politikbegriffe unbestimmter. Hier wäre mehr Klarheit wünschenswert. Die Mehrzahl der Beiträge richtet den Blick auf das politische Tagesgeschäft. Inszenierungen der Politik sind aber nicht auf eine klassische politische Bühne begrenzt. Gerade in einem auf den ersten Blick „politikfreien“ Raum kann das Zusammenspiel von Medien und Politik und die medialen Inszenierungen des Politischen und seine Entwicklungen aufschlussreich betrachtet werden. Der dritte und vierte Block des Sammelbands verdeutlichen dies in Ansätzen; sie illustrieren auch, dass weitere Forschungen in diesem Bereich wünschenswert sind.