J.A. Lynn II: Women, Armies, and Warfare

Cover
Titel
Women, Armies, and Warfare in Early Modern Europe.


Autor(en)
Lynn II, John A.
Erschienen
Anzahl Seiten
XII, 239 S.
Preis
ca. € 57,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beate Engelen, Hongkong

Frauenthemen sind in der traditionellen Militärgeschichte mittlerweile fest verankert. Über Frauen in der Frühen Neuzeit und ihr Verhältnis zu Krieg und Militär sind in den letzten Jahren mehrere einschlägige Untersuchungen erschienen. Doch es fehlte bis vor kurzem eine Monographie zu den Feldzugsbegleiterinnen in der Frühen Neuzeit, die die bisherigen Ergebnisse bündelt und interpretiert. John A. Lynn, ein Veteran der frühneuzeitlichen Militärgeschichte in den USA, macht den Versuch, diese Lücke zu schließen. Dabei geht es ihm nicht ausschließlich, aber doch vorrangig um die Frage, ob und in welchem Ausmaß Frauen im Umkreis der Armeen ein nennenswerter Faktor innerhalb der Militärischen Revolution der Frühen Neuzeit waren und somit ein ernst zu nehmender Teil der Militärgeschichte im engeren Sinn.

Die Antwort fällt bei Lynn positiv aus. Allerdings gibt er ihr eine unerwartet dialektische Wendung. Nicht die Anwesenheit von Frauen bei der Armee, sondern ihr plötzliches Verschwinden aus dem Tross nach dem Dreißigjährigen Krieg trug maßgeblich dazu bei, dass nach etwa 1650 ein Modernisierungsschub das frühneuzeitliche Armeewesen erfasste. Insofern standen die Frauen gleichsam ex negativo im Zentrum der Militärischen Revolution. Wie ist das zu verstehen?

Teil der Theorie von der Militärischen Revolution ist eine Hypothese, derzufolge die Veränderung der Heeresverfassung vom Söldnerheer des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zum stehenden Heer des Absolutismus, und vor allem die Verbesserungen in der Militärlogistik, die entscheidende militäradministrative Neuerung war, die den modernen Staat mit auf den Weg brachte und letztlich die militärische Überlegenheit Europas im 19. Jahrhundert begründete. Die Verbesserung der Truppenversorgung um die Mitte des 17. Jahrhunderts ist der historische Kontext, in dem Lynn seine Argumentation entfaltet.

Aus Lynns Sicht spielten die Frauen in dieser zum Schluss ins Uferlose gesteigerten Plünderwirtschaft („economy of plunder“) der Söldnerarmeen eine größere Rolle, als die Geschichtswissenschaft ihnen bisher zubilligen will. Von den Frauen im Tross wurde weit mehr erwartet als Küchendienste, Flickarbeiten, Branntweinausschank oder gelegentliche Prostitution. Es gehörte zu ihrem Alltag, beim Beutemachen nach der Schlacht oder während der Plünderung eines Dorfes mit Hand anzulegen und, wenn es sein musste, dabei auch Waffen einzusetzen. Mehr noch, bei ihnen lag die Hauptverantwortung für die Vermarktung der geplünderten Waren. Es waren die Frauen, die bis Mitte des 17. Jahrhunderts wesentliche Bereiche der Heeresökonomie regelten. Für Lynn sind die Feldzugsbegleiterinnen gar Managerinnen der Kriegslogistik.

Diese Form der Militärökonomie konnte allerdings nicht nachhaltig sein, denn das Wirtschaftskonzept basierte auf Requisition, was schließlich in eine Spirale der Gewalt mündete und die ökonomische Grundlage der Söldnerarmeen völlig unterminierte. Frauen wurden gebraucht, um die notwendige Menge an Versorgungsgütern zu requirieren; sie verbrauchten selber einen großen Teil des Nachschubs, was wiederum den Bedarf steigerte; die Plünderung und Verwüstung von Dörfern machte weitere Männer und Frauen heimatlos, die sich notgedrungen den Armeen anschlossen; und dies führte seinerseits zu einer noch höheren Nachfrage an Versorgungsgütern.

Für Lynn ist genau dieser Mangel an Nachhaltigkeit im Requisitionssystem der Söldnerarmeen eine wesentliche Ursache für die revolutionäre Neugestaltung der Militärökonomie. Die Frauenquote musste radikal reduziert werden, wollte man ein schlagkräftiges, wirtschaftlich solides und diszipliniertes Instrument schaffen, dessen Gewaltpotential im Krieg begrenzt und steuerbar blieb. Lynn spricht deshalb von den Frauen als „Barometer“ der militärischen Neuordnung.

Die Abfolge der vier Kapitel soll die Leser Schritt für Schritt davon überzeugen, dass Frauen zu den wichtigen Akteuren frühneuzeitlicher Kriegführung gehörten, unverzichtbare Aufgaben hatten, Grenzen weiblicher Handlungsspielräume überschritten und dabei auch immer mehr zu einer Belastungsprobe für die Militärlogistik wurden.

Im ersten Kapitel werden die Rahmenbedingungen skizziert, die das Leben der Soldatenfrauen prägten. Dabei ist es Lynn besonders wichtig, die Modernisierungsdefizite der von privaten Kriegsunternehmern geworbenen Söldnerarmee („aggregate contract army“) gegenüber dem landesherrlich verwalteten stehenden Heer („state commission army“) herauszuarbeiten. Außerdem gibt der Autor einen Überblick über zeitgenössische Geschlechtsrollen und Erwartungen an das Verhalten von Frauen, die auf das Leben im Feldlager zurückgewirkt haben.

Das zweite Kapitel beschreibt die unterschiedlichen Beziehungsformen von Frauen zu Soldaten (Prostituierten, ‚Huren‘ und Ehefrauen), die Ambivalenz ihrer sozialen und geschlechtsspezifischen Rollen (einmal die sorgende Ehefrau und Geliebte, dann die Waffen schwingende Kämpferin, oder die zupackende Schanzgräberin) und ihre Position als schillernde Projektionsfläche zeitgenössischer Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit (Diskussion um die verkehrte Welt und „Kampf um die Hose“). Lynn macht auf diese Weise deutlich, wie die spezifischen Identitäten der Feldzugsbegleiterinnen entstehen konnten und was sie mit der Plünderwirtschaft zu tun hatten.

Die Autorität von Soldatenfrauen in allen Angelegenheiten eines Söldnerhaushalts, die Ähnlichkeiten und Unterschiede dieses Verantwortungsbereichs mit dem von Frauen außerhalb der militärischen Gesellschaft, das Geschlechtsspezifische ihrer Aufgaben und der Einfluss, den die Soldatenfrauen auf die Armeewirtschaft insgesamt hatten, sind Themen des dritten Kapitels. Gerade die Vielfalt der unterschiedlichen Aufgaben erklärt, warum die Frauen zunächst in großer Zahl gebraucht wurden, und später, unter der neuen Heeresverfassung, aus der militärischen Gesellschaft ausgeschlossen wurden.

Das vierte Kapitel schließlich befasst sich mit den Frauen, die innerhalb der militärischen Kommandostrukturen an den eigentlichen Waffengängen teilnahmen: Kommandeurinnen, einfache Frauen bei der Verteidigung ihrer Heimatstadt und Frauen in Soldatenkleidern. Ihre Präsenz und ihre Wahrnehmung innerhalb der Volkskultur lassen verständlich werden, mit welchen sozialen und kulturhistorischen Ambivalenzen kämpfende Frauen über die Jahrhunderte umgehen mussten.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die vorhandenen Quellen und Untersuchungen seine Hypothese von Frauen als Hauptfaktor in den Veränderungen der Militärverfassung in der Mitte des 17. Jahrhunderts zwar untermauern, viele Fragen aber noch offen bleiben. Die Monographie beschäftigt sich tatsächlich vor allem mit der Frage, warum die Frauen aus dem Kreis der Feldzugsteilnehmer verdrängt wurden, also mit den sogenannten „push factors“. Nicht weniger interessant könnte die Frage sein, ob Frauen möglicherweise freiwillig auf die Teilnahme an einem Feldzug verzichteten, etwa weil sie in der Garnison für die Zeit des Feldzugs versorgt wurden, wie es in Preußen üblich war. Weitere solche „pull factors“, die belegen, dass Frauen zwischen durchaus attraktiven Alternativen wählen konnten, würden sich sicher finden lassen.

Lynn hat sein Ziel erreicht, die Bedeutung der Feldzugsbegleiterinnen für die (militär-)historischen Prozesse der Zeit herauszustellen. Das Buch ist vor allem als Einführung in die Thematik sehr zu empfehlen, nicht zuletzt weil es stellenweise redundant ist. Kenner der Materie werden allerdings nicht viel finden, was nicht schon an anderer Stelle dargestellt worden ist. Das mag daran liegen, dass sich Lynns Monographie vor allem auf Sekundärliteratur, gedruckte Quellen und Bildquellen stützt. Erfreulich ist, dass nicht nur englischsprachige Werke zitiert werden.

Einige Publikationen bleiben allerdings ungenannt, die wichtige Quellen und Interpretationen zu Feldzugbegleiterinnen anführen. Hierzu zählen etwa die Dissertation von Matthias Rogg, die einen beträchtlichen Teil ihrer Interpretation den Darstellungen von Soldatenfrauen widmet1, und die Dissertation von Peter Burschel2, der klare Belege dafür liefert, dass Frauen mit Hehlerware und Plündergut handelten – eine Hypothese, die Lynn selbst für noch immer schlecht belegt hält, obwohl sie in seiner Argumentation eine zentrale Rolle spielt. Schließlich würde das Buch bei einer weiteren Auflage von einer Überarbeitung des an Nachlässigkeiten und Fehlern nicht armen Anmerkungsapparats und des lückenhaften Registers profitieren (Bereits in der ersten Fußnote wird Johan Jacob Wallhausen zu Wallenstein!).

Lynns Untersuchung ist der Versuch, die traditionelle Militärgeschichte und die Geschlechtergeschichte enger als bisher miteinander zu verknüpfen. Beide Disziplinen können nicht nur voneinander profitieren, sie sind aufeinander angewiesen. Die Geschichte der frühneuzeitlichen Kriegführung wird verzerrt, wenn geschlechtsspezifische Fragestellungen unbeachtet bleiben – so wie umgekehrt der Geschlechtergeschichte wichtige Erkenntnisse entgehen, wenn sie den Krieg als Forschungsgegenstand ausklammert.

Anmerkungen:
1 Matthias Rogg, Landsknechte und Reisläufer. Bilder vom Soldaten, ein Stand in der Kunst des 16. Jahrhunderts, Paderborn u.a. 2002.
2 Peter Burschel, Söldner in Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien, Göttingen 1994.

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