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„Es ist erniedrigend“ – Wahlkampf in Frankreich geprägt von Rassismus und Gewalt

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Die Angst vor der Eskalation des Wahlabends in Frankreich steigt. Bereits im Wahlkampf kam es zu gewaltsamen Übergriffen mit teils schweren Verletzungen.

Paris – Die Wahlen in Frankreich sind geprägt von Gewalt gegen Kandidierende sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfer. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin sagte gegenüber dem französischen Sender BFMTV-RMC, dass er während der „kurzen“ Wahlkampfphase 51 Angriffe auf Kandidierende, Stellvertretende oder Helferinnen und Helfer registriert habe.

Bei den „teils äußerst schweren Angriffen“ sei es zu insgesamt 30 Festnahmen gekommen, so Darmanin. Manche sollen nach den Attacken ins Krankenhaus gebracht worden sein. Laut BFMTV ereigneten sich die meisten Überfälle beim Anbringen von Plakaten.

Macron und Le Pen vor Protesten in der Wahlnacht
Frankreich bereitet sich nach einem von Gewalt geprägten Wahlkampf auf Proteste vor. © Louise Delmotte/Kay Nietfeld/Stephane De Sakutin/dpa (Montage)

„Es ist schon erniedrigend“ – 77-Jähriger wird vor Frankreich-Wahl beim Plakate-Aufhängen überfallen

Einer der Betroffenen ist Bernard Dupré. Der 77-Jährige engagiert sich bei dem Bündnis Ensemble, dem auch die Partei Renaissance von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angehört. Dupré sei beim Plakate-Aufhängen überfallen worden, berichtete er dem Sender. „Ich hatte meinen Kofferraum geöffnet und da kam eine Person auf mich zu und nahm die Plakate aus meinem Auto“, erzählt er. Der Mann habe die Plakate zerrissen, woraufhin Dupré eingeschritten sei. „Ich wurde geschlagen. Er nahm die restlichen Plakate und rannte weg.“

Wenige Stunden später hätten sich ein 26-jähriger Mann und Anhänger der linkspopulistischen Partei La France insoumise (zu Deutsch „unbeugsames Frankreich“) der Polizei gestellt. Der Vorfall sei zur Anzeige gebracht worden, berichtete BFMTV.

Für Dupré ist eine solche Tat nicht nachzuvollziehen. „Es ist schon erniedrigend, wenn man mit 77 Jahren angegriffen wird, weil man in einem Land, das sich demokratisch nennt, Plakate aufhängt“, sagte er dem Sender.

Regierungssprecherin angegriffen – Gewalt vor Wahl in Frankreich am Sonntag eskaliert

Es trifft jedoch nicht nur Wahlhelfer und Wahlhelferinnen. So soll auch Frankreichs Regierungssprecherin Prisca Thevenot beim Anbringen von Plakaten angegriffen worden sein. Dabei habe einer ihrer Wahlhelfer einen Kieferbruch erlitten und sei neben einem weiteren Helfer ins Krankenhaus gebracht worden, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. „Gewalt ist keine Antwort. Ich führe meinen Wahlkampf weiter“, schrieb Thevenot am Donnerstag (4. Juli) als Reaktion auf den Überfall auf X.

Doch nicht nur die Gewalt mache ihr Sorgen. Als Frau mit Migrationshintergrund beschäftige sie auch der zunehmende Rassismus in Frankreich. „Als Mutter zweier Kinder macht mir das Angst“, sagte Thevenot laut AFP. Ein Kandidat des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), der Partei von Marine Le Pen, habe ihr gesagt, sie solle „auf ihre Insel zurückkehren“. Thevenonts Eltern stammen aus dem ostafrikanischen Inselstaat Mauritius.

Massives Polizeiaufgebot für Frankreich-Wahl angekündigt – Innenminister trifft Vorkehrungen

Aufgrund der gewaltbereiten Übergriffe blickt Frankreich mit Sorge auf den Wahlabend am Sonntag (7. Juli). Die Angst ist groß, dass radikale Kräfte an dem Abend für Chaos sorgen. „Unsere große Sorge ist, dass der Juni 2024 wie der Juni 2023 sein wird“, sagte ein französischer Handelsvertreter der Bild-Zeitung. Damals führte der Tod eines 17-Jährigen im Pariser Vorort Nanterre durch die Polizei zu extremen Ausschreitungen. Dabei wurden laut französischer Informationen etwa 700 Polizistinnen und Polizisten verletzt und knapp 1000 Häuser zerstört oder in Brand gesetzt.

Um solche Krawalle zu vermeiden, setzt Frankreichs Außenminister Darmanin auf ein massives Polizeiaufgebot. Laut der Nachrichtenagentur Reuters werden alleine in Paris und Umgebung 5000 Polizeibeamte stationiert. Damit solle sichergestellt werden, dass „radikale Rechte und die radikale Linke die Situation nicht ausnutzen, um Chaos zu verursachen“, sagte Darmanin dem Sender France 2.

Neuwahlen in Frankreich – Macron reagiert auf verheerendes EU-Wahlergebnis

Dass Frankreich so plötzlich wieder wählt, hängt vor allem mit den EU-Wahlen zusammen. Dort musste das Bündnis von Frankreichs Regierungspartei Renaissance eine schwere Niederlage einfahren. Als klarer Gewinner stellte sich der rechtspopulistische Rassemblement National heraus.

Macron reagierte darauf, indem er zur Neuwahl des französischen Parlaments aufrief. Aufgrund der Spontanität blieb den Parteien und Politikern wenig Zeit zur Vorbereitung. Nach einem ersten Wahlgang am vergangenen Sonntag (30. Juni) musste Macron eine weitere Niederlage hinnehmen. Seine Partei rutschte auf den dritten Platz. Der RN konnte erneut einen Wahlsieg feiern und erhielt die meisten der abgegebenen Stimmen. Letzte Umfragen vor der Stichwahl in Frankreich am Sonntag sagen ebenfalls einen Sieg für Le Pen voraus. Das öffentliche Urteil lautet: Emmanuel Macron hat sich verzockt. (nhi)

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