China spricht von „Provokation“: Deutsche Kriegsschiffe fahren durch Taiwanstraße
Es ist das erste Mal seit 22 Jahren: Eine deutsche Fregatte durchquert die Taiwanstraße. China protestiert – obwohl Deutschland das Völkerrecht auf seiner Seite hat.
Update vom 13. September 2024, 13.53 Uhr: Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid hat sich hinter den Einsatz der deutschen Kriegsschiffe in der Taiwanstraße gestellt. „Dies ist ein völlig normaler Vorgang. Solche Durchfahrten, so wie jetzt im Rahmen der Teilnahme an der Indo-Pacific Deployment, sind internationale Routine“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zu IPPEN.MEDIA. „Auch andere Staaten wie die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande sind in den letzten Jahren durch die Straße von Taiwan gefahren. Deutschland hält sich dabei an die Regeln des Seevölkerrechts und des VN-Seerechtsübereinkommens. Diese gelten selbstverständlich auch in der Straße von Taiwan.“
Update vom 13. September 2024, 12.46 Uhr: Die „Baden-Württemberg“ und ihr Begleitschiff, die „Frankfurt am Main“, sind am Freitag in die Taiwanstraße eingefahren. Das geht aus Daten der Seite MarineTraffic hervor. Demnach befanden sich die Schiffe am Freitagvormittag etwa auf Höhe der taiwanischen Stadt Hsinchu.
Update vom 13. September 2024, 10.54 Uhr: Nachdem tagelang spekuliert worden war, ob die deutsche Fregatte „Baden-Württemberg“ die Taiwanstraße durchfahren würde, sorgte Boris Pistorius am Freitagvormittag für Klarheit: Am Rande einer Pressekonferenz mit seinem litauischen Amtskollegen bestätige der Bundesverteidigungsminister die geplante Route. „Es ist der kürzeste Weg. Es ist angesichts der Wetterlage der sicherste Weg, und es sind internationale Gewässer, also fahren wir durch“, so Pistorius. „Das Signal ist ein ganz einfaches, was wir immer vertreten haben und auch ich immer vertreten habe: Internationale Gewässer sind internationale Gewässer.“ Die chinesische Regierung, die Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet, hatte im Vorfeld gegen den Transit protestiert (siehe Erstmeldung).
Eine mit der Situation vertraute Sicherheitsquelle sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Schiffe würden die Meerenge wahrscheinlich am Samstag vollständig passieren.
Erstmeldung vom 13. September 2024, 10.02 Uhr: Es ist einer der brisantesten Marine-Einsätze seit Jahren: Die deutsche Fregatte „Baden-Württemberg“ nimmt offenbar Kurs auf die Taiwanstraße – trotz massivem Protest aus Peking. Die Meerenge trennt das chinesische Festland von Taiwan, dem demokratisch regierten Inselstaat, den China als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet.
Wie aus Daten der Seite MarineTraffic hervorgeht, befanden sich die „Baden-Württemberg“ und ihr Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ am Donnerstagabend deutscher Zeit einige hundert Seemeilen nordwestlich von Taiwan. Wo sich die beiden Kriegsschiffe derzeit befinden, ist nicht klar. Das Verteidigungsministerium wollte die Durchfahrt der Schiffe zunächst nicht bestätigen. Man werde sich zu „gegebener Zeit“ zu aktuellen Entwicklungen äußern, sagte ein Sprecher dem Spiegel.
Deutsche Fregatten in der Taiwanstraße: „Wir nehmen die Freiheit der internationalen Gewässer wahr“
Das chinesische Außenministerium sprach Anfang der Woche von einer „Provokation und Gefährdung der Souveränität und Sicherheit Chinas durch die betreffenden Länder unter dem Banner der Schifffahrtsfreiheit“. Peking will selbst entscheiden, welche Kriegsschiffe die Taiwanstraße durchfahren, und verlangt deswegen, dass ausländische Staaten vor einem Transit eine Erlaubnis einholen. Deutschland hatte dies zuvor abgelehnt. „Wir nehmen hier die Freiheit der internationalen Gewässer wahr“, sagte Axel Schulz, Flottillenadmiral der deutschen Marine, am Montag in Incheon. Von dem südkoreanischen Hafen aus will die Fregatte die Philippinen ansteuern.
Zuletzt hatte ein deutsches Marineschiff die Taiwanstraße vor 22 Jahren durchquert. Als die Fregatte „Bayern“ vor drei Jahren in der Region unterwegs war, hatte das Schiff die Taiwanstraße nach Druck aus Peking noch gemieden und war östlich um Taiwan herumgefahren. Einem Spiegel-Bericht zufolge waren es nun das Außen- und das Verteidigungsministerium, die für den Transit durch die Meerenge plädierten. Das Kanzleramt habe hingegen zunächst Bedenken angemeldet.
Seerechtsexpertin: Deutsche Kriegsschiffe haben das Recht, die Taiwanstraße zu durchqueren
Dabei sei ein Transit durch die Taiwanstraße mit internationalem Recht durchaus vereinbar, sagte die Seerechtsexpertin Nele Matz-Lück von der Universität Kiel zu IPPEN.MEDIA. Geregelt sei das im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, in dem das Recht auf freie Schifffahrt und friedliche Durchfahrt festgeschrieben sei. „China ist dem Seerechtsübereinkommen beigetreten“, so Matz-Lück. „Ich finde es durchaus sinnvoll, dass Deutschland die Taiwanstraße durchfahren und dort Präsenz zeigen will – solange das Risiko einer ernsthaften militärischen Auseinandersetzung nicht besteht.“
„Solange China nur politisch protestiert, finde ich das ein taugliches Mittel, um die Rechte des Seerechtsübereinkommens durchzusetzen und nicht einem Recht des Stärkeren das Wort zu reden“, sagte Matz-Lück. Sie hält es für möglich, dass chinesische Schiffe die Fregatte und den Einsatzgruppenversorger bei ihrem Transit durch die Taiwanstraße begleiten. Dazu habe China das Recht. „Ich gehe zwar davon aus, dass das mit gebotenem Abstand passiert. Aber solche Manöver bieten immer auch Anlass für Spannungen oder im schlimmsten Fall für Eskalationen, weil es beim Begleiten zu Kollisionen kommen kann.“ (sh)