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Hitlers "Mein Kampf" bleibt verboten

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Auch 2016 bleibt Hitlers "Mein Kampf" verboten.
Auch 2016 bleibt Hitlers "Mein Kampf" verboten. © dpa

Auch wenn 70 Jahre nach Adolf Hitlers Todesjahr das Urheberrecht erlischt, bleibt seine Hetzschrift "Mein Kampf" verboten. Es gibt eine Ausnahme: Am 8. Januar wird eine vom Institut für Zeitgeschichte edierte Ausgabe erscheinen.

Am 1. Januar 2016 wird Folgendes geschehen: 70 Jahre nach Adolf Hitlers Todesjahr erlöschen die Urheberrechte an dessen Buch „Mein Kampf“. Das ist eine Nachricht mit sehr begrenztem Potenzial zum Spektakel, auch wenn seit Monaten in einigen deutschen Feuilletons so getan wird, als drohe mit Beginn des neuen Jahres die Öffentlichkeit in einer Flut von Neuausgaben der berüchtigten Hetzschrift unterzugehen: Was geschieht, wenn das Buch, von dem bis 1945 mehr als zwölf Millionen Exemplare verkauft wurden, erneut zum Bestseller der Deutschen und zum Kassenschlager womöglich rechtsextremer Verlage werden sollte, wenn noch einmal die antisemitische Hetze die wehrlose deutsche Jugend infiziert, wenn das Gift auch nach 70 Jahren nichts von seiner tödlichen Wirkung verloren hat? Die Fragen bezeugen allein die lebhafte Phantasie der Fragensteller, mit der Realität haben sie nichts zu tun.

Neuausgaben von „Mein Kampf“ waren bisher in der Bundesrepublik verboten – und sie bleiben verboten auch nach dem 1. Januar 2016. Es gibt eine Ausnahme: Am 8. Januar wird eine vom Institut für Zeitgeschichte (München) kritisch edierte, mit 3 500 wissenschaftlichen Anmerkungen versehene Ausgabe erscheinen, die vor allem eine Dekonstruktion und Kontextualisierung von Hitlers Schrift liefert, also weniger als Neuausgabe zu verstehen ist, eher als Gegenschrift, als Antidot. Als Startauflage sind 3 500 bis 4 000 Exemplare geplant, der Verkaufspreis liegt bei 59 Euro.

Dem Buch wäre eine große Leserschaft zu wünschen, aber schon die Auflage macht klar, dass die Herausgeber keinen Massenansturm in den Buchhandlungen erwarten, der Preis wird die Kaufzurückhaltung des Publikums dramatisch steigern. Selbst diese Ausgabe war bisher aus urheberrechtlichen Gründen untersagt. 1945 hatte die US-Militärverwaltung das Vermögen Hitlers eingezogen, die Rechtsnachfolge trat später der Freistaat Bayern an, genauer das bayerische Finanzministerium, das Neuausgaben strikt unterband. Doch war das Urheberrecht vor allem Mittel zum Zweck, die deutsche Bevölkerung vor dem „gefährlichen Buch “ – wie „Mein Kampf“ in einer jüngst gesendeten Dokumentation auf Arte bezeichnet wurde – zu schützen.

Ein wesentliches Propagandamittel

Aber geschützt wurde sie im besten Fall vor Neuausgaben. In deutschen Antiquariaten wurde es schon immer angeboten, gar nicht zu reden von den fremdsprachigen Ausgaben in fast aller Herren Länder. Und seit „Mein Kampf“ vollkommen legal im Internet angeboten wird und heruntergeladen werden kann, dürfte sich der Schutzgedanke – zumindest hinsichtlich der Zielgruppe – erledigt haben. Wer das Buch lesen will, der konnte das auch bisher schon.

Wenn also einerseits das Urheberrecht erlischt und das Buch damit „gemeinfrei“ wird, andererseits der Schutzgedanke sich erledigt hat – wie lässt sich dann ein fortgeltendes Verbot unkommentierter Neuausgaben begründen? Die Antwort steht im Strafgesetzbuch. Der Bundesgerichtshof hat sie nicht gefunden, als er 1979 hineingesehen hat. Damals hat er in einem Verfahren über antiquarisch angebotene Ausgaben entschieden, dass „Mein Kampf“ nicht den Tatbestand des „Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ (§86 Strafgesetzbuch) erfüllt.

Natürlich war auch den Bundesrichtern klar, dass das Buch eines der wesentlichen Propagandamittel der – nach dem Krieg – verbotenen NSDAP gewesen ist. Weil es aber vor Inkrafttreten des Grundgesetzes entstanden sei, urteilten sie, handele es sich um eine „vorkonstitutionelle Schrift, aus deren unverändertem Inhalt sich eine Zielrichtung gegen die in der Bundesrepublik Deutschland erst später verwirklichte freiheitliche demokratische Ordnung noch nicht ergeben“ könne.

Das war richtig – und dennoch war das Urteil damals offenkundig falsch. Der Bundesgerichtshof hatte einen Straftatbestand nicht geprüft, der offensichtlich sehr viel näher lag. § 130 StGB bestimmt als Volksverhetzung: „Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe (...) zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert (...), wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Hitlers Buch ist über weite Teile eine antisemitische Hetzschrift, die selbstverständlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Warum die Bundesrichter § 130 StGB seinerzeit keine Beachtung geschenkt haben, ist ein Rätsel. Klar ist aber, dass jede unkommentierte Neuausgabe als Volksverhetzung geahndet würde. Und klar ist damit auch, dass der Schutzgedanke des Verbots – wenn auch mit einer anderen Zielgruppe – an Aktualität bis heute nichts verloren hat.

Auch in Zukunft werden also keine unkommentierten Neuausgaben in den Buchhandlungen stehen. Aber auch künftig wird ein Klick im Internet genügen, um „Mein Kampf“ in den unterschiedlichsten Versionen zu lesen. So wird ausgerechnet das world wide web zum Nachlassbewahrer Adolf Hitlers. Nichts hatte er mehr gefürchtet als die globalisierte Welt.

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