EINFÜHRUNG IN DAS
BIBELGOTISCHE
Roland Schuhmann
21. JUNI 2023
Vorwort
Die Einrichtung des hier vorgelegten Buchs, das teils aus unterschiedlichen
Unterrichtsveranstaltungen zum Gotischen, teils durch die erstmalige Auseineinandersetzung
mit einigen Texten erwachsen ist, ist im Großen und Ganzen durch die mit ihm verbundene
Absicht vorgegeben. Es soll primär den Bedürfnissen des Unterrichts entsprechen und als
Begleitung zu einer Einführungveranstaltung in das Bibelgotische dienen. Darüber hinaus kann
es auch zur eigenständigen Einarbeitung in die Materie verwendet werden. Aus diesen Gründen
kann es auch nur eine rudimentäre Einleitung und Grammatik enthalten; es wurde an keiner
Stelle Vollständigkeit angestrebt, ebenso wie auf die Erörterung umstrittener Probleme
verzichtet werden musste. Dies konnte hier um so leichter geschehen, da es einige ausführliche
Grammatiken zur gotischen Sprache gibt, die als (nahezu) vollständig angesehen werden
können und/oder in denen solche Einzelprobleme mehr oder weniger ausführlich behandelt
werden. Der Schwerpunkt liegt hier vielmehr insgesamt auf der Textlektüre, die dazu dienen
soll, den Studierenden die gotische Sprache selbst näher zu bringen. Die Bibliografie soll dem
Studierenden oder Einsteiger helfen, tiefer in das Gotische und dessen vielfältige Problematik
einzudringen.
Der Textauswahl liegen unterschiedliche Quellen zugrunde. Die herausgesuchten Texte
des Alten und Neuen Testaments, der Paulinischen Briefe sowie die gotischen Unterschriften
der Urkunden beruhen auf der immer noch maßgeblichen Ausgabe von Wilhelm Streitberg. Die
Textfassung wurde aber immer mit der Ausgabe von Magnús Snædal abgeglichen; dies ist
deswegen notwendig, da die Ausgabe von Streitberg insgesamt veraltet ist. Eine Neuedition,
die auch die neuentdeckten Denkmäler des Gotischen enthält, wird dringend benötigt und wäre
momentan die wichtigste Forschungsaufgabe. Auf die Beifügung einer griechischen
Entsprechung wurde bei den Texten des Alten und Neuen Testaments verzichtet. Dem Text der
Skeireins liegt die maßgebliche Ausgabe von John Bennett zugrunde, dem Text des Codex
Bononiensis die maßgebliche Ausgabe von Carla Falluomini. Das krimgotische Material
entstammt der Ausgabe von Maksim Korobov und Andrey Vonogradov.
Jede vorkommende Form ist grammatisch bestimmt, bei Wiederholung wird die
Bestimmung aber nicht erneut angeführt. Dazu kommen mehr oder weniger ausführliche
sprachhistorische Erläuterungen. Dies geschieht, um dem Studierenden vor Auge zu führen,
dass das Gotische ein Teil des Germanischen und damit ein Zweig der Indogermanischen
Sprachfamilie ist. Bei der in einem Buch wie diesem begrenzt zur Verfügung stehenden Raum
musste bei den etymologischen Angaben selbstverständlich einiges verkürzt und vereinfacht
dargestellt werden. Der Begriff Lehnwort ist in den Kommentaren sehr weit gefasst und reicht
von älteren Lehnwortschichten im Gotischen bis zu den Transliterationen griechischer und
lateinischer Bibelnamen.
Ich habe mich dazu durchgerungen, trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten eine
deutsche Übersetzung der nicht unmittelbar aus der Bibel übersetzten Texte beizugeben. Diese
versucht einerseits, dem gotischen Text so nah wie möglich zu folgen, andererseits aber auch
noch halbwegs lesbar zu sein.
Der grammatische Teil, der während der Lektüre immer mitbenutzt werden sollte,
enthält synchrone und diachrone Informationen. Teils werden etymologische Angaben aus den
Texten wiederholt; diese Redundanz ist beabsichtigt, damit beide Teile auch separat
voneinander verwendet werden können.
Alle genannten Jahreszahlen sind als n. Chr. zu verstehen, sofern keine nähere Angabe
steht.
Im Haupttext sind kaum Literaturangaben angeführt. Lediglich dann, wenn die hier
vorgetragene Auffassung deutlich von der Communis Opinio abweicht, wird auf entsprechende
Literatur verwiesen. Eine Literaturangabe ist somit immer der Hinweis auf eine von der
Communis Opinio stark abweichende Ansicht.
{Danksagung}
Jena/Hansfelde, im September 2020.
Roland Schuhmann
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG ..................................................................................................................................................... 5
1.
Die Goten .................................................................................................................................................. 5
2.
Wulfila und das Christentum .................................................................................................................... 6
3.
Die Quellen des Gotischen ....................................................................................................................... 8
4.
Die gotische Schrift ................................................................................................................................ 15
5.
Die Aussprache der gotischen Schriftzeichen ......................................................................................... 17
5.1.
Vokale ........................................................................................................................................... 17
5.2.
Konsonanten .................................................................................................................................. 18
II. TEXTE NEBST ERLÄUTERUNGEN ............................................................................................................ 20
1.
Aus den Evangelien ................................................................................................................................ 20
1.1.
Matthaeus 6:9–13: Das Vaterunser ............................................................................................... 20
1.2.
Matthaeus 8:1–4: Die Heilung eines Aussätzigen ......................................................................... 23
1.3.
Matthaeus 8:23–27: Die Stillung des Sturms ................................................................................ 25
1.4.
Matthaeus 8:28–34: Die Heilung von zwei besessenen Gadarenern ............................................. 26
1.5.
Matthaeus 9:1–8: Die Heilung eines Gelähmten ........................................................................... 29
1.6.
Matthaeus 26:69–75: Die Verleugnung des Petrus ....................................................................... 32
1.7.
Johannes 6:1–15: Die Speisung der Fünftausend .......................................................................... 34
1.8.
Johannes 6:16–21: Jesus geht über das Wasser ............................................................................. 38
1.9.
Johannes 11:1–45: Die Auferweckung des Lazarus ...................................................................... 39
1.10.
Johannes 13:21–30: Jesus, der Lieblingsjünger und der Verräter ................................................. 46
1.11.
Johannes 13:36–38: Die Ankündigung der Verleugnung des Petrus ............................................ 47
1.12.
Johannes 18:1–11: Jesu Gefangennahme ...................................................................................... 48
1.13.
Johannes 18:25–27: Die Verleugnung des Petrus ......................................................................... 50
1.14.
Johannes 18:28–40: Jesu Verhör vor Pilatus ................................................................................. 50
1.15.
Johannes 19:1–5: Jesu Geißelung und Verspottung ...................................................................... 53
1.16.
Lukas 1:26–38: Die Ankündigung der Geburt Jesu ...................................................................... 54
1.17.
Lukas 2:1–20: Jesu Geburt ............................................................................................................ 56
1.18.
Lukas 3,21–22: Jesu Taufe ............................................................................................................ 60
1.19.
Lukas 5:12–16: Die Heilung eines Aussätzigen ............................................................................ 61
1.20.
Lukas 5:17–26: Die Heilung eines Gelähmten und die Vollmacht zur Sündenvergebung............ 62
1.21.
Lukas 9:1–6: Die Aussendung der Zwölf ...................................................................................... 64
1.22.
Lukas 9:10–17: Die Rückkehr der Zwölf. Die Speisung der Fünftausend .................................... 65
1.23.
Markus 1:1–8: Johannes der Täufer .............................................................................................. 67
1.24.
Markus 1:14–20: Der Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa. Die Berufung der ersten Jünger ....... 69
1.25.
Markus 3:13–19: Die Berufung der Zwölf .................................................................................... 70
1.26.
Markus 7:31–37: Die Heilung eines Tauben ................................................................................. 71
1.27.
Markus 8:22–26: Die Heilung eines Blinden ................................................................................ 72
1.28.
Markus 10:1–12: Von Ehe und Ehescheidung .............................................................................. 73
1.29.
Markus 14:53–65: Jesus vor dem Hohen Rat ................................................................................ 74
1.30.
Markus 15:6–20: Jesu Verurteilung und Verspottung ................................................................... 76
1.31.
Markus 15:21–41: Jesu Kreuzigung und Tod................................................................................ 78
1.32.
Markus 15:42–47: Jesu Grablegung .............................................................................................. 81
1.33.
Markus 16:1–8: Die Botschaft von Jesu Auferstehung ................................................................. 83
1.34.
Markus 16:9–20: Erscheinungen des Auferstandenen und Himmelfahrt ...................................... 84
2.
Aus dem Alten Testament....................................................................................................................... 86
2.1.
Nehemiah 5:14–18: Nehemia im Dienst seines Volkes ................................................................ 86
2.2.
Nehemiah 6:15–19: Die Mauer wird vollendet ............................................................................. 88
3.
Aus den Paulinischen Briefen ................................................................................................................. 89
3.1.
2. Brief des Paulus an die Thessaloniker ....................................................................................... 89
3.2.
Brief des Paulus an Titus ............................................................................................................... 96
4.
Aus der Skeireins .................................................................................................................................. 100
4.1.
4.2.
Blatt 3 .......................................................................................................................................... 100
Blatt 4 .......................................................................................................................................... 103
5. Codex Bononiensis ..................................................................................................................................... 105
5.1.
Blatt 1 .......................................................................................................................................... 105
5.2.
Blatt 2 .......................................................................................................................................... 109
6. Aus den gotischen Inschriften von Mangup ............................................................................................... 112
6.1.
Fragment 1.1 ............................................................................................................................... 112
6.2.
Fragment 1.2 ............................................................................................................................... 113
6.3.
Fragment 1.4 ............................................................................................................................... 113
7. Verkaufsurkunden ...................................................................................................................................... 113
7.1.
Verkaufsurkunde von Neapel ...................................................................................................... 113
7.2.
Verkaufsurkunde von Arezzo ...................................................................................................... 114
8. Übersetzungen der nicht (unmittelbar) aus der Bibel stammenden Texte .................................................. 115
8.1.
4.1. Skeireins, Blatt 3 .................................................................................................................. 115
8.2.
4.2. Skeireins, Blatt 4 .................................................................................................................. 115
8.3.
5.1. Codex Bononiensis, Blatt 1 .................................................................................................. 116
8.4.
5.2. Codex Bononiensis, Blatt 2 .................................................................................................. 117
8.5.
6.1. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.1 ............................................................................... 117
8.6.
6.2. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.2 ............................................................................... 117
8.7.
6.3. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.4 ............................................................................... 118
8.8.
7.1. Verkaufsurkunde von Neapel ............................................................................................... 118
8.9.
7.2. Verkaufsurkunde von Arezzo ............................................................................................... 118
III. LAUT- UND FORMENLEHRE DES GOTISCHEN ................................................................................... 119
1.
Gotisch als Teil der indogermanischen und germanischen Sprachfamilie ............................................ 119
2.
Lautlehre ............................................................................................................................................... 122
2.1.
Das Phonemsystem des Urindogermanischen ............................................................................. 122
2.2.
Vom Urindogermanischen zum Urgermanischen ....................................................................... 124
2.2.1. Vokalismus ............................................................................................................................. 124
2.2.2. Konsonantismus ..................................................................................................................... 127
2.2.3. Akzent .................................................................................................................................... 130
2.3.
Vom (Spät)Urgermanischen zum Gotischen ............................................................................... 130
2.3.1. Vokalismus ............................................................................................................................. 131
2.3.2. Konsonantismus ..................................................................................................................... 132
2.3.3. Akzent .................................................................................................................................... 134
3.
Formenlehre .......................................................................................................................................... 135
3.1.
Deklination .................................................................................................................................. 135
3.1.1. Deklination des Substantivs.................................................................................................... 135
3.1.2. Deklination der Pronomina ..................................................................................................... 149
3.1.3. Deklination des Adjektivs ...................................................................................................... 156
3.1.4. Zahlwörter .............................................................................................................................. 163
3.2.
Konjugation ................................................................................................................................. 167
3.2.1. Die starken Verben ................................................................................................................. 170
3.2.2. Die schwachen Verben ........................................................................................................... 178
3.2.3. Die besonderen Verbalbildungen ........................................................................................... 182
3.3.
Unflektierbare Wörter ................................................................................................................. 185
3.3.1. Präpositionen, Präfixe............................................................................................................. 185
3.3.2. Konjunktionen ........................................................................................................................ 186
3.3.3. Interjektionen.......................................................................................................................... 187
Liste der in den Texten etymologisch behandelten Wörter ................................................................................. 188
Abkürzungsverzeichnis
(soweit sie nicht allgemein üblich sind)
1.Kor
2.Kor
1.Tim
2.Tim
1.Thess
2.Thess
aalb.
aav.
abl.
abret.
adän.
adj.
adv.
advers.
aengl.
afries.
afrz.
agut.
ahd.
aheth.
ai.
air.
aisl.
akk.
akorn.
aksl.
akt.
akymr.
alat.
alb.
alit.
anaphor.
andl.
anom.
apers.
apreuß.
aprov.
aram.
arm.
aruss.
as.
aschwed.
aslaw.
athem.
att.
av.
burgund.
dat.
dem.pron.
dial.
dor.
dt.
du.
engl.
Eph
enklit.
estn.
erster Brief an die Korinther
zweiter Brief an die Korinther
erster Brief an Timotheus
zweiter Brief an Timotheus
erster Brief an die Thessaloniker
zweiter Brief an die Thessaloniker
altalbanisch
altavestisch
Ablativ
altbretonisch
altdänisch
Adjektiv, adjektivisch
Adverb, adverbial
adversativ
altenglisch
altfriesisch
altfranzösisch
altgutnisch
althochdeutsch
althethitisch
altindisch
altirisch
altisländisch
Akkusativ
altkornisch
altkirchenslawisch
Aktiv
altkymrisch
altlateinisch
albanisch
altlitauisch
anaphorisch
altniederländisch
anomal
altpersisch
altpreußisch
altprovenzalisch
aramäisch
armenisch
altrussisch
altsächsisch
altschwedisch
altslawisch
athematisch
attisch
avestisch
burgundisch
Dativ
Demonstrativpronomen
Dialekt, dialektal
Dorisch
deutsch
Dual
englisch
Brief an die Epheser
enklitisch
estnisch
f.
falisk.
fem.
finn.
Phil
fragepart.
fries.
galat.
gall.
geg.
gen.
germ.
Gal
got.
gr.
hebr.
heth.
hluw.
idg.
imp.
ind.
indef.pron.
indekl.
inf.
inselfries.
instr.
interj.
interrog.pron.
ion.
italien.
jav.
Joh
Kal
katal.
kelt.
keltiber.
KHG
Kl
kluw.
komp.
konj.
konjunk.
Kons.st.
krimgot.
kroat.
ksl.
KVG
kymr.
lat.
lett.
lgb.
lit.
Lk
lok.
lyd.
lyk.
m.
Femininum, feminin
faliskisch
Femininum, feminin
Finnisch
Brief an die Philipper
Fragepartikel
friesisch
galatisch
gallisch
gegisch
Genitiv
germanisch
Brief an die Galater
gotisch
griechisch
hebräisch
hethitisch
hieroglyphenluwisch
indogermanisch
Imperativ
Indikativ
Indefinitpronomen
indeklinabel
Infinitiv
inselfriesisch
Instrumental
Interjektion
Interrogativpronomen
ionisch
italienisch
jungavestisch
Johannes
Kalender
katalanisch
keltisch
keltiberisch
Kompositionshinterglied
Brief an die Kolosser
keilschriftluwisch
Komparativ
Konjunktion
Konjunktiv
Konsonantenstamm
krimgotisch
kroatisch
kirchenslawisch
Kompositionsvorderglied
kymrisch
lateinisch
lettisch
langobardisch
litauisch
Lukas
Lokativ
lydisch
lykisch
Maskulinum, maskulin
mask.
mbret.
mengl.
med.
mhd.
mir.
Mk
mkymr.
mlat.
mndd.
mndl.
Mt
myk.
N
n.
ndän.
nengl.
neg.
Neh
neutr.
nhd.
nisl.
nnordfries.
nnorw.
nom.
nordhumbr.
npers.
nruss.
nschwed.
num.
nwestfries.
ogamir.
opt.
osk.
osset.
pamphyl.
part.
pass.
perf.
pers.pron.
phryg.
pl.
poet.
port.
poss.pron.
präp.
präs.
prät.
prät.präs.
pron.
pron.adj.
prov.
refl.pron.
rel.part.
rel.pron.
Röm
run.
run.dän.
run.norw.
run.schwed.
sabin.
serb.
sg.
Sk
slowen.
span.
st.
St.
subst.
südpik.
superl.
suppl.
sw.
toch.
tosk.
Tit
umbr.
unreg.
urgerm.
uridg.
Urk
V.
vandal.
ved.
Ver
vok.
vulg.lat.
westsächs.
Maskulinum, maskulin
mittelbretonisch
mittelenglisch
Medium
mittelhochdeutsch
Mittelirisch
Markus
mittelkymrisch
mittellateinisch
mittelniederdeutsch
mittelniederländisch
Matthäus
mykenisch
Name
Neutrum, neutral
neudänisch
neuenglisch
Negation
Nehemia
Neutrum, neutral
neuhochdeutsch
neuisländisch
neunordfriesisch
neunorwegisch
Nominativ
nordhumbrisch
neupersisch
neurussisch
neuschwedisch
Numerale
neuwestfriesisch
ogamirisch
Optativ
oskisch
ossetisch
pamphylisch
Partizip
Passiv
Perfekt
Personalpronomen
phrygisch
Plural
poetisch
portugiesisch
<
>
* (vor einem Wort)
* (nach einem got. Wort)
<…>
[…]
stammt aus
wird zu
eine erschlossene Form/ein erschlossenes Wort
eine anzunehmende Wortform, da andere Formen aus dem entsprechenden Paradigma
belegt sind
Buchstabenfolge
phonetische Umschrift
Konkordanz zu den Abkürzungen in Snaedal:
1.Kor
2.Kor
1T
2T
1.Thess
2.Thess
Eph
1K
2K
1.Tim
2.Tim
1Þ
2Þ
Ef
Possessivpronomen
Präposition
Präsens
Präteritum
Präteritopräsens
Pronomen, pronominal
Pronominaladjektiv
provenzalisch
Reflexivpronomen
Relativpartikel
Relativpronomen
Brief an die Römer
runisch
runendänisch
runennorwegisch
runenschwedisch
sabinisch
serbisch
Singular
Skeireins
slowenisch
spanisch
stark
Stamm
Substantiv, substantivisch
südpikenisch
Superlativ
Supletiv
schwach
tocharisch
toskisch
Brief an Titus
umbrisch
unregelmäßig
urgermanisch
urindogermanisch
Urkunden von Neapel und Arezzo
Verb, verbal
vandalisch
vedisch
Gotica Veronensia
Vokativ
vulgärlatein
westsächsisch
Phlm
Phil
Gal
Jh
Kol
Röm
Tit
Fil
Fl
Gl
Joh
Kl
Rm
Tt
[1]
Literatur
Die Anzahl an Einführungen, Grammatiken etc. des Gotischen ist unüberschaubar groß.
In dieser Literaturliste wird daher lediglich eine kleine Auswahl der wichtigsten Literatur
geboten. Von ihr ausgehend, lässt sich ein guter Überblick über die relevante Literatur zum
Gotischen gewinnen.
Bibliographische Hilfsmittel (chronologisch)
• Mossé, Fernand 1950. ‚Bibliographia Gotica. A bibliography of writings on the gothic
language to the end of 1949‘. Mediaeval Studies 12, 237–324.
• Mossé, Fernand 1953. ‚Bibliographia Gotica. First supplement, corrections and additions to
the middle of 1953‘. Mediaeval Studies 15, 169–183.
• Mossé, Fernand †, James Woodrow Marchand, J. W. 1957. ‚Bibliographia Gotica. Second
supplement, corrections and additions to the middle of 1957‘. Mediaeval Studies 10, 174–
196.
• Ebbinghaus, Ernst Albrecht. 1967. ‚Bibliographia Gotica. Third supplement, corrections and
additions to the end of 1965‘. Mediaeval Studies 29, 328–343.
• Ebbinghaus, Ernst Albrecht. 1974. ‚Bibliographia Gotica. Fourth supplement, additions to
the end of 1972‘. Mediaeval Studies 36, 199–214.
• Petersen, Christian Tobias. 1997. ‚Bibliographia Gotica. Fifth supplement, corrections and
additions to the middle of the nineties‘. Mediaeval Studies 59, 301–356.
• Petersen, Christian Tobias. 2005. Bibliographia Gotica Amplificata. A Bibliography of
Writings on the Gothic Language from their beginnings to the turn of the millennium.
Darmstadt: Syllabus-Verlag. [CD-Rom]
Textausgaben (alphabetisch)
• Bennett, William Holmes. 1960. The Gothic commentary on the Gospel of John: Skeireins
Aiwaggeljons þairh Iohannen. A Decipherment, Edition, and Translation. New York:
Modern Language Association.
• Bischoff, Bernhard. 1984. ‚Ein karolingisches Denkmal des Gotischen (zweite Hälfte des
neunten Jahrhunderts)‘. In: Bernhard Bischoff (Hrsg.). Anecdota novissima – Texte des
vierten bis sechzehnten Jahrhunderts, 256–258. Stuttgart.
• Falluomini, Carla. 1999. Der sogenannte Codex Carolinus von Wolfenbüttel (Codex
Guelferbytanus 64 Weissenburgensis). Mit besonderer Berücksichtigung der gotischlateinischen Blätter (255, 256, 277, 280). Wiesbaden: Harrassowitz.
• Falluomini, Carla. 2014. ‚Zum gotischen Fragment aus Bologna‘. Zeitschrift für deutsches
Altertum und deutsche Literatur 143, 281–305.
• Falluomini, Carla. 2017. ‚Zum gotischen Fragment aus Bologna II: Berichtigungen und neue
Lesungen‘. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 146, 284–294.
[2]
• Finazzi, Rosa Bianca, Paola Tornaghi. 2013. ‚Gothica Bononiensia: Analisi linguistica e
filologica di un nuovo documento‘. Aevum 87, 113–155.
• Gabelentz, H[ans] C[onon] de, J[ulius] Loebe. 1843. Ulfilas veteris et novi testamenti
versionis Gothicae fragmenta quae supersunt. Vol. I: Textum continens. Leipzig: F. A.
Brockhaus.
• Glaue, [Karl Leopold] Paul, Karl Helm. 1910. ‚Das gotisch-lateinische Bibelfragment der
Universitätsbibliothek zu Gießen‘. Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 11, 1–
38
• Korobov, Maksim, Andrey Vinogradov. 2016. ‚Gotische Graffito-Inschriften aus der
Bergkrim‘. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 145, 141–157.
• Nedoma, Robert. 2010. ‚Schrift und Sprache in den ostgermanischen Runeninschriften‘.
North-Western European Language Evolution 58/59, 1–70.
• Snædal, Magnús. 2013. A concordance to Biblical Gothic. Part I: Introduction. Texts.
Reykjavík: University of Iceland Press.
• Streitberg, Wilhelm. 2000. Die gotische Bibel. Band 1: Der gotische Text und seine
griechische Vorlage. Mit Einleitung, Lesarten und Quellennachweisen sowie den kleineren
Denkmälern als Anhang. Mit einem Nachtrag v. P. Scardigli. 7. Auflage. Heidelberg:
Winter.
• Vinogradov, Andrey, Maksim Korobov. 2018. ‘Gothic graffiti from the Mangup basilica’.
North-Western European Language Evolution 71, 223–235.
Einführungen, Handbücher, Grammatiken, Sprachgeschichten (alphabetisch)
• Bennett, William Holmes. 1980. An introduction to the Gothic language. New York:
Modern Language Association.
• Bethge, R[ichard]. 1898–1900. ‚Gotisch‘. In: Ferdinand Dieter. Laut- und Formenlehre der
altgermanischen Dialekte. (21–35: Vokalismus; 193–214: Konsonantismus; 391–408:
Konjugation; 568–602: Deklination). Leipzig: O. R. Reisland.
• Braune, Wilhelm. 2004. Gotische Grammatik mit Lesestücken und Wörterverzeichnis. 20.
Auflage, neu bearbeitet von Frank Heidermanns. Tübingen: Max Niemeyer Verlag.
• Gabelentz, H[ans] C[onon] de, J[ulius] Loebe. 1846. Ulfilas veteris et novi testamenti
versionis Gothicae fragmenta quae supersunt. Vol. II, pars posterior: Grammaticam linguae
Gothicae continens. Leipzig: F. A. Brockhaus.
• van Hamel, A[nton] G[erard]. 1931. Gotisch handboek. Tweede druk. Haarlem: H. D.
Tjeenk Willink & Zoon.
• Jellinek, Max Hermann. 1926. Geschichte der gotischen Sprache. Berlin: Walther de
Gruyter & Co.
• Kieckers, Ernst. 1928. Handbuch der vergleichenden gotischen Grammatik. München:
Hueber.
• Krahe, Hans. 1967. Historische Laut- und Formenlehre des Gotischen. Zugleich eine
Einführung in die germanische Sprachwissenschaft. 2. Auflage, bearbeitet von Elmar
Seebold. Heidelberg: Carl Winter.
• Krause, Wolfgang. 1968. Handbuch des Gotischen. 3., neubearbeitete Auflage. München:
Beck.
[3]
• Miller, D. Gary. 2018. The Oxford Gothic Grammar. Oxford: Oxford University Press.
• Mossé, Fernand. 1956. Manuel de la langue gotique. Grammaire, textes, notes, glossaire.
Nouvelle édition. Paris: Aubier.
• Piras, Antonio. 2007. Manuale di Gotico. Avviamento alla lettura della versione gotica del
Nuovo Testamento. Roma: Herder.
• Rauch, Irmengard. 2011. The Gothic language. Grammar, genetic provenance and typology,
readings. 2nd edition. New York [u.a.]: Lang.
• Streitberg, Wilhelm. 1920. Gotisches Elementarbuch. 5. und 6. neubearbeitete Auflage.
Heidelberg: Carl Winter.
• Wright, Joseph. 1997. Grammar of the Gothic language and the gospel of St. Mark,
selections from the other gospels and the second epistle to Timothy with notes and glossary.
Oxford: Clarendon Press.
(Etymologische) Wörterbücher, Konkordanzen (alphabetisch)
• Devlamminck, Bernard, Guy Jucquois. 1977. Complément aux dictionnaires étymologiques
du gotique. Tome 1 (A-F). Louvain: Peeters.
• Feist, Siegmund. 1939. Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache. Mit Einschluss
des Krimgotischen und sonstiger zerstreuter Überreste des Gotischen. Dritte neubearbeitete
und vermehrte Auflage. Leiden: E. J. Brill.
• Gabelentz, H[ans] C[onon] de, J[ulius] Loebe. 1843. Ulfilas veteris et novi testamenti
versionis Gothicae fragmenta quae supersunt. Vol. II, pars prior: Glossarium linguae
Gothicae continens. Leipzig: F. A. Brockhaus.
• Holthausen, Ferdinand. 1934. Gotisches etymologisches Wörterbuch. Mit Einschluß der
Eigennamen und der gotischen Lehnwörter im Romanischen. Heidelberg: Carl Winter.
• Lehmann, Winfred P. 1986. A Gothic etymological dictionary. Based on the 3. ed. of
„Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache“ by S. Feist. With bibliography
prepared under the direction of Helen-Jo J. Hewitt. Leiden: E. J. Brill.
• Magnús Snædal. 2013. A concordance to Biblical Gothic. Part II: Concordance. Reykjavík:
University of Iceland Press.
• Streitberg, Wilhelm. 2000. Gotisch-Griechisch-Deutsches Wörterbuch. Um zwei neue
Wörter ergänzt von P. Scardigli. 6. Auflage. Heidelberg: Winter.
• Tollenaere, Felicien de, Randall L. Jones 1976. Word-indices and word-lists to the Gothic
bible and minor fragments. Leiden: Brill.
Sonstige wichtige Literatur (alphabetisch)
• Casaretto, Antje. 2004. Nominale Wortbildung der gotischen Sprache. Die Derivation der
Substantive. Heidelberg: Winter.
• García García, L. 2005. Germanische Kausativbildung. Die deverbalen jan-Verben im
Gotischen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
• Griepentrog, Wolfgang. 1988. Synopse der gotischen Evangelientexte. München: Kitzinger.
[4]
• Lühr, Rosemarie. 1985. ‚Die Deklination griechischer und lateinischer Wörter in Wulfilas
gotischer Bibelübersetzung‘. Münchener Studien zur Sprachwissenschaft 46, 139–155.
• Marchand, James W[oodrow]. 1973. The sounds and phonemes of Wulfila’s Gothic. The
Hague [u.a.]: Mouton.
• Neri, Sergio. 2003. I sostantivi in -u del gotico. Morfologia e preistoria. Innsbruck: Institut
für Sprachen und Literaturen der Universität Innsbruck.
• Schubert, Hans-Jürgen. 1968. Die Erweiterung des bibelgotischen Wortschatzes mit Hilfe
der Methoden der Wortbildungslehre. München: Hueber.
• Stutz, Elfriede. 1966. Gotische Literaturdenkmäler. Stuttgart: Metzler.
• Wagner, Norbert. 1994. ‚Zu den Gotica der Salzburg-Wiener Alcuin-Handschrift‘.
Historische Sprachforschung 107, 263–283.
• Wrede, Ferdinand. 1891. Über die Sprache der Ostgoten in Italien. Strassburg: Karl J.
Trübner.
Wichtige Websites
• http://www.alvin-portal.org/alvin/imageViewer.jsf?dsId=ATTACHMENT0001&pid=alvin-record%3A60279&dswid=-3888
– Handschrift des Codex Argenteus
online.
• http://www.wulfila.be/gothic/
– Digitalisierte Ausgabe der bibelgotischen Texte
(und der Skeireins, des Kalenders und der Unterschriften der Verkaufsurkunden) mit
Wortbestimmungen (mit weiterführenden Links).
• [http://www.cs.tut.fi/~dla/gothic.html
– U.a zeilengetreue Transkription des
Codex Argenteus zum Downloaden (auch weiterführende Links) (offline)].
• http://www.alvin-portal.org/alvin/view.jsf?pid=alvin-record%3A173610&dswid=1385
– Eine digitalisierte Fassung der Faksimile-Ausgabe des Codex Argenteus von 1927
(schwarz-weiß).
• http://www.gotica.de/
– Sammlung und Edition der gotischen Texte
außerhalb des Codex Argenteus.
– Solide Einführung in das Gotische zum
• https://lrc.la.utexas.edu/eieol/gotol
Selbststudium.
– Praktisches Wörterbuch mit
• http://www.koeblergerhard.de/gotwbhin.html
sämtlichen Stellenangaben.
• https://spw.uni-goettingen.de/projects/aig/lng-Goth.html
– Gute (etwas kurze)
Einführung zum Gotischen durch Ryan Sandell und Nelson Goering in Videos.
[5]
I. EINLEITUNG
1.
Die Goten
Der Gegenstand dieses Buches ist die Sprache des germanischen Volkes der Goten.
Dessen älteste nachweisbare Namensform ist gr. Goútōnes, lat. Gutones (später Gotones), die
auf germ.-got. *Gutans n-St. ‚die Goten‘ basieren; vgl. noch got. (dat.) ana gut-þiudai ‚en
gotthía, im Gotenvolk‘ (zweimal im gotischen Kalender [Kal 1:1.7]; vgl. aisl. [unsicher
überliefert] Gotþjóð neben assimiliertem Goðþjóð), aengl. Gotan (nom.sg. Gota, dat.sg. Gotan,
nom.pl. Gotan, gen.pl. Gotena), agut. Gutnalþing (= Gutna alþing ‚das Allding der Goten‘),
aisl. (gen.pl.) Gotna, aschwed. (sg.) Guti, (pl.) Gutar; der VölkerN liegt wohl auch in run. gutani
(Goldring von Pietroasele, 1. Hälfte 5. Jh.) vor; die Form wird zumeist als ein Gen.Pl., also als
‚der Goten‘ gedeutet. Jünger (ab dem 3. Jh.) ist die Deklination als o-St. im Latischen und auch
im Griechischen: lat. Got(h)i, gr. Gó(t)thoi.
Der Name der Goten, urgerm. *ǥut-an-iz, ist eine schwundstufige Bildung zur Verbalwurzel
urgerm. *ǥe te/a- ‚gießen‘ (> got. giutan*, ahd. giozan, as. giotan, andl. gietan, aengl. gēotan, afries.
giata, jāta, aisl. gjóta); das genaue Benennungsmotiv (‚die sich Ergießenden‘, ‚Samenergießer‘,
‚männliches Wesen‘, ‚Hengst‘, ‚Jüngling‘?) bleibt im Detail aber unklar.
Nach der Angabe in den Getica (um 551 veröffentlicht) des lateinisch schreibenden
römisch-gotischen Autors Iordanes sind die Goten einst aus Skandinavien ausgewandert (c. 4:
‚es wird überliefert, dass die Goten einst unter ihrem König namens Berig aus dieser Insel
Scandza ausgezogen sind‘). Obwohl die Herkunft aus Skandinavien in der Forschung in der
Regel kritisch gesehen wird, ist sie dennoch – schon wegen der Namen der Insel Gotland und
der Region Götaland in Schweden – wahrscheinlich. Die Nachricht bei Iordanes ist aber sicher
nicht so zu verstehen, dass ein gesamter Stammesverband aus Skandinavien aufgebrochen ist;
vielmehr wird es sich um eine kleinere Gruppe, einen so genannten Traditionskern gehandelt
haben. Bei den antiken Autoren Plinius, Tacitus und Ptolemaios sind die Goten als Anwohner
der Ostseeküste bezeugt, einem Gebiet, das bei Iordanes Gothiscandza genannt wird. Wohl
nach der Mitte des 2. Jh.s begeben sich die Goten auf Wanderschaft nach Süden. Erst ab der
ersten Hälfte des 3. Jh.s treten sie wieder in Erscheinung, als sie in ihren neuen Wohnsitzen im
Südosten (im Gebiet des jetzigen Rumäniens, Moldawiens und der Ukraine) angekommen sind.
Ihr Zug führt sie an einem Gebiet mit dem Namen Oium (Iordanes, Getica 4) vorbei, das wohl
das Wort got. dat.pl. f. *aujom ‚am Wasser gelegenes Land, Wiese, Aue‘ wiedergibt. Als
[6]
Nachbarn des Römischen Reichs fallen sie plündernd in Moesien, Thrakien und Kleinasien ein.
Schließlich setzen sich einzelne Gotenteile innerhalb des Römischen Reichs fest, und zwar in
Kleinasien (hier Gotthograĩkoi genannt), nördlich der Donau und in Dakien. Goten treten auch
als Söldner in römischem Dienst, kämpfen u.a. gegen die Perser und gelangen in Garnisonen
nach Ägypten. Unter Konstantin dem Großen erlangen große Verbände der Goten den Status
von Foederaten.
Im 3. Jh. spalten sich die Goten in zwei Gruppen, die in zwei unterschiedlichen
Nomenklaturen
überliefert
sind.
Einerseits
ist
in
den
antiken
Quellen
von
Austro-/Ostrogot(h)ae und Visigot(h)ae die Rede, die heute als Ostgoten und Westgoten
bezeichnet werden, andererseits von Greotungi/Greotingi und Tervingi.
Das Element Austro-/Ostro- führt auf urgerm. *a stra- ‚ost-‘ zurück, während das Element
Visi- nichts mit ‚West-‘ zu tun hat, sondern wohl urgerm. * esu- ‚gut‘ fortsetzt. Der Völkername
Greotungi/Greotingi ist eine Ableitung mit dem Suffix urgerm. *-u/inga- von urgerm. *ǥre ta- ‚Grieß,
Sand‘ (> ahd. grioz, as. griot, andl. griet, aengl. grēot, afries. grēt, aisl. grjót), Tervingi eine Ableitung
mit demselben Suffix von urgerm. *ter ( )a(n)/ōn- ‚zum Holz gehörig, Teer‘ (> mndl. ter[re], aengl.
teru, aisl. tjara).
Seit den Hunneneinfällen ab 375 gehen die Goten dann wieder auf Wanderschaft. Unter
Alarich erobern die Westgoten im Jahre 410 Rom, kurz darauf wird in Südfrankreich das
Westgotenreich von Tolosa gegründet. In der zweiten Hälfte des 5. Jh.s besetzen die Westgoten
einen großen Teil Spaniens, verlieren aber den südfranzösischen Teil zu Beginn des 6. Jh.s an
die Merowinger. Das spanische Westgotenreich findet in 711 ein jähes Ende durch die arabische
Eroberung Spaniens. Das Ostgotenreich Ermanarichs wird von den Hunnen erobert, wobei die
Ostgoten hunnische Vasallen werden. Nach dem Tode Attilas in 453 erscheinen die Ostgoten
wieder als römische Foederaten. Unter Theoderich dem Großen ziehen sie nach Italien; dieser
gründet dort in 493 das Ostgotenreich mit der Hauptstadt Ravenna. Das Oströmische Reich
erobert dieses schließlich im Jahre 553 (Tod des letzten ostgotischen Königs Teja in 552).
Ein kleiner Teil der Goten ist nördlich des Schwarzen Meeres zusammen mit
verbündeten germanischen Stämmen zurückgeblieben. Sie zerfallen in Krimgoten (auf der
Halbinsel Krim) und Tetraxitische Goten (auf der Halbinsel Taman). Der Name der Goten lebt
auf der Krim in der kirchlichen Eparchie Gothia fort.
2.
Wulfila und das Christentum
[7]
Die Anfänge des Christentums bei den Goten gehen wohl auf einen Kriegszug nach
Kappadokien in 264 zurück, von dem sie Kriegsgefangene mitbringen, die dem Christentum
anhingen; unter ihnen sind auch die Großeltern mütterlicherseits des späteren Bischofs Wulfila.
Ein gewisser Eutyches predigt nach den Angaben des Basilius von Caesarea vor der Mitte des
4. Jh.s bei den Goten. Unsicher bleibt dagegen, ob ein im Jahre 325 in den Akten des Konzils
von Nicaea genannter Theophilos tatsächlich als Bischof bei den Krimgoten wirkt.
Die Christianisierung der in der Nähe des Römischen Reichs lebenden Goten schreitet
unter der Leitung von Wulfila voran. Das Leben und die Tätigkeit des Westgotenbischofs
Wulfila, des Urhebers der meisten got. Texte, ist durch verschiedene griechisch und lateinisch
schreibende Schriftsteller überliefert, und zwar ausführlich bei Auxentius (einem arianischen
Bischof von Durostorum in Nieder-Moesien), der in einem um die Wende 382 bis 383
verfassten Schreiben über das Leben, Glauben und Sterben seines Lehrers Wulfila berichtet,
bei Philostorgios (kurz nach 425 gestorben), der über die Herkunft und Übersetzungstätigkeit
Wulfilas berichtet und bei Sokrates, Sozomenos und Theoderet (jeweils um die Mitte des 5.
Jh.), die einige Angaben über Wulfila berichten; da es sich bei ihnen um orthodoxe Autoren
handelt, sind ihre Aussagen jedoch zum Teil tendenziös entstellt. Kürzere Nachrichten finden
sich auch noch bei Iordanes, Getica 51 (Auszug der Gothi minores [s. u.] unter der Führung
Wulfilas), Isidor von Sevilla, Historia de regibus Gothorum, Vandalorum et Suevorum c. 8
(Bibelübersetzung Wulfilas), Walafrid Strabo, Libellus de exordiis et incrementis quarundam
in observationibus ecclesiasticis rerum c. 7 (Bibelübersetzung, jedoch ohne Nennung Wulfilas).
Aus diesen Quellen ist zu erschließen, dass Wulfila 307 oder 311 geboren ist und
zunächst das Amt eines Kirchenlektors innehat, bevor er mit dreißig Jahren (337?) zum Bischof
geweiht wird. Um 348 wird Wulfila mit einer Gruppe von Christen, denen er vorstand,
vertrieben, als unter Athanaricus eine Christenverfolgung bei den Goten stattfindet. Sie flüchten
über die Donau und erhalten durch Kaiser Konstantin neue Wohnsitze in Moesia inferior. Sie
wurden dort als Gothi minores (Kleingoten) bezeichnet. Er nimmt am arianischen Konzil von
Konstantinopel in 360 teil, ebenso am Konzil von Konstantinopel in 381. In 383 (in älterer
Literatur finden sich auch die Datierungen 381 und 382) ist er während eines Konzils von
Bischöfen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, das von Kaiser Theodosius zur Beilegung der
konfessionellen Streitigkeiten einberufen wurde, in Konstantinopel gestorben.
Wulfila ist ein Anhänger der arianischen Lehre, und zwar in einer gemäßigten Form
davon. Während im Arianismus angenommen wird, dass der Vater Gott ist (somit in Gegensatz
zur katholischen Trinitätslehre, die davon ausgeht, dass Gott Vater, Sohn [Jesus Christus] und
[8]
Heiliger Geist eine Wesenseinheit sind), leugnet Wulfila zwar die Wesenseinheit von Gott
Vater und Sohn, bekennt aber die Ähnlichkeit zwischen den beiden.
Die Namensform Wulfila ist in unterschiedlichen Schreibungen überliefert: Auxentius bietet
durchweg ulfila, was als Transkription der griechischen Schreibung anzusehen ist, da die griechischen
Quellen in aller Regel die Schreibung Oulphílas haben; abweichend hiervon gibt u.a. Philostorgios als
Namensform Ourphílas. Die späteren lateinischen Quellen beginnen den Namen mit v- (bzw. romanisch
g-): Vulfila, Vulphilas, Gulfila (Gylfila). Daneben ist noch die syrische Variante urufil bekannt, die eine
Transkription der griechischen Namensform mit -r- ist. Hieraus lässt sich der Name sicher als Wulfila
erschließen; es liegt eine Zugehörigkeits- oder Deminutivbildung mit dem Suffix urgerm. *-ila- zu
urgerm. * ulfa- ‚Wolf‘ (> got. wulfs, ahd. wolf, as., andl., aengl. wulf, afries. wolf, aisl. ulfr) vor.
3.
Die Quellen des Gotischen
Die Überlieferungsbasis des Gotischen ist im Vergleich mit den später überlieferten
germanischen Korpussprachen schmal. Die wichtigste Quelle des Gotischen ist die nach dem
Zeugnis der Kirchenhistoriker Philostorgios, Sokrates und Sozomenos von Wulfila getätigte
Übersetzung der Bibel, die er wohl um 369 mit Hilfe eines Autorenkollektivs in Angriff
genommen hat. Laut Philostorgios hat Wulfila dabei aus dem Alten Testament die Bücher der
Könige ausgelassen, weil er fürchtete, dadurch den kriegerischen Geist der Goten wieder zu
entflammen. Die Bibelübersetzung ist daher ein Zeugnis des Westgotischen (besser: der
Sprache der Gothi minores). Die Handschriften stammen dagegen fast ausschließlich aus
ostgotischem Sprachgebiet. Ob und inwieweit das Ostgotische auf die ursprünglich
westgotische Sprache eingewirkt hat, bleibt offen.
Von der gesamten Bibelübersetzung ist nur ein geringer Teil erhalten geblieben. Diese
Fragmente sind in teilweise sich inhaltlich überlagernden Handschriften auf uns gekommen,
die sämtlich aus der ersten Hälfte des 6. Jh.s stammen.
Die wichtigste Handschrift ist der Codex argenteus (CA), so benannt nach dem mit
Silbertinte geschriebenen Text (nicht nach dessen im 17. Jh. angefertigten silbernen Einband,
da die Bezeichnung argenteus schon im Jahr 1597 von Bonaventura Vulcanius verwendet
wird). Der Kodex befindet sich jetzt in der Universitätsbibliothek in Uppsala (Sign. D G 1). Die
ursprünglich aus Italien stammende Handschrift befand sich im 16. Jh. im Kloster Werden an
der Ruhr (dort bereits mehrfach von Gelehrten besichtigt und benutzt) und gelangte über
unterschiedliche Zwischenstationen (u. a. die Niederlande; dort die Erstausgabe durch
Franciscus Junius im Jahr 1665) im 17. Jh. schließlich nach Schweden. Die Handschrift enthielt
[9]
ursprünglich auf 336 Blättern die vier Evangelien in der Reihenfolge Matthäus, Johannes,
Lukas und Markus (Reihenfolge der ‚westlichen‘ Bibelüberlieferung). Davon sind 187 Seiten
erhalten (vgl. aber unten). Der Bibeltext ist in Sektionen (nach Eusebius von Caesarea)
eingeteilt, die am Rande mit gotischen Zahlzeichen versehen sind. Am unteren Rand jeder Seite
sind Parallelstellen vermerkt, die von Bogen in romanischem Stil umrahmt sind. Das Pergament
der Handschrift ist purpurgefärbt, die Beschriftung erfolgte mit Silber- und Goldtinte (Goldtinte
nur bei den Anfangsbuchstaben der Sektionen). Zwei Schreiberhände können unterschieden
werden: Hand I schrieb Matthäus und Johannes, Hand II Lukas und Markus (http://www.alvinportal.org/alvin/imageViewer.jsf?dsId=ATTACHMENT-0001&pid=alvinrecord%3A60279&dswid=-3888).
Das Lukasevangelium zeigt vermehrt – vor allem in den Kapiteln 1–10 – Sprachformen, die von
denen der restlichen Texte abweichen. Früher hat man diese sprachlichen Eigentümlichkeiten dem
Einfluss ostgotischer Schreiber zugeschrieben; heute nimmt man dagegen Dialektmischung infolge
uneinheitlicher Überlieferung der Evangelien als Ursache an.
Im Jahre 1970 wurde im Dom von Speyer ein Pergamentblatt entdeckt, das einst dem
Codex argenteus angehörte und nach dem Fundort Fragmentun Spirense oder Folium Spirense
(ohne Signatur) genannt wird. Es handelt sich (wie nicht nur durch den an fol. 335 [187v]
anschließenden Text, sondern auch durch die übereinstimmenden Wurmlöcher erwiesen wird)
um
Folio
336
des
CA
(http://titus.uni-frankfurt.de/didact/idg/germ/speyer1z.jpg;
http://titus.uni-frankfurt.de/didact/idg/germ/speyer2z.jpg).
Der ursprünglich ebenfalls aus Italien stammende Codex Carolinus ist ein codex
rescriptus aus der (herzoglichen) Bibliothek zu Wolfenbüttel (HAB, Cod. 64 Weißenburg, Bl.
255f., 277, 280), der vier Blätter umfasst (Erstausgabe vom Entdecker, dem Abt Franz Anton
Knittel, im Jahr 1762). Der gotische, untere Text enthält Stücke aus dem 11. bis 15. Kapitel des
Römerbriefes. Dem gotischen Text ist der lateinische Text zur Seite gestellt (es handelt sich
somit um eine Bilingue). Beide Texte sind nach Abschnitten und Sinnzeilen geschrieben
(http://diglib.hab.de/edoc/ed000006/index.php?facsimile=VD).
Der Codex Gissensis, ein vor 1907 in der Nähe des alten Antinoopolis in Oberägypten
gefundenes Pergamentblatt, ist der spärliche Rest einer gotisch-lateinischen Bilingue
(Erstausgabe von Glaue und Helm im Jahr 1910). Die Handschrift wurde früher in der
Universitätsbibliothek Gießen aufbewahrt (Gießen, Universitätsbibl., Hs. 651/20), gilt jedoch
seit 1945 als vernichtet bzw. verschollen, entweder durch Hochwasser oder durch Raub. Das
[10]
Fragment bestand aus einem Doppelblatt (die Seiten 1,2 und 15,16 eines Quaternio); der
gotische Text enthielt (unvollständig) Lukas 23:11–14 und 24:13–17, der lateinische Text
Lukas 23:2–6 und 24:5–9. Erhalten sind die Negative der Handschrift (http://bibd.unigiessen.de/papyri/images/pbug-inv018-1.jpg; http://bibd.uni-giessen.de/papyri/images/pbuginv018-2.jpg).
Die Codices Ambrosiani umfassen zwei größere Handschriftenteile und zwei
Handschriftenfragmente, alles codices rescripti, aus der Biblioteca Ambrosiana zu Mailand, die
in Mai 1817 vom Kardinal Angelo Mai entdeckt wurden (Erstausgabe von Carlo Ottavio
Castiglione zwischen 1819 und 1839):
Codex Ambrosianus A (Milano, Bibl. Ambrosiana, S 36 sup.) besteht aus 102 Blättern,
von denen zwölf Seiten leer und zwei weitere Seiten entweder ebenfalls leer oder unlesbar sind.
Der Kodex enthält Bruchstücke der Briefe an die Römer, Korinther, Epheser, Galater, Philipper,
Kolosser, Thessaloniker, an Timotheus, Titus und Philemon.
Codex Ambrosianus B (Milano, Bibl. Ambrosiana, S 45 sup.) besteht aus 78 Blättern,
von denen eine Seite leer ist. Der Kodex enthält Bruchstücke der Briefe an die Korinther,
Epheser, Galater, Philipper, Kolosser, Thessaloniker, an Timotheus und Titus. Der zweite
Korintherbrief ist vollständig.
Codex Ambrosianus C (Milano, Bibl. Ambrosiana, I 61 sup., Bl. 90f.) enthält zwei
Blätter mit Fragmenten der Kapitel 25-27 aus dem Evangelium des Matthäus.
Codex Ambrosianus D (Milano, Bibl. Ambrosiana, G 82 sup., Bl. 209f., 451f., 461f.)
umfasst drei Blätter mit den Kapiteln 5-7 aus Nehemia.
Bei dem Codex Taurinensis handelt es sich um vier (durch ein Feuer in der Bibliothek
in 1904) stark beschädigte Blätter aus der Universitätsbibliothek zu Turin (Torino, Bibl.
Universitaria Nazionale, F. IV. 1 Fasc. 10). Es ist ein ursprünglich zum Codex Ambrosianus A
gehörender codex rescriptus, der Bruchstücke der Briefe an die Galater und Kolosser enthält
(Erstausgabe von Hans Ferdinand Maßmann im Jahr 1868).
Ein Unikum, da keine Handschrift, ist das in das letzte Drittel des 5. Jh. datierte, beim
Fund in einem Grab noch gefaltete Bleitäfelchen von Hács Béndekpuszta. Bei dem Versuch es
zu öffnen, zersprang das ursprünglich ca. 5,5 x 5,5 cm große Objekt in unzählige kleine Stücke.
Einige davon konnten gerettet werden und lagerten im Archäologischen Institut der
Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seit ungefähr 1992 sind auch diese wenigen
[11]
Fragmente verschollen. Lediglich Fotos (nur von einer Seite) sind vorhanden. Das Fragment
beinhaltet Johannes 17:11. Es handelt sich um den ältesten Text in gotischer Schrift, und zwar
in beiden Schrifttypen (s. dazu unten unter 4).
Daneben stehen Zeugnisse, die zwar religiöser Art sind und teilweise auf die
Bibelübersetzung von Wulfila zurückgreifen, aber eine selbständige Gruppe darstellen:
Die Skeireins sind Fragmente einer Erläuterung des Johannesevangeliums, die vom
Erstherausgeber Hans Ferdinand Maßmann Skeireins aiwaggeljons þairh Iohannen
(„Erläuterung des Evangeliums nach Johannes“) betitelt wurde. Es sind acht Blätter aus
ursprünglich einer Handschrift erhalten, von denen die Blätter 1, 2, 5, 6 und 7 jetzt den Codex
Ambrosianus E aus der Biblioteca Ambrosiana zu Mailand (Milano, Bibl. Ambrosiana, E 147
sup., Bl. 77, 80, 111, 114, 309f.), und die Blätter 3, 4 und 8 jetzt den Codex Vaticanus Latinus
5750 aus der Biblioteca Vaticana zu Rom (Città del Vaticano, Bibl. Apostolica Vaticana, Vat.
lat. 5750, Bl. 57-62; https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.5750) ausmachen. Es handelt sich
um codices rescripti, außer Blatt 6v. Ob es sich bei den Skeireins um ein Original oder um ein
Übersetzungswerk (vielleicht eines Werkes von Theodorus von Heraclea; vgl. Schäferdiek,
Knut, 1981. ‚Die Fragmente der ‘Skeireins’ und der Johanneskommentar des Theodor von
Herakleia‘. Zeitschrift für deutsches Altertum 110, 175–193) handelt, ist unklar, ebenso wie der
ursprüngliche Umfang des Werkes. Je nachdem können die darin enthaltene Zitate aus
Matthäus, Johannes und dem Brief an die Römer unmittelbar aus der Bibelübersetzung Wulfilas
stammen oder selbständige Übertragungen sein.
Der gotische Text des Codex Bononiensis wurde von Maddalena Modesti und
Annafelicia Zuffrano in 2010 erkannt; von den Erstherausgebern (Finazzi & Tornaghi [s.
Literaturliste]) wurde das Fragment Gothica Bononiensia genannt. Es handelt sich dabei um
ein Bruchstück eines in Bologna aufgefundenen Doppelblatts (Signatur Cart. 716/1, n°1 [olim
Cart. 353, cam. n°3]), das wohl aus der 1. Hälfte des 6. Jh.s stammt und vielleicht in Verona
entstanden ist. Es umfasst einige Teile eines anonymen Textes (vielleicht einer Homilie, einer
Predigt oder eines liturgischen Gebets). Die Wertigkeit des Fragments besteht darin, dass im
Text außer einiger Zitate aus Matthäus und Lukas, Brief an die Römer, 1. und 2. Brief an
Timotheus auch einige Zitate aus dem Alten Testament (Genesis, Psalmen, Daniel) und aus der
Apostelgeschichte überliefert sind, also aus sonst nicht überlieferten Texten.
[12]
Die bereits im Jahr 1938 entdeckten, aber erst in 2016 als gotisch erkannten Graffiti aus
Mangup auf der Krim (vgl. dazu Korobov & Vinogradov [s. Literaturliste]), stammen aus der
Zeit zwischen der Mitte des 9. Jh.s und dem Anfang des 10. Jh.s. Unter ihnen ist ein Fragment
aus den Psalmen neben sonstigen Graffiti mit religiösem Inhalt.
Ein Gotischer Kalender, der vom 23. Oktober bis zum 30. November läuft, ist auf Seite
196 des Codex Ambrosianus A erhalten.
Die Gotica Veronensia stehen in einer Pergamenthandschrift (Verona, Bibl. Capitolare,
LI [49] + Venezia, Bibl. Giustiniani Recanati, ohne Signatur) aus dem 5./6. Jh., geschrieben in
Verona, die eine lateinische Homiliensammlung des arianischen Bischofs Maximinus enthält.
Zu Anfang fast jeder Homilie finden sich in gotischer Sprache und Schrift als Marginalien kurze
Hinweise zu dem Thema. Es handelt sich hierbei meist um Bibelzitate. Die Handschrift befindet
sich in einem schlechten Zustand und die gotischen Sätze sind zumeist stark abgeschabt und
größtenteils unlesbar.
Schließlich gibt es noch eine Gruppe von unterschiedlichem Inhalt und aus gänzlich
unterschiedlichen Zeiten:
Der Codex Vindobonensis ist eine aus dem Ende des 8. Jh.s aus Salzburg stammende
Handschrift, die sich jetzt in der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien befindet (früher
auch: Salzburg-Wiener Alcuin-Handschrift; jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek
Cod. 795). Sie enthält mehrere gotische Alphabete und die gotischen Namen der Buchstaben,
dazu noch einige gotische Wortgruppen aus dem Lukasevangelium samt lautlichen
Bemerkungen
(http://digital.onb.ac.at/RepViewer/viewer.faces?doc=DTL_3112149&order=1&view=SING
LE).
In den Gotica Parisina (auch Codex Segonensis genannt; Paris, Bibliothèque nationale,
lat. 528, Bl. 71v) aus dem Anfang des 9. Jh.s finden sich sieben biblische Personennamen zu
Lukas 3:24–29 in lateinischer Schrift mit übergeschriebener gotischen Aussprache. Dazu
kommen noch neun Buchstaben in gotischer Schrift mit den lateinischen Entsprechungen
(Erstherausgabe
in
1984
von
Bischoff
(https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9078378q/f78.item).
[s.
Literaturliste])
[13]
Zwei Verkaufsurkunden, die auf Papyrus geschrieben sind. Die erste, um 551 aufgesetzt,
liegt in der Bibliothek zu Neapel (ohne Signatur) und war früher in Ravenna im Archiv der
gotischen Kirche St. Anastasia; sie besagt, dass der gesamte Klerus dieser Kirche einem
gewissen Petrus Defensor zur Tilgung einer Schuld von 120 Schillingen acht Uncien
Marschland im Wert von 180 Schillingen überlässt und den Übertrag von 60 Schillingen bar
ausgezahlt bekommt. Die zweite, früher im Domarchiv zu Arezzo gelegen (ohne Signatur), ist
verloren und nur aus einem Faksimile und Teilabdruck in Doni, Giovanni Battista. 1731.
Inscriptiones
Antiquae.
Florenz
(S.
496–498)
bekannt
(https://reader.digitale-
sammlungen.de/en/fs1/object/display/bsb10864014_00634.html). Sie besagt, dass der Diakon
Gudilaib vier Uncien des Landgutes Kaballaria für 133 Goldschillinge an den Diakon Alamod
verkauft hat.
Vereinzelte got. Wörter finden sich bei einigen lateinisch schreibenden Autoren, wie
Iordanes. Möglicherweise gotisch, vielleicht auch vandalisch, jedenfalls ostgermanisch sind
einige Wörter im ersten Vers des lateinischen Gedichts mit dem Titel de convivi(i)s barbaris
(überliefert im Codex Salmasianus [Paris, Bibliothèque Nationale, Codex Parisinus Latinus
10318]; https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8479004f/f151.image); die ersten beiden Verse
lauten:
Inter eils Goticum scapiamatziaiadrincan
non audet quisquam dignos educere versus
Zwischen dem gotischen „eils scapiamatziaiadrincan“
wagt keiner, würdige Verse hervorzubringen.
Die genaue Interpretation der gotischen Wörter ist unsicher, obwohl der Sinn deutlich
ist. eils wird einstimmig als got. hails ‚gesund, heil‘ angesehen, der Komplex
scapiamatziaiadrincan unterschiedlich aufgelöst. Von den vielen vorgeschlagenen Deutungen
kommen wohl nur zwei ernsthaft in Frage: Entweder als skapjam matjan jah drigkan ‚schaffen
wir (uns) zu essen und zu trinken (herbei)‘ oder als skapja, matja jah drigkan ‚Kellner, Essen
und Trinken‘. Beide Verse lassen sich somit wohl wiedergeben mit „Unter dem gotischen ‚Heil!
Schaffen wir (uns) zu essen und zu trinken (herbei)!‘ / wagt man nicht, würdige Verse zu
zitieren“ bzw. mit „Unter dem gotischen ‚Heil! Kellner! Essen und Trinken!‘ / wagt man nicht,
würdige Verse zu zitieren“.
[14]
In dem Schrifttyp des älteren Futharks sind einige gotische bzw. ostgermanische
Inschriften geschrieben, deren Deutung aber in der Regel schwierig ist. Dazu gehören u.a.:
1. Lanzenspitze von Dahmsdorf (ca. 250–320): ranja, entweder ‚in die Flucht Schlagender‘ oder
‚(An-)Renner‘.
2. Goldring von Pietroasele (1. Hälfte 5. Jh.): gutani o wi(h) hailag, vielleicht ‚der Goten
(Erb-)Besitz, geweiht (und) geheiligt‘.
Eine wichtige Quelle für das Gotische (sowohl für das Ost- wie Westgotische) sind die
zahlreichen Personennamen, die in griechischen und lateinischen Quellen (bei Schriftstellern
und in Urkunden) überliefert sind; Träger dieser Namen sind nicht nur Goten selbst, sondern
auch etwa Hunnen.
Weitere Quellen für das Gotische sind einerseits Ortsnamen gotischer Herkunft in
Frankreich, Italien und der iberischen Halbinsel sowie Lehnwörter aus dem Gotischen in den
romanischen Sprachen. Eine Schwierigkeit hier ist, dass es in den Gebieten auch andere
germanische Stämme gegeben hat, deren Sprache als Entlehnungsquelle in Frage kommen
kann. Die genaue Zuweisung zum Gotischen ist im Einzelfall daher schwierig bzw. umstritten
oder unsicher.
Schließlich stammen aus viel späterer Zeit die Zeugnisse des sogenannten
Krimgotischen. Diese sind zwischen 1560 und 1562 vom Flämischen Gesandten Ogier Ghiselin
de Busbecq (1522–1592) aufgezeichnet und in dessen viertem Brief aus der Türkei überliefert
(https://books.google.de/books?id=h0RQQ04umEC&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
[der
hier
relevante
Abschnitt geht von Seite 132 bis 137]). Es handelt sich um 86 Wörter und vier kurze Sätzchen,
die er aus dem Munde eines Griechen, der Krimgotisch sprach, aufgezeichnet hat. Lautlich
stehen die bezeugten Formen weiter vom Gotischen ab, so dass das Krimgotische auch als
Westgermanisch bzw. deutlich durch eine westgermanische Sprache beeinflusst angesehen
wird. Das Krimgotische ist wohl erst im 18. Jh. ausgestorben.
Der Begriff Krimgotisch ist durch den Fund der älteren Inschriften auf der Krim (s.o.)
zweideutig geworden, da auch diese als krimgotisch bezeichnet werden können, sie aber kaum
Abweichungen im Vergleich zum Bibelgotischen zeigen. Eine Begriffsklärung wäre daher
wünschenswert, etwa Krimbibelgotisch : Krimgotisch.
[15]
4.
Die gotische Schrift
Nach der übereinstimmenden Nachricht der Kirchenhistoriker Philostorgios, Sokrates
und Sozomenos hat der gotische Bischof Wulfila zur Aufzeichnung seiner Bibelübersetzung
eine neue Schrift erschaffen. Alle gotischen Denkmäler mit Ausnahme der Runeninschriften,
der Personen-/Ortsnamen in spätantiker Überlieferung, der Wörter in dem lateinischen Gedicht
de convivi(i)s barbaris, der Lehnwörter aus dem Gotischen sowie des Krimgotische, sind in
unterschiedlichen Varianten einer alphabetischen Schrift geschrieben, die sich auf eine
Grundform zurückführen lässt. Wegen der genannten Nachrichten schreibt man diese
Grundform denn auch Wulfila zu; die Schrift wird daher auch als Wulfilas Schrift (Alphabet)
bezeichnet.
Die in den einzelnen Handschriften vorliegenden Weiterentwicklungen von Wulfilas
Schrift können anhand zweier Kriterien in zwei Typen unterteilt werden. Der eine Typ
verwendet die Nasalkürzung nach griechischer Art nur für n und hat des Weiteren ein s, dessen
Form der des ε-förmigen griechischen Sigma entspricht; daher wird dieser Typ auch als Σ-Typ
bezeichnet. Der andere Typ verwendet die Nasalkürzung nach lateinischer Art sowohl für n als
für m und hat ein s, dessen Form der des lateinischen unzialen s entspricht; daher wird dieser
Typ auch als S-Typ bezeichnet. Von diesen beiden Typen steht der Σ-Typ der wulfilanischen
Grundform wohl näher, während der S-Typ unter Einfluss des Lateinischen aus ihm
hervorgegangen ist (eine abschließende paläographische Untersuchung steht aber noch aus).
Bei beiden Typen handelt es sich um eine Unzialschrift. Die Buchstaben haben daher
unabhängig von der Position im Wort die gleiche Form.
Die beiden Typen sind nicht zu verwechseln mit den Schreiberhänden I und II im Codex
argenteus.
Die Verteilung beider Typen in den Denkmälern ist folgendermaßen:
1.
Der Σ-Typ liegt vor in: a. Den Alphabeten der Codices Ambrosiani B, D, des Codex
Bononiensis und der Gotica Veronensia; b. Dem Alphabet der Marginalien des Codex
Ambrosianus A ebenso wie im Wort laikt(s)jo (44x) am Rand vom Codex Ambrosianus B; c.
Dem Alphabet des Bleitäfelchen von Hács Béndekpuszta; d. Dem ersten Alphabet auf fol. 20v
des Codex Vindobonensis (sog. Wiener Alphabet); e. Dem Alphabet der Urkunde von Neapel
(vermutlich auch das der Urkunde von Arezzo, die allerdings verloren ist); f. Den Inschriften
von Mangup.
[16]
2.
Der S-Typ liegt vor in: Codex Argenteus, Codex Carolinus, Codex Gissensis, Codices
Ambrosiani A (und im ursprünglich dazugehörigen Codex Taurinensis), C, E (und im
ursprünglich dazugehörigen Vaticanus Latinus 5750).
In der Literatur findet man häufig die fehlerhafte Angabe, dass sich auf dem Bleitäfelchen von Hács
Béndekpuszta Merkmale beider Schrifttypen finden.
Die gotische Schrift umfasst 27 Zeichen, von denen 25 Zeichen sowohl als Laut- wie
als Zahlzeichen dienen, zwei nur als Zahlzeichen. Sie ist keine Neuschöpfung, sondern basiert,
wie allein schon aus der Form und Reihung der Zeichen sowie deren Verwendung als
Zahlzeichen hervorgeht, auf bereits vorhandenen Alphabeten. Wegen der beiden letzteren
Verwendungsweisen liegt die Annahme nahe, dass das griechische Alphabet die Grundlage
darstellte, gewisse Lücken aber mit Hilfe des lateinischen Alphabets gefüllt wurden. Welchen
Beitrag die einzelnen Alphabete aber genau lieferten, ist umstritten, ebenso wie die Frage,
inwieweit die germanische Runenreihe des Futharks einen Einfluss hatte.
Die nachfolgende Tabelle gibt a. den Zahlenwert der einzelnen Buchstaben, b. ein
standarisiertes Alphabetzeichen, c. die Transkription in lat. Buchstaben (in älteren Werken
findet man teilweise andere Transkriptionen; die häufigeren sind: kw oder kv für q, th für þ, v
für w, hw, hv oder w für ƕ.), d. der im Codex Vindobonensis überlieferte Buchstabenname:
a.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
20
30
40
50
b.
A
B
G
D
E
Q
Z
H
È
I, ¾
K
L
M
N
c.
a
b
g
d
e
q
z
h
þ
i
k
l
m
n
d.
aza ‚Ase‘
bercna ‚Birke‘
geuua ‚Gabe‘
daaz ‚Tag‘
eyz ‚Pferd‘
quertra ‚Köder‘
ezec ‚(Buchstabe) Zeta‘
haal ‚Hagel‘
thyth ‚das Gute‘
iiz ‚Eis‘
chozma ‚Geschwür‘
laaz ‚Wasser‘
manna ‚Mensch‘
noicz ‚Not‘
a.
60
70
80
90
100
200
300
400
500
600
700
800
900
b.
J
U
P
#
R
S
T
V
F
X
Ÿ
O
%
c.
j
u
p
—
r
s
t
w
f
x
ƕ
o
—
d.
gaar ‚Jahr‘
uraz ‚Auerochs‘
pertra ‚?‘
reda ‚Wagen‘
sugil ‚Sonne‘
tyz ‚Gott‘
uuinne ‚Weideplatz‘
fe ‚Vieh, Besitz‘
enguz ‚Mann‘
uuaer ‚Kessel‘
utal ‚Erbbesitz‘
[17]
In den Textausgaben werden die gotischen Zeichen heute immer durch die lat. Umschrift
wiedergegeben.
Die Verwendung der Zeichen als Zahlzeichen wird in den Handschriften wie folgt zum
Ausdruck gebracht: 1. Über dem Buchstaben steht ein waagerechter Strich; 2. Über dem Buchstaben
stehen ein waagerechter Strich und außerdem links und rechts ein Punkt. Nur als Zahlzeichen kommen
die Zeichen für 90 (#) und 900 (%) vor.
Der 10. Buchstabe ist in zwei Formvarianten vertreten, ï (¾) und i (I). Das ï steht: 1. Im
Wortanlaut (ïk, ïst); 2. Im Wortinnern im Silbenanlaut nach Vokal (sauïl, saiïþ, tauï); 3. Im mit i
anlautenden Grundwort von Verbalkomposita (usïddja, fraïtiþ); Belege für eine entsprechende
Verwendung in Nominalkomposita fehlen. Sonst steht i.
5.
Die Aussprache der gotischen Schriftzeichen
Die nachfolgende Übersicht gibt die Ansicht des Autors zur Aussprache der got.
Schriftzeichen wieder. Daneben stehen auch abweichende Ansichten, die in 2.3. der Laut- und
Formenlehre erwähnt werden.
5.1.
Vokale
1. <a> ist überwiegend kurz (einmorig), vereinzelt auch lang (zweimorig), wenn es aus urgerm.
*anχ(w) > späturgerm. *ąχ(w) entstanden ist (wie in fahan ‚fangen‘, gahts ‚Gehen‘) und in
Fremdwörtern und -suffixen.
2. <e> und <o> sind stets lang.
3. <i> ist stets kurzes i; für ī steht nach griechischem Vorbild der Digraph <ei>.
4. <u> ist meist kurz, doch nicht selten lang, entweder aus urgerm. *ū oder aus urgerm. *unχ(w)
> späturgerm. *ųχ(w) (wie in þuhta ‚dachte‘, juhisa ,jünger‘).
Vor r, h und ƕ wird i zu <ai> und u zu <au> (s. u.).
5. <ai> hat drei Lautwerte: a. Diphthong (wie in ains ‚eins‘, wai interj. ‚wehe!‘); b. offenes e
(wie in nhd. Hecke) ausschließlich vor r, h und ƕ (wie in wair ‚Mann‘, raihts* ‚recht, gerade‘,
saiƕan ‚sehen‘); c. offenes ē (wie in nhd. ähnlich) in Hiat vor Vokal (wie in saian ‚säen).
<ai> vor r, h und ƕ kann auch ein Diphthong sein (wie in haihs* ‚einäugig‘). Welcher Lautwert
vorliegt, ergibt sich durch den Vergleich mit anderen germanischen (oder indogermanischen) Sprachen.
Die unter b. und c. angegebenen Lautwerte hat got. <ai> auch bei der Entlehnung/Transkription
griechischer Wörter (b. wie in aikklesjo ‚Gemeinde, Gotteshaus‘ < gr. ekklēsía, c. wie im Ländernamen
Idumaia* < gr. Idoumaía).
[18]
<au> hat ebenfalls drei Lautwerte: a. Diphthong (wie in aukan* ‚vermehren‘); b. o (wie in nhd.
offen) ausschließlich vor r und h (wie in haurn* ‚Horn‘, sauhts* ‚Krankheit‘); c. offenes ō (wie
in nengl. draw) vor Vokal (wie in sauil ‚Sonne‘).
<au> kann vor r, h auch Diphthong sein (wie in hauhs* ‚hoch‘). Welcher Lautwert vorliegt,
ergibt sich durch den Vergleich mit anderen germanischen (oder indogermanischen) Sprachen.
Die unter b. und c. angegebenen Lautwerte hat got. <au> auch bei der Entlehnung/Transkription
griechischer Wörter (b. wie in apaustaulus ‚Apostel‘ < gr. apóstolos, c. wie im Personennamen Nauel
[umgestaltet] < gr. Nōé)
In der älteren Literatur findet sich teils folgende Gewohnheit zur Unterscheidung des
Monophthongs vom Diphthong: Der Monophthong wird mit aí und aú bezeichnet, der Diphthong
dagegen mit ái und áu.
6. <iu> ist in der Regel auch ein Diphthong, in dem i ein Vokal, u ein Halbvokal ist (wie ew in
nordengl. dial. new), der urgerm. *e fortsetzt (wie in þiuda ‚Volk‘); sehr selten sind beide
Elemente vokalisch und verteilen sich dann auf zwei Silben (wie in niun ‚neun‘).
7. Zu <w> in vokalischer Funktion s. 5.2.1.
5.2.
Konsonanten
1. <w> bezeichnet einerseits einen bilabialen stimmhaften Laut (wie in nengl. wind),
andererseits in Lehnwörtern zwischen Konsonanten ein ü (wie in nhd. Nüsse) (wie im gotischen
Personennamen Swmaion < gr. Symeún). Auslautend wird w nach kurzem Vokal zu u (wie in
nom.sg. kniu* ‚Knie‘ : gen.sg. kniw-is).
2. <j> ist konsonantisches j (wie in jäh). Auslautend wird es zu i (wie in akk.sg. hari : nom.sg.
harjis ‚Heer‘).
3. <r>, <l>, <m>, <n> sind wie im Deutschen. Nach griechischem Vorbild wird velares n [ŋ]
vor g und k als <g> geschrieben (wie in tuggo ‚Zunge‘, þugkjan* ‚glauben, meinen, gelten‘).
4. <b> und <d> sind entweder stimmhafte Reibelaute (im Inlaut nach Vokalen/Diphthongen)
oder stimmhafte Verschlusslaute (im Anlaut und inlautend nach Konsonanten [außer nach
Resonanten?]).
Treten die inlautenden stimmhaften Spiranten b, d in den Auslaut oder vor auslautendem s, so
werden sie zu den entsprechenden stimmlosen Spiranten <f>, <þ> (wie nengl. theft) (wie in giban
‚geben‘ : 2.sg.imp.präs. gif, nom.sg. goþs ‚gut‘ : gen.sg. godis).
[19]
5. <g> ist im Allgemeinen ein stimmhafter Verschlusslaut; unsicher bleibt, ob es im Auslaut
und vor s und t ein stimmhafter (oder gar stimmloser) Reibelaut ist. Die Verbindung <ggw> ist
entweder als ŋ-gw (wie in aggwus ‚eng‘) oder als gelängtes g mit w (wie in triggws ‚treu‘) zu
lesen. Welcher Lautwert vorliegt, ergibt sich durch den Vergleich mit anderen germanischen
(oder indogermanischen) Sprachen.
Zu <g> als Zeichen für n s.o.
6. <p>, <t>, <k> sind wie im Deutschen
7. <f> ist entweder bilabial oder labiodental (nicht entscheidbar), <h> ist im Anlaut ein
Hauchlaut (wie in nhd. Halle), im In- und Auslaut vielleicht auch, vielleicht dort aber auch noch
ein Reibelaut (wie in nhd. ach), <þ> ist ein stimmloser Reibelaut (wie nengl. theft).
8. <q> und <ƕ> sind wohl eher biphonematische Verbindungen aus k bzw. h und w als
monophonematisch (kw bzw. hw).
9. <s> liegt zwischen ss in nhd. Nuss und sch in nhd. Schaf, ebenso <z> zwischen s in nhd.
Sahne und j in nhd. Journal.
10. <x> kommt nur in griechischen Lehnwörtern vor und ist wie ch in nhd. Buch.
Die Wortbetonung des Gotischen wird in 2.2.3. und 2.3.3. der Laut- und Formenlehre
behandelt.
[20]
II. TEXTE NEBST ERLÄUTERUNGEN
1.
Aus den Evangelien
1.1.
Matthaeus 6:9–13: Das Vaterunser
9 swa nu bidjaiþ jus: atta unsar þu in himinam, weihnai namo þein. 10 qimai þiudinassus þeins.
wairþai wilja þeins, swe in himina jah ana airþai. 11 hlaif unsarana þana sinteinan gif uns
himma daga. 12 jah aflet uns þatei skulans sijaima, swaswe jah weis afletam þaim skulam
unsaraim. 13 jah ni briggais uns in fraistubnjai, ak lausei uns af þamma ubilin; unte þeina ist
þiudangardi jah mahts jah wulþus in aiwins. amen.
9 swa: adv. ‚so‘; ahd., as., andl. sō, aengl. swā, swǣ, afries. sā, sō, aisl. svá. — nu: 1. adv. ‚nun, jetzt‘,
2. konj. ‚nun, demnach, folglich, also‘; die Quantität von u ist unsicher, da sich in den germ. Sprachen
sowohl Lang- wie Kurzvokale finden; ahd. nu, as., andl., aengl., afries. nū, aisl. nú; vgl. ai. n , nú,
av. nū, gr. ny, lat. nū- (in nūper ‚neulich, vor kurzem‘). — bidjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. bidjan st. V. 5
‚bitten, beten, betteln‘; das -j- ist nur dem Präs.st. eigen (bidja, baþ, bedun, bidans*), Präs.formen
ohne -j- (bidan [1.KorA 7:5] und usbida [RömA 9:3]) sind analogisch nach dem Prät.; ahd. bitten,
as. biddjan, andl. bidden, aengl. biddan, afries. bidda, aisl. biðja; das V. ist trotz des j-haltigen
Suffixes ein st. V. (uridg. e/o-Bildung); vgl. jav. jaiðiiemi ‚bitte‘, gr. (Hesych) théssesthai
‚anflehen‘, aksl. žędati ‚begehren, dürsten‘, air. -guidet ‚bitten‘. — jus: nom. pers.pron. ‚ihr‘; (mit
Umgestaltungen) ahd. ir, as. gī, ge, andl. gi, ir, aengl. ge, afries. jī, aisl. ér; vgl. ai. yū-yám, alb. ju,
lit. jūs, aksl. vy. — atta: nom.sg. m. n-St. ‚Vater‘; üblicherweise sieht man das Wort auch im
PersonenN Attila, der aber wohl auch hunnischer Herkunft sein kann; ahd. +atto m. (nur ein Beleg
<ato>), mndl. ate, nordfries. atte, aisl. PersonenN Atti; vgl. heth. atta-, gr. átta, lat. atta; Lallwort
wegen des Fehlens der Lautverschiebung; das ererbte Wort für ‚Vater‘ findet sich im Got. nur einmal
als Vok.Sg. fadar (GalA 4:6) (s. fadar*). — unsar: nom.sg.m. poss.pron. ‚unser‘; ahd. unsar, unsēr,
as. ūsa, ūser, andl. unsa, aengl. ūser, ūsse, ūre, afries. ūse, ūser; Ableitung von der Wurzel in got.
uns dat./akk. v. weis pers.pron. ‚wir‘; vgl. (mit einem abweichenden Suffix) lat. noster ‚unser‘; die
im Got. mögliche Nachstellung des Poss.pron. (wie des Adj. überhaupt) ist aus dem Urgerm. ererbt,
wo die Stellung des Adj. eine freie war (es konnte also dem Subst. vorangehen oder folgen; vgl. ahd.
fateres mīnes ‚meines Vaters‘ [Hildebrandslied]). — þu: nom. pers.pron. ‚du‘; ahd. du, as. t(h)u,
andl. thu, aengl. þu, afries. thu, aisl. þú; vgl. av. tū, gr. dor. tú, arm. dow, alb. ti, lat. tū, air. tú, apreuß.
toū, lit. tù, aksl. ty. — in: präp. + dat./akk. (zur Bezeichnung der Ruhe/Richtung) ‚in, auf, an, zu,
während, nach zu‘, + gen. ‚wegen, um – willen, für, durch‘; run. i, ahd., as., andl., aengl., afries. in,
aisl. í; vgl. entweder gr. en, lat., gall. in, apreuß. en, an, toch. B y(n)- oder gr. ení, gall. (in PersonenN)
Eni-. — himinam: dat.pl. v. himins m. a-St. ‚Himmel‘ (im Pl., weil die jüdisch-christliche
Vorstellung sieben Himmel kennt); as. hevan, mndl. heven, aengl. heofon, aisl. himinn neben ahd.
himil, as. himil, andl. himil, afries. himel, himul, himil, hemel wohl mit Dissimilation m – n > m – l
(und kein Suffixwechsel). — weihnai: 3.sg.opt.präs. v. weihnan* sw. V. 4 ‚heilig werden‘ (dies ist
der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von got. weihs adj. a-St. ‚heilig‘; mit dem Suffix urgerm.
*-na- werden im Got. und in den nordgerm. Sprachen inchoative V. von Adj. abgeleitet. — namo:
nom.sg. n. n-St. ‚Name‘; ahd., as., andl. namo, aengl. nama, noma, afries. nama, noma, aisl. nafn;
vgl. heth. lāman-, ai. n man-, av., apers. nāman-, gr. ónoma, arm. anown, altgeg. emënë, alb. emër,
[21]
lat. nōmen, apreuß. emnens, aksl. imę, toch. A ñom, B ñem. — þein: nom.sg.n. v. þeins poss.pron.
‚dein‘; ahd. dīn, as., andl. thīn, aengl. þīn, afries. thīn, aisl. þinn; Ableitung mit dem Suffix uridg.
*-no- vom Lok.Sg. vorurgerm. *te ‚bei dir‘ des Pers.pron. der 2. Person (s. þu); Bedeutung also
ursprünglich ‚bei dir befindlich‘.
10 qimai: 3.sg.opt.präs. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘; ahd. queman neben (schwundstufig) frühahd.
kuman, koman, as., andl. kuman, aengl. cuman, afries. kuma, koma, aisl. koma, kuma; vgl. gr. baínō,
lat. venīre. — þiudinassus: nom.sg. m. u-St. ‚Regierung; (König-)Reich‘; Ableitung mit dem
Abstrakta bildenden Suffix got. -assus von got. þiudanon sw. V. 2 ‚herrschen‘, ein denominales V.
zu got. þiudans m. a-St. ‚König‘; aus Ableitungen wie got. þiudinassus, das auch unmittelbar auf
got. þiuda f. ō-St. ‚Volk‘ bezogen werden konnte, wurde bereits voreinzelsprachlich ein Suffix
*-inassu- gebildet, das in got. -inassus, ahd. -nessi, -nassi, -nissi, -nussi,
as. -nissi, -nissea, -nessi, -nussi, andl. -nussi, -nissi, aengl. -nise, -niss, afries. -nisse vorliegt. —
þeins: nom.sg.m. poss.pron. ‚dein‘. — wairþai: 3.sg.opt.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘; ahd.
werdan, as., andl. werthan, aengl. weorþan, afries. wertha, aisl. verða; vgl. ai. vártatē, lat. vertere
(zur Bedeutungsentwicklung vgl. nengl. to turn ‚wenden, werden‘). — wilja: nom.sg. m. n-St.
‚Wille‘; ahd. willo, as. willio, andl. willo, aengl., afries. willa, aisl. vili; Ableitung von der Wurzel in
got. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — swe: adv., konj. ‚wie; als, da‘; aengl. swā, swǣ, afries. sā, aisl. svá.
— himina: dat.sg. v. himins m. a-St. ‚Himmel‘. — jah: kopula ‚und‘ (das auslautende -h kann an den
Anlaut eines folgenden Wortes assimiliert werden); eine Verbindung aus got. ja ‚ja‘ (ahd., as. ja,
frühmndl. ja, aengl. iā, gēa, afries. je, ge, gēa, aisl. já) und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘; vgl. mit
verstärkender Partikel urgerm. *-ke ahd. joh, as. jak. — ana: präp. + dat./akk. (zur Bezeichnung der
Ruhe/Richtung) ‚an, auf, in, über‘; run. ana (Stein von Möjbro, 160–560/70), ahd., as., andl. ana (mit
Bewahrung von auslautendem *-a in der Proklise) neben run. an (Brakteat von Tjurkö 1, 440–560),
a (Brakteat von Trollhättan II, ca. 500), ahd., as. an, aengl. on, afries. on, a(n), aisl. á; vgl. av. ana,
apers. anā, gr. aná. — airþai: dat.sg. v. airþa f. ō-St. ‚Erde, Land‘; ahd. erda, as., andl. ertha, aengl.
eorđe, afries. erthe, irthe, erde, aisl. jǫrð; dentale Weiterbildung zur Wurzel in ahd. ero, (?) andl.
ere- (in erende ‚Grenze [der Erde]‘), aisl. jǫrfi; vgl. gr. éra, kymr. erw.
11 hlaif: akk.sg. v. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘ (es kommen im Nom.Sg und Akk.Sg auch analogische
Schreibungen mit -bs und -b vor); run. -hlaiba (in dat.sg. witandahlaiba ‚Brotwart‘ [Stein von Tune,
375/400–520/530]; n-St. in der Komposition; vgl. von der Bedeutung nengl. lord ‚Herr‘ < aengl.
hlāford ‚Brotwart‘), ahd. leib, aengl. hlāf, afries. hlēf, lēf, aisl. hleifr; entlehnt in aksl. chlěbъ, lett.
klàips. — unsarana: akk.sg.m. v. unsar poss.pron. ‚unser‘. — þana: akk.sg.m. v. sa dem.pron.
‚dieser, der‘; þan- ist die alte Akk.form (< uridg. *tom), an der nach dem Wandel des auslautenden
*m zu *n eine Partikel -a antrat; im Got. hat das Dem.pron. noch nicht die Funktion des Artikels. —
sinteinan: akk.sg.m. sw. v. sinteins* adj. a-St. ‚täglich‘; Zusammensetzung aus got. sin- (vgl. ahd.
sin- [u.a. in sinfluot ‚Sintflut‘, singruoni ‚immergrün‘], as. sin- [u.a. in sinnahti ‚ewige Nacht‘], aengl.
sin- [u.a. in singrēne ‚immergrün‘, sinhere ‚großes Heer‘], aisl. sí- [u.a. in sígrœnn ‚immergrün‘],
die uridg. *sem ‚ein(s), in eins zusammen, einheitlich, samt, mit‘ fortsetzen), und got. -teins <
urgerm. *tīna- ‚Tag‘ (? ahd. -zin [in len(gi)zin ‚Frühling‘]; vgl. lit. dienà, apreuß. deina). — gif:
2.sg.imp.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘ (-f durch Auslautverhärtung); run. (1.sg.präs.) gibu (Brakteat
2 von Raum Køge/Seeland, 440–560), (3.sg.prät.) gAf (Stein von Stentoften, 520/30–700), ahd.
geban, as., andl. gevan, aengl. giefan, afries. jeva, aisl. gefa; vgl. lit. geb ti. — uns: dat. v. weis
pers.pron. ‚wir‘; ahd. uns, as. ūs, frühmndl. ons, aengl., afries. ūs, aisl. oss. — himma: dat.sg.m. v.
hi-* pron. ‚dieser‘ (das Pron. ist defektiv und kommt im Got. nur bei Zeitbestimmungen im
Dat./Akk.Sg.m./n. vor: himma daga ‚an diesem Tag, heute‘, und hina dag ‚bis auf diesen Tag‘, fram
himma [nu] ‚von jetzt an‘, und hita ‚bis jetzt‘ und in hidre adv. ‚hierher‘ vor); urgerm. *χi- ‚dieser‘
ist auch in den anderen germ. Sprachen nur in Resten erhalten, vgl. ahd. hiuru ‚heuer, in diesem
Jahr‘, hiutu ‚heute, jetzt, gegenwärtig‘, as. hiurig ‚heurig, diesjährig‘, hiudu ‚heute‘, andl. hiudo
‚heute‘, aengl. hēodæg ‚heute‘, afries. hiūdega ‚heute‘; ahd. hina ,von hier weg‘, as. hina ‚hinfort,
[22]
hinweg‘, mndl. hene ‚von hier, hin, von jetzt an‘, aengl. hin- (in hinsīđ ‚Weggang, Tod‘, hingang
‚dass.‘). — daga: dat.sg. v. dags m. a-St. ‚Tag‘ (krimgot. tag); ahd. tag, as., andl. dag, aengl. dæg,
afries. dei, aisl. dagr.
12 aflet: 2.sg.imp.präs. v. afletan st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen,
zurücklassen, überlassen‘; Kompositum mit got. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen,
zurücklassen‘. — þatei: konj./pron. ‚dass‘ oder akk.sg.n. v. saei rel.pron.‚welcher‘ (Bestimmung ist
von der Einordnung des nachfolgenden Wortes skulans abhängig). — skulans: entweder nom.pl. v.
skula m. n-St. ‚Schuldner, der Schuldige‘ (ahd., as. skolo) oder nom.pl.m. v. skula* adj. ‚schuldig‘
(nur sw. flektiert) (ahd. skolo); in beiden Fällen Ableitungen von der Wurzel in got. skulan* prät.präs.
‚schuldig sein, sollen‘. — sijaima: 1.pl.opt.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘; die
Konstruktion von aflet uns þatei skulans sijaima ist somit entweder ‚entlasse uns, dass wir Schuldner
seien‘ oder ‚entlasse uns das, was wir schuldig seien‘. — swaswe: 1. adv. ‚sowie, gleichwie, wie‘, 2.
konj. ‚so dass‘; Zusammenrückung aus got. swa adv. ‚so‘ und got. swe adv., konj. ‚wie; als, da‘. —
weis: nom. pers.pron. ‚wir‘; ahd. wir, as. wī, wē, andl. wi, aengl. wē, afries. wī, aisl. vér; vgl. heth.
wēs, toch. A was, B wes. — afletam: 1.pl.ind.präs. v. afletan st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken;
verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘. — þaim: dat.pl.m. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘.
— skulam: dat.pl. v. skula m. n-St. ‚Schuldner, der Schuldige‘. — unsaraim: dat.pl.m. v. unsar
poss.pron. ‚unser‘.
13 ni: neg. ‚nicht‘; ahd. nı, as. ni, ne, andl. ne‚ aengl. ne, ni, afries. ni, ne‚ aisl. (poet.) ne, né; vgl. lat.
ne- (u.a. in negāre ‚verneinen‘), gall. ne, ni, air. ni-, ní-, apreuß. ni, lit. nè, né, aksl. ne. — briggais:
2.sg.opt.präs. v. briggan anom. V. ‚bringen‘; ahd. bringan, ? as. bringan, andl., aengl. bringan, afries.
bringa. — uns: akk. v. weis pers.pron. ‚wir‘. — fraistubnjai: dat.sg. v. fraistubni* f. jō-St.
‚Versuchung‘; Bildung mit dem Suffix urgerm. *-uƀn ō- zu einem nicht belegten V. got. *fraiston
sw. V. 3 ‚versuchen‘ (vgl. aisl. freista); vgl. got. fraisan* st. V. 7 ‚versuchen‘, das wohl ein
Kompositum urgerm. *fr(a)-aise/a- fortsetzt. — ak: konj. ‚aber‘ (stets an der Spitze des
[Neben-]Satzes); ahd. (mit Schwachtonentwicklung von *a zu o) oh, as. ak, aengl. ac, oc. — lausei:
2.sg.imp.präs. v. lausjan sw. V. 1 ‚los machen, retten; Geld erheben, eintreiben‘; ahd. lōsen, as.
lōsian, andl. lōsen, aengl. līsan, lȳsan, afries. lēsa, aisl. leysa; Ableitung von der Wurzel in got. laus
adj. a-St. ‚los, leer‘; ahd., as., andl. lōs, aengl. lēas, afries. lās, les, lōs, aisl. lauss; selbst eine
Ableitung von der Wurzel in got. -liusan* (in fraliusan* st. V. 2 ‚verlieren‘ [s. fralusts]). — af: präp.
+ dat. ‚von, von – weg, von – her‘; ahd. ab, as. af, aengl. æf, af, of, afries. of, aisl. af neben (mit Erhalt
des auslautenden Vokals in der Proklise) ahd. aba, andl. ava; vgl. ai. ápa, av., apers. apa-, gr. apó,
ápo, lat. ab. — þamma: dat.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — ubilin: dat.sg.n. sw. v. ubils adj.
a-St. ‚übel, böse‘; ahd., as. ubil, andl. uvil, aengl. yfel, afries. evel; wohl als ‚übermäßig, über das
rechte Maß hinausgehend‘ zu uridg. *upo ‚hinauf‘. — unte: konj. ‚bis, so lange als; denn, weil, da‘;
aengl. untō; Bildung zur Wurzel in got. und präp. + akk./dat. ‚bis zu; für, um‘. — þeina: akk.sg.f. v.
þeins poss.pron. ‚dein‘. — ist: 3.sg.ind.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘; ahd. ist, as.,
andl. ist, (mit Verlust des -t nach dem Muster der Prät.präs. oder wegen Unbetontheit) is, aengl.,
afries. is, aisl. (mit demselben Verlust des -t und e- nach der 1.Sg. em) es; vgl. heth. ēszi, ai. ásti, aav.
astī, jav. asti, gr. estí, lat. est, air. is, apreuß. est, alit. ẽsti, aksl. jestь. — þiudangardi: nom.sg. f. jō-St.
‚Königsschloss, Königreich‘; Kompositum aus got. þiudana- ‚König‘ (s. þiudinassus) und
got. -gardi, Ableitung von der Wurzel in got. gards m. i-St. ‚Haus, Familie; Hof‘. — mahts: nom.sg.
f. i-St. ‚Macht, Kraft, Vermögen‘; ahd., as. maht, frühmndl. macht, aengl. meaht, miht, afries. macht;
Ableitung von der Wurzel in got. magan* prät.präs. ‚können, vermögen‘. — wulþus: nom.sg. m.
u-St. ‚Herrlichkeit‘; run. o?wlþu- (in nom.sg. PersonenN/BeiN o?wlþuþewaz ‚Ullr-/Glanz-Diener‘
[Ortband von Thorsberg, 210/220–250/260]), aisl. GötterN Ullr eigtl. ‚der Strahlende‘; vgl. lat.
voltus ‚Aussehen‘. — aiwins: akk.pl. v. aiws* m. a/i-St. ‚Zeit, Ewigkeit‘ (dies ist der einzige Beleg
des Akk.Pl.; das Wort schwankt zwischen a- und i-St.: dat.pl. aiwam [7x], akk.pl. aiwins; im Sg. gibt
es keinen Unterschied zwischen beiden Stammklassen); as. ēu ‚Gesetz‘ neben ahd. ēwa ‚Ewigkeit‘,
[23]
as. ēwa* ‚dass.‘, andl. ēwa ,dass.‘, afries. ē, ewe ‚Gesetz, Ausübung, Rechtshandlung (?)‘ und aengl.
ǣ(w) ‚Gesetz, Satzung, Religion, heilige Schrift, Ritus, Sitte, Ehe(frau)‘; vgl. lat. aevum, aevus
‚Lebenszeit, lange Zeit, Ewigkeit‘. — amen: ‚Amen‘ (Lehnwort aus gr. amḕn).
1.2.
Matthaeus 8:1–4: Die Heilung eines Aussätzigen
1 Dalaþ þan atgaggandin imma af fairgunja, laistidedun afar imma iumjons managos. 2 jah
sai, manna þrutsfill habands durinnands inwait ina qiþands: frauja, jabai wileis, magt mik
gahrainjan. 3 jah ufrakjands handu attaitok imma qiþands: wiljau, wairþ hrains. jah suns hrain
warþ þata þrutsfill is. 4 jah qaþ imma Iesus: saiƕ ei mann ni qiþais, ak gagg, þuk silban ataugei
gudjin jah atbair giba þoei anabauþ Moses du weitwodiþai im.
1 dalaþ: adv. ‚zu Tal, abwärts, nieder‘ (das Adv. entspricht gr. kata- ‚hinab‘ im V.kompositum der gr.
Vorlage); Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -aþ (vgl. aljaþ ‚anders wohin‘) von got.
dals* m. / dal* n. ‚Grube; Schluch, Tal; Keltergrube‘; ahd. tal, as., andl. dal, aengl. dæl, afries. del,
aisl. dalr; vgl. gr. thólos ‚Kuppel(bau), Rundbau‘, aksl. dolu ‚hinunter‘. — þan: 1. adv. ‚dann,
darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj. (sehr oft zugleich mit -[u]h [gewöhnlich zur Wiedergabe von gr.
dé ‚aber, und‘]), 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘; ahd. dan, as., andl. than, aengl. þan, þon, afries.
than, aisl. þá; vgl. jav. tǝm ‚darum, deshalb‘, lat. tum ‚(als-)dann, ferner‘, ursprünglich der Akk.Sg.n.
zum Dem.pron., das in got. sa ‚dieser, der‘ vorliegt. — atgaggandin: dat.sg.m. part.präs. v.
atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘ (atgaggandin imma: Dat. absolutus zur Wiedergabe
des gr. Gen. absolutus); Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — imma: dat.sg.m. v.
is anaphor. pron. ‚er, der‘. — fairgunja: dat.sg. v. fairguni n. ja-St. ‚Berg‘; aengl. fyrgen, firgen neben
(fem.) ahd. Fergunna ‚Erzgebirge‘, aisl. fjǫrgyn ‚Erde, Land‘; vgl. lat.-kelt. (oder lat.-germ. über
kelt. Vermittlung?) Hercynia silva, ein deutsches Mittelgebirge, lit. GötterN Perkúnas; Ableitung
von der Wurzel in got. fairƕus m. u-St. ‚Welt‘. — laistidedun: 3.pl.ind.prät. v. laistjan sw. V. 1
‚folgen, nachstreben‘; ahd. leisten, as. lēstian, andl. lēsten, aengl. lǣstan, afries. lāsta, lēsta;
Ableitung von der Wurzel in got. laists* m. i-St. ‚Spur‘; ahd. leist, mndd. lēst, mndl. leest, aengl.
lǣst, lāst, afries. lāst, lēst, aisl. leistr. — afar: präp. + akk./dat. ‚nach; hinter‘; ahd. afar, aisl. afar-,
eine Ableitung mit dem Suffix urgerm. *-era- von urgerm. *aƀa (s. af). — iumjons: nom.pl. v. iumjo*
f. n-St. ‚Haufe‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ohne Entsprechungen. — managos: nom.pl.f.
v. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘; ahd., as., andl. manag, aengl. manig, monig, afries. monich,
manich, aisl. mangr; vgl. air. menic, aksl. mъnogъ.
2 sai: adv. ‚sieh‘; unklar, wohl zu sa dem.pron. ‚dieser, der‘ und nicht verkürzte Imp.form von saiƕan
st. V. 5 ‚sehen‘ (mit saiƕ → sai). — manna: nom.sg. m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘; lat.-germ.
Mannus, run. maR (Stein von Eggja, 575–675/700), ahd., lgb., andl. man, as. mann, aengl. mann,
monn, afries. man, mon, aisl. maðr, mannr; vgl. ai. mánu-, mánuṣ-, jav. manuš-, aksl. mǫžь. —
þrutsfill: akk.sg. v. þrutsfill n. a-St. ‚Aussatz‘; Kompositum aus got. þruts- mit unklarer Bedeutung
(mit lediglich einer Entsprechung in aengl. þrust- ) und got. -fill ‚Haut, Fell‘ (vgl. ahd. fel, as. fell,
andl. fel, aengl. fell, afries. fel, aisl. fjall, fell); vgl. lat. pellis. — habands: nom.sg.m. part.präs. v.
haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘; ahd. habēn, as. hebbian, andl. hebben,
aengl. habban, afries. habba, hebba, hava, aisl. hafa. — durinnands: nom.sg.m. part.präs. v.
durinnan* st. V. 3 ‚hinzulaufen‘; Kompositum mit got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. — inwait:
3.sg.ind.prät. v. inweitan* st. V. 1 ‚Verehrung erweisen, begrüßen‘ (das Simplex ist im Got. nicht
belegt); ahd. wīzan, as., andl., aengl. wītan, afries. wīta, aschwed. víta. — ina: akk.sg.m. v. is
anaphor. pron. ‚er, der‘; as. ina. — qiþands: nom.sg.m. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
[24]
bezeichnen‘; ahd. quedan, as., andl. quethan, aengl. cweðan, afries. quetha, quatha, queda, aisl.
kveða; vgl. arm. kocˁem ‚rufe, nenne‘. — frauja: nom.sg. m. n-St. ‚Herr‘; as. frōio, aengl. frīega
neben aisl. GötterN Freyr und run. frawa- (in nom.sg. PersonenN frawaradaz [Stein von Möjbro,
160–560/70]), ahd., as. frō, aengl. frēa; Ableitungen von der Wurzel in got. fram: 1. adv. ‚weiter‘, 2.
präp. + dat. ‚von (– her); seit; von seiten; vor, bei; um, über, für‘. — jabai: konj. ‚wenn‘; (anders
gebildet) as. gef/ƀ, aengl. gif, gyf, afries. ief, gef. — wileis: 2.sg.opt.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘;
as. willian, andl. willen, aengl. willan, afries. willa, aisl. vilja; vgl. lat. vult ‚will‘, alit. velti, aksl.
velěti. — magt: 2.sg.ind.präs. v. magan* prät.präs. ‚können, vermögen‘; ahd. magan, mugan, as.
mugan, andl. mugan, aengl. magan, afries. muga, moga, aisl. mega; vgl. ai. mah- ‚zustande bringen‘,
gr. máchomai ‚kämpfe‘. — mik: akk. v. ik pers.pron. ‚ich‘; ahd. mih, as. mik, aengl. mic, afries., aisl.
mik. — gahrainjan: inf. sw. V. 1 ‚reinigen‘; Kompositum mit got. hrainjan* sw. V. 1 ‚reinigen‘; ahd.
reinen, as. hrēnian, frühmndl. reinen; Ableitung von der Wurzel in got. hrains adj. i/ja-St. ‚rein‘.
3 ufrakjands: nom.sg.m. part.präs. v. ufrakjan* sw. V. 1 ‚aufrecken‘ (das Simplex ist im Got. nicht
belegt); ahd., frühmndl. recken, as. rekkian, aengl. reccan, aisl. rekja; vgl. jav. -rāzaiieite ‚richtet‘;
zur Wurzel in got. rikan* st. V. 5 ‚anhäufen‘. — handu: akk.sg. v. handus f. u-St. ‚Hand‘ (einmal ist
im Akk.Sg. auch die Form handau [Mk 7:32] belegt) (krimgot. handa); ahd. hant, lgb. ande-, andi-,
as. hand, andl. hant, aengl., afries. hand, hond, aisl. hǫnd. — attaitok: 3.sg.ind.prät. v. attekan st. V.
7 ‚berühren‘; Kompositum mit got. tekan* st. V. 7 ‚anrühren‘; vgl. toch. B ceśäṃ. — wiljau:
1.sg.opt.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — wairþ: 2.sg.imp.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. —
hrains: nom.sg.m. adj. i/ja-St. ‚rein‘; (anders gebildet) ahd. reini, as. hrēni, andl. rēni, afries. rēne,
rēn, aisl. hreinn, eigtl. ‚gesiebt, (ab)getrennt‘; zur Wurzel von lat. cernere ‚sieben, scheiden,
unterscheiden‘. — suns: adv. ‚alsbald, plötzlich, auf einmal‘; ohne unmittelbare Entsprechungen. —
hrain: nom.sg.n. hrains adj. i/ja-St. ‚rein‘. — warþ: 3.sg.ind.prät. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. —
þata: nom.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — þrutsfill: nom.sg. n. a-St. ‚Aussatz‘. — is: gen.sg.m.
v. is anaphor. pron. ‚er, der‘.
4 qaþ: 3.sg.ind.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — Iesus: nom. m. PersonenN ‚Jesus‘
(Lehnwort < gr. Iēsoũs). — saiƕ: 2.sg.imp.präs. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘; ahd., as. sehan, andl. sian,
aengl. sēon, afries. sia(n), aisl. séa, sjá; wohl mit Bedeutungsentwicklung ‚folgen‘ → ‚mit den Augen
folgen‘ → ‚sehen‘ zu ved. sácate, gr. hépomai, lat. sequī. — ei: konj. ‚damit, dass‘; etymologisch
unsicher. — mann: dat.sg. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘. — qiþais: 2.sg.opt.präs. v.
qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — gagg: 2.sg.imp.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘;
ahd., as. gangan, frühmndl. ganghen, aengl. gangan, afries. gunga, gonga, aisl. ganga; vgl. air.
cengait ‚(vorwärts) gehen, schreiten‘, lit. žeñgti ‚schreiten‘. — þuk: akk.sg. v. þu pers.pron. ‚du‘;
(mit Umgestaltung) ahd. dih, as. thik, aengl. þec, aisl. þik. — silban: akk.sg.m. v. silba pron. ‚selbst‘;
silba wird nur sw. flektiert; dagegen st. in ahd. selb, as., andl. self, aengl. seolf, afries. self, aisl. sjálfr.
— ataugei: 2.sg.imp.präs. v. ataugjan sw. V. 1 ‚einem (dat.) etwas (akk.) zeigen‘; Kompositum mit
got. augjan* sw. V. 1 ‚zeigen‘; ahd. ougen, as. ōgian, andl. ōgen, aengl. īwan, afries. āwa, auwa; zur
Bildung vgl. ahd. zougen, as. tōgian; Ableitung von der Wurzel in got. augo n. n-St. ‚Auge‘. —
gudjin: dat.sg. v. gudja m. n-St. ‚Priester‘; run. (nom.sg.) gudija (Stein von Nordhuglo, 375/400–
520/30); Ableitung von der Wurzel in got. guþ n. a-St. ,Gott‘. — atbair: 2.sg.imp.präs. v. atbairan*
st. V. 4 ‚herbei-, darbringen, bringen‘; Kompositum mit got. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘; ahd.,
as., andl., aengl. beran, afries., aisl. bera; vgl. ai. bhárati, aav. baraitī, gr. phérō, arm. berem, lat.
ferre, air. -berat, lit. be ti, aksl. bьrati, toch. A pärtär. — giba: akk.sg. v. giba f. ō-St. ‚Gabe,
Geschenk‘; ahd., as. geba, andl. geva, aengl. giefu, afries. jeve, jef, aisl. giǫf; Ableitung von der
Wurzel in got. giban st. V. 5 ‚geben‘. — þoei: akk.sg.f. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — anabauþ:
3.sg.ind.prät. v. anabiudan* st. V. 2 ‚entbieten, befehlen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd.
biotan, as. biodan, andl. biedan, aengl. bēodan, afries. biada, aisl. bjóða; vgl. ai. bódhati ‚bemerkt,
beachtet‘, gr. peúthomai ‚erfahre‘. — Moses: nom.sg. PersonenN (Lehnwort < gr. Mōsḗs) (daneben
findet sich die Schreibung Mosez [2.KorA 3:13; vielleicht auch 2.KorB 3:13] mit analogischem -z
[25]
statt -s). — du: präp. + dat./inf. ‚zu, für, in‘; wohl (mit Schwachtonentwicklung) zu ahd. zuo, as. tō,
frühmndl. toe, aengl. to, afries. tō; vgl. gr. dō. — weitwodiþai: dat.sg. v. weitwodiþa f. ō-St.
‚Zeugnis(ablegung)‘; Ableitung zu got. weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘. — im: dat.pl.m. v. is
anaphor. pron. ‚er, der‘.
1.3.
Matthaeus 8:23–27: Die Stillung des Sturms
23 jah innatgaggandin imma in skip, afariddjedun imma siponjos is. 24 jah sai, wegs mikils
warþ in marein, swaswe þata skip gahuliþ wairþan fram wegim; iþ is saislep. 25 jah
duatgaggandans siponjos is urraisidedun ina qiþandans: frauja, nasei unsis, fraqistnam. 26 jah
qaþ du im Iesus: ƕa faurhteiþ, leitil galaubjandans? þanuh urreisands gasok windam jah
marein, jah warþ wis mikil. 27 iþ þai mans sildaleikidedun qiþandans: ƕileiks ist sa, ei jah
windos jah marei ufhausjand imma?
23 innatgaggandin: dat.sg.m. part.präs. v. innatgaggan suppl. st. V. 7 ‚hineinkommen‘; Kompositum
mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — skip: akk.sg. v. skip n. a-St. ‚Schiff‘; ahd. skif, skef, as.
skip, mndl. scip, scep, aengl. scip, afries. skip, aisl. skip. — afariddjedun: 3.pl.ind.prät. v. afargaggan
suppl. st. V. 7 ‚nachgehen, folgen‘; Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘; die Formen
im Prät. mit iddj- gehören zu einem suppletiven Paradigma; aengl. ēode; Ableitung von der Wurzel
in lat. īre ‚gehen‘. — siponjos: nom.pl. v. siponeis m. ja-St. ‚Schüler, Jünger‘; Ableitung von der
Wurzel in ahd. seffo ‚Gefolgsmann, Diener‘.
24 wegs: nom.sg. m. a/i-St. ‚(sg.) Sturm, Wellenschlag, Brandung; (pl.) Wogen‘ (im Pl. schwankt das
Wort zwischen a- und i-St.: nom.pl. wegos [Mk 4:37], dat.pl. wegim [Mt 8:24]); ahd. wāg, as. wāg,
wēg, aengl. wǣg, afries. wēg, aisl. vágr; Ableitung von der Wurzel in got. +wigan st. V. 5 ‚bewegen‘
(durch konjiziertes wigan ina aus überliefertem <wigā|na> [Lk 14:41] gewonnen); ahd., as. wegan,
mndl. wegen, aengl. wegan, afries. wega, aisl. vega; vgl. ved. váhati ‚weht, fließt, fährt‘, jav. vazaiti
‚fährt, fließt, treibt‘, gr. pamphyl. wechétō ‚soll bringen‘, alb. vjedh ‚stiehlt‘, lat. vehere ‚fahren‘, lit.
vèžti ‚dass.‘, aksl. vesti ‚dass.‘. — mikils: nom.sg.m. adj. a-St. ‚groß‘; ahd. michil, as. mikil‚ mndl.
mekel, aengl. micel, mycel, aisl. mikill; vgl. (anders gebildet) gr. megálos, lat.-gall. PersonenN
Magalus. — marein: dat.sg. v. marei f. n-St. ‚Meer‘; ahd. merī, as. meri; Weiterbildung zu got.
mari- (in marisaiws* m. i-St. ‚See‘); ahd. mari, mndd. mēr(e), andl. meri, aengl. mere, mære‚ afries.
mer(e), mar, mēr, aisl. marr; vgl. lat. mare, air. muir, osset. mal. — skip: nom.sg. n. a-St. ‚Schiff‘.
— gahuliþ: akk.sg.n. part.prät. v. gahuljan* sw. V. 1 ‚verhüllen‘; Kompositum mit got. huljan sw.
V. 1 ‚(ver-)hüllen‘. — wairþan: inf. st. V. 3 ‚werden‘. — fram: 1. adv. ‚weiter‘, 2. präp. + dat. ‚von
(– her); seit; von seiten; vor, bei; um, über, für‘; ahd. fram, as., aengl. fram, from, aisl. fram, frá; vgl.
umbr. promom ,zuerst‘. — wegim: dat.pl. v. wegs m. a/i-St. ‚(sg.) Sturm, Wellenschlag, Brandung;
(pl.) Wogen‘. — iþ: konj. ‚aber‘; etymologisch verwandt mit id- in got. idweit* n. a-St. ‚Schmach,
Schimpf‘; ahd. it-, id-, et-, as., andl., aengl. ed-, afries. et-, aisl. ið- ,wieder, immer wieder, wiederholt,
überaus (intensivierend)‘; vgl. ai. áti ,gegen, über … hinaus, sehr‘, av. aiti- ,dass.‘, phryg. eti- (in
etitetikmenos ,verflucht‘), gr. éti ,noch, noch dazu, ferner‘, lat. et ,und (auch)‘, gall. eti ,auch, ferner‘,
apreuß. et- ,wieder, zurück‘. — is: nom.sg.m. anaphor. pron. ‚er, der‘; ahd. ir, run.schwed. iR, eR,
run.schwed., run.dän. iaR; vgl. lat. is. — saislep: 3.sg.ind.prät. v. slepan* st. V. 7 ‚schlafen‘ (krimgot.
schlipen); ahd. slāfan, as. slāpan, mndl. slāpen, aengl. slǣpan, afries. slēpa; vgl. lit. slõbti ‚schwach
werden‘.
25 duatgaggandans: nom.pl.m. part.präs. v. duatgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzukommen zu‘;
Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — urraisidedun: 3.pl.ind.prät. v. urraisjan sw.
[26]
V. 1 ‚zum Aufstehen bringen, aufrichten, erwecken‘; Kausativbildung zu got. urreisan st. V. 1
‚erstehen, sich erheben‘. — qiþandans: nom.pl.m. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘. — nasei: 2.sg.imp.präs. v. nasjan sw. V. 1 ‚retten‘ (mit analogischem -s- statt zu
erwartendem -z- nach der Ableitungsbasis got. *nisan [in ganisan st. V. 5 ‚genesen, errettet
werden‘]); ahd. nerien, nerren, as. nerian, andl. neren, aengl. nerian, afries. nera. — unsis: akk. v.
weis pers.pron. ‚wir‘. — fraqistnam: 1.pl.ind.präs. v. fraqistnan sw. V. 4 ‚umkommen, zu Grunde
gehen‘; neben got. qistjan sw. V. 1 ‚verderben‘.
26 ƕa: akk.sg.n. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘; aschwed. hvā(r); vgl. ai. kás, av. kō. —
faurhteiþ: 2.pl.ind.präs. v. faurhtjan* sw. V. 1 ‚(sich) fürchten‘; ahd. for(a)hten, fur(a)hten, as.
forhtian, andl. forhten, aengl. fyrhtan, fryhtan, afries. fruchta, frochta; Ableitung von der Wurzel in
got. faurhts* adj. a-St. ‚furchtsam‘; ahd. -forht (in gotforht adj. ,gottesfürchtig‘), as. for(a)ht, aengl.
forht; vgl. toch. A praskatär ‚fürchtet sich‘, B parskaṃ ‚fürchten sich‘. — leitil: akk.sg.n. v. leitils
adj. a-St. ‚klein, wenig‘; mndl. lītel, aengl. lītel, aisl. litill. — galaubjandans: nom.pl.m. part.präs. v.
galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. gilouben, as. gilōvian, andl.
gilōven, aengl. gelēfan, gelīfan, gelīefan, gelȳfan; Ableitung von der Wurzel in got. liufs (-b-) adj.
a-St. ‚lieb‘. — þanuh: 1. adv. ‚dann‘, 2. konj. ‚aber, nun‘; Zusammenrückung aus got. þan 1. adv.
‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘ und got. -(u)h enklit.
Part. ‚und‘. — urreisands: nom.sg.m. part.präs. v. urreisan st. V. 1 ‚erstehen, sich erheben‘ (das
Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd., as. rīsan, frühmndl. rīsen, aengl. rīsan, afries. rīsa, aisl rísa.
— gasok: 3.sg.ind.prät. v. gasakan st. V. 6 ‚schelten, den Mund stopfen, zum Schweigen bringen,
überführen, widerlegen‘; Kompositum mit got. sakan st. V. 6 ‚streiten; Vorwürfe machen, schelten‘;
run.-vorahd. (3.pl.ind.prät.) gasokun (Gürtelschnalle von Pforzen, 567–600), ahd. sachan, as. sakan,
andl. -sakan (in farsakan ‚verleugnen, entsagen‘), aengl. sacan, afries. seka; vgl. aalb. /gjegjetë/
‚hört‘, alb. gjegj ‚antworten, (zu-)hören, zustimmen‘, air. saigid ‚geht (einer Sache) nach, sucht‘; zur
selben Wurzel gehört auch die Gruppe um got. sokjan sw. V. 1 ‚suchen, disputieren‘. — windam:
dat.pl. v. winds m. a-St. ‚Wind‘; ahd. wint, as. wind, andl. wint, aengl., afries. wind, aisl. vindr; vgl.
lat. ventus, mkymr. gwynt, mbret. guent, akorn. guins, toch. A want, B yente. — wis: nom.sg. n. a-St.
‚Meeresstille‘; ohne Entsprechungen. — mikil: nom.sg.m. v. mikils adj. a-St. ‚groß‘.
27 þai: nom.pl.m. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — mans: nom.pl. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch,
Mann‘. — sildaleikidedun: 3.pl.ind.prät. v. sildaleikjan* sw. V. 1 ‚anstaunen, bewundern; staunen,
sich wundern‘; ohne Entsprechungen; Ableitung von got. sildaleiks* adj. a-St. ‚erstaunlich,
wunderbar‘; as. seldlīk, aengl. seldlic, sellic; Kompositum aus etymologisch unklarem got. silda- und
got. -leiks (s. leik). — ƕileiks: nom.sg.m. adj. a-St. ‚wie beschaffen?‘; (teils mit anderer Form des
KVG) ahd. welīh, wēolīh, wiolīh, as. hwilīk, aengl. hwilc, hwelc, afries. hwelik, hwelk, hulk, aisl.
hvílíkr. — sa: nom.sg.m. dem.pron. ‚dieser, der‘; ? run. sa (falls die Folge sawilagaz tatsächlich in
sa wilagaz ‚der Listige‘ zu trennen ist [Beinernes Amulett von Lindholmen, 460/70–560/70]), aisl.
(mit Dehnung in Einsilblern) sá; vgl. ai. sa, jav. hā, gr. ho, toch B. se. — windos: nom.pl. v. winds
m. a-St. ‚Wind‘. — marei: nom.sg. f. n-St. ‚Meer‘. — ufhausjand: 3.pl.ind.präs. v. ufhausjan sw. V.
1 ‚gehorchen; sich an etwas halten‘; Kompositum mit got. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘ (mit
analogischem -s- statt zu erwartendem -z- wohl in Anlehnung an andere Kausativa wie got. kausjan
sw. V. 1 ‚kosten, kennenlernen; prüfen‘ oder got. nasjan sw. V. 1 ‚retten‘, die -s- nach kiusan* und
*nisan [in ganisan] haben); ahd. hōren, as. hōrian, andl. hōren, aengl. hīeran, afries. hēra, hera, aisl.
heyra; vgl. gr. akoúō ,höre, gehorche, stehe im Rufe‘.
1.4.
Matthaeus 8:28–34: Die Heilung von zwei besessenen Gadarenern
[27]
28 jah qimandin imma hindar marein in gauja Gairgaisaine, gamotidedun imma twai
daimonarjos us hlaiwasnom rinnandans, sleidjai filu, swaswe ni mahta manna usleiþan þairh
þana wig jainana. 29 jah sai, hropidedun qiþandans: ƕa uns jah þus, Iesu, sunau gudis? qamt
her faur mel balwjan unsis? 30 was-uh þan fairra im hairda sweine managaize haldana. 31 iþ
þo skohsla bedun ina qiþandans: jabai uswairpis uns, uslaubei uns galeiþan in þo hairda
sweine. 32 jah qaþ du im: gaggiþ! iþ eis usgaggandans galiþun in hairda sweine; jah sai, run
gawaurhtedun sis alla so hairda and driuson in marein jah gadauþnodedun in watnam. 33 iþ
þai haldandans gaþlauhun jah galeiþandans gataihun in baurg all bi þans daimonarjans. 34
jah sai, alla so baurgs usiddja wiþra Iesu, jah gasaiƕandans ina bedun ei usliþi hindar markos
ize.
28 qimandin: dat.sg.m. st. part.präs. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘ (qimandin imma: Dat. absolutus zur
Übersetzung des gr. Gen. absolutus). — hindar: präp. + akk./dat. ‚hinter, jenseits‘; ahd. hintar, as.
hindar- (in hindarscrenkig ,verschlagen‘), frühmndl. hinder, aengl. hinder, aisl. hindr- (in hindrvitni
,Aberglaube‘); Bildung zum Pron.st. in got. hi-*. — marein: dat.sg. v. marei f. n-St. ‚Meer‘; es steht
der Dat., da qiman + präp. mit Dat. konstruiert wird. — gauja: dat.sg. v. gawi* n. ja-St. ‚Umgegend;
Land‘; ahd. gewi, gouwi, as. (nur in OrtsN) gō, gā, andl. gō, afries. gā, gē. — Gairgaisaine: gen.pl.
v. Gairgaisainus* m. u/i-St. EinwohnerN ‚Gergesener‘ (Lehnwort < gr. Gergesēnós) (dies ist der
einzige Beleg des N). — gamotidedun: 3.pl.ind.prät. v. gamotjan sw. V. 1 ‚begegnen‘ (das Simplex
ist im Got. nicht belegt); as. mōtian, mndl. moeten, aengl. mētan, afries. mēta, aisl. møta. — twai:
nom.m. num. ‚zwei‘ (mit -ai nach dem st. Adj. und Pron.) (vgl. krimgot. tua); (mit unterschiedlichen
Umbildungen) ahd. zwēne, as., andl. twēne, aengl. twēgen, afries. twēne, aisl. tveir; vgl. ai. d(u)v ,
jav. duua, gr. dúō, lat. duo, air. dáu, aksl. dъva. — daimonarjos: nom.pl. v. daimonareis m. ja-St.
‚Besessener‘ (Lehnwort < gr. daimoniários oder lat. daemoniārius). — us: präp. + dat. ‚aus, von (–
her); seit, gleich nach‘; ahd. ar-, ir-, ur-, as. ur-, or-, aengl. or-, (im Schwachton) a-, afries. ur-, or-,
aisl. or-, ur-, ør-; vgl. lat. us- (in us-que ‚bis‘), ? air. os(s)-, uss ‚hinauf, empor‘. — hlaiwasnom:
dat.pl. v. hlaiwasna* f. ō-St. ‚Grab‘; Weiterbildung zu got. hlaiw n. a-St. ‚Grab‘. — rinnandans:
nom.pl.m. part.präs. v. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘; ahd., as., andl., aengl. rinnan, afries. renna,
rinna, aisl. rinna; vgl. ai. riṇ ti ‚lässt strömen, lässt laufen‘. — sleidjai: nom.pl.m. v. sleiþs* (-d-) /
sleideis* adj. i/ja-St. / ja-St. ‚schlimm, gefährlich‘; (vgl.) as. slīthi, aengl. slīþe. — filu: adv. ‚viel;
sehr‘; ahd., as. filu, andl. filo, aengl. feolu, fela, feala, afries. fele, felo, aisl. (nur als KVG) fjǫl- ‚viel‘;
vgl. gr. polús ‚viel, häufig‘, (?) air. il ‚viel‘. — mahta: 3.sg.ind.prät. v. magan prät.präs. ‚können,
vermögen‘. — usleiþan: inf. st. V. 1 ‚hinaus-, weggehen; vergehen‘ (das Simplex ist im Got. nicht
belegt); ahd. līdan, as., andl. līthan, afries. lītha, aengl. līđan, aisl. líða; vgl. jav. -iriθiieiti ‚stirbt‘,
toch. A līt, B lita ‚ging weg‘. — þairh: präp. + akk. ‚durch‘; ahd. derh ‚durchbohrt, durchlöchert‘,
aengl. þerh, ? afries. thriuch; neben (ablautend) ahd. dur(u)h, as. thuru(h), andl. thuro, thurg, aengl.
þorh, þurh, afries. t(h)ruch, troch. — wig: akk.sg. v. wigs m. a-St. ‚Weg‘; ahd., as., andl., aengl. weg,
afries. wei, wī, aisl. vegr; Ableitung von derselben Wurzel wie in got. wegs m. a/i-St. ‚(sg.) Sturm,
Wellenschlag, Brandung; (pl.) Wogen‘. — jainana: akk.sg.m. v. jains dem.pron. ‚jener‘; ahd. jenēr,
mndd. jēne, gene, mndl. gene, gone, geune, afries. ien(a), gen(a), jin, ienna, aengl. geon.
29 hropidedun: 3.pl.ind.prät. v. hropjan sw. V. 1 ‚rufen‘; ahd. ruofen, aisl. hrópa, hrœpa; Ableitung von
der Wurzel in got. hrops; ahd. ruof, mndd. rōp, frühmndl. roep, aengl. hrōp, aisl. hróp; Ableitung
von einem st. V., fortgesetzt in ahd. ruofan, as. hrōpan, andl. ruopan, aengl. hrōpan, afries. hrōpa,
rōpa, ropa ‚rufen‘. — þus: dat. v. þu pers.pron. ‚du‘. — Iesu: vok. m. PersonenN ‚Jesus‘ (da auch
eine Apposition zu þus möglich ist, ist eine Deutung als Dat. wohl nicht ganz auszuschließen). —
sunau: dat.sg. v. sunus m. u-St. ‚Sohn‘ (daneben ist auch einmal sunu [Joh 14:13] bezeugt; nach
anderer Auffassung liegt ein Vok.Sg. vor); ahd., as. sunu, andl. suno, aengl., afries. sunu, aisl. sonr,
[28]
sunr; vgl. ai sūnú-, av. hūnu-, apreuß. soūns, lit. sūnùs, aksl. synъ. — gudis: gen.sg. v. guþ n. a-St.
,Gott‘; obwohl das Wort guþ als Neutr. flektiert, hat es mask. Attribute (guþ meins ‚mein Gott‘ [u.a.
Mt 27:46]); ahd. got, as. god, andl. got, aengl., afries. god, aisl. guð, goð. — qamt: 2.sg.ind.prät. v.
qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — her: adv. ‚hier, her‘; ahd. hiar, as. hēr, hier, hīr, andl. hier- (in hiera
‚hierher‘), aengl. hēr, afries. hīr, aisl. hér. — faur: 1. adv. ‚voraus‘, 2. präp. + akk. ‚vor – hin, längs
– hin, an; für, um – willen, über, inbetreff‘; entweder zu ahd., as., andl. furi, afries. fori, aisl. fyr ,vor,
für, wegen‘ oder zu ahd. fora, as. for(a), andl. fore, aengl. for(e), afries. fore, aisl. for- ,vor, für,
wegen, anstatt‘. — mel: akk.sg. v. mel n. a-St. ‚Zeit, Stunde‘; ahd., mndd. māl, frühmndl. mael, aengl.
mǣl, afries. mēl, māl, aisl. mál. — balwjan: inf. sw. V. 1 ‚martern‘ (das V. wird mit dem Dat.
konstruiert); Ableitung von der Wurzel in ahd. balo-, as. balu-, aengl. bealu, afries. balu- ‚quälend‘;
vgl. wohl aksl. bolь ‚Kranker‘. — unsis: dat. v. weis pers.pron. ‚wir‘.
30 was-uh: bestehend aus got. was: 3.sg.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘ und
got. -(u)h: enklit. Part. (stets dem ersten Wort seines Satzes angefügt; nach Vokalen nur -h) ‚und‘,
wohl eine Verbindung aus einer Part. -u- (die auch in got. aiþþau ‚oder‘ vorliegt) und -h ‚und‘; vgl.
heth. -kku, ai., av. -ca, apers. -cā, myk. -qe, gr. -te, lat. -que. — fairra: adv. ‚fern; fern von, weg von‘;
ahd. ferro, as. ferre, andl. ferro, aengl. feor(r), aisl. fjarri; vgl. vielleicht toch. A pärne, B parna,
parra ‚draussen, hinaus‘. — hairda: nom.sg. f. ō-St. ‚Herde‘; ahd. herta, mndd. herde, aengl. heord,
aisl. hjǫrð; vgl. apreuß. (akk.sg.) kerdan ,Zeit‘, aksl. črěda ‚Reihe(nfolge), Herde, Vieh, Haufe,
Menge‘. — sweine: gen.pl. v. swein* n. a-St. ‚Schwein‘; ahd., as., andl., aengl. swīn, afries. svīn,
aisl. svín; vgl. lat. suīnus ‚vom Schwein‘, aksl. svinъ. — managaize: gen.pl.n. v. manags* adj. a-St.
‚mancher, viel‘. — haldana: nom.sg.f. part.prät. v. haldan st. V. 7 ‚hüten, weiden‘; ahd. haltan, as.
haldan, andl. haldan, aengl. healdan, afries. halda, hālda, haulda, hāda, hauda, holda, aisl. halda;
vgl. ohne dentales Element gr. kélomai ‚treibe an, fordere auf‘, lit. kélti ‚hinüberbringen‘; vgl. gr.
ion., att. o-kéllō ‚lande (ein Schiff); strande‘, lit. ki nyti, ki noti ‚hinüberfahren, übersetzen‘, toch. A
källāṣ ‚bringt, führt‘.
31 þo: nom.pl.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — skohsla: nom.pl. v. skohsl* n. a-St. ‚böser Geist,
Dämon‘; wohl zu air. scál ‚Erscheinung‘. — uswairpis: 2.sg.ind.präs. v. uswairpan st. V. 3 ‚weg-,
hinauswerfen, austreiben‘. — uslaubei: 2.sg.imp.präs. v. uslaubjan* sw. V. 1 ‚erlauben‘ (das
Simplex ist im Got. nicht belegt [s. galaubjan]). — galeiþan: inf. st. V. 1 ‚kommen, gehen‘ (das
Simplex ist im Got. nicht belegt [s. usleiþan]). — þo: akk.sg.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. —
hairda: akk.sg. v. hairda f. ō-St. ‚Herde‘.
32 gaggiþ: 2.pl.imp.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — eis: nom.pl.m. v. is ‚er, der‘. —
usgaggandans: nom.pl.m. part.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘; Kompositum
mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — galiþun: 3.pl.ind.prät. v. galeiþan st. V. 1 ‚kommen,
gehen‘. — run: akk.sg. v. runs m. i-St. ‚Lauf‘; ahd. run, aengl. ryne, afries. rene; Ableitung von der
Wurzel in got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. — gawaurhtedun: 3.pl.ind.prät. v. gawaurkjan sw.
V. 1 ‚be-, erwirken, bereiten‘ (die beiden Parallelstellen [Mk 5:13 und Lk 8:33] haben den Text: jah
rann so hairda …; die ganze Fügung run gawaurhtedun sis übersetzt das gr. Wort hṓrēsen ‚sie
stürzten sich‘); Kompositum mit got. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. — sis: dat. v. sik
pers./refl.pron. ‚sich‘. — alla: nom.sg.f. v. alls adj. ‚all, jeder, ganz‘; ahd. al(l), as. all, andl. al, aengl.
eal(l), afries. al(l), aisl. allr; eine Ableitung von der Wurzel in got. alan* st. V. 6 ‚wachsen‘ (nur
nom.sg.m. part.präs. alands [1.TimAB 4:6]); aengl. alan ‚nähren‘, aisl. ala ‚aufziehen‘; vgl. lat. alere
‚nähren‘, air. alid ‚nährt‘. — so: nom.sg.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘; mndl. soe, su, aisl. sú; vgl.
ai. s , av. hā, gr. hē, lat. -sa (in ipsa ‚selbst‘), toch. B sā. — and: präp. + akk. ‚entlang, über – hin,
auf – hin‘; (in den anderen germ. Sprachen nur als Präfix) ahd. ant-, as. and/t-, andl. and-, aengl.
and-, ond-, afries. ond-, aisl. and-; zur selben Wurzel auch got. andeis m. ja-St. ‚Ende‘. — driuson:
akk.sg. v. driuso* f. n-St. ‚Abhang‘ (dies ist der einzige belegte Kasus [noch Lk 8:33, Mk 5:13]);
Ableitung von der Wurzel in got. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘. — marein: akk.sg. v. marei f. n-St.
‚Meer‘. — gadauþnodedun: 3.pl.ind.prät. v. gadauþnan sw. V. 4 ‚sterben‘ (das Simplex ist im Got.
[29]
nicht belegt); Ableitung zur Wurzel in got. dauþs (-þ-) adj. ‚tot‘. — watnam: dat.pl. v. wato* unreg.
n. n-St. ‚Wasser‘; (ebenso mit Durchführung von n) aisl. vatn neben (mit Durchführung von r) ahd.
wazzar, as., andl. watar, aengl. wæter, afries. weter; vgl. heth. wātar, ai. udán, gr. húdōr, umbr. utur,
lit. vanduõ, aksl. voda, toch. A wär, B war.
33 haldandans: nom.pl.m. part.präs. v. haldan st. V. 7 ‚hüten, weiden‘. — gaþlauhun: 3.pl.ind.prät. v.
gaþliuhan* st. V. 2 ‚die Flucht ergreifen, entfliehen‘; Kompositum mit got. þliuhan st. V. 2 ‚fliehen‘;
ahd., as. fliohan, andl. flīan, afries. fliā, aengl. flēon, aisl. flýja; vgl. lit. plaũkti ‚schwimmen‘. —
galeiþandans: nom.pl.m. part.präs. v. galeiþan st. V. 1 ‚kommen, gehen‘. — gataihun: 3.pl.ind.prät.
v. gateihan* st. V. 1 ‚anzeigen, verkündigen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. zīhan,
as. -tīhan (in aftīhan ‚versagen‘), frühmndl. tiën, aengl. tēon, afries. -tiā (in urtiā ‚verweigern‘), aisl.
tjá ‚anzeigen, beschuldigen‘; vgl. lat. dīcere ‚sagen‘. — baurg: dat.sg. v. baurgs f. Kons.st. ‚Turm,
Burg, Stadt‘; ahd., as. burg, frühmndl. borch, aengl. burg, afries. burch, aisl. borg; vgl. jav.
bǝrǝz- ‚Höhe, Berg; hoch‘, air. brí ‚Hügel, Erhebung‘. — all: akk.sg.n. v. alls adj. ‚all, jeder, ganz‘.
— bi: präp. + akk./dat. ‚bei, (her)um; in(nerhalb); inbetreff, über, gemäß; an‘; ? run. bi
(Speer-/Lanzenschaft von Kragehul, 470–490), ahd. bı, as. bı, be, andl. bī, aengl. bı, be, afries. bı. —
þans: akk.pl.m. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — daimonarjans: akk.sg. v. daimonareis m. ja-St.
‚Besessener‘.
34 baurgs: nom.sg. f. Kons.st. ‚Turm, Burg, Stadt‘. — usiddja: 3.sg.ind.prät. v. usgaggan suppl. st. V.
7 ‚aus-, hinausgehen‘. — wiþra: präp. + akk. ‚wider, gegen‘; vgl. ahd. widar, as., andl. wither, aengl.
wiðer, afries. wither, wether, aisl. viðr. — Iesu: akk. m. PersonenN ‚Jesus‘. — gasaiƕandans:
nom.pl.m. part.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘; Kompositum mit got. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘.
— bedun: 3.pl.ind.prät. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘. — usliþi: 3.sg.opt.prät. v. usleiþan
st. V. 1 ‚hinaus-, weggehen; vergehen‘. — markos: akk.pl. v. marka f. ō-St. ‚Mark, Grenze‘; ahd.,
as., andl. marka, aengl. mearc, merc, afries. merka, marke, aisl. mǫrk; vgl. jav. (akk.sg.) marǝzǝm
‚Mark, (Grenz-)Gebiet‘, lat. margō ‚Rand, Grenze‘, gall. in PersonenN Brogi-. — ize: gen.pl.m. v.
is anaphor. pron. ‚er, der‘.
1.5.
Matthaeus 9:1–8: Die Heilung eines Gelähmten
1 Jah atsteigands in skip ufarlaiþ jah qam in seinai baurg. 2 þanuh atberun du imma usliþan
ana ligra ligandan. jah gasaiƕands Iesus galaubein ize qaþ du þamma usliþin: þrafstei þuk,
barnilo, afletanda þus frawaurhteis þeinos. 3 þaruh sumai þize bokarje qeþun in sis silbam: sa
wajamereiþ. 4 jah witands Iesus þos mitonins ize qaþ: duƕe jus mitoþ ubila in hairtam
izwaraim? 5 ƕaþar ist raihtis azetizo qiþan: afletanda þus frawaurhteis, þau qiþan: urreis jah
gagg? 6 aþþan ei witeiþ þatei waldufni habaiþ sa sunus mans ana airþai afleitan frawaurhtins,
þanuh qaþ du þamma usliþin: urreisands nim þana ligr þeinana jah gagg in gard þeinana. 7
jah urreisands galaiþ in gard seinana. 8 gasaiƕandeins þan manageins ohtedun
sildaleikjandans jah mikilidedun guþ þana gibandan waldufni swaleikata mannam.
1 atsteigands: nom.sg.m. part.präs. v. atsteigan* st. V. 1 ‚hinabsteigen‘; Kompositum mit got. steigan*
st. V. 1 ‚steigen‘; ahd., as., andl., aengl. stīgan, afries. stīga, aisl. stíga; vgl. gr. steíchō ‚steige, gehe,
ziehe‘, air. tíagu ‚gehe‘. — ufarlaiþ: 3.sg.ind.prät. v. ufarleiþan* st. V. 1 ‚übersetzen‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt [s. usleiþan]). — qam: 3.sg.ind.prät.
v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — seinai: dat.sg.f. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘ (das Wort kommt nur
in den obliquen Kasus vor, da das Pron. sich logisch stets auf das Subjekt des Satzes bezieht); ahd.,
as., andl., aengl., afries. sīn, aisl. sinn.
[30]
2 atberun: 3.pl.ind.prät. v. atbairan st. V. 4 ‚(herbei-/dar-)bringen‘; Kompositum mit got. bairan st. V.
4 ‚tragen, gebären‘. — usliþan: akk.sg. v. usliþa m. n-St. ‚Gichtbrüchiger‘; Ableitungskompositum
mit dem Präfix got. us- ‚aus-‘ und got. liþus m. u-St. ‚Glied‘, also ‚einer, dessen Glieder aus [= außer
Gebrauch] sind‘; ahd. lid, as. lith, frühmndl. lit, aengl. leoþu-, afries. lith, leth, lid, led, aisl. liðr; vgl.
lat. lituus ‚krummer Stab, krummes Signalhorn‘. — ligra: dat.sg. v. ligrs* m. a-St. ‚Lager, Bett‘;
ahd., as. legar, andl. in OrtsN legar-, aengl. leger, afries. leger, legor, aisl. legr; Ableitung von der
Wurzel in got. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘. — ligandan: akk.sg.m. part.präs. v. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘;
vgl. (mit dem Suffix urgerm. *- e/a- gebildet) ahd. liggen, as. liggian, andl. liggen, aengl. licgan,
afries. lidza, ledza, aisl. liggja; vgl. gr. (Hesych) léchetai · koimãtai ‚legt sich schlafen‘, falisk. lecet
‚liegt‘, air. laigid ‚dass.‘, toch. B lyaśäṃ ‚dass.‘. — gasaiƕands: nom.sg.m. part.präs. v. gasaiƕan
st. V. 5 ‚erblicken‘. — galaubein: akk.sg. v. galaubeins f. i-St. ‚Glaube‘; Ableitung von got.
galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — þamma: dat.sg.m. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — usliþin: dat.sg.
v. usliþa m. n-St. ‚Gichtbrüchiger‘. — þrafstei: 2.sg.imp.präs. v. þrafstjan* sw. V. 1 ‚trösten,
mahnen; (refl.) sich trösten‘; vielleicht mit ahd. fluobara ‚Trost‘, as. frōvra ,Trost, Hilfe, Beistand‘,
aengl. frōfor ,dass.‘ zu verbinden. — barnilo: nom./vok.sg. v. barnilo(*) n. n-St. ‚Kind(lein)‘;
Deminutivbildung zu got. barn n. a-St. ‚Kind‘. — afletanda: 3.pl.ind.präs.pass. v. afletan st. V. 7
‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘ (das Subjekt von
afletanda ist in allen Belegstellen frawaurhteis); Kompositum mit got. letan* st. V. 7 ‚lassen,
zulassen, überlassen, zurücklassen‘. — frawaurhteis: nom.pl. v. frawaurhts f. i-St. ‚Sünde‘; as.
farwurht, aengl. forwyrht; Ableitung zum V. in got. frawaurkjan* sw. V. 1 ‚eine Sünde begehen; (+
sis) sich versündigen‘; Kompositum mit got. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. — þeinos:
nom.pl.f. v. þeins poss.pron. ‚dein‘.
3 þaruh: 1. adv. ‚da‘, 2. konj. ‚nun, aber‘; Zusammenrückung aus got. þar adv. ‚dort‘ und got. -(u)h
enklit. Part. ‚und‘. — sumai: nom.pl.m. v. sums indef.pron. ‚irgend einer, ein gewisser, jemand, einer,
(pl.) einige‘ (das Pron. wird wie ein st. Adj. flektiert); ahd., as. sum, frühmndl. som, aengl., afries.
sum, aisl sumr; vgl. ai. sama-, jav. hama-, gr. hamo-. — þize: gen.pl.m. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘.
— bokarje: gen.pl. v. bokareis m. ja-St. ‚Schriftgelehrter‘; ahd. buohhari, as. bōkeri, aengl. bōcere;
Ableitung mit den Fortsetzern des Lehnsuffixes lat. -ārius von der Wurzel in got. boka f. ō-St.
‚Buchstabe; (pl.) Schrift, Brief, Buch, Urkunde‘; ahd. buocha, as. bōka ‚Buche‘ neben (anders
gebildet) ahd. buoh ‚Buch, Schriftstück‘, as. bōk ,Buch, Schreibtafel‘, andl. buok ‚Buch‘, aengl. bōc
‚Buch, Schrift, Urkunde, Bibel‘, afries. bōk ‚Buch; Messebuch, Missal; Bibel‘, aisl. bók f. ‚Buch;
lateinische Sprache; gestickte Bettdecke‘; vgl. gr. phēgós ‚Eiche‘, lat. fāgus ‚Buche‘. — qeþun:
3.pl.ind.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — silbam: dat.pl.m. v. silba ‚selbst‘. —
wajamereiþ: 3.sg.ind.präs. v. wajamerjan sw. V. 1 ‚lästern‘; Kompositum mit got. merjan sw. V. 1
‚künden, kund tun; das KVG ist got. waja- ‚schlecht‘; mhd. wē-, aengl. wēa-; Ableitung von got. wai
interj.. ‚wehe!‘; ahd., as. wē, frühmndl. -wee (in owee ‚oh weh!‘) aengl. wā, afries. wī, aisl. vei; vgl.
av. vaiiōi, lat. vae, mir. fāe.
4 witands: nom.sg.m. part.präs. v. witan prät.präs. ‚wissen‘; ahd. wizzan, as., andl., aengl. witan, afries.
wita, weta, aisl. vita; vgl. ai. vḗda ‚weiß, kennt‘, gr. óĩda ‚ich weiß‘, arm. gitem ‚dass.‘, apreuß. waist,
aksl. věděti. — þos: akk.pl.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — mitonins: akk.pl. v. mitons f. i-St.
‚Überlegung, Gedanke‘; Ableitung von got. miton* sw. V. 2 ‚ermessen, (be)denken, überlegen‘. —
duƕe: adv. ‚wozu, warum‘; Zusammenrückung (nach Wirkung der Brechung) von got. du präp. +
dat./inf. ‚zu, für, in‘ und got. ƕe instr.sg.n. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — mitoþ:
2.pl.ind.präs. v. miton* sw. V. 2 ‚ermessen, (be)denken, überlegen‘; ahd. mezzōn, aengl. metian,
afries. metigia, mātigia; Ableitung zur Wurzel in got. mitan* st. V. 5 ‚messen‘; ahd. mezzan, as.,
andl., aengl. metan, afries., aisl. meta; vgl. gr. médomai ‚trage Sorge für, bedenke, bin bedacht‘. —
ubila: akk.pl.n. v. ubils adj. a-St. ‚übel, böse‘. — hairtam: dat.pl. v. hairto n. n-St. ‚Herz‘; ahd. herza,
as., andl. herta, nwestfries. hert, aisl. hjarta neben (fem.) aengl. heorte, afries. herte, hirte, harte;
vgl. heth. ker, kard(i)-, ved. h d-, aav. zǝrǝd-, gr. kēr, arm. sirt, lat. cor, apreuß. seyr, lit. širdìs, aksl.
[31]
srъdьce. — izwaraim: dat.pl.n. v. izwar poss.pron. ‚euer‘; (teils mit Umbildungen) ahd. iuw(er)ēr,
as. euwa, iuwa, andl. iuwa, aengl. ēower, īower, afries. jūwe, jōwe, aisl. yþvarr; Ableitung von der
Wurzel in got. izwis dat. v. jus pers.pron. ‚ihr‘.
5 ƕaþar: nom.sg.n. v. ƕaþar fragepron. ‚wer von beiden‘ (flektiert wie ein st. Adj.); aengl. hwæþer,
aisl. hvaðarr neben ahd. wedar, as. hwethar, frühmndl. weder, aengl. hweþer, afries. hweder; vgl. ai.
katará-, av. katāra-, gr. póteros, aksl. kotorъ. — raihtis: konj. ‚nämlich, doch, etwa‘ (adv. Gen. zu
raihts* adj. a-St. ‚recht, gerade‘); ahd. rehtes. — azetizo: nom.sg.n. komp. v. azets* adj. a-St. ‚leicht‘
(das ist der einzig belegte Kasus des Wortes; einmal kommt die Schreibung azitizo [Mk 10:25] vor);
ohne Entsprechungen. — þau: 1. part. ‚als; oder‘, 2. adv. ‚doch, wohl, etwa‘; aisl. þey- (in þeygi ‚gar
nicht‘); vgl. ? ai. (mit umgekehrter Reihenfolge der Partikel) utá ,und auch‘. — qiþan: inf. st. V. 5
‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — urreis: 2.sg.imp.präs. v. urreisan st. V. 1 ‚erstehen, sich erheben‘.
6 aþþan: konj. ‚aber, doch‘; Zusammenrückung eines sonst nicht als Simplex belegtes got. *aþ konj.
‚aber‘ (vgl. lat. at ‚aber‘) und got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj.
‚wann, so lange als; als, da‘. — witeiþ: 2.pl.opt.präs. v. witan prät.präs. ‚wissen‘. — þatei: konj./pron.
‚dass.‘. — waldufni: akk.sg. v. waldufni n. ja-St. ‚Gewalt, Macht‘; eine Ableitung von der Wurzel in
got. waldan st. V. 7 ‚walten‘; ahd. waltan, as. waldan, mndl. wouden, aengl. wealdan, afries. walda,
aisl. valda; vgl. lit. veld ti. — habaiþ: 3.sg.ind.präs. v. haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten,
meinen; werden‘. — sunus: nom.sg. m. u-St. ‚Sohn‘ (daneben ist auch einmal die Form sunaus [Lk
4:3] belegt). — mans: gen.sg. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘. — afleitan: inf. st. V. 7
‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘ (die Schreibung von
zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī); Kompositum mit got. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen,
überlassen, zurücklassen‘. — frawaurhtins: akk.pl. v. frawaurhts f. i-St. ‚Sünde‘. — nim:
2.sg.imp.präs. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘; ahd. neman, as.
niman, andl. neman, aengl. niman, afries. nima, aisl. nema; vgl. gr. némō ‚teile zu, verteile, lasse
weiden, besitze‘, lett. ņe t. — ligr: akk.sg. v. ligrs* m. a-St. ‚Lager, Bett‘. — þeinana: akk.sg.m. v.
þeins poss.pron. ‚dein‘. — gard: akk.sg. v. gards m. i-St. ‚Haus(wesen), Familie‘; (mit anderer
Stammbildung) ahd. gart, lgb. in PersonenN -gardus, -cardus, as. gard, andl. (dat.sg.) -charde (in
olecharde ,in/bei einem Bienengarten‘), aengl. geard, aisl. garðr; entweder zu gr. chórtos
,eingefriedeter Raum, Hof, Gehege, Weideplatz, Weide, Futter, Gras, Heu‘, lat. hortus ,Garten‘ oder
zu lit. ga das ,Pferch‘, aksl. gradъ ,Burg, Stadt, Garten‘.
7 galaiþ: 3.sg.ind.prät. v. galeiþan st. V. 1 ‚kommen, gehen‘. — seinana: akk.sg.m. v. seins* poss.pron.
‚sein‘.
8 gasaiƕandeins: nom.pl.f. part.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — manageins: nom.pl. v. managei
f. n-St. ‚Menge‘. — ohtedun: 3.pl.ind.prät. v. ogan* prät.präs. ‚fürchten; (refl.) sich fürchten‘ (einmal
ist auch die Schreibung uhtedun [Mk 11:32] belegt); vgl. air. -ágor ‚fürchte‘. — sildaleikjandans:
nom.pl.m. part.präs. v. sildaleikjan* sw. V. 1 ‚anstaunen, bewundern; staunen, sich wundern‘; die
Form ist ungrammatisch, da sie sich auf das fem. manageins bezieht (es liegt wohl eine Mischung
zweier Varianten vor, da sich in gr. Handschriften an dieser Stelle sowohl ephobḗsan ‚sie fürchteten
sich‘ wie auch ethaúmasan ‚sie staunten‘ finden; vgl. auch in einer lat. Bibelhandschrift: admirantes
timuerunt ‚staunend fürchteten sie sich‘). — mikilidedun: 3.pl.ind.prät. v. mikiljan* sw. V. 1
‚preisen‘; as. mikillian; Ableitung von der Wurzel in got. mikils adj. a-St. ‚groß‘. — guþ: akk.sg. v.
guþ n. a-St. ,Gott‘. — gibandan: akk.sg.m. part.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — swaleikata:
akk.sg.n. v. swaleiks pron.adj. ‚so beschaffen, ein solcher‘ (das Wort flektiert wie ein st. Adj.); mndl.
swelc, swilc, aengl. swelc, swylc; Kompositum aus der Vorform von got. swa adv. ‚so‘ und got. -leiks
(s. leiks). — mannam: dat.pl. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘.
[32]
1.6.
Matthaeus 26:69–75: Die Verleugnung des Petrus
69 Ciþ Paitrus uta sat ana rohsnai, jah duatiddja imma aina þiwi qiþandei: jah þu wast miþ
Iesua þamma Galeilaiau.
70 CAƕa qiþis.
C
iþ is laugnida faura þaim allaim qiþands: ni wait ƕa qiþis.
CA
71
usgaggandan þan ina in daur, gasaƕ ina anþara jah qaþ du þaim jainar: jah sa was
miþ Iesua þamma Nazoraiau.
C
usgaggandan þan ina in daur, gasaƕ ina anþara jah qaþ du þaim jainar: jas sa was
miþ Iesua þamma Nazoraiau.
CA
72
jah aftra afaiaik miþ aiþa swarands þatei ni kann þana mannan.
C
jah aftra laugnida miþ aiþa swarands þatei ni kann þana mannan.
CA
73
afar leitil þan atgaggandans þai standandans qeþun Paitrau: bi sunjai, jah þu þize
is; jah auk razda þeina bandweiþ þuk.
C
afar leitil þan atgaggandans þai stand<and>ans qeþun Paitrau: bi sunjai, jah þu þize
is; jah auk razda þeina bandweiþ þuk.
CA+C
74
þanuh dugann afdomjan jah swaran þatei ni kann þana mannan. jah suns hana
hrukida.
CA
75
jah gamunda Paitrus waurdis Iesuis qiþanis du sis: þatei faur hanins hruk þrim
sinþam afaikis mik. jah usgaggands ut gaigrot baitraba.
C
jah gamunda Paitrus waurdis Iesuis qiþanis du sis: þatei faur hanins hruk þrim sinþam
inwidis mik. jah usgaggands ut gaigrot baitraba.
69 Paitrus: nom. m. PersonenN ‚Petrus‘ (Lehnwort < gr. Pétros). — uta: adv. ‚außerhalb, draußen‘;
ahd. ūze, as., andl. ūta, aengl. ūte, afries. ūta, ūte, aisl. úti; Ableitung von der Wurzel in got. ut adv.
‚hinaus, heraus‘. — sat: 3.sg.ind.prät. v. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘; im Got. mit Umbildung des
ursprünglichen e/a-V. nach ligan* st. V. 5 ‚liegen‘; neben ahd. sizzen, as. sittian, andl. sitten, aengl.
sittan, afries. sitta, aisl. sitja; vgl. air. sádid ‚steckt‘, aksl. saditi ‚setzen, pflanzen‘. — rohsnai: dat.sg.
v. rohsns* f. i-St. ‚Hof‘; ohne Entsprechungen. — duatiddja: 3.sg.ind.prät. v. duatgaggan* suppl. st.
V. 7 ‚hinzukommen zu‘; Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — aina: nom.sg.f. v.
ains adj. a-St./num. ‚ein‘; das Wort wird wie ein st. Adj. flektiert (sw. Formen finden sich nicht),
wobei die Formen des Pl. die Bedeutung ‚einzig, allein‘ haben; ahd. ein, as., andl. ēn, aengl. ān,
afries. ān, ēn, aisl. einn; vgl. gr. oinós, umbr. unu, alat. oino, lat. ūnus, air. óen, apreuß. ains. — þiwi:
nom.sg. f. jō-St. ‚Magd‘; ahd. diu, as. thiu, thiwi, aengl. þēowu, aisl. þý; Motionsfem. zum Mask.
got. þius* m. wa-St. ‚Knecht‘. — qiþandei: nom.sg.f. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘. — wast: 2.sg.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — miþ: 1. präp. +
dat. ‚mit, bei, unter‘, 2. adv. ,mit, zugleich‘; (unterschiedliche Bildungen) ahd. mit(i), lgb. in
PersonenN Miti-, as. mid(i), mit(h), met, andl. mit‚ aengl. mid, miđ, mide, afries. mithi, mede, mit(h),
mei, aisl. með(r). — Iesua: dat. v. Iesus m. PersonenN ‚Jesus‘. — Galeilaiau: dat.sg. v. Galeilaius
m. u/i-St. EinwohnerN ‚Galiläer‘ (Lehnwort < gr. Galilaĩos).
70 laugnida: 3.sg.ind.prät. v. laugnjan* sw. V. 1 ‚leugnen‘; ahd. lougnen, as. lōgnian, frühmndl.
loochenen, aengl. līgnian, afries. leina, laina, aisl. leyna; mit unklarer Ableitungsgrundlage zur
Gruppe um got. liugan* st. V. 2 ‚lügen‘. — faura: 1. adv. ‚vorn, vorher‘, 2. präp. + dat. ‚vor‘; ahd.,
as. fora, andl., aengl., afries. fore, aisl. for- (in foringi ‚Führer‘); Ableitung zur Wurzel in got. faur
1. adv. ‚voraus‘, 2. präp. + akk. ‚vor – hin, längs – hin, an; für, um – willen, über, inbetreff‘. —
[33]
allaim: dat.pl.m. v. alls adj. ,all, jeder, ganz‘. — wait: 1.sg.ind.präs. v. witan prät.präs. ‚wissen‘. —
qiþis: 2.sg.ind.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘.
71 usgaggandan: akk.sg.m. part.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘. — daur: akk.sg.
v. daur n. a-St. ‚Tor‘; (mit verschiedenen Umbildungen) ahd. tor, turi, as. duru, andl. duri, aengl.
dor, duru, afries. dore, aisl. (pl.) dyrr; vgl. ai. dv r-, jav. duuar-, apers. duvar(a)-, gr. thúra, lat. (pl.)
forēs, lit. dùrys, gall. doro, air. dor. — gasaƕ: 3.sg.ind.prät. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. —
anþara: nom.sg.f. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘ (das Wort wird nur st. flektiert); ahd.
andar, as. ōđar, andl. andar, aengl. ōþer, afries. ōther, aisl. annarr; vgl. ai. ántara-, jav. aṇtara-, lit.
añt(a)ras. — jainar: adv. ‚an jenem Ort, dort‘; vielleicht zu ahd. ionēr ‚irgendwo, irgendwohin‘;
Bildung zur Wurzel in got. jains dem.pron. ‚jener‘. — Cjas: kopula ‚und‘; mit Assimilation von -h –
s- zu -s – s-. — Nazoraiau: dat.sg. v. Nazoraius m. u/i-St. EinwohnerN ‚Nazarener‘ (Lehnwort < gr.
Nazōraĩos).
72 aftra: adv. ‚wieder; zurück, rückwärts‘; ahd., as. aftar, andl. ahter, aengl. æfter, afries. efter, aisl.
aptr, eine Ableitung von der Wurzel in got. af präp. + dat. ‚von, von – weg, von – her‘. — CAafaiaik:
3.sg.ind.prät. v. afaikan st. V. 7 ‚leugnen, verleugnen, fluchen‘; ahd. -eichan (in ineichan ‚opfern‘).
— aiþa: dat.sg. v. aiþs* (-þ-) m. a-St. ‚Eid‘; run. aiþa- (in aiþalataz [Axtstiel von Nydam, 210/20–
375/400]), ahd. eid, lgb. (pl.) aidos, as. ēth, frühmndl. eet, aengl. āþ, afries. ēth, ēd, aisl. eiðr; vgl.
air. oeth. — swarands: nom.sg.m. part.präs. v. swaran st. V. 6 ‚schwören‘; mit (analogischem?)
Verlust der ursprünglichen Stammbildung mit urgerm. * e/a-Suffix im Got.; ahd. swerien, swerren,
as. swerian, andl. sweren, aengl. swerian, afries. swera, swara, aisl. svera; vgl. ai. svárati ‚tönt,
rauscht‘. — kann: 1.sg.ind.präs. v. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘; ahd., as., andl. kunnan, aengl.
cunnan, afries., aisl. kunna; vgl. air. -gnin, lit. žinóti, lett. zinim, toch. A knānat — mannan: akk.sg.
v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘.
73 atgaggandans: nom.pl.m. part.präs. v. atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘. —
CA
standandans/ Cstand<and>ans: nom.pl.m. part.präs. v. standan st. V. 6 ‚stehen‘; ahd. stantan, as.
standan, mndl. standen, aengl. standan, afries. stonda, aisl. standa; vgl. (ohne Nasalbildung) ai.
tíṣṭhati, jav. hištəṇti, gr. hístēmi, hístamai, arm. er-tˁam, lat. sistere, keltiber. sistat. — Paitrau: dat.
v. Paitrus m. PersonenN ‚Petrus‘. — sunjai: dat.sg. v. sunja f. jō-St. ,Wahrheit‘; lat.-germ. (Lex
Salica) sunnis ,rechtsgültiges Hindernis‘, ahd. sunna, sunne, as. sunnea, aengl. synn, aisl. syn;
Ableitung von der Wurzel in got. ist. — auk: konj. ‚denn, nämlich‘ (das Wort steht an zweiter Stelle
des Satzes); run. ? uk (Stein v. Eggja, 575–675/700), ahd. ouh, as., andl. ōk, aengl. ēac, afries. āk,
aisl. auk, ok; vgl. gr. aũge. — razda: nom.sg. f. ō-St. ‚Sprache, Sprechweise, Zunge‘; ahd. rarta, aisl.
rǫdd neben (ablautend) aengl. reord; wohl zu ai. rásati ‚brüllt, schreit‘. — þeina: nom.sg.f. v. þeins
poss.pron. ‚dein‘. — bandweiþ: 3.sg.ind.präs. v. bandwjan* sw. V. 1 ‚ein Zeichen/einen Wink geben,
andeuten‘; aisl. benda (aus dem Germ. entlehnt in aprov. bandir, italien. bandire, katal. bandir);
Ableitung von der Wurzel in got. bandwa* f. wō-St. ‚Zeichen‘; ohne Entsprechungen.
74 dugann: 3.sg.ind.prät. v. duginnan* st. V. 3 ‚beginnen‘ (das Simplex ist im Got., wie in den anderen
germ. Sprachen nicht belegt); ahd., as., andl., aengl. -ginnan, afries. -ienna, -ginna; vgl. wohl air.
ro-geinn ,findet Platz in‘. — afdomjan: inf. sw. V. 1 ‚be-, verurteilen‘; Kompositum mit got. domjan
sw. V. 1 ‚(be-)urteilen, unterscheiden, rechtfertigen‘; ahd. tuomen, as. dōmian, andl. duomen, aengl.
dēman, afries. dēma, aisl. dǿma; Ableitung von der Wurzel in got. doms m. a-St. ‚Setzung, Satz‘;
ahd. tuom, as. dōm, andl. duom, aengl., afries. dōm, aisl. dómr; vgl. vielleicht phryg. doumo
‚Ratsversammlung‘. — swaran: inf. st. V. 6 ‚schwören‘. — hana: nom.sg. m. n-St. ‚Hahn‘; ahd.
hano, as. hano- (in hanokrād ,Hahnenschrei‘), andl. hano, aengl. hana, afries. hona, aisl. hani; zur
Wurzel in lat. canere ,singen, ertönen, spielen‘, air. canaid ,er singt‘. — hrukida: 3.sg.ind.prät. v.
hrukjan* sw. V. 1 ‚krähen‘; Ableitung von der Wurzel in got. hruks* / hruk* m. / n. a-St. ‚Krähen‘.
75 gamunda: 3.sg.ind.prät. v. gamunan prät.präs. ‚sich erinnern‘; Kompositum mit got. munan*
prät.präs. ‚meinen, glauben‘; as., aengl. munan, aisl. muna; Fortsetzer der uridg. Perf.bildung wie in
gr. (episch, lyrisch) mémona ‚habe im Sinn, strebe nach etw.‘, lat. meminī ‚erinnere mich, erwähne‘.
[34]
— waurdis: gen.sg. v. waurd n. a-St. ‚Wort‘; ahd. wort, as. word, andl. wort, aengl., afries. word,
aisl. orð; vgl. apreuß. wīrds neben (ablautend) lat. verbum, lit. va das. — Iesuis: gen. v. Iesus m.
PersonenN ‚Jesus‘. — qiþanis: gen.sg.n. part.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. —
hanins: gen.sg. v. hana m. n-St. ‚Hahn‘. — hruk: akk.sg. v. hruks* / hruk* m. / n. a-St. ‚Krähen‘;
vgl. nruss. kruk ‚Rabe‘, lit. kraũkti ‚krächzen‘. — þrim: dat.m. / n. v. þreis* num. ‚drei‘; ahd. drim,
as. thrim, andl. t(h)rin, drin, aengl. þrim, aengl. thrim, thrium, aisl. þrim(r), þrem(r); zu (vgl. auch
krimgot. tria n.) ahd. drī, as. thria, thriu, andl. thrī, aengl. þrī(e), þrȳ, afries. thrē, aisl. þrír; vgl. ai.
tráya-, jav. ϑrāiiō, gr. treĩs, arm. erekˁ, lat. trēs, air. trí, apreuß. tris, lit. trỹs, aksl. trьje, toch. A tre,
B trai. — sinþam: dat.pl. v. sinþs* / sinþ* (-þ-) m. / n. a-St. ‚Mal‘; ahd. sint, as. sīth, aengl. sīþ, aisl.
sinn; vgl. air. sét. — CAafaikis: 2.sg.ind.präs. v. afaikan st. V. 7 ‚leugnen, verleugnen, fluchen‘. —
C
inwidis: 2.sg.ind.präs. v. inwidan* st. V. 5 ‚verleugnen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd.
wetan ‚verbinden‘; vgl. arm. gerem ‚führe gefangen fort‘, air. fedid ‚führt, trägt, bringt‘, lit. vèsti
‚führen‘, aksl. vesti ‚dass.‘. — usgaggands: nom.sg.m. part.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-,
hinausgehen‘. — ut: adv. ‚hinaus, heraus‘ (immer dem V. nachgestellt); ahd. ūz, as., andl., aengl.,
afries. ūt, aisl. út; vgl. ai. úd. — gaigrot: 3.sg.ind.prät. v. gretan st. V. 7 ‚weinen, klagen‘; as. grātan,
aengl. grētan, aisl. gráta. — baitraba: adv. ‚bitterlich‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden
Suffix -ba zu got. baitrs* adj. a-St. ‚bitter‘; neben (ablautend) ahd., as. bittar, andl. bitter, aengl.
biter, aisl. bitr.
1.7.
Johannes 6:1–15: Die Speisung der Fünftausend
1 Afar þata galaiþ Iesus ufar marein þo Galeilaie jah Tibairiade. 2 jah laistida ina manageins
filu, unte gaseƕun taiknins þozei gatawida bi siukaim. 3 usiddja þan ana fairguni Iesus jah
jainar gasat miþ siponjam seinaim. 4 was-uh þan neƕa pasxa, so dulþs Iudaie. 5 þaruh ushof
augona Iesus jah gaumida þammei manageins filu iddja du imma, qaþ-uh du Filippau: ƕaþro
bugjam hlaibans, ei matjaina þai? 6 þatuh þan qaþ fraisands ina; iþ silba wissa þatei habaida
taujan. 7 andhof imma Filippus: twaim hundam skatte hlaibos ni ganohai sind þaim, þei nimai
ƕarjizuh leitil. 8 qaþ ains þize siponje is, Andraias, broþar Paitraus Seimonaus: 9 ist magula
ains her, saei habaiþ e hlaibans barizeinans jah b fiskans; akei þata ƕa ist du swa managaim?
10 iþ Iesus qaþ: waurkeiþ þans mans anakumbjan. was-uh þan hawi manag ana þamma stada.
þaruh anakumbidedun wairos raþjon swaswe fimf þusundjos. 11 nam-uh þan þans hlaibans
Iesus jah awiliudonds gadailida þaim anakumbjandam; samaleiko jah þize fiske, swa filu swe
wildedun. 12 þanuh, biþe sadai waurþun, qaþ du siponjam seinaim: galisiþ þos aflifnandeins
drauhsnos, þei waihtai ni fraqistnai. 13 þanuh galesun jah gafullidedun ib tainjons gabruko
us fimf hlaibam þaim barizeinam, þatei aflifnoda þaim matjandam. 14 þaruh þai mans
gasaiƕandans þoei gatawida taikn Iesus, qeþun þatei sa ist bi sunjai praufetus sa qimanda in
þo manaseþ. 15 iþ Iesus kunnands þatei munaidedun usgaggan jah wilwan <ina> ei
tawidedeina ina du þiudana, afiddja aftra in fairguni is ains.
1 þata: akk.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — ufar: präp. + akk./dat. ‚über‘; ahd. ubar, as. uƀar, oƀar,
andl. over, aengl. ofer, afries. uver, over; vgl. ai. upári, gr. hupér, lat. super, air. for. — Galeilaie:
gen.pl. v. Galeilaius m. u/i-St. EinwohnerN ‚Galiläer‘ (hier im Sinne des LänderN gebraucht). —
Tibairiade: gen.pl. v. Teibairiadeis pl.m. EinwohnerN ‚Bewohner von Tiberias‘ (dies ist der einzige
Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. Tiberiádos).
[35]
2 laistida: 3.sg.ind.prät. v. laistjan sw. V. 1 ‚folgen, nachstreben‘. — manageins: gen.sg. v. managei f.
n-St. ‚Menge‘. — gaseƕun: 3.pl.ind.prät. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — taiknins: akk.pl. v.
taikns f. i-St. ‚Zeichen, Wunder, Anzeichen‘; vgl. (mit anderer Stammbildung) ahd. zeihhan, as.,
andl. tēkan, aengl. tācen, afries. tēken, aisl. teikn; Ableitung von der Wurzel in got. gateihan* st. V.
1 ‚anzeigen, verkündigen‘. — þozei: akk.pl.f. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — gatawida: 3.sg.ind.prät.
v. gataujan sw. V. 1 ‚vollbringen, bewirken, machen‘; Kompositum mit got. taujan sw. V. 1 ‚tun,
machen‘; run. (1.sg.ind.prät.) tawido (Goldhorn B von Gallehus, 375/400–460/70), (3.sg.ind.prät.)
tawide (ältester Beleg Schildfesselbeschlag von Illerup Ådal 2, 210/20–250/60), ahd. zouwen neben
(sw. V 2) ahd. zāwēn, aengl. tawian neben (anders gebildet) aisl. tœja; vgl. (andere Bildung) gr.
dýnamai ‚kann, vermag‘. — siukaim: dat.pl.m. v. siuks adj. a-St. ‚krank, schwach‘; ahd. sioh, as.
siok, andl. siek, aengl. sēoc, afries. siāk, aisl. sjúkr; Ableitung von der Wurzel in got. siukan st. V. 2
‚siechen, krank sein‘.
3 fairguni: akk.sg. v. fairguni n. ‚Berg, Gebirge‘. — gasat: 3.sg.ind.prät. v. gasitan st. V. 5 ‚sich
niedersetzen, Platz nehmen‘; Kompositum mit got. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘. — siponjam: dat.pl. v.
siponeis m. ja-St. ‚Schüler, Jünger‘. — seinaim: dat.pl.m. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘.
4 neƕa: 1. adv. ‚nahe‘, 2. präp. + dat. ‚nahe bei‘; (anders gebildet) ahd. nāho, andl. nāio; Ableitung von
der Wurzel in got. neƕ adv. ‚nahe‘; ahd., as. nāh, andl. nā, aengl. nēah, afries. nei, nī, aisl. ná- (nur
in nálӕgr ‚naheliegend‘). — pasxa: nom.sg. f. ‚Pascha, Osterfest‘ (das Wort wird nicht dekliniert;
häufiger ist die Schreibung mit -k- anstelle von -x- bezeugt) (Lehnwort < gr. páscha); frühmndl.
paschen. — dulþs: nom.sg. (-þ-) f. i-St. ‚Fest‘; ahd. tuld. — Iudaie: gen.pl. v. Iudaius m. u/i-St. N
‚Jude‘ (daneben auch mit J- geschrieben) (Lehnwort < gr. Ioudaĩos).
5 ushof: 3.sg.ind.prät. v. ushafjan st. V. 6 ‚erheben, aufheben‘; Kompositum mit got. hafjan* st. V. 6
‚heben‘; ahd. heffen, as. hebbian, andl. heven, aengl. hebban, afries. heffa, aisl. hefja; vgl. gr. káptō
‚schnappe, schlucke‘, lat. capere ‚fassen, nehmen‘. — augona: akk.pl. v. augo n. n-St. ‚Auge‘
(krimgot. oeghene pl.); ahd. ouga, as., andl. ōga, aengl. ēage, ēge, afries. āge, āch, aisl. auga neben
(mit anderer Stammbildung) run. -augiz (in glïaugiz ‚Glanz-Auge‘ [Brakteat 1 von Nebenstedt, 400–
500]); mit sekundärem au- (wohl nach der Wurzel in got. auso n. n-St. ‚Ohr‘); die ursprüngliche
Lautung ist u.a. in ahd. ak- (in aksiunī ‚Aussehen‘) belegt; vgl. ai. akṣán-, ákṣi-, gr. ópis, lit. akìs. —
gaumida: 3.sg.ind.prät. v. gaumjan sw. V. 1 ‚bemerken‘; ahd. goumen, as. gōmian, frühmndl. gomen,
aengl. gīeman, gȳman, aisl. geyma; Ableitung von der Wurzel in mndl. gome, goom ,festlicher
Empfang; Aufmerksamkeit‘, aisl. gaumr ‚Aufmerksamkeit‘; Ableitung von der Wurzel in lat. faveo
,bin gewogen‘, aksl. gověti ,verehren‘. — þammei: konj./pron. ‚dass‘ — iddja: 3.sg.ind.prät. v.
gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — Filippau: dat. v. Filippus m. PersonenN ‚Philippus‘ (Lehnwort <
gr. Phílippos). — ƕaþro: adv. ‚woher‘; Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -þro von der
Wurzel in got. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — bugjam: 1.pl.ind.präs. v. bugjan unreg.
sw. V. 1 ‚kaufen‘; as. buggian, aengl. bycgan, aisl. byggja. — hlaibans: akk.pl. v. hlaifs (-b-) m.
a-St. ‚Brot‘. — matjaina: 3.pl.opt.präs. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘; aengl. mettan, aisl. metja;
Ableitung von der Wurzel in got. mats m. i-St. ‚Speise, Proviand‘.
6 þatuh: nom.sg.n. v. sah dem.pron. ‚der und kein anderer, eben der‘. — fraisands: nom.sg.m. part.präs.
v. fraisan* st. V. 7 ‚versuchen‘ (s. fraistubni*). — silba: nom.sg.m. pron. ‚selbst‘. — wissa:
3.sg.ind.prät. v. witan prät.präs. ‚wissen‘. — þatei: akk.sg.n. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — habaida:
3.sg.ind.prät. v. haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘. — taujan: inf. sw. V. 1
‚tun, machen‘.
7 andhof: 3.sg.ind.prät. v. andhafjan st. V. 6 ‚erwidern, antworten‘; Kompositum mit got. hafjan* st. V.
6 ‚heben‘. — Filippus: nom. m. PersonenN ‚Philippus‘. — twaim: dat.n. v. twai num. ‚zwei‘. —
hundam: dat. v. hunda n.pl. ‚hundert‘ (dagegen ist krimgot. sada eine Entlehnung aus dem Iran.);
ahd. -hunt, as. hund, andl. chunna, aengl. hund; vgl. ai. śatám, av. satəm, gr. hekatón, lat. centum,
air. cét, lit. ši tas, aksl. sъto, toch. A känt, B känte, kante. — skatte: gen.pl. v. skatts m. a-St.
‚Geld(stück); Mine‘; ahd. skaz, as. skatt, andl. skat, aengl. sceatt, afries. skett, aisl. skattr. — hlaibos:
[36]
nom.pl. v. akk.sg. v. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘. — ganohai: nom.pl.m. v. ganohs* adj. a-St. ‚genug,
viel‘; aengl. genōh neben (mit grammatischem Wechsel) ahd. ginuog, as. ginōg, andl. ginuog, aengl.
genōg, afries. enōg, aisl. gnógr; Ableitung von der Wurzel in got. -nauhan* prät.präs. (in binauhan*
prät.präs. ‚erlaubt sein‘, ganauhan* prät.präs. ‚genügen‘); ahd. gi-nah ‚es genügt‘, aengl. be-nugan
‚brauchen, wollen, begehren, genießen‘, ge-nugan ‚genügen, ausreichen‘; vgl. ai. naś- ‚erreichen,
erlangen, einholen‘, av. nas- ‚erlangen, erreichen‘. — sind: 3.pl.ind.präs. v. wisan unreg. st. V.
‚(da)sein, existieren‘. — þei: 1. rel.part. ‚so lange als‘, 2. konj. ‚dass‘; vgl. gr. teĩ- (in teĩde ‚hier‘),
apreuß. tei- (in teinu ‚nun‘), aksl. ti ‚und, also, dann‘. — nimai: 3.sg.opt.präs. v. niman st. V. 4
‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘ — ƕarjizuh: nom.sg.m. pron. ‚jeder‘:
Zusammenrückung aus got. ƕarjis pron. ‚wer‘ und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘.
8 ains: nom.sg.m. adj. a-St./num. ‚ein‘. — siponje: gen.pl. v. siponeis m. ja-St. ‚Schüler, Jünger‘. —
Andraias: nom. m. PersonenN ‚Andreas‘ (Lehnwort < gr. Andréas). — broþar: nom.sg. m. r-St.
‚Bruder‘ (krimgot. bruder); ahd. bruoder, as. brōthar, andl. bruother, aengl. brōđor, afries. brōther,
aisl. bróðir; vgl. ai. bhr tar-, av. brātar-, gr. phrátēr, arm. ełbayr, lat. frāter, air. bráth(a)ir, apreuß.
brāti, aksl. brat(r)ъ, toch. A pracar, B procer. — Paitraus: gen. v. Paitrus m. PersonenN ‚Petrus‘.
— Seimonaus: gen. v. Seimon m. PersonenN ‚Simon‘ (der Gen. ist auch als Seimonis überliefert)
(Lehnwort < gr. Símōn).
9 magula: nom.sg. m. n-St. ‚Knabe‘; Ableitung von der Wurzel in got. magus m. u-St. ‚Knabe‘. — saei:
nom.sg.m. rel.pron. ‚welcher‘; Zusammenrückung aus got. sa dem.pron. ‚dieser, der‘ und got. ei
konj. ‚damit, dass‘. — e : num. ‚fünf‘ (s. fimf). — barizeinans: akk.pl.m. v. barizeins* adj. a-St.
‚von Gerste bereitet‘; Ableitung von der Wurzel in aengl. bere ‚Gerste‘, nnordfries. ber(r)e ‚dass.‘,
aisl. barr ‚Getreide, Speise; Nadeltriebe, Laub, Baum‘; vgl. lat. fār ‚Getreide, Dinkel, Spelt‘, aksl.
brašьno ‚Speise‘. — b : num. ‚zwei‘ (s. twai). — fiskans: akk.pl. v. fisks* m. a-St. ‚Fisch‘ (krimgot.
+
fisch [geschrieben <fisct>]); ahd. fisc, as., andl. fisk, aengl. fisc, afries. fisk, aisl. fiskr; vgl. (anders
gebildet) lat. piscis, air. íasc. — akei: konj. ‚aber‘; Zusammenrückung aus got. ak konj. ‚aber‘ und
got. ei konj. ‚damit, dass‘. — ƕa: nom.sg.n. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. —
managaim: dat.pl.m. v. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘.
10 waurkeiþ: 2.pl.ind.präs. v. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘; ahd. wurchen, aengl. wyrcan, aisl.
yrkja. — mans: akk.pl. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘. — anakumbjan: inf. sw. V. 1
‚sich niederlegen, zu Tische legen‘ (Lehnwort [mit Umbildung] < lat. accumbere ‚sich hinlegen, sich
zu Tische niederlassen, Platz nehmen‘). — hawi: nom.sg. n. ja-St. ‚Heu‘; ahd. hewi, houwi, as. hōi,
andl. houwi, aengl. hīeg, afries. hā, hē, aisl. hey; Ableitung von der Wurzel in ahd. houwan, as.
hauwan, andl. houwan, aengl. hēawan, afries. hāwa, hauwa, hōwa, houwa, aisl. hǫggva, alle ‚hauen‘;
vgl. lit. káuti ‚schlagen‘, aksl. kovati ‚schmieden‘. — manag: nom.sg.n. v. manags* adj. a-St.
‚mancher, viel‘. — stada: dat.sg. von staþs (-d-) m. i-St. ‚Stätte, Ort; Herberge‘; wenn m. i-St., dann
unmittelbar zu ahd. stat, as. stedi, frühmndl. stat, stede, aengl. stede, afries. sted(e), aisl. staðr; vgl.
ai. sthití-, gr. stásis; Ableitung von der Wurzel in got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — anakumbidedun:
3.pl.ind.prät. v. anakumbjan sw. V. 1 ‚sich niederlegen, zu Tische legen‘. — wairos: nom.pl. v. wair
m. a-St. ‚Mann‘; ahd., as. wer, andl. wera-, aengl. wer, afries. wer-, aisl. verr; vgl. ai. vīrá-, av. vīra-,
lat. vir, air. fer, apreuss. wi(j)rs, lit. výras. — raþjon: dat.sg. v. raþjo f. n-St. ‚Zahl, Rechnung‘; ahd.
reda, as. rethia, andl. retha, afries. rethe, rede, rē(d); wohl Ableitung von der Wurzel in got.
garaþjan* (oder garaþan*?) st. V. 6 ‚zählen‘; vgl. lat. ratiō ‚(Be-)Rechnung, Geschäft‘. — fimf:
nom. num. ‚fünf‘ (krimgot. +fynf [<fyuf>]); ahd. fimf, as., andl., aengl., afries. fīf, aisl. fimm; vgl. ai.
páñca, av. panca, gr. pénte, pémpe, arm. hing, lat. quīnque, air. cóic, toch. A päñ, B piś. —
þusundjos: nom.pl. v. þusundi f. jō-St. ‚tausend‘ (daneben ist auch einmal die Schreibung þusundjus
[Neh 7:17] belegt); ahd. dūsunt, as. thūsundig, andl. thūsunt, aengl. þūsend, afries. thūsend, aisl.
þús(h)und.
11 nam-uh: bestehend aus got. nam: 3.sg.ind.prät. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen,
empfangen, fangen‘ und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — awiliudonds: nom.sg.m. part.präs. v.
[37]
awiliudon sw. V. 2 ‚danken‘; erst innergot. Ableitung zu got. awiliuþ (-d-) n. a-St. ‚Dank‘;
Kompositum aus got. awi- ‚Schutz‘ (run. auja [Brakteat von Skodborghus/Skodborg, 440–560]) und
got. -liuþ (-d-) ‚Lied‘ mit sekundärem -d- im Kompositum neben got. liuþ* (-þ-) n. a-St. ‚Gesang‘.
— gadailida: 3.sg.ind.prät. v. gadailjan* sw. V. 1 ‚zerteilen, zuteilen‘; Kompositum mit got. dailjan
sw. V. 1 ‚teilen, mitteilen‘; run. (3.pl.prät.) dalidun (Stein von Tune, 375/400–520/30), ahd. teilen,
as. dēlian, andl. dēlon, aengl. dǣlan, afries. dēla, aisl. deila; Ableitung von der Wurzel in got. dails*
f. i-St. ‚Teil‘; (mit anderer Stammbildung) ahd. teil, as., andl. dēl, aengl. dǣl, afries. dēl; vgl. (oder
Lehnwort aus dem Germ.?) russ.-ksl. dělъ. — anakumbjandam: dat.pl.m. part.präs. v. anakumbjan
sw. V. 1 ‚sich niederlegen, zu Tische legen‘. — samaleiko: adv. ‚auf gleiche Weise, gleichfalls,
ebenfalls‘; Adv.bildung zu got. samaleiks* adj. a-St. ‚gleich‘. — fiske: gen.pl. v. fisks* m. a-St.
‚Fisch‘. — wildedun: 3.pl.ind.prät. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘.
12 biþe: 1. adv. ‚nachher, später‘, 2. konj. ‚während, als, sobald als, nachdem‘; Zusammenrückung aus
got. bi präp. + akk./dat. ‚bei, (her)um; in(nerhalb); inbetreff, über, gemäß; an‘ und got. þe instr.sg.n.
v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — sadai: nom.pl.m. v. +saþs (-d-) adj. a-St. ‚satt‘ (im Nom.Sg.m. ist
nur die Schreibung <sads> [PhilB 4:12] überliefert); ahd. sat, as. sad, andl. sat, aengl. sæd,
frühnwestfries. sed, aisl. saðr; vgl. gr. -atos (in á-atos ‚unersättlich‘). — waurþun: 3.pl.ind.prät. v.
wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — galisiþ: 2.pl.ind.präs. v. galisan* st. V 5 ‚zusammenlesen,
versammeln‘; Kompositum mit got. lisan* st. V. 5 ‚lesen, sammeln‘; ahd., as., andl., aengl. lesan,
afries. lesa, lasa, lēsa, aisl. lesa; vgl. heth. lešš-mi ‚auflesen, sammeln‘, lit. lèsti ‚picken, pickend
fressen‘. — aflifnandeins: akk.pl.f. part.prät. v. aflifnan* sw. V. 4 ‚übrig bleiben‘ (das Simplex ist
im Got. nicht belegt); aisl. lifna; neugebildetes Nasalpräs. zur Wurzel in got. liban sw. V. 3 ‚leben‘
und got. bilaibjan* sw. V. ‚übrig lassen‘ ([das Simplex ist im Got. nicht belegt]; ahd. leiben, as.
lēvian, aengl. lǣfan, afries. lēva, liōwa, aisl. leifa; vgl. aksl. pri-lěpeti ‚ankleben‘). — drauhsnos:
akk.pl. v. draushna* f. ō-St. ‚Brocken, Brosamen‘; ohne Entsprechungen. — waihtai: dat.sg. v.
waihts f. Kons./i-St. ‚Ding, Sache, Etwas‘; ahd., as., andl., aengl. wiht, aisl. véttr, vættr; vgl. (oder
Lehnwort aus dem Germ.?) aksl. věštь ‚Ding‘. — fraqistnai: 3.sg.opt.präs. v. fraqistnan sw. V. 4
‚umkommen, zu Grunde gehen‘.
13 galesun: 3.pl.ind.prät. v. galisan* st. V 5 ‚zusammenlesen, versammeln‘; Kompositum mit got. lisan*
st. V. 5 ‚lesen, sammeln‘. — gafullidedun: 3.pl.ind.prät. v. gafullnan* sw. V. 4 ‚angefüllt werden‘;
Kompositum mit got. fullnan* sw. V. 4 ‚voll werden‘; Ableitung von der Wurzel in got. fulls adj.
a-St. ‚voll‘. — ib : num. ‚zwölf‘ (s. twalif). — tainjons: akk.pl. v. tainjo* f. jōn-St. ‚Korb‘; ahd.
zeinna, lgb. *zain(j)a (Lehnwort in italien. zana), mndd. tēne, mndl. tene, aisl. teina; Ableitung von
der Wurzel in got. tains* m. a-St. ‚Zweig‘ (nur gen.pl. taine [Joh 15:2]); ahd. zein, as. tēn, mndl.
teen, aengl. tān, afries. tēn, aisl teinn. — gabruko: gen.pl. v. gabruka* f. ō-St. ‚Brocken‘; Ableitung
zu got. gabrikan* st. V. 4 ‚zerbrechen‘. — hlaibam: dat.pl. v. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘. —
barizeinam: dat.pl.m. v. barizeins* adj. a-St. ‚von Gerste bereitet‘. — þatei: nom.sg.n. v. saei
‚welcher‘. — aflifnoda: 3.sg.ind.prät. v. aflifnan* sw. V. 4 ‚übrig bleiben‘. — matjandam: dat.pl.m.
part.präs. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘.
14 taikn: akk.sg. v. taikns f. i-St. ‚Zeichen, Wunder, Anzeichen‘. — praufetus: nom.sg. m. u-St.
‚Prophet‘ (Lehnwort < gr. prophḗtēs). — qimanda: nom.sg. sw. part.präs. v. qiman st. V. 4
‚kommen‘. — manaseþ: akk.sg. v. manaseþs (-d-) f. i-St. ,Menschheit, Welt‘; Kompositum aus got.
mana- (Kompositionsform zu got. manna unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘) und als Simplex nicht
belegtem got. -seþs f. i-St. ‚Saat‘; ahd. sāt, as. sād, frühmndl. saet, aengl. sǣd, afries. sēd, aisl. sáð;
Ableitung von der Wurzel in got. saian st. V. 7 ‚säen‘; ahd. sāen, as. sāian, frühmndl. sayen, aengl.
sāwan, sǣwan, afries. siā (nur part.prät. esēn ‚besät‘), aisl. sá; vgl. aksl. sě(ja)ti.
15 kunnands: nom.sg.m. part.präs. v. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. — munaidedun: 3.pl.ind.prät.
v. munan* sw. V. 3 ‚zu tun gedenken, wollen‘; ahd. -monēn (in firmonēn ‚verachten, nicht beachten,
verurteilen‘); Ableitung von der Wurzel in got. munan* prät.präs. ‚meinen, glauben‘. — usgaggan:
inf. suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘. — wilwan: inf. st. V. 3 ‚rauben‘; vgl. vielleicht lat. volvere
[38]
‚rollen, drehen‘. — tawidedeina: 3.pl.opt.prät. v. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — þiudana: dat.sg.
v. þiudans m. a-St. ‚König‘; as. thiudan, aengl. þēoden, aisl. þjóðann; Ableitung von der Wurzel in
got. þiuda f. ō-St. ‚Volk‘. — afiddja: 3.sg.ind.prät. v. afgaggan* suppl. st. V. 7 ‚weggehen‘;
Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘.
1.8.
Johannes 6:16–21: Jesus geht über das Wasser
16 iþ swe seiþu warþ, atiddjedun siponjos is ana marein, 17 jah usstigun in skip, iddjedun-uh
ufar marein in Kafarnaum. jah riqis juþan warþ jah ni atiddja nauhþan du im Iesus. 18 iþ marei
winda mikilamma waiandin urraisida was. 19 þaruh farjandans swe spaurde k jah e aiþþau
l gasaiƕand Iesu gaggandan ana marein jah neƕa skipa qimandan jah ohtedun sis. 20 þaruh
is qaþ <im>: ik im, ni ogeiþ izwis. 21 þaruh wildedun ina niman in skip, jah sunsaiw þata skip
warþ ana airþai ana þoei eis iddjedun.
16 seiþu: entweder nom.sg.n. v. seiþus* adj. u-St. ‚spät‘ oder nom.sg. n. u-St. ‚Abend‘; (anders gebildet)
ahd. sīd, as. sīth, sīđ, mndl. side, aengl. síđ, aisl. síð ‚spät‘; vgl. lat. sētius komp. adv. ‚später‘. —
atiddjedun: 3.pl.ind.prät. v. atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘.
17 usstigun: 3.pl.ind.prät. v. ussteigan st. V. 1 ‚emporsteigen‘; Kompositum mit got. steigan* st. V. 1
‚steigen‘. — iddjedun-uh: bestehend aus got. iddjedun: 3.pl.ind.prät. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘
und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — Kafarnaum: akk.sg. v. Kafarnaum f. indekl. OrtsN ‚Kapernaum‘
(Lehnwort < gr. Kapharnaoúm). — riqis: nom.sg. (-z-) n. a-St. ‚Finsternis‘; aisl. røkkr; vgl. ai. rájas-,
gr. érebos, arm. erek. — juþan: adv. ‚schon‘; Zusammenrückung aus got. ju adv. ‚schon, jetzt, nun‘
und got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘.
— atiddja: 3.sg.ind.prät. v. atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘. — nauhþan: adv.
‚noch‘; Zusammenrückung aus got. nauh adv. ‚noch‘ und got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2.
anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘.
18 winda: dat.sg. v. winds m. a-St. ‚Wind‘. — mikilamma: dat.sg.m. v. mikils adj. a-St. ‚groß‘. —
waiandin: dat.sg.m. part.präs. v. waian* st. V. 7 ‚wehen‘; ahd. wāen, mndd. wēien, andl. wāion,
aengl. wāwan, afries. wēia, wāia, aschwed. via; vgl. ai. v ti, av. vāiti, gr. áēsi, aksl. vějati. —
urraisida: nom.sg.f. part.prät. v. urraisjan sw. V. 1 ‚zum Aufstehen bringen, aufrichten, erwecken‘.
19 farjandans: nom.pl.m. part.präs. v. farjan* sw. V. 1 ‚(zu Schiff) fahren‘; ahd. ferien, ferren, as. ferian,
mndl. veren, aengl. ferian, afries. fēra, fōra, aisl. ferja; Ableitung von der Wurzel in got. faran* st.
V. 6 ‚wandern, ziehen‘; ahd., as., andl., aengl. faran, afries., aisl. fara; vgl. ai. píparti ‚bringt hinüber‘,
ksl. -prati ‚zerschneiden, auftrennen‘. — spaurde: gen.pl. v. spaurds* f. Kons.st. (?) ‚Rennbahn;
Stadionlänge‘; ahd. spurt, aengl. spyrd; vgl. ai. sp dh- ‚(Wett-)Kampf‘, av. spǝrǝd- ‚Eifer‘. — k :
num. ‚zwanzig‘. — aiþþau: konj. ‚oder‘; ahd. etho, edho, as. ettho, ettha, aengl. eðða. — l : num.
‚dreißig‘. — gasaiƕand: 3.pl.ind.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — gaggandan: akk.sg.m.
part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — skipa: dat.sg. v. skip n. a-St. ‚Schiff‘. — qimandan:
akk.sg.m. part.präs. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘.
20 ik: nom. pers.pron. 1.sg. ‚ich‘ (krimgot. ich); run. ek, ik, -eka, ahd. ih, as. ik, andl. ik, ic, ek, ec, i, ich,
aengl. iċ, ih, afries. ik, aisl. ek; vgl. ai. aham, aav. (?) as-, az m, apers. adam, gr. egṓ, arm. es, lat.
ego, apreuß. es, as, alit. eš. — im: 1.sg.ind.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — ogeiþ:
2.pl.opt.präs. v. ogan* prät.präs. ‚fürchten; (refl.) sich fürchten‘. — izwis: dat. v. jus pers.pron. ‚ihr‘;
ahd. iu, as. eu, iu, aengl. eow, aisl yþr.
21 niman: inf. st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — sunsaiw: adv. ‚sogleich‘;
Kompositum aus got. suns adv. ‚alsbald, plötzlich, auf einmal‘ und got. aiw adv. ‚je‘.
[39]
1.9.
Johannes 11:1–45: Die Auferweckung des Lazarus
1 Was-uh þan sums siuks, Lazarus af Beþanias, us haimai Marjins jah Marþins, swistrs izos. 2
was-uh þan Marja, soei salboda fraujan balsana jah biswarb fotuns is skufta seinamma, þizozei
broþar Lazarus siuks was. 3 insandidedun þan þos swistrjus is du imma qiþandeins: frauja, sai,
þanei frijos siuks ist. 4 iþ is gahausjands qaþ: so siukei nist du dauþau, ak in hauheinais gudis,
ei hauhjaidau sunus gudis þairh þata. 5 frijod-uh þan Iesus Marþan jah swistar izos jah Lazaru.
6 swe hausida þatei siuks was, þanuh þan salida in þammei was stada twans dagans. 7 þaþroh
þan afar þata qaþ du siponjam: gaggam in Iudaian aftra. 8 qeþun du imma þai siponjos: rabbei,
nu sokidedun þuk afwairpan stainam Iudaieis, jah aftra gaggis jaind? 9 andhof Iesus: niu twalif
sind ƕeilos dagis? jabai ƕas gaggiþ in dag, ni gastiggqiþ, unte liuhaþ þis fairƕaus gasaiƕiþ;
10 aþþan jabai ƕas gaggiþ in naht, gastiggqiþ, unte liuhad nist in imma. 11 þo qaþ jah afar
þata qiþiþ du im: Lazarus, frijonds unsar, gasaizlep; akei gaggam, ei uswakjau ina. 12 þanuh
qeþun þai siponjos is: frauja, jabai slepiþ, hails wairþiþ. 13 qaþ-uh þan Iesus bi dauþu is; iþ
jainai hugidedun þatei is bi slep qeþi. 14 þanuh þan qaþ du im Iesus swikunþaba: Lazarus
gaswalt, 15 jah fagino in izwara, ei galaubjaiþ, unte ni was jainar; akei gaggam du imma. 16
þanuh qaþ Þomas saei haitada Didimus þaim gahlaibam seinaim: gaggam jah weis, ei
gaswiltaima miþ imma. 17 qimands þan Iesus bigat ina juþan fidwor dagans habandan in
hlaiwa. 18 was-uh þan Beþania neƕa Iairusaulwmiam, swaswe ana spaurdim fimftaihunim. 19
jah managai Iudaie gaqemun bi Marþan jah Marjan, ei gaþrafstidedeina ijos bi þana broþar
izo. 20 iþ Marþa, sunsei hausida þatei Iesus qimiþ, wiþraïddja ina; iþ Marja in garda sat. 21
þanuh qaþ Marþa du Iesua: frauja, iþ weseis her, ni þau gadauþnodedi broþar meins. 22 akei
jah nu wait, ei þisƕah þei bidjis guþ, gibiþ þus guþ. 23 qaþ izai Iesus: usstandiþ broþar þeins.
24 qaþ du imma Marþa: wait þatei usstandiþ in usstassai in þamma spedistin daga. 25 qaþ þan
<izai> Iesus: ik im so usstass jah libains; saei galaubeiþ du mis, þauh ga-ba-dauþniþ, libaid;
26 jah ƕazuh saei libaiþ jah galaubeiþ du mis, ni gadauþniþ aiw. galaubeis þata? 27 qaþ imma:
jai, frauja, ik galaubida þatei þu is Xristus, sunus gudis, sa in þana fairƕu qimanda. 28 jah
þata qiþandei galaiþ jah wopida Marjan, swistar seina, þiubjo qiþandei: laisareis qam jah
haitiþ þuk. 29 iþ jaina, sunsei hausida, urrais sprauto jah iddja du imma. 30 niþ þan nauhþanuh
qam Iesus in weihsa, ak was nauhþanuh in þamma stada þarei gamotida imma Marþa. 31
Iudaieis þan þai wisandans miþ izai in garda þrafstjandans ija, gasaiƕandans Marjan þatei
sprauto usstoþ jah usiddja, iddjedun-uh afar izai qiþandans þatei gaggiþ du hlaiwa, ei greitai
jainar. 32 iþ Marja, sunsei qam þarei was Iesus gasaiƕandei ina draus imma du fotum qiþandei
du imma: frauja, iþ weiseis her, ni þauh gaswulti meins broþar. 33 þanuh Iesus, sunsei gasaƕ
ija greitandein jah Iudaiuns þaiei qemun miþ izai gretandans inrauhtida ahmin jah inwagida
sik silban. 34 jah qaþ: ƕar lagideduþ ina? qeþun du imma: frauja; hiri jah saiƕ. 35 jah tagrida
Iesus. 36 þaruh qeþun þai Iudaieis: sai, ƕaiwa frioda ina. 37 sumai þan ize qeþun: niu mahta
sa izei uslauk augona þamma blindin gataujan ei jah sa ni gadauþnodedi? 38 þanuh Iesus aftra
inrauhtiþs in sis silbin gaggiþ du þamma hlaiwa. was-uh þan hulundi jah staina ufarlagida was
ufaro. 39 qaþ Iesus: afnimiþ þana stain. qaþ du imma swistar þis dauþins Marþa: frauja, ju
fuls ist; fidurdogs auk ist. 40 qaþ izai Iesus: niu qaþ þus þatei jabai galaubeis, gasaiƕis wulþu
gudis? 41 ushofun þan þana stain þarei was. iþ Iesus uz-uh-hof augona iup jah qaþ: atta,
awiliudo þus, unte andhausides mis; 42 jah þan ik wissa þatei sinteino mis andhauseis; akei in
[40]
manageins þizos bistandandeins qaþ, ei galaubjaina þatei þu mik insandides. 43 jah þata
qiþands stibnai mikilai hropida: Lazaru, hiri ut! 44 jah urrann sa dauþa gabundans handuns
jah fotuns faskjam, jah wlits is auralja bibundans. qaþ du im Iesus: andbindiþ ina jah letiþ
gaggan. 45 þanuh managai þize Judaiei þai qimandans at Marjin jah saiƕandans þatei
gatawida, galaubidedun imma.
1 sums: nom.sg.m. indef.pron. ‚irgend einer, ein gewisser, jemand, einer, (pl.) einige‘. — siuks:
nom.sg.m. adj. a-St. ‚krank, schwach‘. — Lazarus: nom. m. PersonenN ‚Lazarus‘ (< Lehnwort gr.
Lázaros). — Beþanias: dat. v. Beþania OrtsN ‚Betanien‘ (dies ist der einzige Beleg des Dat. in dieser
Form; daneben ist der Dat. noch als Beþaniin, Biþaniin und Beþanijin belegt) (Lehnwort < gr.
Bēthanía). — haimai: dat.sg. v. haims* f. i/ō-St. ‚Dorf, (pl.) Land‘ (Sg. nach den i-St., Pl. nach den
ō-St.); ahd. heima, mndd. hēime, andl. hēm neben m./n. ahd. -heim, as. hēm, mndl. heem, aengl. hām,
afries. hēm, aisl. heimr; aus dem Germ. entlehnt in apreuß. caymis, lit. kiẽmas, lett. ciems. — Marjins:
gen. v. Marja f. PersonenN ‚Maria‘ (Lehnwort < gr. María). — Marþins: gen. v. Marþa f. PersonenN
‚Marta‘ (Lehnwort < gr. Mártha). — swistrs: gen.sg. v. swistar f. r-St. ‚Schwester‘; ahd., as. swestar,
andl. suster, aengl. sweostor, afries. swester, aisl. systir; ai. svásar-, av. xvaŋhar-, gr. héor ‚Tochter‘,
arm. kˁoyr, lat. soror, air. siur, apreuß. swestro, lit. sesuõ, aksl. sestra, toch. A ṣar, B ṣer. — izos:
gen.sg.f. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘.
2 Marja: nom. f. PersonenN ‚Maria‘. — soei: nom.sg.f. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — salboda:
3.sg.ind.prät. v. salbon sw. V. 2 ‚salben‘; ahd. salbōn, as., andl. salvon, aengl. sealfian, afries. salvia;
denominale Ableitung zur Wurzel in ahd. salba, as., andl. salva, aengl. sealf(e), nwestfries. salve;
vgl. gr. ólpē ‚lederne Ölflasche‘. — fraujan: akk.sg. v. frauja m. n-St. ‚Herr‘. — balsana: dat.sg. v.
balsan n. a-St. ‚Salbe‘ (Lehnwort < lat. balsanum). — biswarb: 3.sg.ind.prät. v. biswairban* st. V.
3 ‚abwischen, abtrocknen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. biswerban; Simplex mit
derselben Bed. in ahd. swerban, as. swervan, mndl. swerven, aengl. sweorfan, afries. swerva, sworva,
aisl. sverfa. — fotuns: akk.pl. v. fotus m. u-St. ‚Fuß‘; ahd. fuoz, as. fōt, andl. fuot, aengl. fōt, afries.
fōt, aisl. fótr; vgl. heth. pat(a)-, ai. pád-, jav. pad-, gr. att. poús, dor. pṓs, arm. (nom.pl.) otkˁ, lat. pēs,
galat. ādes (pl.). — skufta: dat.sg. v. skuft* n. a-St. ‚Haupthaar‘;ahd. skuft. — seinamma: dat.sg.n. v.
seins* poss.pron. ‚sein‘. — þizozei: gen.sg.f. v. saei rel.pron. ‚welcher‘.
3 insandidedun: 3.pl.ind.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘; Kompositum mit got. sandjan sw. V.
1 ‚senden‘. — þos: nom.pl.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — swistrjus: nom.pl. v. swistar f. r-St.
‚Schwester‘. — qiþandeins: nom.pl.f. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. —
þanei: akk.sg.m. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — frijos: 2.sg.ind.präs. v. frijon sw. V. 2 ‚lieben‘; as.
frīon ‚lieben‘, frühmndl. vriën ‚den Hof machen‘, aengl. frīogan, nwestfries. frije, aisl. frjá;
Ableitung von der Wurzel in got. freis adj. ja-St. ‚frei‘; ahd. frī, lgb. -free (in fulcfree ‚volkfrei,
gemeinfrei‘), as. frī- (u.a. in frīlīk ‚edelgeboren‘), andl. frī, aengl. frīo, afries. frī, frē, frei, aisl. frj- (in
frjáls ‚frei‘); vgl. ai. priyá- ,lieb, erwünscht, eigen‘, av. friia- ,lieb, befreundet‘, kymr. rhydd.
4 gahausjands: nom.sg.m. part.präs. v. gahausjan sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘; Kompositum mit got.
hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — siukei: nom.sg. f. īn-St. ‚Krankheit‘; ahd. siuhhī, aisl. -sýki; Ableitung
von der Wurzel in got. siuks adj. a-St. ‚krank, schwach‘. — nist: Zusammenrückung aus got. ni neg.
‚nicht‘ und got. ist 3.sg.ind.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — dauþau: dat.sg. v.
dauþus m. u-St. ‚Tod‘; run. -dAude (in dat.sg. welAdAude ‚tückischer Tod‘ [Stein von Björketorp,
520/30–700]), ahd. tōd, as., andl. dōth, aengl. dēaþ, afries. dāth, dād, dēd, dōd, aisl. dauðr; Ableitung
von der Wurzel in aisl. deyja ‚sterben‘ (s. gadauþnan). — hauheinais: gen.sg. v. hauheins f. i/ō-St.
‚Preis, Ehre‘; Ableitung von der Wurzel in got. hauhjan sw. V. 1 ‚preisen‘. — hauhjaidau:
3.sg.opt.präs. v. hauhjan sw. V. 1 ‚preisen‘; ahd. hōhen, mndd. hȫgen, mndl. hogen, aengl. hīean,
afries. heia; Ableitung von der Wurzel in got. hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘.
[41]
5 frijod-uh: bestehend aus got. frijod: 3.sg.ind.prät. v. frijon sw. V. 2 ‚lieben‘ (mit Abfall des
auslautenden -a vor -uh) und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — Marþan: akk. v. Marþa f. PersonenN
‚Marta‘. — swistar: akk.sg. v. swistar f. r-St. ‚Schwester‘. — Lazaru: akk. v. Lazarus m. PersonenN
‚Lazarus‘.
6 hausida: 3.sg.ind.prät. v. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — salida: 3.sg.ind.prät. v. saljan sw. V. 1
‚herbergen, bleiben‘; Ableitung von der Wurzel in ahd sal, as. seli, andl. sala, seli, aengl. sæl, sel,
sele, nwestfries. seal, aisl. salr ‚Saal‘; im Got. nur in der Weiterbildung saliþwos f.pl. ō-St.
‚Herberge‘; ahd. selida, as. selitha, aengl. sælþ. — þammei: dat.sg.m. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. —
twans: akk.m. v. twai num. ‚zwei‘. — dagans: akk.pl. v. dags m. a-St. ‚Tag‘.
7 þaþroh: adv. ‚von da, daher; darauf‘; Zusammensetzung aus got. þaþro adv. ‚daher, von da; darauf‘
und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘. — gaggam: 1.pl.ind.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. —
Iudaian: akk. v. Iudaia* f. GebietsN ‚Judäa‘ (Lehnwort < gr. Ioudaía).
8 rabbei: vok.sg. v. rabbei* m. ‚Lehrer, Rabbi‘ (nur im Vok.sg. belegt) (Lehnwort < gr. rhabbeí <
aram.-hebr. rabbī). — sokidedun: 3.pl.ind.prät. v. sokjan sw. V. 1 ‚suchen, disputieren‘; ahd.
suohhen, as. sōkian, andl. suoken, aengl. sēcan, afries. sēka, sēza, aisl. sœkja; vgl. heth. sākiya-, lat.
sāgīre; Ableitung von der Wurzel in got. sakan st. V. 6 ‚streiten; Vorwürfe machen, schelten‘. —
afwairpan: inf. st. V. 3 ‚wegwerfen‘; Kompositum mit got. wairpan st. V. 3 ‚werfen‘ — stainam:
dat.pl. v. stains m. a-St. ‚Stein‘; run. akk.sg. staina (Stein von Vetteland, 160–460/70), ahd. stein,
as., andl. stēn, aengl. stān, afries. stēn, aisl. stein; vgl. (falls nicht Lehnwort aus dem Germ.) aksl.
stěna ‚Mauer aus Stein‘. — Iudaieis: nom.pl. v. Iudaius m. u/i-St. N ‚Jude‘. — gaggis: 2.sg.ind.präs.
v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — jaind: adv. ‚dorthin‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
aengl. ge(o)nd, gind, (weitergebildet) as. jendro ‚entfernter liegend‘; Ableitung von der Wurzel in
got. jains dem.pron. ‚jener‘.
9 niu: fragepart. ‚nicht?, nicht etwa?‘; Zusammenrückung aus got. ni neg. ‚nicht‘ und got. -u enklit.
Fragepart. — twalif: (-b-) nom. num. ‚zwölf‘; ahd. zwelif, as. twelif, andl., aengl. twelf, afries. twelef,
twelif, aisl. tólf. — ƕeilos: nom.pl. v. ƕeila f. ō-St. ‚Weile, Zeit, Stunde‘; ahd. wīla, as. hwīl(a), andl.
wīla, aengl. hwīl, afries. hwīl(e), wīl(e); Ableitung von einem in älterem nschwed. hwīl ‚ausgeruht‘,
älterem ndän. huīl ‚dass.‘ vorliegenden Adj.; vgl. slowen. číł ‚munter, ausgeruht‘. — dagis: gen.sg.
v. dags m. a-St. ‚Tag‘. — ƕas: nom.sg.m. frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — gaggiþ:
3.sg.ind.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — dag: akk.sg. v. dags m. a-St. ‚Tag‘. — gastiggqiþ:
3.sg.ind.präs. v. gastigqan* st. V. 3 ‚anstoßen‘; Kompositum mit stiggqan st. V. 3 ‚stoßen‘; ahd.
stinkan ‚riechen‘, mndd. stinken ‚dass.‘, andl. stinkan ‚dass.‘, aengl. stincan ‚springen; riechen‘,
nwestfries. stjonke ‚stinken‘, aisl. støkkva ‚springen‘; vgl. lat. -stinguere (in ex-/restinguere
‚auslöschen‘, distinguere ‚trennen‘). — liuhaþ: akk.sg. v. liuhaþ (-d-) n. a-St. ‚Licht‘; vgl. heth.
lukkatt- ‚Morgen‘, lat. (BeiN) Lūcetius, gall. (BeiN) Leucetios. — þis: gen.sg.m. v. sa dem.pron.
‚dieser, der‘. — fairƕaus: gen.sg. v. fairƕus m. u-St. ‚Welt‘ (krimgot. fers); ahd. ferah, as. ferh,
aengl. feorh, afries. fer(e)ch, aisl. fjǫr; vgl. lat. quercus ‚Eiche‘ mit Wandel der Bedeutung von ‚Eiche
als Lebensbaum‘ zu ‚Welt, Leben, Stärke, Kraft‘ im Germ. — gasaiƕiþ: 3.sg.ind.präs. v. gasaiƕan
st. V. 5 ‚erblicken‘.
10 naht: akk.sg. v. nahts f. Kons.st. ‚Nacht‘; ahd., as., andl. naht, aengl. niht, neaht, afries. nacht, aisl.
nátt, nótt; heth. nekut-, ai. nákt-, gr. núks, alb. natë f.pl. ‚Morgendämmerung, lat. nox, air. -nocht,
apreuß. (akk.sg.) naktin, lit. naktìs, aksl. noštь. — liuhad: nom.sg. n. a-St. ‚Licht‘ (2x mit
analogischem -d statt -þ [6x]).
11 þo: akk.pl.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — qiþiþ: 3.sg.ind.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘. — frijonds: nom.sg. m. Kons.st. ‚Freund‘ (substantiviertes Part.Präs. zu frijon sw. V. 2
‚lieben‘). — gasaizlep: 3.sg.ind.prät. v. gaslepan* st. V. 7 ‚entschlummern, entschlafen‘;
Kompositum mit got. slepan* st. V. 7 ‚schlafen‘. — uswakjau: 1.sg.opt.präs. v. uswakjan* sw. V. 1
‚erwecken‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd.
wecken, as. wekkian, aengl. weccan, aisl. vekja; vgl. ai. vājáyati ‚spornt an‘, lat. vegēre ‚erregen‘;
[42]
dieselbe Wurzel liegt auch in got. wakan* st. V. 6 / sw. V. 3 ‚wachen, wachsam sein‘ und got.
gawaknan* sw. V. 4 ‚erwachen‘ vor.
12 slepiþ: 3.sg.ind.präs. v. slepan* st. V. 7 ‚schlafen‘. — hails: nom.sg.m. adj. a-St. ‚heil, gesund; sei
gegrüßt‘; ahd. heil, as., andl. hēl, aengl. hāl, hǣl, afries. hēl, aisl. heill; vgl. (substantiviert) akymr.
coil(i)ou pl. ‚Vorzeichen‘, aksl. cělъ. — wairþiþ: 3.sg.ind.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘.
13 qaþ-uh: bestehend aus got. qaþ: 3.sg.ind.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘ und
got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — dauþu: akk.sg. v. dauþus m. u-St. ‚Tod‘. — jainai: nom.pl.m. v.
jains dem.pron. ‚jener‘. — hugidedun: 3.pl.ind.prät. v. hugjan* sw. V. 1 ‚denken, meinen‘; ahd.
huggen, as. huggian, mndl. hogen, aengl. hycgan, afries. hugia, aisl. hyggja; Ableitung von der
Wurzel in got. hugs* m. i-St. ‚Sinn, Verstand‘; ahd., as. hugi, mndl. hoge, aengl. hyge, afries. hei,
aisl. hugr. — slep: akk.sg. v. sleps* m. a-St. ‚Schlaf‘; ahd. slāf, as., andl. slāp, aengl. slǣp, afries.
slēp; Ableitung von der Wurzel in got. slepan* st. V. 7 ‚schlafen‘. — qeþi: 3.sg.opt.prät. v. qiþan st.
V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘.
14 swikunþaba: adv. ‚offenbar, offen heraus, deutlich‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden
Suffix -ba zu got. swikunþs (-þ-) adj. a-St. ‚offenkudnig, offenbar, bekannt‘; Kompositum mit got.
swi- (zur Wurzel in got. swes adj. ‚eigen, angehörig‘) und got. kunþs (-þ-) adj. a-St. ‚bekannt‘. —
gaswalt: 3.sg.ind.prät. v. gaswiltan st. V. 3 ‚sterben‘; Kompositum mit got. swiltan* st. V. 3 ‚im
Sterben liegen‘; ? ahd. swelzan, as. sweltan, mndl. swelten, aengl. sweltan, aisl. svelta.
15 fagino: 1.sg.ind.präs. v. faginon sw. V. 2 ‚sich freuen‘; ahd. feginōn, as. faganon, aengl. fægnian,
aisl. fagna; Ableitung von der Wurzel in as. fagan, aengl. fægen, aisl. feginn ,froh‘. — izwara: gen.
v. jus pers.pron. ‚ihr‘. — galaubjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘.
16 Þomas: nom. m. PersonenN ‚Thomas‘ (< Lehnwort gr. Thōmãs). — haitada: 3.sg.ind.pass.präs. v.
haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘; run. 3.sg.ind.präs. haite (Speer-/Lanzenschaft von
Kragehul, 470–490), nom.sg.m. part.prät. haitinaz (Stein von Kalleby, 160–460/70), ahd. heizan, as.,
andl. hētan, aengl. hātan, afries. hēta, heita, aisl. heita; vgl. osset. sid-/sed- ‚rufen‘. — Didimus: nom.
m. PersonenN ‚Didymos‘ (dies ist der einzige Beleg des N) (Lehnwort < gr. Dídymos). — gahlaibam:
dat.pl. v. gahlaiba* m. n-St. ‚Genosse‘ (neben dat.pl. gahlaibaim und gahlaibim); ahd. gileibo;
Ableitung von der Wurzel in got. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘. — gaswiltaima: 1.pl.opt.präs. v.
gaswiltan st. V. 3 ‚sterben‘.
17 qimands: nom.sg.m. part.präs. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — bigat: 3.sg.ind.prät. v. bigitan st. V. 5
‚finden‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. gezzan, as., andl., aengl. -gietan, afries. -jeta,
aisl. geta. — fidwor: akk. v. fidwor num. ‚vier‘ (als KVG fidur- [fidurdogs adj. a-St. ‚viertägig‘,
fidurfalþs* adj. a-St. ‚vierfältig‘, fidurragini* n. ja-St. ‚Amt eines Vierfürsten‘]) (krimgot. fyder);
ahd. fior, as. fi(u)war, fior, andl. fier, aengl. fēower, afries. fiū(we)r, fīwer, fiō(we)r, fiā(we)r, aisl.
fjórir; vgl. ai. catv ras, jav. caθβārō, gr. (Homer) téssares, att. téttares, lat. quattuor, air. cethair, lit.
keturì, aksl. četyre, toch. A śtwar, B śtwer. — habandan: akk.sg.m. part.präs. v. haban sw. V. 3
‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘. — hlaiwa: dat.sg. v. hlaiw n. a-St. ‚Grab‘; run. nom.sg.
hlaiwa (Stein von Bø, 160–560/70), ahd. lēo, as. hlēu, andl. (nur in Toponymen) lēo, aengl. hlǣw,
hlāw; entlehnt in aksl. chlěvъ ,Stall‘; vgl. lat. clīvus ‚Hügel, Bergweg, Anberg‘; zur gleichen Wurzel
gehören u.a. auch ahd. linēn, as. hlinon, andl. lēnen, aengl. hlinian, hleonian, nwestfries. leune, ndän.
læne ‚lehnen‘.
18 Beþania: nom. OrtsN ‚Betanien‘. — Iairusaulwmiam: dat. v. Iairusaulwmeis m.pl. i-St. EinwohnerN
‚Bewohner von Jerusalem‘ (daneben auch dat. Iairusaulwmim [Mk 3:8, 7:1]); der EinwohnerN wird
hier für den StadtN gebraucht). — spaurdim: dat.pl. v. spaurds* f. Kons.st. (?) ‚Rennbahn;
Stadionlänge‘. — fimftaihunim: dat. v. fimftaihun* num. ‚fünfzehn‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); ahd. finfzehan, as. fìftein, mndl. vichtien, viftien, aengl. fīftēne, afries. fiftīne, (anders
gebildet) aisl. fimtán.
19 managai: nom.pl.m. v. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘. — gaqemun: 3.pl.ind.prät. v. gaqiman*
st. V. 4 ‚zusammenkommen‘; Kompositum mit qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — Marjan: akk. v. Marja
[43]
f. PersonenN ‚Maria‘. — gaþrafstidedeina: 3.pl.opt.prät. v. gaþrafstjan sw. V. 1 ‚Trost bringen,
ermuntern‘; Kompositum mit þrafstjan* sw. V. 1 ‚trösten, mahen‘. — ijos: akk.pl.f. v. is anaphor.
pron. ‚er, der‘. — broþar: akk.sg. v. broþar m. r-St. ‚Bruder‘. — izo: gen.pl.f. v. is anaphor. pron.
‚er, der‘.
20 Marþa: nom. f. PersonenN ‚Marta‘. — sunsei: konj. ‚sobald als‘; Zusammenrückung aus got. suns
adv. ‚alsbald, plötzlich, auf einmal‘ und got. ei konj. ‚damit, dass‘. — qimiþ: 3.sg.ind.präs. v. qiman
st. V. 4 ‚kommen‘. — wiþraiddja: 3.sg.ind.prät. v. wiþragaggan* suppl. st. V. 7 ‚entgegengehen‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. —
garda: dat.sg. v. gards m. i-St. ‚Haus(wesen), Familie‘.
21 weseis: 2.sg.opt.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — gadauþnodedi: 3.sg.opt.prät. v.
gadauþnan sw. V. 4 ‚sterben‘. — meins: nom.sg.m. poss.pron. ‚mein‘; run. gen.sg.m. minas (Stein
von Vetteland, 160–460/70), akk.sg.m. minino (Stein von Kjølevik, 375/400–520/30), nom.sg.f.
minu (Stein von Opedal, 160–375/400), ahd., as., andl., aengl., afries. mīn, aisl. minn.
22 þisƕah: akk.sg.n. v. þisƕazuh pron. ‚wer auch immer‘; Zusammenrückung aus got. þis gen.sg.m. v.
sa dem.pron. ‚dieser, der‘ und got. ƕazuh pron. ‚jeder‘. — bidjis: 2.sg.ind.präs. v. bidjan st. V. 5
‚bitten, beten, betteln‘. — gibiþ: 3.sg.ind.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — guþ: nom.sg. n. a-St.
,Gott‘.
23 izai: dat.sg.f. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘. — usstandiþ: 3.sg.ind.präs. v. usstandan st. V. 6 ‚sich
erheben, aufbrechen‘; Kompositum mit got. standan st. V. 6 ‚stehen‘.
24 usstassai: dat.sg. v. usstass f. i-St. ‚Auferstehung‘ (mit Abfall der Endung -s im Nom.Sg. nach -ss);
Ableitung von der Wurzel in got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — spedistin: dat.sg.m. sw. v. spedists*
superl.adj. a-St. ‚letzter‘; Superl.bildung zur Wurzel in ahd. spāti, mndd., frühmnl. spāde ‚spät‘.
25 usstass: nom.sg. f. i-St. ‚Auferstehung‘. — libains: nom.sg. f. i-St. ‚Leben‘; Ableitung von der
Wurzel in got. liban sw. V. 3 ‚leben‘. — galaubeiþ: 3.sg.ind.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘.
— mis: dat. v. ik pers.pron. ‚ich‘. — þauh: 1. konj. ‚als, oder‘, 2. adv. ‚doch, wohl, etwa‘;
Zusammenrückung aus got. þau 1. part. ‚als; oder‘, 2. adv. ‚doch, wohl, etwa‘ und got. -(u)h enklit.
Part. ‚und‘. — ga-ba-dauþniþ: 3.sg.ind.präs. v. gadauþnan sw. V. 4 ‚sterben‘ mit zwischen
ga- und -dauþniþ engeschobener enklit. Konj. -ba ‚wenn‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes). —
libaid: 3.sg.ind.präs. v. liban sw. V. 3 ‚leben‘ (mit analogischem -d statt -þ; die zu erwartende
Schreibung etwa in Joh 11:26); ahd. lebēn, as. libbian, andl. livon, aengl. libban, lifian, afries. libba,
leva, lewa, aisl. lifa; vgl. aksl. pri-lьpěti ‚kleben an‘, toch. B lipetär ‚bleibt übrig‘.
26 ƕazuh: nom.sg.m. pron. ‚jeder‘; Zusammenrückung von got. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?;
irgendeiner‘ und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘. — aiw: adv. ‚je‘ (nur in negativen Sätzen); ahd. eo, io,
as. io, andl. ie, aengl. ā, ō, afries. jē, aisl. a, ei, ey; eigtl. akk.sg. v. aiws* m. a/i-St. ‚Zeit, Ewigkeit‘.
— galaubeis: 2.sg.ind.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘.
27 jai: interj. ‚ja, wahrlich, fürwahr‘; neben (ursprünglich anderer Kasusform) got. ja adv. ‚ja‘; ahd. ja,
as. ja, gia, jā, frühmndl. ja, aengl. ge, gēa, iā, afries. ie, ge, dzie, aisl. já. — galaubida: 1.sg.ind.prät.
v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — is: 2.sg.ind.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. —
Xristus: nom. m. BeiN ‚Christus‘ (Lehnwort < gr. Christós). — fairƕu: akk.sg. v. fairƕus m. u-St.
‚Welt‘.
28 wopida: 3.sg.ind.prät. v. wopjan sw. V. 1 ‚rufen‘; ahd. wuofen, aisl. ǿpa; daneben ein st. V. ahd.
wuofan, as. wōpian, andl. wuopan, aengl. wēpan, afries. wēpa ‚rufen‘; entweder ursprünglich ein st.
V., das teils sw. geworden ist oder Ableitung von der Wurzel in ahd. wuof, as. wōp, andl. wuop,
aengl. wōp, aisl. óp, das sekundär in Anlehnung an bedeutungsverwandtem ‚rufen‘ (s. hropjan) st.
geworden ist. — seina: akk.sg.f. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘. — þiubjo: adv. ‚verstohlen,
heimlich‘; Adv.bildung zu einem nicht belegten Adj. got. *þiubjis ja-St. ‚heimlich‘, das selbst von
got. +þiufs (-b-) m. a-St. ‚Dieb‘ (im Nom.Sg. ist nur viermal die analogische Schreibung <þiubs>
belegt); run. -þeubaz (Brakteat von Trollhättan II, ca. 500), ahd. diob, as. thiof, frühmndl. dief, aengl.
þēof, afries. thiāf, aisl. þjófr. — laisareis: nom.sg. m. ja-St. ‚Lehrer‘; ahd. lērari, mndd. lērēr(e),
[44]
lērer, frühmndl. lerere, lerre; Ableitung von der Wurzel in got. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘. — haitiþ:
3.sg.ind.präs. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘.
29 jaina: nom.sg.f. v. jains dem.pron. ‚jener‘. — urrais: 3.sg.ind.prät. v. urreisan st. V. 1 ‚erstehen, sich
erheben‘. — sprauto: adv. ‚schnell, bald‘; Adv.bildung zu einem unbelegten Adj. got. *sprauts a-St.
‚schnell‘.
30 niþ: konj. ‚und nicht, auch nicht, nicht‘; mit Assimilation von -h – þ- zu -þ – þ-. — nauhþanuh: adv.
‚noch‘; Zusammenrückung aus got. nauhþan adv. ‚noch‘ und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘. — weihsa:
dat.sg. v. weihs* n. a-St. ‚Dorf, Weiler‘; süddt. OrtsN Wiß-, Weiß-; vgl. ai. víś- ‚Herrenhaus;
Niederlassung‘, ai. véśa- ,Haus; Hurenhaus, Bordell‘, av. vīs- ,dass.‘, apers. viθ- ,(königliches) Haus,
Hof, Palast‘, gr. oĩkos ‚Haus(stand), Haus und Hof‘, lat. vīcus ,Häusergruppe, Dorf, Flecken,
Stadtviertel‘ (daraus entlehnt ahd. wīch, as., andl. wīk, aengl. wīc, afries. wīk ,Wohnstätte, Dorf‘),
aksl. vьsь ,Dorf‘. — þarei: adv. ‚wo‘; Zusammenrückung aus got. þar adv. ‚dort‘ und got. ei konj.
‚damit, dass‘. — gamotida: 3.sg.ind.prät. v. gamotjan sw. V. 1 ‚begegnen‘.
31 wisandans: nom.pl.m. part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — þrafstjandans:
nom.pl.m. part.präs. v. þrafstjan* sw. V. 1 ‚trösten, mahnen; (refl.) sich trösten‘. — ija: akk.sg.f. v.
is anaphor. pron. ‚er, der‘. — usstoþ: 3.sg.ind.prät. v. usstandan st. V. 6 ‚sich erheben, aufbrechen‘.
— greitai: 3.sg.opt.präs. v. gretan st. V. 7 ‚weinen, klagen‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī).
32 gasaiƕandei: nom.sg.f. part.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — draus: 3.sg.ind.prät. v. driusan*
st. V. 2 ‚fallen‘; as. driosan, aengl. drēosan. — fotum: dat.pl. v. fotus m. u-St. ‚Fuß‘. — weiseis:
2.sg.opt.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī). — gaswulti: 3.sg.opt.prät. v. gaswiltan st. V. 3 ‚sterben‘;
Kompositum mit got. swiltan* st. V. 3 ‚im Sterben liegen‘.
33 greitandein: akk.sg.f. part.präs. v. gretan st. V. 7 ‚weinen, klagen‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī). — Iudaiuns: akk.pl. v. Iudaius m. u/i-St. N ‚Jude‘. — þaiei:
nom.pl.m. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — qemun: 3.pl.ind.prät. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. —
gretandans: nom.pl.m. part.präs. v. gretan st. V. 7 ‚weinen, klagen‘. — inrauhtida: 3.sg.ind.prät. v.
inrauhtjan* sw. V. 1 ‚erzürnt werden‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); zu aengl. rēoc ‚wütend,
grimmig‘ (sonstige Anbindungen – etwa zur Wurzel in ahd. rouchen ‚[be-]räuchern, opfern‘ –
bleiben unsicher). — ahmin: dat.sg. v. ahma m. n-St. ‚Geist‘; Ableitung von der Wurzel in got. aha
m. n-St. ‚Sinn, Verstand‘. — inwagida: 3.sg.ind.prät. v. inwagjan* sw. V. 1 ‚in Bewegung setzen‘;
Kompositum mit got. wagjan sw. V. 1 ‚schütteln‘. — sik: akk. refl.pron. ‚sich‘; ahd. sih, as. sik, andl.
sig, sich, afries., aisl. sik.
34 ƕar: adv. ‚wo?‘; ahd. war, as. hwar, aisl. hvar. — lagideduþ: 2.pl.ind.prät. v. got. lagjan sw. V. 1
‚(auf-/hin-)legen‘; run. 3.pl.opt.präs. lAgi (Stein von Eggja, 575–675/700), ahd. leggen, as. leggian,
andl. leggen, aengl. lecgan, afries. ledza, lidza, aisl. leggja; vgl. aheth. lāki ‚neigt, legt um‘, aksl.
ložiti, air. fo álgim ‚lege, strecke nieder‘; Ableitung zu der Wurzel in got. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘. —
hiri: adv. imp. ‚hierher; komm!‘; wohl zu got. hi-* pron. ‚dieser‘.
35 tagrida: 3.sg.ind.prät. v. tagrjan* sw. V. 1 ‚weinen‘ (dies ist der einzige Beleg dieses Wortes); mhd.
zeheren; Ableitung von der Wurzel in got. tagr* n. a-St. ‚Träne‘; aengl. teagor neben (mit
grammatischem Wechsel) ahd. zahar, aengl. tēar, tæhher, afries. tār, aisl. tár; vgl. gr. dákru, alat.
dacruma, klass.lat. lacrima, air. dér.
36 ƕaiwa: adv. ‚(irgend-)wie‘; ahd. wēo. — frioda: 3.sg.ind.prät. v. frijon sw. V. 2 ‚lieben‘ (-j- kann in
der Schreibung zwischen i und Vokal ausfallen).
37 izei: nom.sg.m. rel.pron. ‚der‘; Zusammenrückung aus got. is anaphor. pron. ‚er, der‘ und got. ei konj.
‚damit, dass‘. — uslauk: 3.sg.ind.prät. v. uslukan* st. V. 2 ‚erschließen, öffnen‘ (das Simplex ist im
[45]
Got. nicht belegt); ahd. -lūchan, as., andl. -lūkan, afries. lūka, aengl. lūcan, aisl. l(j)úka; vgl. gr. lúgos
‚biegsamer Weidenzweig, Ast‘. — blindin: dat.sg.m. v. blinds adj. a-St. ‚blind‘; ahd. blint, as. blind,
andl. blint, aengl., afries. blind, aisl. blindr; Ableitung von der Wurzel in got. blandan st. V. 7
‚vermischen‘. — gataujan: inf. sw. V. 1 ‚vollbringen, bewirken, machen‘.
38 inrauhtiþs: nom.sg.m. part.prät. v. inrauhtjan* sw. V. 1 ‚erzürnt werden‘. — silbin: dat.sg.m. v. silba
pron. ‚selbst‘. — hulundi: nom.sg. f. jō-St. ‚Höhle‘; eigtl. substantiviertes Part.Präs.f. von der Wurzel
in ahd., as. helan, frühmndl. helen, aengl. helan, afries. hela ‚verbergen‘ (s. huljan). — staina: dat.sg.
v. stains m. a-St. ‚Stein‘. — ufarlagida: nom.sg.f. part.prät. v. ufarlagjan* sw. V. 1 ‚überdecken‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. —
ufaro: adv. ‚darüber‘; Ableitung von der Wurzel in got. ufar präp. + akk./dat. ‚über‘.
39 afnimiþ: 3.pl.ind.präs. v. afniman st. V. 4 ‚ab-, wegnehmen‘; Kompositum mit got. niman st. V. 4
‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — stain: akk.sg. v. stains m. a-St. ‚Stein‘. — swistar:
nom.sg. f. r-St. ‚Schwester‘. — dauþins: gen.sg.m. sw. v. dauþs (-þ-) adj. a-St. ‚tot‘ (mit
analogischem *-þ- nach got. dauþus m. u-St. ‚Tod‘); ahd. tōt, as. dōd, andl. dōt, aengl. dēad, afries.
dād, dēd, dōd, aisl. dauðr; Ableitung von der Wurzel in aisl. deyja ‚sterben‘; vgl. ai. dh vati ‚läuft,
eilt‘, dhávate ‚läuft (dahin)‘, gr. théō ‚laufe‘ — ju: adv. ‚schon, jetzt, nun‘; die Quantität von u ist
unsicher, da sich in den germ. Sprachen sowohl Lang- wie Kurzvokale finden; ahd. ju, as. giu, iu,
andl. iu, aengl. gēo, gīo, iū, afries. jū; vgl. aksl. (j)u(-že), lit. jaũ, apreuß. iau. — fuls: nom.sg.m. adj.
a-St. ‚faul‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. fūl, mndd. vūl, andl., aengl., afries. fūl, aisl.
fúll; Ableitung von der Wurzel in aisl. (part.prät.) fúinn ‚verfault‘; vgl. ai. p yati ‚fault, stinkt‘, jav.
puiieti-ča ‚und sie verwesen‘. — fidurdogs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚viertägig‘ (dies ist der einzige
Beleg des Wortes); Kompositum mit der Kompositionsform von got. fidwor num. ‚vier‘ und einer
Ableitung von der Wurzel in got. dags m. a-St. ‚Tag‘.
40 gasaiƕis: 2.sg.ind.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — wulþu: akk.sg. v. wulþus m. u-St.
‚Herrlichkeit‘.
41 ushofun: 3.pl.ind.prät. v. ushafjan st. V. 6 ‚erheben, aufheben‘. — uz-uh-hof: bestehend aus got.
ushof: 3.sg.ind.prät. v. ushafjan st. V. 6 ‚erheben, aufheben‘ und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. —
iup: adv. ‚aufwärts‘; ohne unmittelbare Entsprechungen; zur Wurzel von got. uf präp. + dat./akk.
‚unter‘. — awiliudo: 1.sg.ind.präs. v. awiliudon sw. V. 2 ‚danken‘. — andhausides: 2.sg.ind.prät. v.
andhausjan* sw. V. 1 ‚gehorchen; erhören‘; Kompositum mit got. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘.
42 wissa: 1.sg.ind.prät. v. witan prät.präs. ‚wissen‘. — sinteino: adv. ‚immer, allezeit‘; Adv.bildung zu
got. sinteins* adj. a-St. ‚täglich‘. — andhauseis: 2.sg.ind.präs. v. andhausjan* sw. V. 1 ‚gehorchen;
erhören‘. — þizos: gen.sg.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — bistandandeins: gen.sg.f. part.präs. v.
bistandan* st. V. 6 ‚herumstehen, umringen‘; Kompositum mit got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — qaþ:
1.sg.ind.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — galaubjaina: 3.pl.opt.präs. v.
galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — insandides: 2.sg.ind.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘.
43 stibnai: dat.sg. v. stibna f. ō-St. ‚Stimme‘; aengl. stefn, afries. stifne (mit Dissimilation) neben ahd.
stimma, stimna, as. stemn(i)a, andl. stimma, aengl. stemn, afries. stemme. — mikilai: dat.sg.f. v.
mikils adj. a-St. ‚groß‘. — hropida: 3.sg.ind.prät. v. hropjan sw. V. 1 ‚rufen‘. — Lazaru: vok.sg. v.
Lazarus m. PersonenN ‚Lazarus‘.
44 urrann: 3.sg.ind.prät. v. urrinnan* st. V. 3 ‚auslaufen, ausgehen‘; Kompositum mit got. rinnan* st.
V. 3 ‚rennen, laufen‘. — dauþa: nom.sg.m. sw. v. dauþs (-þ-) adj. a-St. ‚tot‘. — gabundans:
nom.sg.m. part.prät. v. gabindan st. V. 3 ‚binden‘; Kompositum mit got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘;
ahd. bintan, as. bindan, frühmndl. binden, aengl. bindan, afries., aisl. binda. — handuns: akk.pl. v.
handus f. u-St. ‚Hand‘. — faskjam: dat.pl. v. faskja* / faski* m. ja-St. / n. ja-St. ‚Binde‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < lat. fascia ‚Binde‘; auch entlehnt in ahd. fāska, fāski, mndl.
vasche). — wlits: nom.sg. m. i-St. ‚Angesicht; Ansehen, Gestalt‘; as. wliti, andl. wlit, aengl., afries.
wlite, aisl. litr; Ableitung von der Wurzel in aengl. wlītan, aisl. líta ‚sehen, blicken‘. — auralja:
dat.sg. v. aurali* n. ja-St. ‚Schweißtuch‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < lat.
[46]
orārium ‚Schweißtuch‘). — bibundans: nom.sg.m. part.prät. v. bibindan* st. V. 3 ‚umbinden‘;
Kompositum mit got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘. — andbindiþ: 2.pl.ind.präs. v. andbindan st. V. 3
‚lösen‘; Kompositum mit got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘. — letiþ: 2.pl.ind.präs. v. letan* st. V. 7
‚lassen, zulassen, überlassen, zurücklassen‘; run. (1.pl.imp.präs.) latam (Runenknochen 1 von
Unterweser, 1. Hälfte 5. Jh. ?), ahd. lāzan, as., andl. lātan, aengl. lētan, aengl. westsächs. lǣtan,
afries. lēta, lāta, aisl. láta; dazu das Adj. got. lats* ‚lässig, faul‘. — gaggan: inf. suppl. st. V. 7
‚gehen‘.
45 Judaiei: gen.pl. v. Iudaius m. u/i-St. N ‚Jude‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī). — qimandans: nom.pl.m. part.präs. v. qiman st. V. 4
‚kommen‘. — at: präp. + dat. ‚bei, zu, an, von‘; ahd. az, iz, as., andl. at, aengl. æt, afries. et, it, aisl.
at; vgl. phryg., lat., air. ad. — Marjin: dat. v. Marja f. PersonenN ‚Maria‘. — saiƕandans: nom.pl.m.
part.präs. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — galaubidedun: 3.pl.ind.prät. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘.
1.10. Johannes 13:21–30: Jesus, der Lieblingsjünger und der Verräter
21 þata qiþands Iesus indrobnoda ahmin jah weitwodida jah qaþ: amen amen, qiþa izwis þatei
ains izwara galeweiþ mik. 22 þanuh seƕun du sis misso þai siponjos, þagkjandans bi ƕarjana
qeþi. 23 was-uh þan anakumbjands ains þize siponje is in barma Iesuis, þanei frijoda Iesus. 24
bandwid-uh þan þamma Seimon Paitrus du fraihnan ƕas wesi, bi þanei qaþ. 25 anakumbida
þan jains swa ana barma Iesuis qaþ-uh imma: frauja, ƕas ist? 26 andhof Iesus: sa ist þammei
ik ufdaupjands þana hlaif giba. jah ufdaupjands þana hlaif gaf Iudin Seimonis, Skariotau. 27
jah afar þamma hlaiba þan galaiþ in jainana Satana. qaþ þan du imma Iesus: þatei taujis, tawei
sprauto. 28 þatuh þan ainshun ni wissa þize anakumbjandane, duƕe qaþ imma. 29 sumai
mundedun, ei unte arka habaida Iudas, þatei qeþi imma Iesus: bugei þizei þaurbeima du dulþai,
aiþþau þaim unledam ei ƕa gibau. 30 biþe andnam þana hlaib jains, suns galaiþ ut. was-uh
þan nahts, þan galaiþ ut.
21 indrobnoda: 3.sg.ind.prät. v. indrobnan* sw. V. 4 ‚in Bestürzung geraten‘; Kompositum mit got.
drobnan sw. V. 4 ‚in Bestürzung geraten‘. — weitwodida: 3.sg.ind.prät. v. got. weitwodjan* sw. V.
1 ‚(be-)zeugen‘; Ableitung von got. weitwoþs* (-d-) m. Kons.St. ‚Zeuge‘. — qiþa: 1.sg.ind.präs. v.
qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — galeweiþ: 3.sg.ind.präs. v. galewjan sw. V. 1
‚verraten‘; Kompositum mit got. lewjan* sw. V. 1 ‚verraten‘; ahd. -lā(w)en, aengl. lǣwan; vgl.
apreuß. -lāut (in au-lāut ‚sterben‘), lit. liáuti ‚aufhören‘, nruss. dial. lýnut’ ‚losschießen, loslassen‘;
unklar bleibt das Verhältnis zu got. lews* / lew* m. a-St. / n. a-St. ‚Gelegenheit, Veranlassung‘
(Rückbildung aus dem V. oder Derivationsbasis?).
22 seƕun: 3.pl.ind.prät. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘— misso: adv. ‚einander‘; aisl. mis ‚verkehrt, falsch‘;
wohl Ableitung von der Wurzel in ahd. missi, as. mis(s)(i)-, mndl. mis, afries. mis-, aengl. mis-, aisl.
miss ‚verkehrt, falsch, miss-‘; vgl. ai. mithitá- ‚streitend‘; Ableitung von der Wurzel in ahd. mīdan,
as., andl. mīthan, aengl. mīđan, afries. -mītha, -mia ‚meiden, verheimlichen‘; vgl. ai. méthati ‚paart
sich, trifft sich‘, mitháti ‚wechselt ab, zankt‘, aav. 3.sg.konjunk. mōiθa , alat. mitat ‚schenkt, gibt (im
Austausch)‘, lett. mitēt ‚unterlassen‘, aksl. mitě ‚abwechselnd‘. — þagkjandans: nom.pl.m. part.präs.
v. þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘; ahd. denken, as. thenkian, andl. thenken, aengl. þencan,
afries. t(h)anza, t(h)enza, t(h)inka, t(h)inza, tenka, aisl. þekkja; vgl. lat. tongēre ‚wissen‘. — ƕarjana:
akk.sg.m. v. ƕarjis pron. ‚wer‘; aisl. hverr; Ableitung von der Vorform von got. ƕar adv. ‚wo?‘.
[47]
23 anakumbjands: nom.sg.m. part.präs. v. anakumbjan sw. V. 1 ‚sich niederlegen, zu Tische legen‘. —
barma: dat.sg. v. barms* m. i-St. ‚Busen, Schoß‘; (mit anderer Stammbildung) ahd., as., frühmndl.
barm, aengl. bearm, afries. barm- (in barmbraccum ‚Schoßhund‘), aisl. barmr (aus dem Germ.
entlehnt in finn. parma); vgl. gr. phormós ‚Tragkorb‘; Ableitung zur Wurzel in got. bairan st. V. 4
‚tragen, gebären‘. — frijoda: 3.sg.ind.prät. v. frijon sw. V. 2 ‚lieben‘.
24 bandwid-uh: bestehend aus got. bandwid-: 3.sg.ind.prät. v. bandwjan* sw. V. 1 ‚ein Zeichen geben,
andeuten‘ (mit Abfall des auslautenden -a vor -uh) (aisl. benda [aus dem Germ. entlehnt in italien.
bandire, prov., span., port. bandir]; Ableitung von der Wurzel in got. bandwa* f. wō-St., bandwo f.
n-St. ‚Zeichen‘) und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — Seimon: nom. m. PersonenN ‚Simon‘. —
fraihnan: inf. st. V. 5 ‚fragen‘ (mit analogischem -h-); neben as., aengl. fregnan, aisl. fregna;
n-Bildung zur Wurzel in ai. p ccháti ‚fragt‘, aav. pǝrǝsā ‚ich frage‘, arm. eharcˁ ‚fragte‘, lat. poscere
‚fordern, fragen‘, air. -airc ‚bittet, fragt‘. — wesi: 3.sg.opt.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein,
existieren‘.
25 anakumbida: 3.sg.ind.prät. v. anakumbjan sw. V. 1 ‚sich niederlegen, zu Tische legen‘. — jains:
nom.sg.m. dem.pron. ‚jener‘.
26 ufdaupjands: nom.sg.m. part.präs. v. ufdaupjan* sw. V. 1 ‚eintauchen‘; Kompositum mit got.
daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘; ahd. toufen, as. dōpian, andl. dōpen, aengl. dīepan, afries. dēpa, aisl.
deypa; Ableitung von der Wurzel in got. diups* adj. a-St. ‚tief‘; ahd. tiof, as. diop, andl. diep, aengl.
dēop, afries. (adv.) diāpe, diēpe, aisl. djúpr; vgl. gall. (in N) dubnos, dumnos ‚tief; Erde‘, air. domun
‚Erde‘, lit. dùgnas ‚Grund, Boden‘, aruss. dъno ‚Meeresgrund; Gefäßboden; Abgrund, Tiefe‘. —
giba: 1.sg.ind.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — gaf: 3.sg.ind.prät. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — Iudin:
dat. v. Iudas m. PersonenN ‚Judas‘ (Lehnwort < gr. Ioúdas). — Seimonis: gen. v. Seimon m.
PersonenN ‚Simon‘ (der Gen. ist auch als Seimonaus überliefert). — Skariotau: dat. v. Iskariotes m.
PersonenN ‚Iskariot‘ (dies ist der einzige Beleg ohne anlautendes I-) (Lehnwort < gr. Iskariṓtēs).
27 hlaiba: dat.sg. v. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘. — Satana: nom. m. PersonenN ‚Satan‘ (daneben kommt
im Nom. auch die Form Satanas vor) (Lehnwort < gr. Satanãs). — taujis: 2.sg.ind.präs. v. taujan
sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — tawei: 2.sg.imp.präs. v. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘.
28 þatuh: akk.sg.n. v. sah dem.pron. ‚der und kein anderer, eben der‘. — ainshun: nom.sg.m. pron.
‚jemand, irgendeiner‘ (das Pron. kommt nur mit got. ni neg. ‚nicht‘ negiert vor); Ableitung von got.
ains adj. a-St./num. ‚ein‘ mit got. -hun, Silbe zur Bildung gewisser Pron. — anakumbjandane:
gen.pl.m. part.präs. v. anakumbjan sw. V. 1 ‚sich niederlegen, zu Tische legen‘.
29 mundedun: 3.pl.ind.prät. munan* prät.präs. ‚meinen, glauben‘. — arka: akk.sg. v. arka* f. ō-St.
‚Arche, Kasten, Beutel‘ (Lehnwort < lat. arca ‚[Geld-]Kasten‘). — Iudas: nom. m. PersonenN
‚Judas‘. — bugei: 2.sg.imp.präs. v. bugjan unreg. sw. V. 1 ‚kaufen‘. — þizei: gen.sg.n. v. saei
rel.pron. ‚welcher‘. — þaurbeima: 1.pl.opt.präs. v. þaurban* prät.präs. ‚bedürfen, nötig haben‘; ahd.
durfan, as., andl. thurvan, aengl. þurfan, afries. t(h)urva, t(h)orva, aisl. þurfa; vgl. ai. tāt pur ‚sind
befriedigt‘. — dulþai: dat.sg. v. dulþs (-þ-) f. i-St. ‚Fest‘. — unledam: dat.pl.m. sw. v. +unleþs (-d-)
adj. a-St. ‚arm‘ (der Nom.Sg.m. ist nur als <unleds> [Lk 16:20] mit analogischem -d- belegt); aengl.
unlǣd; Ableitung von der Wurzel in aengl. lǣþ, aisl. láð ‚Land(besitz)‘. — gibau: 1.sg.opt.präs. v.
giban st. V. 5 ‚geben‘.
30 andnam: 3.sg.ind.prät. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘; Kompositum mit got.
niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — hlaib: akk.sg. v. hlaifs (-b-) m.
a-St. ‚Brot‘ (mit analogischem -b statt -f). — nahts: nom.sg. f. Kons.st. ‚Nacht‘.
1.11. Johannes 13:36–38: Die Ankündigung der Verleugnung des Petrus
[48]
36 þanuh qaþ du imma Seimon Paitrus: frauja, ƕad gaggis? andhafjands Iesus qaþ: þadei ik
gagga, ni magt mik nu laistjan; iþ biþe laisteis. 37 þaruh Paitrus qaþ du imma: frauja, duƕe ni
mag þuk laistjan nu? saiwala meina faur þuk lagja. 38 andhof Iesus: saiwala þeina faur mik
lagjis? amen amen qiþa þus, þei hana ni hrukeiþ, unte þu mik afaikis kunnan þrim sinþam.
36 ƕad: adv. ‚wohin‘ (neben diesem Beleg mit -d auch fünf Belege mit -þ); Ableitung von der Wurzel
in got. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — andhafjands: nom.sg.m. part.präs. v. andhafjan
st. V. 6 ‚erwidern, antworten‘. — þadei: adv. ‚wohin‘; Zusammenrückung aus nicht als Simplex
belegtem got. þad- (Ableitung zum dentalen Pron.st. im Paradigma von got. sa dem.pron. ‚dieser,
der‘; zur Bildung vgl. ƕad) und got. ei konj. ‚damit, dass‘. — gagga: 1.sg.ind.präs. v. gaggan suppl.
st. V. 7 ‚gehen‘. — laistjan: inf. sw. V. 1 ‚folgen, nachstreben‘. — laisteis: 2.sg.ind.präs. v. laistjan
sw. V. 1 ‚folgen, nachstreben‘.
37 mag: 1.sg.ind.präs. v. magan* prät.präs. ‚können, vermögen‘. — saiwala: akk.sg. v. saiwala f. ō-St.
‚Seele‘; ahd. sēla, as. sēola, andl. siela, aengl. sāwol, afries. sēle. — meina: akk.sg.f. v. meins
poss.pron. ‚mein‘. — lagja: 1.sg.ind.präs. v. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘.
38 lagjis: 2.sg.ind.präs. v. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — hrukeiþ: 3.sg.ind.präs. v. hrukjan* sw.
V. 1 ‚krähen‘. — kunnan: inf. prät.präs. ‚kennen, wissen‘.
1.12. Johannes 18:1–11: Jesu Gefangennahme
1 Þata qiþands Iesus usiddja miþ siponjam seinaim ufar rinnon þo Kaidron, þarei was
aurtigards, in þanei galaiþ Iesus jah siponjos is. 2 wiss-uh þan jah Iudas sa galewjands ina
þana stad, þatei ufta gaïddja Iesus jainar miþ siponjam seinaim. 3 iþ Iudas nam hansa jah þize
gudjane jah Fareisaie andbahtans, iddj-uh jaindwairþs miþ skeimam jah haizam jah wepnam.
4 iþ Iesus witands alla þoei qemun ana ina, usgaggands ut qaþ im: ƕana sokeiþ? 5
andhafjandans imma qeþun: Iesu, þana Nazoraiu. þaruh qaþ im Iesus: ik im. stoþ-uh þan jah
Iudas sa lewjands ina miþ im. 6 þaruh swe qaþ im þatei ik im, galiþun ibukai jah gadrusun
dalaþ. 7 þaþroh þan ins aftra frah: ƕana sokeiþ? iþ eis qeþun: Iesu, þana Nazoraiu. 8 andhof
Iesus: qaþ izwis þatei ik im; jabai nu mik sokeiþ, letiþ þans gaggan. 9 ei usfullnodedi þata
waurd þatei qaþ, ei þanzei atgaft mis, ni fraqistida ize ainummehun. 10 iþ Seimon Paitrus
habands hairu, uslauk ina jah sloh þis auhumistins gudjins skalk jah afmaimait imma auso
taihswo; sah þan haitans was namin Malkus. 11 þaruh qaþ Iesus du Paitrau: lagei þana hairu
in fodr. stikl þanei gaf mis atta, niu drigkau þana?
1 rinnon: akk.sg. v. rinno* f. n-St. ‚Gießbach‘ (dies ist er einzige Beleg des Wortes); ahd. rinna
‚Wasserleitung‘; Ableitung zur Wurzel in got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. — Kaidron: akk. v.
Kaidron* FlussN ‚Kidron‘ (dies ist er einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. Kédrōn). —
aurtigards: nom.sg. m. i-St. ‚Garten‘; aengl. ortgeard, orceard; Kompositum mit got.
aurti- (Lehnwort < lat. hortus ‚Garten‘; andl. ort- [in ortbōm ‚Gartenbaum‘, ortfogal ‚zahmer Vogel‘,
ortpunt ‚Gartenbeet‘]; vgl. die Ableitung in ahd. orzōn ‚bebauen, pflegen) und got. gards m. i-St.
‚Haus(wesen), Familie‘.
2 wiss-uh: bestehend aus got. wiss-: 3.sg.ind.prät. v. witan prät.präs. ‚wissen‘ (mit Abfall des
auslautenden -a vor -uh) und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — galewjands: nom.sg.m. part.präs. v.
galewjan sw. V. 1 ‚verraten‘. — stad: akk.sg. von staþs (-d-) m. i-St. ‚Stätte, Ort; Herberge‘ (mit
analogischem -d statt -þ). — ufta: adv. ‚oft‘; (auf unterschiedliche Vorformen beruhend) ahd. ofto,
[49]
as. ofto, ohto, oft, mndl. ofte, oft, aengl. oft, afries. ofta, ofte, ōfta, ōfte, aisl. opt. — gaiddja:
3.sg.ind.prät. v. gagaggan* suppl. st. V. 7 ‚zusammenkommen‘; Kompositum mit got. gaggan suppl.
st. V. 7 ‚gehen‘.
3 hansa: akk.sg. v. hansa f. ō-St. ‚Schar, Manipel, Kohorte; Menge‘; ahd. hansa, mndd. hense, hanse
(entlehnt in andl. hansa, nwestfries. hanze-), aengl. hōs (aus dem Germ. entlehnt in mlat. hansa
‚kaufmännische Vereinigung‘, finn. kansa ,Volk‘, estn. kaas[a] ,Gatte, Gattin, Gefahrte‘). —
gudjane: gen.pl. v. gudja m. n-St. ‚Priester‘. — Fareisaie: gen.pl. v. Fareisaius m. u/i-St. N
‚Pharisäer‘ (Lehnwort < gr. Pharisaĩos). — andbahtans: akk.pl. v. andbahts m. a-St. ‚Diener‘
(Lehnwort aus dem Keltischen; vgl. lat.-gall. ambactus ‚Dienstmann‘); ahd. ambaht, mndl. ambacht,
aengl. ambeht, embeht, aisl. ambátt, ambótt. — iddj-uh: bestehend aus got. iddj-: 3.sg.ind.prät. v.
gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘ (mit Abfall des auslautenden -a vor -uh) und got. -(u)h: enklit. Part.
‚und‘. — jaindwairþs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚dorthin gewandt‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Kompositum aus got. jaind adv. ‚dorthin‘ und got. -wairþs ‚gewendet‘; ahd. -wert, as, -werd,
aisl. -verðr; Ableitung von der Wurzel in got. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — skeimam: dat.pl. v.
skeima* m. n-St. ‚Lampe, Leuchte‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd., as., andl. skīmo,
aengl. scīma, aisl. skími; Ableitung von der Wurzel in got. skeinan st. V. 1 ‚scheinen, leuchten‘. —
haizam: dat.pl. v. hais* n. a-St. ‚Fackel‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); vgl. (anders gebildet)
ahd., mndd., mndl. hei ,Hitze, Trockenheit‘. — wepnam: dat.pl. v. wepn* n. a-St. ‚Waffe‘; ahd.
wāfan, as., andl. wāpan, aengl. wǣpen, afries. wēpen, aisl. vápn.
4 alla: akk.pl.n. v. alls adj. ‚all, jeder, ganz‘. — þoei: akk.pl.n. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — ƕana:
akk.sg.m. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — sokeiþ: 2.pl.ind.präs. v. sokjan sw. V. 1
‚suchen, disputieren‘.
5 andhafjandans: nom.pl.m. part.präs. v. andhafjan st. V. 6 ‚erwidern, antworten‘. — Nazoraiu: akk.sg.
v. Nazoraius m. u/i-St. EinwohnerN ‚Nazarener‘. — stoþ-uh: bestehend aus got. stoþ-: 3.sg.ind.prät.
v. standan st. V. 6 ‚stehen‘ (mit -þ statt zu erwartendem -d vor Vokal) und got. -(u)h: enklit. Part.
‚und‘. — lewjands: nom.sg.m. part.präs. v. lewjan* sw. V. 1 ‚verraten‘.
6 ibukai: nom.pl.m. v. ibuks* adj. a-St. ‚rückwärts gewandt‘; wohl (trotz abweichendem Vokalismus)
zu ahd. abuh, as. aƀuh, aisl. ǫfugr ‚verkehrt‘. — gadrusun: 3.pl.ind.prät. v. gadriusan st. V. 2
‚hinfallen‘; Kompositum mit got. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘.
7 ins: akk.pl.m. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘. — frah: 3.sg.ind.prät. v. fraihnan st. V. 5 ‚fragen‘.
8 —.
9 usfullnodedi: 3.sg.opt.prät. v. usfullnan* sw. V. 4 ‚erfüllt werden‘; Ableitung von der Wurzel in got.
fulls adj. a-St. ‚voll‘. — waurd: nom.sg. n. a-St. ‚Wort‘. — þanzei: akk.pl.m. v. saei rel.pron.
‚welcher‘. — atgaft: 2.sg.ind.prät. v. atgiban st. V. 5 ‚hingeben‘; Kompositum mit got. giban st. V.
5 ‚geben‘. — fraqistida: 1.sg.ind.prät. v. fraqistjan sw. V. 1 ‚verderben, umbringen‘; Kompositum
mit got. qistjan sw. V. 1 ‚verderben‘; ahd. quisten; Ableitung von der Wurzel in ahd., mndd., mndl.
quist ‚Schaden, Verderben‘; Ableitung von der Wurzel in ai. ní jasyata ‚verschmachtet!‘, gr.
(Hesych) zeínamen · sbénnumen ‚wir löschen aus‘, gr. ésbē ‚erlosch‘, alit. gęsa ‚erlischt‘, aksl.
u-gasnǫti ‚erlöschen‘, toch. B keṣäṃ ‚erlischt‘. — ainummehun: dat.sg.m. v. ainshun pron. ‚jemand,
irgendeiner‘.
10 hairu: akk.sg. v. hairus m. u-St. ‚Schwert‘; as. heru- (in herudrōrag ‚schwertblutig‘), aengl. heoru,
aisl. hiǫrr; vgl. nruss. dial. červ ‚Sichel‘, lit. ki vis ‚Axt‘. — sloh: 3.sg.ind.prät. v. slahan* st. V. 6
‚schlagen‘; run. nom.sg.m. part.präs. slaginaz (Stein von Möjbro, 160–560/70), ahd., as. slahan, andl.
slān, aengl. slēan, afries. slā, aisl. slá, sló. — auhumistins: gen.sg.m. sw. v. auhumists superl.adj.
‚höchster‘; aengl. ȳmest. — gudjins: gen.sg. v. gudja m. n-St. ‚Priester‘. — skalk: akk.sg. v. skalks
m. a-St. ‚Knecht, Diener‘; ahd., as., andl. skalk, aengl. scealc, afries. skalk, aisl. skalkr. — afmaimait:
3.sg.ind.prät. v. afmaitan* st. V. 7 ‚abschneiden, abhauen‘; Kompositum mit got. maitan* st. V. 7
‚schneiden, hauen‘; ahd. meizan, aisl. meita. — auso: akk.sg. v. auso n. n-St. ‚Ohr‘; neben (mit
grammatischem Wechsel) ahd., as., andl. ōra, aengl. ēare, afries. āre, ār, aisl. eyra; vgl. jav. uši-, gr.
[50]
att. oũs, dor. ōs, arm. (mit sekundärem -kn) ounkn, alb. (mit prothetischem v-) vesh, lat. auris, air.
au, ó, lit. ausìs, aksl. uxo. — taihswo: akk.sg.n. v. taihswa* adj. sw. ‚rechts‘; ahd. zeso, mndl. tesuwe;
vgl. air. dess. — sah: nom.sg.m. pron. ‚(eben) der‘. — haitans: nom.sg.m. part.präs. v. haitan st. V.
7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — namin: dat.sg. v. namo n. n-St. ‚Name‘. — Malkus: nom. m.
PersonenN ‚Malchus‘ (Lehnwort < gr. Málchos).
11 lagei: 2.sg.imp.präs. v. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — fodr: akk.sg. v. fodr* n. a-St. ‚Scheide‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. fuotar, mndd. vōder (entlehnt in aisl. fóðr), frühmndl.
voeder, aengl. fōdor, afries. fōder; vgl. ai. p tra- ,Behälter, Gefäß‘. — stikl: akk.sg. v. stikls m. a-St.
‚Becher, Kelch‘; (anders gebildet) ahd. stichil ‚Stachel‘, stechal ‚Kelch‘, andl. stekil ‚Stachel‘, aengl.
sticel ‚dass.‘, aisl. stikill ‚Spitze des Trinkhorns‘; Ableitung von der Wurzel in ahd. stechan, as., andl.
stekan, afries. steka. — drigkau: 1.sg.opt.präs. v. drigkan st. V. 3 ‚trinken‘; ahd. trinkan, as., andl.
drinkan, aengl. drincan, afries. drinka, aisl. drekka.
1.13. Johannes 18:25–27: Die Verleugnung des Petrus
25 iþ Seimon Paitrus was standands jah warmjands sik. þaruh qeþun du imma: niu jah þu þize
siponje þis is? iþ is afaiaik jah qaþ: ne, ni im. 26 qaþ sums þize skalke þis maistins gudjins, sah
niþjis was þammei afmaimait Paitrus auso: niu þuk saƕ ik in aurtigarda miþ imma? 27 þaruh
aftra afaiaik Paitrus, jah suns hana hrukida.
25 standands: nom.sg.m. part.präs. v. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — warmjands: nom.sg.m. part.präs. v.
warmjan* sw. V. 1 ‚wärmen, (refl.) sich wärmen‘; ahd. wermen, as. wermian, mndl. warmen, aengl.
wyrman, aisl. verma; Ableitung von der Wurzel in ahd., as., andl. warm, aengl. wearm, afries. warm,
aisl. varmr; vgl. heth. urāni ‚brennt‘, aksl. vьrěti ‚sieden‘. — ne: neg. ‚nein‘; ursprünglich wohl
betonte Variante von got. ni: neg. ‚nicht‘.
26 skalke: gen.pl. v. skalks m. a-St. ‚Knecht, Diener‘. — maistins: gen.sg.m. sw. v. maists ‚der größte‘,
superl. von got. mikils adj. a-St. ‚groß‘; ahd. meist, as., andl. mēst, aengl. mǣst, māst, afries. māst,
mēst, aisl. mestr. — niþjis: nom.sg. m. ja-St. ‚Verwandter‘; aengl. niþþas pl., aisl. niðr; vgl. ai.
nítya- ‚eigen, heimisch, stetig, dauernd‘, gall. Nitio- (in VölkerN Nitiobroges). — saƕ: 1.sg.ind.prät.
v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — aurtigarda: dat.sg. v. aurtigards m. i-St. ‚Garten‘.
27 —.
1.14. Johannes 18:28–40: Jesu Verhör vor Pilatus
28 iþ eis tauhun Iesu fram Kajafin in praitoriaun. þanuh was maurgins. iþ eis ni iddjedun in
praitoria, ei ni bisaulnodedeina ak matidedeina pasxa. 29 þaruh atiddja ut Peilatus du im jah
qaþ: ƕo wrohe bairiþ ana þana mannan? 30 andhofun jah qeþun du imma: nih wesi sa ubiltojis,
ni þau weis atgebeima þus ina. 31 þaruh qaþ im Peilatus: nimiþ ina jus jah bi witoda
izwaramma stojiþ ina. iþ eis qeþun-uh du imma Iudaieis: unsis ni skuld ist usqiman manne
ainummehun. 32 ei waurd fraujins usfullnodedi, þatei qaþ, bandwjands ƕileikamma dauþau
skulda gaswiltan. 33 <þaruh> galaiþ in praitauria aftra Peilatus jah wopida Iesu qaþ-uh
imma: þu is þiudans Iudaie? 34 andhof Iesus: ab-u þus silbin þu þata qiþis þau anþarai þus
qeþun bi mik? 35 andhof Peilatus: waitei ik Iudaius im? so þiuda þeina jah gudjans anafulhun
þuk mis; ƕa gatawides? 36 andhof Iesus: þiudangardi meina nist us þamma fairƕau; iþ us
[51]
þamma fairƕau wesi meina þiudangardi, aiþþau andbahtos meinai usdaudidedeina, ei ni
galewiþs wesjau Iudaium. iþ nu þiudangardi meina nist þaþro. 37 þaruh qaþ imma Peilatus:
an nuh þiudans is þu? andhafjands Iesus <qaþ>: þu qiþis ei þiudans im ik. ik du þamma
gabaurans im jah du þamma qam in þamma fairƕau ei weitwodjau sunjai. ƕazuh saei ist
sunjos, hauseiþ stibnos meinaizos. 38 þanuh qaþ imma Peilatus: ƕa ist so sunja? jah þata
qiþands <aftra> galaiþ ut du Iudaium jah qaþ im: ik ainohun fairino ni bigita in þamma. 39 iþ
ist biuhti izwis ei ainana izwis fraletau in pasxa; wileid-u nu ei fraletau izwis þana þiudan
Iudaie? 40 iþ eis hropidedun aftra allai qiþandans: ne þana, ak Barabban; sah þan was sa
Barabba waidedja.
28 tauhun: 3.pl.ind.prät. v. tiuhan st. V. 2 ‚ziehen, (weg-)führen‘; ahd. ziohan, as. tiohan, andl. tiān,
aengl. tēon, afries. tiā, aisl. part.prät. toginn; vgl. alb. n-duk ‚ziehe/zieh(s)t, zerre/zerr(s)t (heraus)‘,
lat. dūcere, mkymr. dwc ‚bringt‘. — Kajafin: dat. v. Kajafa m. PersonenN ‚Kaiphas‘ (Lehnwort <
gr. Kaïáphas). — praitoriaun: akk.sg. v. praitoriaun n./f. ‚Praetorium‘ (daneben ist der Akk.Sg. auch
als praitoria, praitauria belegt) (Lehnwort < gr. praitṓrion). — maurgins: nom.sg. m. a-St.
‚Morgen‘; ahd. morgan, lgb. morgin- (in morgingab ‚Morgengabe‘), as., andl. morgan, aengl.
morgen, margen, mergen, myrgen, afries. morn, aisl. morginn, morgunn, merginn, myrginn; vgl. aksl.
mračьnъ ‚dunkel‘. — praitoria: akk.sg. v. praitoriaun n./f. ‚Praetorium‘ (s.o.). — bisaulnodedeina:
3.pl.opt.prät. v. bisaulnan* sw. V. 4 ‚besudelt werden‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (das
Simplex ist im Got. nicht belegt); dazu got. bisauljan* sw. V. 1 ‚besudeln‘; Ableitungen von der
Wurzel in ahd. sol ‚Kotlache‘, mndd., mndl. sol ‚Pfütze, Teich, Schlamm‘, aengl. sol, solu ‚Kot,
Schlamm‘. — matidedeina: 3.pl.opt.prät. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘. — pasxa: akk.sg. v. pasxa,
paska f. ‚Pascha, Osterfest‘.
29 Peilatus: nom. m. PersonenN ‚Pilatus‘ (Lehnwort < gr. Peilãtos). — ƕo: akk.sg.f. v. ƕas
frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. — wrohe: gen.pl. v. wrohs* f. i-St. ‚Anklage‘; mndd. wrōge.
— bairiþ: 2.pl.ind.präs. v. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘.
30 andhofun: 3.pl.ind.prät. v. andhafjan st. V. 6 ‚erwidern, antworten‘. — ubiltojis: nom.sg.m. adj. ja-St.
/ nom.sg. m. ja-St. ‚übeltäterisch; Übeltäter‘; Kompositum aus got. ubil- (s. ubils) und got. -tojis,
Ableitung von der Wurzel in got. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — atgebeima: 1.pl.opt.prät. v.
atgiban st. V. 5 ‚hingeben‘.
31 nimiþ: 2.pl.ind.präs. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — witoda:
dat.sg. v. witoþ (-d-) n. a-St. ‚Gesetz‘; ahd. wizzōd ‚Gesetz; Testament, Sakrament, Abendmahl‘,
mndd. wit, wet(te) ‚Gesetz‘, andl. witut ‚dass.‘, afries. witat ‚Hostie‘; eine Ableitung von der Wurzel
in as. witōn, aengl. witian ‚bestimmen, festsetzen‘. — izwaramma: dat.sg.n. izwar poss.pron. ‚euer‘.
— stojiþ: 2.pl.ind.präs. v. stojan sw. V. 1 ‚richten‘; ahd. stowen ‚anklagen‘; entweder vgl. jav. -stāiiā
‚stelle‘, apers. -astāyam ‚stellte‘, aksl. staviti ‚stellen‘ oder denominales V. von der Wurzel in aengl.
stōw ‚Ort, Stelle‘, afries. stō ‚Stelle‘, aisl. -stó (in eldsstó ‚Feuerstelle‘). — qeþun-uh: bestehend aus
got. qeþun: 3.pl.ind.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘ und got. -(u)h: enklit. Part.
‚und‘. — skuld: nom.sg.n. part.prät. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein, sollen‘; vgl. ahd., as. skulan,
andl. sullan, aengl. sculan, afries. skela, skila, skolla, aisl. skola; vgl. lit. skel ti ‚müssen, verpflichtet
sein‘. — usqiman: inf. st. V. 4 ‚umbringen, den Tod geben‘; Kompositum mit got. qiman st. V. 4
‚kommen‘. — manne: gen.pl. v. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch, Mann‘. — ainummehun:
dat.sg.m. v. ainshun pron. ‚jemand, irgendeiner‘.
32 fraujins: gen.sg. v. frauja m. n-St. ‚Herr‘. — bandwjands: nom.sg.m. part.präs. v. bandwjan* sw. V.
1 ‚ein Zeichen/einen Wink geben, andeuten‘. — ƕileikamma: dat.sg.m. v. ƕileiks adj. a-St. ‚wie
beschaffen?‘. — skulda: 3.sg.ind.prät. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein, sollen‘. — gaswiltan: inf.
st. V. 3 ‚sterben‘.
[52]
33 praitauria: akk.sg. v. praitoriaun n./f. ‚Praetorium‘ (s.o.). — þiudans: nom.sg. m. a-St. ‚König‘.
34 ab-u: bestehend aus got. ab- (mit fehlender Auslautverhärtung von -b- wegen der Position vor Vokal)
= af: präp. + dat. ‚von, von – weg, von – her‘ und got. -u: enklit. Fragepart. — anþarai: nom.pl.m.
v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘.
35 waitei: adv. ‚vielleicht, etwa‘; Zusammenrückung aus got. wait (1.sg.ind.präs. v. witan prät.präs.
‚wissen‘) und got. ei konj. ‚damit, dass‘. — Iudaius: nom.sg. m. u/i-St. N ‚Jude‘. — þiuda: nom.sg.
f. ō-St. ‚Volk‘; ahd. diot(a), as. thiod(a), andl. thiet, aengl. þēod, afries. thiād, aisl. þióð; vgl. osk.
touto, umbr. tuta, gall. in PersonenN Teut(o)-, air. túath, apreuß. tauto, lit. tautà. — gudjans: akk.pl.
v. gudja m. n-St. ‚Priester‘. — anafulhun: 3.pl.ind.prät. v. anafilhan st. V. 4 ‚übergeben, überliefern;
verpachten; empfehlen‘; Kompositum mit got. filhan st. V. 4 ‚begraben, verbergen‘; ahd. fel(a)han,
as. -fel(a)han (in bifel[a]han ‚befehlen, gewähren, übergeben, anvertrauen, weihen, begraben‘),
andl.
-felan
(in
bifelan
‚anvertrauen,
überlassen;
befehlen‘),
aengl.
fēolan,
afries. -fela, -fala, -fola, -fēla (in bifela, bifala, bifola, bifēla ‚übergeben, übertragen; anbefehlen,
anvertrauen; empfehlen; befehlen, auftragen; beerdigen‘), aisl. fel(g)a. — gatawides: 2.sg.ind.prät.
v. gataujan sw. V. 1 ‚vollbringen, bewirken, machen‘.
36 meina: nom.sg.f. v. meins poss.pron. ‚mein‘. — fairƕau: dat.sg. v. fairƕus m. u-St. ‚Welt‘. —
andbahtos: nom.pl. v. andbahts m. a-St. ‚Diener‘. — meinai: nom.pl.m. v. meins poss.pron. ‚mein‘.
— usdaudidedeina: 3.pl.opt.prät. v. usdaudjan* sw. V. 1 ‚sich beeifern‘ (das Simplex ist im Got.
nicht belegt); Ableitung von got. usdauþs* (-d-) adj. ‚eifrig‘; wohl zu got. dauþus m. u-St. ‚Tod‘
(‚außerhalb des Todes‘) oder zu got. dauþs (-þ-) adj. a-St. ‚tot‘ (‚lebendig, lebhaft‘). — galewiþs:
nom.sg.m. part.prät. v. galewjan sw. V. 1 ‚verraten‘. — wesjau: 1.sg.opt.prät. v. wisan unreg. st. V.
‚(da)sein, existieren‘. — Iudaium: dat.pl. v. Iudaius m. u/i-St. N ‚Jude‘. — þaþro: adv. ‚daher, von
da; darauf‘; Ableitung mit dem Adv. bildenden suffix got. -þro vom Dentalstamm des Dem.pron.
got. sa ‚dieser, der‘.
37 an: adv. ‚denn, nun‘; vgl. lat. an ‚ob, denn, etwa …?‘. — nuh: adv. ‚denn‘; Zusammenrückung aus
got. nu 1. adv. ‚nun, jetzt‘, 2. konj. ‚nun, demnach, folglich, also‘ und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘.
— gabaurans: nom.sg.m. part.prät. v. gabairan st. V. 4 ‚gebären, vergleichen‘; ahd., as. giberan,
aengl. geberan; Kompositum mit got. bairan st. V. 4 ‚tragen, leiden, gebären‘. — qam: 1.sg.ind.prät.
v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — weitwodjau: 1.sg.opt.präs. v. got. weitwodjan* sw. V. 1
‚(be-)zeugen‘. — sunjos: gen.sg. v. sunja f. jō-St. ,Wahrheit‘. — hauseiþ: 3.sg.ind.präs. v. hausjan
sw. V. 1 ‚hören‘. — stibnos: gen.sg. v. stibna f. ō-St. ‚Stimme‘. — meinaizos: gen.sg.f. v. meins
poss.pron. ‚mein‘.
38 sunja: nom.sg. f. jō-St. ,Wahrheit‘. — ainohun: akk.sg.f. v. ainshun pron. ‚jemand, irgendeiner‘. —
fairino: gen.pl. v. fairina* f. ō-St. ‚Schuld; Vorwurf‘; ahd., as. firina, aengl. firen, afries. firne, ferne,
(anders gebildet) aisl. firn. — bigita: 1.sg.ind.präs. v. bigitan st. V. 5 ‚finden‘.
39 biuhti: nom.sg. n. ja-St. ‚Gewohnheit‘; Ableitung von der Wurzel in got. binauhan* prät.präs.
‚erlaubt sein, dürfen‘ (s. ganohs*). — ainana: akk.sg.m. v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘. — fraletau:
1.sg.opt.präs. v. fraletan st. V. 7 ‚lassen, freilassen, entlassen, unterlassen, zulassen, erlauben,
vergeben, herablassen‘; Kompositum mit got. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen,
zurücklassen‘. — pasxa: dat.sg. v. pasxa, paska f. ‚Pascha, Osterfest‘. — wileid-u: bestehend aus
got. wileid-: 2.pl.opt.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘ (mit fehlender Auslautverhärtung
von -d- wegen der Position vor Vokal) und got. -u: enklit. Fragepart. — þiudan: akk.sg. v. þiudans
m. a-St. ‚König‘.
40 allai: nom.pl.m. v. alls adj. ‚all, jeder, ganz‘. — ne: wohl fehlerhafte Schreibung für got. ni neg.
‚nicht‘. — Barabban: akk. v. Barabba(s) m. PersonenN ‚Barabbas‘ (daneben auch nom. Barabbas)
(Lehnwort < gr. Barabbãs). — Barabba: nom. m. PersonenN ‚Barabbas‘. — waidedja: nom.sg. m.
n-St. ‚Übeltäter, Räuber‘; Ableitung zu einem nicht belegten Subst. got. *waideþs f. i-St. ‚Übeltat‘,
einem Kompositum aus got. wai- ‚schlecht, übel‘ (s. wajamerjan) und got. -deþs f. i-St. ‚Tat‘, das in
got. gadeþs* (-d-) f. i-St. ‚Tat‘, got. +missadeþs (-d-) f. i-St. ‚Missetat‘ und got. wailadeþs* (-d-) f.
[53]
i-St. ‚Wohltat‘ belegt ist; ahd. tāt, as. dād, andl. dāt, aengl. dǣd, afries. dēde, dēd, dād, aisl. dáð; vgl.
lyd. ta(a)c- ‚Votivtafel, Votivgabe‘, jav. dāiti- ‚Geben, Schenken, Gewährung‘, lit. d tis ‚Zeit und
Raum des Eierlegens, Eierstock der Vögel, die zu tragende Bürde‘, aksl. -děti (in blagoděti f. ‚Gnade,
Gunst‘); Ableitung von der Wurzel in ahd. tuon, as. duan, dōn, aengl. dōn, afries. duā(n) ‚tun,
machen‘; vgl. heth. tēhhi ‚setze ein, lege‘, ai. dádhāti ‚setzt, schafft hin, macht‘, aav. dadāiti ‚setzt,
gibt‘, gr. títhēmi ‚setze, lege‘, lat. -ddere (in re-ddere ‚zurückbringen‘),alit. demi ‚lege, setze, mache‘,
aksl. děti ‚setzen, legen‘, toch. A tā- ‚setzen, legen‘; zur Bildung vgl. mhd. übeltæte, aengl. yfeldǣda
‚Übeltäter‘.
1.15. Johannes 19:1–5: Jesu Geißelung und Verspottung
1 Þanuh þan nam Peilatus Iesu jah usblaggw. 2 jah þai gadrauhteis uswundun wipja us
þaurnum jah galagidedun imma ana haubid jah wastjai paurpurodai gawasidedun ina, 3 jah
qeþun: hails, þiudans Iudaie! jah gebun imma slahins lofin. 4 atiddja aftra ut Peilatus jah qaþ
im: sai, attiuha izwis ina ut, ei witeiþ þatei in imma ni ainohun fairino bigat. 5 þaruh usiddja
ut Iesus bairands þana þaurneinan waip jah þo paurpurodon wastja. jah qaþ im: <sai> sa ist
sa manna.
1 usblaggw: 3.sg.ind.prät. v. usbliggwan* st. V. 3 ‚durchbleuen‘; Kompositum mit got. bliggwan* st.
V. 3 ‚schlagen‘; ahd. bliuwan, as. -bleuwan (in ūtbleuwan* ‚herausschlagen‘), mndl. blouwen.
2 gadrauhteis: nom.pl. v. gadrauhts m. i-St. ‚Soldat‘; Ableitung von der Wurzel in got. driugan* st. V.
2 ‚zu Felde ziehen‘; aengl. drēogan; vgl. aksl. drugъ ‚jedermann, Nächster; Gefährte, Begleiter,
Anhänger, Freund‘, lit. draũgas ‚Freund, Gefährte‘. — uswundun: 3.pl.ind.prät. v. uswindan* st. V.
3 ‚flechten‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. wintan, as. windan, frühmndl. winden, aengl.
windan, afries. winda, aisl. vinda; vgl. umbr. -uendu ‚soll wenden‘, toch. B wänt- ‚umhüllen‘. —
wipja: akk.sg. v. wipja* f. ō-St. ‚Kranz‘; Ableitung von der Wurzel in got. weipan* st. V. 1 ‚kränzen,
krönen‘; ahd. part.prät.pass. -wifan (in biwifan ‚unglücklich, verdammt‘); vgl. ai. vépate ‚zittert,
erregt sich‘, jav. -vaēpǝṇti ‚werfen (weg)‘, lit. viẽpti ‚(das Gesicht) verziehen‘. — þaurnum: dat.pl.
v. þaurnus* m. u-St. ‚Dorn‘; (mit anderer Stammbildung) ahd. dorn, as., andl. thorn, aengl. þorn,
nwestfries. doarn, aisl. þorn; vgl. ai. t na- ‚Grashalm‘, aksl. trьnъ. — galagidedun: 3.pl.ind.prät. v.
galagjan* sw. V. 1 ‚hinlegen‘; Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — haubid:
akk.sg. v. haubiþ (-d-) n. a-St. ‚Haupt‘ (mit analogischem -d statt -þ) (krimgot. hoef); ahd. houbit,
as. hōvid, andl. hōvit, aengl. hēafod, afries. hāved, hāvid, aisl. haufuð (mit nicht sicher erklärtem
Diphthong) neben (mit Monophthong) aengl. hæfod, hafud, aisl. hǫfuð; vgl. lat. caput. — wastjai:
dat.sg. v. wasti* f. jō-St. ‚Kleid, (pl.) Kleidung‘; Ableitung von der Wurzel in got. wasjan* sw. V. 1
‚kleiden; sich kleiden‘. — paurpurodai: dat.sg.f. part.prät. v. paurpuron* sw. V. 2 ‚mit Purpur
färben‘ (Lehnwort < lat. purpurāre ‚purpurfarbig machen‘). — gawasidedun: 3.pl.ind.prät. v.
gawasjan* sw. V. 1 ‚bekleiden mit‘; Kompositum mit got. wasjan* sw. V. 1 ‚kleiden; sich kleiden‘
(mit analogischem -s- statt zu erwartendem -z-); ahd. werien, aengl. werian, aisl. verja; vgl. heth.
wassezzi, ai. vāsáyati, alb. vesh.
3 gebun: 3.pl.ind.prät. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — slahins: akk.pl. v. slahs* m. i-St. ‚Schlag; Plage‘
(mit analogischem -h- anstelle von zu erwartendem *-g- nach got. slahan* st. V. 6 ‚schlagen‘); ahd.
slag, as. slegi, andl. slag, aengl. slege, afries. slei, aisl. slagr; Ableitung von der Wurzel in got.
slahan* st. V. 6 ‚schlagen‘. — lofin: dat.sg. v. lofa* m. n-St. ‚Handfläche‘; mndd. lōf, loef m.
‚windzugewandte Seite, Luv‘, andl. *luof (lof) ‚Ruderblatt, Ruderpinne‘, aengl. lōf ‚flache Hand‘,
aisl. lófi ‚offene Hand, Handfläche‘; vgl. lit. lópa ‚dass.‘, nruss. lápa ‚Pfote, Tatze‘.
[54]
4 attiuha: 1.sg.ind.präs. v. attiuhan st. V. 2 ‚herbeiziehen, herbeiführen, herbeibringen‘; Kompositum
mit got. tiuhan st. V. 2 ‚ziehen, (weg-)führen‘. — bigat: 1.sg.ind.prät. v. bigitan st. V. 5 ‚finden‘.
5 bairands: nom.sg.m. part.präs. v. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘. — þaurneinan: akk.sg.m. sw. v.
þaurneins* adj. a-St. ‚von Dornen‘; ahd. durnīn, mndd. dōrnen, andl. thornīn, aengl. þyrnen, afries.
thornen; Ableitung von der Wurzel in got. þaurnus* m. u-St. ‚Dorn‘. — waip: akk.sg. v. waips m.
a-St. ‚Kranz‘; ahd. weif, aisl. veipr; Ableitung von der Wurzel in got. weipan* st. V. 1 ‚kränzen,
krönen‘. — paurpurodon: akk.sg.f. sw. part.prät. v. paurpuron* sw. V. 2 ‚mit Purpur färben‘. —
wastja: akk.sg. v. wasti* f. jō-St. ‚Kleid, (pl.) Kleidung‘.
1.16. Lukas 1:26–38: Die Ankündigung der Geburt Jesu
26 þanuh þan in menoþ saihstin insandiþs was aggilus Gabriel fram guda in baurg Galeilaias
sei haitada Nazaraiþ, 27 du magaþai in fragibtim abin, þizei namo Iosef, us garda Daweidis,
jah namo þizos magaþais Mariam. 28 jah galeiþands inn sa aggilus du izai qaþ: fagino, anstai
audahafta, frauja miþ þus; þiuþido þu in qinom. 29 iþ si gasaiƕandei gaþlahsnoda bi
innatgahtai is jah þahta sis ƕeleika wesi so goleins [þatei swa þiuþida izai]. 30 jah qaþ aggilus
du izai: ni ogs þus, Mariam, bigast auk anst fram guda. 31 jah sai, ganimis in kilþein jah
gabairis sunu jah haitais namo is Iesu. 32 sah wairþiþ mikils jah sunus hauhistins haitada, jah
gibid imma frauja guþ stol Daweidis attins is. 33 jah þiudanoþ ufar garda Iakobis in ajukduþ,
jah þiudinassaus is ni wairþiþ andeis. 34 qaþ þan Mariam du þamma aggilau: ƕaiwa sijai
þata, þandei aban ni kann? 35 jah andhafjands sa aggilus qaþ du izai: ahma weihs atgaggiþ
ana þuk, jah mahts hauhistins ufarskadweid þus, duþe ei <jah> saei gabairada weihs haitada
sunus gudis. 36 jah sai, Aileisabaiþ niþjo þeina, jah so inkilþo sunau in aldomin seinamma, jah
sa menoþs saihsta ist izai sei haitada stairo, 37 unte nist unmahteig guda ainhun waurde. 38
qaþ þan Mariam: sai, þiwi fraujins, wairþai mis bi waurda þeinamma. jah galaiþ fairra izai sa
aggilus.
26 menoþ: dat.sg. v. menoþs (-þ-) m. Kons.st. ‚Monat‘; ahd. mānōd, as. mānuth, andl. mānoth, aengl.
mōnaþ, mōnþ, afries. mōnath, mōneth, mōn(a)d, aisl. mánaðr, mánoðr (ursprünglich in einem
Paradigma mit dem Wort in got. mena m. ‚Mond‘ [nur nom.sg. Mk 13:24]); vgl. (anders gebildet)
heth. me a(n)ni- ‚Zeit, Zeitraum‘, ai. m s- ‚Mond, Monat‘, av. m ‚dass.‘, apers. māh- ‚Monat‘, gr.
mḗn ‚dass.‘, arm. amis ‚dass.‘, alb. tosk. muaj, geg. muej m. ‚dass.‘, lat. mēnsis ‚dass.‘, air. mis
‚Monat‘, lit. m nuo ‚dass.‘, aksl. měsęcь ‚Mond, Monat‘, toch. A mañ, B meñe ‚dass.‘. — saihstin:
dat.sg.m. v. saihsta* num ‚der sechste‘; ahd., as. sehsto, andl. sesto, aengl. siexta, afries. sexta, aisl.
sétti; vgl. ai. ṣaṣṭhá-, av. xštuua-, gr. héktos, lat. sextus, air. sessed, lit. šeštas, aksl. šestь. —
insandiþs: nom.sg.m. part.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘. — aggilus: nom.sg. m. u-St.
‚Engel‘ (Lehnwort < gr. ángelos, lat. angelus). — Gabriel: nom. m. PersonenN ‚Gabriel‘ (Lehnwort
< gr. Gabriḗl). — guda: dat.sg. v. guþ n. a-St. ,Gott‘. — baurg: akk.sg. v. baurgs f. Kons.st. ‚Turm,
Burg, Stadt‘. — Galeilaias: gen.sg. v. Galeilaia* f. LänderN ‚Galiläa‘ (Lehnwort < gr. Galilaía). —
sei: nom.sg.f. v. izei rel.pron. ‚der‘. — Nazaraiþ: nom. indekl. OrtsN ‚Nazareth‘ (Lehnwort < gr.
Nazaréth).
27 magaþai: dat.sg. v. magaþs (-þ-) f. i-St. ‚Jungfrau‘; ahd. magad, as. magath, andl. magith, aengl.
mæg(e)þ, afries. megeth, megith, maged, māgd, meid; vgl. akorn. mahtheid. — fragibtim: dat.pl. v.
fragifts* f. i-St. ‚Verleihung, (pl.) Verlobung‘ (mit etymologischem -b-); Ableitung von got. fragiban
st. V. 5 ‚vergeben‘. — abin: dat.sg. v. aba m. unreg. n-St. ‚Ehemann, Gatte‘; ahd. PersonenN Abo,
lgb. PersonenN Abo, aengl. PersonenN Aba, Afa, aisl. afi. — þizei: gen.sg.m. v. saei rel.pron.
[55]
‚welcher‘. — Iosef: nom. m. PersonenN ‚Josef‘ (Lehnwort < gr. Iōsḗph). — Daweidis: gen. v.
Daweid m. PersonenN ‚David‘ (Lehnwort < gr. Daueíd). — magaþais: gen.sg. v. magaþs (-þ-) f.
i-St. ‚Jungfrau‘. — Mariam: nom. f. PersonenN ‚Maria‘ (Lehnwort < gr. Mariám).
28 galeiþands: nom.sg.m. part.präs. v. galeiþan st. V. 1 ‚kommen, gehen‘. — inn: adv. ‚hinein‘; ahd.
in, as. inn, aengl. in(n), aisl. inn. — fagino: 2.sg.imp.präs. v. faginon sw. V. 2 ‚sich freuen‘. — anstai:
dat.sg. v. ansts f. i-St. ‚Freude, Dank, Gnade, Gunst, Gnadengabe‘; vgl. ahd., as., andl. anst, aengl.
ēst, ? afries. enst, aisl. ǫst, ást; Ableitung von der Wurzel in ahd. unnan, as. -unnan, mndl. onnen,
aengl. unnan, aisl. unna ‚gönnen, gewähren‘; vgl. (mit Umbildung) gr. onínēmi ‚nütze‘. —
audahafta: nom.sg.f. v. audahafts* adj. a-St. ‚glücklich‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Ableitung mit dem Suffix got. -hafts von als Simplex nicht belegtem got. auda-; run.-ahd. aod- (in
PersonenN aodliþ [Einfassunsgring von Pforzen, ca. 600]), ? ahd. ōt ‚Reichtum, Vermögen‘, lgb. in
PersonenN Aud(a)-, as. ōd ‚Reichtum, Besitz‘, aengl. ēad ‚dass.‘, aisl. auðr ‚dass.‘. — þiuþido:
nom.sg.f. sw. part.prät. v. þiuþjan* sw. V. 1 ‚segnen‘; Ableitung von der Wurzel in got. þiuþ (-þ-) n.
a-St. ‚das Gute, die gute Sache‘. — qinom: dat.pl. v. qino f. n-St. ‚Weib‘; ahd., as., andl. quena,
aengl. cwene, saterfries. kwene, aisl. kona, kvinna; neben got. qens f. i-St. ‚Ehefrau‘.
29 si: nom.sg.f. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘. — gasaiƕandei: nom.sg.f. part.präs. v. gasaiƕan st. V. 5
‚erblicken‘. — gaþlahsnoda: 3.sg.ind.prät. v. gaþlahsnan* sw. V. 4 ‚erschrecken‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes); weitere Etymologie unklar. — innatgahtai: dat.sg. v. innatgahts* f. i-St.
‚Eingang‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von got. innatgaggan st. V. 7
‚hineinkommen. — þahta: 3.sg.ind.prät. v. þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘. — ƕeleika:
nom.sg.f. v. ƕileiks adj. a-St. ‚wie beschaffen?‘ (mit fehlerhaftem -e- statt -i-). — goleins: nom.sg.
f. i-St. ‚Gruß‘; Ableitung von der Wurzel in got. goljan sw. V. 1 ‚grüßen‘. — þiuþida: 3.sg.ind.prät.
v. þiuþjan* sw. V. 1 ‚segnen‘.
30 ogs: 2.sg.imp.präs. v. ogan* prät.präs. ‚fürchten; (refl.) sich fürchten‘. — bigast: 2.sg.ind.prät. v.
bigitan st. V. 5 ‚finden‘. — anst: akk.sg. v. ansts f. i-St. ‚Freude, Dank, Gnade, Gunst, Gnadengabe‘.
31 ganimis: 2.sg.ind.präs. v. ganiman st. V. 4 ‚mitnehmen; erhalten; empfangen; lernen‘; Kompositum
mit got. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — kilþein: akk.sg. v. kilþei*
f. n-St. ‚Mutterleib‘; wohl Ableitung von der Wurzel in aengl. cild ‚Kind‘. — gabairis: 2.sg.ind.präs.
v. gabairan st. V. 4 ‚gebären, vergleichen‘. — sunu: akk.sg. v. sunus m. u-St. ‚Sohn‘. — haitais:
2.sg.opt.präs. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — namo: akk.sg. v. namo n. n-St.
‚Name‘.
32 hauhistins: gen.sg.m. sw. superl. v. hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘; lat.-germ. VölkerN Chauci, ahd., as.
hōh, andl. hō, hōg, aengl. hēah, hēh, afries. hāch, hēch, heich, hōch, aisl. hár; vgl. lit. kaũkas ,Beule,
Geschwür‘. — gibid: 3.sg.ind.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘ (mit analogischem -d statt -þ). — stol:
akk.sg. v. stols m. a-St. ‚Stuhl, Thron‘; ahd. stuol, as. stōl, andl. stuol, aengl., afries. stōl, aisl. stóll;
Ableitung von der Wurzel in got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — attins: gen.sg. v. atta m. n-St. ‚Vater‘.
33 þiudanoþ: 3.sg.ind.präs. v. þiudanon sw. V. 2 ‚herrschen‘. — Iakobis: gen. v. Iakobus m. PersonenN
‚Jakob‘ (Lehnwort < gr. Iákōbos) (daneben kommt im Gen. auch die Form Iakobaus vor). —
ajukduþ: akk.sg. v. ajukduþs* f. i-St. ‚Ewigkeit‘; Ableitung mit dem Suffix got. -duþs von got. ajuk-;
(mit anderer Stammbildung) aengl. ēce, ǣce ‚ewig‘; vgl. aav. yauuaē-ji- ‚ewig lebend‘; ein
Kompositum aus den Wurzeln in got. aiws* m. a/i-St. ‚Zeit, Ewigkeit‘ und got. qius adj. wa-St.
‚lebendig‘; ahd. quek, as. quik, andl. quic, aengl. cwic, cwyc, afries. quik, aisl. kvikr, kykr; vgl. ai.
jīvá-, av. juua-, lat. vīvus, gall. biuo-, bio-, air. béu, béo, lit. gývas, aksl. živъ. — þiudinassaus: gen.sg.
v. þiudinassus m. u-St. ‚Regierung; (König-)Reich‘. — andeis: nom.sg. m. ja-St. ‚Ende‘; ahd. enti,
as., andl. endi, aengl. ende, afries. e(i)nde, ein(d), aisl. endir, endi; vgl. gr. antíos ‚gegenüberstehend,
entgegengesetzt‘, lat. (pl.) antiae ‚Stirnlocken‘.
34 aggilau: dat.sg. v. aggilus m. u-St. ‚Engel‘. — sijai: 3.sg.opt.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein,
existieren‘. — þandei: konj. ‚so lange als; da; wenn; weil‘ (die häufigere Form der Konj. ist þande);
[56]
Ableitung zu got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als;
als, da‘. — aban: akk.sg. v. aba m. unreg. n-St. ‚Ehemann, Gatte‘.
35 ahma: nom.sg. m. n-St. ‚Geist‘. — weihs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚heilig‘; ahd. wīh, as. wīh-, aengl.
wīg-; in den meisten germ. Sprachen nur noch in Resten erhalten (vgl. etwa nhd. Weih-nachten,
Weih-rauch) und von Entsprechungen des bedeutungsverwandten Adj. ‚heilig‘ verdrängt. —
atgaggiþ: 3.sg.ind.präs. v. atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘. — ufarskadweid:
3.sg.ind.präs. v. ufarskadwjan* sw. V. 1 ‚überschatten‘ (mit analogischem -d anstelle von -þ) (das
Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got. skadus m. u-St. ‚Schatten‘; ahd.
skato, as. skado, andl. +skado, aengl. scead(u), nwestfries. skaad, skâd; vgl. air. scáth. — duþe:
adv./konj. ‚deshalb, deswegen, dazu‘; Zusammenrückung von got. du präp. + dat./inf. ‚zu, für, in‘
und got. þe instr.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — gabairada: 2.sg.ind.pass.präs. v. gabairan st.
V. 4 ‚gebären, vergleichen‘.
36 Aileisabaiþ: nom. f. PersonenN ‚Elisabeth‘ (Lehnwort < gr. Elisábet, lat. Elisabeth). — niþjo:
nom.sg. f. n-St. ‚Verwandte‘ (dies ist der einzige Beleg); fem. Motionsbildung zu got. niþjis m. ja-St.
‚Verwandter‘. — inkilþo: nom.sg. f. n-St. ‚Schwangere‘; Bildung mit got. in präp. + dat./akk. (zur
Bezeichnung der Ruhe/Richtung) ‚in, auf, an, zu, während, nach zu‘, + gen. ‚wegen, um – willen,
für, durch‘ zu got. kilþei* f. n-St. ‚Mutterleib‘. — aldomin: dat.sg. v. aldumo* n. n-St.
‚(Greisen-)Alter‘ (mit fehlerhaftem -o- für -u-) (dies ist der einzige Beleg des Wortes); wohl
substantivierter Komparativ von got. alþeis adj. ja-St. ‚alt‘ (anders gebildet krimgot. alt); (anders
gebildet) ahd. alt, as. ald, andl. alt, aengl. eald, afries. ald, old; vgl. lat. altus ‚hoch‘. — menoþs:
nom.sg. (-þ-) m. Kons.st. ‚Monat‘. — saihsta: nom.sg.m. num ‚der sechste‘. — stairo: nom.sg. f.
n-St. ‚die Unfruchtbare‘; vgl. ahd. stero ‚Widder‘; vgl. ai. star - ‚unfruchtbare Kuh‘, gr. steĩra
‚unfruchtbar‘, lat. sterilis ‚dass.‘.
37 unmahteig: nom.sg.n. v. unmahteigs adj. a-St. ‚ohnmächtig, schwach; unmöglich‘; Bildung mit der
Negation got. un- ‚un-, nicht‘ zu got. mahteigs adj. a-St. ‚mächtig‘. — ainhun: nom.sg.n. v. ainshun
pron. ‚jemand, irgendeiner‘. — waurde: gen.pl. v. waurd n. a-St. ‚Wort‘.
38 waurda: dat.sg. v. waurd n. a-St. ‚Wort‘. — þeinamma: dat.sg.n. v. þeins poss.pron. ‚dein‘.
1.17. Lukas 2:1–20: Jesu Geburt
1 Warþ þan in dagans jainans, urrann gagrefts fram kaisara Agustau, gameljan allana
midjungard. 2 soh þan gilstrameleins frumista warþ at [wisandin kindina Swriais] raginondin
Saurim Kwreinaiau. 3 jah iddjedun allai, ei melidai weseina, ƕarjizuh in seinai baurg. 4 urrann
þan jah Iosef us Galeilaia, us baurg Nazaraiþ, in Iudaian, in baurg Daweidis sei haitada
Beþlahaim, duþe ei was us garda fadreinais Daweidis, 5 anameljan miþ Mariin sei in fragiftim
was imma qeins, wisandein inkilþon. 6 warþ þan, miþþanei þo wesun jainar, usfullnodedun
dagos du bairan izai. 7 jah gabar sunu seinana þana frumabaur jah biwand ina jah galagida
ina in uzetin, unte ni was im rumis in stada þamma. 8 jah hairdjos wesun in þamma samin
landa, þairhwakandans jah witandans wahtwom nahts ufaro hairdai seinai. 9 iþ aggilus
fraujins anaqam ins jah wulþus fraujins biskain ins, jah ohtedun agisa mikilamma. 10 jah qaþ
du im sa aggilus: ni ogeiþ, unte sai, spillo izwis faheid mikila, sei wairþiþ allai managein, 11
þatei gabaurans ist izwis himma daga nasjands, saei ist Xristus frauja, in baurg Daweidis. 12
jah þata izwis taikns: bigitid barn biwundan jah galagid in uzetin. 13 jah anaks warþ miþ
þamma aggilau managei harjis himinakundis hazjandane guþ jah qiþandane: 14 wulþus in
hauhistjam guda jah ana airþai gawairþi in mannam godis wiljins. 15 jah warþ, biþe galiþun
fairra im in himin þai aggiljus, jah þai mans þai hairdjos qeþun du sis misso: þairhgaggaima
[57]
ju und Beþlahaim jah saiƕaima waurd þata waurþano, þatei frauja gakannida unsis. 16 jah
qemun sniumjandans jah bigetun Marian jah Iosef jah þata barn ligando in uzetin. 17
gasaiƕandans þan gakannidedun bi þata waurd þatei rodiþ was du im bi þata barn. 18 jah
allai þai gahausjandans sildaleikidedun bi þo rodidona fram þaim hairdjam du im. 19 iþ Maria
alla gafastaida þo waurda, þagkjandei in hairtin seinamma. 20 jah gawandidedun sik þai
hairdjos mikiljandans jah hazjandans guþ in allaize þizeei gahausidedun jah gaseƕun swaswe
rodiþ was du im.
1 jainans: akk.pl.m. v. jains dem.pron. ‚jener‘. — gagrefts: nom.sg. f. i-St. ‚Beschluss, Verordnung‘;
weitere Etymologie unklar. — kaisara: dat.sg. v. kaisar* m. a-St. ‚Kaiser‘ (Lehnwort < lat. Caesar).
— Agustau: dat.sg. v. Agustus* m. PersonenN ‚Augustus‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
die Form mit got. A- beruht wohl auf eine vulg.lat. Variante mit A- für Au-. — gameljan: inf. sw. V.
1 ‚schreiben‘; Kompositum mit got. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘; aengl. mǣlan ‚kennzeichnen‘, aisl.
mǽla ‚malen‘; Ableitung von der Wurzel in got. mela n.pl. a-St. ‚Schrift‘; ahd. māl ‚äußerlich
sichtbares Zeichen, Punkt‘, as. -māl (in hōvidmāl ‚Kopfbild‘), mndl. mael ‚Fleck, Zeichen, Mal,
Muttermal‘, aengl. mǣl ‚Mal, Marke, Zeichen, Schmuck, Kreuz, Waffe‘, aisl. mál ‚Zeichen, Fleck‘;
vgl. ai. mála- ‚Schmutz, Unreinlichkeit, Unrat, Dreck‘, gr. mélas ‚dunkelfarbig, schwarz, finster‘. —
allana: akk.sg.m. v. alls adj. ‚all, jeder, ganz‘. — midjungard: akk.sg. v. midjungards* m. i-St. ‚die
bewohnte Erde, Erdkreis‘; ahd. mittingart, aengl. middangeard; Kompositum aus einem sonst nicht
belegten Subst. got. *midjuma f. ō-St. ‚Mitte‘ (vgl. got. miduma* f. ō-St. ‚Mitte‘) und got. gards m.
i-St. ‚Haus(wesen), Familie‘.
2 soh: nom.sg.f. v. sah dem.pron. ‚der und kein anderer, eben der‘. — gilstrameleins: nom.sg. f. i-St.
‚Eintragung in die Steuerliste‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum aus got. gilstr*
n. a-St. ‚Steuer‘ (ahd. gelstar), einer Ableitung von der Wurzel in got. -gildan st. V. 3 (nur in
fragildan* st. V. 3 ‚vergelten‘, usgildan st. V. 3 ‚vergelten‘) (ahd. geltan, as. geldan, frühmndl.
ghelden, aengl. gieldan, afries. jelda, jilda, julda, jēlda, jōlda, gelda, aisl. gjalda; vgl. aksl. žlěsti
‚zahlen, büßen‘) und einem nicht als Simplex überlieferten got. *meleins f. i-St. ‚Schreiben, Schrift‘,
einer Ableitung von got. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — frumista: nom.sg.f. v. frumists adj. superl.
‚erster‘; Ableitung mit dem Superl. Bildenden Suffix got. -ists von got. fruma komp. adj./num.
‚erster‘. — wisandin: dat.sg.m. part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — kindina:
dat.sg. v. kindins m. a-St. ‚Statthalter‘; Ableitung von der Wurzel in aisl. kind ‚Geschlecht, Stamm‘,
wozu (anders gebildet) auch ahd. kind ‚Kind‘ gehört (dazu ererbt oder als Lehnwort aus dem Ahd.
auch as. kind, andl. kint, afries. kind). — Swriais: gen.sg. v. Swria* f. LänderN ‚Syrien‘ (Lehnwort
< gr. Syría) (dies ist der einzige Beleg des Wortes); die Folge wisandin kindina Swriais ist eine in
den Text geratene ursprüngliche Glossierung zu at raginondin Saurim Kwreinaiau. — raginondin:
dat.sg.m. part.präs. v. raginon* sw. V. 2 ‚Statthalter sein‘; Ableitung von der Wurzel in got. ragin*
n. a-St. ‚Rat, Beschluss‘; run. ragina- (in raginakudo ‚von den Göttern abstammend‘ [Stein von
Noleby, 460/70–560/70]), as. regin- (in regin[o]giskapu ‚Bestimmungen der göttlichen Vorsehung,
Schicksal‘), aisl. regin ‚Götter‘, daneben auch als verstärkendes Präfix in ahd. regan- (in reganblind
‚völlig blind‘), as. regin- (in reginskatho ‚großer Übeltäter‘, reginthiof ‚ruchloser Dieb‘), lat.-andl.
rachin- (in rachinburgius ‚Urteilsfinder bei Gericht, Zeuge für einwandfreie Ladung‘), aengl.
regen- (u.a. in regenheard ‚sehr hart‘, regenþēof ‚Erzdieb‘). — Saurim: dat.pl. v. Saur m. i-St.
EinwohnerN ‚Syrer‘ (Lehnwort < gr. Súros, lat. Surus). — Kwreinaiau: dat. v. Kwreinaius* m.
PersonenN ‚Quirinus‘ (Lehnwort < gr. Kyrḗnios).
3 melidai: nom.pl.m. part.prät. v. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — weseina: 3.pl.opt.prät. v. wisan unreg.
st. V. ‚(da)sein, existieren‘.
4 Galeilaia: dat.sg. v. Galeilaia* f. LänderN ‚Galiläa‘. — Nazaraiþ: dat. v. Nazaraiþ indekl. OrtsN
‚Nazareth‘. — Beþlahaim: nom. OrtsN ‚Bethlehem‘ (Lehnwort < gr. Bēthleém). — fadreinais:
[58]
gen.sg. v. fadrein n. a-St. ‚Abkunft, Geschlecht‘ (mit -ais anstelle von -is [vgl. fadreinis EphAB
3:15] entweder analogisch nach den got. Abstrakta auf -eins oder Schreibfehler); Substantivierung
eines Adj., das in aengl. fæderen ‚väterlich‘ vorliegt; Ableitung von der Wurzel in got. fadar* m.
a-St. ‚Vater‘; ahd. fater, lgb. fader- (in faderfio ,Vatergut‘), as. fadar, andl. fader*, aengl. fæder,
afries. feder, fader, aisl. faðir; vgl. ai. pitár-, av. pitar-, gr. patḗr, arm. hayr, lat. pater, air. athair,
toch. A pācar, B pācer.
5 anameljan: inf. sw. V. 1 ‚aufschreiben‘; Kompositum mit got. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — Mariin:
dat. v. Marja f. PersonenN ‚Maria‘. — fragiftim: dat.pl. v. fragifts* f. i-St. ‚Verleihung, (pl.)
Verlobung‘. — qeins: nom.sg. (für qens) f. i-St. ‚Ehefrau‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī); as. quān, aengl. cwēn, aisl. (poet.) kvæn, kvǫn; vgl. ai. jáni-,
aav. jǝni-, jav. jaini-, aav. gǝnā-, jav. γǝnā-, gr. gunḗ, arm. kin, air. ben, apreuß. genno, aksl. žena,
toch. A śäṃ, B. śana. — wisandein: dat.sg.f. part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘.
— inkilþon: dat.sg. v. inkilþo f. n-St. ‚Schwangere‘.
6 miþþanei: konj. ‚während‘ (daneben ist auch einmal die Schreibung miþþane [Lk 2:43] überliefert);
Kompositum aus got. miþ 1. präp. + dat. ‚mit, bei, unter‘, 2. adv. ,mit, zugleich‘, þan 1. adv. ‚dann,
darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘ und got. ei konj. ‚damit,
dass‘. — þo: nom.pl.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘; das neutr. Genus wird bei Referenz auf
unterschiedliche Genera verwendet. — wesun: 3.pl.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein,
existieren‘. — usfullnodedun: 3.pl.ind.prät. v. usfullnan* sw. V. 4 ‚erfüllt werden‘. — dagos: nom.pl.
v. dags m. a-St. ‚Tag‘. — bairan: inf. st. V. 4 ‚tragen, gebären‘.
7 gabar: 3.sg.ind.prät. v. gabairan st. V. 4 ‚gebären, vergleichen‘. — frumabaur: akk.sg. v. frumabaur
m. i-St. ‚Erstgeborener‘; Kompositum aus got. fruma komp. adj./num. ‚erster‘ und got. baur* m. i-St.
‚der Geborene‘; aengl. byre ‚Sohn, Kind, Nachkomme‘, aisl. burr ‚Sohn‘; Ableitung von der Wurzel
in got. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘. — biwand: 3.sg.ind.prät. v. biwindan* st. V. 3 ‚umwinden,
einwickeln‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt) (s. uswindan*). — galagida: 3.sg.ind.prät. v.
galagjan* sw. V. 1 ‚hinlegen‘. — uzetin: dat.sg. v. uzeta* m. n-St. ‚Krippe‘; Ableitung von der
Wurzel in got. itan st. V. 5 ‚essen‘; ahd. ezzan, as., andl., aengl. etan, afries., aisl. eta; vgl. heth. edmi
‚ich esse‘, ai. átti ‚isst‘, gr. édmenai ‚essen‘, lat. ēsse ‚dass.‘, air. ithid ‚isst‘, alit. mi ‚ich esse‘, aksl.
jasti ‚essen‘. — rumis: gen.sg. v. rum* m./n. a-St. ‚Raum‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
ahd., as., andl., aengl., afries. rūm, aisl. rúm; Substantivierung des von got. rums adj. a-St.
‚geräumig‘; ahd. rūmi, mndd. rûm (rǔm), andl. in OrtsN, aengl. rūm, frühnwestfr. ruum, aisl. rúmr;
vgl. jav. rauuah- ‚freier Raum‘, lat. rūs ‚das Land‘, air. róe ‚ebenes Feld‘, toch. AB ru- ‚öffnen‘.
8 hairdjos: nom.pl. v. hairdeis m. ja-St. ‚Hirte‘; ahd. hirti, as. hirdi, frühmndl. herde, aengl. hi(e)rde,
aisl. hirðir; Ableitung von der Wurzel in got. hairda f. ō-St. ‚Herde‘. — samin: dat.sg.n. v. sama
pron. ‚derselbe‘; ahd. samo, aisl. sami, samr; vgl. ai. samá-, av., apers. hama-, gr. homós, air. -som,
toch. A ṣom, B ṣeme. — landa: dat.sg. v. land* n. a-St. ‚Land; (Um-)Gegend‘; run. lada- (in
PersonenN nom.sg. ladawarijaz [Stein A von Tørvika, 375/400–560/70]), ahd. lant, as. land, lgb. in
PersonenN Land(a)-, andl. lant, aengl. land, afries. lond, aisl. land; vgl. air. land, lann ‚umfriedetes
Land, Kirchenland, Kirche‘, nruss. ljadá ‚Rodeland, Brachland‘. — þairhwakandans: nom.pl.m.
part.präs. v. þairhwakan* st. V. 6 / sw. V. 3 ‚durchwachen‘; Kompositum mit got. wakan* st. V. 6 /
sw. V. 3 ‚wachen, wachsam sein‘; vgl. entweder aisl. (part.) vakinn ‚wach‘ oder ahd. wachēn, aisl.
vaka (s. auch uswakjan*). — witandans: nom.pl.m. part.präs. v. witan sw. V. 3 ‚achtgeben,
bewachen, hüten, halten‘; ahd. -wizzēn (in giwizzēn, irwizzēn ‚Acht geben‘), aengl. -witian (in
bewitian ‚beobachten, bestimmen‘), aisl. vita; Ableitung von der Wurzel in got. witan prät.präs.
‚wissen‘ — wahtwom: dat.pl. v. wahtwo* / wahtwa* f. n-St. / f. ō-St. ‚Wache‘ (dies ist der einzige
Beleg des Wortes); ahd., as., andl. wahta, nwestfries. wacht; Ableitung von der Wurzel in got.
wakan* st. V. 6 / sw. V. 3 ‚wachen, wachsam sein‘. — nahts: gen.sg. v. nahts f. Kons.st. ‚Nacht‘. —
hairdai: dat. sg. v. hairda f. ō-St. ‚Herde‘.
[59]
9 anaqam: 3.sg.ind.prät. v. anaqiman* st. V. 4 ‚hinzutreten‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Kompositum mit got. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — biskain: 3.sg.ind.prät. v. biskeinan* st. V. 1
‚umleuchten‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. skeinan st. V. 1
‚scheinen, leuchten‘; ahd., as., andl. skīnan, aengl. scīnan, afries. skīna, aisl. skína; vgl. serb., kroat.
sínuti. — agisa: dat. sg. v. agis n. a-St. ‚Furcht‘; aengl. ege neben (anders gebildet) ahd., as. egiso,
aengl. egesa, nnorw. egse ,Aufregung‘; vgl. gr. ákhos ‚Schmerz, Leid‘; Ableitung von der Wurzel in
got. ogan* prät.präs. ‚fürchten; (refl.) sich fürchten‘. — mikilamma: dat.sg.n. v. mikils adj. a-St.
‚groß‘.
10 spillo: 1.sg.ind.präs. v. spillon* sw. V. 2 ‚künden‘; ahd. -spellōn (in gotspellōn ‚das Evangelium
verkünden‘), frühmndl. spellen, aengl. spellian, aisl. spjalla; wohl Ableitung von der Wurzel in got.
spill* n. a-St. ‚Sage, Fabel‘. — faheid: akk.sg. v. faheþs (-d-) f. i-St. ‚Freude‘ (die Schreibung von
zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī; mit analogischem -d statt -þ); ohne unmittelbare
Entsprechungen. — mikila: akk.sg.f. v. mikils adj. a-St. ‚groß‘. — allai: dat.sg.f. v. alls adj. a-St. ‚all,
jeder, ganz‘. — managein: dat.sg. v. managei f. n-St. ‚Menge‘.
11 nasjands: nom.sg. m. nd-St. ,Heiland‘ (mit analogischem -s- statt zu erwartendem -z- nach got. nasjan
sw. V. 1 ‚retten‘, seinserseits mit analogischem -s- nach der Ableitungsbasis in got. ga-nisan st. V.
5 ‚genesen, errettet werden‘); as. neriand, aengl. neriend; eigentlich part.präs. zu got. nasjan sw. V.
1 ‚retten‘.
12 taikns: nom.sg. f. i-St. ‚Zeichen, Wunder, Anzeichen‘. — bigitid: 2.pl.ind.präs. v. bigitan st. V. 5
‚finden‘ (mit analogischem -d statt -þ). — barn: akk.sg. v. barn n. a-St. ‚Kind‘ (krimgot. <baar> [für
+
barn?]); ahd., as. barn, mndl. baren, aengl. bearn, afries. bern, aisl. barn; vgl. (oder Lehnwort aus
dem Englischen ?) mkymr. bwrn ‚Bündel, Bürde, Gruppe von Leuten‘; Ableitung von der Wurzel in
got. bairan st. V. 4 ‚tragen, leiden, gebären‘. — biwundan: akk.sg.n. part.prät. v. biwindan* st. V. 3
‚umwinden, einwickeln‘. — galagid: nom.sg.n. part.prät. v. galagjan* sw. V. 1 ‚hinlegen‘ (mit
analogischem -d statt -þ).
13 anaks: adv. ‚plötzlich‘; ohne sichere Vergleichsmöglichkeit. — managei: nom.sg. f. n-St. ‚Menge‘.
— harjis: gen.sg. v. harjis m. ja-St. ‚Heer‘; lat.-germ. in PersonenN/GötterN Hari-, Chario-,
run. -harjaz (in PersonenN nom.sg. swabaharjaz [Stein von Rö, ca. 160–375/400]), ahd. heri, lgb.
hari-, heri- (in harigauuerc ,Heergerät‘, hariscild ,Überfall durch eine Gruppe von bewaffneten
Männem‘, harimannus ,Heermann, Krieger‘, haritraib ,vorsätzlicher Überfall‘), run.-voras.
(akk.sg.?) hari (Weserrunenknochen, 5. Jh.), as., andl. heri, aengl. here afries. here, hiri, hēr, aisl.
herr; vgl. gr. in PersonenN -koiro-, gall.-lat. in PersonenN Corio(-), in VölkerN -corii,
ogamir. -ce/uri, air. cuire, apreuß. +kargis, lit. kãrias. — himinakundis: gen.sg.m. v. himinakunds*
adj. a-St. ‚von himmlischer Abkunft‘; Kompositum aus got. himins m. a-St. ‚Himmel‘ und einem
schon früh zu einem Suffix entwickelten ursprünglichen Adj. got. *kunds a-St. ‚abstammend‘;
run. -kudo (in raginakudo ‚von den Göttern abstammend‘ [Stein von Noleby, 460/70–560/70]),
ahd. -kunt, as. -kund, aengl. -cund, aisl. -kundr; Ableitung von der Wurzel in got. kindins m. a-St.
‚Statthalter‘. — hazjandane: gen.pl.m. part.präs. v. hazjan sw. V. 1 ‚loben, preisen‘; ahd. harēn,
aengl. herian. — qiþandane: gen.pl.m. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘.
14 hauhistjam: dat.pl. v. hauhisti* n. ja-St. ‚höchste Höhe‘; Ableitung von der Wurzel in got. hauhs*
adj. a-St. ‚hoch‘. — gawairþi: nom.sg. n. ja-St. ‚Friede‘; Ableitung von der Wurzel in got. wairþan
st. V. 3 ‚werden‘. — godis: gen.sg.m. v. goþs (-d-) adj. a-St. ‚gut, tüchtig, schön‘; ahd. guot, lgb. in
PersonenN God(e)-, as. gōd, andl. guot, aengl., afries. gōd, aisl. góðr; vgl. lit. guõdas ,Ehre,
Verehrung, Bewirtung‘, lett. gùods ‚Ehre, Ruhm‘. — wiljins: gen.sg. v. wilja m. n-St. ‚Wille‘.
15 himin: akk.sg. v. himins m. a-St. ‚Himmel‘. — aggiljus: nom.pl. v. aggilus m. u-St. ‚Engel‘. —
þairhgaggaima: 1.pl.opt.präs. v. þairhgaggan suppl. st. V. 7 ‚hindurchgehen, vorübergehen;
herumgehen, durchstreifen‘; Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — und: präp. +
akk./dat. ‚bis zu; für, um‘; ahd. unt, as. und, unt, aengl. oþ, afries. und, aisl. und-; vgl. osk. ant, lit.
[60]
añt ‚entgegen, gegen(über)‘. — Beþlahaim: akk. v. Beþlaihaim OrtsN ‚Bethlehem‘. — saiƕaima:
1.pl.opt.präs. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — waurd: akk.sg. v. waurd n. a-St. ‚Wort‘. — waurþano:
akk.sg.n. sw. part.prät. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — gakannida: 3.sg.ind.prät. v. gakannjan sw.
V. 1 ‚verkünden‘; Kompositum mit got. kannjan sw. V. 1 ‚kund tun‘.
16 sniumjandans: nom.pl.m. part.präs. v. sniumjan* sw. V. 1 ‚eilen‘; ahd. sniumen, andl. -sniumen;
Ableitung von der Wurzel in ahd., as. sniumi ‚schnell‘, das selbst eine Ableitung von der Wurzel in
got. sniwan* st. V. 5 ‚eilen‘ ist; aengl. snēowan; vgl. ksl. snovati ‚Gewebe anzetteln‘. — bigetun:
3.pl.ind.prät. v. bigitan st. V. 5 ‚finden‘. — Marian: akk. v. Maria f. PersonenN ‚Maria‘. — Iosef:
akk. v. Iosef m. PersonenN ‚Josef‘. — ligando: akk.sg.n. part.präs. v. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘.
17 gakannidedun: 3.pl.ind.prät. v. gakannjan sw. V. 1 ‚verkünden‘. — rodiþ: nom.sg.n. part.prät. v.
rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘; aisl. rœða; vgl. ai. rādhayati ‚bringt zustande, lässt gelingen‘,
air. -ráidi ‚überlegt, sagt‘, aksl. raditi ‚beachten, sich kümmern um‘.
18 gahausjandans: nom.pl.m. part.präs. v. gahausjan sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘. — rodidona:
akk.pl.n. sw. part.prät. v. rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘. — hairdjam: dat.pl. v. hairdeis m. ja-St.
‚Hirte‘.
19 Maria: nom. f. PersonenN ‚Maria‘ (s. Marja). — gafastaida: 3.sg.ind.prät. v. gafastan sw. V. 3
‚behalten, bewahren‘; Kompositum mit got. fastan sw. V. 3 ‚(fest-)halten, bewachen, beobachten;
fasten‘; ahd. fastēn, mndd., frühmndl. vasten, aengl. (mit Übertitt in die sw. V. 1) fæstan, afries. (mit
Übertritt in die sw. V. 2) festia, aisl. (mit Übertritt in die sw. V. 2) fasta; Ableitung von der Wurzel
in ahd. festi, as. fast, festi, andl. fast, aengl. fæst, afries. fest, fast, aisl. fastr ‚fest, befestigt‘; vgl. arm.
hast ‚fest‘. — waurda: akk.pl. v. waurd n. a-St. ‚Wort‘. — þagkjandei: nom.sg.f. part.präs. v.
þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘. — hairtin: dat.sg. v. hairto n. n-St. ‚Herz‘.
20 gawandidedun: 3.pl.ind.prät. v. gawandjan sw. V. 1 ‚(hin-)wenden‘; Kompositum mit got. wandjan*
sw. V. 1 ‚wenden‘; ahd. wenten, as. wendian, andl. wenden, aengl. wendan, afries. wenda, aisl. venda;
Ableitung von der Wurzel in got. -windan st. V. 3 ‚winden‘ (s. uswindan*). — mikiljandans:
nom.pl.m. part.präs. v. mikiljan* sw. V. 1 ‚preisen‘. — hazjandans: nom.pl.m. part.präs. v. hazjan
sw. V. 1 ‚loben, preisen‘. — allaize: gen.pl.n. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. — þizeei: gen.pl.n.
v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — gahausidedun: 3.pl.ind.prät. v. gahausjan sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘.
1.18. Lukas 3,21–22: Jesu Taufe
21 warþ þan, biþe daupida alla managein, jah at Iesu ufdaupidamma jah bidjandin usluknoda
himins, 22 jah atiddja ahma sa weiha leikis siunai swe ahaks ana ina, jah stibna us himina
warþ qiþandei: þu is sunus meins sa liuba, in þuzei waila galeikaida.
21 daupida: 3.sg.ind.prät. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — alla: akk.sg.f. v. alls adj. a-St. ‚all, jeder,
ganz‘. — managein: akk.sg. v. managei f. n-St. ‚Menge‘. — Iesu: dat. v. Iesus m. PersonenN ‚Jesus‘.
— ufdaupidamma: dat.sg.m. part.prät. v. ufdaupjan* sw. V. 1 ‚taufen‘; Kompositum mit got. daupjan
sw. V. 1 ‚taufen‘. — bidjandin: dat.sg.m. part.präs. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘. —
usluknoda: 3.sg.ind.prät. v. usluknan* sw. V. 4 ‚sich erschließen, öffnen‘ (das Simplex ist im Got.
nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got. uslukan* st. V. 2 ‚erschließen, öffnen‘. — himins:
nom.sg. m. a-St. ‚Himmel‘.
22 weiha: nom.sg.m. sw. v. weihs adj. a-St. ‚heilig‘. — leikis: gen.sg. v. leik n. a-St. ‚Körper, Leib;
Leichnam; Fleisch‘; ahd. līh, as. līk, frühmndl. lijc, aengl. līc, afries. līk, aisl. lík; Substantivierung
eines im Germ. nicht direkt bezeugten Adj., das mit lit. lýgus ‚gleich‘ vergleichbar ist. — siunai:
dat.sg. v. siuns f. i-St. ‚Gesicht; Sehen; Gestalt‘; as. siun, aengl. sīen, afries. siūne, siōne, aisl. sjón,
sýn; Ableitung von der Wurzel in got. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — ahaks: nom.sg. m./f. Kons.st./i-St.
[61]
‚zahme (weiße) Taube‘; ohne unmittelbare Entsprechungen. — stibna: nom.sg. f. ō-St. ‚Stimme‘. —
liuba: nom.sg.m. sw. v. liufs (-b-) adj. a-St. ‚lieb‘; run. nom.sg.f. liubu (Stein von Opdeal, 160–
375/400), -leubaz (PersonenN nom.sg. skiþaleubaz [Stein von Skärkind, 375/400–460/70]),
run.-vorahd. nom.sg.m. / akk.sg.n. leob (Bügelfibel 1 von Weimar, 525–550; Bügelfibel 2 von
Weimar, ca. 550), ahd. liob, lgb. in PersonenN Leob-, Leup-, as. liof, andl. lief, aengl. lēof, afries.
liāf, liēf, aisl. ljúfr; vgl. aksl. ljubъ. — þuzei: dat.sg. v. þuei rel.pron. ‚der du‘. — waila: adv. ‚wohl,
gut‘ (mit nicht gesicherter Erklärung der Lautung -ai-); ahd. wela, wola, as. wel(a), wola, andl. wela,
afries. wel, wal, wol, aengl. wel(l), aisl. vel; Ableitung von der Wurzel in got. wiljan athem. V.
‚wollen‘. — galeikaida: 3.sg.ind.prät. v. galeikan sw. V. 3 ‚gefallen‘; Kompositum mit got. leikan*
sw. V. 3 ‚gefallen, zu Gefallen sein‘; ahd. līchēn neben (anders gebildet) as., andl. līkon, aengl. līcian,
afries. likia, aisl. líka; Ableitung des im Germ. nicht direkt bezeugten Adj., dessen Substantivierung
in der Gruppe um got. leik n. a-St. ‚Körper, Leib; Leichnam, Fleisch‘ vorliegt.
1.19. Lukas 5:12–16: Die Heilung eines Aussätzigen
12 jah warþ, miþþanei was is in ainai baurge, jah sai, manna fulls þrutsfillis jah gasaiƕands
Iesu driusands ana andwairþi bad ina qiþands: frauja, jabai wileis, magt mik gahrainjan. 13
jah ufrakjands handu attaitok imma qiþands: wiljau, wairþ hrains. jah suns þata þrutsfill aflaiþ
af imma. 14 jah is faurbaud imma ei mann ni qeþi; ak gagg jah ataugei þuk silban gudjin jah
atbair imma fram þizai gahraineinai þeinai þatei anabaud Moses du weitwodiþai im. 15
usmernoda þan þata waurd mais bi ina, jah garunnun hiuhmans managai hausjon jah leikinon
fram imma sauhte seinaizo. 16 iþ is was afleiþands ana auþidos jah bidjands.
12 ainai: dat.sg.f. v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘. — baurge: gen.pl. v. baurgs f. Kons.st. ‚Turm, Burg,
Stadt‘. — fulls: nom.sg.m. adj. a-St. ‚voll‘; ahd. fol, lgb. ful-, -fol, as. full, andl. fol, aengl. full, afries.
ful, fol, aisl. fullr; vgl. ai. pūrṇá-, av. pǝrǝna-, air. lán, lit. pìlnas, aksl. plьnъ. — þrutsfillis: gen.sg.
v. þrutsfill n. a-St. ‚Aussatz‘. — driusands: nom.sg.m. part.präs. v. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘. —
andwairþi: akk.sg. v. andwairþi n. ja-St. ‚Gegenwart; Angesicht, Person‘; Ableitung von der Wurzel
in got. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — bad: 3.sg.ind.prät. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘ (mit
analogischem -d statt -þ).
13 aflaiþ: 3.sg.ind.prät. v. afleiþan* st. V. 1 ‚weggehen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt) (s.
usleiþan).
14 faurbaud: 3.sg.ind.prät. v. faurbiudan* st. V. 2 ‚verbieten‘ (mit analogischem -d statt -þ) (das
Simplex ist im Got. nicht belegt) (s. anabiudan*). — þizai: dat.sg.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. —
gahraineinai: dat.sg. v. gahraineins* f. i/ō-St. ‚Reinigung‘; Ableitung zu got. gahrainjan sw. V. 1
‚reinigen‘. — þeinai: dat.sg.f. v. þeins poss.pron. ‚dein‘. — anabaud: 3.sg.ind.prät. v. anabiudan*
st. V. 2 ‚entbieten, befehlen‘ (mit analogischem -d statt -þ).
15 usmernoda: 3.sg.ind.prät. v. usmernan* sw. V. 4 ‚sich verbreiten‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got. merjan sw. V. 1
‚künden, kund tun‘. — mais: komp.adv. ‚mehr‘; ahd., as., andl. mēr, aengl. mā, mǣ, afries. mā(r),
mē(r), aisl. meir; vgl. air. mó(o). — garunnun: 3.pl.ind.prät. v. garinnan* st. V. 3 ‚zusammenlaufen,
zusammenkommen; erlaufen, erringen‘; Kompositum mit got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. —
hiuhmans: nom.pl. v. hiuhma m. n-St. ‚Haufen, Menge‘; wohl Ableitung von der Wurzel in got.
hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘. — hausjon: inf. sw. V. 2 ‚hören‘; wohl mit Schwankung der
Konjugationsklasse identisch mit got. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — leikinon: inf. sw. V. 2 (für
+
lekinon) ‚heilen von‘ (die Schreibung von zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den
[62]
Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī;); ahd.
lāchinōn, as. lāknon, aengl. lācnian, aisl. lækna; Ableitung von der Wurzel in got. lekeis m. ja-St.
‚Arzt‘; ahd. lāchi, aengl. lǣce, afries. lētza, leitza, adän. læki, lækæ. — sauhte: gen.pl. v. sauhts* f.
i-St. ‚Krankheit‘; ahd., as., andl. suht, aengl. -siht(e) (in ūtsiht[e] ‚Durchfall‘), afries. sechte, siochte,
aisl. sótt; Ableitung von der Wurzel in got. siukan st. V. 2 ‚siechen, krank sein‘. — seinaizo: gen.pl.f.
v. seins* poss.pron. ‚sein‘.
16 afleiþands: nom.sg.m. part.präs. v. afleiþan* st. V. 1 ‚weggehen‘. — auþidos: akk.pl. v. auþida* f.
ō-St. ‚Wüste‘; Ableitung von der Wurzel in got. auþs* / auþeis* (-þ-) adj. a- / ja-St. ‚öde‘. —
bidjands: nom.sg.m. part.präs. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘.
1.20. Lukas 5:17–26: Die Heilung eines Gelähmten und die Vollmacht zur Sündenvergebung
17 jah warþ in ainamma dage, jah is was laisjands. jah wesun sitandans Fareisaieis jah
witodalaisarjos, þaiei wesun gaqumanai us allamma haimo Galeilaias jah Iudaias jah
Iairusaulwmon; jah mahts fraujins was du hailjan ins. 18 jah sai, mans bairandans ana ligra
mannan saei was usliþa, jah sokidedun ƕaiwa ina innatbereina jah galagidideina in
andwairþja is. 19 jah ni bigitandans ƕaiwa innatbereina ina in manageins, ussteigandans ana
hrot and skaljos, gasatidedun ina miþ þamma badja in midjaim faura Iesua. 20 jah gasaiƕands
galaubein ize qaþ du þamma usliþin: manna, afleitanda þus frawaurhteis þeinos. 21 jah
dugunnun þagkjan þai bokarjos jah Fareisaieis qiþandans: ƕas ist sa, saei rodeiþ naiteinins?
ƕas mag afletan frawaurhtins, alja ains guþ? 22 ufkunnands þan Iesus mitonins ize
andhafjands qaþ du im: ƕa biþagkeiþ in hairtam izwaraim? 23 ƕaþar ist azetizo qiþan:
afletanda þus frawaurhteis, þau qiþan: urreis jah gagg? 24 aþþan ei witeid þatei waldufni
habaid sa sunus mans ana airþai afletan frawaurhtins, qaþ du þamma usliþin: du þus qiþa,
urreis jah ushafjands þata badi þeinata gagg in gard þeinana. 25 jah sunsaiw usstandands in
andwairþja ize, ushafjands ana þammei lag, galaiþ in gard seinana mikiljands guþ. 26 jah
usfilmei dissat allans, jah mikilidedun guþ jah fullai waurþun agisis qiþandans þatei gasaiƕam
wulþaga himma daga.
17 ainamma: dat.sg.m. v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘. — dage: gen.pl. v. dags m. a-St. ‚Tag‘. — laisjands:
nom.sg.m. part.präs. v. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘ (mit analogischem -s- statt zu erwartendem -z- nach
got. lais prät.präs. ‚ich weiß‘); ahd. lēren, as. lērian, andl. lēren, aengl. lǣran, afries. lēra; Ableitung
von der Wurzel in lais prät.präs. ‚ich weiß‘ (nur PhilB 4:12 [2x]). — sitandans: nom.pl.m. part.präs.
v. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘. — Fareisaieis: nom.pl. v. Fareisaius m. u/i-St. N ‚Pharisäer‘. —
witodalaisarjos: nom.pl. v. witodalaisareis* m. ja-St. ‚Gesetzeslehrer‘; Kompositum aus got. witoþ
(-d-) n. a-St. ‚Gesetz‘ und got. laisareis m. ja-St. ‚Lehrer‘. — gaqumanai: nom.pl.m. part.prät. v.
gaqiman* st. V. 4 ‚zusammenkommen‘. — allamma: dat.sg.n. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. —
haimo: gen.pl. v. haims* f. i/ō-St. ‚Dorf, (pl.) Land‘. — Iudaias: gen.sg. v. Iudaia* f. GebietsN
‚Judäa‘. — Iairusaulwmon: gen.sg. v. Iairusaulwma f. OrtsN ‚Jerusalem‘ (Lehnwort < gr.
Ierosoluma). — hailjan: inf. sw. V. 1 ‚heilen‘; ahd. heilen, as. hēlian, andl. hēlen, aengl. hǣlan,
afries. hēla, aisl. heila; Ableitung von der Wurzel in got. hails adj. a-St. ‚heil, gesund; sei gegrüßt‘.
18 bairandans: nom.pl.m. part.präs. v. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘. — usliþa: nom.sg. m. n-St.
‚Gichtbrüchiger‘. — innatbereina: 3.pl.opt.prät. v. innatbairan* st. V. 4 ‚hineinbringen‘;
Kompositum mit got. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘. — galagidideina: 3.pl.opt.prät. v. galagjan*
[63]
sw. V. 1 ‚hinlegen‘ (mit fehlerhaftem -di- für -de-). — andwairþja: dat.sg. v. andwairþi n. ja-St.
‚Gegenwart; Angesicht, Person‘.
19 bigitandans: nom.pl.m. part.präs. v. bigitan st. V. 5 ‚finden‘. — ussteigandans: nom.pl.m. part.präs.
v. ussteigan st. V. 1 ‚emporsteigen‘. — hrot: akk.sg. v. hrot n. a-St. ‚Dach, Haus‘; mndd. -rote (in
honichrote f. ‚Honigwabe‘), mndl. rote ‚Honigwabe‘, aisl. hrót neben (ablautend) ahd. rāza
‚Honigwabe‘, andl. rāta ‚dass.‘; vgl. aksl. krada ‚Scheiterhaufen, Holzstoß‘. — skaljos: akk.pl. v.
skalja* f. jō-St. ‚Ziegel‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); mndd. schelle ‚Hülle, Schalel‘, mndl.
schelle ‚Schale, Muschel‘, aengl. sciell, scyll ‚dass.‘, aisl. skel ‚dass.‘. — gasatidedun: 3.pl.ind.prät.
v. gasatjan sw. V. 1 ‚hinsetzen, hinstellen, hinlegen‘; Kompositum mit got. satjan* sw. V. 1 ‚setzen‘;
ahd. sezzen, as. settian, andl. setten, aengl. settan, afries. setta, aisl. setja; Ableitung von der Wurzel
in got. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘. — badja: dat.sg. v. badi* n. ja-St. ‚Bett‘; ahd. betti, as. bedd, andl.
beddi, aengl., afries. bed(d), aisl. beðr; Ableitung von der Wurzel in heth. paddai ‚gräbt‘, lat. fodere
‚graben‘, aksl. bosti ‚stechen‘. — midjaim: dat.pl.m. v. midjis* adj. ja-St. ‚mittlerer‘ (das Adj. wird
nur st. flektiert); ahd. mitti, as., andl. middi, aengl. midd(e), afries. midde, medde, aisl. miðr; ai.
mádhya-, aav. maidiia-, jav. maiδiia-, gr. mésos, lat. medius, air. mid-.
20 afleitanda: 3.pl.ind.präs.pass. v. afletan st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen,
zurücklassen, überlassen‘ (die Schreibung von zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den
Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī).
21 dugunnun: 3.pl.ind.prät. v. duginnan* st. V. 3 ‚beginnen‘. — þagkjan: inf. sw. V. 1 ‚denken,
überlegen‘. — bokarjos: nom.pl. v. bokareis m. ja-St. ‚Schriftgelehrter‘. — rodeiþ: 3.sg.ind.präs. v.
rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘. — naiteinins: akk.pl. v. naiteins* f. i-St. ‚Lästerung‘; Ableitung
von der Wurzel in got. ganaitjan* sw. V. 1 ‚beschimpfen‘ (das Simplex naitjan* sw. V. 1
‚beschimpfen‘ liegt vielleicht in Mk 12:4 vor; hier wird teils 3.sg.ind.prät. naitida aus überliefertem
<naiswor> gewonnen); vgl. ai. nindanti ‚tadeln‘, jav. nāist ‚schmähte‘, arm. anēc ‚verfluchte‘, lit.
níesti ‚verabscheuen‘. — mag: 3.sg.ind.präs. v. magan* prät.präs. ‚können, vermögen‘. — afletan:
inf. st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘. — alja:
konj. ‚außer‘; vgl. lat. aliās ‚zu anderer Zeit; sonst‘.
22 ufkunnands: nom.sg.m. part.präs. v. ufkunnan unreg. sw. V. 3 ‚erkennen‘ (das Simplex ist im Got.
nicht belegt); ahd. kunnēn ‚versuchen, prüfen, erkennen, kennen lernen, erfahren‘, aengl. cunnian
‚versuchen, erforschen‘; Ableitung von der Wurzel in got. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. —
biþagkeiþ: 2.pl.ind.präs. v. biþagkjan* sw. V. 1 ‚bedenken‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Kompositum mit got. þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘.
23 —
24 witeid: 2.pl.opt.präs. v. witan prät.präs. ‚wissen‘ (mit analogischem -d statt -þ). — habaid:
3.sg.ind.präs. v. haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘ (mit analogischem -d
statt -þ). — ushafjands: nom.sg.m. part.präs. v. ushafjan st. V. 6 ‚erheben, aufheben‘. — badi: akk.sg.
v. badi* n. ja-St. ‚Bett‘. — þeinata: akk.sg.n. v. þeins poss.pron. ‚dein‘.
25 usstandands: nom.sg.m. part.präs. v. usstandan st. V. 6 ‚sich erheben, aufbrechen‘. — lag:
3.sg.ind.prät. v. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘. — mikiljands: nom.sg.m. part.präs. v. mikiljan* sw. V. 1
‚preisen‘.
26 usfilmei: nom.sg. f. n-St. ‚Entsetzen‘; Ableitung zu got. usfilma* adj. sw. ‚erschrocken, entsetzt‘;
Ableitung von der Wurzel in aengl. -felo (in ealfelo ‚fürchterlich‘), aisl. felm- (in felmsfullr
‚erschrocken‘). — dissat: 3.sg.ind.prät. v. dissitan* st. V. 5 ‚ergreifen‘; Kompositum mit got. sitan
st. V. 5 ‚sitzen‘. — allans: akk.pl.m. v. alls adj. a-St. ‚all, jeder, ganz‘. — fullai: nom.pl.m. v. fulls
adj. a-St. ‚voll‘. — agisis: gen.sg. v. agis n. a-St. ‚Furcht‘. — gasaiƕam: 1.pl.ind.präs. v. gasaiƕan
st. V. 5 ‚erblicken‘. — wulþaga: akk.pl.n. v. wulþags* adj. a-St. ‚herrlich‘; Ableitung von der Wurzel
in got. wulþus m. u-St. ‚Herrlichkeit‘.
[64]
1.21. Lukas 9:1–6: Die Aussendung der Zwölf
1 Gahaitands þan þans twalif apaustauluns atgaf im maht jah waldufni ufar allaim unhulþom
jah sauhtins gahailjan. 2 jah insandida ins merjan þiudangardja gudis jah gahailjan allans
þans unhailans. 3 jah qaþ du im: ni waiht nimaiþ in wig; nih waluns nih matibalg nih hlaib nih
skattans, nih þan tweihnos paidos haban. 4 jah in þanei gard gaggaiþ, þar saljiþ jah þaþroh
usgaggaiþ. 5 jah swa managai swe ni andnimaina izwis, usgaggandans us þizai baurg jainai
jah mulda af fotum izwaraim afhrisjaiþ du weitwodiþai ana ins. 6 usgaggandans þan
þairhiddjedun and haimos wailamerjandans jah leikinondans and all.
1 gahaitands: nom.sg.m. part.präs. v. gahaitan* st. V. 7 ‚zusammenrufen; verheißen; sich bekennen zu‘;
Kompositum mit got. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — twalif: akk. v. twalif (-b-)
num. ‚zwölf‘. — apaustauluns: akk.pl. v. apaustaulus m. u/i-St. ‚Apostel‘ (Lehnwort < lat.
apostulus). — atgaf: 3.sg.ind.prät. v. atgiban st. V. 5 ‚hingeben‘. — maht: akk.sg. v. mahts f. i-St.
‚Macht, Kraft, Vermögen‘. — allaim: dat.pl.f. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. — unhulþom: dat.pl.
v. unhulþo f. n-St. ‚Unholdin, Dämon‘; entweder Motionsbildung zu got. unhulþa m. n-St. ‚Unhold,
Teufel‘ (as. unholdo, aengl. unholda; vgl. ahd. holdo ‚Freund, Anhänger, Jünger, Helfer‘, afries.
holda ‚Freund, Verwandter‘) oder Ableitung von einem nicht belegten Adj. got. *unhulþs a-St.
‚feindlich‘ (ahd., as., aengl. unhold). — sauhtins: akk.pl. v. sauhts* f. i-St. ‚Krankheit‘. — gahailjan:
inf. sw. V. 1 ‚herstellen‘; Kompositum mit got. hailjan sw. V. 1 ‚heilen‘.
2 insandida: 1.sg.ind.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘. — merjan: inf. sw. V. 1 ‚künden, kund
tun‘; ahd. māren, as. mārian, mndl. maren, aengl. mǣran, afries. mēra, aisl. mæra; eine Ableitung
von der Wurzel in got. in PersonenN Mer-, Mir-, -mer, -miro/us; vgl. lat.-germ. Mer-,
Mar-, -mer(-), -mir(-), -mar(-), vandal. -maris, -mer, -mir(o), ahd. -mār, lgb. Māro-, -mār(us),
as. -mēr, -mār, aengl. -mǣr, afries. -mer, aisl. -marr (dagegen sind got. -mereis* [nur in wailamereis*
‚löblich‘]; run. (-)mariz [Ortband von Torsbjerg, 210/20–250/60], ahd. māri, lgb. in PersonenN
Mārio-, -māri[us], as. māri, frühmndl. mare, aengl. mǣre, afries. mēre, aisl. mærr Rückbildungen
von der Wurzel in got. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘); vgl. ? aksl. in PersonenN -měrъ. —
þiudangardja: akk.sg. v. þiudangardi f. jō-St. ‚Königsschloss, Königreich‘. — unhailans: akk.pl.m.
sw. v. unhails* adj. a-St. ‚krank‘; Bildung mit der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ zu got. hails adj.
a-St. ‚heil, gesund; sei gegrüßt‘.
3 waiht: akk.sg. v. waihts f. Kons.st./i-St. ‚Ding, Sache, Etwas‘. — nimaiþ: 2.pl.opt.präs. v. niman st.
V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — nih: konj. ‚und nicht, auch nicht, nicht‘;
Zusammenrückung aus got. ni neg. ‚nicht‘ und got. -(u)h enklit. Part. ‚und‘. — waluns: akk.pl. v.
walus* m. u-St. ‚Stab‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); mndd. wal, afries. walu- (in walubera
‚Pilger‘, eigtl. ‚Stabträger‘), aisl. vǫlr; vgl. aengl. walu ‚Streifen nach einem Hieb‘; vgl. lat. vallus
‚Pfahl‘. — matibalg: akk.sg. v. matibalgs* m. i-St. ‚Ranzen, Speisesack‘; Kompositum aus got. mats
m. i-St. ‚Speise, Proviand‘ und got. balgs* m. i-St. ‚Schlauch‘ (ahd., as. balg, frühmndl. balch, aengl.
bielg, byl[i]g, bæl[i]g, aisl. belgr; vgl. air. bolg; Ableitung von der Wurzel in ahd., as., andl., aengl.
belgan ‚zürnen‘, ursprünglich ‚schwellen‘). — skattans: akk.pl. v. skatts m. a-St. ‚Geld(stück),
Mine‘. — tweihnos: akk.f. v. tweihnai* num. ‚beide; je zwei‘; aengl. (dat.) -twēonum (in betwēonum
‚zwischen‘), afries. twīna, twīn(e) ‚zweierlei, zwei‘; Ableitung von der Wurzel in got. twai num.
‚zwei‘. — paidos: akk.pl. v. paida* f. ō-St. ‚Leibrock, Unterkleid‘; ahd. pfeit, as. pēda, aengl. pād
(entweder Lehnwort < gr. baítē ‚Kleid [aus Ziegenfell]‘ oder beide aus einer dritten Sprache). —
haban: inf. sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘.
[65]
4 gaggaiþ: 2.pl.opt.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — þar: adv. ‚dort‘; aisl. þar; Ableitung vom
Dentalstamm des Dem.pron. got. sa ‚dieser, der‘. — saljiþ: 2.pl.ind.prät. v. saljan sw. V. 1
‚herbergen, bleiben‘. — usgaggaiþ: 2.pl.opt.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘.
5 andnimaina: 3.pl.opt.prät. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘. — izwis: akk. v. jus
pers.pron. ‚ihr‘. — jainai: dat.sg.f. v. jains dem.pron. ‚jener‘. — mulda: akk.sg. v. mulda* f. ō-St
‚Staub‘; ahd. molta, frühmndl. moude, aengl. molde, afries. molde, moude, aisl. mold; Ableitung von
der Wurzel in got. malan* st. V. 6 ‚mahlen‘; ahd., as. malan, mndl. malen, afries. mela, māla, aisl.
mala; vgl. lit. málti. — izwaraim: dat.pl.m. izwar poss.pron. ‚euer‘. — afhrisjaiþ: 2.pl.opt.präs. v.
afhrisjan* sw. V. 1 ‚abschütteln‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); as. hrissian ‚erzittern‘, aengl.
hrissan ‚schütteln, bewegen; erschüttert werden, klirren‘ (das üblicherweise verglichene Wort mir.
cressaim ‚schüttle, schwinge‘ ist offenbar ein Ghostword).
6 þairhiddjedun: 3.pl.ind.prät. v. þairhgaggan suppl. st. V. 7 ‚hindurchgehen, vorübergehen;
herumgehen, durchstreifen‘. — haimos: akk.pl. v. haims* f. i/ō-St. ‚Dorf, (pl.) Land‘. —
wailamerjandans: nom.pl.m. part.präs. v. wailamerjan sw. V. 1 ‚eine frohe Botschaft künden‘;
Kompositum aus got. waila adv. ‚wohl, gut‘ und got. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘. —
leikinondans: nom.pl.m. part.präs. v. +lekinon sw. V. 2 ‚heilen von‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī).
1.22. Lukas 9:10–17: Die Rückkehr der Zwölf. Die Speisung der Fünftausend
10 jah gawandjandans sik apaustauleis usspillodedun imma, swa filu swe gatawidedun. jah
andnimands ins afiddja sundro ana staþ auþjana baurgs namnidaizos Baidsaiïdan. 11 iþ þos
manageins finþandeins laistidedun afar imma, jah andnimands ins rodida du im þo bi
þiudangardja gudis jah þans þarbans leikinassaus gahailida. 12 þanuh dags juþan dugann
hneiwan. atgaggandans þan du imma þai twalif qeþun du imma: fralet þo managein, ei
galeiþandans in þos bisunjane haimos jah weihsa saljaina jah bugjaina sis matins, unte her in
auþjamma stada sium. 13 þanuh qaþ du im: gibiþ im jus matjan. iþ eis qeþun du imma: nist
hindar uns maizo fimf hlaibam, jah fiskos twai, niba þau þatei weis gaggandans bugjaima allai
þizai manasedai {managein} matins. 14 wesun auk swe fimf þusundjos waire. qaþ þan du
siponjam seinaim: gawaurkeiþ im anakumbjan kubituns, ana ƕarjanoh fimf tiguns. 15 jah
gatawidedun swa jah gatawidedun anakumbjan allans. 16 nimands þan þans fimf hlaibans jah
twans fiskans, insaiƕands du himina gaþiuþida ins jah gabrak jah gaf siponjam du faurlagjan
þizai managein. 17 jah matidedun jah sadai waurþun allai; jah ushafan warþ, þatei aflifnoda
im gabruko, tainjons twalif.
10 gawandjandans: nom.pl.m. part.präs. v. gawandjan sw. V. 1 ‚(hin-)wenden‘. — apaustauleis:
nom.pl. v. apaustaulus m. u/i-St. ‚Apostel‘. — usspillodedun: 3.pl.ind.prät. v. usspillon* sw. V. 2
‚verkünden, erzählen‘; Kompositum mit got. spillon* sw. V. 2 ‚künden‘. — gatawidedun:
3.pl.ind.prät. v. gataujan sw. V. 1 ‚vollbringen, bewirken, machen‘. — andnimands: nom.sg.m.
part.präs. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘. — sundro: adv. ‚abgesondert,
besonders, allein‘; ahd. suntar, as. sundar, frühmndl. sonder, aengl. sundor, afries. sunder, aisl. sundr
‚besonders, abseits, entzwei‘; vgl. ai. sanutár ‚weg, fort, abseits‘. — staþ: akk.sg. von staþs (-d-) m.
i-St. ‚Stätte, Ort; Herberge‘. — auþjana: akk.sg.m. v. auþs* / auþeis* (-þ-) adj. a- / ja-St. ‚öde‘;
entweder zu aisl. auðr oder zu ahd. ōdi, mndd. ȫde, aengl. īeþe, inselfries. ias, aisl. eyði-; vgl. phryg.
autos ‚selbst, derselbe‘, gr. aútōs ‚vergeblich, eitel, nichtig‘, gr. autós ‚selbst, derselbe, er‘ oder gr.
[66]
aúsion ‚vergeblich‘, lat. ōtium ‚Freizeit, Muße‘. — baurgs: gen.sg. v. baurgs f. Kons.st. ‚Turm, Burg,
Stadt‘. — namnidaizos: gen.sg.f. part.prät. v. namnjan* sw. V. 1 ‚nennen‘; ahd. nemnen, as. nemnian,
frühmndl. nennen, aengl. nemn(i)an, afries. namna, nema, nanna, aisl. nefna; Ableitung von der
Wurzel in got. namo n. n-St. ‚Name‘. — Baidsaiïdan: akk.sg. v. Beþsaeida f. OrtsN ‚Betsaida‘ (das
Erstelement ist auch in den Formen Baiþ- und Bed- belegt) (Lehnwort < gr. Bēthsaïdá).
11 finþandeins: nom.pl.f. part.präs. v. finþan* st. V. 3 ‚erkennen, erfahren‘; ahd. findan (-t-), as. findan
(fīthan), andl., aengl. findan, afries. finda, aisl. finna. — rodida: 3.sg.ind.prät. v. rodjan sw. V. 1
‚sprechen, reden‘. — þarbans: akk.pl.m. sw. v. þarbs* adj. a-St. ‚nötig; (sw.) bedürftig‘; ahd. (sw.)
darbo, aengl. (sw.) þearfa, aisl. þarfr; Ableitung von der Wurzel in got. þaurban* prät.präs.
‚bedürfen, nötig haben‘. — leikinassaus: gen.sg. v. lekinassus* m. u-St. ‚Heilung‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (die Schreibung von zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den
Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī);
Ableitung von got. lekinon sw. V. 2 ‚heilen von‘. — gahailida: 3.sg.ind.prät. v. gahailjan sw. V. 1
‚herstellen‘.
12 dags: nom.sg. m. a-St. ‚Tag‘. — hneiwan: inf. st. V. 1 ‚sich neigen‘; ahd. nīgan, as. hnīgan, frühmndl.
nighen, aengl. hnīgan, afries. hnīga, aisl. hníga; vgl. lat. -nīvēre (in cōnīvēre ‚blinzeln, die Augen
schließen‘). — fralet: 2.sg.imp.präs. v. fraletan st. V. 7 ‚lassen, freilassen, entlassen, unterlassen,
zulassen, erlauben, vergeben, herablassen‘. — bisunjane: adv. ‚ringsum‘; erstarrter Gen.Pl. von nicht
belegtem got. *bisunja m. n-St. ‚der Herumwohnende, Nachbar‘, substantiviert aus dem nicht
belegten Adj. got. *bisunjis adj. ja-St. ‚herumseiend‘; Kompositum aus got. bi präp. + akk./dat. ‚bei,
(her)um; in(nerhalb); inbetreff, über, gemäß; an‘ und got. -sunjis, Ableitung von der Wurzel in got.
ist. — weihsa: akk.pl. v. weihs* n. a-St. ‚Dorf, Weiler‘. — saljaina: 3.pl.opt.präs. v. saljan sw. V. 1
‚herbergen, bleiben‘. — bugjaina: 3.pl.opt.präs. v. bugjan unreg. sw. V. 1 ‚kaufen‘. — matins:
akk.pl. v. mats m. i-St. ‚Speise, Proviand‘; ahd. maz, as. mat, meti, aengl. mete, afries. met(e), meit,
aisl. matr; Ableitung zur Wurzel in got. mitan* st. V. 5 ‚messen‘. — auþjamma: dat.sg.m. v. auþs*
/ auþeis* (-þ-) adj. a- / ja-St. ‚öde‘. — sium: 1.pl.ind.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘
(daneben ist auch die Schreibung mit -j-, also sijum, belegt).
13 gibiþ: 2.pl.ind.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — matjan: inf. sw. V. 1 ‚essen‘. — maizo: nom.sg.n.
komp. v. mikils adj. a-St. ‚groß‘ (s. mais). — fimf: dat. v. fimf num. ‚fünf‘; der Dat. fimf hlaibam
zeigt ablativischen Gebrauch und ist vom Komp. maizo abhängig, also im Sinne von ‚mehr als fünf
Brote‘. — fiskos: nom.pl. v. fisks* m. a-St. ‚Fisch‘. — niba: konj. ‚wenn nicht, es sei denn, dass,
ausgenommen‘; (teils anders gebildet) ahd. nibu, nube, noba, as. neva, aengl. nefne, nemne, aisl.
nefa; Zusammenrückung aus der Vorform von got. ni neg. ‚nicht‘ und got. iba 1. fragepart. ‚doch
nicht?‘, 2. prohibitivpart. ‚dass nicht etwa‘, das zu got. jabai konj. ‚wenn‘ gehört. — gaggandans:
nom.pl.st. part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — bugjaima: 1.pl.opt.präs. v. bugjan unreg.
sw. V. 1 ‚kaufen‘. — manasedai: dat.sg. v. manaseþs (-d-) f. i-St. ,Menschheit, Welt‘. — managein:
das Wort ist eine in den Haupttext geratene Variante zu manasedai.
14 waire: gen.pl. v. wair m. a-St. ‚Mann‘. — gawaurkeiþ: 2.pl.ind.präs. v. gawaurkjan sw. V. 1 ‚be-,
erwirken, bereiten‘. — kubituns: akk.pl. v. kubitus* m. u-St. ‚Tischgesellschaft, Gruppe‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < lat. cubitus ‚Liegen [beim Tisch]‘). — ƕarjanoh: akk.sg.m.
v. ƕarjizuh pron. ‚jeder‘. — fimf: akk. v. fimf num. ‚fünf‘. — tiguns: akk.pl. v. tigjus* m.pl. u-St.
(num.) ‚Zehnzahl, Dekade‘; ahd. -zug, as. -tig, mndl. -tich, aengl. -tig, afries. -tich, -tech, aisl. tiger,
teger; Ableitung von der Wurzel in got. taihun num. ‚zehn‘.
15 —.
16 nimands: nom.sg.m. part.präs. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. —
insaiƕands: nom.sg.m. part.präs. v. insaiƕan st. V. 5 ‚hinsehen, ansehen, aufblicken‘; Kompositum
mit got. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — gaþiuþida: 3.sg.ind.prät. v. gaþiuþjan sw. V. 1 ‚den Segen geben‘;
Kompositum mit got. þiuþjan* sw. V. 1 ‚segnen‘. — gabrak: 3.sg.ind.prät. v. gabrikan* st. V. 4
‚zerbrechen‘; Kompositum mit got. brikan* st. V. 4 ‚brechen, zerstören, kämpfen‘; ahd. brechan, as.
[67]
brekan, frühmndl. breken, aengl. brecan, afries. breka; vgl. lat. frangere. — faurlagjan: inf. sw. V.
1 ‚vorlegen‘; Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘.
17 matidedun: 3.pl.ind.prät. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘. — ushafan: nom.sg.n. part.prät. v. ushafjan st.
V. 6 ‚erheben, aufheben‘. — aflifnoda: 3.sg.ind.prät. v. aflifnan* sw. V. 4 ‚übrig bleiben‘.
1.23. Markus 1:1–8: Johannes der Täufer
1 Anastodeins aiwaggeljons Iesuis Xristaus sunaus gudis. 2 swe gameliþ ist in Esaiïn praufetau:
sai, ik insandja aggilu meinana faura þus, saei gamanweiþ wig þeinana faura þus. 3 stibna
wopjandins in auþidai: manweiþ wig fraujins, raihtos waurkeiþ staigos gudis unsaris. 4 was
Iohannes daupjands in auþidai jah merjands daupein idreigos du aflageinai frawaurhte. 5 jah
usiddjedun du imma all Iudaialand jah Iairusaulwmeis, jah daupidai wesun allai in Iaurdane
aƕai fram imma, andhaitandans frawaurhtim seinaim. 6 was-uþ þan Iohannes gawasiþs taglam
ulbandaus jah gairda filleina bi hup seinana jah matida þramsteins jah miliþ haiþiwisk {wilþi}.
7 jah merida qiþands: qimiþ swinþoza mis sa afar mis, þizei ik ni im wairþs anahneiwands
andbindan skaudaraip skohe is. 8 aþþan ik daupja izwis in watin, iþ is daupeiþ izwis in ahmin
weihamma.
1 anastodeins: nom.sg. f. i-St. ‚Anfang‘; Ableitung von got. anastodjan* sw. V. 1 ‚anfangen, anheben‘.
— aiwaggeljons: gen.sg. v. aiwaggeljo f. n-St. ‚Evangelium‘ (Lehnwort entweder < vulg.lat. [dat.sg.]
evangeliō oder < gr. [dat.sg.] ewangéliō). — Xristaus: gen. v. Xristus m. BeiN ‚Christus‘. — sunaus:
gen.sg. v. sunus m. u-St. ‚Sohn‘ (daneben ist im Gen.Sg. auch dreimal die Form sunus bezeugt).
2 gameliþ: nom.sg.n. part.prät. v. gameljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — Esaiïn: dat.sg. v. Esaias (neben
Esaeias) m. PersonenN ‚Jesaja‘ (Lehnwort < gr. Ēsaías). — praufetau: dat.sg. v. praufetus m. u-St.
‚Prophet‘. — insandja:1.sg.ind.präs. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘. — aggilu: akk.sg. v. aggilus
m. u-St. ‚Engel‘. — meinana: akk.sg.m. v. meins poss.pron. ‚mein‘. — gamanweiþ: 3.sg.ind.präs. v.
gamanwjan* sw. V. 1 ‚(zu-)bereiten zu‘; Kompositum mit got. manwjan sw. V. 1 ‚bereitmachen,
zurechtmachen‘.
3 wopjandins: gen.sg.m. part.präs. v. wopjan sw. V. 1 ‚rufen‘. — auþidai: dat.sg. v. auþida* f. ō-St.
‚Wüste‘. — manweiþ: 3.sg.ind.präs. v. manwjan sw. V. 1 ‚bereitmachen, zurechtmachen‘; Ableitung
von got. manwus adj. u-St. ‚bereit‘. — raihtos: akk.pl.f. v. raihts* adj. a-St. ‚recht, gerade‘; ahd.
reht, lgb. in PersonenN Ret(t)-, as., andl. reht, aengl. riht, afries. riucht, riocht, aisl. réttr; vgl. jav.
rāšta-, aršta-, apers. rāsta- ‚recht, (substantiviert) das Rechte‘, gr. orektós ‚ausgestreckt‘, umbr. rehte
adv. ‚richtig‘, lat. rēctus ‚gerade, senkrecht, schlicht, natürlich, recht, sittlich gut, tugendhaft‘, falisk.
rehted adv. ‚richtig‘; Ableitung von der Wurzel in got. rikan* st. V. 5 ‚anhäufen‘; ahd. rechan, mndd.
rāken, mndl. reken (reecken), nwestfries. -rekke (in berekke ‚das Feuer unter Asche bedecken‘),
mengl. rēken ‚bedecken, begraben, verbergen‘; gr. orégō ‚strecke (die Hand) aus, reiche dar‘, lat.
regere ‚gerade richten, lenken‘. — staigos: akk.pl. v. staiga* f. ō-St. ‚Steig, Weg‘; ahd. steiga
‚Aufstieg‘; Ableitung von der Wurzel in got. steigan* st. V. 1 ‚steigen‘. — unsaris: gen.sg.m. v.
unsar poss.pron. ‚unser‘.
4 Iohannes: nom.sg. m. PersonenN ‚Johannes‘ (Lehnwort < gr. Iōánnēs). — daupjands: nom.sg.m.
part.präs. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — merjands: nom.sg.m. part.präs. v. merjan sw. V. 1 ‚künden,
kund tun‘. — daupein: akk.sg. v. daupeins f. i-St. ‚Abwaschung, Taufe‘; ahd. toufī, as. dōpi, afries.
dēpene; Ableitung von der Wurzel in got. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — idreigos: gen.sg. v. idreiga*
f. a-St. ‚Buße‘; entweder Rückbildung von got. idreigon* sw. V. 2 ‚Reue empfinden, Buße tun‘ oder
Ableitung von einem nicht weiter bezeugten Adj. got. *idreigs a-St. ‚reuig‘; weitere Etymologie
[68]
unklar. — aflageinai: dat.sg. v. aflageins* f. i-St. ‚Ablegung, Erlaß‘ (das ist der einzige Beleg des
Wortes); Ableitung von got. aflagjan sw. V. 1 ‚ablegen‘; Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1
‚(auf-/hin-)legen‘. — frawaurhte: gen.pl. v. frawaurhts f. i-St. ‚Sünde‘.
5 usiddjedun: 3.pl.ind.prät. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘. — all: nom.sg.n. v. alls adj.
a-St. ‚all, jeder, ganz‘. — Iudaialand: nom. n. GebietsN ‚judäisches Land‘ (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); Erweiterung von got. Iudaia* f. GebietsN ‚Judäa‘ mit got. land* n. a-St. ‚Land;
(Um-)Gegend‘. — Iairusaulwmeis: nom. m.pl. i-St. EinwohnerN ‚Bewohner von Jerusalem‘. —
daupidai: nom.pl.m. part.prät. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — Iaurdane: dat. v. Iaurdanus* m. u-St.
FlussN ‚Jordan‘ (Lehnwort < gr. Iordánēs) (daneben ist der Dat. auch als Iaurdanau [Mk 10:1] und
Jaurdanau [Sk 4:1] belegt). — aƕai: dat.sg. v. aƕa f. ō-St. ‚Fluss, Gewässer‘; ahd., as. aha , andl.
(fast nur in Toponymen) ā, ē, aengl. ēa, afries. ā- (in āburch ‚Flusswehr, Flussdeich‘), aisl. ǫ, á; vgl.
lat. aqua. — andhaitandans: nom.pl.m. part.präs. v. andhaitan st. V. 7 ‚bekennen, preisen‘;
Kompositum mit got. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — frawaurhtim: dat.pl. v.
frawaurhts f. i-St. ‚Sünde‘. — seinaim: dat.pl.f. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘.
6 was-uþ: = was-uh; mit Assimilation von -h – þ- zu -þ – þ-. — gawasiþs: nom.sg.m. part.prät. v.
gawasjan* sw. V. 1 ‚bekleiden mit‘. — taglam: dat.pl. v. tagl* n. a-St. ‚Haar‘; ahd. zagal, mnd.
tagel, andl. (nur in Toponymen) tagal, aengl. tæg(e)l, aisl. tagl; vgl. vielleicht ai. daśā- ‚Saum‘, air.
dúal ‚Flechte, Locke‘. — ulbandaus: gen.sg. v. ulbandus* m. u-St. ‚Kamel‘ (< Lehnwort aus einer
vulg.lat. Form *olipant- bzw. *olifant- zu lat. elephā[n]s ‚Elefant‘); ahd. olbent(a), as. olvundio,
andl. olvent, aengl. olfend(e), aisl. ulfaldi. — gairda: akk.sg. v. gairda* f. ō-St. ‚Gürtel‘; aisl. gjǫrð;
Ableitung von der Wurzel in got. -gairdan* st. V. 3 (in bigairdan* st. V. 3 ‚umgürten‘, ufgairdan*
st. V. 3 ‚aufschürzen‘); vgl. die sw. V. mit der Bed. ‚gürten‘ ahd. gurten, mndd. görden, andl. gurden,
aengl. gyrdan, aisl. gyrða; auffällig ist der Kasuswechsel zwischen taglam und gairda, die beide von
gawasjan* abhängig sind (möglich wäre auch eine Interpretation von gairda als nom.sg. mit
unterdrücktem was, also ‚gekleidet mit Haaren des Kamels und [es war] ein lederner Gürtel um seine
Hüfte‘ [Hinweis von Carla Falluomini]). — filleina: akk.sg.f. v. filleins* adj. a-St. ‚ledern‘ (dies ist
der einzige Beleg des Wortes); ahd. fillīn, aengl. fellen; Ableitung von der Wurzel in got. -fill (in
þrutsfill n. a-St. ‚Aussatz‘). — hup: akk.sg. v. hups* m. i-St. ‚Hüfte‘; ahd. huf, mndd. huf; mndl.
hope, aengl. hype, nwestfries. heup neben (mit expressiver Nasalierung) aisl. -huppr; vgl. lat.
cubitum, cubitus ,Ellenbogen, Unterarm‘. — matida: 3.sg.ind.prät. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘. —
þramsteins: akk.pl. v. þramstei* f. n-St. ‚Heuschrecke‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); wohl
Ableitung von der Wurzel in as. thrimman ‚unruhig sein‘. — miliþ: akk.sg. v. miliþ* n. a-St. ‚Honig‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); vgl. (wohl ohne Dental) ahd. mili- (in militou ‚Mehltau‘), as.
mili- (in milidou ‚Mehltau‘), aengl. mil-, mele- (in mildeaw, meledeaw ‚Mehltau‘); vgl. heth. militt-,
gr. méli, lat. mel. — haiþiwisk: akk.sg.n. v. haiþiwisks* adj. a-St. ‚wild‘ (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); Ableitung von der Wurzel in got. haiþi* f. jō-St. ‚Feld, Acker‘; aengl. hǣþ, aisl. heiðr
neben ahd. heida ,Heide, Gelände, Ödland, Heidekraut, Thymian‘, as. hētha ‚Heide, Heidekraut,
Thymian‘, andl. hētha ‚Heide, Ödland‘, nwestfries. heide ‚Heide‘; vgl. gall. in OrtsN caito-,
ceto- ‚Wald‘. — wilþi: akk.sg.n. v. wilþeis adj. ja-St. ‚wild‘; ahd., as. wildi, andl. wilthi, aengl., afries.
wilde, aisl. villr; vgl. mkymr. gwyllt; das got. Wort ist eine in den Text geratene ursprüngliche
Glossierung von haiþiwisk.
7 merida: 3.sg.ind.prät. v. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘. — swinþoza: nom.sg.n. komp. v. swinþs*
(-þ-) adj. a-St. ‚stark, kräftig, gesund‘; mhd. swint, as. swīth, andl. (adv.) swītho, aengl. swīþ, afries.
(adv.) swīthe, aisl. svinnr, sviðr. — wairþs: nom.sg.m. (-þ-) adj. a-St. ‚wert, würdig, tauglich‘; ahd.
werd, as. werth, mndl. wert, aengl. weorđ, afries. werth, aisl. verðr; Ableitung von der Wurzel in got.
wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — anahneiwands: nom.sg.m. part.präs. v. anahneiwan* st. V. 1 ‚sich
neigen‘; Kompositum mit got. hneiwan st. V. 1 ‚sich neigen‘. — andbindan: inf. st. V. 3 ‚lösen‘. —
skaudaraip: akk.sg. v. skaudaraip* n. a-St. ‚Riemen‘; Kompositum aus den als Simplizia unbelegten
Elementen got. skauda- ‚Umhüllung‘ (mhd. schōte ‚Schote‘, mndd. schōde ‚Samenhülse, Erbse;
[69]
Scheide beim Pferd‘, mndl. schōde ‚Schote‘, aisl. skauð ‚Schwertscheide; [pl.] Vorhaut beim Pferd‘)
und got. -raip ‚Band‘ (ahd. reif ‚Seil, Strick; Ring, Kreis‘, mndd. rēp ‚Seil, Tau, Strick‘, frühmndl.
reep ‚Seil, Tau, Strick; Landstreifen‘, aengl. rāp ‚Seil, Strick‘, aisl. reip ‚Seil‘). — skohe: gen.pl. v.
skohs* m. a-St. ‚Schuh; Sandale‘; ahd. skuoh, as. skōh, andl. skuo, aengl. scōh, afries. skōch, aisl.
skór.
8 daupja: 1.sg.ind.präs. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — watin: dat.sg. v. wato* unreg. n. n-St. ‚Wasser‘.
— daupeiþ: 3.sg.ind.präs. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — weihamma: dat.sg.m. v. weihs adj. a-St.
‚heilig‘.
1.24. Markus 1:14–20: Der Beginn des Wirkens Jesu in Galiläa. Die Berufung der ersten
Jünger
14 iþ afar þatei atgibans warþ Iohannes, qam Iesus in Galeilaia merjands aiwaggeljon
þiudangardjos gudis, 15 qiþands þatei usfullnoda þata mel jah atneƕida sik þiudangardi gudis:
idreigoþ jah galaubeiþ in aiwaggeljon. 16 jah ƕarbonds faur marein Galeilaias gasaƕ
Seimonu jah Andraian broþar is, þis Seimonis, wairpandans nati in marein; wesun auk fiskjans.
17 jah qaþ im Iesus: hirjats afar mis, jah gatauja igqis wairþan nutans manne. 18 jah suns
afletandans þo natja seina laistidedun afar imma. 19 jah jainþro inngaggands framis leitilata
gasaƕ Iakobu þana Zaibaidaiaus jah Iohanne broþar is, jah þans in skipa manwjandans natja.
20 jah suns haihait ins. jah afletandans attan seinana Zaibaidaiu in þamma skipa miþ asnjam,
galiþun afar imma.
14 atgibans: nom.sg.m. part.präs. v. atgiban st. V. 5 ‚hingeben‘. — aiwaggeljon: akk.sg. v. aiwaggeljo
f. n-St. ‚Evangelium‘. — þiudangardjos: gen.sg. v. þiudangardi f. jō-St. ‚Königsschloss,
Königreich‘.
15 usfullnoda: 3.sg.ind.prät. v. usfullnan* sw. V. 4 ‚erfüllt werden‘. — mel: nom.sg. n. a-St. ‚Zeit,
Stunde‘. — atneƕida: 3.sg.ind.prät. v. atneƕjan* sw. V. 1 ‚herannahen‘; Kompositum mit got.
neƕjan* sw. V. 1 ‚nähern‘; ahd. nāhen, as. nāhian, andl. nāken neben (mit grammatischem Wechsel)
aengl. nǣgan ‚ansprechen, sich richten an‘; Ableitung von der Wurzel in got. neƕ adv. ‚nahe‘. —
idreigoþ: 2.sg.ind.präs. v. idreigon* sw. V. 2 ‚Reue empfinden, Buße tun‘ (s. idreiga*). —
galaubeiþ: 2.pl.ind.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — aiwaggeljon: dat.sg. v. aiwaggeljo f.
n-St. ‚Evangelium‘.
16 ƕarbonds: nom.sg.m. part.präs. v. ƕarbon* sw. V. 2 ‚wandeln‘; ahd. warbōn, as. hwarvon, aengl.
hwearfian, aisl. hvarfa; Ableitung von der Wurzel in got. ƕairban* st. V. 3 ‚wandeln‘. — Seimonu:
akk. v. Seimon m. PersonenN ‚Simon‘ (Lehnwort < gr. Símōn) (der Akk. ist daneben auch als Seimon
und Seimona belegt). — Andraian: akk. v. Andraias m. PersonenN ‚Andreas‘ (Lehnwort < gr.
Andréas). — Seimonis: gen. v. Seimon m. PersonenN ‚Simon‘ (der Gen. ist einmal als Seimonaus
[Joh 6:8] überliefert). — wairpandans: nom.pl.m. part.präs. v. wairpan st. V. 3 ‚werfen‘;
Kompositum mit got. wairpan st. V. 3 ‚werfen‘; ahd. werfan, as., andl. werpan, aengl. weorpan,
afries. werpa, aisl. verpa; vgl. aksl. vrěšti. — nati: akk.sg. v. nati* n. ja-St. ‚Netz; kreisrundes
Wurfnetz‘; ahd. nezzi, as. net(ti), andl. netti, aengl. net(t), afries. nette, nitte, aisl. net; vgl. lat. nassa
‚Fischreuse‘. — fiskjans: nom.pl. v. fiskja* m. ja-St. ‚Fischer‘; Ableitung von der Wurzel in got.
fisks* m. a-St. ‚Fisch‘.
17 hirjats: adv. imp. ‚hierher; kommt!‘ (s. hiri). — gatauja: 1.sg.ind.präs. v. gataujan sw. V. 1
‚vollbringen, bewirken, machen‘. — igqis: akk. v. jut* pron. ‚ihr beide‘. — nutans: akk.pl. v. nuta*
m. n-St. ‚Fänger, Fischer‘; Ableitung von der Wurzel in got. niutan* st. V. 2 ‚erreichen, froh sein‘;
[70]
ahd. niozan, as. niotan, afries. niāta, niēta, aisl. njóta; vgl. lit. naudà ‚Nutzen, Gewinn, Ertrag, Habe,
Besitz‘, lett. naûda ‚Geld‘.
18 afletandans: nom.pl.m. part.präs. v. afletan st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich
lassen, zurücklassen, überlassen‘. — natja: akk.pl. v. nati* n. ja-St. ‚Netz; kreisrundes Wurfnetz‘.
— seina: akk.pl.n. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘.
19 jainþro: adv. ‚dorther‘; Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -þro von der Wurzel in got.
jains dem.pron. ‚jener‘. — inngaggands: nom.sg.m. part.präs. v. inngaggan suppl. st. V. 7
‚hineingehen‘; Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — framis: komp. ‚weiter‘; aisl.
fremr; Ableitung von der Wurzel in got. fram 1. adv. ‚weiter‘, 2. präp. + dat. ‚von (– her); seit; von
seiten; vor, bei; um, über, für‘. — leitilata: akk.sg.n. v. leitils adj. a-St. ‚klein, wenig‘. — Iakobu:
akk. v. Iakobus m. PersonenN ‚Jakobus‘. — Zaibaidaiaus: gen. v. Zaibaidaius* m. PersonenN
‚Zebedäus‘ (Lehnwort < gr. Zebedaĩos). — Iohanne: akk. v. Iohannes m. PersonenN ‚Johannes‘ (der
Akk. ist auch als Iohannen und Iohannein belegt). — manwjandans: akk.pl.m. part.präs. v. manwjan
sw. V. 1 ‚bereitmachen, zurechtmachen‘.
20 haihait: 3.sg.ind.prät. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — attan: akk.sg. v. atta m.
n-St. ‚Vater‘. — Zaibaidaiu: akk. v. Zaibaidaius* m. PersonenN ‚Zebedäus‘. — asnjam: dat.pl. v.
asneis m. ja-St. ‚Mietling, Tagelöhner‘; ahd. asni, aengl. esne; Ableitung von der Wurzel in got.
asans f. i-St. ‚Sommer, Ernte(zeit)‘; neben (mit grammatischem Wechsel) ahd. aran, as. aran- (in
aranfimba ‚Getreidehaufen‘) neben (anders gebildet) ahd. arn, mndl. arn(e), afries. ern; vgl.
serb.-ksl. jesenь, apreuß. assanis ‚Herbst‘.
1.25. Markus 3:13–19: Die Berufung der Zwölf
13 jah us<s>taig in fairguni jah athaihait þanzei wilda is, jah galiþun du imma. 14 jah
gawaurhta twalif du wisan miþ sis, jah ei insandidedi ins merjan 15 jah haban waldufni du
hailjan sauhtins jah uswairpan unhulþons. 16 jah gasatida Seimona namo Paitrus; 17 jah
Iakobau þamma Zaibaidaiaus jah Iohanne broþr Iakobaus jah gasatida im namna
Bauanairgais, þatei ist: sunjus þeiƕons; 18 jah Andraian jah Filippu jah Barþaulaumaiu jah
Matþaiu jah Þoman jah Iakobu þana Alfaiaus jah Þaddaiu jah Seimona þana Kananeiten 19
jah Iudan Iskarioten, saei jah galewida ina.
13 us<s>taig: 3.sg.ind.prät. v. ussteigan st. V. 1 ‚emporsteigen‘. — athaihait: 3.sg.ind.präs. v. athaitan*
st. V. 7 ‚herbeirufen‘; Kompositum mit got. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — wilda:
3.sg.ind.prät. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘.
14 gawaurhta: 3.sg.ind.prät. v. gawaurkjan sw. V. 1 ‚be-, erwirken, bereiten‘. — wisan: inf. unreg. st.
V. ‚(da)sein, existieren‘. — insandidedi: 3.pl.opt.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘.
15 uswairpan: inf. st. V. 3 ‚weg-, hinauswerfen, austreiben‘. — unhulþons: akk.pl. v. unhulþo f. n-St.
‚Unholdin, Dämon‘.
16 gasatida: 3.sg.ind.prät. v. gasatjan sw. V. 1 ‚hinsetzen, hinstellen, hinlegen‘. — Seimona: dat. v.
Seimon m. PersonenN ‚Simon‘.
17 Iakobau: dat. v. Iakobus m. PersonenN ‚Jakobus‘. — Iohanne: dat. v. Iohannes m. PersonenN
‚Johannes‘ (daneben auch dat. Iohannen, Iohannau). — broþr: dat.sg. v. broþar m. r-St. ‚Bruder‘.
— Iakobaus: gen. v. Iakobus m. PersonenN ‚Jakobus‘. — namna: akk.pl. v. namo n. n-St. ‚Name‘.
— Bauanairgais: BeiN ‚Boanerges‘ (Lehnwort < gr. Boanergés) (dies ist der einzige Beleg des N).
— sunjus: nom.pl. v. sunus m. u-St. ‚Sohn‘. — þeiƕons: gen.sg. v. þeiƕo* f. n-St. ‚Donner‘;
etymologisch unklares Wort.
[71]
18 Filippu: akk. v. Filippus m. PersonenN ‚Philippus‘. — Barþaulaumaiu: akk. v. Barþaulaumaius* m.
PersonenN ‚Bartholomäus‘ (Lehnwort < gr. Bartholomaĩos). — Matþaiu: akk. v. +Matþaius m.
PersonenN ‚Matthäus‘ (der Nom. ist nur als Maþþaius [Ver 1:5] belegt) (Lehnwort < gr. Matthaĩos).
— Þoman: akk. v. Þomas m. PersonenN ‚Thomas‘. — Alfaiaus: gen. v. Alfaius* m. PersonenN
‚Alphäus‘ (der Gen. ist auch als Alfaius belegt) (Lehnwort < gr. Alphaĩos). — Þaddaiu: akk. v.
Þaddaius* m. PersonenN ‚Thaddäus‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr.
Thaddaĩos). — Seimona: akk. v. Seimon m. PersonenN ‚Simon‘ (s. Seimonu [Mk 1:16]). —
Kananeiten: akk. v. Kananeites* m. EinwohnerN ‚Kananite‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes)
(Lehnwort < gr. Kananítēs).
19 Iudan: akk. v. Iudas m. PersonenN ‚Judas‘. — Iskarioten: akk. v. Iskariotes (auch Iskarioteis) m.
PersonenN ‚Iskariot‘. — galewida: 3.sg.ind.prät. v. galewjan sw. V. 1 ‚verraten‘.
1.26. Markus 7:31–37: Die Heilung eines Tauben
31 jah aftra galeiþands af markom Twre jah Seidone qam at marein Galeilaie miþ tweihnaim
markom Daikapaulaios. 32 jah berun du imma baudana stammana jah bedun ina ei lagidedi
imma handau. 33 jah afnimands ina af managein sundro, lagida figgrans seinans in ausona
imma jah spewands attaitok tuggon is 34 jah ussaiƕands du himina gaswogida jah qaþ du
imma: aiffaþa, þatei ist: uslukn. 35 jah sunsaiw usluknodedun imma hliumans, jah
andbundnoda bandi tuggons is jah rodida raihtaba. 36 jah anabauþ im ei mann ni qeþeina.
ƕan filu is im anabauþ, mais þamma eis meridedun 37 jah ufarassau sildaleikidedun
qiþandans: waila allata gatawida jah baudans gataujiþ gahausjan jah unrodjandans rodjan.
31 markom: dat.pl. v. marka f. ō-St. ‚Mark, Grenze‘. — Twre: gen. v. Twreis* pl. m. VölkerN ‚Tyrer‘
(der VölkerN erscheint anstelle des StadtN) (Lehnwort < gr. Túros). — Seidone: gen. v. Seidoneis*
pl. m. VölkerN ‚Sidoner‘ (der VölkerN erscheint anstelle des StadtN) (Lehnwort < gr. XXX). —
tweihnaim: dat.f. v. tweihnai* num. ‚beide; je zwei‘. — Daikapaulaios: gen. v. Daikapaulis*
VerbundsN für zehn Städte östlich und südlich des See Genezareth (Lehnwort < gr. Dekápolis).
32 berun: 3.pl.ind.prät. v. bairan st. V. 4 ‚tragen, gebären‘. — baudana: akk.sg.m. v. bauþs (-d-) adj.
a-St. ‚taub; stumm‘; etymologisch unklar. — stammana: akk.sg.m. v. stamms* adj. a-St. ‚lallend,
stammelnd‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd., aengl. stam (-mm-); von derselben Wurzel
wie ahd. stam (-m-), aisl. stamr ‚stammelnd‘; vgl. lett. stuomîtiês ‚stottern, stammeln‘. — lagidedi:
3.sg.opt.prät. v. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — handau: akk.sg. v. handus f. u-St. ‚Hand‘ (die
Normalform im Akk. ist handu).
33 afnimands: nom.sg.m. part.präs. v. afniman st. V. 4 ‚ab-, wegnehmen‘. — lagida: 3.sg.ind.prät. v.
lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — figgrans: akk.pl. v. figgrs* m. a-St. ‚Finger‘ (dies ist der einzige
Beleg des Wortes); ahd., as., andl. fingar, aengl., afries. finger, aisl. fingr; regelmäßig als Ableitung
von der Wurzel in got. fimf num. ‚fünf‘ angesehen. — seinans: akk.pl.m. v. seins* poss.pron. ‚sein,
ihr‘. — ausona: akk.pl. v. auso n. n-St. ‚Ohr‘. — spewands: nom.sg.m. v. speiwan st. V. 1
‚(an-)speien‘ (mit fehlerhaftem -e- für -ei-); ahd., as. spīwan, mndl. spuwen, aengl. spīwan, afries.
spīa, aisl. spýja; vgl. ai. ṣṭhīvati, gr. pt ō, lat. spuere, lit. spiáuti, aksl. pljьvati. — tuggon: dat.sg. v.
tuggo f. n-St. ‚Zunge‘; ahd. zunga, as., andl. tunga, aengl., afries. tunge, aisl. tugga; vgl. alat. dingua,
lat. lingua.
34 ussaiƕands: nom.sg.m. part.präs. v. ussaiƕan st. V. 5 ‚aufblicken; ansehen‘; Kompositum mit got.
saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — gaswogida: 3.sg.ind.prät. v. gaswogjan* sw. V. 1 ‚erseufzen‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); aengl. swœgan ‚tönen‘. — aiffaþa:
[72]
‚öffne dich!‘ (Lehnwort < gr. ephphathá) (das ist der einzige Beleg des Wortes). — uslukn:
2.sg.imp.präs. v. usluknan* sw. V. 4 ‚sich erschließen, öffnen‘.
35 usluknodedun: 3.pl.ind.prät. v. usluknan* sw. V. 4 ‚sich erschließen, öffnen‘. — hliumans: nom.pl.
v. hliuma m. n-St. ‚Gehör‘; (anders gebildet) ahd. liumunt ‚Kunde, (guter) Ruf, guter Leumund,
Ruhm, Ansehen, Beifall, Gunst, Lob, Meinung, Ansicht, Gerücht, schlechter Ruf‘, mndd. lemunt,
lǖmunt, līmunt ‚Leumund, Ruf, Ansehen‘, mndl. lumont ‚Leumund‘, aisl. hljóð ‚Zuhören, Stille,
Laut‘, aisl. hljómr ‚starker Laut‘; vgl. jav. sraoman- ‚Gehör, Hörvermögen‘. — andbundnoda:
3.sg.ind.prät. v. andbundnan* sw. V. 4 ‚entbunden werden‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes)
(das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘.
— bandi: nom.sg. f. jō-St. ‚Band, Fessel‘; as. bendi, aengl. bend, afries. bende; Ableitung von der
Wurzel in got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘. — tuggons: gen.sg. v. tuggo f. n-St. ‚Zunge‘. — raihtaba:
adv. ‚recht, richtig‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu got. raihts* adj. a-St.
‚recht, gerade‘.
36 qeþeina: 3.pl.opt.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — ƕan: adv. ‚wann; wieviel;
wie; um wieviel‘; Ableitung von der Wurzel in got. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘. —
meridedun: 3.pl.ind.prät. v. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘.
37 ufarassau: dat.sg. v. ufarassus m. u-St. ‚Überfluss, Übermaß‘; wohl Ableitung zu got. ufar präp. +
akk./dat. ‚über‘. — allata: akk.sg.n. v. alls adj. a-St. ‚all, jeder, ganz‘. — baudans: akk.pl.m. v. bauþs
(-d-) adj. a-St. ‚taub; stumm‘. — gataujiþ: 3.sg.ind.präs. v. gataujan sw. V. 1 ‚vollbringen, bewirken,
machen‘. — gahausjan: inf. sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘. — unrodjandans: akk.pl.m. v. unrodjands
part.präs. ‚nicht redend, stumm‘; Ableitung zu got. rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘. — rodjan: inf.
sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘.
1.27. Markus 8:22–26: Die Heilung eines Blinden
22 jah qemun in Beþaniin jah berun du imma blindan jah bedun ina ei imma attaitoki. 23 jah
fairgreipands handu þis blindins ustauh ina utana weihsis jah speiwands in augona is,
atlagjands ana handuns seinos frah ina ga-u-ƕa-seƕi? 24 jah ussaiƕands qaþ: gasaiƕa mans,
þatei swe bagmans gasaiƕa gaggandans. 25 þaþroh aftra galagida handuns ana þo augona is
jah gatawida ina ussaiƕan; jah aftra gasatiþs warþ jah gasaƕ bairhtaba allans. 26 jah
insandida ina du garda is qiþands: ni in þata weihs gaggais, ni mannhun qiþais in þamma
weihsa.
22 Beþaniin: dat. v. Beþania OrtsN ‚Betanien‘ (s. auch Beþanias [Joh 11:1]). — blindan: akk.sg.m. v.
blinds adj. a-St. ‚blind‘. — attaitoki: 3.sg.opt.prät. v. attekan st. V. 7 ‚berühren‘.
23 fairgreipands: nom.sg.m. part.präs. v. fairgreipan st. V. 1 ‚ergreifen‘; Kompositum mit got. greipan
st. V. 1 ‚greifen‘; ahd. grīfan, as., andl., aengl. grīpan, afries. grīpa, aisl. grípa; vgl. lit. griẽbti. —
blindins: gen.sg.m. v. blinds adj. a-St. ‚blind‘. — ustauh: 3.sg.ind.prät. v. ustiuhan st. V. 2 ‚hinaus-,
wegführen; entrichten; ausführen, vollführen, vollenden‘; Kompositum mit got. tiuhan st. V. 2
‚ziehen, (weg-)führen‘. — utana: adv. ‚(von) außen; (+ gen.) außerhalb‘; Ableitung von der Wurzel
in got. ut: adv. ‚hinaus, heraus‘. — weihsis: gen.sg. v. weihs* n. a-St. ‚Dorf, Weiler‘. — atlagjands:
nom.sg.m. part.präs. v. atlagjan* sw. V. 1 ‚hin-, auflegen‘; Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1
‚(auf-/hin-)legen‘. — ana: adv. ‚darauf, außerdem‘ (identisch mit got. ana präp. + dat./akk. [zur
Bezeichnung der Ruhe/Richtung] ‚an, auf, in, über‘). — seinos: akk.pl.f. v. seins* poss.pron. ‚sein‘.
— ga-u-ƕa-seƕi: bestehend aus got. gaseƕi: 3.sg.opt.prät. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘, got. -u-:
enklit. fragepart und got. -ƕa-: akk.sg.n. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘.
[73]
24 gasaiƕa: 1.sg.ind.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — bagmans: akk.pl. v. bagms m. a-St.
‚Baum‘; ahd. boum, as., andl. bōm, aengl. bēam, afries. bām, aisl. baðmr. — gaggandans: akk.pl.m.
part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘.
25 ussaiƕan: inf. st. V. 5 ‚aufblicken; ansehen‘. — gasatiþs: nom.sg.m. part.prät. v. gasatjan sw. V. 1
‚hinsetzen, hinstellen, hinlegen‘. — bairhtaba: adv. ‚glänzend, offen‘; Ableitung mit dem got. Adv.
bildenden Suffix -ba zu got. bairhts* adj. a-St. ‚hell, offenbar‘; ahd. beraht, lgb. in PersonenN Bert-,
Pert-, -bert, -pert, as., andl. berht, aengl. beorht, aisl. bjartr adj. ‚hell‘; vgl. kymr. berth ‚schön‘.
26 insandida: 3.sg.ind.prät. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘. — weihs: akk.sg. v. weihs* n. a-St. ‚Dorf,
Weiler‘. — gaggais: 2.sg.opt.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — mannhun: dat.sg. v.
mannahun m. unreg. Kons.st./pron. ‚jemand‘; Ableitung von got. manna m. unreg. Kons.st. ‚Mensch,
Mann‘ mit got. -hun, Silbe zur Bildung gewisser Pron.; das Pron. kommt nur mit der Negation, dann
insgesamt in der Bed. ‚niemand‘ vor.
1.28. Markus 10:1–12: Von Ehe und Ehescheidung
1 Jah jainþro usstandands qam in markom Iudaias hindar Iaurdanau; jah gaqemun sik aftra
manageins du imma, jah, swe biuhts <was>, aftra laisida ins. 2 jah duatgaggandans
Fareisaieis frehun ina, skuld-u sijai mann qen afsatjan, fraisandans ina. 3 iþ is andhafjands
qaþ: ƕa izwis anabauþ Moses? 4 iþ eis qeþun: Moses uslaubida unsis bokos afsateinais meljan
jah afletan. 5 jah andhafjands Iesus qaþ du im: wiþra harduhairtein izwara gamelida izwis þo
anabusn. 6 iþ af anastodeinai gaskaftais gumein jah qinein gatawida guþ. 7 in-uh þis bileiþai
manna attin seinamma jah aiþein seinai, 8 jah sijaina þo twa du leika samin, swaswe þanaseiþs
ni sind twa, ak leik ain. 9 þatei nu guþ gawaþ, manna þamma ni skaidai. 10 jah in garda aftra
siponjos is bi þata samo frehun ina. 11 jah qaþ du im: saƕazuh saei afletiþ qen seina jah liugaiþ
anþara, horinoþ du þizai. 12 jah jabai qino afletiþ aban seinana jah liugada anþaramma,
horinoþ.
1 Iaurdanau: dat. v. Iaurdanus* m. u-St. FlussN ‚Jordan‘ (s. auch Iaurdane [Mk 1:5]). — biuhts:
nom.sg.m. adj. a-St. ‚gewohnt‘; Ableitung von der Wurzel in got. -nauhan* (in binauhan* prät.präs.
‚erlaubt sein, dürfen‘). — laisida: 3.sg.ind.prät. v. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘.
2 frehun: 3.pl.ind.prät. v. fraihnan st. V. 5 ‚fragen‘. — skuld-u: bestehend aus got. skuld: nom.sg.n.
part.prät. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein, sollen‘ und got. -u: enklit. fragepart. — qen: akk.sg. v.
qens f. i-St. ‚Ehefrau‘. — afsatjan: inf. sw. V. 1 ‚absetzen, entlassen‘; Kompositum mit got. satjan*
sw. V. 1 ‚setzen‘. — fraisandans: nom.pl.m. part.präs. v. fraisan* st. V. 7 ‚versuchen‘.
3—
4 uslaubida: 3.sg.ind.prät. v. uslaubjan* sw. V. 1 ‚erlauben‘. — bokos: akk.pl. v. boka f. ō-St.
‚Buchstabe; (pl.) Schrift, Brief, Buch, Urkunde‘; ahd. buocha, as. bōka ‚Buche‘ neben ahd. buoh
‚Buch, Schriftstück‘, as. bōk ,Buch, Schreibtafel‘, andl. buok ‚Buch‘, aengl. bōc ‚Buch, Schrift,
Urkunde, Bibel‘, afries. bōk ‚Buch; Messebuch, Missal; Bibel‘, aisl. bók ‚Buch; lat. Sprache;
gestickte Bettzieche‘; vgl. gr. phēgós ‚Eiche‘, lat. fāgus ‚Buche‘. — afsateinais: gen.sg. v. afsateins*
f. i-St. ‚Scheidebrief; Absetzung‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung zu got. afsatjan
sw. V. 1 ‚absetzen, entlassen‘. — meljan: inf. sw. V. 1 ‚schreiben‘.
5 harduhairtein: akk.sg. v. harduhairtei* f. n-St. ‚Hartherzigkeit‘; Ableitungskompositum aus got.
hardus adj. u-St. ‚hart, streng‘ (ahd. hart, herti, lgb. in PersonenN -ardus, as. hard, andl. hart, aengl.
heard, afries. herd, hird, hard, aisl. harðr; vgl. gr. kratús, kratùs ‚stark, kräftig‘, lit. kartùs ,bitter
[schmeckend]‘) und got. hairto n. n-St. ‚Herz‘. — izwara: akk.sg.f. v. izwar poss.pron. ‚euer‘. —
[74]
gamelida: 3.sg.ind.prät. v. gameljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — anabusn: akk.sg. v. anabusns f. i-St.
‚Gebot‘; as. anabūsan; vgl. aengl. bȳsen ‚Beispiel, Muster; Exemplar, Gleichnis, Regel, Befehl‘, aisl.
býsn ‚Wunder‘; Ableitung von der Wurzel in got. -biudan* ‚bieten‘ (s. anabiudan*).
6 anastodeinai: dat.sg. v. anastodeins f. i-St. ‚Anfang‘. — gaskaftais: gen.sg. v. gaskafts f. i-St.
‚Erschaffung; Geschöpf‘; ahd. giscaft, as. giskaft, aengl. gesceaft; Ableitung von der Wurzel in
got. -skapjan* (wohl nur in got. gaskapjan* st. V. 6 ‚erschaffen‘; vgl. aber skapja[m] in de
convivi[i]s barbaris); ahd. skepfen, as. skeppian, frühmndl. scheppen, aengl. scieppan, afries. skeppa,
aisl. skepia. — gumein: akk.sg. v. gumein* n. a-St. ‚Männliches, Mann‘ (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); Ableitung zu einem nicht belegten Adj. got. *gumeins a-St. ‚männlich‘, das seinerseits
von got. guma m. n-St. ‚Mann‘ abgeleitet ist. — qinein: akk.sg. v. qinein* n. a-St. ‚Weibliches, Frau;
Frauenzimmer‘; Ableitung zu einem nicht belegten Adj. got. qineins* a-St. ‚weiblich‘, das seinerseits
von got. qino f. n-St. ‚Weib‘ abgeleitet ist.
7 in-uh: bestehend aus got. in: präp. + dat./akk. (zur Bezeichnung der Ruhe/Richtung) ‚in, auf, an, zu,
während, nach zu‘, + gen. ‚wegen, um – willen, für, durch‘ und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘. — þis:
gen.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — bileiþai: 3.sg.opt.präs. v. bileiþan* st. V. 1 ‚verlassen,
zurücklassen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt) (s. usleiþan). — attin: dat.sg. v. got. atta m.
n-St. ‚Vater‘. — seinamma: dat.sg.m. v. seins* poss.pron. ‚sein‘. — aiþein: dat.sg. v. aiþei f. n-St.
‚Mutter‘; ahd. -eidī (in fuotareidī ‚Amme‘) neben (anders gebildet) lat.-germ. (dat.sg.) -edae (in
MatronenN Gamaledae ‚alte/verehrungswürdige Mutter‘), aisl. eiða.
8 sijaina: 3.pl.opt.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — twa: nom. n. v. twai num. ‚zwei‘.
— leika: dat.sg. v. leik n. a-St. ‚Körper, Leib; Leichnam; Fleisch‘. — þanaseiþs: adv. ‚weiter, noch‘;
Zusammenrückung aus got. þana- (zum Dentalstamm des Dem.pron. got. sa ‚dieser, der‘) und
got. -seiþs ‚später‘; aisl. síðr; Bildung zur gleichen Wurzel wie in got. seiþus* / seiþu adj. u-St. / n.
u-St. ‚spät‘ / ‚Abend‘. — leik: nom.sg. n. a-St. ‚Körper, Leib; Leichnam; Fleisch‘. — ain: nom.sg.n.
v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘.
9 gawaþ: 3.sg.ind.prät. v. gawidan* st. V. 5 ‚zusammenbinden, verbinden‘ (das Simplex ist im Got.
nicht belegt); ahd wetan; vgl. air. fedid ‚führt, trägt, bringt‘, lit. vèsti ‚führen, heiraten (vom Mann)‘,
aksl. vesti ‚führen‘. — skaidai: 3.sg.opt.präs. v. skaidan* st. V. 7 ‚scheiden, trennen‘; ahd. skeidan,
as., andl. skēthan, aengl. scādan, afries. skētha, skēda; vgl. ved. chinátti ‚schneidet ab, zerreißt,
zerbricht‘, lat. scindere ‚zerreißen, spalten‘, ? lit. skìsti ‚auseinander gehen, sich spalten‘.
10 samo: akk.sg.n. v. sama pron. ‚derselbe‘.
11 saƕazuh: nom.sg.m. pron. ‚wer auch immer‘; Zusammenrückung aus got. sa dem.pron. ‚dieser, der‘
und got. ƕazuh pron. ‚jeder‘. — afletiþ: 3.sg.ind.präs. v. afletan st. V. 7 ‚entlassen, fortschicken;
verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘. — liugaiþ: 3.sg.ind.präs. v. liugan* st. V. 2
‚lügen‘; ahd., as. liogan, andl. liegan, aengl. lēogan, afries. liāga, liēga, aisl. ljúga; vgl. aksl. lъgati.
— anþara: akk.sg.f. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. — horinoþ: 3.sg.ind.präs. v. horinon
sw. V. 2 ‚huren, Ehebruch treiben‘; Ableitung von der Wurzel in got. hors m. a-St. ‚Hurer,
Ehebrecher‘; ? run. (nom.sg.) horaz (Brakteat 1 von Fyn, 440–560), aisl. hórr m. ‚Hurer‘; vgl. lat.
cārus ,lieb, teuer, wert‘, lett. kãrs ,lüstern, lecker‘.
12 qino: nom.sg. f. n-St. ‚Weib‘. — liugada: 3.sg.ind.prät. v. liugan sw. V. 3 ‚heiraten‘; Ableitung von
der Wurzel in got. liuga* f. ō-St. ‚Heirat, Ehe‘; vgl. air. luige ‚Eid‘. — anþaramma: dat.sg.m. v.
anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘.
1.29. Markus 14:53–65: Jesus vor dem Hohen Rat
53 jah gatauhun Iesu du auhumistin gudjin; jah garunnun miþ imma auhumistans gudjans allai
jah þai sinistans jah bokarjos. 54 jah Paitrus fairraþro laistida afar imma, unte qam in garda
[75]
þis auhumistins gudjins; jah was sitands miþ andbahtam jah warmjands sik at liuhada. 55 iþ
þai auhumistans gudjans jah alla so gafaurds sokidedun ana Iesu weitwodiþa du afdauþjan ina
jah ni bigetun. 56 managai auk galiug weitwodidedun ana ina, jah samaleikos þos weitwodiþos
ni wesun. 57 jah sumai usstandandans galiug weitwodidedun ana ina qiþandans: 58 þatei weis
gahausidedum qiþandan ina þatei ik gataira alh þo handuwaurhton jah bi þrins dagans anþara
unhanduwaurhta gatimrja. 59 jah ni swa samaleika was weitwodiþa ize. 60 jah usstandands sa
auhumista gudja in midjaim frah Iesu qiþands: niu andhafjis waiht, ƕa þai ana þuk
weitwodjand? 61 iþ is þahaida jah waiht ni andhof. aftra sa auhumista gudja frah ina jah qaþ
du imma: þu is Xristus sa sunus þis þiuþeigins? 62 iþ is qaþ-uh: ik im; jah gasaiƕiþ þana sunu
mans af taihswon sitandan mahtais jah qimandan miþ milhmam himinis. 63 iþ sa auhumista
gudja disskreitands wastjos seinos qaþ: ƕa þanamais þaurbum weis weitwode? 64 hausideduþ
þo wajamerein is: ƕa izwis þugkeiþ? þaruh eis allai gadomidedun ina skulan wisan dauþau.
65 jah dugunnun sumai speiwan ana wlit is jah huljan andwairþi is jah kaupatjan ina; jah
qeþun du imma: praufetei! jah andbahtos [gabaurjaba] lofam slohun ina.
53 gatauhun: 3.pl.ind.prät. v. gatiuhan* st. V. 2 ‚wegziehen, wegühren‘; Kompositum mit got. tiuhan
st. V. 2 ‚ziehen, (weg-)führen‘. — auhumistin: dat.sg.m. sw. v. auhumists superl.adj. ‚höchster‘. —
auhumistans: nom.pl.m. sw. v. auhumists superl.adj. ‚höchster‘. — gudjans: nom.pl. v. gudja m.
n-St. ‚Priester‘. — sinistans: nom.pl.m. sw. superl. v. sineigs adj. a-St. ‚alt‘ (das Adj. kommt nur
substantiviert ‚der Alte‘ vor); im Positiv liegt eine suffixale Erweiterung mit got. -eigs des
Wortstamms vor; ai. sána-, av. hana-, gr. hénos, arm. hin, air. sen, lit. sẽnas, weitergebildet auch lat.
senex.
54 fairraþro: adv. ‚von fern‘; Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -þro von got. fairra adv.
‚fern; fern von, weg von‘. — sitands: nom.sg.m. part.präs. v. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘. — andbahtam:
dat.pl. v. andbahts m. a-St. ‚Diener‘. — liuhada: dat.sg. v. liuhaþ (-d-) n. a-St. ‚Licht‘.
55 gafaurds: nom.sg. f. i-St. ‚Versammlung, hoher Rat‘; Ableitung von der Wurzel in got. faran* st. V.
6 ‚wandern, ziehen‘. — weitwodiþa: akk.sg. v. weitwodiþa f. ō-St. ‚Zeugnis(ablegung)‘. —
afdauþjan: inf. sw. V. 1 ‚töten‘; Kompositum mit got dauþjan* sw. V. 1 ‚töten‘; ahd. tōden,
as. -dōdian (in bidōdian ‚in den Tod geben‘), aengl. -diedan (in ādiedan ‚töten‘), aisl. deyða;
Ableitung von der Wurzel in got. dauþs (-þ-) adj. ‚tot‘.
56 galiug: akk.sg. v. galiug* n. a-St. ‚Lüge; (pl.) Götze‘; Ableitung von der Wurzel in got. liugan* st.
V. 2 ‚lügen‘. — weitwodidedun: 3.pl.ind.prät. v. got. weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘. —
samaleikos: nom.pl.f. v. samaleiks* adj. a-St. ‚gleich‘; ahd. samalīh, aengl. (adv.) samlīce, aisl.
samlíkr. — weitwodiþos: nom.pl. v. weitwodiþa f. ō-St. ‚Zeugnis(ablegung)‘.
57 usstandandans: nom.pl.m. part.präs. v. usstandan st. V. 6 ‚sich erheben, aufbrechen‘.
58 gahausidedum: 1.pl.ind.prät. v. gahausjan sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘. — qiþandan: akk.sg.m. v.
part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — gataira: 1.sg.ind.präs. v. gatairan st. V.
4 ‚zerreißen, zerstören, aufheben‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. zeran, aengl. teran;
vgl. gr. dérō ‚häute ab‘, lit. di ti ‚abhäuten‘, aksl. dьrati ‚reißen, schinden‘. — alh: akk.sg. v. alhs f.
Kons.st. ‚(jüdischer) Tempel‘; as. alah, aengl. ealh, alh; vgl. gr. alkḗ ‚Abwehr‘. — handuwaurhton:
akk.sg.f. v. handuwaurhts* adj. a-St. ‚mit der Hand gemacht‘; Kompositum aus got. handus f. u-St.
‚Hand‘ und got. -waurhts* ‚gemacht, gewirkt‘, einer Ableitung von der Wurzel in got. waurkjan sw.
V. 1 ‚machen, wirken‘. — þrins: akk.m. v. þreis* num. ‚drei‘. — unhanduwaurhta: akk.sg.f. v.
unhanduwaurhts* adj. a-St. ‚nicht mit der Hand gemacht‘; Kompositum mit der Negation got.
un- ‚un-, nicht‘ von got. handuwaurhts* adj. a-St. ‚mit der Hand gemacht‘. — gatimrja:
1.sg.ind.präs. v. gatimrjan* sw. V. 1 ‚erbauen‘; Kompositum mit got. +timrjan sw. V. 1 ‚bauen,
zimmern‘ (nur als <timbrjan> [Lk 14:28.30] belegt); ahd. zimbaren, as. timbrian, andl. timbren,
[76]
aengl. timbran, afries. timbra, aisl. timbra; Ableitung von der Wurzel in ahd. zimbar, as. timbar,
mndl. timmer, aengl., afries. timber, aisl. timbr ‚Bauholz‘; Ableitung von der Wurzel in got. gatiman*
st. V. 4 ‚geziemen, passen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. zeman, andl. teman; vgl.
hluw. tamata ‚baute‘, gr. démō ‚baue‘.
59 samaleika: nom.sg.f. v. samaleiks* adj. a-St. ‚gleich‘. — weitwodiþa: nom.sg. f. ō-St.
‚Zeugnis(ablegung)‘.
60 auhumista: nom.sg.m. sw. v. auhumists superl.adj. ‚höchster‘. — gudja: nom.sg. m. n-St. ‚Priester‘.
— andhafjis: 2.sg.ind.präs. v. andhafjan st. V. 6 ‚erwidern, antworten‘. — weitwodjand:
3.pl.ind.präs. v. weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘.
61 þahaida: 3.sg.ind.prät. v. þahan* sw. V. 3 ‚schweigen‘; ahd. dagēn, as. thagian, aisl. þegja; vgl. lat.
tacēre. — þiuþeigins: gen.sg.m. sw. v. þiuþeigs adj. a-St. ‚gut, gepriesen‘; Ableitung zu dem im Got.
nicht bezeugten Adj. *þiuþ (-þ-) a-St. ‚gut‘.
62 gasaiƕiþ: 2.pl.ind.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — taihswon: dat.sg.f. v. taihswa* adj. sw.
‚rechts‘. — sitandan: akk.sg.m. part.präs. v. sitan st. V. 5 ‚sitzen‘. — mahtais: gen.sg. v. mahts
nom.sg. f. i-St. ‚Macht, Kraft, Vermögen‘. — milhmam: dat.pl. v. milhma m. n-St. ‚Wolke‘; aschwed.
molin. — himinis: gen.sg. v. himins m. a-St. ‚Himmel‘.
63 disskreitands: nom.sg.m. part.präs. v. disskreitan* st. V. 1 ‚zerreißen‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht bezeugt); nhd. dial. schrīssen, schreissen. — wastjos: akk.pl.
v. wasti* f. jō-St. ‚Kleid, (pl.) Kleidung‘. — þanamais: adv. ‚weiter, noch mehr‘; vgl. ahd. dana mēr,
mēr dan, as. than mēr, mndl. meer dan, aengl. þon mā, aisl. þá en meira. — þaurbum: 1.pl.ind.präs.
v. þaurban* prät.präs. ‚bedürfen, nötig haben‘. — weitwode: gen.pl. v. weitwoþs* (-d-) m. Kons.St.
‚Zeuge‘; ein nur im Got. belegter St. urgerm. * e t ōđ-, der ein substantiviertes und lexikalisiertes
Part.Perf.akt. uridg. * e d- os- (obl. -t-) fortsetzt; vgl. ai. vidvás-, gr. eidṓs ‚wissend‘; Bildung zur
Wurzel in got. witan prät.präs. ‚wissen‘.
64 hausideduþ: 2.pl.ind.prät. v. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — wajamerein: akk.sg. v. wajamereins f. i-St.
‚Lästerung‘; Ableitung zu got. wajamerjan sw. V. 1 ‚lästern‘. — þugkeiþ: 3.sg.ind.präs. v. þugkjan*
sw. V. 1 ‚glauben, meinen, gelten‘; ahd. dunken, as. thunkian, andl. thunken, aengl. þyncan, afries.
thinka, tinsa, aisl. þykkja; Ableitung von der Wurzel in got. þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘.
— gadomidedun: 3.pl.ind.prät. v. gadomjan sw. V. 1 ‚urteilen, entscheiden‘; Kompositum mit got.
domjan sw. V. 1 ‚(be-)urteilen; entscheiden‘. — skulan: akk.sg. v. skula m. n-St. ‚Schuldner, der
Schuldige‘.
65 speiwan: inf. st. V. 1 ‚(an-)speien‘. — wlit: akk.sg. v. m. i-St. ‚Angesicht; Ansehen, Gestalt‘. —
huljan: inf. sw. V. 1 ‚(ver-)hüllen‘; ahd. hullen, as. -hullian, mndl. hullen, aengl. -hylian,
afries. -hella, aisl. hylja; Ableitung zu einem st. V., das in ahd. helan, as. helan, frühmndl. helen,
aengl. helan, afries. hela fortgesetzt ist; vgl. lat. -culere (in occulere ,verbergen‘), air. ceilid. —
kaupatjan: inf. sw. V. 1 ‚ohrfeigen‘; ohne Vergleichsmöglichkeiten. — praufetei: 2.sg.imp.präs. v.
praufetjan* sw. V. 1 ‚weissagen‘; Ableitung zu got. praufetus m. u-St. ‚Prophet‘. — gabaurjaba:
adv. ‚gern‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu einem im Got. nicht bezeugten
Adj. *gabaurjis a-St. ‚zukömmlich‘; vgl. aengl. -byre (in ambyre ‚günstig, passend [von Wind]‘);
Rückbildung aus der Wurzel in ahd. giburien, as. giburian, andl. giburen, aengl. gibȳrian
‚hinzukommen, geschehen, sich ereignen‘. — lofam: dat.pl. v. lofa* m. n-St. ‚flache Hand‘. —
slohun: 3.pl.ind.prät. v. slahan* st. V. 6 ‚schlagen‘.
1.30. Markus 15:6–20: Jesu Verurteilung und Verspottung
6 iþ and dulþ ƕarjoh fralailot im ainana bandjan þanei bedun. 7 was-uh þan sa haitana
Barabbas miþ þaim miþ imma drobjandam gabundans, þaiei in auhjodau maurþr gatawidedun.
[77]
8 jah usgaggandei alla managei dugunnun bidjan, swaswe sinteino tawida im. 9 iþ Peilatus
andhof im qiþands: wileid-u fraleitan izwis þana þiudan Iudaie? 10 wissa auk þatei in neiþis
atgebun ina þai auhumistans gudjans. 11 iþ þai auhumistans gudjans inwagidedun þo
managein ei mais Barabban fralailoti im. 12 iþ Peilatus aftra andhafjands qaþ du im: ƕa nu
wileiþ ei taujau þammei qiþiþ þiudan Iudaie? 13 iþ eis aftra hropidedun: ushramei ina. 14 iþ
Peilatus qaþ du im: ƕa allis ubilis gatawida? iþ eis mais hropidedun: ushramei ina. 15 iþ
Peilatus wiljands þizai managein fullafahjan, fralailot im þana Barabban, iþ Iesu atgaf
usbliggwands, ei ushramiþs wesi. 16 iþ gadrauhteis gatauhun ina innana gardis, þatei ist
praitoriaun, jah gahaihaitun alla hansa 17 jah gawasidedun ina paurpurai jah atlagidedun ana
ina þaurneina wipja uswindandans 18 jah dugunnun goljan ina: hails, þiudan Iudaie! 19 jah
slohun is haubiþ rausa jah bispiwun ina jah lagjandans kniwa inwitun ina. 20 jah biþe
bilailaikun ina andwasidedun ina þizai paurpurai jah gawasidedun ina wastjom swesaim. jah
ustauhun ina ei ushramidedeina ina.
6 dulþ: akk.sg. v. dulþs (-þ-) f. i-St. ‚Fest‘. — ƕarjoh: akk.sg.f. v. ƕarjizuh pron. ‚jeder‘. — fralailot:
3.sg.ind.prät. v. fraletan st. V. 7 ‚lassen, freilassen, entlassen, unterlassen, zulassen, erlauben,
vergeben, herablassen‘. — bandjan: akk.sg. v. bandja m. n-St. ‚Gefangener‘; Ableitung von der
Wurzel in got. bindan* st. V. 3 ‚binden‘.
7 haitana: nom.sg.m. sw. part.prät. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — Barabbas: nom.
m. PersonenN ‚Barabbas‘ (daneben auch nom. Barabba). — drobjandam: dat.pl.m. part.präs. v.
drobjan* sw. V. 1 ‚trüben, irre machen, aufwiegeln‘; ahd. truoben, as. drōvian, aengl. drēfan;
Ableitung von der Wurzel in ahd. truobi, as. drōvi, frühmndl. droeve, aengl. drōf ‚trübe‘. —
auhjodau: dat. sg. v. auhjodus* m. u-St. ‚Lärm‘; Ableitung zu got. auhjon* sw. V. 2 ‚lärmen‘;
onomatopoetisch?. — maurþr: akk.sg. v. maurþr* n. a-St. ‚Mord‘; aengl. morđor; vgl. die Ableitung
ahd. murdro ‚Mörder‘; Ableitung von der Wurzel in ahd. mord, lgb., as., andl. morth, aengl. morđ,
afries. morth, mord, aisl. morð; vgl. heth. merta ‚verschwand, ging verloren‘, marnu- ‚verschwinden
lassen‘, ai. mriyáte ‚stirbt‘, lat. morior ‚sterbe‘, aksl. u-mьrjetъ ‚wird sterben‘.
8 usgaggandei: nom.sg.f. part.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘. — bidjan: inf. st.
V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘. — tawida: 3.sg.ind.prät. v. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘.
9 fraleitan: inf. st. V. 7 (für fraletan) ‚lassen, freilassen, entlassen, unterlassen, zulassen, erlauben,
vergeben, herablassen‘ (die Schreibung von zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den
Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī).
10 neiþis: gen.sg. v. neiþ* n. a-St. ‚Neid‘; ahd. nīd, as. nīth, andl. nīth, aengl. nīþ, afries. nīth, nīt, nīd,
aisl. níð; vgl. air. níth ‚Kampf(eslust), Zorn‘. — atgebun: 3.pl.ind.prät. v. atgiban st. V. 5 ‚hingeben‘.
11 inwagidedun: 3.pl.ind.prät. v. inwagjan* sw. V. 1 ‚in Bewegung setzen‘. — fralailoti: 3.sg.opt.prät.
v. fraletan st. V. 7 ‚lassen, freilassen, entlassen, unterlassen, zulassen, erlauben, vergeben,
herablassen‘.
12 wileiþ: 2.pl.opt.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — taujau: 1.sg.opt.präs. v. taujan sw. V. 1 ‚tun,
machen‘. — qiþiþ: 2.pl.ind.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘.
13 ushramei: 2.sg.imp.präs. v. ushramjan sw. V. 1 ‚kreuzigen‘; Kompositum mit got. hramjan* sw. V.
1 ‚kreuzigen‘; mndl. remmen ‚bremsen, hemmen‘, aengl. hremman ‚dass.‘, ? aisl. hremma ‚fassen,
klemmen, drücken‘ (aus dem Germ. entlehnt in mlat. ad-chramire ‚bestätigen, bekräftigen‘);
Ableitung von der Wurzel in ahd. rama, ram ‚Stütze, Säule, Webrahmen, Marterrost, Foltergestell‘,
as. hrama ‚Folterbank‘, frühmndl. rame ‚Rahmen, Trockengestell‘, afries. rām ‚Rahmen ?,
Webrahmen ?‘, nnorw. ram ‚Hausgiebel, Dachboden‘; vgl. nruss. dial. (pl.) krómy ‚Webstuhl‘.
14 allis: konj. ‚denn‘; eigtl. gen.sg.n. v. alls adj. a-St. ‚all, jeder, ganz‘. — ubilis: gen.sg.n. v. ubils adj.
a-St. ‚übel, böse‘.
[78]
15 wiljands: nom.sg.m. part.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — fullafahjan: inf. sw. V. 1 ‚Genüge
leisten; dienen; zufriedenstellen‘; Kompositum aus got. fulla- (s. fulls) und got. -fahjan, einer
Ableitung von der Wurzel in got. faheþs (-d-) f. i-St. ‚Freude‘. — usbliggwands: nom.sg.m. part.präs.
v. usbliggwan* st. V. 3 ‚durchbleuen‘. — ushramiþs: nom.sg.m. part.prät. v. ushramjan sw. V. 1
‚kreuzigen‘.
16 innana: adv. ‚von innen, hinein, in das Innere‘; Ableitung von in präp. + dat./akk. (zur Bezeichnung
der Ruhe/Richtung) ‚in, auf, an, zu, während, nach zu‘, + gen. ‚wegen, um – willen, für, durch‘. —
gardis: gen.sg. v. gards m. i-St. ‚Haus(wesen), Familie‘. — praitoriaun: nom.sg. n./f. ‚Praetorium‘.
— gahaihaitun: 3.pl.ind.prät. v. gahaitan* st. V. 7 ‚zusammenrufen; verheißen; sich bekennen zu‘.
17 paurpurai: dat.sg. v. paurpura* f. ō-St. ‚Purpur‘ (Lehnwort < lat. purpura f. ‚Purpur[farbe],
purpurfarbiger/mit Purpur gefärbte Stoff, Purpurwolle‘). — atlagidedun: 3.pl.ind.prät. v. atlagjan*
sw. V. 1 ‚hin-, auflegen‘. — þaurneina: akk.sg.f. v. þaurneins* adj. a-St. ‚von Dornen‘. —
uswindandans: nom.pl.m. part.präs. v. uswindan* st. V. 3 ‚flechten‘.
18 goljan: inf. sw. V. 1 ‚grüßen‘; run.-vorahd. 3.sg.ind.prät. golida (Fibel von Frei-Laubersheim, 540–
590), afries. gēla ‚verfolgen, jagen‘ (wohl aus ‚durch Geschrei aufstöbern‘), aisl. gœla ,vergnügt
machen, trösten‘; Ableitung von der Wurzel in run. gAlande ‚schreiend‘ (Stein von Eggja, 575–
675/700), ahd. galan ,singen, beschwören, bezaubern, Zaubergesänge singen‘, aengl. galan ,dass.‘,
aisl. gala ,schreien, krähen, heulen, schwätzen, singen, zaubern, bitten, schmeicheln‘; vgl. nruss.
galit’ ‚lächeln‘. — þiudan: vok.sg. v. þiudans m. a-St. ‚König‘.
19 haubiþ: akk.sg. v. haubiþ (-d-) n. a-St. ‚Haupt‘. — rausa: dat.sg. v. raus* n. a-St. ‚Rohr‘; andl. rōs
neben (mit grammatischem Wechsel) ahd. rōr, as. rōr- (in rōrdumbil ‚Rohrdommel‘), mndl. roer,
aengl. -ríer- (in [sæ-]rí[e]ric ‚Röhricht‘), afries. rēr, aisl. reyr, reyrr. — bispiwun: 3.pl.ind.prät. v.
bispeiwan* st. V. 1 ‚bespeien‘; Kompositum mit speiwan st. V. 1 ‚(an-)speien‘. — lagjandans:
nom.pl.m. part.präs. v. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘. — kniwa: dat.sg. v. kniu* n. wa-St. ‚Knie‘;
ahd. kneo, kniu, as., andl. knio, aengl. cnēo, afries. knī, knē, aisl. kné; vgl. (mit Umbildungen) heth.
genu-/ganu-, ai. j nu-, jav. zānu-, gr. gónu, arm. cownr, alb. gju, lat. genu, air. glun, toch. A (du.)
kanw-em, toch. B (du.) kenī. — inwitun: 3.pl.ind.prät. v. inweitan* st. V. 1 ‚Verehrung erweisen,
begrüßen‘.
20 bilailaikun: 3.pl.ind.prät. v. bilaikan st. V. 7 ‚verspotten‘; Kompositum mit got. laikan* st. V. 7
‚hüpfen, springen‘; aengl. lācan, aisl. leika; vgl. npers. ālīxtan ‚springen, ausschlagen [vom Pferd]‘,
lit. láigyti ‚wild umherlaufen, herumtollen‘. — andwasidedun: 3.pl.ind.prät. v. andwasjan* sw. V. 1
‚entkleiden‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. wasjan* sw. V. 1 ‚kleiden;
sich kleiden‘. — wastjom: dat.pl. v. wasti* f. jō-St. ‚Kleid, (pl.) Kleidung‘. — swesaim: dat.pl.f. v.
swes adj. ‚eigen, angehörig‘; ahd., as. swās, aengl. swǣs, afries. swēs, aisl. sváss. — ustauhun:
3.pl.ind.prät. v. ustiuhan st. V. 2 ‚hinaus-, wegführen; entrichten; ausführen, vollführen, vollenden‘.
— ushramidedeina: 3.pl.opt.prät. v. ushramjan sw. V. 1 ‚kreuzigen‘.
1.31. Markus 15:21–41: Jesu Kreuzigung und Tod
21 jah undgripun sumana manne, Seimona Kwreinaiu, qimandan af akra, attan Alaiksandraus
jah Rufaus, ei nemi galgan is. 22 jah attauhun ina ana Gaulgauþa staþ, þatei ist gaskeiriþ
ƕairneins staþs. 23 jah gebun imma drigkan wein miþ smwrna; iþ is ni nam. 24 jah
ushramjandans ina disdailjand wastjos is wairpandans hlauta ana þos, ƕarjizuh ƕa nemi. 25
was-uh þan ƕeila þridjo, jah ushramidedun ina. 26 jah was ufarmeli fairinos is ufarmeliþ: sa
þiudans Iudaie. 27 jah miþ imma ushramidedun twans waidedjans, ainana af taihswon jah
ainana af hleidumein is. 28 jah usfullnoda þata gamelido þata qiþando: jah miþ unsibjaim
rahniþs was. 29 jah þai faurgaggandans wajameridedun ina, wiþondans haubida seina jah
[79]
qiþandans: o sa gatairands þo alh jah bi þrins dagans gatimrjands þo, 30 nasei þuk silban jah
atsteig af þamma galgin! 31 samaleiko jah þai auhumistans gudjans bilaikandans ina miþ sis
misso miþ þaim bokarjam qeþun: anþarans ganasida, iþ sik silban ni mag ganasjan. 32 sa
Xristus, sa þiudans Israelis, atsteigadau nu af þamma galgin, ei gasaiƕaima jah galaubjaima.
jah þai miþushramidans imma idweitidedun imma. 33 jah biþe warþ ƕeila saihsto, riqis warþ
ana allai airþai und ƕeila niundon. 34 jah niundon ƕeilai wopida Iesus stibnai mikilai qiþands:
ailoe, ailoe, lima sibakþanei, þatei ist gaskeiriþ: guþ meins, guþ meins, duƕe mis bilaist? 35
jah sumai þize atstandandane gahausjandans qeþun: sai, Helian wopeiþ. 36 þragjands þan
ains jah gafulljands swam akeitis, galagjands ana raus, dragkida ina qiþands: let, ei saiƕam
qimai-u Helias athafjan ina. 37 iþ Iesus aftra letands stibna mikila uzon. 38 jah faurahah als
disskritnoda in twa iupaþro und dalaþ. 39 gasaiƕands þan sa hundafaþs sa atstandands in
andwairþja is þatei swa hropjands uzon, qaþ: bi sunjai, sa manna sa sunus was gudis. 40
wesun-uþ þan qinons fairraþro saiƕandeins, in þaimei was Marja so Magdalene jah Marja
Iakobis þis minnizins jah Iosezis aiþei jah Salome. 41 jah þan was in Galeilaia, jah laistidedun
ina jah andbahtidedun imma; jah anþaros managos þozei miþiddjedun imma in Iairusalem.
21 undgripun: 3.pl.ind.prät. v. undgreipan st. V. 1 ‚ergreifen‘; Kompositum mit got. greipan st. V. 1
‚greifen‘. — sumana: akk.sg.m. v. sums indef.pron. ‚irgend einer, ein gewisser, jemand, einer, (pl.)
einige‘. — Kwreinaiu: akk.sg. v. Kwreinaius* m. EinwohnerN ‚Einwohner von Kyrene‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. Kyrēnaĩos). — akra: dat.sg. v. akrs m. a-St. ‚Acker‘; ahd.
ackar, as., andl. akkar, aengl. æcer, afries. ekker aisl. akr; vgl. ai. ájra-, gr. agrós, arm. art, lat. ager.
— attan: akk.sg. v. atta m. n-St. ‚Vater‘. — Alaiksandraus: gen. v Alaiksandrus m. PersonenN
‚Alexander‘ (Lehnwort < gr. Aléksandros). — Rufaus: gen. v. Rufus* m. PersonenN ‚Rufus‘
(Lehnwort < lat. Rufus, gr. Roũphos). — nemi: 3.sg.opt.prät. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-,
aufnehmen, empfangen, fangen‘. — galgan: akk.sg. v. galga m. n-St. ‚Pfahl, Kreuz‘; ahd., as. galgo,
frühmndl. galghe, aengl. g(e)alga, afries. galga, aisl. galgi; vgl. lit. žalgà ,Stange, Latte‘.
22 attauhun: 3.pl.ind.prät. v. attiuhan st. V. 2 ‚herbeiziehen, herbeiführen, herbeibringen‘. —
Gaulgauþa: akk. v. Gaulgauþa Toponym ‚Golgatha‘ (Lehnwort < gr. Golgothã). — gaskeiriþ:
nom.sg.n. part.prät. v. gaskeirjan* sw. V. 1 ‚erklären‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); mndd.
schîren, frühmndl. schieren, aengl. scīran, afries. skīria, aisl. skíra; Ableitung von der Wurzel in got.
skeirs* adj. ‚klar, deutlich‘. — ƕairneins: gen.sg. v. ƕairnei f. īn-St. ‚Hirnschädel‘; wohl Ableitung
von der Wurzel in aisl. hverna ‚Kochgeschirr‘, das selbst von ahd. wer, aengl. hwer, aisl. hverr
‚Kessel‘ abgeleitet ist; vgl. ai. carú-, air. coire ‚Kessel‘. — staþs: nom.sg. (-d-) m. i-St. ‚Stätte, Ort;
Herberge‘.
23 drigkan: inf. st. V. 3 ‚trinken‘. — wein: akk.sg. v. wein n. a-St. ‚Wein‘ (Lehnwort < lat. vīnum; ahd.,
as., andl., aengl., afries. wīn, aisl. vín). — smwrna: dat.sg. v. smwrn* n. a-St. ‚Myrrhe‘ (Lehnwort <
gr. smýrna); die Fügung wein miþ smwrna ist eine Lehnübersetzung von gr. esmyrnisménon oĩnon
‚mit Myrrhe vermischtem Wein‘.
24 ushramjandans: nom.pl.m. part.präs. v. ushramjan sw. V. 1 ‚kreuzigen‘. — disdailjand: 3.pl.ind.präs.
v. disdailjan* sw. V. 1 ‚verteilen, zerteilen‘; Kompositum mit got. dailjan sw. V. 1 ‚teilen, mitteilen‘.
— hlauta: dat.sg. v. hlauts m. i-St. ‚Los, Erbschaft‘; ahd. lōz, as. hlōt, aengl. hlīet, aisl. hlautr neben
(mit anderer Stammbildung) ahd. luz, andl. lot, aengl. hlyt, afries. (h)lot, aisl. hlutr; Ableitungen zur
Wurzel in ahd. liozan, as. hliotan, aengl. hlēotan, aisl. hljóta ‚(er-)losen‘; vgl. lit. kliáutis ‚sich
zusammenfügen‘.
25 ƕeila: nom.sg. f. ō-St. ‚Weile, Zeit, Stunde‘. — þridjo: nom.sg.f. v. þridja num. ‚der dritte‘; ahd.
dritto, as. thriddio, andl. thriddo, aengl. þridda, afries. thredda, aisl. þriði; av. ϑritiiō, lat. tertius,
[80]
gall. PersonenN Tritios, toch. A trit, B trite. — ushramidedun: 3.pl.ind.prät. v. ushramjan sw. V. 1
‚kreuzigen‘.
26 ufarmeli: nom.sg. n. ja-St. ‚Überschrift‘; entweder Ableitungskompositum aus got. ufar präp. +
akk./dat. ‚über‘ und got. mela n.pl. a-St. ‚Schrift‘ oder Rückbildung aus got. ufarmeljan* sw. V. 1
‚überschreiben‘. — fairinos: gen.sg. v. fairina* f. ō-St. ‚Schuld; Vorwurf‘. — ufarmeliþ: nom.sg.n.
part.prät. v. ufarmeljan* ‚überschreiben‘; Kompositum mit got. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘.
27 waidedjans: akk.pl. m. n-St. ‚Übeltäter, Räuber‘. — hleidumein: dat.sg.f. v. hleiduma* komp.adj.
‚links‘; Ableitung von der Wurzel in got. hlaiw n. a-St. ‚Grab‘.
28 gamelido: nom.sg.n. sw. part.prät. v. gameljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — qiþando: nom.sg.n. part.präs.
v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — unsibjaim: dat.pl.m. v. unsibjis adj. ja-St.
‚ungesetzlich, gottlos‘; ahd. unsibbi ‚unfreundlich, nicht blutsverwandt‘; vgl. aengl. ungesibb
‚feindlich‘; Bildung mit der Vorform der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und einer Ableitung von der
Wurzel in got. sibja* f. jō-St. ‚Verwandtschaft‘; ahd. sibba, as. sibbia, frühmndl. sibbe, aengl. sib(b),
afries. sibbe, aisl. (pl.) sifjar. — rahniþs: nom.sg.m. part.prät. v. rahnjan* sw. V. 1 ‚rechnen, halten
für, rechnen unter, anrechnen‘; Ableitung zur Wurzel in got. ragin* n. a-St. ‚Rat, Beschluss‘.
29 faurgaggandans: nom.pl.m. part.präs. v. fauragaggan suppl. st. V. 7 ‚vorangehen, vorstehen‘;
Kompositum mit got. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — wajameridedun: 3.pl.ind.prät. v. wajamerjan
sw. V. 1 ‚lästern‘. — wiþondans: nom.pl.m. part.präs. v. wiþon* sw. V. 2 ‚schütteln‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes); vgl. vielleicht ved. vyathate ‚wankt‘. — haubida: akk.pl. v. haubiþ (-d-)
n. a-St. ‚Haupt‘. — o: interj. ‚ah!‘; mhd. ō, aisl. ó, á. — gatairands: nom.sg.m. part.präs. v. gatairan
st. V. 4 ‚zerreißen, zerstören, aufheben‘. — gatimrjands: nom.sg.m. part.präs. v. gatimrjan* sw. V.
1 ‚erbauen‘.
30 atsteig: 2.sg.imp.präs. v. atsteigan* st. V. 1 ‚hinabsteigen‘. — galgin: dat.sg. v. galga m. n-St. ‚Pfahl,
Kreuz‘.
31 bilaikandans: nom.pl.m. part.präs. v. bilaikan st. V. 7 ‚verpotten‘. — bokarjam: dat.pl. v. bokareis
m. ja-St. ‚Schriftgelehrter‘. — anþarans: akk.pl.m. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. —
ganasida: 3.sg.ind.prät. v. ganasjan sw. V. 1 ‚erretten, herstellen‘; Kompositum mit got. nasjan sw.
V. 1 ‚retten‘. — ganasjan: inf. sw. V. 1 ‚erretten, herstellen‘.
32 Israelis: gen. v. Israel m. LänderN ‚Israel‘ (Lehnwort < gr. Israḗl). — atsteigadau: 3.sg.imp.präs. v.
atsteigan* st. V. 1 ‚hinabsteigen‘. — gasaiƕaima: 1.pl.opt.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. —
galaubjaima: 1.pl.opt.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — miþushramidans: nom.pl.m.
part.prät. v. miþushramjan* sw. V. 1 ‚zusammen kreuzigen‘; Kompositum mit got. hramjan* sw. V.
1 ‚kreuzigen‘. — idweitidedun: 3.pl.ind.prät. v. idweitjan sw. V. 1 ‚schmähen‘ (das Simplex ist im
Got. nicht bezeugt); ahd. itawīzen, aengl. edwītan; denominales V. zu got. idweit* n. a-St. ‚Schmach,
Schimpf‘; ahd. it(a)wīz, andl. edwīt, aengl. edwīt; Ableitung von der Wurzel in got. inweitan* st. V.
1 ‚Verehrung erweisen, begrüßen‘; zu got. id- s. iþ.
33 saihsto: nom.sg.f. v. saihsta* num ‚der sechste‘. — ƕeila: akk.sg. v. ƕeila f. ō-St. ‚Weile, Zeit,
Stunde‘. — niundon: akk.sg.f. v. niunda* num. ‚der neunte‘; ahd. niunto, as. nigundo, nigūtho,
frühmndl. neghende, aengl. nigoþa, afries. niugenda, niogenda, aisl. níundi.
34 niundon: akk.sg.f. v. niunda* num. ‚der neunte‘. — ƕeilai: dat.sg. v. ƕeila f. ō-St. ‚Weile, Zeit,
Stunde‘. — ailoe: ‚Eli‘ (Lehnwort < gr. elōí). — lima: ‚lama‘ (Lehnwort < gr. limá). — sibakþanei:
‚asabtani‘ (Lehnwort < gr. sibakthanei). — bilaist: 2.sg.ind.prät. v. bileiþan* st. V. 1 ‚verlassen,
zurücklassen‘.
35 atstandandane: gen.pl.m. part.präs. v. atstandan st. V. 6 ‚dabei stehen, eintreten‘; Kompositum mit
got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — Helian: akk. v. Helias (der Nom. ist auch als Heleias belegt) m.
‚Elia‘ (Lehnwort < gr. Ēlías, Ēleías). — wopeiþ: 3.sg.ind.präs. v. wopjan sw. V. 1 ‚rufen‘.
36 þragjands: nom.sg.m. part.präs. v. þragjan* sw. V. 1 ‚laufen‘; aengl. þrǣgan; vgl. serb. trčati. —
gafulljands: nom.sg.m. part.präs. v. gafulljan* sw. V. 1 ‚erfüllen‘; Kompositum mit got. fulljan* sw.
V. 1 ‚(an-)füllen‘. — swam: akk.sg. v. swamms* m. a-St. ‚Schwamm‘ (daneben auch einmal akk.sg.
[81]
<swamm> [Mt 27:48]); ahd. swam(m), mndd. swam(p), mndl. swam, aengl. swomm. — akeitis:
gen.sg. v. akeit(s)* m./n. a-St. ‚Essig‘ (daneben auch einmal gen.sg. <aketis> [Mt 27:48]) (Lehnwort
< lat. acētum). — galagjands: nom.sg.m. nom.sg. v. galagjan* sw. V. 1 ‚hinlegen‘. — raus: akk.sg.
v. raus* n. a-St. ‚Rohr‘. — dragkida: 3.sg.ind.prät. v. dragkjan* sw. V. 1 ‚tränken‘; Kausativbildung
zu got. drigkan st. V. 3 ‚trinken‘. — let: 2.sg.imp.präs. v. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen,
zurücklassen‘. — saiƕam: 1.pl.ind.präs. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — qimai-u: bestehend aus got.
qimai: 3.sg.opt.prät. v. qiman st. V. 4 ‚kommen‘ und got. -u: enklit. fragepart. — Helias: nom. m.
PersonenN ‚Elia‘. — athafjan: inf. st. V. 6 ‚herbanehmen‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Kompositum mit got. hafjan* st. V. 6 ‚heben‘.
37 letands: nom.sg.m. part.präs. v. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen, zurücklassen‘. — stibna:
akk.sg. v. stibna f. ō-St. ‚Stimme‘. — uzon: 3.sg.ind.prät. v. uzanan* st. V. 6 ‚ausatmen‘ (das Simplex
ist im Got. nicht belegt); vgl. ved. ániti ‚atmet‘, air. -ana ‚bleibt, wartet, hört auf‘, toch. B anāṣṣäṃ
‚atmet ein‘.
38 faurahah: nom.sg. n. a-St. ‚Vorhang‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes; daneben noch nom.sg.
<faurhah> [Mt. 27:51], das, außer man nimmt einen Schreibfehler an, einen eigenen Ansatz faurhah
verlangt); Ableitung von unbelegtem got. *faurahahan st. V. 7 ‚vor(an)hängen‘; Kompositum mit
got. hahan* st. V. 7 ‚hängen‘; (teils mit sekundärem -ng-) ahd., as. hāhan, andl. hān, aengl. hōn,
afries. huā, aisl. hanga; zu got. -hah vgl. ahd. -hāh (in bruohhāh ‚Gürtel‘). — als: gen.sg. v. alhs f.
kons.st. ‚(jüdischer) Tempel‘ (das -h- ist wohl wegen der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got.
ausgefallen). — disskritnoda: 3.sg.ind.prät. v. disskritnan* sw. V. 4 ‚zerreißen‘ (das Simplex ist im
Got. nicht belegt); Ableitung von got. disskreitan* st. V. 1 ‚zerreißen‘. — twa: akk.n. v. twai num.
‚zwei‘. — iupaþro: adv. ‚von oben her‘; Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -þro von got.
iup adv. ‚aufwärts‘.
39 hundafaþs: nom.sg. (-d-) m. i-St. ‚Hauptmann über hundert Mann‘; Kompositum aus got. hunda n.pl.
‚hundert‘ und got. -faþs (im Got. nicht als Simplex belegt) m. i-St. ‚Herr‘ (run. dat.sg. faþai
[Bügelfibel v. Charnay, 560–590]; vgl. ai. páti- ‚Herr, Besitzer, Gebieter, Gatte, Ehemann‘, jav.
paiti- ‚Herr, Gatte‘, gr. pósis ‚dass.‘, lat. potis ‚vermögend, mächtig‘, lit. pàts ‚Gatte, Gemahl‘, toch.
A pats ‚dass.‘). — atstandands: nom.sg.m. part.präs. v. atstandan st. V. 6 ‚dabei stehen, eintreten‘.
— hropjands: nom.sg.m. part.präs. v. hropjan sw. V. 1 ‚rufen‘.
40 wesun-uþ: bestehend aus got. wesun-: 3.pl.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘ und
got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘ (mit Assimilation -h – þ- > -þ – þ-). — qinons: nom.pl. v. qino f. n-St.
‚Weib‘. — saiƕandeins: nom.pl.f. part.präs. v. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — þaimei: dat.pl.f. v. saei
rel.pron. ‚welcher‘. — Magdalene: nom. f. PersonenN ‚Magdalena‘ (Lehnwort < gr. Magdalēnḗ). —
minnizins: gen.sg.m. komp. v. leitils adj. a-St. ‚klein, wenig‘; ahd. minniro, as. minnero, mndl.
minder(e), afries. minnera, aschwed. mindre, myndre, mynnere; Ableitung von der Wurzel in got.
mins adv. ‚weniger‘; ahd. min, as. minn, andl., aengl. min, afries. min(n), men, mēn, aisl. minnr, miðr;
vgl. lat. minōr, minus. — Iosezis: gen. v. Ioses* m. PersonenN ‚Joses‘ (Lehnwort < gr. Iōsēs). —
aiþei: nom.sg. f. n-St. ‚Mutter‘. — Salome: nom. f. PersonenN ‚Salome‘ (Lehnwort < gr. Salṓmē).
41 andbahtidedun: 3.pl.ind.prät. v. andbahtjan sw. V. 1 ‚leisten, dienen‘; ahd. ambahten, aengl.
ambehtan; Ableitung von der Wurzel in got. andbahts m. a-St. ‚Diener‘. — anþaros: nom.pl.f. v.
anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. — þozei: nom.pl.f. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. —
miþiddjedun: 3.pl.ind.prät. v. miþgaggan* suppl. st. V. 7 ‚mitgehen mit‘; Kompositum mit got.
gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — Iairusalem: akk. v. Iairusalem f. OrtsN ‚Jerusalem‘ (Lehnwort <
gr. Ierousalēm).
1.32. Markus 15:42–47: Jesu Grablegung
[82]
42 jah juþan at andanahtja waurþanamma, unte was paraskaiwe, saei ist fruma sabbato, 43
qimands Iosef af Areimaþaias, gaguds ragineis, saei was <jah> silba beidands þiudangardjos
gudis, anananþjands galaiþ inn du Peilatau jah baþ þis leikis Iesuis. 44 iþ Peilatus sildaleikida
ei is juþan gaswalt; jah athaitands þana hundafaþ frah ina jûþan gadauþnodedi. 45 jah
finþands at þamma hundafada fragaf þata leik Iosefa. 46 jah usbugjands lein jah usnimands ita
biwand þamma leina jah galagida ita in hlaiwa, þatei was gadraban us staina, jah atwalwida
stain du daura þis hlaiwis. 47 iþ Marja so Magdalene jah Marja Iosezis seƕun ƕar galagiþs
wesi.
42 andanahtja: dat.sg. v. andanahti n. ja-St. ‚Abend‘; Ableitungskompositum aus dem Präfix got.
anda- ‚(ent-)gegen‘ und got. nahts f. Kons.st. ‚Nacht‘. — waurþanamma: dat.sg.n. part.prät. v.
wairþan st. V. 3 ‚werden‘ (at andanahtja waurþanamma: Dat. absolutus zur Wiedergabe des gr. Gen.
absolutus). — paraskaiwe: nom.sg. f. ‚Rüsttag‘ (Lehnwort < gr. paraskeuḗ). — fruma: nom.sg.m.
komp. adj./num. ‚erster‘; aengl. frum ‚ursprünglich, erst‘, afries. frum- ‚erste‘, aisl. frum- ‚dass.‘; vgl.
? falisk. PRAMOD, PRAMED ‚erster, zuerst (?)‘, lit. pìrmas ‚erster‘. — sabbato: nom.sg. m.
‚Sabbat‘ (Lehnwort < gr. dat.sg. sabbátōi).
43 Areimaþaias: dat. v. Areimaþaia* m. OrtsN ‚Arimathäa‘ (Lehnwort < gr. Arimathaía). — gaguds:
nom.sg.m. (für +gaguþs) adj. ‚anständig, ehrbar‘ (mit analogischem -d statt -þ);
Ableitungskompositum mit dem Präfix got. ga- ‚mit‘ und got. guþ n. a-St. ,Gott‘. — ragineis:
nom.sg. m. ja-St. ‚Ratgeber, Ratsherr, Vormund‘; vgl. (mit abweichendem Suffixvokal) aisl. rǫgnir
‚Fürst‘; Ableitung von der Wurzel in got. ragin* n. a-St. ‚Rat, Beschluss‘. — beidands: nom.sg.m.
part.präs. v. beidan st. V. 1 ‚auf etw. warten‘; ahd. bītan, as., andl., aengl. bīdan, afries. bīda, aisl.
bíða; vgl. gr. peíthomai ‚gehorche‘, lat. fīdere ‚vertrauen‘. — anananþjands: nom.sg.m. part.präs. v.
anananþjan* sw. V. 1 ‚Mut fassen, sich erkühnen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd.
nenden, as. nāthian, andl. nenden, aengl. nēđan, afries. nētha, aisl. nenna. — Peilatau: dat.sg. v.
Peilatus m. PersonenN ‚Pilatus‘. — baþ: 3.sg.ind.prät. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘.
44 sildaleikida: 3.sg.ind.prät. v. sildaleikjan* sw. V. 1 ‚anstaunen, bewundern; staunen, sich wundern‘.
— athaitands: nom.sg.m. part.präs. v. athaitan* st. V. 7 ‚herbeirufen‘. — hundafaþ: akk.sg. v.
hundafaþs (-d-) m. i-St. ‚Hauptmann über hundert Mann‘. — jûþan: bestehend aus got. ju: adv.
‚schon, jetzt, nun‘, got. -u-: enklit. Fragepart. und got. þan: 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2.
anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘.
45 finþands: nom.sg.m. part.präs. v. finþan* st. V. 3 ‚erkennen, erfahren‘. — hundafada: akk.sg. v.
hundafaþs (-d-) m. i-St. ‚Hauptmann über hundert Mann‘. — fragaf: 3.sg.ind.prät. v. fragiban st. V.
5 ‚vergeben‘; Kompositum mit got. giban st. V. 5 ‚geben‘. — leik: akk.sg. v. leik n. a-St. ‚Körper,
Leib; Leichnam; Fleisch‘. — Iosefa: dat.sg. v. Iosef m. PersonenN ‚Josef‘ (mit analogischem -f- aus
dem Nom.Sg.; daneben ist einmal der Dat. als Ioseba [Sk 2:1] belegt).
46 usbugjands: nom.sg.m. part.präs. v. usbugjan* sw. V. 1 ‚erkaufen‘; Kompositum mit got. bugjan*
sw. V. 1 ‚kaufen‘; as. buggian, aengl. bycgan, aisl. byggja; vielleicht Ableitung von der Wurzel in
got. biugan* st. V. 2 ‚beugen‘; ahd. biogan neben as. būgan, frühmndl. būghen, aengl. būgan,
nwestfries. bûg(j)e, aisl. búga*; vgl. ai. -bhuját (in paribhuját ‚umschlingt‘), nruss. bgat’. — lein:
akk.sg. v. lein* n. a-St. ‚Leinwand‘; run. nom.sg. lina (Schaber / Schab-/Schrap-Messer von
Fløksand, 310/20–375/400), ahd., as. līn, andl. līn-, aengl. līn, afries. līn-, aisl. lín; entweder (wie air.
lín, toch. geg. lî, tosk. li) entlehnt aus oder etymologisch verwandt mit lat. līnum; vgl. (ablautend) gr.
línon, lit. lìnas, nruss. lën. — usnimands: nom.sg.m. part.präs. v. usniman* st. V. 4 ‚herausnehmen,
wegnehmen, mitnehmen‘; Kompositum mit got. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen,
empfangen, fangen‘. — ita: akk.sg.n. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘. — leina: dat.sg. v. lein* n. a-St.
‚Leinwand‘. — gadraban: die Form ist unsicher; regelmäßig als nom.sg.n. part.prät. v. gadraban*
st. V. 6 ‚aushauen‘ angesehen (das wäre der einzige Beleg des Wortes) (das Simplex wäre im Got.
[83]
nicht belegt); vgl. aksl. drobiti ‚zersplittern, zerreiben‘; da aber die Parallele im Ahd. bei Otfrid
4,35,36: in sinaz grab, in felison irgrabanaz ‚in sein Grab, in Felsen ausgegraben‘ bietet, liegt die
Annahme nahe, dass <gadraban> ein Schreibfehler für +gagraban ist; dann nom.sg.n. part.präs. v.
gagraban* st. V. 6 ‚graben‘; Kompositum mit got. graban st. V. 6 ‚graben‘; ahd. graban, as., andl.
gravan, aengl. grafan, afries. greva, grewa, grēva, griōwa, aisl. grafa; vgl. lett. grebt ‚schaben,
aushöhlen‘, aksl. greti ‚rudern, graben‘. — atwalwida: 3.sg.ind.prät. v. atwalwjan* sw. V. 1
‚hinzuwälzen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); aengl. wielwan; wohl Bildung zur Wurzel in
got. wilwan st. V. 3 ‚rauben‘. — daura: dat.sg. v. daur n. a-St. ‚Tor‘. — hlaiwis: gen.sg. v. hlaiw n.
a-St. ‚Grab‘.
47 galagiþs: nom.sg.m. part.prät. v. galagjan* sw. V. 1 ‚hinlegen‘.
1.33. Markus 16:1–8: Die Botschaft von Jesu Auferstehung
1 Jah inwisandins sabbate dagis Marja so Magdalene jah Marja so Iakobis jah Salome
usbauhtedun aromata, ei atgaggandeins gasalbodedeina ina. 2 jah filu air þis dagis
afarsabbate atiddjedun du þamma hlaiwa at urrinnandin sunnin. 3 jah qeþun du sis misso: ƕas
afwalwjai unsis þana stain af daurom þis hlaiwis? 4 jah insaiƕandeins gaumidedun þammei
afwalwiþs ist sa stains; was auk mikils abraba. 5 jah atgaggandeins in þata hlaiw gaseƕun
juggalauþ sitandan in taihswai biwaibidana wastjai ƕeitai; jah usgeisnodedun. 6 þaruh qaþ du
im: ni faurhteiþ izwis, Iesu sokeiþ Nazoraiu þana ushramidan; nist her, urrais, sai þana staþ
þarei galagidedun ina. 7 akei gaggiþ qiþid-uh du siponjam is jah du Paitrau þatei faurbigaggiþ
izwis in Galeilaian; þaruh ina gasaiƕiþ, swaswe qaþ izwis. 8 jah usgaggandeins af þamma
hlaiwa gaþlauhun; diz-uh-þan-sat ijos reiro jah usfilmei, jah ni qeþun mannhun waiht; ohtedun
sis auk.
1 inwisandins: gen.sg.m. part.präs. v. inwisan* unreg. st. V. ‚bevorstehen‘; Kompositum mit got. wisan
unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — sabbate: gen.pl. v. sabbato m. ‚Sabbat‘. — usbauhtedun:
3.pl.ind.prät. v. usbugjan* sw. V. 1 ‚erkaufen‘. — aromata: akk.pl. n. ‚Spezereien‘ (das ist der
einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. arṓmata). — atgaggandeins: nom.pl.f. part.präs. v.
atgaggan* suppl. st. V. 7 ‚hinzugehen, kommen‘. — gasalbodedeina: 3.pl.opt.prät. v. gasalbon* sw.
V. 2 ‚(be-)salben‘; Kompositum mit got. salbon sw. V. 2 ‚salben‘.
2 air: adv. ‚früh‘; ahd., as., andl. ēr, aengl. ǣr, ār, aisl. ǽr, afries. ēr; vgl. gr. ári- (in áriston ‚Frühstück‘
← ‚das, was in der Früh gegessen wird‘). — afarsabbate: gen.pl. v. afarsabbato* m. ‚Nachsabbat‘;
Kompositum aus dem Präfix got. afar- ‚nach‘ und got. sabbato m. ‚Sabbat‘. — urrinnandin: dat.sg.n.
part.präs. v. urrinnan* st. V. 3 ‚auslaufen, ausgehen‘. — sunnin: dat.sg. v. sunno f./n. n-St. ‚Sonne‘;
ahd., as. sunna, sunno, andl. sunna, aengl., afries. sunne, aisl. sunna; neben got. sauil n. a-St. ‚Sonne‘;
aisl. sól; vgl. ai. s rya-, av. huuar , gr. hḗlios, lat. sōl, lit. sáulė.
3 afwalwjai: 3.sg.opt.präs. v. afwalwjan* sw. V. 1 ‚wegwälzen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt;
s. atwalwjan*). — daurom: dat.pl. v. dauro* f. ‚(zweiflügeliges) Tor, Tür‘; Weiterbildung von der
Wurzel in got. daur n. a-St. ‚Tor‘.
4 insaiƕandeins: nom.pl.f. part.präs. v. insaiƕan st. V. 5 ‚hinsehen, ansehen, aufblicken‘. —
gaumidedun: 3.pl.ind.prät. v. gaumjan sw. V. 1 ‚bemerken‘. — afwalwiþs: nom.sg.m. part.prät. v.
afwalwjan* sw. V. 1 ‚wegwälzen‘. — stains: nom.sg. m. a-St. ‚Stein‘. — abraba: adv. ‚sehr‘;
Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu got. abrs adj. a-St.: ‚stark, heftig‘; aisl. afr- (in
afr[h]endr ‚mit starker Hand‘).
[84]
5 hlaiw: akk.sg. v. hlaiw n. a-St. ‚Grab‘. — juggalauþ: akk.sg. v. juggalauþs (-d-) m. i-St. ‚Jüngling‘;
Kompositum aus got. jugga- zu got. juggs* adj. ‚jung, jugendlich‘ (ahd., as., andl. jung, aengl.
g[e]ong, giong, gung, ging, afries. jung, iong, aisl. ungr; vgl. ai. yuvaśá-) und got. -lauþs m. i-St.
‚Gestalt‘ (als Simplex im Got. nicht belegt) (Ableitung von der Wurzel in ahd. liut, as. liud, andl.
liut, aengl. lēod, afries. liūde, liōde, lūde, aisl. lydr ‚Volk, Menschen‘; vgl. lit. liáudis ‚niederes Volk‘,
aksl. ljudьje ‚Leute‘; Ableitung von der Wurzel in got. liudan* st. V. 2 ‚wachsen‘; ahd. liotan, as.
liodan, aengl. leodan; vgl. ai. ródhati ‚wächst‘, jav. raoδəṇti ‚sie wachsen‘). — taihswai: dat.sg. v.
taihswa* f. wō-St. ‚die Rechte‘; ahd. zesawa; Substantivierung von der Wurzel in got. taihswa* adj.
sw. ‚rechts‘. — biwaibidana: akk.sg.m. part.prät. v. biwaibjan* sw. V. 1 ‚umwinden, umgeben,
umkleiden‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); aengl. wǣfan. — ƕeitai: dat.sg.f. v. ƕeits* adj.
‚weiß‘; ahd. wīz, as. hwīt, andl. wīt, aengl., afries. hwīt, aisl. hvítr neben mndd. witt, andl. wit, afries.
wit; vgl. (mit anderen Ablautstufen/Bildungen) ai. śvítna-, śvitrá-, śvetá-, av. spaēta-. —
usgeisnodedun: 3.pl.ind.prät. v. usgeisnan* sw. V. 4 ‚sich entsetzen, erstaunen‘ (das Simplex ist im
Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got. usgaisjan* sw. V. 1 ‚erschrecken‘; vgl. ved.
hinásti ‚verletzt‘.
6 im: dat.pl.f. v. is anaphor. pron. ‚er, der‘. — ushramidan: akk.sg.m. sw. part.prät. v. ushramjan sw. V.
1 ‚kreuzigen‘.
7 qiþid-uh: Zusammenrückung aus got. qiþid-: 2.pl.ind.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘ (mit fehlender Auslautverhärtung von -d- wegen der Position vor Vokal) und got. -(u)h:
enklit. Part. ‚und‘. — faurbigaggiþ: 3.sg.ind.präs. v. faurbigaggan* suppl. st. V. 7 ‚vorausgehen‘;
Kompositum mit got. gaggan st. V. 7 ‚gehen‘. — Galeilaian: akk. v. Galeilaia* f. LänderN ‚Galiläa‘.
8 usgaggandeins: nom.pl.f. part.präs. v. usgaggan suppl. st. V. 7 ‚aus-, hinausgehen‘. — diz-uh-þan-sat:
bestehend aus got. dissat: 3.sg.ind.prät. v. dissitan* st. V. 5 ‚ergreifen‘ (mit fehlender
Auslautverhärtung -z- wegen der Position vor Vokal), got. -(u)h-: enklit. Part. ‚und‘ und got. -þan-:
1. adv. ‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘. — reiro:
nom.sg. f. n-St. ‚Zittern, Erdbeben‘; Ableitung zu der Wurzel in got. reiran* sw. V. 3 ‚zittern‘;
Intensivbildung zur Wurzel in got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘.
1.34. Markus 16:9–20: Erscheinungen des Auferstandenen und Himmelfahrt
9 usstandands þan in maurgin frumin sabbato ataugida <sik> frumist Marjin þizai Magdalene,
af þizaiei uswarp sibun unhulþons. 10 soh gaggandei gataih þaim miþ imma wisandam,
qainondam jah gretandam. 11 jah eis hausjandans þatei libaiþ jah gasaiƕans warþ fram izai,
ni galaubidedun. 12 afar-uh þan þata twaim ize ataugiþs warþ in anþaramma farwa,
gaggandam du wehsa: 13 jah jainai galeiþandans gataihun þaim anþaraim; niþ þaim
galaubidedun. 14 bi spedistin þan anakumbjandam þaim ainlibim ataugida, jah idweitida
ungalaubein ize jah harduhairtein, unte þaim gasaiƕandam ina urrisanana, ni galaubidedun.
15 jah qaþ du im: gaggandans in þo manaseþ alakjo, merjaiþ þo aiwaggeljon allai þizai
gaskaftai. 16 jah sa galaubjands ufdaupiþs ganisiþ; iþ saei ni galaubeiþ, afdomjada. 17 aþþan
taikns þaim galaubjandam þata afargaggiþ: in namin meinamma unhulþons uswairpand,
razdom rodjand niujaim, 18 waurmans nimand, jah jabai ingibe ƕa drigkaina, ni þauh im
agljai; ana unhailans handuns uslagjand, jah waila wairþiþ im. 19 þanuh þan frauja Iesus afar
þatei rodida du im, usnumans warþ in himin jah gasat af taihswon gudis. 20 iþ jainai
usgaggandans meridedun and allata miþ fraujin gawaurstwin jah þata waurd tulgjandin þairh
þos afargaggandeins taiknins. amen.
[85]
9 maurgin: akk.sg. v. maurgins m. a-St. ‚Morgen‘. — frumin: dat.sg.m. v. fruma komp. adj./num.
‚erster‘. — sabbato: dat.sg. v. sabbato m. ‚Sabbat‘. — ataugida: 3.sg.ind.prät. v. ataugjan sw. V. 1
‚einem (dat.) etwas (akk.) zeigen‘. — frumist: akk.sg.n. v. frumists adj. superl. ‚erster‘. —
Magdalene: dat.sg. v. Magdalene f. PersonenN ‚Magdalena‘. — þizaiei: dat.sg.f. v. saei rel.pron.
‚welcher‘. — uswarp: 3.sg.ind.prät. v. uswairpan st. V. 3 ‚weg-, hinauswerfen, austreiben‘. — sibun:
num. ‚sieben‘; ahd. sibun, as. siƀun, andl. sivon, aengl. seofon, afries. si(u)gun, sawen, saun, aisl.
sjau; vgl. ai. saptá, av. hapta, gr. heptá, arm. ewtˁn, alb. shtatë, lat. septem, air. secht, lit. septynì,
aksl. sedmь, toch. A ṣpät.
10 gaggandei: nom.sg.f. part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — gataih: 3.sg.ind.prät. v.
gateihan* st. V. 1 ‚anzeigen, verkündigen‘. — wisandam: dat.pl.m. part.präs. v. wisan unreg. st. V.
‚(da)sein, existieren‘. — qainondam: dat.pl.m. part.präs. v. qainon sw. V. 2 ‚(be-)weinen,
(be-)trauern‘; aengl. cwānian, aisl. kveina. — gretandam: dat.pl.m. part.präs. v. gretan st. V. 7
‚weinen, klagen‘.
11 hausjandans: nom.pl.m. part.präs. v. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — libaiþ: 3.sg.ind.präs. v. liban sw.
V. 3 ‚leben‘. — gasaiƕans: nom.sg.m. part.prät. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘.
12 afar-uh: bestehend aus got. afar-: präp. + akk./dat. ‚nach; hinter‘ und got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘.
— twaim: dat.n. v. twai num. ‚zwei‘. — ataugiþs: nom.sg.m. part.prät. v. ataugjan sw. V. 1 ‚einem
(dat.) etwas (akk.) zeigen‘. — anþaramma: dat.sg.n. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. —
farwa: dat.sg. v. farw* n. a-St. ‚Aussehen, Gestalt‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); (mit
anderen Stammbildungen) ahd. far(a)wa, farawī, as. far(a)wi, frühmndl. varwe, afries. ferve, ferwe,
farwe. — gaggandam: dat.pl.m. part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — wehsa: dat.sg. v.
weihs* n. a-St. ‚Dorf, Weiler‘ (mit fehlerhaftem -e- statt -ei-).
13 anþaraim: dat.pl.m. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘.
14 ainlibim: dat. v. ainlif* (-b-) num. ‚elf‘; ahd. einlif, as. ēllevan, frühmndl. elf, aengl. en(d)lefan,
endlifan, afries. andlova, alleva, elleva, aisl. ellifu. — idweitida: 3.sg.ind.prät. v. idweitjan sw. V. 1
‚schmähen‘. — ungalaubein: akk.sg. v. ungalaubeins* f. i-St. ‚Unglaube, Ungehorsam‘; Bildung mit
der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und got. galaubeins f. i-St. ‚Glaube‘. — gasaiƕandam: dat.pl.m.
part.präs. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — urrisanana: akk.sg.m. part.prät. v. got. urreisan st. V.
1 ‚erstehen, sich erheben‘.
15 alakjo: adv. ‚insgesamt‘ (als Verstärkung gebraucht); (anders gebildet) ahd. alang, along ‚ganz und
gar‘, as. alung ‚ganz, ewig‘, afries. along, alang ‚dass.‘ und aengl. eallunga, eallinga ‚gänzlich‘, aisl.
ǫllungis ‚durchaus, vollständig‘; Ableitungen von der Wurzel in got. alan* st. V. 6 ‚wachsen‘. —
merjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘. — gaskaftai: dat.sg. v. gaskafts f. i-St.
‚Erschaffung; Geschöpf‘.
16 galaubjands: nom.sg.m. part.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — ufdaupiþs: nom.sg.m.
part.prät. v. ufdaupjan* sw. V. 1 ‚eintauchen‘. — ganisiþ: 3.sg.ind.präs. v. ganisan st. V. 5 ‚genesen,
errettet werden‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. nesan, as., andl. -nesan (in ginesan),
aengl. nesan, nwestfries. -nēze (in genēze); ai. nas- ‚sich glücklich vereinen, herantreten, sich
nähern‘, gr. néomai ‚komme zurück, kehre wieder, komme nach Hause‘. — afdomjada:
3.sg.ind.pass.präs. v. afdomjan sw. V. 1 ‚be-, verurteilen‘.
17 galaubjandam: dat.pl.m. part.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — afargaggiþ: 3.sg.ind.präs. v.
afargaggan suppl. st. V. 7 ‚nachgehen, folgen‘. — meinamma: dat.sg.n. v. meins poss.pron. ‚mein‘.
— uswairpand: 3.pl.ind.prät. v. uswairpan st. V. 3 ‚weg-, hinauswerfen, austreiben‘. — razdom:
dat.pl. v. razda f. ō-St. ‚Sprache, Sprechweise, Zunge‘. — rodjand: 3.pl.ind.präs. v. rodjan sw. V. 1
‚sprechen, reden‘. — niujaim: dat.pl.f. v. niujis adj. ‚neu‘; ahd., as., andl. niuwi, aengl. nī(e)we, afries.
nī, aisl. nýr; ai. návya-, umbr. nuvis, gall. in OrtsN Novio-, air. nuie, lit. naũjas.
18 waurmans: akk.pl. v. waurms m. a-St. ‚Wurm, Schlange‘; aisl. ormr neben (mit abweichender
Stammbildung) ahd., as., andl. wurm, aengl. wyrm, afries. wirm; vgl. lat. vermis. — nimand:
3.pl.ind.präs. v. niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — ingibe: gen.pl. v.
[86]
ingif* n. a-St. ‚Gift‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum aus dem Präfix got. in- ‚in-,
hinein-‘ und einer Ableitung von got. giban st. V. 5 ‚geben‘. — drigkaina: 3.pl.opt.präs. v. drigkan
st. V. 3 ‚trinken‘. — agljai: 3.sg.opt.präs. v. agljan* sw. V. 1 ‚schädigen‘ (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); ahd. egilen, mndd. ēichelen, eggelen, aengl. eglian; Ableitung von der Wurzel in got.
aglus* adj. ‚schwierig‘ (nur akk.sg.n. aglu [Mk 10:24]); aengl. egle. — uslagjand: 3.pl.ind.präs. v.
uslagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘; Kompositum mit got. lagjan sw. V. 1 ‚(auf-/hin-)legen‘.
19 usnumans: nom.sg.m. part.prät. v. usniman* st. V. 4 ‚herausnehmen, wegnehmen, mitnehmen‘.
20 fraujin: dat.sg. v. frauja m. n-St. ‚Herr‘. — gawaurstwin: dat.sg. v. gawaurstwa m. n-St.
‚Mitarbeiter‘; Ableitung zu got. waurstw n. a-St. ‚Werk, Tat, Wirksamkeit‘. — tulgjandin: dat.sg.m.
part.präs. v. tulgjan sw. V. 1 ‚festigen, stärken‘; Ableitung von der Wurzel in got. tulgus adj. ‚fest,
beständig‘; vgl. as. tulgo, aengl. tulge ‚sehr‘. — afargaggandeins: akk.pl.f. part.präs. v. afargaggan
suppl. st. V. 7 ‚nachgehen, folgen‘.
2.
Aus dem Alten Testament
2.1.
Nehemiah 5:14–18: Nehemia im Dienst seines Volkes
14 jah fram þamma daga ei anabauþ mis ei weisjau fauramaþleis ize in Iudaia, fram jera k
und jer l jah anþar Arta[r]ksairksaus þiudanis ib jera, ik jah broþrjus meinai hlaif
fauramaþleis meinis ni matidedum. 15 iþ fauramaþljos þaiei weisun faura mis kauridedun þo
managein jah nemun at im hlaibans jah wein jah nauhþanuh silubris sikle m , jah skalkos ize
fraujinodedun þizai managein; iþ ik ni tawida swa faura andwairþja agisis gudis. 16 jah
waurstw þizos baurgswaddjaus inswinþida, jah þaurp ni gastaistald, jah þiwos meinai jah allai
þai galisandans du þamma waurstwa. 17 jah Iudaieis jah þai fauramaþljos r jah n gumane
jah þai qimandans at unsis us þiudom þaim bisunjane unsis ana biuda meinamma andnumanai
weisun. 18 jah was fraquman dagis ƕizuh stiur a lamba gawalida q jah gaits [ a ] gamanwida
was mis; jah bi i dagans gaf wein allai þizai filusnai jah allai þizai managein; jah ana þo alla
hlaif fauramaþleis meinis ni sokida, in þis ei ni kauridedjau þo managein in þaim waurstwam
…
14 weisjau: 1.sg.opt.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘ (die Schreibung von zu
erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī). — fauramaþleis: nom.sg. m. ja-St. ‚Vorsteher, Gebieter,
Zollaufseher, Synagogenleiter, Statthalter‘; entweder Ableitung zu got. fauramaþli* n. ‚Oberbefehl‘
oder zu einem nicht überlieferten V. got. *fauramaþljan sw. V. 1 ‚vorsprechen, als erster sprechen‘.
— Iudaia: dat. v. Iudaia* f. GebietsN ‚Judäa‘. — jera: dat.sg. v. jer* n. a-St. ‚Jahr‘; ahd. jār, as. gēr,
jār, frühmndl. jaer, aengl. gēar, gēr, gǣr, afries. iēr, jēr, aisl. ár; vgl. kluw. āra/i- ‚Zeit‘, av.
yār- ‚Jahr‘, gr. hṓra ‚Jahreszeit, Tageszeit, Stunde‘. — jer: akk.sg. v. jer* n. a-St. ‚Jahr‘. — anþar:
akk.sg.n. v. anþar adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. — Arta[r]ksairksaus: gen. v. Artaksairksus*
m. PersonenN ‚Artaxerxes‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. Artaxerxēs). —
þiudanis: gen.sg. v. þiudans m. a-St. ‚König‘. — jera: akk.pl. v. jer* n. a-St. ‚Jahr‘. — broþrjus:
nom.pl. v. broþar m. r-St. ‚Bruder‘. — fauramaþleis: gen.sg. v. fauramaþli* n. ja-St. ‚Oberbefehl‘;
Rückbildung zu dem im Got. nicht belegten V. *fauramaþljan sw. V. 1 ‚vorsprechen, als erster
[87]
sprechen‘; Kompositum mit got. maþljan* sw. V. 1 ‚reden‘ (nur 1.sg.ind.präs. maþlja [Joh 14:30]);
ahd. mahalen, as. mahlian, mndl. malen, aengl. mæđlan, mǣlan, aisl. mæla; Ableitung von der
Wurzel in got. maþl* n. a-St. ‚Versammlungsort, Markt‘ (nur dat.sg. maþla [Mk 7:4]); lat.-germ.
MatronenN Machal-inehae, ahd. mahal, lgb. -mahal (in gamahalos pl. ‚Eideshelfer‘), as. mahal,
andl. māl- (in māldag ‚Hochzeitstag‘), aengl. mæđel, međel, mǣl, aisl. mál. — meinis: gen.sg.n. v.
meins poss.pron. ‚mein‘. — matidedum: 1.pl.ind.prät. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘.
15 fauramaþljos: nom.pl. v. fauramaþleis m. ja-St. ‚Vorsteher, Gebieter, Zollaufseher, Synagogenleiter,
Statthalter‘. — weisun: 3.pl.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘ (die Schreibung von
zu erwartendem -e- durch -ei- kommt in den Handschriften häufiger vor und ist wohl Ausdruck einer
spätgot. Lautentwicklung von ē zu ī). — kauridedun: 3.pl.ind.prät. v. kaurjan* sw. V. 1 ‚drücken,
belästigen‘; Ableitung von der Wurzel in got. kaurs* / kaurus* adj. i/ja- / u-St. ‚schwer, lästig‘ (nur
nom.pl.f. kaurjos [2.KorB 10:10]); vgl. ai. gurú-, av. gouru-, gr. barýs. — nemun: 3.pl.ind.prät. v.
niman st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — silubris: gen.sg. v. silubr* n. a-St.
‚Silber‘; (teils mit abweichendem Suffixform) ahd. sil(a)bar, as. siluƀar, andl. silver, aengl. siolfor,
seolfor, afries. selver, selover, aisl. silfr; vgl. lit. sidãbras, sudãbras, askl. sьrebro. — sikle: gen.pl.
v. sikls* m. ‚Sekel‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. síklos). — m : num.
‚vierzig‘. — skalkos: akk.pl. v. skalks m. a-St. ‚Knecht, Diener‘. — fraujinodedun: 3.pl.ind.prät. v.
fraujinon sw. V. 2 ‚herrschen über‘; Ableitung von der Wurzel in got. frauja m. n-St. ‚Herr‘. —
tawida: 1.sg.ind.prät. v. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘.
16 waurstw: akk.sg. v. waurstw n. a-St. ‚Werk, Tat, Wirksamkeit‘; Ableitung von got. waurkjan sw. V.
1 ‚machen, wirken‘. — baurgswaddjaus: gen.sg. v. baurgswaddjus f. u-St. ‚Stadtmauer‘;
Kompositum aus got. baurgs f. Kons.st. ‚Turm, Burg, Stadt‘ und got. -waddjus f. u-St. ‚Mauer‘ (als
Simplex im Got. nicht belegt); aengl. wǣg, aisl. veggr. — inswinþida: 1.sg.ind.prät. v. inswinþjan
sw. V. 1 ‚stärken‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); aengl. swīþan; Ableitung von der Wurzel
in got. swinþs* (-þ-) adj. a-St. ‚stark, kräftig, gesund‘. — þaurp: akk.sg. v. þaurp* n. a-St. ‚bebautes
Land, Acker‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. dorf, as. therp, threp, andl. thorp, aengl.
þorp, þrop, afries. thorp, therp, aisl. þorp. — gastaistald: 1.sg.ind.prät. v. gastaldan st. V. 7
‚erwerben, bekommen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); aengl. stealdan. — þiwos: nom.pl. v.
þius* m. wa-St. ‚Knecht‘; run. -þewaz (in nom.sg. PersonenN/BeiN o?wlþuþewaz
‚Ullr-/Glanz-Diener‘ [Ortband von Thorsberg, 210/220–250/260]), ahd. -dio (in dioheit ‚Demut,
Niedrigkeit‘), aengl. þēow, aisl. in PersonenN -þér, -þír. — galisandans: nom.pl.m. part.präs. v.
galisan* st. V. 5 ‚zusammenlesen, versammeln‘. — waurstwa: dat.sg. v. waurstw n. a-St. ‚Werk,
Tat, Wirksamkeit‘.
17 r : num. ‚hundert‘ (s. hunda). — n : num. ‚fünfzig‘. — gumane: gen.pl. v. guma m. n-St. ‚Mann‘;
westgot. in PersonenN Gum(e)-, Gom(e)-, burgund. PersonenN Guma, ahd. gomo, lgb. in PersonenN
Gume-, as. gumo, gomo, andl. -gomo (in brūdigomo ‚Bräutigam‘), aengl. guma, afries. -goma, -gama
(in breidgoma, bregama ‚Bräutigam‘), aisl. gumi; vgl. lat. homō, apreuß. smoy, alit. žmuõ. —
þiudom: dat.pl. v. þiuda f. ō-St. ‚Volk‘. — þaim: dat.pl.f. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — biuda:
dat.sg. v. biuþs* (-d-) m. a-St. ‚Tisch‘; ahd. biot, as. biod, aengl. bēod, aisl. bjóðr; wohl Ableitung
von der Wurzel in got. -biudan* ‚bieten‘ (s. anabiudan*). — meinamma: dat.sg.m. v. meins
poss.pron. ‚mein‘. — andnumanai: nom.pl.m. part.prät. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen,
empfangen‘.
18 fraquman: nom.sg.n. part.prät. v. fraqiman* st. V. 4 ‚verzehren, ausgeben, vertun‘; Kompositum mit
got. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — ƕizuh: gen.sg.m. v. ƕazuh pron. ‚jeder‘. — stiur: nom.sg. m. a-St.
‚(junger) Stier, Kalb‘; ahd. stior, mndd. stēr, andl. stier, aengl. stēr, afries. stiār, aisl. stjórr. — a :
num. ‚eins‘ (s. ains). — lamba: nom.pl. v. lamb* n. a-St. ‚Schaf‘; ahd., as. lamb, andl. lamp, aengl.
lamb, afries. lam, aisl. lamb; vgl. gr. élaphos ‚Hirsch, Hirschkuh‘. — gawalida: nom.pl.n. part.prät.
v. gawaljan* sw. V. 1 ‚erwählen‘; Kompositum mit got. waljan* sw. V. 1 ‚wählen‘; ahd. wellen, aisl.
velja; Ableitung von der Wurzel in got. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — q : num. ‚sechs‘ (= got. saihs*);
[88]
ahd., as. sehs, andl. sehs, ses, aengl. siex, afries. sex, six, ses, aisl. sex; vgl. ai. ṣáṣ-, jav. xšuuaš, gr.
hex, arm. vecˁ, lat. sex, air. sé. — gaits: nom.sg. f. Kons.st. ‚Ziege‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); ahd. geiz, as., andl. gēt, aengl. gāt, aisl. geit; vgl. lat. haedus, sabin. fēdus ‚Ziegenbock‘. —
gamanwida: nom.sg.f. part.prät. v. gamanwjan* sw. V. 1 ‚(zu-)bereiten zu‘. — i : num. ‚zehn‘ (=
got. taihun); ahd. zehan, as. tehan, andl. tēn, aengl. tīen, afries. tiān, aisl. tío; vgl. ai. dáśa, av. dasa,
gr. déka, arm. tasn, alb. dhjetë, lat. decem, air. dech, lit. dešimt, aksl. desętь, toch. A śäk, B śak. —
gaf: 1.sg.ind.prät. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — filusnai: dat.sg. v. filusna* f. ō-St. ‚Vielheit, Menge,
Übermaß‘; Ableitung von got. filu adv. ‚viel; sehr‘. — sokida: 1.sg.ind.prät. v. sokjan sw. V. 1
‚suchen, disputieren‘. — kauridedjau: 1.sg.opt.prät. v. kaurjan* sw. V. 1 ‚drücken, belästigen‘. —
þaim: dat.pl.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — waurstwam: dat.pl. v. waurstw n. a-St. ‚Werk, Tat,
Wirksamkeit‘.
2.2.
Nehemiah 6:15–19: Die Mauer wird vollendet
15 jah ustauhana warþ so baurgswaddjus e jah k daga menoþis Alulis, n dage jah b 16
jah warþ, swe hausidedun fiands unsarai allai, jah ohtedun allos þiudos þos bisunjane unsis,
jah atdraus agis in augona ize abraba; jah ufkunþedun þatei fram guda unsaramma warþ
usfulliþ þata waurstw. 17 jah in dagam jainaim managai weisun þize reikjane Iudaie, þaiei
sandidedun aipistulans du Tobeiin, jah Tobeias du im. 18 managai auk in Iudaia ufaiþjai
weisun imma, unte megs was Saixaineiins, sunaus Aieirins, jah Ioanan sunus is nam dauhtar
Maisaullamis, sunaus Barakeiins, du qenai. 19 jah rodidedun du imma waila in andwairþja
meinamma, jah waurda meina spillodedun imma, jah aipistulans insandida Tobeias ogjan mik.
15 ustauhana: nom.sg.f. part.prät. v. ustiuhan st. V. 2 ‚hinaus-, wegführen; entrichten; ausführen,
vollführen, vollenden‘. — baurgswaddjus: nom.sg. f. u-St. ‚Stadtmauer‘. — menoþis: gen.sg. v.
menoþs (-þ-) m. Kons.st. ‚Monat‘. — Alulis: gen.sg. v. Alul* m. PersonenN ‚Elul‘ (Lehnwort < gr.
Aloul).
16 hausidedun: 3.pl.ind.prät. v. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — fiands: nom.pl. v. fijands m. nd-St. ‚Feind‘
(häufiger sind die Schreibungen mit -ija-); (teilweise mit Suffixablaut) ahd. fī(j)ant, as. fīond, andl.
fīunt, aengl. fīond, afries. fīand, fīund, aisl. fjandi; Ableitung von der Wurzel in got. fi(j)an sw. V. 3
‚hassen‘; ahd. fīēn, mndd. vīen; selbst wieder eine Ableitung von got. faian* st. V. 7 ‚tadeln‘; vgl.
ved. p yati ‚schmäht, tadelt, beschimpft‘. — unsarai: nom.pl.m. v. unsar poss.pron. ‚unser‘. — allos:
nom.pl.f. v. alls adj. a-St. ‚all, jeder, ganz‘. — þiudos: nom.pl. v. þiuda f. ō-St. ‚Volk‘. — atdraus:
3.sg.ind.prät. v. atdriusan* st. V. 2 ‚fallen in‘; Kompositum mit got. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘. —
agis: nom.sg. n. a-St. ‚Furcht‘. — ufkunþedun: 3.pl.ind.prät. v. ufkunnan unreg. sw. V. 3 ‚erkennen‘.
— unsaramma: dat.sg.m. v. unsar poss.pron. ‚unser‘. — usfulliþ: nom.sg.n. part.prät. v. usfulljan
sw. V. 1 ‚erfüllen, vollenden, ersetzen, zusammenfassen‘; Kompositum mit got. fulljan* sw. V. 1
‚(an-)füllen‘. — waurstw: nom.sg. n. a-St. ‚Werk, Tat, Wirksamkeit‘.
17 dagam: dat.pl. v. dags m. a-St. ‚Tag‘. — jainaim: dat.pl.m. v. jains dem.pron. ‚jener‘. — reikjane:
gen.pl.m. sw. v. reiks* / reikeis* adj. i/ja- / ja-St. ‚edel, vornehm‘; ahd. rīchi, as. rīki, frühmndl. rike,
aengl. rīce, afries. rīk, aisl. ríkr; Ableitung von der Wurzel in got. reiks m. Kons.st. ‚Herrscher‘. —
sandidedun: 3.pl.ind.prät. v. sandjan sw. V. 1 ‚senden‘; ahd. senten, as. sendian, andl., aengl. sendan,
afries., aisl. senda; Ableitung zu der Wurzel in ahd. sinnan ‚reisen‘, aengl. sinnan ‚wandeln‘, afries.
sinna ‚sinnen, beabsichtigen‘. — aipistulans: akk.pl. v. aipistula* m. n-St. ‚Brief‘ (Lehnwort < lat.
epistula). — Tobeiin: dat. v. Tobeias m. PersonenN ‚Tobija‘ (Lehnwort < gr. Tōbías). — Tobeias:
nom. m. PersonenN ‚Tobija‘.
[89]
18 ufaiþjai: nom.sg.m. v. ufaiþs* / ufaiþeis* (-þ-) adj. i/ja- / ja-St. ‚durch Eid verpflichtet/verbunden‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); mit dem Präfix got. uf- ‚auf‘ gebildete Ableitung zu got.
aiþs* (-þ-) m. a-St. ‚Eid‘. — megs: nom.sg. m. a-St. ‚Schwiegersohn‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); ahd., as. māg, frühmndl. maech, aengl. mǣg, afries. mēch, aisl. mágr; wohl Ableitung von
der Wurzel in got. magus m. u-St. ‚Knabe‘. — Saixaineiins: gen. v. Saixaineia* m. PersonenN
‚Schechanja‘ (Lehnwort < gr. Sechenía[s]). — Aieirins: gen. v. Aieira* m. PersonenN ‚Arach‘
(Lehnwort < gr. Ēira). — Ioanan: nom. m. PersonenN ‚Johanan‘ (Lehnwort < gr. Iōanan). —
dauhtar: akk.sg. v. dauhtar f. r-St. ‚Tochter‘; run. nom.pl. dohtriz (Stein von Tune, 375/400–520/30),
ahd. tohter, as. dohtar, andl. dohter, aengl. dohtor, afries. dochter, dōchter, aisl. dóttir; vgl. ai.
duhitár-, aav. dugǝdar-, jav. duγδar-, gr. thygátēr, arm. dowstr, gall. duχtir, lit. dukt , toch. A ckācar,
B tkācer. — Maisaullamis: gen. v. Maisaullam* m. PersonenN ‚Meschullam‘ (Lehnwort < gr.
Mesollám). — Barakeiins: gen. v. Barakeias* m. PersonenN ‚Berechja‘ (Lehnwort < gr. Barachías).
— qenai: dat.sg. v. qens f. i-St. ‚Ehefrau‘.
19 rodidedun: 3.pl.ind.prät. v. rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘. — meina: akk.pl.n. v. meins poss.pron.
‚mein‘. — spillodedun: 3.pl.ind.prät. v. spillon* sw. V. 2 ‚künden‘. — ogjan: inf. sw. V. 1
‚schrecken‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); aengl. -ēgan (in onēgan ‚fürchten‘), aisl. ǿgja;
Ableitung von der Wurzel in got. ogan* prät.präs. ‚fürchten; (refl.) sich fürchten‘.
3.
Aus den Paulinischen Briefen
3.1.
2. Brief des Paulus an die Thessaloniker
inc:
A
Aipistaule Pawlaus du Þaissalauneikaium b anastodeiþ.
Du Þaissalauneikaium anþara.
A+B
1:1
Pawlus jah Silbanus jah Teimauþaius aikklesjon Þaissalauneikaie in guda attin
unsaramma jah fraujin Iesu Xristau.
A+B
1:2
ansts izwis jah gawairþi fram guda attin unsaramma jah fraujin Iesu Xristau.
A+B
1:3
awiliudon skulum guda sinteino in izwara, broþrjus, swaswe wairþ ist, unte
ufarwahseiþ galaubeins izwara jah managniþ friaþwa ainƕarjizuh allaize izwara in izwis
misso;
A
1:4
swaei weis silbans in izwis ƕopam in aikklesjom gudis in stiwitjis izwaris jah
galaubeinais in allaim wrakjom izwaraim jah aglom þozei usþulaiþ,
B
swaei weis silbans izwis ƕopam in aikklesjom gudis in stiwitjis izwaris jah
galaubeinais in allaim wrakjom izwaraim jah aglom þozei usþulaiþ,
A
1:5
taikn garaihtaizos stauos gudis du wairþans briggan izwis þiudangardjos gudis, in
þizozei jah þulaiþ;
B
taikn garaihtaizos stauos gudis du wairþans briggan izwis þiudangardjos gudis, in
þizozei jah winniþ;
A
1:6
sweþauh jabai garaiht ist at guda usgildan þaim gaþreihandam izwis aggwiþa,
B
sweþauh …
A
1:7
jah izwis gaþulandam iusila miþ uns in andhuleinai fraujins unsaris Iesuis af himinam
miþ aggilum mahtais is,
B
[90]
A
1:8
in funins lauhmonjai gibandins fraweit ni kunnandam guþ jah ni ufhausjandam
aiwaggeljon fraujins unsaris Iesuis Xristaus,
A
1:9
þaiei fraweit andnimand, fralust aiweinon fram andwairþja fraujins jah fram wulþau
mahtais is,
1:10 Aþan qimiþ ushauhnan in þaim weiham seinaim, jah sildaleiknan in allaim þaim
galaubjandam, unte galaubida ist weitwodei unsara du izwis in daga jainamma.
1:11 Adu þammei jah bidjam sinteino bi izwis ei izwis wairþans briggai þizos laþonais guþ
unsar jah fulljai alla leikain þiuþeinais seinaizos jah waurstw galaubeinais in mahtai,
1:12 Aei ushauhnai namo fraujins unsaris Iesuis Xristaus in izwis jah jus in imma bi anstai
gudis unsaris jah fraujins unsaris Iesuis Xristaus.
A
2:1
aþþan bidjam izwis, broþrjus, in qumis fraujins unsaris Iesuis Xristaus jah gaqumþais
unsaraizos du imma,
A
2:2
du ni sprauto wagjan izwis fram ahin nih drobnan, nih þairh ahman nih þairh waurda
nih þairh aipistaulein swe þairh uns, <swe> þatei instandai dags Xristaus.
A
2:3
ni ƕashun izwis usluto ƕamma haidau, unte niba qimiþ afstass faurþis, jah andhulids
wairþai manna frawaurhtais, sunus fralustais,
A
2:4
sa andstandands jah ufarhafjands sik ufar all qiþanaize guþ aiþþau [allata]
blotinassu, swaei <ina> in alh gudis gasitan, ustaiknjandan …
…
2:16 Baþþan silba frauja unsar Iesus Xristus jah guþ jah atta unsar saei frijoda uns jah atgaf
gaþlaiht aiweina jah wen goda in anstai,
2:17 Bgaþrafstjai hairtona izwara jah gatulgjai in allaim waurstwam jah waurdam godaim.
B
3:1
þata anþar gabidjaiþ jah bi unsis, broþrjus, ei waurd fraujins þragjai jah mikiljaidau,
swaswe jah at izwis,
B
3:2
jah ei uslausjaindau af gastojanaim jah ubilaim mannam; ni auk ist allaim galaubeins.
B
3:3
aþþan triggws frauja saei gatulgeiþ izwis jah galausjai izwis af þamma ubilin.
B
3:4
aþþan gatrauam in fraujin in izwis, ei þatei anabudum izwis, jah taujiþ jah taujan
habaiþ.
B
3:5
iþ frauja garaihtjai hairtona izwara in friaþwai gudis jah in usþulainai Xristaus.
B
3:6
aþþan anabiudam izwis, broþrjus, in namin fraujins unsaris Iesuis Xristaus, ei
gaskaidaiþ izwis af allamma broþre ƕairbandane ungatassaba jah ni bi anafilham þoei
andnemuþ at uns.
A
3:7
… ist galeikon unsis, unte ni ungatewidai wesum in izwis,
B
silbans auk kunnuþ ƕaiwa skuld ist galeikon unsis, unte ni ungatewidai wesum in izwis,
A
3:8
nih arwjo hlaif matidedum at ƕamma, ak winnandans arbaidai naht jah daga
waurkjandans, ei ni kauridedeima ƕana izwara.
B
ni arwjo hlaib matidedum at ƕamma, ak winnandans arbaidai naht jah daga
waurkjandans, ei ni kauridedeima ƕana izwara.
A+B
3:9
ni þatei ni habaidedeima waldufni, ak ei uns silbans du frisahtai gebeima <izwis>
du galeikon unsis.
3:10 Ajah auk þan wesum at izwis, þata izwis anabudum, ei jabai ƕas ni wili waurkjan, nih
matjai.
B
jah auk þan wesum at izwis, þata izwis anabudum, ei jabai ƕas ni wili waurkjan, ni
matjai.
[91]
3:11 A+Bhausjam auk sumans ƕairbandans in izwis ungatassaba, ni waiht waurkjandans, ak
fairweitjandans.
3:12 Aþaimuh swaleikaim anabiudam jah bidjam in fraujin Iesua Xristau, ei miþ rimisa
waurkjandans seinana hlaif matjaina.
B
þaimuh swaleikaim anabiudam jah bidjam in fraujin Iesua Xristau, ei miþ rimisa
waurkjandans seinana hlaib matjaina.
3:13 A+Baþþan jus, broþrjus, ni wairþaiþ usgrudjans waila taujandans.
3:14 A+Biþ jabai ƕas ni ufhausjai waurda unsaramma þairh þos bokos, þana gatarhjaiþ; ni
blandaiþ izwis miþ imma, ei gaskamai sik.
3:15 Ajan ni swaswe fijand ina rahnjaiþ, ak talzjaiþ swe broþar.
B
jah ni swaswe fijand ina rahnjaiþ, ak talzjaiþ swe broþar.
A+B
3:16
aþþan silba frauja gawairþeis gibai izwis gawairþi sinteino in allaim stadim; frauja
miþ allaim izwis.
3:17 A+Bso goleins meinai handau Pawlaus, þatei ist bandwo ana allaim aipistaulem
meinaim; swa melja.
3:18 A+Bansts fraujins unsaris Iesuis Xristaus miþ allaim izwis. amen.
exp: BDu Þaissalauneikaium anþara ustauh.
inc: aipistaule: nom.sg. f. n-St ‚Brief‘ (Lehnwort < gr. epistolḗ). — Pawlaus: gen. v. Pawlus m.
PersonenN ‚Paulus‘ (Lehnwort < gr. Paũlos). — Þaissalauneikaium: dat.pl. v. Þaissalauneikaius*
m. u-St. EinwohnerN ‚Thessaloniker‘ (Lehnwort < gr. Thessalonikeús) (A-ei- : B-e- entweder
unterschiedliche Wiedergaben von gr. -i- bzw. -ei- oder -e- ist Verschreibung für -e- bzw. -ei-). —
anastodeiþ: 3.sg.ind.präs. v. anastodjan* sw. V. 1 ‚anfangen, anheben‘ (das Simplex ist im Got. nicht
belegt); Ableitung von der Wurzel in got. standan st. V. 6 ‚stehen‘.
1:1 Pawlus: nom. m. PersonenN ‚Paulus‘. — Silbanus: nom. m. u-St. PersonenN ‚Silvanus‘ (Lehnwort
< lat. Silvanus). — Teimauþaius: nom. m. u-St. PersonenN ‚Timotheus‘ (Lehnwort < gr. Timótheos).
— aikklesjon: dat.sg. v. aikklesjo f. n-St. ‚Gemeinde, Gotteshaus‘ (Lehnwort < gr. ekklēsía). —
Þaissalauneikaie: gen.pl. v. Þaissalauneikaius* m. u-St. EinwohnerN ‚Thessaloniker‘. — Xristau:
dat. v. Xristus m. BeiN ‚Christus‘.
1:2 ansts: nom.sg. f. i-St. ‚Freude, Dank, Gnade, Gunst, Gnadengabe‘.
1:3 awiliudon: inf. sw. V. 2 ‚danken‘. — skulum: 1.pl.ind.präs. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein,
sollen‘. — izwara: gen. v. jus pers.pron. ‚ihr‘. — wairþ: nom.sg.n. v. wairþs (-þ-) adj. a-St. ‚wert,
würdig, tauglich‘. — ufarwahseiþ: 3.sg.ind.präs. v. ufarwahsjan* st. V. 6 ‚überaus wachsen, sich
stark vermehren‘ (dies sind die einzigen beiden Belege dieses Wortes); Kompositum mit got wahsjan
st. V. 6 ‚wachsen (lassen), vermehren‘. — galaubeins: nom.sg. f. i-St. ‚Glaube‘. — izwara: nom.sg.f.
v. izwar poss.pron. ‚euer‘. — managniþ: 3.sg.ind.präs. v. managnan* sw. V. 4 ‚reichlich vorhanden
sein‘; Ableitung von got. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘. — friaþwa: nom.sg. f. ō-St. ‚Liebe‘
(daneben auch Schreibungen mit -ija-); (?) aengl. frēod f. ‚Liebe, Freundschaft‘; Ableitung von der
Wurzel in got. freis adj. ja-St. ‚frei‘. — ainƕarjizuh: gen.sg.m. v. ainƕarjizuh pron. ‚ein jeder‘;
Kompositum von got. ains adj. a-St./num. ‚ein‘ und got. ƕarjizuh: nom.sg.m. pron. ‚jeder‘. —
allaize: gen.pl.m. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘.
1:4 swaei: konj. ‚so dass, daher, also‘; Zusammenrückung aus got. swa adv. ‚so‘ und got. ei konj. ‚damit,
dass‘. — silbans: nom.pl.m. v. silba pron. ‚selbst‘. — in: fehlt in B. — ƕopam: 1.pl.ind.präs. v. ƕopan
st. V. 7 ‚sich rühmen‘; aengl. hwōpan. — aikklesjom: dat.pl. v. aikklesjo f. n-St. ‚Gemeinde,
Gotteshaus‘. — stiwitjis: gen.sg. v. stiwiti* n. ja-St. ‚Geduld, geduldiges Ertragen‘; ohne Etymologie.
— izwaris: gen.sg.n. v. izwar poss.pron. ‚euer‘. — galaubeinais: gen.sg. v. galaubeins f. i-St.
‚Glaube‘. — wrakjom: dat.pl. v. wrakja f. ō-St. ‚Verfolgung‘; ahd. recha- (in rechagern
[92]
‚rachbegierig‘), afries. wretse; Ableitung von der Wurzel in got. wrikan* st. V. 5 ‚verfolgen‘; ahd.
rechan, as. wrekan, andl. -wrekan (in giwrekan ‚sich rächen, Rache nehmen‘), aengl. wrecan, afries.
wreka, wraka, wrēka, aisl. reka; vgl. ved. (part.) vrájant- ‚gehend, wandelnd‘. — izwaraim: dat.pl.f.
izwar poss.pron. ‚euer‘. — aglom: dat.pl. v. aglo f. n-St. ‚Drangsal‘; Ableitung von der Wurzel in
got. aglus* adj. ‚schwierig‘. — usþulaiþ: 2.pl.ind.präs. v. usþulan sw. V. 3 ‚erdulden, ertragen, sich
annehmen‘; Kompositum mit got. þulan sw. V. 3 ‚dulden‘.
1:5 garaihtaizos: gen.sg.f. v. garaihts adj. a-St. ‚gerecht‘; ahd. gireht, mndd., mndl. gerecht;
Kompositum mit dem Präfix got. ga- ‚zusammen, mit‘ und got. raihts* adj. a-St. ‚recht, gerade‘. —
stauos: gen.sg. v. staua f. ō-St. ‚Gericht, Urteil, Streitsache‘; ahd. stūa- (in stūatago ‚letztes Gericht‘),
aengl. stōw, afries. stō, aisl. -stó (in eldstó ‚Feuerstelle); vgl. lit. stovà ‚Stand, Platz‘. — wairþans:
akk.pl.m. v. wairþs (-þ-) adj. a-St. ‚wert, würdig, tauglich‘. — briggan: inf. anom. V. ‚bringen‘. —
A
þulaiþ: 2.pl.ind.präs. v. þulan sw. V. 3 ‚dulden‘; ahd. dolēn, aisl. þola; vgl. (anders gebildet)
gr. -téllō (in anatéllō ‚lasse aufgehen, bringe hervor‘), lat. tollere ‚aufheben, wegtragen‘. — Bwinniþ:
2.pl.ind.präs. v. winnan st. V. 3 ‚leiden‘; ahd., as., andl., aengl. winnan, afries. winna, aisl. vinna;
ved. vanóti ‚gewinnt, überwältigt‘.
1:6 sweþauh: adv. ‚doch, wenigstens‘; aengl. swāþēah; Kompositum aus got. swe adv., konj. ‚wie; als,
da‘ und got. þauh 1. konj. ‚als, oder‘, 2. adv. ‚doch, wohl, etwa‘. — garaiht: nom.sg.n. v. garaihts
adj. a-St. ‚gerecht‘. — usgildan: inf. st. V. 3 ‚vergelten‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt). —
gaþreihandam: dat.pl.m. part.präs. v. gaþreihan* st. V. 1 ‚bedrängen‘ (dies ist der einzige Beleg
dieses Wortes); Kompositum mit got. þreihan* st. V. 1 ‚drängen‘; (mit analogischem Ausgleich)
ahd. dringan, as. thringan, frühmndl. dringhen, aengl. þringan, aisl. þryngva; vgl. mkymr. trenghit
‚vergeht‘, lit. triñkti ‚waschen, schelten, schlagen‘. — aggwiþa: akk.sg. v. aggwiþa f. ō-St. ‚Enge,
Bedrängnis‘; ahd. engida, (?) as. engitha, aisl. øngd; Ableitung von der Wurzel in got. aggwus* adj.
u-St. ‚eng‘; (anders gebildet) ahd., as. engi, frühmndl. enghe, aengl. enge, nwestfries. eang, aisl.
ǫngr, øngr; ai. aṁhu-, arm. anjowk, lat. angi-, aksl. ǫzъkъ.
1:7 gaþulandam: dat.pl.m. part.präs. v. gaþulan sw. V. 3 ‚erdulden‘; Kompositum mit got. þulan sw. V.
3 ‚dulden‘. — iusila: akk.sg. v. iusila f. ō-St. ‚Erholung‘; Ableitung von der Wurzel in got. iusiza
komp. adj. ‚besser‘ (nur GalA 4:1). — andhuleinai: dat.sg. v. andhuleins* f. i-St. ‚Enthüllung,
Offenbarung‘; Ableitung von got. andhuljan sw. V. 1 ‚enthüllen‘. — aggilum: dat.pl. v. aggilus m.
u-St. ‚Engel‘.
1:8 funins: gen.sg. v. fon n. unreg. n-St. ‚Feuer‘; aisl. funi, (mit Weiterbildung) ahd. funko, mndd. vunke,
mndl. vonke, mengl. fǒnke, funke ‚Funke‘ neben ahd., as. fiur, andl. fuir, aengl. fȳr, afries. fiūr, fiōr
‚Feuer‘; vgl. arm. hnocˁ ‚Feuerstätte, Ofen‘ neben heth. pahhur-, gr. pũr, arm. howr ‚Feuer‘. —
lauhmonjai: dat.sg. v. lauhmuni f. jō-St. ‚Blitz‘ (mit fehlerhaftem -o- für -u-); (anders gebildet) as.
liomo ‚Strahl, Schein‘, aengl. lēoma ‚dass.‘, aisl. ljómi ‚Glanz, Licht, Schwert‘; vgl. (anders gebildet)
lat. lūmen ‚Licht, Leuchte‘. — gibandins: gen.sg.m. part.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘. — fraweit:
akk.sg. v. fraweit n. a-St. ‚Strafe‘; Ableitung von got. fraweitan st. V. 1 ‚rächen, Recht verschaffen‘
(das Simplex ist im Got. nicht belegt) (s. inweitan*). — kunnandam: dat.pl.m. part.präs. v. kunnan
prät.präs. ‚kennen, wissen‘. — ufhausjandam: dat.pl.m. part.präs. v. ufhausjan sw. V. 1 ‚gehorchen;
sich an etwas halten‘.
1:9 andnimand: 3.pl.ind.präs. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘. — fralust: akk.sg. v.
fralusts f. i-St. ‚Verderben‘; ahd., as. farlust; Ableitung von der Wurzel in got. fraliusan* st. V. 2
‚verlieren‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. firliosan, as. farliosan, andl. farliesan, aengl.
forlēosan, afries. forliāsa; s-Erweiterung zur Wurzel in gr. lýō ‚löse, befreie‘, lat. luō ‚büße, zahle‘.
— aiweinon: akk.sg.f. sw. v. aiweins* adj. ‚ewig‘; ahd. ēwīn, as. ēwin; Ableitung von der Wurzel in
got. aiws* m. a/i-St. ‚Zeit, Ewigkeit‘. — wulþau: dat.sg. v. wulþus m. u-St. ‚Herrlichkeit‘.
1:10 ushauhnan: inf. sw. V. 4 ‚verherrlicht werden‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung
von got. hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘. — weiham: dat.pl.m. sw. v. weihs adj. a-St. ‚heilig‘. —
sildaleiknan: sw. V. 4 ‚bewundert werden‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von
[93]
got. sildaleiks* adj. a-St. ‚erstaunlich, wunderbar‘. — galaubida: nom.sg.f. part.prät. v. galaubjan
sw. V. 1 ‚glauben‘. — weitwodei: nom.sg. f. n-St. ‚Zeugnis(ablegung)‘; Ableitung von got.
weitwoþs* (-d-) m. Kons.st. ‚Zeuge‘. — unsara: nom.sg.f. v. unsar poss.pron. ‚unser‘. — jainamma:
dat.sg.m. v. jains dem.pron. ‚jener‘.
1:11 þammei: dat.sg.n. v. saei rel.pron. ‚welcher‘. — bidjam: 1.pl.ind.präs. v. bidjan st. V. 5 ‚bitten,
beten, betteln‘. — briggai: 3.sg.opt.präs. v. briggan anom. V. ‚bringen‘. — laþonais: gen.sg. v.
laþons f. i-St. ‚Einladung, Berufung, Trost, Erlösung‘; Ableitung von got. laþon sw. V. 2 ‚einladen‘;
ahd. ladōn, as., andl. lathon, afries. lathia, ladia, laia, aengl. laþian, aisl. laða; Ableitung von der
Wurzel in got. laþa- (in laþaleiko adv. ‚gern‘). — fulljai: 3.sg.opt.präs. v. fulljan* sw. V. 1
‚(an-)füllen‘; Ableitung von der Wurzel in got. fulls adj. ‚voll‘. — leikain: akk.sg. v. leikains* f. i-St.
‚Wohlgefallen, Gutdünken; Vorsatz‘; Ableitung zu got. leikan* sw. V. 3 ‚gefallen, zu Gefallen sein‘.
— þiuþeinais: gen.sg. v. þiuþeins f. i-St. ‚Güte, Segen‘; Ableitung von got. þiuþjan* sw. V. 1
‚segnen‘. — seinaizos: gen.sg.f. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘. — mahtai: dat.sg. v. mahts f. i-St.
‚Macht, Kraft, Vermögen‘.
1:12 ushauhnai: 3.sg.opt.präs. v. ushauhnan sw. V. 4 ‚verherrlicht werden‘.
2:1 qumis: gen.sg. v. qums m. i-St. ‚Kommen, Christi Erscheinen vor Gericht, Gegenwart‘; as. kumi,
aengl. cyme, afries. keme; Ableitung von der Wurzel in got. qiman st. V. 4 ‚kommen‘. — gaqumþais:
gen.sg. v. gaqumþs* (-þ-) f. i-St. ‚Zusammenkunft, Versammlung, Vereinigung‘; Ableitung zu got.
gaqiman* st. V. 4 ‚zusammenkommen‘. — unsaraizos: gen.sg.f. v. unsar poss.pron. ‚unser‘.
2:2 wagjan: inf. sw. V. 1 ‚schütteln‘; ahd. weggen, as. weggian, mndl. weggen; Ableitung von der
Wurzel in got. +wigan st. V. 5 ‚bewegen‘. — ahin: dat.sg. v. aha m. n-St. ‚Sinn, Verstand‘; weitere
Etymologie unklar. — drobnan: inf. sw. V. 4 ‚in Bestürzung geraten‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); Ableitung zur Wurzel in ahd. truobi, as. drōbi, frühmndl. droeve, aengl. drōf ‚trübe‘. —
ahman: akk.sg. v. ahma m. n-St. ‚Geist‘. — aipistaulein: akk.sg. v. aipistaule f. n-St ‚Brief‘. —
instandai: 3.sg.opt.präs. v. instandan* st. V. 6 ‚bevorstehen‘; Kompositum mit got. standan st. V. 6
‚stehen‘.
2:3 ƕashun: nom.sg.m. indef.pron. ‚jemand‘ (das Pron. kommt nur mit got. ni ‚nicht‘ negiert vor);
Zusammenrückung aus got. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?; irgendeiner‘ und got. -hun, Silbe zur
Bildung gewisser Pron. — usluto: 3.sg.opt.präs. v. usluton* ‚verführen, irre führen‘; Kompositum
mit got. luton* sw. V. 2 ‚täuschen‘. — ƕamma: dat.sg.m. v. ƕas frage-/indef.pron. ‚wer?;
irgendeiner‘. — haidau: dat.sg. v. haidus* m. u-St. ‚Art und Weise‘; ahd. heit, as. hēd ‚Amt,
Rangstufe‘, andl. -heid(e), aengl. hād, hǣd m. ‚Person, Rang, Stand‘, afries. (nur als
Suffix) -hēd, -heid ‚-heit‘, aisl. heiðr m. ‚Ehre, Rang, Lohn‘; vgl. ai. ketú- ,Licht, Bild, Gestalt‘. —
afstass: nom.sg. f. i-St. ‚Abfall‘; Ableitung von got. afstandan* st. V. 6 ‚abstehen, abfallen,
ablassen‘; Kompositum mit got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — faurþis: adv. ‚zuvor, früher‘;
Zusammenrückung aus got. faur 1. adv. ‚voraus‘, 2. präp. + akk. ‚vor – hin, längs – hin, an; für, um
– willen, über, inbetreff‘ und got. þis gen.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘; ahd. fore des ‚vor dem‘.
— andhulids: nom.sg.m. part.prät. v. andhuljan sw. V. 1 ‚enthüllen‘ (mit
analogischem -d- statt -þ- [so Joh 12:38]); Kompositum mit got. huljan sw. V. 1 ‚(ver-)hüllen‘. —
frawaurhtais: gen.sg. v. frawaurhts f. i-St. ‚Sünde‘. — fralustais: gen.sg. v. fralusts f. i-St.
‚Verderben‘.
2:4 andstandands: nom.sg.m. part.präs. v. andstandan st. V. 6 ‚entgegenstehen, widerstehen,
widerstreiten‘; Kompositum mit got. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — ufarhafjands: nom.sg.m. part.präs.
v. ufarhafjan* st. V. 6 ‚überheben‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got.
hafjan* st. V. 6 ‚heben‘. — qiþanaize: gen.pl.n. part.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘. — blotinassu: akk.sg. v. blotinassus* m. u-St. ‚Verehrung‘; Ableitung von got. blotan
st. V. 7 ‚verehren‘; ahd. bluozan, aengl. blōtan, aisl. blóta. — alh: dat.sg. v. alhs f. Kons.st.
‚(jüdischer) Tempel‘. — gasitan: inf. st. V. 5 ‚sich niedersetzen, Platz nehmen‘. — ustaiknjandan:
akk.sg.m. part.präs. v. ustaiknjan sw. V. 1 ‚bezeichnen, auszeichnen, erweisen‘; Kompositum mit
[94]
got. taiknjan* sw. V. 1 ‚zeigen‘; (teils anders gebildet) ahd. zeichanen, as. tēknian, andl. tēkanen,
aengl. tǣcnan, afries. tēknia, aisl. teikna; Ableitung von got. taikns f. i-St. ‚Zeichen, Wunder,
Anzeichen‘.
2:16 gaþlaiht: akk.sg. v. gaþlaihts* f. i-St. ‚Trost‘; Ableitung von got. gaþlaihan st. V. 1/5/7 ‚ermahnen,
trösten‘. — aiweina: akk.sg.f .v aiweins* adj. ‚ewig‘. — wen: akk.sg.f. v. wens f. i-St. ‚Hoffnung‘;
afries., aengl. wēn, aisl. ván neben (anders gebildet) ahd., as., andl. wān; Ableitung von der Wurzel
in got. unwunnands part.präs. ‚beängstigt, bekümmert‘ (nur nom.sg.m. PhilB 2:26); (unterschiedlich
gebildet) ahd. wonēn, as. wonōn, andl. wonon, aengl. wunian, afries. wunia, wenia, aisl. una ‚bleiben,
wohnen, zufrieden sein‘; vgl. ved. vánate ‚liebt, hat Gefallen an‘. — goda: akk.sg.f. v. goþs (-d-) adj.
a-St. ‚gut, tüchtig, schön‘.
2:17 gaþrafstjai: 3.pl.opt.präs. v. gaþrafstjan sw. V. 1 ‚Trost bringen, ermuntern‘. — hairtona: akk.pl.
v. hairto n. n-St. ‚Herz‘. — izwara: akk.pl.n. v. izwar poss.pron. ‚euer‘. — gatulgjai: 3.sg.opt.präs.
v. gatulgjan sw. V. 1 ‚befestigen, bestärken‘; Kompositum mit got. tulgjan sw. V. 1 ‚festigen,
stärken‘. — allaim: dat.pl.n. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. — waurdam: dat.pl. v. waurd n. a-St.
‚Wort‘. — godaim: dat.pl.n. v. goþs (-d-) adj. a-St. ‚gut, tüchtig, schön‘.
3:1 gabidjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. gabidjan* st. V. 5 ‚beten, bitten‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes);
Kompositum mit got. bidjan st. V. 5 ‚bitten, beten, betteln‘. — þragjai: 3.sg.opt.präs. v. þragjan*
sw. V. 1 ‚laufen‘. — mikiljaidau: 3.sg.opt.pass.präs. v. mikiljan* sw. V. 1 ‚preisen‘.
3:2 uslausjaindau: 1.pl.opt.pass.präs. v. uslausjan* sw. V. 1 ‚erlösen, befreien‘; Kompositum mit got.
lausjan sw. V. 1 ‚los machen, retten; Geld erheben, eintreiben‘. — gastojanaim: dat.pl.m. v.
gastojans* adj. ‚verurteilt?, gerichtet?‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von der
Wurzel in got. stojan sw. V. 1 ‚richten‘. — ubilaim: dat.pl.m. v. ubils adj. a-St. ‚übel, böse‘.
3:3 triggws: nom.sg.m. adj. wa-St. ‚treu‘; aisl. tryggr neben (anders gebildet) ahd., as. triuwi, frühmdl.
trouwe, aengl. triewe, afries. triūwe. — gatulgeiþ: 3.sg.ind.präs. v. gatulgjan sw. V. 1 ‚befestigen,
bestärken‘. — galausjai: 3.sg.opt.präs. v. galausjan sw. V. 1 ‚erlösen, befreien‘; Kompositum mit
got. lausjan sw. V. 1 ‚los machen, retten; Geld erheben, eintreiben‘.
3:4 gatrauam: 1.pl.ind.präs. v. gatrauan* sw. V. 3 ‚vertrauen‘; Kompositum mit got. trauan sw. V. 3
‚trauen, Zutrauen haben‘; ahd. trū(w)ēn, as. trūon, mndl. truwen, aengl. trūwian, aisl. trúa; Ableitung
von der Wurzel in got. triggws adj. wa-St. ‚treu‘. — anabudum: 1.pl.ind.prät. v. anabiudan* st. V. 2
‚entbieten, befehlen‘. — taujiþ: 2.pl.ind.prät. v. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — habaiþ:
2.pl.ind.präs. v. haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘.
3:5 garaihtjai: 3.sg.opt.präs. v. garaihtjan sw. V. 1 ‚als Gerecht erweisen, richten, hinlenken‘ (das
Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. rihten, as. rihtian, andl. rihten, aengl. rihtan, afries. riuchta,
aisl. rétta; Ableitung von der Wurzel in got. raihts* adj. a-St. ‚recht, gerade, gerecht‘. — friaþwai:
dat.sg. v. frijaþwa f. ō-St. ‚Liebe‘ (daneben sind im Dat.Sg. auch Schreibungen mit -ija- belegt). —
usþulainai: dat.sg. v. usþulains* f. i-St. ‚Geduld‘; Ableitung von got. usþulan sw. V. 3 ‚erdulden,
ertragen, sich annehmen‘.
3:6 anabiudam: 1.pl.ind.präs. v. anabiudan* st. V. 2 ‚entbieten, befehlen‘. — gaskaidaiþ: 2.pl.opt.präs.
v. gaskaidan* st. V. 7 ‚sich zurückziehen‘; Kompositum mit got. skaidan* st. V. 7 ‚scheiden,
trennen‘. — allamma: dat.sg.m. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. — broþre: gen.pl. v. broþar m.
r-St. ‚Bruder‘. — ƕairbandane: gen.pl.m. part.präs. v. ƕairban* st. V. 3 ‚wandeln‘; ahd. werban, as.
hwervan, frühmndl. werven, aengl. hweorfan, afries. (h)werva, aisl. hverfa. — ungatassaba: adv.
‚unordentlich‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu got. ungatass* adj. a-St.
‚ungeordnet, zügellos‘; mndl. ongetes; Bildung mit der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und unbelegtem
got. *gatass adj. a-St. ‚geordnet‘; mndl. getes. — anafilham: dat.pl. v. anafilh* n. a-St.
‚Überlieferung, das Anvertraute, Empfehlung‘; Ableitung von got. anafilhan st. V. 4 ‚übergeben,
überliefern; verpachten; empfehlen‘. — andnemuþ: 2.pl.ind.prät. v. andniman st. V. 4 ‚an-,
aufnehmen, empfangen‘.
[95]
3:7 kunnuþ: 2.pl.ind.präs. v. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. — galeikon: inf. sw. V. 2
‚(ver-)gleichen, gleichstellen, nachahmen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); (anders gebildet)
ahd. gilīchen, mndd. gelīken, frühmndl. gheliken, aengl. gelīcan, aisl. glíkja; Ableitung von der
Vorform von got. galeiks adj. a-St. ‚ähnlich‘. — ungatewidai: nom.pl.m. ungatewiþs* (-d-) part.prät.
‚ungeordnet‘ (das sind die einzigen beiden Belege des Wortes); Bildung mit der Negation got.
un- ‚un-, nicht‘ und got. -gatewiþs nom.sg.m. part.prät. v. gatewjan* sw. V. 1 ‚durch Wahl
bestimmen, verordnen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in got.
tewa* f. ō-St. ‚Ordnung‘; lgb. zāwa. — wesum: 1.pl.ind.prät. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein,
existieren‘.
3:8 arwjo: adv. ‚umsonst‘; (anders gebildet) ahd. ar(a)wūn, arawingon, arawingūn, aengl. earwunga;
Ableitung von der Wurzel in as. aru ‚reif‘, aisl. ǫrr ‚bereitwillig, schnell‘; vgl. av. auruua- ‚schnell‘,
toch. A ārwar, B ārwer ‚bereit, fertig‘. — Ahlaif, Bhlaib: akk.sg. v. hlaifs (-b-) m. a-St. ‚Brot‘ (in B
mit analogischem -b statt -f). — winnandans: nom.pl.m. part.präs. v. winnan st. V. 3 ‚leiden‘. —
arbaidai: dat.sg. v. arbaiþs (-d-) f. i-St. ‚Arbeit, Drangsal, Hemmung‘; ahd. ar(a)beit, as. arved,
arvid, andl. arbeit, arvith neben (anders gebildet) ahd. ar(a)beiti, as. arvedi, arvidi, mndl. arebede,
aengl. earfođ(e), afries. arbeid, arbēd, aisl. erfiði, ærfæði. — naht: dat.sg. v. nahts f. Kons.st.
‚Nacht‘. — waurkjandans: nom.pl.m. part.präs. v. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. —
kauridedeima: 1.pl.opt.prät. v. kaurjan* sw. V. 1 ‚drücken, belästigen‘.
3:9 habaidedeima: 1.pl.opt.prät. v. haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘. — silbans:
akk.pl.m. v. silba pron. ‚selbst‘. — frisahtai: dat.sg. v. frisahts f. i-St. ‚Bild, Beispiel, Rätsel, dunkles
Bild‘; weitere Etymologie unklar. — gebeima: 1.pl.opt.prät. v. giban st. V. 5 ‚geben‘.
3:10 wili: 3.sg.opt.präs. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — waurkjan: inf. sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. —
A
nih: Bni (s. nih, ni [oder in B mit Ausfall von -h wegen der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got.?]).
— matjai: 3.sg.opt.präs. v. matjan sw. V. 1 ‚essen‘.
3:11 hausjam: 1.pl.ind.präs. v. hausjan sw. V. 1 ‚hören‘. — sumans: akk.pl.m. v. sums indef.pron.
‚irgend einer, ein gewisser, jemand, einer, (pl.) einige‘. — ƕairbandans: akk.pl.m. part.präs. v.
ƕairban* st. V. 3 ‚wandeln‘. — waurkjandans: akk.pl.m. part.präs. v. waurkjan sw. V. 1 ‚machen,
wirken‘. — fairweitjandans: akk.pl.m. part.präs. v. fairweitjan sw. V. 1 ‚gespannt hinblicken, gaffen‘
(das Simplex ist im Got. nicht bezeugt) (s. idweitjan).
3:12 þaimuh: dat.pl.m. v. sah dem.pron. ‚der und kein anderer, eben der‘. — swaleikaim: dat.sg.m. v.
swaleiks pron.adj. ‚so beschaffen, ein solcher‘. — rimisa: dat.sg. v. rimis (-s-) n. a-St. ‚Ruhe‘; vgl.
ai. rámate ‚kommt zur Ruhe‘. — Ahlaif: Bhlaib (s. 2.ThessAB 3:8).
3:13 wairþaiþ: 1.pl.opt.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — usgrudjans: nom.pl.m. v. usgrudja*
‚mutlos‘; ohne gesicherte Etymologie. — taujandans: nom.pl.m. part.präs. v. taujan sw. V. 1 ‚tun,
machen‘.
3:14 ufhausjai: 3.sg.opt.präs. v. ufhausjan sw. V. 1 ‚gehorchen; sich an etwas halten‘. — unsaramma:
dat.sg.n. v. unsar poss.pron. ‚unser‘. — gatarhjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. gatarhjan sw. V. 1
‚kennzeichnen‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel in ahd. zor(a)ht,
as., aengl. torht ‚hell, klar, leuchtend‘; vgl. ai. d ṣṭá- ‚gesehen‘, air. -dracht (in andracht ‚hässlich‘).
— blandaiþ: 2.pl.opt.präs. v. blandan st. V. 7 ‚vermischen‘; ahd. blantan, as. part.prät. giblandan,
frühmndl. blanden, aengl. blandan, aisl. blanda; vgl. lit. blęsti ‚schlafen; mit Mehl anrühren‘, aksl.
blęsti ‚irren, schwatzen‘. — gaskamai: 3.sg.opt.präs. v. gaskaman* sw. V. 3 ‚beschämen‘
(gaskaman* sik ‚beschämt werden‘) (dies sind die einzigen beiden Belege dieses Wortes);
Kompositum mit got. skaman* sw. V. 3 ‚schämen‘; (teils anders gebildet) ahd. skamēn, skamōn,
mhd. schemen, mndd. schāmen, andl. skamon, aengl. sceamian, aisl. skamma, skemma; (wenigstens
teils) Ableitung von der Wurzel in ahd., as. skama, frühmndl. scame, aengl. sc(e)omu, afries. skome,
aisl. skǫm(m).
3:15 Ajan: kopula ‚und‘; mit Assimilation von -h – n- zu -n – n-: Bjah: kopula ‚und‘. — fijand: akk.sg.
v. fijands m. nd-St. ‚Feind‘. — rahnjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. rahnjan* sw. V. 1 ‚rechnen, halten für,
[96]
rechnen unter, anrechnen‘. — talzjaiþ: 2.pl.opt.präs. v. talzjan* sw. V. 1 ‚lehren, ziehen,
unterrichten‘; wohl Ableitung von der Wurzel in got. -tals* (in untals* adj. ‚unfügsam, unbotmäßig,
ungehorsam, ungebildet, töricht‘); ahd. zal ‚schnell‘, as. -tal (in gital ‚schnell‘), aengl. -tæl (in getæl
‚schnell‘); Bildung zur gleichen Wurzel wie in ahd. zala, as. tala, frühmnl. tale, aengl. talu, afries.
tale, tele, aisl. tala ‚Erzählung, Rede‘.
3:16 gawairþeis: gen.sg. v. gawairþi n. ja-St. ‚Friede‘. — gibai: 3.sg.opt.präs. v. giban st. V. 5 ‚geben‘.
— stadim: dat.pl. von staþs (-d-) m. i-St. ‚Stätte, Ort; Herberge‘.
3:17 meinai: dat.sg.f. v. meins poss.pron. ‚mein‘. — handau: dat.sg. v. handus f. u-St. ‚Hand‘. —
bandwo: nom.sg. f. n-St. ‚Zeichen‘; lgb. bando ‚Fahne‘ (aus dem Germ. entlehnt in mlat. bandum n.
‚Banner‘, aprov. banda, afrz. bande, span. banda ‚Truppe, Bande‘); mit unklarer Etymologie. —
aipistaulem: dat.pl. v. aipistaule f. n-St ‚Brief‘. — meinaim: dat.pl.f. v. meins poss.pron. ‚mein‘. —
melja: 1.sg.ind.präs. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘.
3:18 —.
exp: —.
3.2.
Brief des Paulus an Titus
inc: BDu Teitau anastodeiþ.
1:1 BPawlus, skalks gudis, iþ apaustaulus Iesuis Xristaus bi galaubeinai gawalidaize gudis jah
ufkunþja sunjos sei bi gagudein ist, 1:2 Bdu wenai libainais aiweinons þoei gahaihait
unliugands guþ faur mela aiweina, 1:3 Biþ ataugida mela swesamma waurd sein in mereinai,
sei gatrauaida ist mis bi anabusnai nasjandis unsaris gudis, 1:4 BTeitau, walisin barna bi
gamainjai galaubeinai, ansts jah gawairþi fram guda attin jah Xristau Iesu nasjand
unsaramma. 1:5 Bin þizozei waihtais bilaiþ þus in Kretai, in þize ei wanata atgaraihtjais jah
gasatjais and baurgs praizbwtairein, swaswe ik þus garaidida, 1:6 Bjabai ƕas ist
ungafairinonds, ainaizos qenais aba, barna habands galaubeina, ni in usqissai usstiureins
aiþþau ungaƕairba. 1:7 Bskal-uþ þan aipiskaupus ungafairinoþs wisan, swe gudis fauragaggja,
ni hauhhairts, [ni bihaitja,] ni þwairhs, ni weinnas/weinuls, ni slahals, ni aglaitgastalds; 1:8
B
ak gastigods, bleiþs, andaþahts, garaihts, weihs, gaþaurbs,
A
1:9
… waurdis triggwis, ei mahteigs sijai jah gaþlaihan in laiseinai hailai jaþ þans
andstandandans gasakan.
B
andanemeigs bi laiseinai waurdis triggwis, ei mahteigs sijai jah gaþlaihan in laiseinai
hailai jah þans andstandandans gasakan.
1:10 Asind auk managai ungaƕairbai, lausaiwaurdai, lutondans, þishun þai us bimaita,
B
sind auk managai ungaƕairbai, lausawaurdai, lutondans, þishun …
A
1:11 þanzei skal gasakan, þaiei gardins allans uswaltjand laisjandans þatei ni skuld ist, in
faihugairneins. 1:12 Aqaþ auk sums ize, swes ize praufetus: Kretes sinteino liugnjans, ubila
unbiarja, wambos latos. 1:13 Aso ist weitwodei sunjeina. in þizozei fairinos gasak ins ƕassaba,
ei hailai sijaina in galaubeinai, 1:14 Ani atsaiƕandans judaiwiskaize spilli jah anabusne manne
afwandjandane sis sunja. 1:15 Aaþþan all hrain hrainjaim, iþ bisaulidaim jah ungalaubjandam
ni waiht hrain, ak bisaulida sind ize jah aha jah miþwissei. 1:16 Aguþ andhaitand kunnan, iþ
waurstwam inwidand, andasetjai wisandans jah ungalaubjandans, jah du allamma waurstwe
godaize uskusanai {ungakusanai}.
inc: Teitau: dat. v. Teitus m. PersonenN ‚Titus‘ (Lehnwort < gr. Τίτος).
[97]
1:1 skalks: nom.sg. m. a-St. ‚Knecht, Diener‘. — apaustaulus: nom.sg. m. u/i-St. ‚Apostel‘. —
galaubeinai: dat.sg. v. galaubeins f. i-St. ‚Glaube‘. — gawalidaize: gen.pl.m. part.prät. v. gawaljan*
sw. V. 1 ‚erwählen‘. — ufkunþja: dat.sg. v. ufkunþi* n. ja-St. ‚Erkenntnis‘; Ableitung von
unbelegtem got. *ufkunþs adj. a-St. ‚erkannt‘ zu got. ufkunnan unreg. sw. V. 3 ‚erkennen‘. —
gagudein: dat.sg. v. gagudei f. n-St. ‚Frömmigkeit‘; Ableitung zu got. +gaguþs (-d-) adj. ‚anständig,
ehrbar‘.
1:2 wenai: dat.sg. v. wens f. i-St. ‚Hoffnung‘. — libainais: gen.sg. v. libains f. i-St. ‚Leben‘. —
aiweinons: gen.sg.f. v. aiweins* adj. ‚ewig‘. — gahaihait: 3.sg.ind.prät. v. gahaitan* st. V. 7
‚zusammenrufen; verheißen; sich bekennen zu‘. — unliugands: nom.sg.m. part.präs. ‚nicht lügend‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); Bildung mit der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und got.
liugan* st. V. 2 ‚lügen‘. — mela: akk.pl. v. mel n. a-St. ‚Zeit, Stunde‘. — aiweina: akk.pl.n. v.
aiweins* adj. ‚ewig‘.
1:3 mela: dat.sg. v. mel n. a-St. ‚Zeit, Stunde‘. — swesamma: dat.sg.n. v. swes adj. ‚eigen, angehörig‘.
— sein: akk.sg.n. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘. — mereinai: dat.sg. v. mereins* f. i-St.
‚Verkündigung, Predigt‘; Ableitung von got. merjan sw. V. 1 ‚künden, kund tun‘. — gatrauaida:
nom.sg.f. part.prät. v. gatrauan* sw. V. 3 ‚vertrauen‘. — anabusnai: dat.sg. v. anabusns f. i-St.
‚Gebot‘. — nasjandis: gen.sg. v. nasjands m. nd-St. ,Heiland‘.
1:4 walisin: dat.sg.n. v. walisa* sw. adj. ‚echt, lauter‘; (?) ahd. waliro (Lesung unsicher); Ableitung von
der Wurzel in got. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — barna: dat.sg. v. barn n. a-St. ‚Kind‘. — gamainjai:
dat.sg.f. v. gamains adj. ‚gemeinsam‘; ahd. gimein(i), as., andl. gimēni, aengl. gemǣne, afries.
(ge-)mēne; lat. commūnis. — nasjand: dat.sg. v. nasjands m. nd-St. ,Heiland‘.
1:5 waihtais: gen.sg. v. waihts f. Kons.st./i-St. ‚Ding, Sache, Etwas‘. — bilaiþ: 1.sg.ind.prät. v. bileiþan*
st. V. 1 ‚verlassen, zurücklassen‘. — Kretai: dat. v. Kreta* f. LänderN ‚Kreta‘ (Lehnwort < gr.
Krḗtē). — þize: gen.sg.n. v. saei rel.pron. ‚welcher‘ (mit fehlerhaftem -e für -ei). — wanata: akk.sg.n.
v. wans* adj. ‚mangelhaft, fehlend‘; ahd., as., andl. wan, aengl. wan, afries. won- (u.a. in wongare
‚mangelhafte Kleidung‘), aisl. vanr; vgl. ai. ūná-, av. una- ‚unzureichend, ermangelnd‘, lat. vānus
‚leer, nichtig‘. — atgaraihtjais: 2.sg.opt.präs. v. atgaraihtjan* sw. V. 1 ‚in Ordnung bringen‘ (das
ist der einzige Beleg des Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); Ableitung von der Wurzel
in got. raihts* adj. a-St. ‚recht, gerade‘. — gasatjais: 2.sg.opt.präs. v. gasatjan sw. V. 1 ‚hinsetzen,
hinstellen, hinlegen‘. — baurgs: akk.pl. v. baurgs f. Kons.st. ‚Turm, Burg, Stadt‘. — praizbwtairein:
akk.sg. v. praizbwtairei* f. n-St. ‚Ältestenkollegium‘ (Lehnwort < gr. presbytérion). — garaidida:
1.sg.ind.prät. v. garaidjan* sw. V. 1 ‚befehlen, verordnen, bestimmen‘; Kompositum mit got.
raidjan* sw. V. 1 ‚verordnen‘.
1:6 ungafairinonds: nom.sg.m. part.präs. ‚tadellos, unbescholten‘; Bildung mit der Negation got.
un- ‚un-, nicht‘ und dem Part.Präs. zu unbelegtem got. *gafairinon sw. V. 2; Kompositum mit got.
fairinon* sw. V. 2 ‚tadeln‘; Ableitung zu got. fairina* f. ō-St. ‚Schuld; Vorwurf‘. — ainaizos:
gen.sg.f. v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘. — qenais: gen.sg. v. qens f. i-St. ‚Ehefrau‘. — aba: nom.sg.
m. unreg. n-St. ‚Ehemann, Gatte‘. — barna: akk.pl. v. barn n. a-St. ‚Kind‘. — galaubeina: akk.pl.n.
v. galaubeins* adj. ‚gläubig‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung zu got. galaubjan
sw. V. 1 ‚glauben‘. — usqissai: dat.sg. v. usqiss* f. i-St. ‚Beschuldigung, Anklage‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes) (mit Abfall der Endung -s im Nom.Sg. nach -ss); Ableitung zu got.
usqiþan st. V. 5 ‚ein Gerede verbreiten‘; Kompositum mit got. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘. — usstiureins: gen.sg. v. usstiurei f. n-St. ‚Zügellosigkeit, Liederlichkeit‘; Ableitung
von einem auch durch got. usstiuriba adv. ‚zügellos‘ vorauszusetzenden Wort got. *usstiur(ei)s adj.
i/ja-St. ‚außerhalb des Steuers seiend‘; vgl. mndd. unstūre ‚Wildheit, Ungestüm‘. — ungaƕairba:
akk.pl.n. v. ungaƕairbs* adj. a-St. ‚unfügsam, ungehorsam‘; Kompositum mit der Negation got.
un- ‚un-, nicht‘ und got. gaƕairbs* adj. ‚gehorsam‘, das selbst aus dem Präfix got. ga- ‚zusammen,
mit‘ und got. -ƕairbs* (nur in ƕeilaƕairbs* adj. ‚nur eine Zeit dauernd, vergänglich‘)
zusammengesetzt ist; Ableitung zu got. ƕairban* st. V. 3 ‚wandeln‘.
[98]
1:7 skal-uþ: bestehend aus got. skal: 3.sg.ind.präs. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein, sollen‘ und
got. -(u)h: enklit. Part. ‚und‘ (mit Assimilation -h – þ- > -þ – þ-). — aipiskaupus: nom.sg. m. u-St.
‚Bischof‘ (Lehnwort < gr. epískopos). — ungafairinoþs: nom.sg.m. part.prät. ‚tadellos;
unbescholten‘ (zur Bildung s. ungafairinonds). — fauragaggja: nom.sg. m. jan-St. ‚Verwalter‘,
Ableitung zu got. fauragaggan suppl. st. V. 7 ‚vorangehen, vorstehen‘. — hauhhairts: nom.sg.m.
adj. a-St. ‚hochmütig‘; aengl. hēahheort; Ableitungskompositum mit got. hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘
und got. hairto n. n-St. ‚Herz‘. — bihaitja: nom.sg. m. jan-St. ‚Prahler‘; vgl. ahd. -heizo (in
skuldheizo ‚Schultheiß‘), as. -hētio (in skulthētio ‚dass.‘), aengl. -etta (in ōretta ‚Krieger‘); Ableitung
zu got. bihait* n. a-St. ‚übele Nachrede‘; Ableitung zu unbelegtem got. *bihaitan st. V. 7 ‚drohen‘;
ahd. biheizan, as. bihētan, frühmndl. beheten, aengl. behātan; Kompositum mit got. haitan st. V. 7
‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — þwairhs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚zornig‘; as. thwerh, aengl. þweorh,
aisl. þverr. — weinnas/weinuls: nom.sg.m. adj. a-St., entweder (für +weinnahs) ‚Wein in Überfluss
habend‘ (entweder Kompositum aus got. wein n. a-St. ‚Wein‘ und sonst unbelegtem got. *nahs adj.
‚genug‘ [das -h- wäre dann wegen der sw. Artikulation von h im (Spät-)Got. ausgefallen]; aengl.
neah- [in neahhige ‚häufig‘]; Ableitung von der Wurzel in got. ganohs*; oder suffixale Ableitung zu
got. wein n. a-St. ‚Wein‘) oder (als weinnas) ‚trunksüchtig‘ mit der Wurzel von sonst unbelegtem
got. *nasa f. ō-St. ‚Nase‘ (zum Verhältnis vgl. got. -hairts [in hauhhairts adj. a-St. ‚hochmütig‘] zu
got. hairto n. n-St. ‚Herz‘; ahd. nasa, as. nasa- [in nasadruppo ‚Schnupfen‘], andl. nasa, aengl. nasu,
afries. nose, aisl. nǫs; vgl. ai. nas-, n sā, jav., apers. nāh-, lat. nāris, nās[s]um, ksl. nosъ) / nom.sg.m.
adj. a-St. ‚trunksüchtig‘; Ableitung von got. wein n. a-St. ‚Wein‘. — slahals: nom.sg.m. adj. a-St.
‚gewalttätig‘; Ableitung zu got. slahan* st. V. 6 ‚schlagen‘. — aglaitgastalds: nom.sg.m. adj. a-St.
‚schmutzig, gewinnsüchtig‘; Kompositum, vermutlich aus einem nicht als Simplex belegten Adj.
got. *aglaiteis adj. ja-St. ‚schmutzig, schändlich‘ (ahd. agaleizi ‚emsig, eifrig‘) und einer Ableitung
von der Wurzel in got. gastaldan st. V. 7 ‚erwerben, bekommen‘.
1:8 gastigods: nom.sg.m. (für +gastigoþs) adj. a-St. ‚gastfrei‘ (alle drei Belege [auch noch 1.TimA 3:2,
1.TimB 3:2] zeigen analogisches -d- statt -þ-); Kompositum aus got. gasts m. ‚Fremder‘ (lat.-germ.
in PersonenN Gasti-, run. in PersonenN -gastiz, ahd. gast, lat.-lgb. in PersonenN -gast(i)us, as.,
frühmndl. gast, aengl. gæst, g(i)est, afries. jest, gast, aisl. gestr; vgl. lat. hostis) und got. goþs (-d-)
adj. a-St. ‚gut, tüchtig, schön‘. — bleiþs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚barmherzig, zugetan‘; ahd. blīdi, as.
blīthi, frühmndl. blīde, aengl. blīđe, aisl. blíðr. — andaþahts: nom.sg.m. ‚nüchtern, verständig‘;
Ableitung von der Wurzel in got. þagkjan sw. V. 1 ‚denken, überlegen‘. — garaihts: nom.sg.m. adj.
a-St. ‚gerecht‘. — gaþaurbs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚enthaltsam‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); Ableitung von der Wurzel in got. þaurban* prät.präs. ‚bedürfen, nötig haben‘.
1:9 andanemeigs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚festhaltend‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung
zu got. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘. — laiseinai: dat.sg. v. laiseins f. i-St.
‚Lehre‘; Ableitung zu got. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘. — triggwis: gen.sg.n. v. triggws adj. wa-St.
‚treu‘. — mahteigs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚mächtig‘; Ableitung zu got. mahts f. i-St. ‚Macht, Kraft,
Vermögen‘. — gaþlaihan: inf. st. V. 1/5/7 ‚ermahnen, trösten‘ (wegen der Beleglage bleibt die
genaue V.klasse offen); weitere Etymologie unsicher. — hailai: dat.sg.f. v. hails adj. a-St. ‚heil,
gesund; sei gegrüßt‘. — Ajaþ : Bjah: kopula ‚und‘; in A mit Assimilation von -h – þ- zu -þ – -þ. —
andstandandans: akk.pl.m. part.präs. v. andstandan st. V. 6 ‚entgegenstehen, widerstehen,
widerstreiten‘. — gasakan: inf. st. V. 6 ‚schelten, den Mund stopfen, zum Schweigen bringen,
überführen, widerlegen‘.
1:10 ungaƕairbai: nom.pl.n. v. ungaƕairbs* adj. a-St. ‚unfügsam, ungehorsam‘. — Alausaiwaurdai :
B
lausawaurdai: nom.pl.m. v. lausawaurds* adj. a-St. ‚leeres Geschwätz vollführend, Nichtiges
redend‘ (in A findet sich in der Kompositionsfuge wie hier auch häufiger -ai- anstelle von -a-; es ist
unsicher, ob dies reine Schreibfehler oder Reflexe jüngeren Sprachgebrauchs sind) (dies sind die
einzigen beiden Belege des Wortes); Kompositum aus got. laus adj. a-St. ‚los, leer‘ und got. waurd
n. a-St. ‚Wort‘. — lutondans: nom.pl.m. part.präs. v. luton* sw. V. 2 ‚täuschen‘ (dies sind die
[99]
einzigen beiden Belege des Wortes); (anders gebildet) ahd. lūzēn, mndd. lūten, aengl. lūtian, aisl.
lúta ‚sich verborgen halten, sich verbergen‘; Ableitung von der Wurzel in got. liuts adj. a-St.
‚heuchlerisch‘; (anders gebildet) ahd. luzzi, as. lut, aengl. lyt ‚klein‘; vgl. ? kymr. (substantiviertes
Adj.) lludd ‚Müdigkeit, Erschöpfung‘. — þishun: adv. ‚meist, vorzüglich‘; Zusammenrückung aus
got. þis gen.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘ und got. -hun, Silbe zur Bildung gewisser Pron. —
bimaita: dat.sg. v. bimait n. a-St. ‚Beschneidung‘; Ableitung zu got. bimaitan st. V. 7 ‚beschneiden‘;
Kompositum mit got. maitan* st. V. 7 ‚schneiden, hauen‘.
1:11 gardins: akk.pl. v. gards m. i-St. ‚Haus(wesen), Familie‘. — uswaltjand: 3.pl.ind.präs. v.
uswaltjan* sw. V. 1 ‚umwälzen, umstürzen‘; Kompositum mit got. waltjan* sw. V. 1 ‚sich wälzen‘
(nur 3.pl.ind.prät. waltidedun Mk 4:37); ahd. welzen, mndl. welten, aengl. wælta, aisl. velta;
Ableitung von der Wurzel in aisl velta st. V. ‚sich wälzen‘; Bildung von der gleichen Wurzel wie in
got. wulan* st. V. 4 ‚wallen, sieden‘; (anders gebildet) ahd., as. wellan, aisl. vella; vgl. lit. vélti
‚walken, wälzen‘. — laisjandans: nom.pl.m. part.präs. v. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘. — faihugairneins:
gen.sg. v. faihugairns* f. ‚Habsucht‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von got.
faihugairns* adj. a-St. ‚geldgierig‘; Kompositum aus got. faihu n. u-St. ‚Geld‘ (ahd. fihu, lgb. -fio
[in faderfio ,Vatergut‘, mētfio ,Brautgabe, die der Bräutigam bei der Verlobung zu leisten hat‘], as.
fehu, andl. fē, aengl. westsächs. feoh, fēo, nordhumbr. feh, afries. fiā, fē, aisl. fé ‚Vieh, Besitz, Geld‘;
vgl. ai. paśu-, paśú-, av. pasu-, lat. pecū, lit. pẽkus ‚Vieh‘) und got. -gairns adj. a-St. ‚gern‘ (im Got.
nicht als Simplex belegt) (ahd., as. gern, mndl. [adv.] gerne, aengl. georn, aisl. gjarn).
1:12 swes: nom.sg.m. adj. a-St. ‚eigen, angehörig‘. — Kretes: nom.pl. m. VölkerN ‚Kreter‘ (Lehnwort
< gr. Krētes). — liugnjans: nom.pl. v. liugnja m. jan-St. ‚Lügner‘; Ableitung zu got. liugn* n. a-St.
‚Lüge‘; Ableitung zur Wurzel in got. liugan* st. V. 2 ‚lügen‘. — ubila: nom.pl.n. v. ubils adj. a-St.
‚übel, böse‘. — unbiarja: nom.pl. v. unbiari* n. ja-St. ‚wildes Tier‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); weitere Etymologie unklar. — wambos: nom.pl. v. wamba f. ō-St. ‚Bauch, Schoß‘; ahd.,
as., andl. wamba, aengl. womb, afries. wamme, aisl. vǫmb. — latos: nom.pl.f. v. lats* adj. a-St.
‚lässig, faul‘; ahd. laz, as., frühmndl. lat, aengl. læt, afries. let, aisl. latr; Ableitung von der Wurzel
in got. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen, zurücklassen‘; vgl. lat. lassus ‚müde‘.
1:13 sunjeina: nom.sg.f. v. sunjeins adj. a-St. ‚wahr, wahrhaft‘; Ableitung zu got. sunja f. jō-St.
,Wahrheit‘. — gasak: 2.sg.imp.präs. v. gasakan st. V. 6 ‚schelten, den Mund stopfen, zum Schweigen
bringen, überführen, widerlegen‘. — ƕassaba: adv. ‚scharf, streng‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes); Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu einem im Got. nicht belegten Adj.
*ƕass ‚scharf, streng‘; ahd. was, as. hwass, aengl. hwæs, aisl. hvass; Ableitung von der Wurzel in
ahd. wāzan, as. -hwātan (in farhwātan ‚verfluchen‘), frühmndl. -waten (in verwaten ‚verfluchen‘),
aisl. hváta ‚stoßen‘. — hailai: nom.pl.m. v. hails adj. a-St. ‚heil, gesund; sei gegrüßt‘ (Snaedal:
dat.sg.f. [zu galaubeinei?]).
1:14 atsaiƕandans: nom.pl.m. part.präs. v. atsaiƕan* st. V. 5 ‚Acht geben, sich in Acht nehmen‘;
Kompositum mit got. saiƕan st. V. 5 ‚sehen‘. — judaiwiskaize: gen.pl.n. v. judaiwisks adj. a-St.
‚jüdisch‘ (Lehnbildung nach gr. ioudaïkós). — spilli: gen.pl. v. spill* n. a-St. ‚Sage, Fabel‘ (mit
fehlerhaftem -i für -e); ahd., as., andl. spel, aengl. spell, aisl. spjall; vgl. arm. aṙa-spel ‚Sage,
Sprichwort, Rätsel‘. — anabusne: gen.pl. v. anabusns f. i-St. ‚Gebot‘. — afwandjandane: gen.pl.m.
part.präs. v. afwandjan sw. V. 1 ‚abwenden‘; Kompositum mit got. wandjan* sw. V. 1 ‚wenden‘. —
sunja: akk.sg. v. sunja f. jō-St. ,Wahrheit‘.
1:15 hrainjaim: dat.pl.m. v. hrains adj. i/ja-St. ‚rein‘. — bisaulidaim: dat.pl.m. part.prät. v. bisauljan*
sw. V. 1 ‚besudeln‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt) (s. bisaulnan*). — ungalaubjandam:
dat.pl.m. v. ungalaubjands part.präs. ‚ungläubig, ungehorsam‘; Kompositum aus der Negation got.
un- ‚un-, nicht‘ und dem Part.Präs. v. got. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. — waiht: nom.sg. n. ‚Ding,
Sache, Etwas‘ (nur mit der Negation got. ni ‚nicht‘ in der Bedeutung ‚nichts‘); in unklarem Verhältnis
zu got. waihts f. Kons.st./i-St. ‚Ding, Sache, Etwas‘. — bisaulida: nom.pl.n. part.prät. v. bisauljan*
sw. V. 1 ‚besudeln‘. — aha: nom.sg. m. n-St. ‚Sinn, Verstand‘. — miþwissei: nom.sg. f. n-St.
[100]
‚Bewußtsein, Gewissen‘; letztendlich Ableitung zu got. miþwitan* part.präs. ‚bewußt sein‘ (nur
1.sg.ind.prät. miþwait 1.KorA 4:4); Kompositum mit got. witan prät.präs. ‚wissen‘.
1:16 andhaitand: 3.pl.ind.präs. v. andhaitan st. V. 7 ‚bekennen, preisen‘. — inwidand: 3.pl.ind.präs. v.
inwidan* st. V. 5 ‚verleugnen‘. — andasetjai: nom.pl.m. v. andasets* adj. i/ja-St.
‚verabscheuungswert‘; mhd. antsæze, aengl. andsǣte; Ableitung von der Wurzel in got. sitan st. V.
5 ‚sitzen‘. — ungalaubjandans: nom.pl.m. v. ungalaubjands part.präs. ‚ungläubig, ungehorsam‘. —
waurstwe: gen.pl. v. waurstw n. a-St. ‚Werk, Tat, Wirksamkeit‘. — godaize: gen.pl.n. v. goþs (-d-)
adj. a-St. ‚gut, tüchtig, schön‘. — uskusanai: nom.pl.m. part.prät. v. uskiusan st. V. 2 ‚erproben,
verwerfen‘; Kompositum mit got. kiusan* st. V. 2 ‚prüfen‘; ahd., as. kiosan, mndl. kiesen, aengl.
cēosan, afries. kiāsa, tziāsa, aisl. kjósa; vgl. ai. jujóṣa ‚hat Gefallen an, hat gern, mag‘, jav. ā-zūzušte
‚mag, genießt‘. — ungakusanai: nom.pl.m. v. ungakusans* part.prät. ‚nicht probehaltig, verwerflich‘
(das Wort ist eine in den Text geratene Glosse); Kompositum mit der Negation got. un- ‚un-, nicht‘
und dem Part.Prät. v. got. gakiusan st. V. 2 ‚erproben‘; Kompositum mit got. kiusan* st. V. 2
‚prüfen‘.
4.
Aus der Skeireins
4.1.
Blatt 3
1 „… <ma>naga wesun jainar; þaruh qemun jah daupidai wesun. ni nauhþanuh galagiþs was
in karkarai Iohannes.“ þatuh þan qiþands, aiwaggelista ataugida, ei so garehsns bi ina neƕa
andja was þairh Herodes birunain. akei faur þata, at bajoþum daupjandam, jah
ainƕaþarammeh seina anafilhandam daupein, miþ sis misso sik andrunnun, sumai ni
kunnandans, ƕaþar skuldedi maiza. „þaþroh þan warþ sokeins 2 us siponjam Iohannes miþ
Iudaium bi swiknein“, in þizei ju jah leikis hraineino inmaidiþs was sidus, jah so bi guþ hrainei
anabudana was. ni þanaseiþs judaiwiskom ufarranneinim jah sinteinom daupeinim brukjan
usdaudjaina: ak iohanne hausjandans þamma faurrinnandin aiwaggeljon. was-uh þan jah
frauja þo ahmeinon anafilhands daupein; eiþan garaihtaba warþ bi swiknein sokeins
gawagida. unte witoþ þize unfaurweisane missadede ainazos 3 raidida: azgon kalbons
gabrannidaizos utana bibaurgeinais afar-uh þan þo in wato wairpandans hrain jah hwssopon
jah wullai raudai ufartrusnjandans, swaswe gadob þans ufar miton munandane. iþ iohannes
idreigos daupein merida jah missadede aflet þaim ainfalþaba gawandjandam gahaihait, iþ
fraujins at afleta frawaurhte jah fragift weihis ahmins; jah fragibands im þatei sunjus
þiudangardjos wairþaina. 4 swaei sijai daupeins iohannes ana midumai twaddje ligandei,
ufarþeihandei raihtis witodis hrainein, iþ minnizei filaus aiwaggeljons daupeinai. in-uh þis
bairhtaba uns laiseiþ qiþands: „aþþan ik in watin izwis daupja. iþ sa afar mis gagganda
swinþoza mis ist þizei ik ni im wairþs anahneiwands andbindau skaudaraip skohis is. sah þan
izwis daupeiþ in ahmin weihamma.“ bi garehsnai nu …
1 <ma>naga: nom.pl.n. v. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘— karkarai: dat.sg. v. karkara* f. ō-St.
‚Kerker‘ (Lehnwort < lat. nom.pl. carcara von lat. carcer). — aiwaggelista: nom.sg. m. n-St.
‚Evangelist‘ (Lehnwort < gr. euangelistḗs, lat. evangelista). — garehsns: nom.sg. f. i-St. ‚bestimmte
Zeit; Bestimmung, Plan‘; weitere Etymologie unsicher. — andja: dat.sg. v. andeis m. ja-St. ‚Ende‘.
[101]
— Herodes: gen.sg. v. Herodes, -is m. PersonenN ‚Herodes‘ (in Mk 8:15 ist auch gen.sg. Herodis
überliefert) (Lehnwort < gr. Hērṓdēs). — birunain: akk.sg. v. birunains* f. i-St. ‚Nachstellung,
Anschlag‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung zu einem unbelegten V. got. *birunan
sw. V. 3 ‚sich verschwören‘; Kompositum mit dem unbelegten V. got. *runan ‚flüstern‘; ahd. rūnēn,
mndd., frühmndl. runen, aengl. rūnian, aisl. rúna neben ahd., as. rūnōn; Ableitung zur Wurzel in got.
runa f. ō-St. ‚Geheimnis, Beschluss, Beratschlagung‘; ahd., as. rūna, mndl. rune (ruun, ruen), aengl.
rūn, aisl. rún; vgl. air. rún ‚Geheimnis, Absicht, Kenntnis‘. — bajoþum: dat. v. bajoþs (-þ-) pron.
‚beide‘; unklare Ableitung zu got. bai pron. ‚beide‘; ahd. bei-, bē- (in beide, bēde ‚beide‘), as. bē- (in
bēthie ‚beide‘), andl. bē- (in bētho ‚beide‘), aengl. bā ‚beide‘, afries. bē- (in bēthe ‚beide‘), aisl. (gen.)
beggja ‚beide‘, bá- (in báðir ‚beide‘); vgl. gr. am-phō, lat. am-bō, toch. A ām-pi ‚beide‘. —
daupjandam: dat.pl.m. part.präs. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — ainƕaþarammeh: dat.sg.m. v.
ainƕaþaruh* pron. ‚jeder von beiden‘; Zusammenrückung aus got. ains adj. a-St./num. ‚ein‘, got.
ƕaþar fragepron. ‚wer von beiden‘ und got. -(u)h enklit. part. ‚und‘. — anafilhandam: dat.pl.m.
part.präs. v. anafilhan st. V. 4 ‚übergeben, überliefern; verpachten; empfehlen‘. — andrunnun:
3.pl.ind.prät. v. andrinnan* st. V. 3 ‚streiten‘; Kompositum mit got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen,
laufen‘— kunnandans: nom.pl.m. part.präs. v. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. — skuldedi:
3.sg.opt.prät. v. skulan* prät.präs. ‚schuldig sein, sollen‘. — maiza: nom.sg.m. komp. v. mikils adj.
a-St. ‚groß‘. — sokeins: nom.sg. f. i-St. ‚Streit‘; Ableitung zu got. sokjan sw. V. 1 ‚suchen,
disputieren‘.
2 Iohannes: gen. v. Iohannes m. PersonenN ‚Johannes‘ (daneben ist auch gen. Iohannis belegt). —
swiknein: akk.sg. v. swikneins* f. i-St. ‚Reinigung‘; Ableitung von einem unbelegten V. got.
*swiknjan sw. V. 1 ‚reinigen‘; aengl. geswicnan ‚von einer Anklage reinigen‘; Ableitung von der
Wurzel in got. swikns* adj. a-St. ‚rein, unschuldig‘; aisl. sykn. — hraineino: gen.pl. v. hraineins* f.
i-St. ‚Reinigung‘; Ableitung von got. hrainjan* sw. V. 1 ‚reinigen‘. — inmaidiþs: nom.sg.m.
part.prät. v. inmaidjan sw. V. 1 ‚verwandeln‘; Kompositum mit got. maidjan* sw. V. 1 ‚tauschen‘;
Ableitung von der Wurzel in got. misso adv. ‚einander‘. — sidus: nom.sg. m. u-St. ‚Sitte‘; ahd. situ,
as. sidu, andl. sido, sidu, aengl. sidu, seodu, siodu, afries. side, sid, aisl. siðr; vgl. ai. sétu- ‚Band,
Fessel, Damm, Brücke‘, jav. haētu- ‚Damm‘. — hrainei: nom.sg. f. n-St. ‚Reinheit‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes); ahd. reinī; Ableitung von der Wurzel in got. hrains adj. i/ja-St. ‚rein‘. —
anabudana: nom.sg.f. part.prät. v. anabiudan* st. V. 2 ‚entbieten, befehlen‘. — judaiwiskom:
dat.pl.f. sw. v. judaiwisks adj. a-St. ‚jüdisch‘. — ufarranneinim: dat.pl. v. ufarranneins* f. i-St.
‚Besprengung‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung zu einem unbelegten V. got.
*ufarrannjan sw. V. 1 ‚besprengen‘; Kompositum mit got. -rannjan* (nur in urrannjan* sw. V. 1
‚aufgehen lassen‘ [nur 3.sg.ind.präs. urranneiþ Mt 5:45]); ahd. rennen, as. rennian, frühmndl.
rennen, aengl. ærnan, afries. renna, rinna, aisl. renna (vgl. auch run. nom.sg. ranja m. jan-St.
‚Renner‘ [Lanzenspitze von Dahmsdorf, 160–375/400]); Ableitung von der Wurzel in got. rinnan*
st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. — sinteinom: dat.pl.f. sw. v. sinteins* adj. a-St. ‚täglich‘. — daupeinim:
dat.pl. v. daupeins f. i-St. ‚Abwaschung, Taufe‘. — brukjan: inf. anom. V. ‚gebrauchen‘; ahd.
brūchan, as. brūkan, frühmndl. brūken, aengl. brūcan, afries. brūka; vgl. lat. fruī ‚genießen‘. —
usdaudjaina: 3.pl.opt.präs. v. usdaudjan* sw. V. 1 ‚sich beeifern‘. — faurrinnandin: dat.sg.m.
part.präs. v. faurrinnan* st. V. 3 ‚vorhergehen‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum
mit got. rinnan* st. V. 3 ‚rennen, laufen‘. — ahmeinon: akk.sg.f. sw. v. ahmeins* adj. a-St. ‚geistig,
geistlich‘; Ableitung von got. ahma m. n-St. ‚Geist‘. — anafilhands: nom.sg.m. part.präs. v.
anafilhan st. V. 4 ‚übergeben, überliefern; verpachten; empfehlen‘. — eiþan: konj. ‚daher, somit‘;
Zusammenrückung aus got. ei konj. ‚damit, dass‘ und got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2.
anreihend-advers. Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘. — garaihtaba: adv. ‚gerecht, mit
Recht‘; Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba zu got. garaihts adj. a-St. ‚gerecht‘. —
gawagida: nom.sg.f. part.prät. v. gawagjan sw. V. 1 ‚in Bewegung setzen, ermuntern, anregen‘;
Kompositum mit got. wagjan sw. V.1 ‚schütteln‘. — witoþ: nom.sg. n. a-St. ‚Gesetz‘. —
[102]
unfaurweisane: gen.pl.m. sw. v. unfaurweis* adj. a-St. ‚unvorsätzlich, ohne Vorbedacht‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes); Kompositum aus der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und dem Präfix got.
faur- ‚vor-‘ und nur als KHG erscheinendes got. -weis: ‚weise‘; ahd., as., andl., aengl., afries. wīs,
aisl. víss; Ableitung von der Wurzel in got. witan prät.präs. ‚wissen‘. — missadede: gen.pl. v.
+
missadeþs (-d-) f. i-St. ‚Missetat‘ (nur nom.sg. mit analogischem -d- missadeds RömA 11:12); ahd.
missitāt, as. missdād, andl. misdāt, aengl. misdǣd, afries. misdēde; Kompositum mit got. missa-, das
zur Wurzel in got. misso adv. ‚einander‘ gehört und got. -deþs (s. waidedja). — ainazos: gen.sg.f. v.
ains adj. a-St./num. ‚ein‘.
3 raidida: 3.sg.ind.prät. v. raidjan* sw. V. 1 ‚verordnen‘; mhd. reiten ‚machen, zurüsten, bereiten‘,
mndd. rēden, frühmndl. -reiden (in bereiden ‚machen, zubereiten‘), aengl. rǣdan ‚vorbereiten‘,
afries. rēda ‚bereiten, ausstatten, beschaffen‘, aisl. -reiða (in greiða ‚ordnen, bereiten, machen,
helfen‘); Ableitung von der Wurzel in got. garaiþs* (-d-) adj. a-St. ‚angeordnet‘; ahd. gireiti, mndd.
gerēt, gerede, frühmndl. ghereet, aengl. gerǣde, gerād, afries. rēde, aisl. greiðr ‚bereit‘; vgl. lit.
raidùs ‚schnell, bereit, fertig‘. — azgon: akk.sg. v. azgo* f. ‚Asche‘; neben ahd. aska, mndd. asche,
andl. aska, aengl. æsce, asce, æxe, nwestfries. jiske, aisl. aska; vgl. arm. ačiwn. — kalbons: gen.sg.
v. kalbo* f. n-St. ‚Kalbe‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. kalba; Motionsfem. zur Wurzel
in ahd. kalb, as. (akk.pl.) kaluiro, andl. calf, aengl. cealf, afries. kalf, kāl ‚Kalb‘; vgl. ai.
gárbha- ‚Mutterleib, Leibesfrucht, Embryo, Neugeborenes‘, jav. garəβa- ‚Mutterleib‘, gr. (Hesych)
dolphós · hē mḗtra ‚dass.‘ neben av. gərəbuš- ‚Tierjunges‘, gr. delphús ‚Gebärmutter‘. —
gabrannidaizos: gen.sg.f. part.prät. v. gabrannjan* sw. V. 1 ‚verbrennen‘ (das Simplex ist im Got.
nicht belegt); ahd. brennen, as. brennian, frühmndl. bernen, aengl. bærnan, afries. berna, barna, aisl.
brenna; Ableitung von der Wurzel in got. brinnan* st. V. 3 ‚brennen‘. — bibaurgeinais: gen.sg. v.
bibaurgeins* f. i-St. ‚Lager‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung zu unbelegtem got.
*bibaurgjan sw. V. 1 ‚schützen‘; Ableitung von der Wurzel in got. baurgs f. Kons.st. ‚Turm, Burg,
Stadt‘. — wato: akk.sg. v. wato* unreg. n. n-St. ‚Wasser‘ — hrain: akk.sg.n. st. hrains adj. i/ja-St.
‚rein‘ — hwssopon: dat.sg. v. hwssopo* f. n-St. ‚Ysop‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes)
(Lehnwort < gr. hýssōpos). — wullai: dat.sg. v. wulla* f. ō-St. ‚Wolle‘ (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); ahd. wolla, mndd. wulle, frühmdl. wolle, aengl. wull, afries. (w)ulle, ul, aisl. ull; vgl.
heth. hulana-, ai. rṇā-, av. varənā-, gr. lēnos, lat. lāna, air. olann, lit. vìlna, aksl. vlьna. — raudai:
dat.sg.f. v. rauþs* (-d-) adj. a-St. ‚rot‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. rōt, as. rōd, andl.
rōt, aengl. rēad, afries. rād, aisl. rauðr; vgl. ai. róhita-, av. raoiðita-, lat. dial. rūfus, air. rúad, lit.
raũdas, nruss. (veraltet) rúdyj. — ufartrusnjandans: nom.pl.m. part.präs. v. ufartrusnjan* sw. V. 1
‚überstreuen‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); weitere
Etymologie unklar. — gadob: 3.sg.ind.prät. v. gadaban st. V. 6 ‚sich ereignen; passen‘ (das Simplex
ist im Got. nicht belegt); vgl. aengl. gedafen ‚passend, geeignet‘. — miton: akk.sg. v. mitons f. i-St.
‚Überlegung, Gedanke‘. — munandane: gen.pl.m. part.prät. v. munan* sw. V. 3 ‚zu tun gedenken,
wollen‘. — aflet: akk.sg. v. aflet* n. a-St. ‚Erlass, Vergebung‘; Ableitung von got. afletan st. V. 7
‚entlassen, fortschicken; verlassen, im Stich lassen, zurücklassen, überlassen‘. — ainfalþaba: adv.
‚einfältig‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung mit dem got. Adv. bildenden Suffix -ba
zu got. ainfalþs* adj. a-St. ‚einfach‘ (nur nom.sg.n. ainfalþ Mt 6:22); (mit Vernerscher Variante)
ahd. einfalt, as. ēnfald, ınndl. eenvout, aengl. ānfeald, afries. ēnfald, aisl. einfaldr; Kompositum mit
got. ains adj. a-St./num. ‚ein‘ und got. -falþs, Ableitung von der Wurzel in got. falþan* st. V. 7
‚falten, zusammenrollen‘ (nur 3.sg.prät. faifalþ Lk 4:20); ahd. faldan, mndd. vōlden, valden,
frühmndl. vouden, valden, aengl. f(e)aldan, nwestfries. fâldzje, aisl. falda. — gawandjandam:
dat.pl.m. part.präs. v. gawandjan sw. V. 1 ‚(hin-)wenden‘. — afleta: dat.sg. v. aflet* n. a-St. ‚Erlass,
Vergebung‘. — fragift: akk.sg. v. fragifts* f. i-St. ‚Verleihung, (pl.) Verlobung‘. — weihis: gen.sg.m.
v. weihs adj. a-St. ‚heilig‘. — ahmins: gen.sg. v. ahma m. n-St. ‚Geist‘. — fragibands: nom.sg.m.
part.präs. v. fragiban st. V. 5 ‚vergeben‘. — wairþaina: 3.pl.opt.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘.
[103]
4 daupeins: nom.sg. f. i-St. ‚Abwaschung, Taufe‘. — midumai: dat.sg. v. miduma* f. ō-St. ‚Mitte‘; aisl.
mjǫðm ‚Hüfte, Leibesmitte‘; Substantivierung des Adj., das in ahd. metamo ‚mittlere‘, aengl.
medume, medeme, meodume ‚mittelmäßig, gewöhnlich, klein, genügend, beträchtlich, eigen,
passend, vollständig‘, afries. (superl.) medemesta ‚mittelste, mittlere‘ vorliegt; Ableitung von der
Wurzel in got. midjis* adj. ja-St. ‚mittlerer‘. — twaddje: gen.n. v. twai num. ‚zwei‘. — ligandei:
nom.sg.f. part.präs. v. ligan* st. V. 5 ‚liegen‘. — ufarþeihandei: nom.sg.f. part.präs. v. ufarþeihan*
st. V. 1 ‚übertreffen‘; Kompositum mit got. þeihan st. V. 1 ‚gedeihen, Fortschritte machen‘; ahd.
dīhan, as. thīhan, thian, mndl. diën, dijen, dihen, aengl. þēon, þīon, afries. thīgia; vgl. heth. tamekzi
‚anheften, anschmiegen‘, ved. -tanakti (in -tanakti ‚lässt gerinnen‘, air. -téici ‚gerinnt‘. — witodis:
gen.sg. v. witoþ (-d-) n. a-St. ‚Gesetz‘. — hrainein: akk.sg. v. hraineins* f. i-St. ‚Reinigung‘. —
minnizei: nom.sg.f. komp. v. leitils adj. a-St. ‚klein, wenig‘. — filaus: adv. ‚um vieles, viel‘;
eigentlich gen.sg.n. zur Wurzel in got. filu: adv. ‚viel; sehr‘. — daupeinai: dat.sg. v. daupeins f. i-St.
‚Abwaschung, Taufe‘. — laiseiþ: 3.sg.ind.präs. v. laisjan sw. V. 1 ‚lehren‘. — gagganda: nom.sg.m.
sw. part.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — andbindau: 1.sg.opt.präs. v. andbindan st. V. 3
‚lösen‘. — skohis: gen.sg. v. skohs* m. a-St. ‚Schuh; Sandale‘. — garehsnai: dat.sg. v. garehsns f.
i-St. ‚bestimmte Zeit; Bestimmung, Plan‘.
4.2.
Blatt 4
1 „So nu faheþs meina usfullnoda: jains skal wahsjan iþ ik minznan.“ eiþan nu siponjam
seinaim þaim bi swiknein du Judaium sokjandam jah qiþandam sis: „rabbei saei was miþ þus
hindar Jaurdanau, þammei þu weitwodides. sai sa daupeiþ jah allai gaggand du imma.“ nauh
unkunnandans þo bi nasjand, in-uh þis laiseiþ ins qiþands: „jains skal wahsjan iþ ik minznan.“
aþþan so bi ina garehsns du leitilamma 2 mela raihtis bruks was jah fauramanwjandei saiwalos
þize daupidane; fralailot aiwaggeljons mereinai. iþ fraujins laiseins anastodjandei af iudaia
jah und allana midjungard gaþaih and ƕarjano þeihandei und hita nu jah aukandei all manne
du gudis kunþja tiuhandei. in-uh þis jah skeirs wisandei mikilduþs. jai fraujins wulþaus kannida
qiþands: „sa iupaþro qimands ufaro allaim ist.“ ni þatei ufaro wisandan sware kannidedi, ak
jah swalauda is mikilduþais 3 maht insok jah himinakundana. jah iupaþro qumanana qiþands,
iþ sik airþakundana jah us airþai rodjandan, in þizei wistai manna was, jaþþe weihs jaþþe
praufetus wisands jag garaihtein weitwodjands. akei us airþai was jah us waurdahai wistai
rodjands. iþ sa us himina qumana, jabai in leika wisan þuhta, akei „ufaro allaim ist. jah þatei
gasaƕ jag gahausida þata weitwodeiþ jah þo weitwodida is ni ainshun nimiþ.“ jah þauhjabai
us 4 himina ana airþai in manne garehsnais qam, akei ni þe haldis airþeins was nih us airþai
rodjands, ak himinakunda anafilhands fulhsnja þoei gasaƕ jag gahausida at attin. þo nu
insakana wesun fram iohanne ni in þis þatainei ei fraujins mikilein gakannidedi, ak du
gatarhjan jah gasakan þo afgudon haifst Sabailliaus jah Markailliaus þaiei ainana
anananþidedun qiþan attan jah sunu. iþ anþar weiha …
1 faheþs: nom.sg. (-d-) f. i-St. ‚Freude‘. — wahsjan: inf. st. V. 6 ‚wachsen (lassen), vermehren‘;
vielleicht mit unmittelbarer Entsprechung in aisl. vexa sw. V., aschwed. væxa sw. V. neben (mit
Umbildung zu einem thematischen V. ohne -j-) ahd., as. wahsan, andl. wassan, aengl. weaxan, afries.
waxa, aisl. vaxa; vgl. ved. vakṣayam ‚lasse wachsen‘, jav. vaxšaiiatō ‚lassen wachsen‘. — minznan:
inf. sw. V. 4 ‚abnehmen‘; Ableitung von got. mins adv. ‚weniger‘. — Judaium: dat.pl. v. Iudaius m.
u/i-St. N ‚Jude‘. — sokjandam: dat.pl.m. part.präs. v. sokjan sw. V. 1 ‚suchen, disputieren‘. —
[104]
qiþandam: dat.pl.m. part.präs. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — Jaurdanau: dat. v.
Iaurdanus* m. u-St. FlussN ‚Jordan‘ (mit J-, das neben I- in der Überlieferung steht; s. Iaurdanau
[Mk 10:1]). — weitwodides: 2.sg.ind.prät. v. got. weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘. — gaggand:
3.pl.ind.präs. v. gaggan suppl. st. V. 7 ‚gehen‘. — nauh: adv. ‚noch‘; ahd., as. noh, frühmndl. noch,
afries. noch, nach; Zusammenrückung aus der Vorform von got. nu 1. adv. ‚nun, jetzt‘, 2. konj. ‚nun,
demnach, folglich, also‘ und got. -(u)h enklit. part. ‚und‘. — unkunnandans: nom.pl.m. v.
unkunnands part.präs. ‚nicht kennend, unwissend‘; Kompositum mit der Negation got. un- ‚un-,
nicht‘ und dem Part.Präs. v. got. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. — nasjand: akk.sg. v. nasjands
m. nd-St. ,Heiland‘. — leitilamma: dat.sg.n. v. leitils adj. a-St. ‚klein, wenig‘.
2 bruks: nom.sg.f. adj. i-St. ‚brauchbar‘; ahd. brūchi, aengl. brȳce; Ableitung von der Wurzel in got.
brukjan anom. V. ‚gebrauchen‘. — fauramanwjandei: nom.sg.f. part.präs. v. fauramanwjan* sw. V.
1 ‚vorbereiten‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. manwjan sw. V. 1
‚bereitmachen, zurechtmachen‘. — saiwalos: akk.pl. v. saiwala f. ō-St. ‚Seele‘. — daupidane:
gen.pl.m. sw. part.prät. v. daupjan sw. V. 1 ‚taufen‘. — laiseins: nom.sg. f. i-St. ‚Lehre‘. —
anastodjandei: nom.sg.f. part.präs. v. anastodjan* sw. V. 1 ‚anfangen, anheben‘. — gaþaih:
3.sg.ind.prät. v. gaþeihan* st. V. 1 ‚vorwärtskommen‘; Kompositum mit got. þeihan st. V. 1
‚gedeihen, Fortschritte machen‘. — ƕarjano: akk.sg.m. v. ƕarjizuh pron. ‚jeder‘ (mit wegen sw.
Aussprache nicht geschriebenem -h). — þeihandei: nom.sg.f. part.präs. v. þeihan st. V. 1 ‚gedeihen,
Fortschritte machen‘. — hita: akk.sg.n. v. hi-* pron. ‚dieser‘. — aukandei: nom.sg.f. part.präs. v.
aukan* st. V. 7 ‚sich mehren‘; ahd. -ouchan (in zuoouchan ‚hinzufügen‘), as. ōkan ‚schwanger
machen‘, frühmndl. oken ‚vermehren, vergrößern‘, afries. āka ‚vermehren, (einen Betrag) erhöhen‘,
aisl. auka ‚vermehren, verstärken, erschweren, übertreffen‘; vgl. arm. ačem ‚wachse‘, lit. áugti
‚wachsen‘. — kunþja: dat.sg. v. kunþi n. ja-St. ‚Kunde, Kenntnis‘; aisl. kynni ‚Kennzeichen,
Geschlecht‘; Ableitung von der Wurzel in got. kunþs (-þ-) adj. a-St. ‚bekannt‘; ahd. kund, as. kūth,
andl. kunt, aengl. cūþ, afries. kūth, kūd, aisl. kunnr; vgl. gr. gnōtós ‚wahrgenommen, verstanden,
bekannt‘, air. gnath ‚bekannt, üblich, gewöhnlich‘, abret. gnot ‚gewohnlich, üblich‘, lit. -žintas (in
pažintas ‚bekannt‘); Ableitung von der Wurzel in got. kunnan prät.präs. ‚kennen, wissen‘. —
tiuhandei: nom.sg.f. part.präs. v. tiuhan st. V. 2 ‚ziehen, (weg-)führen‘. — skeirs: nom.sg.f. v. skeirs*
i-St. ‚klar, deutlich‘; ? ahd. skīr(i), mhd. schīr, as. skīr(i), andl. skieri, aengl. scīr, afries. skire, aisl.
skírr; Ableitung von der Wurzel in got. skeinan st. V. 1 ‚scheinen, leuchten‘. — wisandei: nom.sg.f.
part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — mikilduþs: nom.sg. (-þ-) f. i-St. ‚Größe‘;
Ableitung von got. mikils adj. a-St. ‚groß‘. — wulþaus: gen.sg. v. wulþus m. u-St. ‚Herrlichkeit‘. —
kannida: 3.sg.ind.prät. v. kannjan sw. V. 1 ‚kund tun‘; ahd. -kennen, as. -kennian, andl. kennen,
aengl. cennan, afries. kenna, kanna, aisl. kenna; Ableitung von der Wurzel in got. kunnan prät.präs.
‚kennen, wissen‘. — wisandan: akk.sg.m. part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. —
sware: adv. ‚ohne Grund, vergebens, umsonst‘ (daneben auch einmal als swarei [2.KorB 6:1]
überliefert); Etymologie unklar. — kannidedi: 3.sg.opt.prät. v. kannjan sw. V. 1 ‚kund tun‘. —
swalauda: nom.sg.f. v. swalauþs (-d-) adj. a-St. ‚so groß‘; Kompositum aus got. swa adv. ‚so‘ und
got. -lauþs (s. juggalauþs; vgl. auch got. ƕelauþs* [-d-] adj. a-St. ‚wie groß‘). — mikilduþais: gen.sg.
v. mikilduþs (-þ-) f. i-St. ‚Größe‘.
3 insok: 3.sg.ind.prät. v. insakan* st. V. 6 ‚vorstellen, anraten, eintreten für, bezeichnen‘; Kompositum
mit got. sakan st. V. 6 ‚streiten; Vorwürfe machen, schelten‘. — himinakundana: akk.sg.m. v.
himinakunds* adj. a-St. ‚von himmlischer Abkunft‘. — qumanana: akk.sg.m. part.prät. v. qiman st.
V. 4 ‚kommen‘. — airþakundana: akk.sg.m. v. airþakunds* adj. a-St. ‚von irdischer Abkunft‘ (dies
ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum aus got. airþa f. ō-St. ‚Erde, Land‘ und got. *kunds
adj. a-St. ‚abstammend‘ (s. himinakunds). — rodjandan: akk.sg.m. part.präs. v. rodjan sw. V. 1
‚sprechen, reden‘. — wistai: dat.sg. v. wists* f. i-St. ‚Wesen, Natur‘; ahd., as., aengl. wist, aisl. vist;
vgl. air. fe(i)ss ‚Schlaf, Übernachten‘, toch. A waṣt, B ost ‚Haus‘. — jaþþe: konj. ‚und wenn‘ (jaþþe
… jaþþe ‚sei es, dass … oder dass, gleichviel ob … oder ob, entweder … oder‘); assimiliert aus
[105]
*jahþe, bestehend aus got. jah: kopula ‚und‘ und got. þe: instr.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. —
wisands: nom.sg.m. part.präs. v. wisan unreg. st. V. ‚(da)sein, existieren‘. — jag: kopula ‚und‘; mit
Assimilation von -h – g- zu -g – g-. — garaihtein: akk.sg. v. garaihtei f. n-St. ‚Gerechtigkeit, Gebot‘;
Ableitung zu got. garaihts adj. a-St. ‚gerecht‘. — weitwodjands: nom.sg.m. part.präs. v. got.
weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘. — waurdahai: dat.sg.f. v. waurdahs* adj. a-St. ‚vernünftig‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); vgl. as. -wurdig (in ēnwurdig, samwurdig ‚einmütig‘), aengl.
wordig, aisl. orðigr, orðugr; Ableitung von der Wurzel in got. waurd n. a-St. ‚Wort‘. — rodjands:
nom.sg.m. part.präs. v. rodjan sw. V. 1 ‚sprechen, reden‘. — qumana: nom.sg.m. sw. part.prät. v.
qiman st. V. 4 ‚kommen‘ . — þuhta: 3.sg.ind.prät. v. þugkjan* sw. V. 1 ‚glauben, meinen, gelten‘.
— gahausida: 3.sg.ind.prät. v. gahausjan sw. V. 1 ‚hören, vernehmen‘. — weitwodeiþ: 3.sg.ind.präs.
v. weitwodjan* sw. V. 1 ‚(be-)zeugen‘. — weitwodida: akk.sg. v. weitwodiþa f. ō-St.
‚Zeugnis(ablegung)‘ (hier einmalig mit fehlerhaftem -d- statt -þ-) — nimiþ: 3.sg.ind.präs. v. niman
st. V. 4 ‚nehmen, an-, aufnehmen, empfangen, fangen‘. — þauhjabai: konj. ‚wenn auch‘;
Zusammenrückung aus got. þauh 1. konj. ‚als, oder‘, 2. adv. ‚doch, wohl, etwa‘ und got. jabai konj.
‚wenn‘.
4 garehsnais: gen.sg. v. garehsns f. i-St. ‚bestimmte Zeit; Bestimmung, Plan‘. — þe: adv. ‚um so‘;
ursprünglich instr.sg.n. v. got. sa dem.pron. ‚dieser, der‘. — haldis: adv. ‚mehr‘ (nur in der
Verbindung ni þe haldis ‚nicht umso mehr, keineswegs); ahd. halt, as. hald (nur in than hald ni
,ebensowenig‘), aisl. heldr. — airþeins: nom.sg.m. adj. a-St. ‚irdisch, irden‘; ahd. erdīn; Ableitung
von der Wurzel in got. airþa f. ō-St. ‚Erde, Land‘. — himinakunda: akk.pl.n. v. himinakunds* adj.
a-St. ‚von himmlischer Abkunft‘. — fulhsnja: akk.pl. v. fulhsni* n. ja-St. ‚Verborgenheit‘; aisl.
fylgsni; Ableitung von der Wurzel in got. filhan st. V. 4 ‚begraben, verbergen‘. — insakana:
nom.pl.n. part.prät. v. insakan* st. V. 6 ‚vorstellen, anraten, eintreten für, bezeichnen‘. — þatainei:
adv. ‚nur‘ (ni þatainei … ak ‚nicht nur … sondern‘); Zusammenrückung aus got. þatain, das selbst
aus got. þata akk.sg.n. v. sa dem.pron. ‚dieser, der‘ und got. ain akk.sg.n. v. ains adj. a-St./num. ‚ein‘
besteht, und got. ei konj. ‚damit, dass‘. — mikilein: akk.sg. v. mikilei* f. n-St. ‚Größe‘; ahd. michilī,
as., andl. mikili, aengl. micelu; Ableitung von der Wurzel in got. mikils adj. a-St. ‚groß‘. —
gakannidedi: 3.sg.opt.prät. v. gakannjan sw. V. 1 ‚verkünden‘. — gatarhjan: inf. sw. V. 1
‚kennzeichnen‘. — afgudon: akk.sg.f. sw. v. afguþs* (-d-) adj. a-St. ‚gottlos‘; vgl. (wohl aus dem
Got. als Lehnübersetzung übernommenes) ahd. abgot, as. afgod, andl. afgot, afries. afgod ‚Götze‘;
Kompositum aus dem Präfix got. af- ‚ab, weg‘ und got. guþ n. a-St. ,Gott‘. — haifst: akk.sg. v.
haifsts* f. i-St. ‚Streit, Zank‘; aengl. hǣst ‚Heftigkeit‘, afries. hāst ‚Übereilung, Zorn; Hast, Eile‘,
aisl. heifst ,Haß, Streit‘ neben (anders gebildet) aisl. heift, heipt ‚dass.‘. — Sabailliaus: gen. v.
Sabaillius* m. u-St. PersonenN ‚Sabellius‘ (das Haupt der römischen Monarchianer; Lehnwort < lat.
Sabellius). — Markailliaus: gen. v. Markaillius* m. u-St. PersonenN ‚Marcellus‘ (Marcellus von
Ankyra; Lehnwort < lat. Marcellus) (dies ist der einzige Beleg des N). — anananþidedun:
3.pl.ind.prät. v. anananþjan* sw. V. 1 ‚Mut fassen, sich erkühnen‘. — anþar: nom.sg.m. adj./num.
a-St. ‚anderer, zweiter‘. — weiha: nom.sg. m. n-St. ‚Priester‘; entweder Ableitung zu unbelegtem
got. *weih n. a-St. ‚Tempel‘ (ahd., as., aengl. wīh, aisl. vé; Ableitung von der Wurzel in got. weihs
adj. a-St. ‚heilig‘) oder unmittelbar von got. weihs adj. a-St. ‚heilig‘ abgeleitet.
5. Codex Bononiensis
5.1.
Blatt 1
[106]
1 nasei unsis frauja guþ unsar [jah galis unsis u]s þiudom, in þaimei nu bauam … [bisun]jane
unsis, iþ ussindo unsib[jaim jah frawau]rhtaim wisandam. bisunjane uns[ibj]a[i gag]gand,
akei þu frauja bairgais unsis jah gawitais unsis faura kunja þamm[a] du aiwa; in-uh þis jah sa
audaga praufetus Daweid armaleiko bikunþjands kuni manne nu ubilaize fraujin jah skapa
[h]ropeiþ qiþanda: „nasei mik frauja unte fairl[ag] weihs aiþþau airkns.“ nasei mik frauja
unte [ni]st saei nasjai ufar þuk frauja, nih airus nih agg[i]lus nih andbahts nih ahma, ak silba
frauja qam du nasjan unsis. swa auk jah Pawlus qiþiþ: „wainahs ik manna ƕas mik lauseiþ us
þamma leika d[a]uþaus þis?“ nih witoþ nih praufeteis nih stauos nih þiudanos nih reiks. in
ƕis? in þizei witoþ trudan warþ, stauam fra[t]rudan warþ, praufetum usquman warþ, weihaim
gamaurþiþ warþ. [i]n[r]iurida aiþþau frawardida … einana … n[is]t, saei waurkjai þiuþ, nist
un[d] ainana. allai ushniwun sama[na unb]r[ukj]ai wau[r]þun. in-uh þis ik, þa(n) qaþ, in
allaim wailadede is awiliudo guda meinamma þair<h> Iesu Xristu, saei ist [n]asjands allaiz[e]
manne, þishun þize ga[l]aubjandane. sa a[u]k, þan qaþ, ganasjiþ managein 2 seina af
frawaurhtim ize. a... in tojam apaustaule sama [Lukas insok] qiþanda: nist auk, þan qaþ, [namo
anþar uf] himina atgiban mannam, in [þammei skulum] ganisan weis, alja in namin
[þein]a[mma]. þeinaizos [þ]an naseinais nist marka nih mitads. þeinaizos naseinais nist wokrs
nih fairlet. nasei mik frauja, þuei Nauel us swaleikamma midjasweipainais watin g[a]nasides,
þuei Lod us Saudaumos gawargeinai g[an]asides, þuei Israel us Faraoni jah wairam se[in]aim
ganasides, þuei jainans þrins magu[n]s Ananeian, Azareian, Mesael us þiudana ganut<an>ans
jah us agisleikamma auhna funins brinnandin ganasides, þuei Daniel us b[a]ljondane laiwane
munþam manwjane du fraslindan ganasides. þu nu, þan qaþ, frauja jah mik nasei ei ƕopau
qiþanda: „in guda [n]aseins meina jah wulþus [m]eins jah fraujins is[t] naseins jah ana
managein þeinai [þi]uþeins þeina.“ n[a]sei nu mela fraistubnjos al[l]ans þans wenjandans du
þus, þuei ja[h P]aitr[u] sugqanana standandan in marein ganasides. at Paitrau qiþandin:
„nasei unsis“, þan qa<þ>, „frauj[a] fraqistnam.“ bi þanei jah Lukas insok qiþa[n]da in tojam:
„insandei d[u] Iauppein jah athait Seimona saei ananamn[ja]da Paitrus.“
1 galis: 2.sg.imp.präs. v. galisan* st. V 5 ‚zusammenlesen, versammeln‘. — bauam: 1.pl.ind.präs. v.
bauan unreg. sw. V. 3 ‚wohnen, bewohnen‘; ahd. bū(w)an, bū(w)en, as. būan, andl. būwon, aengl.
bū(i)an, būwan, afries. būwa, bōwa, aisl. búa; vgl. gr. att. ph omai ‚wachse, werde‘, lat. fīerī
‚werden, entstehen‘, air. -bí ‚zu sein pflegen‘. — ussindo: adv. ‚am meisten, besonders‘; Ableitung
zu unbelegtem got. *ussinþs adj. a-St. ‚außer dem Weg befindlich‘; Ableitungskompositum mit dem
Präfix got. us- ‚aus‘ und got. sinþs* / sinþ* (-þ-) m. / n. a-St. ‚Mal‘. — frawaurhtaim: dat.sg.m. v.
frawaurhts adj. a-St. ‚sündig‘; Ableitung zum V. in got. frawaurkjan* sw. V. 1 ‚eine Sünde begehen;
(+ sis) sich versündigen‘ (vgl. got. -waurhts* ‚gemacht, gewirkt‘ in handuwaurhts* adj. a-St. ‚mit
der Hand gemacht‘). — unsibjai: nom.pl.m. v. unsibjis adj. ja-St. ‚ungesetzlich, gottlos‘. — bairgais:
2.sg.opt.präs. v. bairgan* st. V. 3 ‚bergen‘; ahd. bergan, as. -bergan (in gibergan ‚bewahren‘), andl.
bergan, aengl. beorgan, afries. bergia, aisl. bjarga; vgl. aksl. -brěšti (in nebrěšti ‚vernachlässigen‘).
— gawitais: 2.sg.opt.präs. v. gawitan* sw. V. 3 ‚bewachen‘ (dies ist der einzige Beleg dieses
Wortes); Kompositum mit got. witan sw. V. 3 ‚achtgeben, bewachen, hüten, halten‘. — kunja: dat.sg.
v. kuni n. ja-St. ‚Geschlecht, Stamm‘; lat.-germ. in PersonenN Cuni-, run. kuni- (PersonenN dat.sg.
kunimudiu [Brakteat 1 von Tjurkö, 440–560]), ahd. kunni, lgb. in PersonenN Cuni-, as. kunni, andl.
cunni, aengl. cynn, aisl. kyn; vgl. lat. genius ‚der Schutzgeist (des Mannes)‘. — aiwa: dat.sg. v. aiws*
m. a/i-St. ‚Zeit, Ewigkeit‘. — audaga: nom.sg.m. sw. v. audags adj. a-St. ‚selig‘; ahd. ōtag, as. ōdag,
aengl. ēadig, aisl. auðigr, auðigr ‚reich‘; Ableitung von der Wurzel in got. audahafts* adj. a-St.
‚glücklich‘. — Daweid: nom. m. PersonenN ‚David‘ (Lehnwort < gr. Daueíd). — armaleiko: adv.
[107]
‚zerknirscht, jämmerlich‘ (dies ist der einzige Beleg dieses Wortes); ahd. armalīcho, mndd. armlike,
frühmndl. armelike, aengl. earmlīce, aisl. armliga; Ableitung von unbelegtem got. *armaleiks adj.
a-St. ‚ärmlich, elend‘; ahd. armalīh, as. armlīk, mndl. armelijc, aengl. earmlīc, aisl. armlígr; Bildung
mit der Wurzel von got. leik n. a-St. ‚Körper, Leib; Leichnam; Fleisch‘ von got. arms* adj. a-St.
‚beklagenswert, arm‘; ahd., as., andl. arm, aengl. earm, afries. erm, arm, aisl. armr. — bikunþjands:
nom.sg.m. part.präs. v. bikunþjan* sw. V. 1 ‚bekannt geben, zeigen‘ (dies ist der einzige Beleg dieses
Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. kunden, as. kūthian, andl. kunden, aengl. cȳþan,
afries. kētha, kēda, aisl. kynna; Ableitung von der Wurzel in got. kunþs (-þ-) adj. a-St. ‚bekannt‘. —
kuni: akk.sg. v. kuni n. ja-St. ‚Geschlecht, Stamm‘. — ubilaize: gen.sg.m. v. ubils adj. a-St. ‚übel,
böse‘. — skapa: dat.sg. v. skap* m. a-St. ‚Schöpfer‘; Ableitung von der Wurzel in got. gaskapjan*
st. V. 6 ‚erschaffen‘; neben ahd. skaf, as. skap, aengl. -sceap, aisl. skap ‚Schöpfung‘. — hropeiþ:
3.sg.ind.präs. v. hropjan sw. V. 1 ‚rufen‘. — qiþanda: nom.sg.m. sw. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen,
bezeichnen‘ (syntaktisch wäre qiþands zu erwarten). — fairlag: 3.sg.ind.prät. v. fairligan* st. V. 5
‚verlassen, fern liegen‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. ligan* st. V. 5
‚liegen‘. — airkns: nom.sg.m. adj. a-St. ‚heilig‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. erkan
‚hervorragend, ehrwürdig, fest, bestimmt, wirklich‘, as. in PersonenN Ercan-, aengl. in PersonenN
E(o)rcon-. — nasjai: 3.sg.opt.präs. v. nasjan sw. V. 1 ‚retten‘. — airus: nom.sg. m. u-St. m. ‚Bote,
Gesandschaft‘; as. ēr, aengl. ār, aisl. árr. — andbahts: nom.sg. m. a-St. ‚Diener‘. — nasjan: inf. sw.
V. 1 ‚retten‘. — wainahs: nom.sg.m. adj. a-St. ‚elend‘; ahd. wēnag, mndd. wēnich, weinich, andl.
wēnig; Ableitung von got. wai interj. ‚wehe!‘. — lauseiþ: 3.sg.ind.präs. v. lausjan sw. V. 1 ‚los
machen, retten; Geld erheben, eintreiben‘. — dauþaus: gen.sg. v. dauþus m. u-St. ‚Tod‘. —
praufeteis: nom.pl. v. praufetus m. u-St. ‚Prophet‘. — stauos: nom.pl. v. staua f. ō-St. ‚Gericht,
Urteil, Streitsache‘ (da wohl besser ein Wort mit der Bedeutung ‚Richter‘ zu erwarten ist, kann
vielleicht angenommen werden, dass hier eigentlich stauans [Form bisher nicht belegt], nom.pl. v.
got. staua m. n-St. ‚Richter‘ gemeint ist; vgl. Ver 19:30 akk.pl. horos und motarjos, die für horans
[Form sonst nicht belegt], akk.pl. v. hors m. a-St. ‚Hurer, Ehebrecher‘ und motarjans [Form sonst
nicht belegt], akk.pl. v. motareis m. ja-St. ‚Zöllner‘ stehen sollen; diese Fälle sind aber nur
Kasusversehen, keine Genusversehen; vielleicht ist ein stauos hier als nom.pl. zu einem unbelegten
Wort got. *staus m. a-St. ‚Richter‘ zu deuten, das neben staua m. n-St. ‚dass.‘ steht). — þiudanos:
nom.pl. v. þiudans m. a-St. ‚König‘. — reiks: nom.pl. v. reiks m. Kons.st. ‚Herrscher‘ (Lehnwort
aus dem Kelt.; vgl. gall. in PersonenN -rīx, air. rí ‚König‘). — ƕis: gen.sg.n. v. ƕas frage-/indef.pron.
‚wer?; irgendeiner‘. — trudan: nom.sg.n. part.prät. v. trudan st. V. 4 ‚treten‘; aisl. troða neben
(anders gebildet) ahd. tretan, mndd. trēden, andl., aengl. tredan, afries. treda. — stauam: dat.pl. v.
staua m. n-St. ‚Richter‘ (oder von *staus m. a-St. ‚Richter‘ [s.o.]?); Ableitung von derselben Wurzel
wie in got. staua f. ō-St. ‚Gericht, Urteil, Streitsache‘. — fratrudan: nom.sg.n. part.prät. v. fratrudan*
st. V. 4 ‚zertreten, ersetzen‘ (das ist der einzige Beleg des V.); Kompositum mit got. trudan st. V. 4
‚treten‘. — praufetum: dat.pl. v. praufetus m. u-St. ‚Prophet‘. — usquman: nom.sg.n. part.prät. v.
usqiman st. V. 4 ‚umbringen, den Tod geben‘. — weihaim: dat.pl.m. v. weihs adj. a-St. ‚heilig‘. —
gamaurþiþ: nom.sg.n. part.prät. v. gamaurþjan* sw. V. 1 ‚töten‘ (dies ist der einzige Beleg des
Wortes) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. murden, morden, mndd. mōrden, frühmndl.
morden, aisl. myrða; Ableitung von der Wurzel in got. maurþr* n. a-St. ‚Mord‘. — inriurida:
entweder 3.sg.ind.prät. oder nom.sg.m. sw. part.prät. oder nom./akk.pl.n. part.prät. v. inriurjan* sw.
V. 1 ‚verderben‘ (die genaue Deutung bleibt wegen der Textlücke unklar) (dies ist der einzige Beleg
des Wortes); Kompositum mit got. riurjan* sw. V. 1 ‚verderben‘ (nur 3.pl.ind.präs. riurjand 1.KorA
15:33); aisl. rýra ‚vermindern‘; Ableitung von der Wurzel in got. riurs* adj. i-St. ‚vergänglich,
sterblich‘; afries. rī, aisl. rýrr ‚gering, unbedeutend‘. — frawardida: entweder 3.sg.ind.prät. oder
nom.sg.m. sw. part.prät. oder nom./akk.pl.n. part.prät. v. frawardjan* sw. V. 1 ‚verderben‘ (die
genaue Deutung bleibt wegen der Textlücke unklar) (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd.
werten, as. -werdian (in āwerdian ‚verderben), aengl. wyrdan; vgl. ved. vartáyati ‚dreht, wendet‘,
[108]
air. -fortī (in difortī- ‚ausgießen‘), aksl. vratiti sę ‚sich wenden‘; Ableitung von der Wurzel in got.
wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — …einana: nicht deutbar (die gesamte Stelle bleibt wegen der Textlücke
unklar). — waurkjai: 3.sg.opt.präs. v. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. — þiuþ: akk.sg. v. þiuþ
(-þ-) n. a-St. ‚das Gute, die gute Sache‘; Substantivierung eines nicht bezeugten Adj. got. *þiuþ a-St.
‚gut‘; vgl. aisl. þýðr ‚freundlich, mild, hold‘. — ushniwun: 3.pl.ind.prät. v. ushneiwan* st. V. 1 ‚sich
neigen‘; Kompositum mit got. hneiwan st. V. 1 ‚sich neigen‘. — samana: adv. ‚zusammen, zugleich‘;
ahd., as. saman, afries. samane, aisl. saman neben ahd. samin, aengl. samen, afries. samin, semin;
Ableitung von der Wurzel in got. sama pron. ‚derselbe‘. — unbrukjai: nom.pl.m. v. unbruks* adj.
i/ja-St. ‚unbrauchbar‘; Kompositum aus der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und got. bruks adj. i/ja-St.
‚brauchbar‘. — wailadede: gen.pl. v. wailadeþs* (-d-) f. i-St. ‚Wohltat‘; Bildung aus got. waila adv.
‚wohl, gut‘ und got. -deþs f. i-St. ‚Tat‘ (s. waidedja). — þair<h>: präp. + akk. ‚durch‘ (das -h ist
wohl wegen der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got. ausgefallen). — Xristu: akk. v. Xristus m.
BeiN ‚Christus‘. — galaubjandane: gen.pl.m. part.präs. v. galaubjan sw. V. 1 ‚glauben‘. —
ganasjiþ: 3.sg.ind.präs. v. ganasjan sw. V. 1 ‚erretten, herstellen‘.
2 seina: wohl akk.sg.f. v. seins* poss.pron. ‚sein, ihr‘. — a...: nicht deutbar. — tojam: dat.pl. v. taui n.
ja-St. ‚Werk, Tat‘; Ableitung von der Wurzel in got. taujan sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — apaustaule:
gen.pl. v. apaustaulus m. u/i-St. ‚Apostel‘. — sama: nom.sg.m. pron. ‚derselbe‘. — Lukas: nom. m.
PersonenN ‚Lukas‘ (Lehnwort < gr. Loukãs). — qiþanda: auch hier wäre syntaktisch qiþands zu
erwarten (s.o.). — anþar: nom.sg.n. adj./num. a-St. ‚anderer, zweiter‘. — uf: präp. + dat./akk. ‚unter‘;
ahd. oba ‚oben‘, aengl. Intensivierungspräfix of- (in ofhyngrod ,sehr hungrig‘) neben ufe- (in
ufeweard ,oberer‘), aisl. of ‚auf, über‘; vgl. ved. úpa ‚(her-)zu, hin(auf)‘, aav. upā, jav. upa ‚hin …
zu, bei‘, air. fo ‚unter‘. — atgiban: inf. st. V. 5 ‚hingeben‘. — ganisan: inf. st. V. 5 ‚genesen, errettet
werden‘. — þeinaizos: gen.sg.f. v. þeins poss.pron. ‚dein‘. — naseinais: gen.sg. v. naseins f. i-St.
‚Rettung, Heil‘; Ableitung von got. nasjan sw. V. 1 ‚retten‘. — marka: nom.sg. f. ō-St. ‚Mark,
Grenze‘. — mitads: nom.sg. (für +mitaþs) f. Kons.st. ‚Maß‘ (mit analogischem -d- statt -þ-);
Ableitung von der Wurzel in got. mitan* st. V. 5 ‚messen‘. — wokrs: nom.sg. m. a-St. ‚Zins‘; ahd.
wuochar, mndd. wōker, wūker, andl. wuoker, aengl. wōcor, afries. wōker, aisl. ókr; Ableitung von
der Wurzel in got. wahsjan st. V. 6 ‚wachsen (lassen), vermehren‘. — fairlet: nom.sg. n. a-St.
‚Verlassen‘; Ableitung zu einem nicht belegten V. got. *fairleten st. V. 7 ‚verlassen, zurücklassen‘;
Kompositum mit got. letan* st. V. 7 ‚lassen, zulassen, überlassen, zurücklassen‘. — þuei: nom.sg.
rel.pron. ‚der du‘; Kompositum aus got. þu pers.pron. ‚du‘ und got. ei konj. ‚damit, dass‘. — Nauel:
akk. v. Nauel m. a-St. PersonenN ‚Noah‘ (umgestaltetes Lehnwort < gr. Nōé). — swaleikamma:
dat.sg.n. v. swaleiks pron.adj. ‚so beschaffen, ein solcher‘. — midjasweipainais: gen.sg. v.
midjaweipains f. i-St. ‚Überflutung, Sintflut‘; Kompositum aus got. midja-, Ableitung von der
Wurzel in got. midjis* adj. ja-St. ‚mittlerer‘ und als Simplex unbelegtes got. -sweipains f. i-St.
‚Fegen, Spülen‘; vgl. aengl. swēpen, afries. swēpene ‚Fegen‘; Ableitung von einem unbelegten V.
got. *sweipan sw. V. 3 ‚fegen, spülen‘; vgl. (anders gebildet) ahd. sweifan ‚kämpfen‘, as. -swēpan
(in farswēpan ‚vertreiben‘), aengl. swāpan ‚fegen, schwingend bewegen‘, aisl. sveipa ‚werfen,
umhüllen‘. — ganasides: 2.sg.ind.prät. v. ganasjan sw. V. 1 ‚erretten, herstellen‘. — Lod: akk. v.
Loþ* m. PersonenN ‚Lot‘ (mit analogischem -d statt *-þ) (Lehnwort < lat. Loth). — Saudaumos:
gen. v. Saudauma(*) f. ō-St. OrtsN ‚Sodom‘ (die Einordnung von nom. Saudauma RömA 9:29 bleibt
offen; daneben findet sich ein gen.pl. Saudaumje Mt 11:24 zu nom.pl. Saudaumeis*) (Lehnwort <
gr. Sódoma). — gawargeinai: dat.sg. v. gawargeins* f. i-St. ‚Verurteilung‘; Ableitung von got.
gawargjan* sw. V. 1 ‚verurteilen zu‘. — Israel: akk. v. Israel m. LänderN ‚Israel‘. — Faraoni:
dat.sg. v. Farao m. ‚Pharao‘ (Lehnwort < gr. Pharaṓ). — wairam: dat.pl. v. wair m. a-St. ‚Mann‘.
— maguns: akk.pl. v. magus m. u-St. ‚Knabe‘; ahd. maga-, as. magu, andl. maga-, aengl. mago,
afries. mage, aisl. mǫgr. — Ananeian: akk. v. Ananias* m. PersonenN ‚Hananja‘ (Lehnwort < gr.
Ananías). — Azareian: akk. v. Azarias* m. PersonenN ‚Asarja‘ (dies ist der einzige Beleg des N)
(Lehnwort < gr. Azarías). — Mesael: akk. v. Mesael* m. PersonenN ‚Misael‘ (dies ist der einzige
[109]
Beleg des N) (Lehnwort < gr. Misaḗl). — ganut<an>ans: akk.pl.m. part.prät. v. ganiutan* st. V. 2
‚ergreifen, erwischen‘ (überliefertes ganutans [nom.sg.m. part.prät.] ist syntaktisch wohl nicht
anschließbar); Kompositum mit got. niutan* st. V. 2 ‚erreichen, froh sein‘. — agisleikamma:
dat.sg.m. v. agisleiks* adj. a-St. ‚furchtbar, schrecklich, furchterregend‘; ahd. egislīh, as. egislīh,
andl. egislīk, aengl. egeslīc; Kompositum mit got. agis n. a-St. ‚Furcht‘ und got. -leiks (s. leik). —
auhna: dat.sg. v. auhns* m. a-St. ‚Ofen‘; (?) nisl. ónn m. neben ahd. ofan, as. ovan, frühmndl. als
BeiN oven, aengl. of(e)n, afries. owen, oun, aisl. ofn, omn neben aisl. ogn; vgl. ai. ukhá- ‚Kochtopf,
Schüssel‘, ukh ‚Kochtopf, Feuerschüssel‘, lat. aulla ‚Kochtopf‘. — brinnandin: dat.sg.m. part.präs.
v. brinnan* st. V. 3 ‚brennen‘; ahd., as., andl. brinnan, aengl. beornan, birnan, afries. burna, aisl.
brinna, brenne; wohl zu ai. gh ṇoti ‚leuchtet, brennt‘, arm. ǰernowm ‚wärme mich‘. — Daniel: akk.
v. Daniel* PersonenN m. ‚Daniel‘ (Lehnwort < gr. Daniḗl). — baljondane: gen.pl.m./n. part.präs. v.
baljon* sw. V. 2 ‚brüllen, schreien‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. bellōn; Ableitung
von der Wurzel in ahd. bellan, mndd., mndl. bellen, aengl. bellan neben (anders gebildet) aisl. belja.
— laiwane: gen.pl. v. laiwa* / laiwo* m. / n. n-St. ‚Löwe‘ (daneben muss es wegen der Entlehung
aksl. lьvъ auch eine Form got. *liwa gegeben haben) (Lehnwort < lat. leō; ahd. le(w)o, mndd. löuwe,
lowe, lou, lewe, lauwe, andl. lewo, aengl. lēo, afries. lawa, aisl. leó, león, ljón). — munþam: dat.pl.
v. munþs (-þ-) m. a-St. ‚Mund‘; ahd. mund, as. mūth, andl. munt, aengl. mūþ, afries. mūth, aisl.
munnr, muðr; vgl. lat. mentum ‚Kinn‘, kymr. mant ‚Kiefer‘. — manwjane: gen.pl.m./n. sw. v.
manwus adj. u-St. ‚bereit‘; letztendlich Ableitung von der Wurzel in got. munan* prät.präs. ‚meinen,
glauben‘ (semantische Entwicklung des Adj. über ‚im Sinn habend‘, ‚willens‘). — fraslindan: inf.
st. V. 3 ‚verschlingen, verschlucken‘ (das Simplex ist im Got. nicht belegt); ahd. slintan, as. -slindan
(in farslindan ‚verschlingen‘), frühmndl. slinden; vgl. (anders gebildet) ved. srédhati ‚gleitet aus,
handelt falsch‘. — ƕopau: 1.sg.opt.präs. v. ƕopan st. V. 7 ‚sich rühmen‘. — qiþanda: auch hier wäre
syntaktisch qiþands zu erwarten (s.o.). — naseins: nom.sg. f. i-St. ‚Rettung Heil‘. — þiuþeins:
nom.sg. f. i-St. ‚Güte, Segen‘. — fraistubnjos: gen.sg. v. fraistubni* f. jō-St. ‚Versuchung‘. —
wenjandans: nom.sg.m. part.präs. v. wenjan* sw. V. 1 ‚warten, hoffen auf‘; ahd. wānen, as. wānian,
andl. wānen, aengl. wēnan, afries. wēna, aisl. vǽna ‚meinen, denken‘; Ableitung von der Wurzel in
got. wens f. i-St. ‚Hoffnung‘. — Paitru: akk. v. Paitrus m. PersonenN ‚Petrus‘. — sugqanana:
akk.sg.m. part.prät. v. sigqan* st. V. 3 ‚sinken, untergehen‘; ahd., as. sinkan, frühmndl. sinken, aengl.
sincan, afries. -sinka (in bisinka ‚hinabsinken‘), aisl. søkkva, sǫkkva; vgl. arm. ankanim ‚falle‘. —
standandan: akk.sg.m. part.präs. v. standan st. V. 6 ‚stehen‘. — qiþandin: dat.sg.m. part.präs. v.
qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — qiþanda: auch hier wäre syntaktisch qiþands zu
erwarten (s.o.). — insandei: 2.sg.imp.präs. v. insandjan sw. V. 1 ‚entsenden‘. — Iauppein: dat. v.
Iauppei* OrtsN ‚Joppe‘ (dies ist der einzige Beleg des N) (Lehnwort < gr. Ióppē). — athait:
2.sg.imp.präs. v. athaitan* st. V. 7 ‚herbeirufen‘. — ananamnjada: 3.sg.ind.pass.präs. v.
ananamnjan* sw. V. 1 ‚(sich) benennen‘; Kompositum von got. namnjan* sw. V. 1 ‚nennen‘.
5.2.
Blatt 2
1 [hi]minis jah wairþa galeiks þamma hauhistin. akei jainþro dalaþ atdraga þuk, þan qaþ,
imma frauja allwaldands. unte guþ hauhairtaim andstandiþ, iþ haunidaim gibiþ anst. bi þanei
gameliþ ist, ƕaiwa usdraus us himina auzandil<s>, sa in maurgin urrinnanda, bi þanei frauja
qaþ: „gasaƕ Satanan swe lauhmunja dri[u]sandan us himina.“ in ƕis? in hauh<h>airteins
sein[a]izos. in-uh þis qiþiþ praufetus bi ina: „ni gabauiþ in midjamma garda meinamma
taujands hauh<h>airtein“; þannu in þamma faurasuggwanin liuþa. þan qaþ þatei ni sijai guþ
swe allai hausideduþ praufetu insakan jah qiþan: qaþ unfroþs in hairtin seinamma: nist guþ.
sa sama ist jah unsibjis bi þamma qiþanin. qaþ unsibjis ei frawaur<k>jai in sis silbin. sa sama
[110]
ist jah fijands bi þamma gamelidin. fijands manna þata gatawida þin[s]an du diabaulu. jabai
nist guþ, ƕas gataih þus þata namo, ƕas gakannida þus? akei in þammei afaikiþ in þamma sik
afdomeiþ jah gawargeiþ. jabai nist guþ, bi ƕana [q]aþ airus: „jah gatawida guþ þana mannan
…“ 2 … da anþar du imma: jabai nist guþ bi ƕana qaþ Esaeias: „sai magaþs in kilþein
ganimiþ jah gabairiþ sunu jah haitan<d> namo is Inmanuel“, þatei ist gaskeiriþ miþ unsis
guþ. jabai nist guþ bi ƕana qaþ praufetus: „guþ meins ni fairjais þuk af mis“ jah anþara
managa; akei ni wilda galaubjan skap[a] jah dagand allaizo wiste, saei daig ainƕarj[a]mmeh
hairtona ize, saei fraþjiþ in alla waurstwa ize. swa wesun sumai, þaiei habaidedun hiwi
gagudeins, iþ maht izos inwidandans, þaiei iddjedun in wastjom lambe, iþ innaþro þan s<i>nd
wulfos wilwandans. swaleiks was sa unselja Kaein, saei usqam swesamma broþr. galeiks was
diabulau sa afguda Farao, saei qaþ ni kann þana fraujan jah Israel ni fraleta; in-uh þis jah in
marein ufsagqids warþ. swaleiks was jah sa unselja Nabukaudaunausaur, saei qaþ du jainaim
þrim magum: iþ ƕas ist guþ, saei usþinsai izwis us handum meinaim? [i]nuh þis jah inmaidiþs
warþ du jiuhta jah matida hawi swe [a]uhsa jah
1 wairþa: 1.sg.ind.präs. v. wairþan st. V. 3 ‚werden‘. — galeiks: nom.sg.m. adj. a-St. ‚ähnlich‘; ahd.
gilīh, as. gilīk, andl. gelīk, aengl. gelīc, nwestfries. gelyk, aisl. glíkr; Kompositum mit dem Präfix got.
ga- ‚zusammen, mit‘ und dem im Germ. nicht direkt bezeugten Adj., dessen Substantivierung in der
Gruppe um got. leik n. a-St. ‚Körper, Leib; Leichnam, Fleisch‘ vorliegt. — hauhistin: dat.sg.m. sw.
superl. v. hauhs* adj. a-St. ‚hoch‘. — atdraga: 1.sg.ind.präs. v. atdragan* st. V. 6. ‚tragen‘ (dies ist
der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. dragan* st. V. 6 ‚tragen, aufladen‘ (nur
3.pl.ind.präs. dragand 2.TimB 4:3); ahd. tragan, as., andl., aengl. dragan, afries. drega, draga,
dreiga, aisl. draga; vgl. gr. trékhō ‚laufe‘, lat. trahere ‚schleppen, ziehen‘. — allwaldands: nom.sg.
m. nd-St. ‚Allmächtiger‘; ahd. al(a)waltanti, as. alowaldand, aengl. eallwealdende, aisl.
allsvaldandi; Kompositum aus got. alls adj. a-St. ‚all, jeder, ganz‘ und dem nicht als Simplex
belegten Wort got. -waldands m. nd-St. ‚Herrscher‘ (noch in got. gardawaldands m. nd-St.
‚Hausherr‘; vgl. ahd. PersonenN Waltant), einer Ableitung von der Wurzel in got. waldan st. V. 7
‚walten‘. — hauhairtaim: dat.pl.m. v. hauhhairts adj. a-St. ‚hochmütig‘ (<h> anstelle von zu
erwartendem hh hat seine Ursache in der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got.). — andstandiþ:
3.sg.ind.präs. v. andstandan st. V. 6 ‚entgegenstehen, widerstehen, widerstreiten‘. — haunidaim:
dat.pl.m. part.prät. v. haunjan sw. V. 1 ‚niedrig machen‘; ahd. honēn, mndd. hȫnen, andl. hōnen,
aengl. hȳnan, hēnan, afries. hēna; Ableitung von der Wurzel in got. hauns adj. a-St. ‚niedrig,
demütig‘; aengl. hēan neben (anders gebildet) ahd. hōni ‚schimpflich, verächtlich‘; vgl. gr. (Hesych)
kaunós · kakós ‚schlecht‘, lett. kàuns ,Scham, Schande‘. — usdraus: 3.sg.ind.prät. v. usdriusan* st.
V. 2 ‚herausfallen‘; Kompositum mit got. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘. — auzandil<s>: nom.sg. m.
a-St. ‚Luzifer‘ (mit ausgefallenem s wegen des s in nachfolgendem sa); die übliche, semantisch zwar
überzeugende, unmittelbare Zusammenstellung mit ahd. PersonenN Aurendil, Ōrentil, lgb.
PersonenN Auriwandalo, aengl. ēarendel ‚Morgenstern‘, aisl. PersonenN Aurvandill bleibt aus
lautlichen Gründen schwierig. — urrinnanda: nom.sg.m. sw. v. urrinnan* st. V. 3 ‚auslaufen,
ausgehen‘. — gasaƕ: 1.sg.ind.prät. v. gasaiƕan st. V. 5 ‚erblicken‘. — Satanan: akk. v. Satana m.
PersonenN ‚Satan‘. — lauhmunja: akk.sg. v. lauhmuni f. jō-St. ‚Blitz‘. — dri[u]sandan: akk.sg.m.
part.präs. v. driusan* st. V. 2 ‚fallen‘. — hauhairteins: gen.sg. v. hauhhairtei f. ‚Hochmut‘ (<h>
anstelle von zu erwartendem hh hat seine Ursache in der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got.);
Ableitung von got. hauhhairts adj. a-St. ‚hochmütig‘. — gabauiþ: 3.sg.ind.präs. v. gabauan unreg.
sw. V. 3 ‚Wohnung aufschlagen‘; Kompositum mit got. bauan unreg. sw. V. 3 ‚wohnen, bewohnen‘.
— midjamma: dat.sg.m. v. midjis* adj. ja-St. ‚mittlerer‘. — taujands: nom.sg.m. part.präs. v. taujan
sw. V. 1 ‚tun, machen‘. — hauhairtein: akk.sg. v. hauhhairtei f. ‚Hochmut‘ (<h> anstelle von zu
[111]
erwartendem hh hat seine Ursache in der sw. Artikulation von h im [Spät-]Got.). — þannu: adv. ‚ja,
wohl, also darum‘; Zusammenrückung aus got. þan 1. adv. ‚dann, darauf‘, 2. anreihend-advers.
Konj., 3. konj. ‚wann, so lange als; als, da‘ und got. nu 1. adv. ‚nun, jetzt‘, 2. konj. ‚nun, demnach,
folglich, also‘. — faurasuggwanin: dat.sg.n. part.prät. v. faurasiggwan* st. V. 3 ‚vorsingen‘ (dies ist
der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. siggwan st. V. 3 ‚singen, vorlesen, rezitieren‘
(krimgot. singhen); ahd., as., andl., aengl. singan, afries. siunga, sionga, aisl. syngja, syngva; vgl.
kymr. dehongli ‚aussagen, erklären, übersetzen‘, aksl. sętъ ‚sagt(e)‘. — liuþa: dat.sg. v. liuþ* (-þ-)
n. a-St. ‚Lied‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); ahd. liod, as. -lioth (in winilioth ‚Volkslied,
weltliches Lied‘), frühmndl. liet, nwestfries. liet, aengl. lēoþ, aisl. ljóð. — praufetu: akk.sg. v.
praufetus nom.sg. m. u-St. ‚Prophet‘. — insakan: inf. insakan* st. V. 6 ‚vorstellen, anraten, eintreten
für, bezeichnen‘. — unfroþs: nom.sg.m. (-d-) adj. a-St. ‚unverständig‘; Kompositum aus der
Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und got. froþs (-d-) adj. a-St. ‚klug, verständig‘; ahd. fruot, as. frōd,
frühmndl. vroet, aengl., afries. frōd, aisl. fróðr; Ableitung von der Wurzel in got. fraþjan st. V. 6
‚denken, erkennen, verstehen‘. — unsibjis: nom.sg.m. adj. ja-St. ‚ungesetzlich, gottlos‘. — qiþanin:
dat.sg.n. sw. part.prät. v. qiþan st. V. 5 ‚sagen; meinen, bezeichnen‘. — frawaur<k>jai:
3.sg.opt.präs. v. frawaurkjan* sw. V. 1 ‚eine Sünde begehen; (+ sis) sich versündigen‘. — fijands:
nom.sg.m. part.präs. v. fijan sw. V. 3 ‚hassen‘ / nom.sg. m. nd-St. ‚Feind‘. — gamelidin: dat.sg.m.
part.prät. v. gameljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — þinsan: inf. st. V. 3 ‚(an-)ziehen‘; ahd. dinsan
‚schleppen, hinziehen‘, as. -thinsan (in farthinsan ‚entziehen‘), andl. thinsan ,ziehen, schleppen‘;
vgl. lit. tęsti ‚dehnen‘. — diabaulu: dat.sg. v. diabulus m. u-St. ‚Teufel‘ (daneben kommt der Dat.Sg.
auch als diabulau und diabaulau vor; Schreibfehler für diabulau [s.u.]?). — afaikiþ: 3.sg.ind.präs.
v. afaikan st. V. 7 ‚leugnen, verleugnen, fluchen‘. — afdomeiþ: 3.sg.ind.präs. v. afdomjan sw. V. 1
‚be-, verurteilen‘. — gawargeiþ: 3.sg.ind.präs. v. gawargjan* sw. V. 1 ‚verurteilen zu‘ (das Simplex
ist im Got. nicht belegt); ahd. -wergen (in furwergen ‚verfluchen‘), as. -wargian (in giwargian
‚peinigen‘), aengl. wiergan ‚verfluchen‘, afries. wergia ‚töten‘; Ableitung von der Wurzel in
got. -wargs (in launawargs* adj. a-St. ‚undankbar‘); ahd., as., andl. warg, aengl. wearg, aisl. vargr
‚Wolf, Geächteter‘.
2 da: nicht deutbar. — Esaeias: nom. m. PersonenN ‚Jesaja‘ (neben Esaias). — magaþs: nom.sg. (-þ-)
f. i-St. ‚Jungfrau‘. — ganimiþ: 3.sg.ind.präs. v. ganiman st. V. 4 ‚mitnehmen; erhalten; empfangen;
lernen‘. — gabairiþ: 3.sg.ind.präs. v. gabairan st. V. 4 ‚gebären, vergleichen‘. — haitand:
3.pl.ind.präs. v. haitan st. V. 7 ‚nennen, rufen, (pass.) heißen‘. — Inmanuel: akk. v. Inmanuel* m.
PersonenN ‚Emmanuel‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < gr. Emmanouḗl); die
Transliteration im Got. ist auffällig. — fairjais: 2.sg.opt.präs. v. fairjan* sw. V. 1 ‚zurückziehen,
weggehen‘; ahd. firren, as. firrian, andl. firron, aengl. firran, aisl. firra; Ableitung von der Wurzel
in got. fairra adv. ‚fern; fern von, weg von‘. — anþara: nom./akk.pl.n. v. anþar adj./num. a-St.
‚anderer, zweiter‘. — managa: nom./akk.pl.n. v. manags* adj. a-St. ‚mancher, viel‘; die syntaktische
Struktur ist unsicher; entweder ist sind ‚es sind‘ oder qaþ ‚er sprach‘ zu ergänzen. — wilda:
1.sg.ind.prät. v. wiljan athem. V. ‚wollen‘. — galaubjan: inf. sw. V. 1 ‚glauben‘. — dagand: dat.sg.
v. dagands* m. nd-St. ‚Lichtbringer‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Ableitung von nicht
belegtem got. *dagan sw. V. 3 ‚tagen, Tag/hell werden‘; ahd. tagēn, mndd., mndl. dagen, aisl. daga
neben (anders gebildet) aengl. dagian; Ableitung von der Wurzel in got. dags m. a-St. ‚Tag‘
(vielleicht ist das got. Wort eine Lehnübersetzung von lat. illuminator ‚Erleuchter‘). — allaizo:
gen.pl.f. v. alls adj. a-St. ,all, jeder, ganz‘. — wiste: gen.pl. v. wists* f. i-St. ‚Wesen, Natur‘. — daig:
3.sg.ind.prät. v. digan* (oder deigan* mit <i> für <ei>?) st. V. 1 ‚kneten, aus Ton bilden‘; vgl. ai.
(konjunk.) pári … déhat ‚wird überziehen‘, arm. dizanem ‚schichte auf, häufe auf‘, lat. fingere
‚gestalten, formen‘, lit. žiẽsti ‚(aus Ton) formen‘, aksl. zьdati ‚bauen, schaffen‘, toch. B (v.adj.)
tsikale ‚zu formen‘. — ainƕarjammeh: dat.sg.m. v. ainƕarjizuh pron. ‚ein jeder‘. — fraþjiþ:
3.sg.ind.präs. v. fraþjan st. V. 6 ‚denken, erkennen, verstehen‘; vgl. lit. pràsti ‚verstehen, begreifen‘.
— waurstwa: akk.pl. v. waurstw n. a-St. ‚Werk, Tat, Wirksamkeit‘. — habaidedun: 3.pl.ind.prät. v.
[112]
haban sw. V. 3 ‚haben, besitzen; halten, meinen; werden‘. — hiwi: akk.sg. v. hiwi* n. ja-St. ‚Gestalt,
Aussehen‘; aengl. hīew, hī(o)w, ? aisl. hý ,Flaum, Gesichtsfarbe‘; vgl. (anders gebildet) ved.
śyāvá- ‚dunkel, dunkelbraun, schwarzbraun‘, apreuß. (nom.sg.n.) sywan ‚grau‘, lit. šývas, šỹvas
‚grau, dunkelgrau (Pferde)‘, nruss. sívyj ‚grau, schimmelgrau (Pferde)‘. — gagudeins: gen.sg. v.
gagudei f. n-St. ‚Frömmigkeit‘. — inwidandans: nom.pl.m. part.präs. v. inwidan* st. V. 5
‚verleugnen‘. — lambe: gen.pl. v. lamb* n. a-St. ‚Schaf‘. — innaþro: adv. ‚von innen‘; Ableitung
Ableitung mit dem Adv. bildenden Suffix got. -þro von der Wurzel in got. in präp. + dat./akk. (zur
Bezeichnung der Ruhe/Richtung) ‚in, auf, an, zu, während, nach zu‘, + gen. ‚wegen, um – willen,
für, durch‘. — wulfos: nom.pl. v. wulfs (-f-) m. a-St. ‚Wolf‘; ahd. wolf, as., andl., aengl. wulf, afries.
wolf, aisl. ulfr; ved. v ka-, jav. vǝhrka-, alb. ujk, apreuß. wilkis, lit. vi kas, aksl. vlьkъ, toch. B walkwe.
— wilwandans: nom.pl.m. part.präs. v. wilwan st. V. 3 ‚rauben‘. — swaleiks: nom.sg.m. pron.adj.
‚so beschaffen, ein solcher‘. — unselja: nom.sg.m. sw. v. unsels* adj. i-St. ‚übel, böse‘; unsǣle ‚böse,
boshaft‘; Kompositum mit der Negation got. un- ‚un-, nicht‘ und got. sels* adj. i-St. ‚gut, gütig‘; aisl.
sǽll. — Kaein: nom. m. PersonenN ‚Kain‘ (dies ist der einzige Beleg des N) (Lehnwort < gr. Káïn).
— usqam: 3.sg.ind.prät. v. usqiman st. V. 4 ‚umbringen, den Tod geben‘. — swesamma: dat.sg.m.
v. swes adj. ‚eigen, angehörig‘. — diabulau: dat.sg. v. diabulus m. u-St. ‚Teufel‘ (daneben auch
dat.sg. diabaulu [s.o.]). — afguda: nom.sg.m. sw. v. afguþs* (-d-) adj. a-St. ‚gottlos‘. — Farao:
nom.sg. m. ‚Pharao‘. — fraleta: 1.sg.ind.präs. v. fraletan st. V. 7 ‚lassen, freilassen, entlassen,
unterlassen, zulassen, erlauben, vergeben, herablassen‘. — ufsagqids: nom.sg.m. part.prät. v.
ufsagqjan* sw. V. 1 ‚versenken‘ (mit analogischem -d- anstelle von -þ-); Kompositum mit got.
sagqjan* sw. V. 1 ‚senken‘; ahd. senken, as. senkian, mndl. senken, aengl. sencan, afries. senza,
santza, aisl. søkkva, søkkja; Ableitung von der Wurzel in got. sigqan* st. V. 3 ‚sinken, untergehen‘.
— Nabukaudaunausaur: nom. m. PersonenN ‚Nabukodonosor‘ (dies ist der einzige Beleg des N)
(Lehnwort < gr. Nabouchodonósor). — þrim: dat.m. v. þreis* num. ‚drei‘. — magum: dat.pl. v.
magus m. u-St. ‚Knabe‘. — usþinsai: 3.sg.opt.präs. v. usþinsan* st. V. 3 ‚wegziehen, herausziehen‘
(dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum mit got. þinsan st. V. 3 ‚(an-)ziehen‘. —
handum: dat.pl. v. handus f. u-St. ‚Hand‘. — jiuhta: dat.sg. v. jiuhts* m. a-St. ‚Zugtier‘ (dies ist der
einzige Beleg des Wortes); Ableitung von der Wurzel in got. juk* n. a-St. ‚Gespann‘; ahd. joh, as.,
andl. juk, aengl. geoc, geoht, ioc, nwestfries. jok, jūk, aisl. ok ‚Joch, Gespann‘; vgl. heth. uka-, ai.
yugá-, gr. zygón, lat. iugum, gall. in PersonenN -iugo-, aksl. igo. — hawi: akk.sg. v. hawi n. ja-St.
‚Heu‘. — auhsa: nom.sg. m. n-St. ‚Ochse‘; ahd. ohso, as. ohsin- (in ohsineri, ohsinhirdi
‚Ochsenhirt‘), andl. osso*, aengl. oxa, afries. oxa, ōxa, aisl. oxi, uxi; vgl. ai. ukṣán- ‚Jungstier,
Farren‘, av. uxšan- ‚(Jung-)Stier‘, air. os(s) ‚Rind jeder Art‘, toch. A (pl.) opsi ‚Ochsen‘, B okso
‚Kuh, Ochse‘.
6. Aus den gotischen Inschriften von Mangup
6.1.
Fragment 1.1
ƕas guþ mikils swe guþ unsar? þu is guþ waurkjands sildaleika ainn[s] usstoþ und aiwins us
dauþaim jah in midj[ungard(a)] …
waurkjands: nom.sg.m. part.präs. v. waurkjan sw. V. 1 ‚machen, wirken‘. — sildaleika: akk.pl.n. v.
sildaleiks* adj. ‚erstaunlich, wunderbar‘ (hier wohl substantiviert). — ainn[s]: nom.sg.m. (für ains)
[113]
adj./num. ‚ein‘ (die Wortform ist mit fehlerhaften -nn geschrieben; oder steht <nn> für +ns?). —
dauþaim: dat.pl.m. v. dauþs (-þ-) adj. a-St. ‚tot‘ (hier substantiviert). — midj[ungard(a)]: dat./akk.sg.
v. midjungards* m. i-St. ‚die bewohnte Erde, Erdkreis‘.
6.2.
Fragment 1.2
frauja hilp skal[ki]s þe[ini]s þis wi…
hilp: 2.sg.imp.präs. v. hilpan st. V. 3 ‚helfen‘; ahd. helfan, as., andl., aengl. helpan, afries. helpa, hilpa,
holpa, aisl. hjalpa; vgl. lit. še pti ‚unterstützen, helfen; pflegen‘. — skal[ki]s: gen.sg. v. skalks m. a-St.
‚Knecht, Diener‘. — þeinis: gen.sg.m. v. poss.pron. ‚dein‘. — wi…: unklar (mehrere Ergänzungen sind
denkbar).
6.3.
Fragment 1.4
frauja hilp skalkis þei[nis] Damja[na]us us winag… jah frawaurtis
Damja[na]us: gen. v. Damjanus* m. u-St. PersonenN ‚Damian‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes)
(Lehnwort < gr. Damianós). — winag…: unklar; vielleicht ein OrtsN. — frawaurtis: gen.sg.m. v.
frawaurhts adj. a-St. ‚sündig‘ (mit Ausfall von h wegen dessen sw. Artikulation im [Spät-]Got.)
(vielleicht substantiviert).
7. Verkaufsurkunden
7.1.
Verkaufsurkunde von Neapel
1 Ik Ufitahari, papa, ufmelida handau meinai, jah andnemum skilliggans .j., jah faurþis þairh
kawtsjon miþ diakuna alamoda unsaramma jah miþ gahlaibaim unsaraim andnemum
skilliggans .rk. wairþ þize saiwe.
2 Ik Sunjaifriþas, diakon, handau meinai ufmelida, jah andnemum skilliggans .j., jah faurþis
þairh kawtsjon miþ diakona alamoda unsaramma jah miþ gahlaibaim unsaraim andnemum
skilliggans .rk. wairþ þize saiwe.
3 Ik Merila, bokareis, handau meinai ufmelida, jah andnemum skilliggans .j., jah faurþis þairh
kawtsjon miþ diakuna alamoda unsaramma jah miþ gahlaibim unsaraim andnemum skilliggans
.r.k. wairþ þize saiwe.
4 Ik Wiljariþ, bokareis, handau meinai ufmelida, jah andnemum skilliggans .j., jah faurþis þairh
kawtsjon miþ diakuna alamoda unsaramma jah miþ gahlaibaim unsaraim andnemum
skilliggans .r.k. wairþ þize saiwe.
[114]
1 Ufitahari: nom. m. PersonenN ‚Ufitahari‘ (dies ist der einzige Beleg des N). — papa: nom.sg. m. n-St.
‚Presbyter, Geistlicher‘ (Lehnwort < gr. pápas). — ufmelida: 1.sg.ind.prät. v. ufmeljan* sw. V. 1
‚unterschreiben‘; Kompositum mit got. meljan sw. V. 1 ‚schreiben‘. — andnemum: 1.pl.ind.prät. v.
andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘. — skilliggans: akk.pl. v. skilliggs* m. a-St.
‚Goldmünze‘; ahd., as. skilling, frühmndl. schellinc, aengl. scilling, afries. skilling, aisl. skillingr. —
.j.: num. ‚sechzig‘ — kawtsjon: akk.sg. v. kawtsjo* f. ō-St. ‚Bürgschaft‘ (Lehnwort < lat. cautiō). —
diakuna: dat.sg. v. diakon m. ‚Diakon‘ (daneben ist der Dat.Sg. auch als diakona belegt) (Lehnwort
< lat. diaconus). — alamoda: dat.sg. v. alamoþs* (-d-) m. a-St. ‚Vertreter?‘ (das Wort ist hier wohl
kein PersonenN und daher nicht mit Alamoda in der Verkaufsurkunde von Arezzo [7.2.]
gleichzusetzen); Kompositum aus got. ala-, die Kompositionsform von got. alls adj. a-St. ‚all, jeder,
ganz‘ und got. moþs* (-d-) m. a-St. ‚Zorn‘ (es ist bei alamoþs* aber von der [für das Got.] ältere
Bedeutung ‚Gemüt, Seele‘ auszugehen); lat.-germ. in PersonenN Mod-, -mod, ahd. muot, as. mōd,
andl. muot, aengl., afries. mōd, aisl. móðr ‚Sinn, Gemüt, Seele, Zorn‘. — gahlaibaim: dat.pl. v.
gahlaiba* m. n-St. ‚Genosse‘ (mit Angleichung der Endung am folgenden unsaraim?; neben dat.pl.
gahlaibam [Joh 11:16] und gahlaibim [Urk 1:3]). — .rk.: num. ‚hundertzwanzig‘. — wairþ: akk.sg.
v. wairþ* n. a-St. ‚Preis‘; ahd. werd, as. werth, aengl. weorþ, afries. werth, aisl. verð;
Substantivierung von got. wairþs (-þ-) adj. a-St. ‚wert, würdig, tauglich‘. — saiwe: gen.pl. v. saiws*
m. i-St. ‚See, Marschland‘; ahd. sēo, as. sē(o), andl. sēo, sēu, aengl. sǣ, afries. sē, aisl. sær, sjór, sjár.
2 Sunjaifriþas: nom. m. PersonenN ‚Sunjafrid‘ (dies ist der einzige Beleg des N) (auffällig ist der
Kompositionsvokal <ai> anstelle von zu erwartendem -a-; vgl. dazu lausaiwaurdai [TitA 1:10 neben
lausawaurdai (TitB 1:10)], seinaigairnai [2.TimA 3:2]; möglicherweise liegt eine jüngere
Sprachform vor). — diakon: nom.sg. m. ‚Diakon‘. — diakona: dat.sg. v. diakon m. ‚Diakon‘
(daneben kommt auch dat.sg. diakuna [Urk 1:1] vor).
3 Merila: nom. m. n-St. PersonenN ‚Merila‘ (dies ist der einzige Beleg des N). — bokareis: nom.sg. m.
ja-St. ‚Schriftgelehrter‘. — gahlaibim: dat.pl. v. gahlaiba* m. n-St. ‚Genosse‘ (wohl Schreibfehler
für sonstigs gahlaibaim [Urk 1:1.2.4]; neben dat.pl. gahlaibam).
4 Wiljariþ: nom. m. PersonenN ‚Wiljariþ‘ (dies ist der einzige Beleg des N).
7.2.
Verkaufsurkunde von Arezzo
1 Ik Gudilub, diakon, þo frabauhtaboka fram mis gawaurhta þus diakon Alamoda fidwor
unkjane husis Kaballarja …, jah skilliggans .rlg. andnam, jah ufmelida.
1 Gudilub: nom. m. PersonenN ‚Gudilub‘ (dies ist der einzige Beleg des N). — frabauhtaboka: akk.sg.
v. frabauhtaboka* f. ō-St. ‚Verkaufsurkunde‘ (dies ist der einzige Beleg des Wortes); Kompositum
aus unbelegtem got. *frabauhts f. i-St. ‚Verkauf‘, einer Ableitung von got. frabugjan sw. V. 1
‚verkaufen‘ (Kompositum mit got. bugjan* sw. V. 1 ‚kaufen‘) und got. boka f. ō-St. ‚Buchstabe; (pl.)
Schrift, Brief, Buch, Urkunde‘. — gawaurhta: 1.sg.ind.prät. v. gawaurkjan sw. V. 1 ‚be-, erwirken,
bereiten‘. — diakon: nom. (wohl im Sinne eines Vokativs) anstelle von der zu erwartenden Dat.form.
— Alamoda: vok. v. Alamoda* m. n-St. PersonenN ‚Alamod‘ (dies ist der einzige Beleg des N). —
fidwor: gen. v. fidwor num. ‚vier‘. — unkjane: gen.pl. v. unkja* m. n-St. ‚Unze (Landmaß)‘ (das ist
der einzige Beleg des Wortes) (Lehnwort < mlat. uncia). — husis: gen.sg. v. hus* n. a-St. ‚Haus‘
(das ist der einzige Beleg des Wortes) (die überlieferte Form <hugsis> ist nicht anschließbar)
(krimgot. hus); ahd., as., andl., aengl., afries. hūs, aisl. hús. — Kaballarja: nom. f. GutshofN
‚Kaballaria‘ (Lehnwort < lat. Caballaria). — .rlg.: num. ‚hundertdreiunddreißig‘. — andnam:
1.sg.ind.prät. v. andniman st. V. 4 ‚an-, aufnehmen, empfangen‘.
[115]
8. Übersetzungen der nicht (unmittelbar) aus der Bibel stammenden Texte
8.1.
4.1. Skeireins, Blatt 3
1 „… viele (Wasser) waren dort; da kamen sie und wurden getauft. Denn Johannes war noch
nicht in den Kerker gelegt.“ Und eben dieses sagend, zeigte der Evangelist, dass die
Bestimmung betreffs seiner nahe dem Ende war durch die Nachstellung des Herodes. Aber vor
dem, als beide tauften und jeder von beiden seine Taufe empfahl, stritten sich einige mit
einander, nicht wissend, wer von beiden der größere (sein) sollte. „Und daher ward ein Streit 2
von den Jüngern des Johannes mit den Juden betreffs der Reinigung“, deswegen, weil schon
sowohl die Sitte der Reinigungen des Körpers verwandelt [= abgeändert] war als auch Reinheit
vor Gott befohlen war. Nicht weiter beeiferten sie sich, die jüdischen Besprengungen und
täglichen Abwaschungen zu gebrauchen, sondern auf Johannes hörend, den Vorhergehenden
des Evangeliums. Und es war da auch der Herr, die geistige Taufe empfehlend; daher ward mit
Recht der Streit wegen der Reinigung angeregt. Denn das Gesetz über eine der Missetaten der
Unvorsätzlichen 3 verordnete: Die Asche einer außerhalb des Lagers verbrannten Kalbe und
danach diese werfend in reines Wasser und mit Ysop und roter Wolle überstreuend, wie es
denen der über dem Gedanken gewollt habenden passte [= wie es denen passte, die vergessen
wollten?]. Aber Johannes tat die Taufe der Buße kund und er verhieß den Erlass der Missetaten
den sich einfältig Hinwendenden, aber zum Erlass der Sünden (seitens) des Herrn auch die
Verleihung des heiligen Geistes; und ihnen vergebend, dass sie Söhne des Königreichs würden.
4 So wäre die Taufe des Johannes in der Mitte der zweien liegend, übertreffend die Reinheit
des rechten Gesetzes, aber um vieles weniger als die Taufe des Evangeliums. Und deswegen
lehrt er uns offen, sagend: „Aber ich taufe euch in Wasser. Aber der nach mir Gehende ist
stärker als ich, dessen ich nicht wert bin, dass ich mich neigend den Riemen seines Schuhs löse.
Eben der tauft euch im heiligen Geist.“ Wegen des Plans nun …
8.2.
4.2. Skeireins, Blatt 4
1 „Diese meine Freude wurde nun erfüllt: Jener soll wachsen, aber ich abnehmen.“ Daher nun
seinen Jüngern, den betreffs der Reinigung mit den Juden disputierenden und zu ihm sagenden:
„Rabbi, welcher mit dir jenseits des Jordan war, für den du zeugtest. Sieh, der tauft und alle
gehen zu ihm.“ Noch nicht kennend das betreffs des Heilands, und deswegen lehrt er sie,
sagend: „Jener soll wachsen, aber ich abnehmen.“ Aber der Plan betreffs ihm war für kurze 2
Zeit nämlich brauchbar und vorbereitend die Seelen der Getauften; er entließ (sie zur)
Verkündigung des Evangeliums. Aber die Lehre des Herrn anfangend von Judäa kam auch
vorwärts um den ganzen Erdkreis über jeden Fortschritte machend bis jetzt und sich mehrend,
alle der Menschen zur Kenntnis Gottes ziehend. Und deswegen die Größe auch klar seiend.
Fürwahr, er tat von der Herrlichkeit des Herrn kund, sagend: „Der von oben her Kommende ist
über allen.“ Nicht dass er (ihn) ohne Grund (als) darüber seienden kundgetan hätte, aber auch
die so große Macht seiner Größe 3 bezeichnete er und (ihn) von himmlischer Abkunft. Und
[116]
(ihn) von oben her gekommen sagend, aber sich von irdischer Abkunft und von der Erde her
sprechend, weil er vom Wesen ein Mensch war, gleichviel ob heilig oder ob ein Prophet seiend
und die Gerechtigkeit bezeugend. Aber von der Erde war er und aus (seiner) vernünftigen Natur
sprechend. Aber dieser (ist) vom Himmel gekommen, wenn er (auch) im Fleische zu sein galt;
aber „er ist über allen. Und das, was er erblickte und vernahm, das bezeugt er und dieses
Zeugnis von ihm nimmt niemand an.“ Und wenn er auch vom 4 Himmel auf die Erde kam
wegen des Plans für die Menschen, war er aber nicht umso mehr irdisch noch von der Erde her
sprechend, sondern Verborgenheiten von himmlischer Abkunft übergebend, die er erblickte
und vernahm beim Vater. Diese waren nun von Johannes bezeichnet, nicht deswegen nur, dass
er die Größe des Herrn verkündete, sondern zu kennzeichnen und zu widerlegen den gottlosen
Streit des Sabellius und des Marcellus, die sich erkühnten einen zu sagen den Vater und den
Sohn. Aber der andere Priester …
8.3.
5.1. Codex Bononiensis, Blatt 1
1 Rette uns Herr, unser Gott und versammele uns von den Völkern, in welchen wir nun wohnen
… ringsum uns, aber besonders denen, die gottlos und sündig sind. Ringsum gehen die
Gottlosen, aber du, Herr, mögest uns bergen und uns bewachen vor diesem Geschlecht bis in
die Ewigkeit; und deswegen auch ruft der selige Prophet David zerknirscht zeigend das
Geschlecht der nun bösen Menschen dem Herrn und Schöpfer, sagend: „Rette mich Herr, denn
fern lag der Heilige oder Geheiligte.“ Rette mich Herr, denn nicht ist (einer), welcher (mich)
retten möge über dich, Herr, weder ein Bote noch ein Engel noch ein Diener noch der Geist,
sondern der Herr selbst kam, um uns zu retten. Denn so sagt auch Paulus: „Ich elender Mann,
wer rettet mich aus diesem Leib dieses Todes?“ Weder das Gesetz noch die Propheten noch die
Urteile/Richter noch die Könige noch die Herrscher. Weswegen? Weil das Gesetz getreten
wurde, den Richtern entgegengetreten wurde, den Propheten der Tod gegeben wurde, den
Heiligen beigekommen wurde [= die Heiligen getötet wurden]. Er/es verdarb / verdorben oder
er/es verrottete /verrotet … nicht ist (einer), welcher das Gute machen möchte, nicht ist bis zu
einen. Alle neigten sich, zugleich wurden sie unbrauchbar. Und deswegen, sagte er dann, danke
ich wegen allen der Wohltaten von ihm meinem Gott durch Jesus Christus, welcher ist der
Heiland aller Menschen, meist der Glaubenden. Denn dieser, sagte er dann, errettet seine Menge
2 von den Sünden von diesen. … in den Werken der Apostel bezeichnete derselbe Lukas,
sagend: Denn nicht ist, sagte er dann, ein anderer Name unter dem Himmel den Menschen
hingegeben, in dem wir errettet werden sollen, außer in deinem Namen. Dann ist keine Grenze
und kein Maß deiner Rettung. Es ist kein Zins noch Verlassen deiner Rettung. Rette mich Herr,
der du Noah aus dem so beschaffenen Wasser der Sintflut errettet hast, der du Loth aus der
Verurteilung von Sodom errettet hast, der du Israel von dem Pharao und seinen Männern errettet
hast, der du jenen drei Knaben, Hananja, Asarja, Misael, aus dem Volk ergriffen, auch aus dem
schrecklichen brennenden Ofen des Feuers errettet hast, der du Daniel aus den Mündern der
brüllenden Löwen, bereit zu verschlingen, errettet hast. Du nun, sagte er dann, Herr, rette auch
mich, dass ich rufen möge, sagend: „In Gott (ist) meine Rettung und meine Herrlichkeit und
des Herrn ist die Rettung und auf deine Menge (ist) dein Segen.“ Rette nun in der Zeit der
Versuchung alle die auf dich hoffenden, der du auch Petrus, untergegangen, stehend im Meer
errettet hast. Als Petrus sagte: „Rette uns“, sagte er dann, „Herr, wir kommen um.“ Über
[117]
welchen auch Lukas bezeichnete, sagend in den Werken: „Entsende nach Joppe und ruf herbei
Simon, welcher Petrus benannt wird“ …
8.4.
5.2. Codex Bononiensis, Blatt 2
1 … des Himmels und ich werde ähnlich dem Höchsten. Aber dorther trage ich dich dann
abwärts, sagte ihm der Herr, der Allmächtige. Denn Gott widerstreitet den Hochmütigen, aber
den Niedrigen gibt er Gnade. Über welchen geschrieben ist, wie Luzifer, der im Morgen
aufgehende, aus dem Himmel herausfiel über welchen der Herr sagte: „Ich erblickte Satan wie
ein Blitz vom Himmel fallend.“ Weswegen? Wegen seines Hochmutes. Deswegen sagte der
Prophet betreffs ihm: „Nicht schlägt der, der in meinem mittleren Haus Hochmut tut, eine
Wohnung auf“; also darum dann sagte er in diesem vorgesungenen Lied, dass kein Gott sei,
wie ihr alle den Propheten hörtet bezeichnen und sagen: „Der Unverständige sagte in seinem
Herzen: Es ist kein Gott.“ Dieser derselbe ist auch gottlos betreffs dieses Gesagten. Der Gottlose
sagte, dass er eine Sünde begehen möchte in sich selbst. Dieser derselbe ist auch ein Feind
betreffs dieses Geschriebenen. Ein hassender Mensch bewirkte das, zu ziehen zum Teufel.
Wenn kein Gott ist, wer verkündigte dir diesen Namen, wer verkündete (ihn) dir? Aber weil er
(ihn) verleugnet, verflucht und verurteilt er sich damit. Wenn kein Gott ist, betreffs wem sagte
der Bote: „Und Gott machten diesen Menschen …“. 2 … ein anderer zu ihm: Wenn kein Gott
ist, betreffs wem Jesaja sagte: „Sieh, die Jungfrau empfängt im Mutterleib und gebiert einen
Sohn und sie nennen den Namen von ihm Emmanuel“, welcher ist erklärt ‚mit uns Gott‘. Wenn
kein Gott ist, betreffs wem sagte der Prophet „Mein Gott, nicht mögst du dich von mir
entfernen“ und vieles andere; aber nicht wollte er an den Schöpfer und Erleuchter aller Wesen
glauben, welcher knetete einem jeden die Herzen von ihnen, welcher versteht in alle Werke von
ihnen [= versteht alle Werke von ihnen]. So waren einige, welche das Aussehen der
Frömmigkeit hatten, aber die Macht von ihr verleugnend, welche gingen in der Kleidung von
Schafen, aber von innen sind sie dann raubende Wölfe. Ein solcher war dieser übele Kain,
welcher dem eigenen Bruder den Tod gab. Dem Teufel ähnlich war dieser gottlose Pharao,
welcher sagte, nicht kenne ich diesen Herrn und ich lasse Israel nicht frei; und deswegen wurde
er auch im Meer versenkt. Ein solcher war auch der übele Nabukodonsor, welcher zu jenen drei
Knaben sagte: Aber wer ist Gott, welcher euch aus meinen Händen herausziehen möge?
Deswegen wurde er auch verwandelt in ein Zugtier und aß Heu wie ein Ochse und …
8.5.
6.1. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.1
Welcher Gott (ist) groß wie unser Gott? Du bist der Gott, Wunder wirkend. Einer erhob sich
bis zu den Ewigkeiten von den Toten und in den/dem Erdkreis …
8.6.
6.2. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.2
Herr, hilf deinem Diener, des …
[118]
8.7.
6.3. Krimgotische Inschriften, Fragment 1.4
Herr, hilf deinem Diener Damian aus … und sündig/Sünder.
8.8.
7.1. Verkaufsurkunde von Neapel
1 Ich Ufitahari, Presbyter, unterschrieb mit meiner Hand, und wir empfingen sechzig Schillinge,
und zuvor durch die Bürgschaft mit dem Diakon, unserem Vertreter, und mit unseren Genossen
empfingen wir hundertzwanzig Schillinge, den Preis dieser Marschländer.
2 Ich Sunjafrid, Diakon, unterschrieb mit meiner Hand, und wir empfingen sechzig Schillinge,
und zuvor durch die Bürgschaft mit dem Diakon, unserem Vertreter und mit unseren Genossen
empfingen wir hundertzwanzig Schillinge, den Preis dieser Marschländer.
3 Ich Merila, Schriftgelehrter, unterschrieb mit meiner Hand, und wir empfingen sechzig
Schillinge, und zuvor durch die Bürgschaft mit dem Diakon, unserem Vertreter und mit unseren
Genossen empfingen wir hundertzwanzig Schillinge, den Preis dieser Marschländer.
4 Ich Wiljariþ, Schriftgelehrter, unterschrieb mit meiner Hand, und wir empfingen sechzig
Schillinge, und zuvor durch die Bürgschaft mit dem Diakon, unserem Vertreter und mit unseren
Genossen empfingen wir hundertzwanzig Schillinge, den Preis dieser Marschländer.
8.9.
7.2. Verkaufsurkunde von Arezzo
1 Ich Gudilub, Diakon, bereitete die Verkaufsurkunde von mir für dich, Diakon Alamod, über
vier Unzen des Hauses Kaballaria …, und ich empfing hundertdreiunddreißig Schillinge, und
unterschrieb.
[119]
III. LAUT- UND FORMENLEHRE DES GOTISCHEN
1.
Gotisch als Teil der indogermanischen und germanischen Sprachfamilie
Das Gotische ist als eine germanische Sprache mit den meisten früher und jetzt in
Europa und etlichen außerhalb Europas gesprochenen Sprachen genetisch verwandt. Genetisch
verwandt heißt in diesem Fall, dass diese miteinander verwandten Sprachen unter Veränderung
vieler einzelner Sprachelemente eine vorgeschichtliche Sprache fortsetzen, die selbst nicht in
Textzeugnissen belegt ist, sondern lediglich durch die Rekonstruktion wiedergewonnen werden
kann. Man nennt diese Sprache die indogermanische Grundsprache, kurz auch Indogermanisch
(idg.), besser Urindogermanisch (uridg.); außerhalb des deutschen Sprachraumes findet sich
der Terminus Indoeuropäisch (indo-european [ie.]). Ihre Rekonstruktion ist das Resultat des
Vergleichs von entsprechenden Elementen der indogermanischen Einzelsprachen. Da sich im
Verlaufe der Zeit ständig einzelne Sprachelemente verändern, sind für die Rekonstruktion des
Urindogermanischen die ältesten Phasen der Einzelsprachen prinzipiell wichtiger als die erst
aus einer späteren Zeit bekannten.
Die
einzelnen
indogermanischen
Sprachen
lassen
sich
teils
zu
Gruppen
zusammenfassen. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist historisch bedingt (etwa durch
Wander- und damit Sprachgemeinschaft) und für keine ausreichend bezeugte Sprache
zweifelhaft. Die indogermanische Sprachfamilie besteht aus folgenden Gruppen und
Einzelsprachen:
1. Anatolisch (= anat.): Der anat. Sprachzweig liefert die ältesten idg. Sprachzeugnisse ab dem
16. Jh. v. Chr. Der gesamte anat. Sprachzweig ist ausgestorben. Er umfasst die Sprachen
Hethitisch (= heth.), Luwisch (= luw.), Palaisch (= pal.), Lykisch (= lyk.), Lydisch (= lyd.),
Karisch (= kar.), Pisidisch (= pis[id].) und Sidetisch (= sid[et].).
2. Griechisch (= gr.): Der gr. Sprachzweig ist ebenfalls seit dem 16. Jh. v. Chr. bezeugt, mit
den Zeitstufen Mykenisch (= myk.), Altgriechisch (= gr.) mit dem als fast schon eigene
Sprache bezeichneten Homerische (= hom.), Mittelgriechisch (= mgr.) und Neugriechisch
(= ngr.).
3. Indo-Iranisch (= iir.) bzw. Arisch (= ar.): Der iir. Sprachzweig ist seit dem 15. Jh. v. Chr.
Bezeugt und umfasst:
• Indisch (= Indoarisch) mit den Zeitstufen Altindisch (= ai.) mit der ältesten Sprachstufe
Vedisch (= ved.), Mittelindisch (= mi.), Klassisches Sanskrit (= skt.) und Neuindisch
(= ni.);
[120]
•
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Iranisch mit Avestisch (= av.), mit den Zeitstufen/Dialekten Altavestisch (= aav.) und
Jungavestisch (= jav.), Altpersisch (= apers.), Mittelpersisch (= mpers.), Neupersisch
(npers.) und weitere iranische Sprachen (wie Kurdisch [= kurd.], Sogdisch [= sogd.]).
Italisch (= ital.): Der ital. Sprachzweig, der seit dem 6. Jh. v. Chr. bezeugt ist, zerfällt in
zwei großen Untergruppen:
• Latino-Faliskisch mit Latein (= lat.), das die Sprachstufen Altlatein (= alat.),
Klassischlatein (= klass.lat.) und Vulgärlatein (= vulg.lat.) umfasst, woraus bis heute
die romanischen Sprachen hervorgegangen sind, und Faliskisch (= fal[isk].);
• Sabellisch (= sabell.) mit Oskisch (= osk.), Umbrisch (= umbr.) und Südpikenisch (=
südpik.).
Germanisch (= germ.): (s.u.).
Keltisch (= kelt.): Der kelt. Sprachzweig, der seit dem 3. Jh. v. Chr. bezeugt ist, zerfällt in
zwei großen Gruppen:
• Festlandkeltisch mit Gallisch (= gall.), Keltiberisch (= keltib[er].) und Lepontisch (=
lepont.);
• Inselkeltisch mit den Untergruppen Piktisch (= pikt.) (falls tatsächlich idg.), Goidelisch
(= goid[el].), wozu Irisch (= ir.) mit den Zeitstufen Ogamirisch (= ogir.), Altirisch, (=
air.), Mittelirisch (= mir.) und Neuirisch (= nir.) gehört, und Britannisch (= brit[an].),
wozu Kymrisch (= kymr.) mit den Zeitstufen Altkymrisch (= akymr.), Mittelkymrisch
(= mkymr.) und Neukymrisch (= nkymr.), Kornisch (= korn.) mit den Zeitstufen
Altkornisch (= akorn.), Mittelkornisch (= mkorn.) und Neukornisch (= nkorn.) und
Bretonisch (= bret.) mit den Zeitstufen Altbretonisch (= abret.), Mittelbretonisch (=
mbret.) und Neubretonisch (= nbret.) gehören.
Armenisch (= arm.): Die Bezeugung des Arm. beginnt im 5. Jh. n. Chr.; das Arm. umfasst
die Sprachstufen altarmenisch (= aarm.), mittelarmenisch (= marm.) und neuarmenisch (=
narm.).
Tocharisch (= toch.): Überliefert zwischen dem 6. und 8. Jh. n. Chr. in den Dialekten
Tocharisch A (= toch. A) und Tocharisch B (= toch. B).
Slawisch (= slaw.): Der slaw. Sprachzweig, der seit dem 9. Jh. n. Chr. überliefert ist hat
folgende Untergruppen:
• Südslawisch mit Altkirchenslawisch (= aksl.) bzw. Altbulgarisch (= abulg.) mit den
Fortsetzeren Mittelbulgarisch (= mbulg.) und Neubulgarisch (= nbulg.), Serbisch (=
serb.) und Kroatisch (= kroat.), wegen der engen Verwandtschaft häufig als eine
Sprachgruppe Serbo-Kroatisch (= serb.-kroat.) zusammengefasst, Slowenisch (=
slow[en].) und Mazedonisch (= maz.);
• Ostslawisch mit Russisch (= russ.), zerfallend in den Zeitstufen Altrussisch (= aruss.)
und Neurussisch (= nruss.), Weißrussisch (= wruss.) und Ukrainisch (= ukr.);
• Westslawisch mit Polnisch (= poln.), Sorbisch (= sorb.) mit den Dialekten
Obersorbisch (= osorb.) und Niedersorbisch (= ndsorb.), Tschechisch (= tschech.) und
Slowakisch (= slow[ak].), wegen der engen Verwandtschaft häufig als eine
Sprachgruppe Tschechisch-Slowakisch (= tschech.-slow[ak].) zusammengefasst,
sowie mit kleineren Sprachen wie Polabisch (= pol[ab].), Pomoranisch (= pom[or].),
Slowinzisch (= slowin.) und Kaschubisch (= kasch[ub].).
[121]
10. Baltisch (= balt.): Der balt. Sprachzweig ist seit dem 14. Jh. n. Chr. überliefert. Er besteht
aus den Sprachen Altpreußisch (= apr[euß].), Litauisch (= lit.) mit den Zeitstufen
Altlitauisch (= alit.) und Neulitauisch (= nlit.) mit den Dialekten Hochlitauisch bzw.
Aukštaitisch und Niederlitauisch bzw. Žemaitisch und aus Lettisch (= lett.) mit den
Zeitstufen Altlettisch (= alett.) und Neulettisch (= nlett.).
11. Albanisch (= alb.): Das Alb., das seit dem 15. Jh. n. Chr. überliefert ist, setzt sich aus den
Dialekten Toskisch (= tosk.) und Gegisch (= geg.) zusammen.
12. Rest- / Trümmersprachen: Hierher gehören die Sprachen, die nur unvollständig bezeugt
sind, wie u.a. : Illyrisch (= illyr.), Thrakisch (= thrak.), Venetisch (= venet.), Phrygisch (=
phryg.), Lustianisch (= lus[it].) und Messapisch (= mess[ap.]).
Das Germanische selbst ist schon zu Beginn der schriftlichen Überlieferung keine
einheitliche Sprache mehr, sondern tritt uns in verschiedenen, mehr oder weniger getrennten
Dialekte entgegen. Das Gotische gehört zum Ostgermanischen und ist die einzige der
ostgermanischen Sprachen, die durch literarische Denkmäler überliefert ist; die anderen sind
lediglich durch Namenmaterial bekannt. Neben dem Ostgermanischen stehen noch das
Westgermanische und das Nordgermanische.
Der gesamte germanische Sprachzweig, der seit dem 1. Jh. bezeugt ist, setzt sich aus
folgenden Untergruppen zusammen:
•
•
•
Ostgermanisch (= ostgerm.): Neben dem Gotischen (= got.) vor allem noch das
Vandalische (= vandal.) und wohl auch das Burgundische (= burg[und].);
Westgermanisch (= westgerm.), das fünf Sprachen umfasst: 1. Hochdeutsch (= hd.),
mit den Zeitstufen Althochdeutsch (= ahd.), wozu wohl auch das Langobardische (=
lgb.) gehört, Mittelhochdeutsch (= mhd.) und Neuhochdeutsch (= nhd.); 2.
Niederdeutsch (= ndd.) mit den Zeitstufen Altsächsisch (= as.) bzw. Altniederdeutsch
(= andd.), Mittelniederdeutsch (= mndd.) und Neuniederdeutsch (= nndd.), 3.
Niederländisch (= ndl.) mit den Zeitstufen Altniederfränkisch) (= andfrk.) bzw.
Altniederländisch (= andl.), Mittelniederländisch (= mndl.) und Neuniederländisch (=
nndl.), 4. Englisch (= engl.) mit den Zeitstufen Altenglisch (= ae[ngl].), Mittelenglisch
(= me[ngl].) und Neuenglisch (= ne[ngl.]) und 5. Friesisch (= fries.) mit den Zeitstufen
Altfriesisch (= afries.), Mittelfriesisch (= mfries.) und Neufriesisch (= nfries.);
Nordgermanisch (= nordgerm.) mit den zwei Sprachgruppen Westnordisch (=
westnord.), das aus Isländisch (= isl.) mit den Zeitstufen Altisländisch (= aisl.) und
Neuisländisch (= nisl.), Färöisch (= fär.) und Norwegisch (= norw.) mit den Zeitstufen
Altnorwegisch (= anorw.) und Neunorwegisch (= nnorw.), sowie Ostnordisch (=
ostnord.), das aus Schwedisch (= schwed.) mit den Zeitstufen Altschwedisch (=
aschwed.), Mittelschwedisch (= mschwed.) und Neuschwedisch (= nschwed.),
Gutnisch (= gut.) und Dänisch (= dän.) mit den Zeitstufen Altdänisch (= adän.),
Mitteldänisch (= mdän.) und Neudänisch (= ndän.) besteht.
[122]
2.
Lautlehre
2.1.
Das Phonemsystem des Urindogermanischen
2.1.1. Für die jüngste Phase der urindogermanischen Grundsprache sind folgende Phoneme
(samt den konditionierten Varianten) anzusetzen:
Vokale:
kurz:
lang:
*i
*ī
*e
*ē
Halbvokale:
unsilbisch:
silbisch:
*
*i
*
*u
[Diphthonge: mit * :
mit * :
*e
*e
*a
*a
Resonanten:
Liquiden
unsilbisch:
silbisch:
Nasale:
unsilbisch:
silbisch:
*r
*
*m
*
*l
*
*n
*
Plosive/Okklusive
Labiale:
Dentale:
Palatale:
Velare:
Labiovelare:
stimmlos
*p
*t
*k̂
*k
*kw
stimmhaft
*b
*d
*ĝ
*g
*gw
*s
*z
*h1
*h3
Frikative:
Sibilanten:
Laryngale:
stimmlos:
stimmhaft:
*h2
*a
*ā
*o
*ō
*u
*ū
*o
*o ]
stimmhaft aspiriert
*bh
*dh
*ĝh
*gh
*gwh
Anmerkungen zu den einzelnen Phonemen:
1. Viele bzw. die meisten *a und *o sind erst spätgrundsprachlich durch Umfärbung von *e durch
Laryngal, weitere *o vorher schon durch die Wirkung des qualitativen Ablauts (s. 2.1.2.) entstanden.
Daneben ist aber mit einem selbstständigen Vorkommen von *a, *o in isolierten Wörtern (z.B.
Onomatopoetika, Lall- und Lehnwörtern) zu rechnen.
2. Die Engvokale *i und *u sind neben Vokal (also im Nicht-Silbengipfel) konsonantisch * , * (vgl.
uridg. *ped os = gr. pezós, ai. pádyas).
3. Die Engvokale ergeben mit *a, *e, *o die i-Diphthonge und die u-Diphthonge; man könnte auch bei
der Kombination von *a, *e, *o mit *r, *l, *m und *n von Diphthongen sprechen.
[123]
4. Viele *ē, *ō und die meisten *ā, *ī, *ū sind aus der Folge von Kurzvokal und tautosyllabischem
Laryngal entstanden, und zwar vielleicht erst nachgrundsprachlich. Einige weitere *ā, *ē, *ō sind
Kontraktionsprodukte aus zwei bei morphologischen Neuerungen nebeneinander geratenen
Kurzvokale (etwa *ē, *ō < *ee, *oo im Konjunktiv thematischer Verbalstämme); manche *ē, *ō
beruhen auf Dehnstufe (s. 2.1.2.). Daneben ist mit selbständigen Langvokalphonemen in isolierten
Wörtern zu rechnen.
5. Die Liquiden und Nasale *r, *l, *m, *n sind zwischen Nicht-Vokalen (also im Silbengipfel) silbisch
(sonantisch) * , * , * , * (Liquida bzw. Nasalis sonans).
6. Der Sibilant *s ist normalerweise ein stimmloses s, hat vor stimmhaften Okklusiven aber ein
stimmhaftes Allophon z (uridg. *ni-zd-os/m ‚Nest‘ = lat. nīdus, ahd. nest; *-zd- gehört zur V.wurzel
uridg. *sed- ‚sitzen‘).
7. Die Okklusive (Verschlusslaute, Mutae) lassen sich nach ihrer Artikulationsstelle in Labiale,
Dentale, Palatale, Velare und Labiovelare und nach ihrer Artikulationsart in Tenues *p, *t, *k̂, *k,
*kw, Mediae *b, *d, *ĝ, *g, *gw und Mediae aspiratae *bh, *dh, *ĝh, *gh, *gwh einteilen.
8. Die Labiovelare *kw, *gw, *gwh sind einheitliche Phoneme; bei ihrer Realisierung wird der von
Zungenrücken (dorsum) und Gaumensegel (velum) gebildete Verschluss unter Rundung der Lippe
(labia) gesprengt.
9. Die Laryngale sind drei in den Einzelsprachen fast ausnahmslos verschwundene nicht-vokalische
Phoneme, deren phonetische Beschaffenheit nicht gesichert ist; daher werden sie mit den Symbolen
*h1, *h2 und *h3 bezeichnet. Wenn nicht klar ist, welcher Laryngal vorliegt, wird das Coversymbol
H verwendet.
10. Noch im Urindogermanischen wurde *e durch benachbartes *h2 zu *a, durch benachbartes *h3 zu *
o umgefärbt, während es neben *h1 erhalten bleibt. Diese neue *a fiel phonetisch mit dem seltenen,
nur in einigen Elementarwörtern sowie später in Lehnwörtern vorkommenden Laut *a zusammen.
Ob *o schon grundsprachlich mit dem Ablaut-o (s. 2.1.2.) phonetisch identisch war, ist fraglich.
2.1.2. In den Silben eines urindogermanischen Wortes gibt es einen (geregelten) Wechsel
bestimmter Vokalwerte (Null eingeschlossen), der als Ablaut bezeichnet wird. Eine Silbe kann
dabei in mehreren im Wert des Ablautvokals verschiedenen Varianten erscheinen. Dieser
Wechsel der Vokalwerte vollzieht sich in bestimmten Ablautstufen. Das Grundschema des
urindogermanischen Ablauts ist:
Vollstufe
Dehnstufe
Schwundstufe
vgl. gr.
e-Stufe
e
ē
o-Stufe
o
ō
ø
Vollstufe: (akk.sg.) pa-tér-a ‚den Vater‘ : (akk.sg.) eupá-tor-a ‚den guten Vater‘
Dehnstufe: (nom.sg.) pa-tḗr ‚Vater‘ : (nom.sg.) eupá-tōr ‚guter Vater‘
Schwundstufe: (gen.sg.) pa-tr-ós ‚des Vaters‘
Das Verhältnis zwischen Vollstufe, Dehnstufe und Schwundstufe bezeichnet man als
quantitativen Ablaut, das Verhältnis zwischen e-Stufe und o-Stufe als qualitativen Ablaut.
[124]
Das Auftreten der verschiedenen Ablautstufen innerhalb eines Wortes und damit der
Wert des Ablautvokals wird teils durch den Wortakzent, teils durch morphologische Kategorien
geregelt.
2.1.3. Zu dem Phonemsystem kommt im Urindogermanischen noch eine Akzentopposition
zwischen akzentuierter und unakzentuierter Wortsilbe. Wahrscheinlich war der Akzent im
Späturindogermanischen melodisch (Hervorhebung von Silben durch Tonhöhenwechsel). Der
Akzent konnte anders als im Germanischen grundsätzlich auf jede Silbe eines Wortes fallen
(freier/mobiler Akzent) und bedeutungsunterscheidend sein, vgl. uridg. *bhóros ‚Darbringung‘
> gr. phóros : uridg. *bhorós ‚tragend‘ > gr. phorós; uridg. *dhróghos ‚Lauf(bahn)‘ > gr. tróchos
: uridg. *dhroghós ‚Läufer, Rad‘ > gr. trochós.
2.2.
Vom Urindogermanischen zum Urgermanischen
2.2.1. Vokalismus
Der urindogermanische Vokalismus bleibt im Urgermanischen zunächst unverändert
erhalten. Im Verlaufe des Urgermanischen selbst finden folgende Entwicklungen statt:
1. Zusammenfall von uridg. *a und *o in (spät)urgerm. *a:
• uridg. *ad ‚zu, bei, an‘ (> lat. ad[-], osk., südpik. ad-, umbr. ař-, air. ad-) > (spät)urgerm. *at >
got. at, ahd. az, as., andl. at, aengl. æt, afries., aisl. at
• uridg. *h2eĝro- ‚Ebene, Feld, Acker‘ (> ai. ajras, gr. agrós, lat. ager, umbr. ager) > (spät)urgerm.
*akra- > got. akrs, ahd. ackar, as., andl. akkar, aengl. æcer, afries. ekker aisl. akr
• uridg. *ghosti- ‚Fremder‘ (> lat. hostis, [falls nicht Lehnwort aus dem Germ.] aksl. gostь) >
(spät)urgerm. *ǥasti- > lat.-germ. (in PersonenN) Gasti-, run. (in PersonenN) -gastiz, ahd. gast,
lat.-lgb. (in PersonenN) -gast(i)us, as., frühmndl. gast, aengl. gæst, g(i)est, afries. jest, gast, aisl.
gestr
• uridg. *h2osdo- ‚Ast‘ (> gr. ózos, arm. ost) > (spät)urgerm. *asta- > got. asts, ahd., as., mndl. ast
2. Zusammenfall von uridg. *ā und *ō in (spät)urgerm. *ō:
• uridg. *bhreh2ter- ‚Bruder‘ (> ai. bhr tar-, av. brātar-, gr. phrátēr, arm. ełbayr, lat. frāter, air.
bráth[a]ir, apreuß. brāti, aksl. brat[r]ъ, toch. A pracar, B procer) > (spät)urgerm. *ƀrōþar- >
got. broþar, krimgot. bruder, ahd. bruoder, as. brōthar, andl. bruother, aengl. brōđor, afries.
brōther, aisl. bróðir
[125]
• uridg. *seh2g e/o- ‚suchen‘ (> heth. sākiya-, lat. sāgīre) > (spät)urgerm. *sōk ie/a- > got. sokjan,
ahd. suohhen, as. sōkian, andl. suoken, aengl. sēcan, afries. sēka, sēza, aisl. sœkja
• uridg. *bhloh1to- ‚das Hervorquellende‘ (> mir. bláth, kymr. blawd ‚Blüte‘) > (spät)urgerm.
*ƀlōþ/đa- > got. bloþ, ahd. bluot, as. blōd, andl. bluot, aengl., afries. blōd, aisl. blóð
• uridg. *ghōdho- ‚passend‘ (> lit. guõdas ,Ehre, Verehrung, Bewirtung‘, lett. gùods ‚Ehre, Ruhm‘)
> (spät)urgerm. *ǥōđa- > got. goþs, ahd. guot, lgb. (in PersonenN) God(e)-, as. gōd, andl. guot,
aengl., afries. gōd, aisl. góðr
3. Uridg. *e wird in zwei Fällen zu späturgerm. *i: a. Vor einer Verbindung aus n + Konsonant;
b. Vor einem *i/* in der nachfolgenden Silbe (i-Umlaut):
• uridg. *bhendhe/o- ‚binden‘ (vgl. ai. badhnáti [< *bh dh-n-]; jav. baṇdaiieiti [< *bhondh-e e/o-]) >
urgerm. *ƀenđe/a- > späturgerm. *ƀinde/a- > got. bindan*, ahd. bintan, as. bindan, frühmndl.
binden, aengl. bindan, afries., aisl. binda
• uridg. * endhe/o- ‚drehen, winden, wenden, flechten‘ (> umbr. -uendu ‚soll wenden‘; vgl.
aksl. -vęsti ‚binden‘ [< * endh e/o-]; toch. AB [3.sg.med.] wäntär ‚umhüllen‘ < [* endhe-/tro-])
> urgerm. * enđe/a- > späturgerm. * inde/a- > got. -windan, ahd. wintan, as. windan, frühmndl.
winden, aengl. windan, afries. winda, aisl. vinda
• uridg. *h1esti ‚er ist‘ (> heth. ēszi, lyk. esi, ai. ásti, av. astı, gr. estí, lat. est, air. is, alit. ẽsti, apreuß.
est, aksl. jestь) > urgerm. *esti > späturgerm. *isti > got., ahd. ist, as., aengl., aschwed. is
• uridg. *medh o- ‚in der Mitte befindlich‘ (> ai. mádhya-, aav. maidiia-, jav. maiδiia-, gr. mésos,
arm. mēǰ, lat. medius, air. mide) > urgerm. *međ a- > späturgerm. *miđ a- > got. midjis*, ahd.
mitti, as., andl. middi, aengl. midd(e), afries. midde, medde, aisl. miðr
4. Dieselben Entwicklungen wie bei den Einzellauten finden sich auch bei den Diphthongen.
So fallen uridg. *a und *o in späturgerm. *a und uridg. *a und *o in späturgerm. *a
zusammen; ebenso entwickelt sich uridg. *e (über eine Art von i-Umlautsresultat *i ) zu
späturgerm. *ī:
• uridg. *(ĝ)ha d- ‚Ziege(nbock)‘ (> lat. haedus, sabin. fēdus) > (spät)urgerm. *ǥa t- > got. gaits,
ahd. geiz, as., andl. gēt, aengl. gāt, aisl. geit
• uridg. *h2e kti- ‚Eigentum‘ (> av. īšti- ‚Können, Vermögen‘) > (spät)urgerm. *a χti- > got. aihts*,
ahd. ēht, as. ēht, aengl. ǣht, aisl. ætt, átt
• uridg. *h1o to- ‚Eid‘ (> air. óeth) > (spät)urgerm. a þa- > run. aiþa-, got. aiþs*, ahd. eid, lgb. (pl.)
aidos, as. ēth, frühmndl. eet, aengl. āþ, afries. ēth, ēd, aisl. eiðr
• uridg. *sto no- ‚Stein‘ (vgl. [falls nicht Lehnwort aus dem Germ.] aksl. stěna ‚Mauer‘ [< uridg.
*sto neh2]) > (spät)urgerm. *sta na- > run. (akk.sg.) staina, got. stains, ahd. stein, as., andl. stēn,
aengl. stān, afries. stēn, aisl. stein
• uridg. *h2e ge/o- ‚sich vermehren, wachsen‘ (> lit. áugti, arm. ačem) > (spät)urgerm. *a ke/a- >
got. aukan*, ahd. -ouchan, as. ōkan, frühmndl. oken, afries. āka, aisl. auka
• uridg. *ka no- ‚niedrig‘ (> gr. [Hesych] kaunós ‚schlecht‘) > (spät)urgerm. *χa na- > got. hauns,
aengl. hēan
[126]
• uridg. *(h1)ro dho- ‚rot‘ (> lat. dial. rūfus, air. rúad, lit. raũdas, nruss. [veraltet] rúdyj) >
(spät)urgerm. *ra đa- > got. rauþs*, ahd. rōt, as. rōd, andl. rōt, aengl. rēad, afries. rād, aisl. rauðr
• uridg. *h2ko s e/o- ‚hören‘ (> gr. akoúō) > (spät)urgerm. *χa zi e/a- > got. hausjan, ahd. hōren,
as. hōrian, andl. hōren, aengl. hīeran, afries. hēra, hera, aisl. heyra
• uridg. *bhe dhe/o- ‚sich anvertrauen, vertrauen fassen‘ (> gr. peíthomai, lat. fīdere, aksl. běditi) >
(spät)urgerm. *ƀīđe/a- > got. beidan, ahd. bītan, as., andl., aengl. bīdan, afries. bīda, aisl. bíða
• uridg. *ste ghe/o- ‚steigen, schreiten‘ (> gr. steíchō, air. tíagu) > (spät)urgerm. *stīǥe/a- > got.
steigan*, ahd., as., andl., aengl. stīgan, afries. stīga, aisl. stíga
5. Die silbenbildenden Nasale und Liquiden uridg. * , * , * und * sind zu urgerm. *ur, *ul,
*um und *un geworden:
• uridg. * ĝ e/o- ‚ausführen, tun‘ (> av. [3.pl.] vǝrǝziṇti, myk. wo-ze) > urgerm. * urk e/a- > got.
waurkjan, ahd. wurchen, aengl. wyrcan, aisl. yrkja
• uridg. *p h1no- ‚voll‘ (> ai. pūrṇá-, av. pǝrǝna-, air. lán, lit. pìlnas, aksl. plьnъ) > urgerm.
*fulna- > *fulla- > got. fulls, ahd. fol, lgb. ful-, -fol, as. full, andl. fol, aengl. full, afries. ful, fol,
aisl. fullr
• uridg. *gw ti- ‚das Gehen, Kommen‘ (> ai. gáti-, gr. básis; vgl. lat. in-ventiō [mit m > n vor t]) >
urgerm. *kwumđi- > got. -qumþs*, ahd. cumft, mndd. -kumpst, andl. kumst, aisl. -kund
• uridg. * - Negationspartikel ‚un-, nicht‘ (> ai. a-, gr. a-, lat., air. in-) > urgerm. *un- > got., ahd.,
as., andl., aengl., afries. un-
6. Im Späturgermanischen entwickelt sich die Folge urgerm. *anχ(w) durch Nasalschwund und
Ersatzdehungen zu späturgerm. *ąχ(w), das später entnasaliert wird; so entsteht ein neues
Phonem *ā:
• uridg. *k̂onke/o- ‚hängen‘ (heth. gānki, ai. śáṅkate) > urgerm. *χanχe/a- > späturgerm. *χąχe/a- >
got. hahan, ahd., as. hāhan, andl. hān, aengl. hōn, afries. huā
• uridg. *k̂ank- ‚Ast, Zweig, Pflock‘ (> ai. śaṅkú-) > urgerm. *χanχ- > späturgerm. *χąχ- >
run.norw. (akk.sg.) haha, aisl. hár (vgl. aber noch das Lehnwort finn. kanki)
7. Vielleicht noch im Späturgermanischen entsteht ein zweiter langer e-Laut von
uneinheitlicher Herkunft, der zur Unterscheidung vom ererbten *ē als *ē2 bezeichnet wird.
Letzteres entwickelt sich in den germanischen Sprachen außer im Gotischen abweichend
von urgerm. *ē (das daher auch teilweise *ē1 benannt wird). Der fehlende Unterschied im
Gotischen kann darauf hinweisen, dass entweder beide Laute zusammengefallen sind oder
der Unterschied durch das Schriftbild verdeckt ist:
• späturgerm. *χē2r ‚hier‘ > got. her, ahd. hiar, as. hēr, hier, hīr, andl. hier- (in hiera ‚hierher‘),
aengl. hēr, afries. hīr, aisl. hér
[127]
• vulg.lat. mēsa ‚Tisch‘ (< lat. mensa) > späturgerm. *mē2sa/ō- > got. mes, ahd. mias, meas, aengl.
mēse, mȳse
Im Späturgermanischen sieht das Vokalsystem daher wie folgt aus:
Vokale:
kurz:
*a
*e
lang:
*ą
*ē
Diphthonge: *a
*a
*i
*ē²
*ī
*u
*ō
*ū
*e
2.2.2. Konsonantismus
1. Bereits sehr frühzeitig sind die urindogermanischen Palatale mit den Velaren
zusammengefallen. Im Folgenden werden sie daher als eine Gruppe behandelt.
2. Das charakteristische Merkmal, das die germanischen Sprachen von allen anderen
indogermanischen Sprachen trennt, ist die germanische (oder: erste) Lautverschiebung, nach
Jacob Grimm, der die Lautverschiebung als erstes systematisch ausformulierte, auch
Grimmsches Gesetz genannt. Unter ihr versteht man die systematischen Veränderungen der
Artikulationsart der indogermanischen Okklusive. Sie setzt sich aus folgenden Teilen
zusammen:
Die im Althochdeutschen größtenteils abweichenden Resultate sind das Ergebnis einer weiteren,
nämlich der althochdeutschen (oder: zweiten) Lautverschiebung.
• Die urindogermanischen stimmhaft aspirierten Okklusive, uridg. *bh, *dh, *gh/ĝh, *gwh,
wurden im Urgermanischen zu stimmhaften Reibelauten (mit Engen- statt mit
Verschlußbildung), also zu urgerm. *ƀ, *đ, *ǥ und *ǥw. Schon im Laufe des
Urgermanischen entwickeln sich die stimmhaften Reibelaute nach Nasalen (später auch
an anderer Stelle) zu den stimmhaften Medien *b, *d, und *g:
▪ uridg. *bhére/o- ‚tragen‘ (> ai. bhárati, aav. baraitī, phryg. -beret, gr. phérō, arm. berem, lat.
ferre, air. -beir, lit. be ti, aksl. bьrati, toch. A pärtär) > urgerm. *ƀere/a- > got. bairan, ahd.,
as., andl., aengl. beran, afries., aisl. bera
[128]
▪ uridg. *dheh1ti- ‚Tat‘ (> lyd. ta[a]c- ‚Votivtafel, Votivgabe‘, jav. dāiti- ‚Geben, Schenken‘,
lit. d tis ‚die zu tragende Bürde‘, aksl. -děti [in blagoděti ‚Gnade, Gunst‘]) > urgerm. *đēđi- >
got. -deþs*, ahd. tāt, as. dād, andl. dāt, aengl. dǣd, afries. dēde, dēd, dād, aisl. dáð
▪ uridg. *seĝhes- ‚Überwältigung, Gewalt, Sieg‘ (> ai. sáhas, av. hazah-) > urgerm.
*seǥaz-/-iz- > (mit verschiedenen Umbildungen) got. sigis, ahd. (in PersonenN) Sigur-, Sigar-,
sigi, sigu, as. sigi- (in sigidrohtin ‚Siegesherr‘), mndl. sege, aengl. sigor, sige, afries. sī, aisl.
sigr
▪ uridg. *sengwhe/o- ‚singen‘ (> kymr. dehongli ‚aussagen, erklären, übersetzen‘, aksl. sętъ
‚sagt[e]‘) > urgerm. *senǥwe/a- > späturgerm. *singwe/a- > got. siggwan, krimgot. singhen,
ahd., as., andl., aengl. singan, afries. siunga, sionga, aisl. syngja, syngva
• Die urindogermanischen stimmlosen Okklusive *p, *t, *k/k̂, *kw wurden (vermutlich über
aspirierte stimmlose Okklusive) im Urgermanischen zu den tonlosen Spiranten *f, *þ, *χ,
*χw (*χ ist wie ch in nhd. doch):
▪ uridg. *péku- ‚Vieh‘ (> ai. paśu-, paśú-, av. pasu-, lat. pecū, lit. pẽkus) > urgerm. *feχu- > got.
faihu, ahd. fihu, lgb. -fio, as. fehu, andl. fē, aengl. westsächs. feoh, fēo, nordhumbr. feh, afries.
fiā, fē, aisl. fé
▪ uridg. *t n- ‚Dorn‘ (> ai. t ṇa- ‚Grashalm‘, aksl. trьnъ) > urgerm. *þurn- > got. þaurnus*,
ahd. dorn, as., andl. thorn, aengl. þorn, nwestfries. doarn, aisl. þorn
▪ uridg. *káp e/o- ‚greifen, fassen‘ (> gr. káptō, lat. capere) > urgerm. *χaf e/a- > got. hafjan*,
ahd. heffen, as. hebbian, andl. heven, aengl. hebban, afries. heffa, aisl. hefja
▪ uridg. *kwo- ‚wer‘ (> ai. káḥ, aav. k , jav. kō, apers. kas-, lit. kàs, aksl. kъ-) > urgerm. *χwa- >
got. ƕas, ahd. (h)wer, as. hwē, hwie, andl. wie, aengl. hwa, afries. (h)wa, aschwed. hvar
• Wenn die Lautverschiebung zu einer Folge von zwei stimmlosen Spiranten geführt
hätte, nimmt der zweite Bestandteil nicht an der Lautverschiebung teil. In den
Verbindungen uridg. *sp, *st, *sk und urgerm. *ft (< uridg. Labial + *t) und *χt (<
uridg. Velar + *t) bleibt der zweite Bestandteil somit als *p, *t und *k erhalten:
▪ uridg. *sp uHe/o- ‚spucken, speien‘ (> ai. ṣṭhīvati, gr. pt ō, lat. spuere, lit. spiáuti, aksl.
pljьvati) > urgerm. *spīwe/a- > got. speiwan, ahd., as. spīwan, mndl. spuwen, aengl.
spīwan, afries. spīa, aisl. spýja
▪ uridg. *sth2ti- ‚Stehen‘ (> ai. sthití-, gr. stásis) > urgerm. *staþi- > got. staþs, ahd. stat, as.
stedi, frühmndl. stat, stede, aengl. stede, afries. sted, aisl. staðr
▪ uridg. *skabhe/o- ‚kratzen, schaben‘ (> lat. scabere, alit. skàbti) > urgerm. *skaƀe/a- > got.,
ahd. skaban, as. skavan, frühmndl. scaven, aengl. sc(e)afan, nwestfries. skave, aisl. skafa
▪ uridg. *kapto- ‚gefasst, geschnappt‘ (> lat. captus, air. cacht) > urgerm. *χafta- > got.
hafts*, ahd., as. haft, aengl. hæft
▪ uridg. *nokwt- ‚Nacht‘ (> ai. nákt-, gr. nýx, alb. natë, lat. nox, air. -nocht, lit. naktìs, aksl.
noštь) > urgerm. *naχt- > got. nahts, ahd., as., andl. naht, aengl. niht, neaht, afries. nacht,
aisl. nátt, nótt
[129]
• Der Wandel der inlautenden stimmlosen Okklusiven uridg. *p, *t, *[k] und *kw zu
urgerm. *f, *þ, *χ, *χw tritt nur dann ein, wenn die vorangehende Silbe im
Urindogermanischen den Akzent trug. Wenn das nicht der Fall war, wurde aus urgerm.
*f, *þ, *χ, *χw (und *s) dagegen urgerm. *ƀ, *đ, *ǥ, *ǥw (und *z). Dieser Lautwandel
wird nach dem Entdecker Karl Verner als Vernersches Gesetz benannt:
▪ uridg. *sep(t) ‚sieben‘ (> ai. saptá, av. hapta, gr. heptá, alb. shtatë, arm. ewtˁn, lat. septem,
air. secht, lit. septynì, aksl. sedmь, toch. A ṣpät) > urgerm. *seƀun > got., ahd. sibun, as.
siƀun, andl. sivon, aengl. seofon, afries. si(u)gun, sawen, saun, aisl. sjau
▪ uridg. *ph2tér- ‚Vater‘ (> ai. pitár-, av. pitar-, gr. patḗr, arm. hayr, lat. pater, air. athair,
toch. A pācar, B pācer) > urgerm. *fađer- > got. fadar*, ahd. fater, lgb. fader-, as. fadar,
andl. fader, aengl. fæder, afries. feder, fader, aisl. faðir
▪ uridg. *h2e-h2ik-mé ‚wir haben besessen‘ (vgl. ai. [3.pl.] īśire) > urgerm. *a ǥum > got.
aigum, ahd. eigun, as. ēgun, aengl. āgon, afries. aghen, aisl. eigum
▪ uridg. *h1/3a Hsó- ‚mit Erz versehen‘ (vgl. ai. áyas-, lat. aes [< uridg. *h1/3á Hes-]) >
urgerm. *a za- > got. ais*, ahd. ēr, aengl. ār, ǣr, aisl. eir
Dieses Gesetz bewirkt bei der Flexion des germanischen Verbs den sogenannten
grammatischen Wechsel. Da im Singular des Präteritums der Stamm, im Plural die Endung
betont war, so ergibt sich hier ein Wechsel von stimmlosem und stimmhaftem Auslaut beim
Stamm.
• Die urindogermanischen stimmhaften Okklusiven *b, *d, *(ĝ) und *gw verlieren ihren
Stimmton und werden zu den stimmlosen Tenues urgerm. *p, *t, *k, *kw:
▪ uridg. *sleh1be/o- ‚schlaff sein‘ (> lit. slõbti) > urgerm. *slēpe/a- > got. slepan, krimgot.
schlipen, ahd. slāfan, as. slāpan, mndl. slāpen, aengl. slǣpan, afries. slēpa
▪ uridg. *dek ‚zehn‘ (> ai. dáśa, av. dasa, gr. déka, arm. tasn, lat. decem, air. dech, lit. dešim-t,
aksl. desę-tь, toch. A śäk, B śak) > urgerm. *teχun > got. taihun, as. tehan, andl. tēn, aengl.
tīen, afries. tian, aisl. tío
▪ uridg. * ĝ h3to- ‚bekannt‘ (vgl. gr. gnōtós, air. gnáth, lit. -žìntas [< uridg. *g h3tó-]) > urgerm.
*kunþa- > got. kunþs (-þ-), ahd. kund, as. kūth, andl. kunt, aengl. cūþ, afries. kūth, kūd, aisl.
kunnr
▪ uridg. *gweme/o- ‚kommen‘ (> ai. [konjunk.] gámat, aav. [konjunk.] jamaitī, lit. gi ti) >
urgerm. *kweme/a- > got. qiman, ahd. queman
Im Urgermanischen sieht das Konsonantensystem daher wie folgt aus:
Halbvokale:
*
*
[130]
Resonanten:
Liquiden:
*r
*l
Nasale:
*m
*n
stimmlos:
*f
*s
*þ
*χ
*χw
stimmhaft:
*ƀ
*z
*đ
*ǥ
*ǥw
stimmlos:
*p
*t
*k
*kw
stimmhaft:
*b
*d
*g
*gw
Frikative:
Plosives:
2.2.3. Akzent
In der Frühphase des Urgermanischen war der freie (mobile) Wortakzent des
Urindogermanischen noch erhalten, wie das Vernersche Gesetz deutlich zeigt. Im Verlaufe des
Urgermanischen wurde der Wortakzent auf die erste Silbe des Wortes, die zumeist die
Stammsilbe war, verschoben. Der bewegliche (mobile) Akzent wird dabei zu einem festen
Akzent. Die Festlegung des Akzents auf der ersten Wortsilbe bewirkt eine Abschwächung der
Vokale der nicht betonten Silben, die von den Endsilben ausgehend im Laufe der Entwicklung
der germ. Sprachen auch die Mittelsilben ergreift.
Außer der Stammsilbe kann die erste Wortsilbe den Akzent dann tragen, wenn vor dem
Nomen ein Präfix antritt, vgl. z.B. got. andawaurdi*, ahd. antwurti, as. andwordi, aengl.
andwyrde, afries. ondward, -werd, aisl. andyrdi ‚Antwort‘; got. frawaurhts, as. farwurht, aengl.
forwyrht ‚Sünde‘.
In Gegensatz zu den nominalen Präfixkomposita trägt bei den verbalen Präfixkomposita
nicht das Präfix, sondern die Stammsilbe den Hauptton. Das liegt darin begründet, dass die
beiden Bestandteile beim Substantiv früher zusammengewachsen sind als beim Verb. Dies geht
daraus hervor, dass einerseits die Präfixe bei Nomina und Verben eine unterschiedliche Form
haben können (vgl. etwa got. andahait* ‚Bekenntnis‘ ↔ andhaitan ‚öffentlich bekennen‘) und
dass andererseits zwischen Präfix und Verb zuweilen noch ein Bestandteil eingeschoben
werden kann (vgl. etwa got. 3.sg.ind.prät. at-uh-gaf ‚hin-und-gab‘ = ‚und gab hin‘ zu got.
atgiban ‚hingeben‘).
2.3.
Vom (Spät)Urgermanischen zum Gotischen
[131]
2.3.1. Vokalismus
Zwischen dem Urgermanischen und dem Gotischen finden folgende Veränderungen im
Vokalismus statt:
• Erhalten blieben urgerm. *a, *i, *u, *ą (> *ā), *ē, *ī (geschrieben <ei> nach gr. Vorbild),
*ō und *ū. Da die Graphien <e> und <o> nur für die Langvokale ē und ō stehen, unterbleibt
die Bezeichnung der Länge in der Transkription gotischer Wörter gemeinhin. Unverändert
blieben auch die Diphthonge urgerm. *a , *a .
▪ Weitverbreitet ist die Annahme, dass die Diphthonge urgerm. *a und *a im Gotischen zu
Monophthongen (offenes ē und ō) geworden sind. Dies ist in Anbetracht der gesamten
Überlieferungslage zumindest für die Sprache zur Zeit Wulfilas selbst unwahrscheinlich, anders
als für das Spätgotische.
• Urgerm. *e ist im Gotischen generell zu i geworden (s. aber unten):
▪ urgerm. *ǥeƀe/a- > got. giban (ahd. geban, as., andl. gevan, aengl. giefan, afries. jeva, aisl. gefa)
▪ urgerm. *ete/a- > got. itan (ahd. ezzan, as., andl., aengl. etan, afries., aisl. eta)
• Urgerm. *e und *i, die bereits vor der Überlieferung zu *i geworden waren, und urgerm. *u
werden vor got. r, h und ƕ zu offenem e ([ɛ], geschrieben <ai>) und o ([ɔ], geschrieben
<au>). Dieser Vorgang bezeichnet man als Brechung:
▪ urgerm. * ira- > got. wair (ahd., as. wer, andl. wera-, aengl. wer, afries. wer-, aisl. verr)
▪ urgerm. *reχta- > vorgot. *riχt- > got. raihts* (> ahd. reht, lgb. [in PersonenN] Ret(t)-, as., andl.
reht, aengl. riht, afries. riucht, riocht, aisl. réttr)
▪ urgerm. *seχwe/a- > vorgot. *siχwe/a- > got. saiƕan (ahd., as. sehan, andl. sian, aengl. sēon,
afries. sia[n], aisl. séa, sjá)
▪ urgerm. *ƀurǥ- > got. baurgs (ahd., as. burg, frühmndl. borch, aengl. burg, afries. burch, aisl.
borg)
▪ urgerm. *uχsan- > got. auhsa (ahd. ohso, as. ohsin-, andl. osso*, aengl. oxa, afries. oxa, ōxa, aisl.
oxi, uxi)
▪ Beispiele für urgerm. *u vor *χw sind nicht bezeugt.
• Gebrochenes ai erscheint synchron im Gotischen auch vor anderen Konsonanten, z.B. in
aiþþau ‚oder‘ (mit -þþ- wohl aus *χþ) oder in der Reduplikationssilbe des Präteritums, z.B. in
saiso ‚säte‘ (entweder analogisch nach haihait ‚hieß‘ oder durch Schwachton entstanden).
• Die Brechung von i und u unterblieb in jüngerer Komposition, z.B. nih ‚und nicht‘ (aus ni
‚nicht‘ + -[u]h ‚und‘), nuh ‚denn‘ (aus nu ‚nun‘ + -[u]h ‚und‘).
[132]
• In vornehmlich älterer Literatur wird das Resultat der Brechung teils mit aí und aú
wiedergegeben, um sie von den Diphthongen ai und au zu unterscheiden, die dann als ái und
áu geschrieben werden.
• So wie urgerm. *e zu got. i geworden ist, entwickelte sich auch urgerm. *e zu got. iu:
▪ urgerm. *te χe/a- > got. tiuhan (ahd. ziohan, as. tiohan, andl. tiān, aengl. tēon, afries. tiā, aisl.
[part.prät.] toginn)
▪ urgerm. *le ƀa- > got. liufs (run. [nom.sg.f.] liubu, [in PersonenN] -leubaz, run.-vorahd.
[nom.sg.m./akk.sg./n.] leob, ahd. liob, lgb. [in PersonenN] Leob-, Leup-, as. liof, andl. lief, aengl.
lēof, afries. liāf, liēf, aisl. ljúfr)
• Während urgerm. *ē und *ō offene Laute waren (vgl. die Lautentwicklung urgerm. *ē >
nord-/westgerm. *ā), sind sie im Got. zu geschlossenen Lauten geworden, was die neben
<e> und <o> stehenden Schreibungen <ei> und <u> in den Handschriften zeigen.
• Im Hiat wie in saian ,säen‘, waian* ‚wehen‘, staua ‚Gericht‘ oder bauan ‚bauen‘, die auf
urgerm. *ē( ) + Vokal, ō ( ) + Vokal und ū + Vokal zurückgehen, haben <ai> und <au> den
Lautwert eines offenen ē ([ɛː]) und ō ([ɔː]).
Im Gotischen sieht das Vokalsystem daher wie folgt aus:
Vokale:
kurz: <a> [a]
<ai> [ε]
<i> [ɪ]
<au> [ɔ]
lang: <a> [aː]
<ai> [εː]
<e> [eː]
<au> [ɔː]
Diphthonge:
<ai> [aɪ̯]
<au> [aʊ̯]
<iu> [ɪʊ̯]
<u> [ʊ]
o [oː]
<u> [uː]
2.3.2. Konsonantismus
• Der Konsonantenbestand des Urgermanischen ist im Gotischen größtenteils unverändert
erhalten geblieben.
• Die geminierten Halbvokale urgerm. * und *
und ggw ([gːw]):
entwickeln sich zu got. ddj (vielleicht [ɟː])
[133]
▪ urgerm. (gen.) *t a ōn ‚zweier‘ > got. twaddje (mit sekundärer Endung -e) (ahd. zweiio, as.
twēi[i]o, aengl. twēg[e]a, aisl. tveggja)
▪ urgerm. * a u- ‚Mauer‘ > got. -waddjus (aengl. wǣg, aisl. veggr)
▪ urgerm. *tre a- ‚fest, treu‘ > got. triggws (aisl. tryggr neben ahd., as. triuwi, frühmdl. trouwe,
aengl. triewe, afries. triūwe)
▪ urgerm. *ƀle e/a- ‚schlagen‘ > got. bliggwan* (ahd. bliuwan, as. -bleuwan, mndl. blouwen)
• Die stimmhaften Frikative urgerm. *ƀ, *đ und *z, die im Gotischen als <b>, <d> und <z>
erscheinen, werden, wenn sie in den absoluten Auslaut oder vor auslautendem s (egal
welcher Herkunft) geraten, durch Auslautverhärtung zu den jeweils entsprechenden
stimmlosen Frikativen got. <f>, <þ> und <s>. Dagegen bleibt urgerm. *ǥ, das als got. <g>
geschrieben wird – zumindest graphisch – unverändert; der Grund dafür bleibt unklar (keine
Notwendigkeit für eine graphische Distinktion oder keine Möglichkeit dafür, da got. h
bereits ein Hauchlaut geworden war, oder urgerm. *ǥ war schon vor dem Eintreten der
Auslautverhärtung zu *g geworden). Vgl. inf. giban ‚geben‘ : prät. gaf ‚gab‘, gen.sg.m. godis
: nom.sg.m. goþs ‚gut‘, gen.sg. riqizis : nom.sg. riqis ‚Finsternis‘, aber gen.sg dagis : nom.sg.
dags ‚Tag‘.
▪ In Wortverbindungen bleibt der ursprünglich stimmhafte auslautende Frikativ aus
satzphonetischen Gründen erhalten, vgl. qiþid-uh ‚und er spricht‘ neben qiþiþ ‚er spricht‘. Aber
auch sonst findet sich infolge von Analogie nach dem Inlaut der stimmhafte Frikativ anstelle des
stimmlosen.
• Ein Wechsel von stimmhaftem und stimmlosem Frikativ (Thurneysens Gesetz) findet sich
in frühgotischer Zeit hinter nicht haupttonigem Vokal insofern, als nach stimmlosem
Silbenanlaut ein stimmhafter, nach stimmhaftem Silbenanlaut ein stimmloser Frikativ
erscheint:
▪
▪
▪
▪
-b- : -f-: fastubni* ‚Haltung, Fasten‘ : waldufni ‚Gewalt‘
-d- : -þ-: auþida ‚Wüste‘ : mildiþa* ‚Milde‘
-z- : -s-: (dat.sg.) hatiza ‚Hass‘ : (dat.sg.) agisa ‚Furcht, Schrecken‘
-g- : -h-: wulþags* ‚herrlich‘ : bairgahei* ‚gebirgige Gegend‘
• Diese Regel ist im wulfilanischen Gotischen bereits durch zahlreiche Ausgleichungen
durchbrochen, vgl.: diupiþa ‚Tiefe‘, hauhiþa ‚Höhe‘, modags ‚zornig‘.
▪ In der Worbildung findet sich synchron-deskriptiv die Veränderung von p bzw. b zu f, k bzw.
g zu h sowie t, þ bzw. d zu s vor einem mit t anlautendem Suffix:
[134]
▪
▪
▪
▪
▪
▪
▪
-p- : -f-: gaskapjan* ‚erschaffen‘ : gaskafts ‚Geschöpf‘
-b- : -f-: fragiban ‚vergeben, verleihen, schenken‘ : fragifts* ‚Verleihung, (pl.) Verlobung‘
-k- : -h-: siuks ‚krank, schwach‘ : sauhteis* ‚Krankheiten‘
-g- : -h-: mag ‚ich kann, vermag‘ : mahts ‚Macht, Kraft‘
-t- : -s-: haitan ‚heißen, nennen‘ : (2.sg.ind.prät.) haihaist
-þ- : -s-: qiþan ‚sagen‘ : (2.sg.ind.prät.) qast
-d- : -s-: gildan ‚gelten‘ : (akk.pl.) gilstra ‚Steuer‘
• Die Veränderung der Labiale und Velare ist dabei das Resultat der in 2.2.2. beschriebenen
Vorgänge.
• Bei den Dentalen ist an und für sich der Wandel von uridg. Dental + t zu -ss- ursprünglich,
wie sie noch in Resten im Gotischen erscheint, vgl.: qiþan ‚sagen‘ : gaqiss ‚übereinstimmend‘;
witan ‚wissen‘ : (1./3.sg.ind.prät.akt.) wissa. Die Folge -st- ist dagegen das Resultat einer
paradigmatischen Analogieentwicklung, die dafür sorgt, das Formen wie lautgesetzlich
erwartetes got. *waiss ‚du weißt‘ nach Formen wie got. namt ‚du nahmst‘ zu got. waist
abgeändert werden.
Im Gotischen sieht das Konsonantensystem daher wie folgt aus:
Sonoranten:
Halbvokale:
<j> [j]
<w> [w]
Liquide:
<l> [l]
<r> [r]
Nasale:
<m> [m]
<n> [n] ~ <g> [ŋ]
Geräuschlaute:
stimmhafte Plosive:
<p> [p]
<t> [t]
<k> [k]
stimmhafte Plosive/Frikative: <b> [b, ƀ] <d> [d, ð] <z> [z-z̺] <ddj> [ɟː]? <g> [g, ɣ?, χ?]
stimmlose Frikative:
<f> [ɸ/f]
<þ> [θ]
<s> [s-s̺]
<h> [h, χ?]
Die Buchstaben <q> und <ƕ> sind im Gotischen wohl keine Labiovelare mehr, sondern
zu den Verbindungen [kw] und [hw, χw?] geworden (vgl. Norbert Wagner. 2006. „Zu got. ƕ, q
und ai, au“. Historische Sprachforschung / Historical Linguistics 119, 286–291). Die Folge
<ggw> ist teils als [gːw] zu deuten.
2.3.3. Akzent
Der gotische Akzent ist mit dem des Späturgerm. wohl weitestgehend identisch (s.
2.2.3.).
[135]
3.
Formenlehre
In den Paradigmata finden sich Lücken, die durch die trümmerhafte Bezeugung des
Gotischen bedingt sind. Sie zeigen an, dass es keinen Beleg für diese grammatische Form gibt.
3.1.
Deklination
• Von den drei Numeri des Indogermanischen (Singular, Dual, Plural) bewahrt das Gotische
beim Nomen nur zwei: Singular und Plural; der Dual ist nur noch beim Personalpronomen
und (formal) in Resten im Zahlwort erhalten. Von den acht Kasus des Indogermanischen
(Nominativ, Akkusativ, Vokativ, Instrumental, Dativ, Ablativ, Genitiv, Lokativ) sind im
Gotischen Nominativ, Genitiv und Akkusativ direkt erhalten, der Vokativ und Instrumental
nur in Resten. Im gotischen Dativ sind vornehmlich der ehemalige Lokaktiv und Dativ
zusammengefallen, der Ablativ ist ausgestorben (aber indirekt in den Adverbien auf -o
erhalten). Die drei Genera des Urindogermanischen (Maskulinum, Femininum und
Neutrum) sind unverändert fortgesetzt.
3.1.1. Deklination des Substantivs
• Bei den Flexionsformen des Substantivs sind der Flexionsstamm und die Kasusendungen zu
unterscheiden. Nach dem Stammausgang unterscheidet man im Gotischen – wie auch in den
übrigen altgermanischen Sprachen – eine vokalische (nach Jacob Grimm: starke) und eine
konsonantische (nach Jacob Grimm: schwache) Deklination.
▪ Die vokalische Deklination teilt man nach dem Stammvokal ein in: a-Stämme (reine
a- neben ja- und wa-Stämmen), ō-Stämme (reine ō- neben jō- und wō-Stämmen),
i-Stämme und u-Stämme.
▪ Von den konsonantischen Stämmen ist die Klasse der n-Stämme (an-, ōn- und
ein-Stämme) bei weitem am häufigsten; daneben stehen noch einige kleineren
Stammklassen (r-, nd- und Konsonanten-Stämme).
• Wegen des geringen Umfangs der gotischen Überlieferung kommt es vor, dass von einem
Wort nicht alle Kasus belegt sind. Daher ist es zuweilen nicht möglich, die Stammklasse und
das Genus aus dem Gotischen heraus sicher zu bestimmen. In aller Regel werden dann die
anderen germanischen Sprachen zur Einordnung herangezogen, was jedoch nicht immer
Sicherheit gewähren kann.
[136]
3.1.1.1. Vokalische Deklination
• a-Deklination
Die gotischen a-Stämme enthalten wie die ja- und wa-Stämme nur Maskulina und
Neutra. Vom Nominativ Singular und Nominativ/Akkussativ Plural abgesehen ist die Flexion
beider Genera identisch. Die gotischen a-Stämme setzen urgermanische a-Stämme, diese
wiederum urindogermanische o-Stämme fort. Bei diesen gab es lediglich einen qualitativen
Suffixablaut uridg. *o : *e, der im Urgermanischen als *a : *e und im Gotischen als a : i
vertreten ist. Paradigmata der maskulinen und neutralen a-Stämme: 1) dags m. ‚Tag‘, hlaifs m.
‚Brot‘. 2) waurd n. ‚Wort‘, haubiþ n. ‚Haupt‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
vok.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
dags
hlaifs
dagis
hlaibis
daga
hlaiba
dag
hlaif
dag
hlaif
dagos hlaibos
dage
hlaibe
dagam hlaibam
dagans hlaibans
neutrum
waurd
waurdis
waurda
waurd
haubiþ
haubidis
haubida
haubiþ
waurda
waurde
waurdam
waurda
haubida
haubide
haubidam
haubida
1. Wie dags flektieren sehr viele Maskulina, z.B.: aiþs* ‚Eid‘, asts ‚Ast‘, daigs ‚Teig‘, doms*
‚Urteil‘, fisks* ‚Fisch‘, fugls* ‚Vogel‘, gazds ‚Stachel‘, himins ‚Himmel‘, hunds ‚Hund‘,
kindins ‚Befehlshaber‘, skalks ‚Diener‘, skohs* ‚Schuh, Sandale‘, stains ‚Stein‘, tains*
‚Zweig‘, þiudans ‚König‘, waurms ‚Schlange‘, wigs ‚Weg‘, wulfs ‚Wolf‘.
2. Wie hlaifs ‚Brot‘ flektieren noch: laufs* ‚Blatt‘ (nom.pl. laubos [Mk 13:28]) und moþs*
‚Zorn‘ : gen.sg. modis.
3. Wie waurd flektieren sehr viele Neutra, z.B.: akran ‚Frucht‘, barn ‚Kind‘, bloþ ‚Blut‘, daur
‚Tür‘, gulþ* ‚Gold‘, haurn* ‚Horn‘, huzd ‚Schatz‘, juk* ‚Joch‘, land ‚Land‘, leik ‚Körper‘,
neiþ* ‚Neid‘, sair ‚Schmerz‘, salt ‚Salz‘, skip* ‚Schiff‘, tagl* ‚Haar‘, tagr* ‚Träne‘.
4. Wie haubiþ flektieren noch: awiliuþ* ‚Dank‘ (dat.pl. awiliudam), dius* ‚Tier‘ (dat.pl.
diuzam), liuhaþ ‚Licht‘ (gen.sg. liuhadis) und riqis ‚Dunkelheit‘ (gen.sg. riqizis).
Zum Wechsel zwischen f : b, þ : d und s : z vgl. 2.3.2.
Im Nominativ Singular der Maskulina fällt das auslautende -s in zwei Fällen ab: 1. nach s, ss
oder z; 2. nach einer Folge von Kurzvokal + r (daher etwa got. drus ‚Fall‘ < urgerm. *đruziz [aengl.
dryre], got. wair ‚Mann‘ < urgerm. * iraz [ahd., as. wer, andl. wera-, aengl. wer, afries. wer-, aisl.
verr]).
[137]
Ein Schwanken zwischen a- und i-stämmiger Flexion zeigt sich im Plural von nom.sg. wegs
‚Welle‘ (Mt 8:24), dat.sg. wega (Lk 8:24) : nom.pl. wegos (Mk 4:37), dat.pl. wegim (Mt 8:24).
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom. m.: got. -s (vgl. ostgerm. run. -s) < urgerm. *-az (vgl. run. -az). Gen. m./n.: got. -is <
(Pron.endung) urgerm. *-esa (oder urgerm. *-eza wegen anþariz-uh ‚und des andern‘ [Mt 11:3]) (vgl.
ahd. -es; neben urgerm. *-asa [vgl. run. -as, as. -as, frühae. -æs]). Dat. m./n.: got. -a entweder <
urgerm. (lok.sg.) *-a (vgl. vielleicht run. -ai, -e); oder < urgerm. (instr.sg.) *-ē (vgl. vielleicht run. -e)
oder < urgerm. (instr.sg.) *-ō (vgl. ahd., as. -u). Akk. m.: got. -Ø < urgerm. *-an (vgl. run. -a). Vok.
m.: got. -Ø < urgerm. *-e. Nom./Akk. n.: got. -Ø < urgerm. *-an (vgl. run. -a).
• Pl.: Nom. m.: got. -os < urgerm. *-ōs (vgl. as. -os, aengl. -as; neben urgerm. *-ōz [vgl. run. -az,
ahd. -ā, aisl. -ar). Gen. m./n.: got. -e eine erst innerostgerm. Neubildung (vielleicht nach der
e-Färbung im Gen.Sg.) statt urgerm. *-ōn (vgl. ahd., as. -o, aengl., afries. aisl. -a). Dat. m./n.: got. -am
entweder < urgerm. (dat.pl.) *-amaz oder < urgerm. (instr.pl.) *-amiz (vgl. lat.-germ. MatronenN -ms
in Aflims, Vatvims, ahd., as., aengl., afries. -um, aisl. -om). Akk. m.: got. -ans < urgerm. *-anz (vgl.
run. -a, ahd., aisl. -a). Nom./Akk. n.: got. -a < urgerm. *-ō (vgl. run. -u).
ja-Deklination
Die ja-Stämme werden wegen Abweichungen in einigen Endungen von den reinen
a-Stämmen unterschieden. Bei den maskulinen ja-Stämmen weichen die Endungen ab, je
nachdem ob ein kurzsilbiger oder langsilbiger Stamm vorliegt. Dies ist letztendlich dadurch
bedingt, dass das Suffix urgerm. *- a- nach einem langsilbigen oder mehrsilbigen Stamm als
*-i a- erscheint (Sieversche Variante). Beide Varianten entwickelten sich lautlich
unterschiedlich weiter. Bei den neutralen ja-Stämmen hat sich im Genitiv Singular, wo ein
Unterschied in der Endung ebenfalls zu erwarten wäre, der kurzsilbige Typ durchgesetzt. Daher
flektieren beide Stämme gleich. Paradigmata der maskulinen und neutralen ja-Stämme: 1)
Kurzsilbig: harjis m. ‚Heer‘, kuni n. ‚Geschlecht. 2) Lang-/Mehrsilbig: hairdeis m. ‚Hirte‘, reiki
n. ‚Reich‘:
maskulinum
kurzsilbig langsilbig
sg. nom. harjis
hairdeis
gen. harjis
hairdeis
dat.
harja
hairdja
akk. hari
hairdi
vok. hari
hairdi
pl. nom. harjos
hairdjos
gen. harje
hairdje
dat.
harjam
hairdjam
akk. harjans
hairdjans
neutrum
kurzsilbig
kuni
kunjis
kunja
kuni
langsilbig
reiki
reikjis
reikja
reiki
kunja
kunje
kunjam
kunja
reikja
reikje
reikjam
reikja
[138]
1. Wie harjis flektiert sicher nur niþjis ‚Verwandter‘.
2. Wie hairdeis flektieren z.B.: andeis ‚Ende‘, asneis ‚Lohnarbeiter‘, faura-maþleis
‚Vorsteher‘, faur-stasseis* ‚Vorsteher‘, ƕaiteis ‚Weizen‘, siponeis ‚Schüler‘ und die Subst.
auf -areis (u.a. bokareis ‚Schriftgelehrter‘, laisareis ‚Lehrer‘, motareis ‚Zöllner‘).
3. Wie kuni und reiki flektieren z.B.: andwairþi ‚Gegenwart‘ arbi ‚Erbe‘, badi* ‚Bett‘, fairguni
‚Berg‘, fani* ‚Schlamm‘, galigri* ‚Beilager‘, garuni* ‚Beratung‘, gawaurki ‚Geschäft‘,
gawi* ‚Gau‘ (Gen.Sg. gaujis), hawi ‚Heu‘ (dat.sg. hauja), hiwi* ‚Gestalt, Aussehen‘ (akk.sg.
hiwi [2TimAB 3:5]; gen.sg. hiujis*) nati* ‚Netz‘, taui* ‚Tat‘ (dat.sg. toja), þiubi*
‚Diebstahl‘, wadi ‚Pfand‘ und die Neutr. auf -ubni, -ufni.
Neben der üblichen Endung gen.sg. -jis der langsilbigen Neutra ist bei einigen Wörtern die
eigentlich zu erwartende, aber wohl auf Neuerung beruhende Endung -eis belegt: fauramaþleis (Neh
5:14.18) zu fauramaþli* ‚Vorsteheramt‘, trausteis (EphAB 2:12) zu trausti* ‚Bündnis‘. Ein Schwanken
zwischen beiden Formen gibt es bei andbahtjis (viermal) neben andbahteis (Lk 1:23) zu andbahti ‚Amt‘,
gawairþjis (achtmal) neben gawairþeis (siebenmal) zu gawairþi ‚Friede‘, waldufnjis (dreimal) neben
waldufneis (Sk 7:1) zu waldufni ‚Gewalt‘.
Historische Erklärung der von den a-St. abweichenden Endungen:
• Sg.:Nom. m.: got. -jis < urgerm. *- az (vgl. run. -jaz, as. -i, aengl. -e), got. -eis < urgerm. *-i az (vgl.
run. -ijaz, ahd., as. -i, aengl. -e, aisl. -er). Gen. m./n.: got. -jis < urgerm. *- esa (vgl. ahd. -es, as. -ies),
got. -eis < urgerm. *-i esa (vgl. ahd. -es, as. -ies, aengl., aisl. -es). Akk. m.: got. -i (nur bei den
langsilbigen Stämmen belegt) < urgerm. *-i an (vgl. run. -ija, ahd., as. -i, aengl., aisl. -e). Nom./Akk.
n.: got. -i < urgerm. *- an (> run. -ja, ahd., as. -i), got. -i < urgerm. *-i an (vgl. ahd. -i, aengl., aisl. -e).
Vok. m.: got. -i (nur bei den langsilbigen Stämmen belegt) < urgerm. *-i e.
wa-Stämme
Die wa-Stämme werden wegen besonderer Lautungen ebenfalls von den reinen
a-Stämmen unterschieden. Die paradigmatischen Formen stimmen in der Regel mit denen der
reinen a-Stämmen überein, jedoch haben die kurzsilbigen wa-Stämme im Nominaitv/Akkusativ
Singular die Endung -us / -u bei den Maskulina und -u / -u bei den Neutra, die langsilbigen
dagegen -ws / -w und -w / -w. Paradigma der maskulinen und neutralen wa-Stämme: 1) þius*
m. ‚Diener, Knecht‘. 2) waurstw n. ‚Werk‘:
maskulinum
sg. nom. þius
gen. þiwis
dat.
þiwa
akk. þiu
vok. þiu
pl. nom. þiwos
gen. þiwe
dat.
þiwam
neutrum
waurstw
waurstwis
waurstwa
waurstw
waurstwa
waurstwe
waurstwam
[139]
akk.
þiwans
waurstwa
1. Als sichere maskulinen wa-St. gelten außer þius* lediglich snaiws ‚Schnee‘ und wohl noch
aiws* ‚Zeit, Ewigkeit‘.
2. Wie waurstw flektieren noch: alew* ‚Öl‘, farw* ‚Gestalt‘, fraiw ‚Same‘, gaidw* ‚Mangel‘,
hlaiw* ‚Grab‘, kniu* ‚Knie‘, lew ‚Gelegenheit‘, sarwa* ‚Waffen‘, þiwadw ‚Knechtschaft‘
und weinatriu ‚Weinstock‘.
Ein Schwanken zwischen wa- und i-Stämmen zeigt das Wort nom.sg. aiws* ‚Zeit, Ewigkeit‘:
gen.sg. aiwis (8x), dat.sg. aiwa (15x), akk.sg. aiw (18x), gen.pl. aiwe (6x) : dat.pl. aiwam (7x), akk.pl.
aiwins (Mt 6:13).
• ō-Deklination
Die gotischen ō-Stämme enthalten nur Feminina. Es werden die reinen ō-Stämme, die
wō-Stämme und die kurz- und langsilbigen jō-Stämme unterschieden.
Die gotischen ō-Stämme setzen urgermanische ō-Stämme, diese wiederum
urindogermanische eh2-Stämme fort, bei denen der schon marginale urindogermanische
Suffixablaut bereits keine Rolle mehr spielte. Da die wō-Stämme und die kurzsilbigen
jō-Stämme, anders als die langsilbigen jō-Stämme, keine Unterschiede zu den reinen ō-Stämme
zeigen, werden sie unter den reinen ō-Stämmen mitbehandelt. Paradigma der femininen ō-,
wō- und kurzsilbigen jō-Stämme: 1) Reine ō-Stämme: giba ‚Gabe‘. 2) wō-Stämme: triggwa
‚Treue‘. 3) Kurzsilbige jō-Stämme: sunja ‚Wahrheit‘:
ōsg. nom. giba
gen. gibos
dat.
gibai
akk. giba
pl. nom. gibos
gen. gibo
dat.
gibom
akk. gibos
wōtriggwa
triggwos
triggwai
triggwa
triggwos
triggwo
triggwom
triggwos
jōsunja
sunjos
sunjai
sunja
sunjos
sunjo
sunjom
sunjos
1. Wie giba flektieren sehr viele Feminina, z.B.: aƕa ‚Fluss‘, airþa ‚Erde‘, bida ‚Bitte‘, bota*
‚Nutzen‘, fera* ‚Seite, Gegend‘, groba* ‚Grube‘, hansa ‚Schar‘, ƕeila ‚Zeit, Stunde‘,
idreiga* ‚Buße‘, kara ‚Sorge‘, laiba* ‚Überbleibsel‘, saiwala ‚Seele‘, stibna ‚Stimme‘,
tewa* ‚Ordnung‘, þiuda ‚Volk‘, wamba ‚Bauch‘, winna* ‚Leiden‘ und die Adj.abstrakta
auf -iþa und -ida (u.a. mildiþa* ‚Mitleid‘ und wairþida ‚Tüchtigkeit‘).
[140]
2. Wie triggwa flektieren noch: bandwa* ‚Zeichen‘, fijaþwa* ‚Feindschaft‘, frijaþwa ‚Liebe‘,
nidwa ‚Rost‘, saliþwos ‚Herberge‘ (nur Pl.), taihswa* ‚die Rechte‘, ubizwa* ‚Halle‘, wulwa*
‚Raub‘.
3. Wie sunja flektieren noch: banja* ‚Wunde‘, brakja ‚Kampf‘, halja ‚Hölle‘, ludja* ‚Antlitz‘,
plapja* ‚Straße‘, sibja* ‚Sippe‘, skalja* ‚Ziegel‘, winja* ‚Weideplatz‘, wipja* ‚Kranz‘ und
wrakja ‚Verfolgung‘.
Von ƕeila* ‚Stunde‘ ist in gedecktem Auslaut vor dem enklitischen -hun der Akkusativ Singular
als ƕeilo-hun (GalA 2:5 [ƕeilohum B]) belegt, was die lautgeschichtlich ältere Form ist.
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom: got. -a < urgerm. *-ō (vgl. run. -u, aengl. -u). Gen.: got. -os < urgerm. *-ōs (neben urgerm.
*-ōz [vgl. ahd., as. -a, frühae. -æ, aengl. -e, aisl. -ar]). Dat.: got. -ai < urgerm. *-ō (vgl. frühae. -æ,
aengl. -e). Akk.: got. -a wohl aus dem Nom., neben (in gedecktem Auslaut; s.o.) -o < urgerm. *-ōn
(vgl. run. -o, ahd., as. -a, aengl. -e).
• Pl.: Nom.: got. -os < urgerm. *-ōs (neben urgerm. *-ōz [ahd., as. -a, aengl. -e, aisl. -ar]). Gen.: got. -o
< urgerm. *-ōn (vgl. as. -o, aengl., aisl. -a). Dat.: got. -om < entweder urgerm. (dat.) *-ōmaz oder
(instr.) *-ōmiz (vgl. ahd. -om, as., aengl. -um, aisl. -om). Akk.: got. -os < urgerm. *-ōz (vgl. run. -oz,
[später] -az, ahd. -ā, as. -a, -e, aengl. -e, aisl. -ar).
Langsilbige jō-Stämme
Die langsilbigen jō-Stämme werden wegen der abweichenden Form im Nominativ
Singular von den anderen ō-Stämmen unterschieden. Sie setzen einen urindogermanischen
Typus fort, in dem im Nominativ/Akkusativ Singular das Suffix in der schwundstufigen Form
*-ih2, in den anderen Kasus dagegen in der vollstufigen Form *- eh2 erschien. Wohl bereits im
Urgermanischen ist das schwundstufige Suffix nur noch im Nominativ Singular als urgerm. *-ī
vorhanden, während im Akkusativ Singular die vollstufige Form urgerm. *- ōn durchgeführt
ist. Paradigma der langsilbigen fem. jō-Stämme: 1) bandi ‚Fessel‘, mawi ‚Mädchen‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
bandi
bandjos
bandjai
bandja
bandjos
bandjo
bandjom
bandjos
mawi
maujos
maujai
mauja
maujos
maujo
maujom
maujos
1. Wie bandi flektieren noch solche Wörter mit langer Wurzelsilbe oder solche, bei denen das
Suffix urgerm. *-i ō- in dritter Silbe steht, wie z.B.: aiƕatundi* ‚Dornstrauch‘, frijondi*
‚Freundin‘, gabundi* ‚Band‘, haiti* ‚Befehl‘, haiþi* ‚Feld‘, ƕoftuli ‚Rühmen, Ruhm‘,
[141]
laudi* ‚Gestalt‘, manauli* ‚Gestalt‘, mawi ‚Mädchen‘, Saurini ‚Syrerin‘, þiudangardi
‚Königreich‘, uswandi* ‚Abwenden‘, wasti* ‚Bekleidung‘ und die Verbalabstrakta
auf -ubni, -ufni.
2. Wie mawi (also mit kurzer Wurzelsilbe) flektiert lediglich noch þiwi ‚Magd‘.
• i-Deklination
Die gotischen i-Stämme enthalten nur Maskulina und Feminina. Die gotischen
i-Stämme setzen urgermanische und urindogermanische i-Stämme fort. Während im
Urindogermanischen die Endungen der maskulinen und femininen i-Stämme noch identisch
waren, ist dies im Urgermanischen und im Gotischen nur noch im Plural der Fall. Im Singular
bilden die maskulinen i-Stämme den Genitiv und Dativ bereits im Urgermanischen nach dem
der maskulinen a-Stämme. Die i-Stämme enthielten ehemals auch Neutra. Der ehemalige
neutrale i-Stamm *mari ‚Meer‘ ist im Gotischen jedoch zu einem femininen ein-Stamm marei
umgebildet worden (vgl. aber noch den Reflex mari- im Kompositum marisaiws* ‚See‘).
Paradigmata der maskulinen und femininen i-Stämme: 1) gasts m. ‚Gast‘. 2) mahts f. ‚Macht,
Kraft‘.
maskulinum
sg. nom. gasts
gen. gastis
dat.
gasta
akk. gast
vok. gast
pl. nom. gasteis
gen. gaste
dat.
gastim
akk. gastins
femininum
mahts
mahtais
mahtai
maht
mahteis
mahte
mahtim
mahtins
1. Wie gasts flektieren z.B.: arms ‚Arm‘, balgs* ‚Schlauch‘, barms* ‚Schoß‘, baur* ‚der
Geborene‘, bruþfaþs ‚Bräutigam‘, gards ‚Haus‘, hups* ‚Hüfte‘, juggalauþs (-d-) ‚Jüngling‘,
laists* ‚Spur‘, mats ‚Speise‘, muns ‚Gedanke‘, saggws* ‚Gesang‘, sauþs* (-d-) ‚Opfer‘,
staþs* (-d-) ‚Ort‘, þlauhs ‚Flucht‘.
2. Wie mahts gehen sehr viele Feminina, z.B.: asans ‚Ernte‘, dails* ‚Teil‘, nauþs ‚Not‘, qens
‚Ehefrau‘, sokns* ‚Streitfrage‘, taikns ‚Zeichen‘, wens ‚Hoffnung‘, die Adj.abstrakta
auf -duþs und die Verbalabstrakta auf -þi-, -di-, -ti-.
Das Wort haims* f. ‚Dorf‘, dessen Singular nach den i-Stämmen geht, bildet den Plural nach
den ō-Stämmen: gen. haimo, dat. haimom, akk. haimos.
[142]
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom. m./f.: got. -s < urgerm. *-iz (vgl. run. -iz, ahd. [vereinzelt nach kurzer Silbe], as. [nach
kurzer Silbe] -i, aisl. -r). Gen. f.: got. -ais < urgerm. *-a z (vgl. aisl. -ar). Dat. f.: got. -ai < urgerm.
*-a (vgl. ahd., as. -i, aengl. -e). Akk. m./f.: got. -Ø < urgerm. *-in (vgl. run. -i, as. [nach kurzer
Silbe] -i, aengl. [nach kurzer Silbe] -e). Vok. m.: got. -Ø < urgerm. *-i.
• Pl.: Nom. m./f.: got. -eis < urgerm. *-i iz (vgl. ahd., as. -i, aengl. [vereinzelt] -i, -e, aisl. -er). Gen.
m./f.: got. -e (die gleiche Endung wie bei den a-St.). Dat. m./f.: got. -im < entweder urgerm. *-imaz
oder *-imiz (vgl. ahd. -im); Akk. m./f.: got. -ins < urgerm. *-inz (vgl. ahd., as. -i, aengl. [vereinzelt],
aisl. -e).
Hierher gehören auch die von den schwachen Verben abgeleiteten Abstrakta auf -eins
(von den schwachen Verben 1), -ons (von den schwachen Verben 2) und -ains (von den
schwachen Verben 3). Jedoch wird der Nominativ/Genitiv Plural der Wörter auf -eins nach den
femininen ō-Stämmen gebildet. Paradigma der femininen i-Stämme auf -eins, -ons und -ains:
naiteins* ‚Lästerung‘ (von naitjan*); laþons ‚Einladung‘ (zu laþon); libains ‚Leben‘ (zu liban).
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
naiteins
naiteinais
naiteinai
naitein
naiteinos
naiteino
naiteinim
naiteinins
laþons
laþonais
laþonai
laþon
laþoneis
laþone
laþonim
laþonins
libains
libainais
libainai
libain
libaineis
libaine
libainim
libainins
Ab und an treten Berührungen zwischen diesen Abstrakta und den Adjektivabstrakta
auf -ei (s. 3.1.1.2.) auf; so ist zu wajamereins ‚Lästerung‘ der Genitiv Singular in Joh 10:33 als
wajamereins belegt.
• u-Deklination
Die gotischen u-Stämme enthalten Substantive aller drei Genera. Die Maskulina und
Feminina haben gleiche Flexion. Die gotischen u-Stämme setzen urgermanische und
urindogermanische u-Stämme fort. Die gotischen u-Stämme zeigen ein Nebeneinander
von -u- und -au- im Singular, das nach allgemeiner Ansicht auf sekundäre Vermischung
unterschiedlicher urindogermanischer Ablautklassen zurückgeht. Die Verteilung der Formen in
der Überlieferung (s.u.) unterstützt diese Ansicht jedoch nicht unmittelbar. Paradigma der
maskulinen, femininen und neutralen u-Stämme: 1) sunus m. ‚Sohn‘. 2) handus f. ‚Hand‘. 3)
faihu* ‚Vermögen‘:
[143]
maskulinum
sg. nom. sunus (-aus)
gen. sunaus (-us)
dat.
sunau (-u)
akk. sunu (-au)
vok. sunu, sunau
pl. nom. sunjus
gen. suniwe
dat.
sunum
akk. sununs
femininum
handus (-aus)
handaus (-us)
handau (-u)
handu (-au)
neutrum
faihu
faihau
faihu
handjus
handiwe
handum
handuns
1. Wie sunus flektieren u.a. noch: airus* ‚Bote‘, fotus ‚Fuß‘, hairus ‚Schwert‘, magus ‚Knabe‘,
stubjus* ‚Staub‘, þaurnus* ‚Dorn‘, die V.subst. auf -þu-, -du-, -tu- (vgl. u.a. dauþus ‚Tod‘,
sidus ‚Sitte‘, wahstus* ‚Wuchs‘), die Subst. mit den Suffixen -(in)assus (vgl. u.a. ibnassus
‚Gleichheit‘, drauhtinassus ‚Kriegszug‘) und -odus, -oþus (vgl. u.a. auhjodus* ‚Lärm‘,
gabaurjoþus* ‚Lust‘).
2. Wie handus flektieren sicher nur noch: kinnus* ‚Wange‘ und -waddjus ‚Mauer‘ (in
baurgswaddjus ‚Stadtmauer‘ und grunduwaddjus ‚Grundmauer‘).
3. Wie faihu* geht sicher nur noch: pairu ‚Stachel‘; wahrscheinlich auch noch leiþu*
‚Obstwein‘.
Die nach den u-Stämmen flektierenden Lehnwörter und Fremdnamen zeigen im Plural auch
Formen nach den i-Stämmen, vgl. etwa nom.pl. aggiljus neben aggileis ‚Engel‘.
Die Zahl der Flexionsnebenformen ist sehr gering: nom.sg. auf -aus: 8x, gen.sg. auf -us: 15x;
dat.sg. auf -u: 10x (11x, falls diabaulu [Bon 2:1] nicht Schreibfehler für diabulau [wie in Bon 2:2] ist);
akk.sg. auf -au: 20x; nur im Vok.sg. ist die Verteilung gleichmäßiger: 10x auf -u : 8x auf -au. Die
Nebenformen finden sich vermehrt in Cod. A (17x), Cod. B (14x), Kal (4x) und Lk (14x); in Mk noch
2x.
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom. m./f.: got. -us < urgerm. *-uz (vgl. run. -uz, ahd., as., aengl. -u, aisl. [wo möglich mit
Umlaut des Wurzelvokals] -r). Gen. m./f.: got. -aus < urgerm. *-a z (vgl. run. -oz, ahd. -o, aengl. -a,
aisl. -ar). Dat. m./f./n.: got. -au < urgerm. *-e (neben urgerm. *-i i [vgl. run. -iu, ahd. -iu, aisl. -e]),
got. -u < urgerm. *-ū?. Akk. m./f.: got. -u < urgerm. *-un (vgl. run. -u, ahd., as., aengl. [jeweils nach
kurzer Silbe] -u). Vok. m.: got. -u < urgerm. *-u, got. -au < urgerm. *-a ; Nom./Akk. n.: got. -u <
urgerm. *-u (vgl. run. -u, ahd., as., aengl. -u, aisl. [wo möglich mit Umlaut des Wurzelvokals] -Ø).
• Pl.: Nom. m./f.: got. -jus < urgerm. *-i iz (neben urgerm. *-i[ ]uz [vgl. aisl. -er]). Gen. m./f.: got. -iwe
(mit analogischem -e) < urgerm. *-i an?. Dat. m./f.: got. -um < entweder urgerm. *-umaz oder *-umiz
(vgl. as., aengl. -um, aisl. -om). Akk. m./f.: got. -uns < urgerm. *-unz (vgl. aengl. [selten] -u, aisl. -o).
3.1.1.2. Konsonantische Deklination
• n-Deklination
[144]
Die n-Stämme enthalten Maskulina, Feminina und Neutra. Es werden die reinen
n-Stämme (Maskulina auf -an-/-in-, Feminina auf -on-, Neutra auf -on-/-an-/-in-), die
maskulinen, femininen und neutralen jan/jōn-Stämme sowie die femininen ein-Stämme
unterschieden. Da die jan/jōn-Stämme außer dem vor der Endung durchgängig
erscheinenden -j- keine Unterschiede zu den reinen n-Stämmen zeigen, werden sie unter diesen
mitbehandelt (der zu erwartende Unterschied zwischen den kurz- und langsilbigen Stämmen ist
nicht vorhanden). Das Suffix war im Urindogermanischen schwundstufig *-n-, vollstufig
*-en-/-on-, dehnstufig *-ēn-/-ōn-. Während bei den Maskulina der Suffixausgleich nur
unvollkommen durchgeführt ist, setzte sich beim Femininum die dehnstufige Form
*-ōn- vollständig durch. Die Neutra sind – wie üblich – außer im Nominativ/Akkusativ mit den
Maskulina übereinstimmend. Paradigma der maskulinen, femininen und neutralen n-Stämme:
1) atta m. ‚Vater‘. 2) qino f. ‚Frau‘. 3) hairto n. ‚Herz‘:
maskulinum
sg. nom. atta
gen. attins
dat.
attin
akk. attan
pl. nom. attans
gen. attane
dat.
attam
akk. attans
femininum
hairto
hairtins
hairtin
hairto
hairtona
hairtane
hairtam
hairtona
neutrum
qino
qinons
qinon
qinon
qinons
qinono
qinom
qinons
1. Wie atta gehen sehr viele Maskulina, u.a.: ahma ‚Geist‘, gadaila ‚Teilnehmer‘, guma
‚Mann‘, hana ‚Hahn‘, hiuhma ‚Menge‘, hliuma ‚Gehör‘, magula ‚Knäblein‘, mena ‚Mond‘,
nuta* ‚Fänger, Fischer‘, skula ‚Schuldner‘, staua ‚Richter‘, swaihra ‚Schwiegervater‘,
weiha ‚Priester‘; ohne Flexionsunterschied gehen auch die denominalen
Personenbezeichnungen mit Suffix urgerm. *-(i) an-, z.B.: arbja ‚der Erbe‘, fiskja*
‚Fischer‘, frauja ‚Herr‘, haurnja* ‚Hornbläser‘, skilja* ‚Fleischer‘, timrja ‚Zimmermann‘,
waurstwja ‚Arbeiter‘.
2. Wie qino flektieren viele Feminina, u.a.: azgo* ‚Asche‘, brinno ‚Fieber‘, gatwo* ‚Gasse‘,
mawilo ‚Mägdlein‘, reiro ‚Zittern‘, stairno* ‚Stern‘, swaihro ‚Schwiegermutter‘, tuggo
‚Zunge‘, uhtwo* ‚Morgendämmerung‘; ohne Flexionsunterschied gehen auch die Bildungen
mit Suffix urgerm. *-(i) ōn-, z.B.: aikklesjo ‚Kirche‘, aiwaggeljo ‚Evangelium, arbjo
‚Erbin‘, brunjo* ‚Panzer‘, niþjo ‚Verwandte‘, raþjo ‚Rechung‘, sakjo* ‚Streit‘, tainjo*
‚Korb‘.
3. Wie hairto flektieren nur wenige Wörter: auga-dauro* ‚Fenster‘, augo ‚Auge‘, auso ‚Ohr‘,
barnilo ‚Kindlein‘, fon ‚Feuer‘, kaurno ‚Korn‘, namo ‚Name‘, þairko* ‚Loch‘, wato
‚Wasser‘; ohne Flexionsunterschied geht auch das Lehnwort sigljo ‚Siegel‘ (< lat. sigillum).
[145]
Zwei Maskulina und drei Neutra zeigen abweichende Formen, die das Resultat von älterem
Suffixablaut sind: a. aba m. ‚Mann‘ hat gen.pl. abne und dat.pl. abnam; b. auhsa m. ‚Ochse‘ bildet
gen.pl. auhsne und akk.pl. auhsnuns; c. fon n. ‚Feuer‘ bildet gen.sg. funins und dat.sg. funin; d. namo n.
Name‘ bildet nom./akk.pl. namna, gen.pl. namne und dat.pl. namnan; e. wato n. ‚Wasser‘ bildet dat.pl.
watnam.
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom. m.: got. -a < urgerm. *-ēn/-ōn (vgl. run. -a?, -o, ahd., as. -o, ?aisl. -i). Nom. f.: got. -o <
urgerm. *-ōn (vgl. run. -o, ahd., as. -a, aengl. -e, aisl. -a). Nom./Akk. n.: got. -o ist eine Umbildung
nach dem Pl. hairto-na. Gen. m./n.: got. -ins < urgerm. *-ena/ez (vgl. ahd., as. -en); Gen. f.: got. -ons
< urgerm. *-ōna/iz (vgl. ahd. -ūn, as. -un, aisl. -o). Dat. m./n.: got. -in < urgerm. (lok.sg.) *-eni (vgl.
ahd. -in, as. -en). Dat. f.: got. -on < urgerm. (lok.sg.) *-ōni (vgl. ahd. -ūn, as. -un). Akk. m.: got. -an
entweder (mit Durchführung von *-a- aus dem Nom./Akk.Pl.) < urgerm. *-enun oder < urgerm.
*-anun (vgl. ahd. -an). Akk. f.: got. -on < urgerm. *-ōnun (vgl. ahd. -ūn, as. -un).
• Pl.: Nom. m.: got. -ans < urgerm. *-aniz (vgl. as., aengl. -an). Nom. f.: got. -ons < urgerm. *-ōniz
(vgl. ahd. -ūn, as. -un). Nom./Akk. n.: got. -ona < urgerm. *-ōnō (vgl. aengl. -an, aisl. -o). Gen. m./n.:
got. -ane (mit geneurtem -e und mit Suffix -a- aus dem Nom./Akk.Pl.; die alte Form des Suffixes
noch in abne, auhsne, namne) < urgerm. *-nan(?) (vgl. aengl., aisl. -na). Gen. f.: got. -ono < urgerm.
*-ōnōn (vgl. ahd. -ōno, as. -ono, aengl. -ena). Dat. m./n.: got. -am < urgerm. (dat./instr.) *-anmi/az
(vgl. as. -an, -un, -on, aengl. -um, aisl. -om). Dat. f.: got. -om < urgerm. (dat./instr.) *-ōnmi/az (vgl.
ahd. -ōm, as. -on, aengl. -um, aisl. -om). Akk. m.: got. -ans ist Ersatz der Endung urgerm. *-anuns
durch den Nom.pl. wie wohl in den meisten germ. Sprachen (oder durch Haplologie entstanden?)
(vgl. ahd. -on, -un, as. -an, -on, -un, aengl. -an). Akk. f.: got. -ons ist Ersatz der Endung urgerm.
*-ōnuns durch den Nom.pl. wie wohl in allen germ. Sprachen (oder durch Haplologie entstanden?)
(vgl. ahd. -ūn, as. -un, aengl. -an, aisl. -or).
In der Flexion völlig parallel zu den femininen n-Stämmen gehen die femininen
ein-Stämme, bei denen es sich in der Regel um Adjektivabstrakta handelt. Paradigma der
femininen ein-Stämme: 1) managei f. ‚Menge‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
managei
pl. nom.
manageins
gen.
managein
dat.
managein
akk.
manageins
manageino
manageim
mangeins
1. Wie managei flektieren u.a. noch: aglaitei ‚Unzucht‘, aiþei ‚Mutter‘, bairhtei ‚Klarheit,
Offenbarung‘, baurþei* ‚Bürde‘, bleiþei ‚Güte‘, diupei ‚Tiefe‘, frodei* ‚Klugheit‘, gagudei
‚Frömmigkeit‘, ƕairnei* ‚Schädel‘, kilþei* ‚Mutterleib‘, laggei ‚Länge‘, magaþei*
‚Jungfrauschaft‘, marei ‚Meer‘, mikilei* ‚Größe‘, þaurstei* ‚Durst‘, þramstei*
‚Heuschrecke‘.
Da sich die Bildung auf -ei mit der der i-Stämme auf -eins (s. 3.1.1.1.) berührt (akk.sg. -ein,
gen.pl. -eino), traten Flexionsübertritte auf (s. auch oben); es ist manchmal schwer zu entscheiden,
welcher Klasse ein Wort angehört; so weist (dat.sg.) ufarmaudein ‚Vergessenheit‘ [Sk 6:4] auf
[146]
ufarmaudei*, wegen des Gegenstücks gamaudeins* ‚Erinnerung‘ scheint aber eher ein Ansatz
ufarmaudeins* nahezuliegen.
Dreimal ist ein Nominativ Singular auf -ein belegt: 1. gagudein ‚Frömmigkeit‘ (1.TimB 4:8; -ei
A); 2. liuhadein ‚Erleuchtung‘ (2.KorB 4:4; -eins A); 3. wiljahalþein ‚Gunst‘ (KlB 3:25); unsicher ist
kaurein ‚Schwere, Fülle‘ (2.KorB 4:17), das auch als Akkusativ Singular aufgefasst werden kann.
• r-Deklination
Die r-Stämme umfassen sowohl Maskulina als auch Feminina. Die Deklination beider
Genera stimmt völlig überein. Die gotischen r-Stämme setzen in der Hauptsache
Verwandtschaftsbezeichnungen mit dem Suffix uridg. *-ter- fort, denen sich das Wort für
‚Schwester‘ (uridg. *s ésōr) sekundär angeschlossen hat. Paradigma der maskulinen und
femininen r-Stämme: 1) broþar m. ‚Bruder‘. 2) dauhtar f. ‚Tochter‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
vok.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
broþar
broþrs
broþr
broþar
broþar
broþrjus
broþre
broþrum
broþruns
femininum
dauhtar
dauhtrs
dauhtr
dauhtar
dauhtar
dauhtrjus
dauhtre
dauhtrum
dauhtruns
1. Wie broþar m. ‚Bruder‘ und dauhtar f. ‚Tochter‘ gehen noch: fadar* m. ‚Vater‘ (nur einmal
vok.sg. fadar [GalA 4:6] belegt; sonst ist es durch atta verdrängt) und swestar f. ‚Schwester‘.
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom.: got. -ar < urgerm. *-er (Übernahme der Endung des Vok.sg.) (neben urgerm. *-ēr [vgl.
ahd. -er, as., aengl. -ar, -er, aisl. -ir]). Gen.: got. -rs < urgerm. *-ra/es (vgl. ahd., as., aengl. -er). Dat.:
got. -r < urgerm. (lok.sg.) *-ri (vgl. ahd. -er, as. -er, -or, aengl. -er, aisl. -r). Akk.: got. -ar < urgerm.
*-erun (vgl. ahd. -er, as., aengl. -er); Vok.: got -ar < urgerm. *-er oder -ar (> vgl. ? run. -ar).
• Pl.: Nom.: got. -rjus ist Übernahme der entsprechenden Endung der u-St. Gen.: got. -riwe ist
Übernahme der entsprechenden Endung der u-St. Dat.: got. -rum < urgerm. *-ruma/iz (mit
Metathese) ← *-urma/iz (vgl. as., aengl. -rum, aisl. [wo möglich mit Umlaut des
Wurzelvokals] -rum). Akk.: got. -runs < urgerm. *-runz.
• nd-Deklination
[147]
Die hierher gehörigen Maskulina sind substantivierte präsentische Partizipien, die
teilweise noch die ererbte konsonantische Flexion auf -nd- zeigen. Paradigma: 1. nasjands m.
‚Heiland‘ (← ‚Retter‘):
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
vok.
nasjands pl. nom.
nasjandis
gen.
nasjand
dat.
nasjand
akk.
nasjand
nasjands
nasjande
nasjandam
nasjands
1. Wie nasjands ‚Heiland‘ gehen noch: allwaldands ‚der Allmächtige‘, bisitands* ‚Nachbar‘,
dagands* ‚Lichtbringer‘, daupjands ‚Täufer‘, fi(j)ands ‚Feind‘, frijonds ‚Freund‘,
fraujinonds* ‚Herrscher‘, gardawaldands ‚Hausherr‘, gibands ‚Geber‘, talzjands* ‚Lehrer‘.
fraweitands ‚Rächer‘ und midumonds ‚Mittler‘ gehören, obwohl nur im Nominativ Singular
belegt, wohl auch hierher, da der abhängige Genitiv Plural (fraweitands frauja ist allaize ‚der Herr ist
der Rächer von allem‘ [1.ThessB 4:6] und midumonds gudis jah manne ‚ein Mittler zwischen Gott und
den Menschen‘ [1.TimAB 2:5]) für die Formen die Einordnung als Substantiv nahelegen.
merjands ‚Verkündiger‘ ist ebenfalls hierher zu stellen, da das Wort dem gr. kḗruks ‚Herold‘
entspricht.
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom.: got. -s < urgerm. *-s/z. Gen.: got. -is ist Übernahme der entsprechenden Endung der a-St.
Dat.: got. -Ø < urgerm. (lok.sg.) *-i. Akk.: got. -Ø < urgerm. *-un (oder Übernahme der
entsprechenden Endung der a-St.). Vok.: got -Ø ist Übernahme der entsprechenden Endung der a-St.
• Pl.: Nom.: got. -s < urgerm. *-iz. Gen.: got. -e ist Übernahme der entsprechenden Endung der a-St.
Dat.: got. -am ist Übernahme der entsprechenden Endung der a-St. Akk.: got. -s ist Übernahme der
Nom.Pl.-Endung.
• Wurzelnomina, Stämme mit Dentalsuffix
Diese Gruppe enthält Maskulina wie Feminina.
Wurzelnomina sind Nomina, bei denen die Flexionsendung ohne ein stammbildendes
Element direkt an die Wurzel antritt (vgl. lat. rēx [< *rēg-s], rēg-is). Im Gotischen ist die Klasse
stark rückläufig. In der Flexion unterscheiden sich die gotischen Wurzelnomina nicht von den
Stämmen mit Dentalsuffix, so dass sie gemeinsam behandelt werden können.
Die Feminina, die hier einzuordnen sind, sind im Nominativ/Akkusativ Singular
lautgesetzlich mit den i-Stämmen zusammengefallen und haben zumeist im Dativ Plural
ebenfalls die Endung der i-Stämme angenommen. Paradigma: 1) baurgs f. ‚Stadt‘:
[148]
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
baurgs pl. nom.
baurgs
gen.
baurg
dat.
baurg
akk.
baurgs
baurge
baurgim
baurgs
1. Wie baurgs ‚Stadt‘ flektieren noch: alhs ‚Tempel‘, brusts ‚Brust‘, gaits ‚Ziege‘, miluks
‚Milch‘, mitaþs ‚Maß‘, nahts ‚Nacht‘, spaurds* ‚Rennbahn‘.
dulþs ‚Fest‘ und waihts ‚Sache‘ gehen in der Regel als i-Stamm; daneben finden sich jedoch
konsonantische Formen: dat.sg. dulþ (Joh 7:14 [Schreibfehler?]); akk.pl. waihts (Sk 2:4).
Historische Erklärung der Endungen:
• Sg.: Nom.: got. -s < urgerm. *-s/z. Gen.: got. -s < urgerm. *-i/az/s (vgl. aisl. [wo möglich mit Umlaut
des Wurzelvokals] -r). Dat.: got. -Ø < urgerm. (lok.sg.) *-i. Akk.: got. -Ø < urgerm. *-un (oder
Übernahme der Akk.Sg.-Endung der i-St.?).
• Pl.: Nom.: got. -s < urgerm. *-iz (vgl. aisl. [wo möglich mit Umlaut des Wurzelvokals] -r). Gen.:
got. -e ist Übernahme der entsprechenden Endung der a-St. Dat.: got. -im ist Übernahme der
entsprechenden Endung der i-St. Akk.: got. -s ist Übernahme der Nom.Pl.-Endung.
Die vier Maskulina, die konsonantische Flexion aufweisen, stimmen in ihrer Flexion
nicht völlig überein:
1. manna m. ‚Mensch, Mann‘ geht in einigen Kasus nach den n-Stämmen:
Konsonantenstamm n-Stamm
sg. nom.
manna
pl. nom.
gen. mans
gen.
dat.
mann
dat.
akk.
mannan
akk.
Konsonantenstamm n-Stamm
mans
mannans
manne
mannam
mans
mannans
2. Von menoþs m. ‚Monat‘ sind belegt: nom.sg. menoþs (Lk 1:36), gen.sg. men<oþis> (Neh
6:15), dat.sg. menoþ (Lk 1:26), dat.pl. menoþum (GalA 4:10), akk.pl. menoþs (Lk 1:24.56,
4:25).
3. Von reiks m. ‚Herrscher‘ sind belegt: nom.sg. reiks (Mt 9:18, Joh 12:31, 16:11), gen.sg.
reikis (Mt 9:23), dat.sg. reik (EphAB 2:2), nom.pl. reiks (Joh 7:26, RömAC 13:3), gen.pl.
reike (Lk 18:18, Joh 7:48, Sk 8:3[2x].4[2x]), dat.pl. reikam (Joh 12:42).
4. Von weitwoþs* m. ‚Zeuge‘ sind belegt: akk.sg. weitwod (2.KorAB 1:23), gen.pl. weitwode
(MtC 26:65, Mk 14:63, 1.TimA 5:19, 1.TimAB 6:12, 2.KorAB 13:1), nom.pl. -weitwods (in
galiugaweitwods ‚falsche Zeugen‘ [Lk 18:20, Mk 10:19]), akk.pl. -weitwods (in
galiugaweitwods ‚falsche Zeugen‘ [1.KorA 15:15]).
[149]
Hierher gehört auch das Pronomen nom. bajoþs ‚beide‘ (Lk 5:38, EphAB 2:18), dat. bajoþum (Mt
9:17, Sk 2:4, 3:1).
3.1.2. Deklination der Pronomina
3.1.2.1. Personalpronomina und Reflexivpronomen
Die ungeschlechtigen Pronomina der 1. und 2. Person, die noch über den Dual verfügen,
kennen keine Genusunterscheidung. An diesen Personalpronomina schließt sich noch das
ebenfalls ungeschlechtige Reflexivpronomen für die 3. Person an, das zusätzlich keine
Numerusunterscheidung kennt. Paradigmata: 1) ik ‚ich‘. 2) þu ‚du‘. 3) sik ‚sich‘:
Person
sg.
nom.
gen.
dat.
akk.
du.
nom.
gen.
dat.
akk.
pl.
nom.
gen.
dat.
akk.
1.
ik
meina
mis
mik
wit
–
ugkis
ugkis
weis
unsara
uns, unsis
uns, unsis
2.
þu
þeina
þus
þuk
–
igqara
igqis
igqis
jus
izwara
izwis
izwis
reflexivpronomen
–
(seina)
sis
sik
–
(seina)
sis
sik
–
seina
sis
sik
Das -s im Nominativ Plural der 1./2. Person ist, wie u.a. aus den Schreibungen weiz-uþ-þan und
juz-uþ-þan hervorgeht, das Resultat der Auslautverhärtung (s. 2.3.2.).
Im Dativ Plural erscheinen die beiden Formen uns und unsis etwa gleich häufig (66 uns : 59
unsis), im Akk.pl. dagegen ist uns viel häufiger belegt (124 uns : 24 unsis).
Historische Erklärung:
• Sg.: Nom.: 1.: got. ik entweder < urgerm. (betont) *ek (vgl. run. ek, as., aisl. ek) oder < urgerm.
(unbetont) *ik (vgl. run. ik, ahd. ih, as. ik, aengl. ic, afries. ik) oder < urgerm. *ekan (vgl. run.
eka, -eka, run.dän. iak, anorw., aschwed. iak); < uridg. *eg oder uridg. *egom. 2.: got. þu < urgerm.
*þu (vgl. ahd. du, as. t[h]ū, aengl. đu, aisl. þu, tu). Gen.: 1./2./3.: identisch mit dem Akk.Pl.n.? des
Poss.pron. Dat.: 1. got. mis entweder < urgerm. (betont) *mez (vgl. ? run. <me>z, ahd. mer, as., aengl.
[teils mit sekundärer Dehnung] me, aisl. [mit sekundärer Dehnung] mér) oder < urgerm. (unbetont)
*miz (vgl. ? run. <mi>z, ahd. mir, as. [teils mit sekundärer Dehung] mı). 2.: got. þus (mit
analogischem Vokal nach dem Nom.) entweder < urgerm. (betont) *þez (vgl. [teils mit sekundärer
Dehnung] aengl. þe, aisl. [mit sekundärer Dehnung] þér) oder < urgerm. (unbetont) *þiz (vgl. ahd.
dir, as. [mit sekudärer Dehnung] þī). 3. got. sis wohl < urgerm. (betont) *sez (theoretisch ist urgerm.
[unbetont] *siz möglich) (vgl. aisl. [mit sekundärer Dehung] sér). Akk.: 1. got. mik entweder <
[150]
urgerm. (betont) *mek (vgl. aengl. mec) oder < urgerm. (unbetont) *mik (vgl. ahd. mih, as., aisl. mik).
2. got. þuk (mit analogischem -u- nach dem Nom.) entweder < urgerm. (betont) *þek (vgl. aengl.
þec) oder < urgerm. (unbetont) *þik (vgl. ahd. dih, as., aisl. þik). 3. got. sik entweder < urgerm.
(betont) *sek oder < urgerm. (unbetont) *sik (vgl. ahd. sih, aisl. sik).
• Du.: Nom.: 1.: got. wit entweder < urgerm. (betont) * et oder < urgerm. (unbetont) * it (vgl. as.,
aengl. wit, aisl. vit). Gen.: 2.: got. igqara identisch mit dem Akk.Pl.n.? des Poss.pron. Dat.: 1.: got.
ugkis < urgerm. *unkiz (besetehend aus *unk- [vgl. as. unk, aengl. unc] + [dat.sg.] *-iz) (vgl. aisl.
okkr). 2.: got. igqis < urgerm. *ink iz (besetehend aus *ink - [vgl. as. ink, aengl. inc] + [dat.sg.] *-iz)
(vgl. aisl. ykkr).
• Pl.: Nom.: 1.: got. weis < urgerm. * īz (vgl. ahd. [mit Schwachtonkürzung] wir, aisl. vér, [mit
Schwachtonkürzung und Schwund von *-z mit teilweise nachträglicher Dehnung im Starkton] as. wı,
aengl. we). 2.: got. jus < urgerm. * ūz (vgl. [mit Umgestaltung nach * īz zu * īz mit teilweise
Schwachtonentwicklung] ahd. ir, as. gī, ge, aengl. ge, aisl. ér). Gen.: 1.: got. unsara identisch mit
dem Akk.Pl.n.? des Poss.pron. 2.: got. izwara identisch mit dem Akk.Pl.n.? des Poss.pron. Dat./Akk.:
1.: got. uns, unsis (mit -is nach m-is) < urgerm. *uns (vgl. ahd. uns, as. ūs, aengl. ūs, aisl. oss). 2.:
got. izwis < urgerm. *iz iz < * iz iz (mit Verdoppelung) < * iz (zur Vermeidung von Zusammenfall
mit * iz < * īz) (vgl. aisl. [mit Dissimilation von *-z- > *-ð-] yþr, [mit dissimilatorischem Schwund
von *-z-] ahd. iu, eu, as. eu, iu[u], aengl. ēow).
3.1.2.2. Possessivadjektiv
Von den Stämmen der Personalpronomina und des Reflexivpronomens werden mittels
suffixaler Ableitungen die Possessivadjektive abgeleitet:
Sg.:
1. Person: meins m., mein (meinata) n., meina f. ‚mein‘.
2. Person: þeins m., þein (þeinata) n., þeina f. ‚dein‘.
3. Person: seins* ‚sein, ihr‘.
Du.:
2. Person: (dat.sg.f. [Mt 9:29]) iggarai (nom.sg. igqar*).
Pl.:
1. Person: unsar m., unsar n., unsara f. ‚unser‘.
2. Person: izwar m., izwar n., izwara f. ‚euer‘.
3. Person: seins* ‚sein, ihr‘.
Die Flexion dieser Pronominaladjektive ist mit der des starken Adjektivs völlig identisch.
Schwache Flexionsformen kommen nicht vor.
Historische Erklärung:
• Die Formen mit got. -n- sind Weiterbildungen mit dem Suffix urgerm. *-na- < uridg. *-no- zu den
uridg. Formen lok.sg. *me-i, *te-i und *se-i.
• Die Formen mit got. -ar- sind Weiterbildungen mit dem Suffix urgerm. *-ara- < Oppositiva
bildenden Suffix uridg. *-ero- von den entsprechenden Personalpronomina.
[151]
3.1.2.3. Geschlechtiges Pronomen der 3. Person
Das Pronomen der 3. Person (anaphorisches Pronomen) ist nach dem Genus
differenziert. Paradigma: 1) is, ita, si ‚er, es, sie‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
is
is
imma
ina
eis
ize
im
ins
neutrum
ita
is
imma
ita
ija
(ize)
im
(ija)
femininum
si
izos
izai
ija
(ijos)
izo
im
ijos
Historische Erklärung:
• Sg.: Nom.m.: got. is < urgerm. *iz oder *ez (vgl. run. is, ez, ahd. er). Nom./Akk.n.: got. ita < urgerm.
*it (vgl. ahd. iz, as. it) + Part. urgerm. *-ōn. Nom.f.: got. si < urgerm. *si (vgl. ahd. sı). Gen.m./n.:
got. is < urgerm. *isa oder *esa (vgl. ahd. es, as. is, es). Gen.f.: got. izos < urgerm. *izōz (vgl. ahd.,
as. ira). Dat.m./n.: got. imma < urgerm. *izmō (oder *izmē?) (vgl. [mit Assimilation und
Vereinfachung] ahd., as. imu). Dat.f.: got. izai < urgerm. *iza (vgl. aengl. [mit -ie- aus dem Akk.Sg.
und sekundärem h-] hiere; neben [mit Ersatz der Endung durch *-ō des Instr.Sg.] ahd., as. iru).
Akk.m.: got. ina < urgerm. *inōn (vgl. ? ahd. in, as. ina). Akk.f.: got. ija < urgerm. *i ōn (vgl. [mit
sekundärem h-] > aengl. hīe neben [mit s- aus dem Nom.Sg.f.] ahd., as. sia).
• Pl.: Nom.m.: got. eis < urgerm. * i iz (neben [mit Umbildungen] ahd. sie, as. sia, sea, aengl. hīe).
Nom.n.: got. ija < urgerm. *i ō (neben [mit Umbildungen] ahd. sio, as. siu, sea, aengl. hīe). Gen.m.:
got. ize (mit Umbildung der Endung mit -e) < urgerm. *izōn (vgl. ahd., as. iro). Gen.f.: got. izo <
urgerm. *izōn (vgl. ahd., as. iro). Dat.m./n./f.: got. im < urgerm. *imi/az (vgl. ahd., as. im). Akk.m.:
got. ins < urgerm. *ins. Akk.f.: got. ijos (mit Erstatz der Endung nach nom.pl.f. ijos*) < urgerm.
*i ōns.
3.1.2.4. Demonstrativpronomen
• Das einfache Demonstrativpronomen sa m., þata n., so f. wird sowohl als echtes
Demonstrativum als auch zur Übersetzung des griechischen Artikels (ho m., tó n., hē f.)
gebraucht. Paradigma: 1) sa m., þata n., so f. ‚dieser, der; dieses, das; diese, die‘:
maskulinum
sg. nom. sa
gen. þis
dat.
þamma
akk. þana
pl. nom. þai
neutrum
þata
þis
þamma
þata
þo
femininum
so
þizos
þizai
þo
þos
[152]
gen.
dat.
akk.
þize
þaim
þans
þize
þaim
þo
þizo
þaim
þos
Das auslautende -a der zweisilbigen Formen wird vor enklitisch angefügten Elementen mit
vokalischem Anlaut elidiert.
Der Instr.sg.n. þe ist nicht mehr als eigenständiger Kasus in Gebrauch. Selbständig steht er nur
einmal vor Komparativ: ni þe haldis (Sk 4:4) ‚dadurch nicht mehr‘ > ‚trotzdem nicht‘; außerdem in den
adverbialen Verbindungen und Konjunktiven bi-þe ‚später, alsdann; während, als, wenn‘, du-þe,
du-þ-þe ‚dazu, deshalb‘, jaþ-þe ‚und wenn‘.
Historische Erklärung:
• Sg.: Nom.m.: got. sa < urgerm. *sa (vgl. aisl. [mit sekundärer Dehnung] sá). Nom./Akk.n.: got. þata
< urgerm. *þat (vgl. ahd. daz, as. that, aengl. þæt, aisl. þat) + Part. urgerm. *-ōn. Nom.f.: got. so <
urgerm. *sō (vgl. aisl. sú). Gen.m./n.: got. þis < urgerm. *þez/sa (vgl. ahd. des, as. þes). Gen.f.: got.
þizos < urgerm. *þezōz (mit Umgestaltung aus urgerm. *þez ōz; vgl. ahd. dera, as. thera). Dat.m./n.:
got. þamma < urgerm. *þezmē (vgl. ahd. demu, as. themu [< urgerm. *þezmō]). Dat.f.: got. þizai <
urgerm. *þeza (mit Umgestaltung aus urgerm. *þez a ). Akk.m.: got. þana < urgerm. þanōn (vgl. as.
thana, aengl. þone). Akk.f.: got. þo < urgerm. *þōn (vgl. aengl. þā, aisl. þá).
• Pl.: Nom.m.: got. þai < urgerm. *þa (vgl. ahd. dē, as. thē, aengl. þā). Nom./Akk.n.: got. þo < urgerm.
*þō. Nom./Akk.f.: got. þos < urgerm. *þōz (vgl. aengl. þā, aisl. þár). Gen.m./n.: got. þize (mit
Umbildung der Endung mit -e) < urgerm. *þezōn (vgl. ahd. dero, as. thero). Gen.f.: got. þizo <
urgerm. *þezōn (vgl. ahd. dero, as. thero). Dat.m./n./f.: got. þaim < urgerm. *þa mi/az (vgl. ahd. dēm,
as. them, aengl. þām, þǣm, aisl. þeim). Akk.m.: got. þans < urgerm. *þanz/s (vgl. aengl. þā, aisl. þá).
• Ein verstärktes Demonstrativpronomen wird durch Antritt der enklitischen Partikel -(u)h
‚und‘
an
das
einfache
Demonstrativpronomen
gebildet.
Es
ist
ein
echtes
Demonstrativpronomen und wird nicht zur Übersetzung des griechischen Artikels
verwendet. Paradigma: 1) sah m., þatuh n., soh f. ‚eben der, der jedenfalls‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
sah
þizuh
þammuh
þanuh
þaih
–
–
þanzuh
neutrum
þatuh
þizuh
þammuh
þatuh
–
–
–
–
femininum
soh
–
–
–
–
–
–
–
Der Instr.sg.n. þeh erscheint nur in bi-þeh adv. ‚später, alsdann; während, als, wenn‘.
• Ein defektives Pronomen urgerm. *hi- ‚dieser‘ kommt nur in einigen wenigen Formen
(dat.sg.m./n. himma und akk.sg.m./n. hina, hita) und nur bei Zeitbestimmungen vor: himma
[153]
daga ‚heute‘, fram himma (nu) ‚von nun an‘, und hina dag ‚bis heute‘, und hita (nu) ‚bis
jetzt‘.
Historische Erklärung:
• Das Pronomen setzt den Pronominalstamm uridg. *ki-/ke- fort, dazu sonst die gleichen Endungen
wie das einfache Demonstrativpronomen aufweist.
• Das Pronomen jains m., jainata* n., jaina f. ‚jener‘ wird als ein starkes Adjektiv flektiert.
Im Neutrum findet sich jedoch nicht die nominale (endungslose) Form (aber nur 1 Beleg
[akk.sg.n.] jainata [Lk 15:14]).
Historische Erklärung:
• Das Pronomen geht auf das Relativpronomen uridg. * e/o- zurück. Die germanische Form geht
(vergleichbar mit einigen Personalpronomina) auf lok.sg. uridg. * o-i zurück, woran das Suffix
*-no- angefügt wurde.
3.1.2.5. Relativpronomen
• Das Gotische kennt kein synthetisches Relativpronomen, sondern eine unflektierbare
Relativpartikel ei. Diese steht:
1. Konjunktional in abhängigen Sätzen in der Bedeutung ‚damit, (auf) dass‘.
2. Selten relativisch, vgl. KolB 1:9: duþþe jah weis, fram þamma daga ei hausidedun, ni
ƕeilaidedum faur izwis bidjandans ‚deswegen ruhten auch wir von dem Tag an, als wir
es hörten, nicht, für euch zu beten‘.
• Die Relativpartikel ei verbindet sich mit dem Demonstrativpronomen sa m., þata n., so f.
‚dieser, der‘ zur Bildung des Relativpronomens der 3. Person ‚welcher‘. Paradigma: 1) saei
m., þatei n., soei f. ‚welcher‘:
maskulinum
sg. nom. saei
gen. þizei
dat.
þammei
akk. þanei
pl. nom. þaiei
gen. þizeei
dat.
þaimei
akk. þanzuh
neutrum
þatei
þizei
þammei
þatei
þoei
þizeei
þaimei
þoei
femininum
soei
þizozei
þizaiei
þoei
þozei
–
þaimei
þozei
[154]
Das auslautende -a einiger Formen des Demonstrativpronomens wird vor ei elidiert.
Der Instr.sg.n. þeei wird nur als Konjunktion ‚darum dass‘ gebraucht und findet sich
ausschließlich nach der Negation ni ‚nicht‘.
Eine Nebenform von þatei ist þei, das aber nur in Verbindung mit þisƕah ‚alles was‘ und als
Konjunktion ‚dass‘ gebraucht wird.
• In derselben Funktion wie nom.sg.m. saei wird auch eine Form izei gebraucht, statt nom.sg.f.
soei auch sei (< *si-ei). Einige Male steht izei auch als Nom.pl.m. (anstelle des nicht
überliefertem *eizei). Hier ist die Relativpartikel ei am Personalpronomen der 3. Person is
m., ita n., si f. ‚er, es, sie‘ angefügt. Dieses Relativpronomen ist im überlieferten Gotischen
im Erstarren begriffen.
• Bezieht sich der Relativsatz auf eine 1. oder 2. Person, wird die Relativpartikel ei an das
betreffende Personalpronomen angefügt:
1. 1.sg.: nom. ikei ‚(ich), der‘.
2. 2.sg.: nom. þuei ‚(du), der‘, dat. þuzei ‚(du), dem‘, akk. þukei ‚(dich), den‘.
3. 2.pl.: nom. juzei ‚(ihr), die‘, dat. izwizei ‚(ihr), den‘.
3.1.2.6. Interrogativpronomen
• Das Interrogativpronomen kennt anders als die übrigen germanischen Sprachen auch ein
separates Femininum. Ein Plural ist nicht vorhanden. Ein Substantiv steht nach ƕas meist
im (partitiven) Genitiv, wobei das Pronomen das Genus des Substantiv übernimmt. Der
adjektivische Gebrauch ist ganz selten (ƕas þiudans ‚welcher König‘ [Lk 14:31]; ƕas manna
‚welcher Mann‘ [Lk 15:4]). Paradigma: 1) ƕas m., ƕa n., ƕo f. ‚wer?‘:
maskulinum
sg. nom. ƕas
gen. ƕis
dat.
ƕamma
akk. ƕana
instr. –
neutrum
ƕa
ƕis
ƕamma
ƕa
ƕe
femininum
ƕo
–
ƕizai
ƕo
–
Nur beim Interrogativpronomen besteht im Gotischen der Instr.sg.n. als lebendiger Kasus weiter
(insgesamt 10 Belege). Er steht:
1. Absolut (vgl. ƕe wasjaiþ ‚womit ihr euch bekleidet‘ [Mt 6:25]).
2. Vor dem Komparativ (vgl. ƕe managizo ‚um wie viel mehr‘ [Mt 5:47]).
Dazu erscheint ƕe noch in adverbialen Verbindungen mit den Präpositionen bi und du (biƕe
‚woran‘; duƕe ‚warum‘).
[155]
Vom Pronominalstamm urgerm. *χwa- sind weiter mittels adj. Suffixe abgeleitet:
1. ƕarjis ‚welcher?‘, das wie ein starkes Adjektiv flektiert; das von ƕarjis abhängige
Substantiv steht im Genitiv (Ausnahme: ƕarjos anabusnins ‚welche Gebote‘ [1.ThessB
4:2]).
2. ƕaþar ‚wer von zweien‘, das ebenfalls wie ein starkes Adjektiv flektiert; einmal ist es mit
einem abhängigen Genitiv verbunden (ƕaþar nu þize ‚wer von diesen beiden‘ [Lk 7:42]).
Von einem abweichenden Stamm urgerm. *χwi- ist got. ƕi- in ƕileiks ‚wie beschaffen?‘
abgeleitet, das wie ein starkes Adjektiv flektiert.
Historische Erklärung:
• Sg.: Nom.m.: got. ƕas < urgerm. *χwaz (vgl. aengl. hwā). Nom./Akk.n.: got. ƕa < urgerm. *χwan
(mit analogischem *-n nach den n. a-St.) < urgerm. *χwat (vgl. ahd. hwaz, as. hwat, aengl. hwæt, aisl.
hvat). Nom.f.: got. ƕo (falls wirklich ererbt und nicht neugebildet) < urgerm. *χwō. Gen.m./n.: got.
ƕis < urgerm. *χwez/sa (vgl. ahd. hwes, as. hwes, aengl. hwæs, aisl. hves). Dat.m./n.: got. ƕamma <
urgerm. *χwazmō oder *χwazmē. Dat.f.: got. ƕizai (falls wirklich ererbt und nicht neugebildet) <
urgerm. *χweza . Akk.m.: got. ƕana < urgerm. *χwanōn (vgl. aengl. hwone ). Akk.f.: got. ƕo (falls
wirklich ererbt und nicht neugebildet) < urgem. *χwōn.
3.1.2.7. Indefinitpronomen
• Das unbestimmte Pronomen ‚irgendein‘ lautet got. sums m., sum, sumata* n., suma f. (got.
sums < urgerm. *suma- [ahd., as. sum, frühmndl. som, aengl. sum, afries. sum, som, aisl.
sumr]), das wie ein starkes Adjektiv flektiert wird und sowohl adjektivisch wie
substantivisch (‚jemand‘) gebraucht wird.
• Wenn manna, ƕas und ains mit der enklitischen Partikel -hun verbunden sind, dienen sie als
Indefinitpronomen. Sie haben stets die Negation ni bei sich und bedeuten in dieser
Verbindung ‚niemand, keiner‘:
1. Zu manna sind belegt: ni mannahun, ni manshun, ni mannhun, ni mannanhun.
2. Zu ƕas sind belegt: ni ƕashun (dazu auch ni ƕanhun adv. ‚niemals‘).
3. Am häufigsten ist (ni) ainshun ‚niemand, kein‘ belegt. Die überlieferten Formen von
ainshun weichen von denen des einfachen ains ab: Langvokale, die bei ains im Auslaut
gekürzt wurden, sind durch die Partikel (im gedeckten Auslaut) erhalten geblieben.
Paradigma:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
ainshun
ainishun
ainummehun
ain(n)ohun
neutrum
ainhun
–
–
ainhun
femininum
ainohun
–
ainaihun
ainohun
[156]
• Der Begriff ‚jeder‘ wird durch die Anfügung von der enklitischen Partikel -(u)h ‚und‘ an
ƕas bzw. ƕarjis bezeichnet. Wie bei ainshun weicht die Flexion von der der einfachen
Wörter ab. Paradigma: 1) ƕazuh m., ƕah n., ƕoh f.:
maskulinum
sg. nom. ƕazuh
gen. ƕizuh
dat.
ƕammeh
akk. ƕanoh
pl. akk. ƕanzuh
neutrum
ƕah
ƕizuh
ƕammeh
ƕah
–
femininum
ƕoh
–
–
ƕoh
–
Der Instr.sg.n. zu ƕazuh findet sich nur als ƕeh adv. ‚jedenfalls, nur‘.
Paradigma: 1) ƕarjizuh m., ƕarjatoh n.:
maskulinum
sg. nom. ƕarjizuh
gen. ƕarjizuh
dat.
ƕarjammeh
akk. ƕarjanoh
neutrum
ƕarjatoh
ƕarjizuh
ƕarjammeh
–
femininum
–
–
–
ƕarjoh*
• Um ‚jeder der, wer nur immer‘ auszudrücken wird gebraucht: 1. (sa)ƕazuh saei (izei); 2.
þisƕazuh saei/þei/ei.
3.1.3. Deklination des Adjektivs
Der Stamm der urindogermanischen Adjektive konnte (wie bei den Substantiven) auf
einen Konsonanten wie auf einen Vokal ausgehen (vgl. lat. longus ‚lang‘ : felix [= felik-s]
‚glücklich‘). Zum Germanischen hin ist die konsonantische Flexion der Adjektive verloren
gegangen, die vokalische erhalten geblieben. Dagegen hat sich im Germanischen eine neue
Flexionsklasse entwickelt, nach der (von wenigen Ausnahmen abgesehen [s.u.]) sämtliche
Adjektive dekliniert werden können, die schwache Deklination, die den n-Stämmen der
Substantive folgt. Die beiden Deklinationsarten, die starke und die schwache, stehen zueinander
in systematischem Kontrast: Die starken Formen zeigen Indefinitheit, die schwachen dagegen
Definitheit an. Im Adjektiv entsteht somit der erste Versuch – lange bevor der Artikel sich
entwickelt – Definitheit der Nominalphrase zu markieren. Im Gotischen steht die schwache
[157]
Flexion nach dem Pronomen sa, so, þata und nur selten in anderen Gebrauchsweisen; die starke
Flexion findet in allen anderen Fällen Verwendung.
3.1.3.1. Starkes Adjektiv
Die starke Flexion des Adjektivs war ursprünglich vermutlich mit der vokalischen
Flexion der Substantive vollkommen identisch. Im Germanischen haben – wie in anderen
indogermanischen Sprachen auch – die Adjektive die Flexion der Pronominaladjektive
angenommen. Der Nom./Akk.sg.n. hat zwei Endungen, eine nominale und eine pronominale
(-ata).
Wie bei den Substantiven teilen sich auch die Adjektive in mehrere vokalischen
Deklinationen auf. Es gibt:
1. Adjektive der a/ō-Deklination (mit der Untergruppe mit ja/jō-Deklination).
2. Adjektive der i-Deklination.
3. Adjektive der u-Deklination.
Adjektive der i- und u-Deklination sind im Gotischen selten, da erstens ihre Zahl im
Urgermanischen bereits gering war, zweitens die meisten Kasusformen in die ja/jō-Flexion
übergetreten sind.
Ausschließlich stark flektieren:
1. Die Pronominaladjektive (außer sama ‚derselbe‘ und silba ‚selbst‘).
2. Die Kardinalzahl ains ‚eins‘ und die Ordinalzahl anþar ‚der zweite‘.
3. Die Adjektive alls ‚all‘, fulls ‚voll‘, ganohs* ‚genug‘, halbs* ‚halb‘ und midjis* ‚der
mittlere‘.
• Flexion der starken a/ō-Stämme. Paradigma: 1) blinds m., blind(ata) n., blinda f. ‚blind‘ (die
Formen mit pronominaler Endung sind durch Unterstreichung hervorgehoben):
maskulinum
sg. nom. blinds
gen. blindis
dat.
blindamma
akk. blindana
pl. nom. blindai
gen. blindaize
dat.
blindaim
akk. blindans
neutrum
blind, blindata
blindis
blindamma
blind, blindata
blinda
blindaize
blindaim
blinda
femininum
blinda
blindaizos
blindai
blinda
blindos
blindaizo
blindaim
blindos
[158]
1. Zu dieser Gruppe gehört die Mehrheit der gotischen Adjektive, z.B.: airþakunds* ‚irdisch‘,
aiweins* ‚ewig‘, ansteigs ‚gnädig‘, arms* ‚arm‘, barizeins* ‚aus Gerste‘, diups* ‚tief‘,
funisks* ‚feurig‘, galeiks ‚ähnlich‘, gumakunds* ‚männlich‘, hails ‚gesund‘, handugs ‚klug‘,
hauhs* ‚hoch‘, jains ‚jener‘, juggs* ‚jung‘, mahteigs ‚mächtig‘, mannisks* ‚menschlich‘,
siuks ‚krank‘, snutrs* ‚weise‘, stainahs* ‚steinig‘, swinþs* ‚stark‘, triggws ‚treu‘, þeins
‚dein‘, ubils ‚böse‘.
Dieser Deklination folgen ebenfalls die Pronominaladjektive, jains ‚jener‘, die Superlative und
die präteritalen Partizipien.
In Sk endet der Dat.pl.f. in allen drei Fällen auf -om nach den femininen ō-Stämmen
(missaleikom ‚verschieden‘ [Sk 2:4], judaiwiskom ‚jüdisch‘ [Sk 3:2] und sinteinom ‚täglich‘ [Sk 3:2]),
wohl zur eindeutigen Markierung des Genus.
Auch beim Adjektiv kann Auslautverhärtung auftreten (s. 2.3.2.) und das -s im Nom.sg.m.
abfallen (s. 3.1.1.1.).
Die meisten starken Formen der ja/jo-stämmigen Adjektive stimmen mit denen der
a/ō-Stämme überein, nur dass vor der Endung ein -j- steht. Abweichende Formen sind lediglich
bei den kurzstämmigen und langstämmigen Adjektiven der Nom.sg.m. auf -jis bzw. -eis (midjis
‚mittlerer‘, wilþeis ‚wild‘), der blind entsprechende Nom.sg.n. auf -i (nur langstämmig belegt
[wilþi]) und der Nom.sg.f. auf -i (nur langstämmig belegt [wilþi]).
1. Wie midjis* gehen sicher noch: aljis* ‚ein anderer‘, fullatojis ‚vollkommen‘, ƕarjis
‚welcher‘, niujis ‚neu‘, ubiltojis ‚übeltäterisch‘.
2. Wie wilþeis flektieren sicher noch: alþeis ‚alt‘, fairneis* ‚alt‘, woþeis* ‚angenehm‘.
• Die Formen der starken i-stämmigen Adjektive schließen sich im Nominativ Singular den
substantivischen i-Stämme an. Außerhalb des Nominativs Singular haben sie in allen
belegten Kasus die Flexion der ja/jō-Stämme übernommen. Flexion der starken i-Stämme.
Paradigma: 1) hrains m. ‚rein‘:
sg. nom.
gen.
dat.
akk.
pl. nom.
gen.
dat.
akk.
maskulinum
hrains
hrainis
hrainjamma
hrainjana
hrainjai
hrainjaize
hrainjaim
hrainjans
neutrum
hrain, –
hrainis
hrainjamma
hrain, –
hrainja
hrainjaize
hrainjaim
hrainja
femininum
hrains
–
hrainjai
hrainja
hrainjos
hrainjaizos
hrainjaim
hrainjos
[159]
1. Wie hrains gehen u.a. noch: aljakuns ‚fremdgeschlechtig‘, analaugns* ‚verborgen‘,
anasiuns* ‚sichtbar‘, andanems ‚angenehm‘, andasets* ‚abscheulich‘, bruks ‚nützlich‘,
gafaurs ‚ehrbar‘, gamains ‚gemein‘, samakuns ‚verwandt‘ sels ‚gütig‘, skeirs* ‚klar‘,
unfaurs* ‚schwatzhaft‘, unsels* ‚böse‘.
• Die Formen der starken u-stämmigen Adjektive schließen sich im Nominativ Singular den
substantivischen u-Stämme an. Außerhalb des Nominativs Singular haben sie in allen
belegten Kasus die Flexion der ja/jō-Stämme übernommen. Flexion der starken u-Stämme
Paradigma: 1) hardus m. ‚hart‘:
maskulinum
sg. nom. hardus
gen. –
dat.
–
akk. hardjana
pl. nom. hardjai
gen. hardjaize
dat.
hardjaim
akk. hardjans
neutrum
hardu, hardjata
–
–
hardu, hardjata
–
hardjaize
hardjaim
–
femininum
hardus
–
–
hardja
hardjos
hardjaizo
hardjaim
hardjos
1. Wie hardus gehen sicher noch: aggwus* ‚eng‘, aglus* ‚schwierig‘, manwus ‚bereit‘, qairrus
‚sanftmütig‘, seiþus* ‚spät‘, tuglus ‚fest‘, twalibwintrus ‚zwölfjährig‘, þaursus ‚dürr‘ und
þlaqus ‚weich‘.
Got. filu ‚viel‘ wird nur substantivisch und adverbial gebraucht, dazu noch ein adverbialer
Genitiv filaus ‚um vieles‘. Es handelt sich um ein altes Substantiv.
3.1.3.2. Schwaches Adjektiv
Infolge der Herkunft der schwachen Flexion ist sie mit der Flexion der substantivischen
n-Stämme vollständig identisch. Maskulinum und Neutrum gehen im Gotischen somit wie atta
und hairto, das Femininum im Normalfall wie qino. Paradigma: 1) blinda m. ‚blind‘:
maskulinum
sg. nom. blinda
gen. blindins
dat.
blindin
akk. blindan
pl. nom. blindans
gen. blindane
dat.
blindam
neutrum
blindo
blindins
blindin
blindo
blindona
blindane
blindam
femininum
blindo
blindons
blindon
blindon
blindons
blindono
blindom
[160]
akk.
blindans
blindona blindons
Nach diesem Paradigma gehen alle schwachen Adjektive. Jedoch weisen alle anderen
Adjektive außer den reinen a-stämmigen ein -j- vor der Endung auf, flektieren somit nach den
maskulinen/neutralen jan- bzw. femininen jōn-Stämmen: ja-St.: niujis ‚neu‘: nom.sg.m. niuja,
n. niujo, f. niujo; wilþeis ‚wild‘: nom.sg.m. wilþja, n. wilþjo, f. wilþjo; i-St.: hrains ‚rein‘:
nom.sg.m. hrainja*, n. hrainjo, f. hrainjo. Sichere Belege für die u-Stämme fehlen.
Bei den langstämmigen ja-Stämmen erscheinen in den Kasus mit -i- (gen./dat.sg.m./n.) stets die
Form mit -ji- (wie beim Substantiv); nur einmal erscheint eine Form mit -ei-: gen.sg.f. unseleins ‚übel,
böse‘ (EphB 6:16; unseljins A).
3.1.3.3. Deklination der Partizipien
• Das Partizip Präsens hat die alte nd-Flexion aufgegeben und flektiert wie ein schwaches
Adjektiv, jedoch wird das Femininum nach den femininen ein-Stämmen (managei) gebildet,
da das Femininum im Urindogermanischen als ih2/ eh2-Stamm deklinierte. Der Nom.sg.m.
geht jedoch in der Regel auf -s aus (hier ist die schwache Form seltener), vereinzelt auch der
Nom.sg.f. Flexion des Partizip Präsens. Paradigma: gibands m. ‚gebend‘:
maskulinum
sg. nom. gibands
gibanda
gen. gibandins
dat.
gibandin
akk. gibandan
pl. nom. gibandans
gen. gibandane
dat.
gibandam
akk. gibandans
neutrum
gibando
femininum
gibandei
gibands
gibandins gibandeins
gibandin
gibandein
gibando
gibandein
gibandona gibandeins
gibandane gibandeino
gibandam gibandeim
gibandona gibandeins
Die seltenere schwache Form im Nom.sg.m. kommt fast ausschließlich nach sa ‚d(ies)er‘ vor;
die häufigere Form auf -s ist wohl als der Rest der ehemaligen nd-Flexion.
An mindestens zwei Stellen fungiert ein Nominativ Singular auf -ands als Attribut eines
femininen Substantivs, sicher in nimands frawaurhts ‚die Sünde, nehmend‘ (RömA 7:8) und frawaurhts
… nimands ‚die Sünde …, nehmend‘ (RömA 7:11). Es könnte sich hierbei um einen Archaismus
handeln, der aus der ursprünglichen konsonantischen Deklination herrührt.
• Das Partizip Präteritum wird wie ein gewöhnliches Adjektiv sowohl stark wie schwach
flektiert. Flexion des starken/schwachen Partizips Präteritum der starken Verben.
[161]
Paradigma: 1) gibans m., giban/gibanata n., gibana f. ‚gegeben‘; Flexion des
starken/schwachen Partizips Präteritum der schwachen Verben Paradigma: 1) nasiþs m.,
nasiþ/nasidata n., nasida f. ‚gerettet‘:
st.
nom.sg.
…
sw. nom.sg.
…
st. nom.sg.
…
sw. nom.sg.
…
maskulinum
gibans
…
gibana
…
nasiþs
…
nasida
…
neutrum
giban, gibanata
…
gibano
…
nasiþ, nasidata
…
nasido
…
femininum
gibana
…
gibano
…
nasida
…
nasido
…
3.1.3.4. Steigerung der Adjektive
• Die regelmäßige urindogermanische Steigerung beinhaltet den Komparativ, der die
Ablautstufen vollstufig *- es-/- os-, dehnstufig *- ēs-/- ōs-, schwundstufig *-is- aufweist,
und den Superlativ uridg. *-ista- (bestehend aus der schwundstufigen Suffixvariante
*-is- des Komparativs, an der das Suffix *-to- angefügt wurde).
• Der urgermanische Komparativ setzt von den Ablautstufen lediglich die schwundstufige
Variante *-is- fort, die in den Lautungen *-is- und *-iz- vorliegt. An diesem Suffix tritt noch
das n-Suffix, so dass der Komparativ wie ein schwaches Adjektiv flektiert, außer dass das
Femininum nach managei geht.
• Daneben steht im Urgermanischen noch eine zweite Komparativbildung mit dem Suffix
urgerm. *-ōs-/-ōz-, ebenfalls erweitert mit dem n-Suffix. Diese Bildung ist eine analogische
Neubildung nach dem adverbialen Muster: got. neƕ ‚nahe‘ : neƕis ‚näher‘ = sniumundo
‚eilig‘ : X → X = *sniumundois > sniumundos ‚eiliger‘. Diese bei den Adverbien entstandene
Neubildung wurde dann auch auf die Adjektive übertragen.
• Im Gotischen finden sich die Formen -iz- und -oz-. Während die Form -iz-, die weitaus
häufiger ist, bei Adjektiven aller Stammklassen vorkommt, steht die Form -oz- lediglich bei
a-stämmigen Adjektiven. Paradigma: managiza m. ‚größer, mehr‘, frodoza m. ‚klüger‘:
maskulinum
sg. nom. managiza
frodoza
gen. managizins
frodozins
neutrum
managizo
frodozo
managizins
frodozins
femininum
managizei
frodozei
managizeins
frodozeins
[162]
…
…
…
…
• Der Superlativ, der ganz wie ein echtes Adjektiv – somit stark und schwach – flektiert, wird
durch Antritt des Suffixes urgerm. *-to- an den beiden Komparativsuffixen gebildet, so dass
sich im Gotischen zwei Bildungen ergeben:
1. Gotisch -ista-: managists* m. zu manags* m. ‚mancher‘.
2. Gotisch -osta-: armosts* m. zu arms m. ‚arm‘.
• Daneben ist im Gotischen auch eine weitere Bildung fortgesetzt. Im Urindogermanischen
gibt es eine Superlativbildung *-(t) Ho-, die sich im Gotischen in sechs von Lokaladverbien
abgeleiteten Wörtern findet: aftuma* ‚der letzte‘, auhuma ‚der höhere‘, fruma ‚der erste‘,
hleiduma* ‚der linke‘, iftuma* ‚der folgende‘ und innuma ‚der innerste‘. Da sie keinen
Positiv neben sich haben, haben sie im Gotischen die Geltung von Komparativen bekommen
und flektieren auch wie diese.
Zu einigen dieser Bildungen sind neue Superlative mit dem Suffix -ista- gebildet: aftumists,
auh(u)mists, frumists. Die gleich gebildeten Wörter hindumists* ‚der äußerste‘ und spedumists* ‚der
letzte‘ lassen daher auf nicht belegte Wörter *hinduma und *speduma schließen.
• Wie in den anderen indogermanischen Sprachen finden sich auch im Gotischen einige
Adjektive, die ihre Steigerungsformen von einem anderen Stamm bilden (suppletive
Steigerung):
Positiv
Komparativ Superlativ
goþs (-d-) ‚gut‘ batiza*
batists*
iusiza
ubils ‚böse‘
wairsiza
–
mikils ‚groß‘
maiza
maists
leitils ‚klein‘
minniza
minnists*
Nach Komparativen steht als Vergleichswort got. þau ‚als‘.
3.1.3.5. Bildung der Adjektivadverbien
• Die gewöhnliche Art im Gotischen zur Bildung eines Adverbs zu einem Adjektiv geschieht
durch Anfügung des Suffixes -ba an den Stamm des Adjektivs: ubilaba zu ubils ‚übel‘,
[163]
sunjaba zu sunjis* ‚wahrhaft‘, analaugniba zu analaugns* ‚verborgen‘, harduba zu hardus
‚hart‘. Diese Bildeweise ist nur im Gotischen belegt.
• Wie in den anderen germanischen Sprachen findet sich im Gotischen (jedoch selten) die
Bildung des Adjektivadverbs auf -o (< uridg. abl.sg. -ōd): galeiko zu galeiks ‚ähnlich‘ (vgl.
ahd. gilīcho, as. gilīko, mndl. gelike, aengl. gelīce, aisl. glíka).
• Als Adverb des Komparativs wird der Nom./Akk.sg.n. gebraucht, und zwar entweder mit
dem Suffix uridg. - os > got. -is (got. hauhis ‚höher‘) oder mit dem Suffix uridg. *-is > got. -s
(got. mins ‚weniger‘). Mit -os finden sich lediglich got. sniumundos ‚eiliger‘ und aljaleikos
‚anders‘.
• Beim Superlativ wird der Nom./Akk.sg.n. als Adverb gebraucht: got. maist ‚am meisten‘,
frumist ‚zuerst‘.
3.1.4. Zahlwörter
Die gotischen Zahlwörter sind nur spärlich überliefert. Die Ursache hierfür ist einerseits
die Quellenlage an sich, andererseits die Verwendung der einzelnen gotischen Buchstaben in
ihrer Funktion als Zahlenwerte.
3.1.4.1. Kardinalzahlen
Die Zahlen von ‚1‘ bis ‚3‘ werden in sämtlichen Kasus und Genera dekliniert:
1. ‚1‘: ains m., ain, ainata n., aina f. (< urgerm. *a na- [ahd. ein, as., andl. ēn, aengl. ān, afries.
ān, ēn, aisl. einn) wird insgesamt wie ein starkes Adjektiv flektiert (keine schwachen
Formen). Das Zahlwort zeigt auch pluralische Formen (nur im Maskulinum) mit der
Bedeutung ‚einzig, allein‘.
2. ‚2‘: twai m., twa n., twos f. kommt nur im Plural vor. Paradigma:
maskulinum
nom. Twai
gen. twaddje
dat.
Twaim
akk. Twans
neutrum
twa
twaddje
twaim
twa
femininum
twos
–
twaim
twos
[164]
Das Zahlwort flektierte im Urindogermanischen dualisch (ai. d[u]váu, d[u]v , jav. duua, gr.
dýō, lat. duō, air. dau, aksl. dъva). Im Gotischen wurde das Zahlwort außer im Genitiv (got. twaddje
[mit sekundärer Endung -e] < urgerm. *t a ōn ‚zweier‘ [ahd. zweiio, as. twēi(i)o, aengl. twēg(e)a, aisl.
tveggja]) nach dem starken Adjektiv und dem Pronomen umgestaltet.
Die kollektive Zweizahl ‚beide, alle zwei‘ wird durch bai ausgedrückt, das wie twai flektiert
(belegt sind nom.m. bai, dat.m. baim, akk.m. bans, nom./akk.n. ba). In gleicher Bedeutung kommt mit
Flexion eines Konsonantenstamms bajoþs ‚beide‘ vor (s. 3.1.1.).
3. ‚3‘: Dieses Zahlwort kommt ebenfalls nur im Plural vor. Es flektiert wie ein i-Stamm (ahd.
drī, as. thria, thriu, andl. thrī, aengl. þrī[e], þrȳ, afries. thrē, aisl. þrír). Paradigma:
mask.
nom. –
gen. þrije
dat.
–
akk. þrins
neutr.
–
–
þrim
þrija
fem.
–
–
–
þrins
Die Zahlwörter von ‚4‘ bis ‚19‘ sind eingeschlechtig und werden in der Regel nicht
dekliniert. Wenn das Zahlwort jedoch nicht adjektivisch unmittelbar vor dem zugehörigen
Substantiv steht oder wenn es als Substantiv gebraucht wird, erscheinen im Genitiv und Dativ
flektierte Formen nach der i-Deklination: Dativ auf -im, Genitiv auf -e. Belegt sind:
4. ‚4‘: fidwor (nom./gen./dat./akk.), *fidworim (dat.; Mk 2:3 [Konjektur für <fidworin>]) (<
urgerm. *feđ ōr [krimgot. fyder, ahd. fior, as. fi(u)war, fior, andl. fier, aengl. fēower, afries.
fiū(we)r, fīwer, fiō(we)r, fiā(we)r, aisl. fjórir).
Der Stamm von ‚4‘ erscheint in der Komposition als fidur- (< urgerm. *feđur-): fidurdogs
‚viertägig‘, fidurfalþs* ‚vierfältig‘, fidurragini* ‚Vierherrschaft‘.
5. ‚5‘: fimf (nom./dat./akk.) (< urgerm. *fenfe [krimgot. +fynf [<fyuf>], ahd. fimf, as., andl.,
aengl., afries. fīf, aisl. fimm]).
6. ‚6‘: saihs (dat./akk.) (< urgerm. *seχs [ahd., as. sehs, andl. sehs, ses, aengl. siex, afries. sex,
six, ses, aisl. sex]).
7. ‚7‘: sibun (nom./dat./akk.) (< urgerm. *seƀun [ahd. sibun, as. siƀun, andl. sivon, aengl.
seofon, afries. si(u)gun, sawen, saun, aisl. [mit Umbildung nach ‚8‘] sjau.
8. ‚8‘: ahtau (nom.) (ursprünglich Dual; urgerm. *aχta
[krimgot. athe, ahd., as. ahto,
frühmndl. achte, aengl. eahta, afries. achta, aisl. átta]); dazu auch in der Komposition
ahtaudogs ‚achttägig‘.
9. ‚9‘: niun (nom./akk.), niune (gen.) (< urgerm. *ne un [krimgot. nyne, ahd. niun, as. nigun,
andl. nigon, aengl. nigon, afries. niugen, aisl. níu]).
[165]
10.
‚10‘: taihun (nom./dat./akk.); dazu auch in der Komposition taihunteweis* ‚zehnreihig‘
(< urgerm. *teχun [ahd. zehan, as. tehan, andl. tēn, aengl. tīen, afries. tiān, aisl. tío].
11.
‚11‘: ainlif* (nom), ainlibim (dat.) (< urgerm. *a nliƀ- [ahd. einlif, as. ēllevan, frühmndl.
elf, aengl. en(d)lefan, endlifan, afries. andlova, alleva, elleva, aisl. ellifu]).
12.
‚12‘: twalif, twalib (nom./dat./akk.), twalibe (gen.), twalibim (dat.) (< urgerm.
*t a liƀ- [ahd. zwelif, as. twelif, andl., aengl. twelf, afries. twelef, twelif, aisl. tólf]); dazu auch
in der Komposition twalibwintrus ‚zwölfjährig‘.
13.
‚14‘: fidwortaihun* (nom.), fidwortaihun (akk.) (ahd. fiorzehan, as. fiertein, frühmndl.
viertien, aengl. fēowertēne, afries. fiūwertēne, [dagegen mit urgerm. *tēχan] aisl.
fiog[o]rtán).
14.
‚15‘: fimftaihun* (nom.), fimftaihunim (dat.) (ahd. finfzehan, as. fìftein, frühmndl.
vijftien, aengl. fīftēne, afries. fīftīne, [dagegen mit urgerm. *tēχan] aisl. fimtán).
Von ‚20‘ bis ‚60‘ werden die Zehner mit dem Plural von tigus* ‚Zehnzahl, Dekade‘ (<
urgerm. *teǥu-; nom. tigjus*, gen. tigiwe, dat. tigum, akk. tiguns) und dem davor gesetzten
Einer gebildet. Die gezählten Objekte stehen im Genitiv. Belegt sind:
1. ‚20‘: miþ twaim tigum þusundjo (dat.; Lk 14:31).
2. ‚30‘: jere þrije tigiwe (gen.; Lk 3:23), þrins tiguns silubr(e)inaize (akk.; Mt 27:3.9).
3. ‚40‘: fimf sinþam fidwor tiguns (akk.; 2.KorB 11:24), dage fidwor tiguns (akk.; Lk 4:2, Mk
1:13).
4. ‚50‘: fim<f> tiguns (akk.; Lk 16:6), fimf tiguns (akk.; Lk 7:41, 9:14), fimf tiguns jere (akk.;
Joh 8:57).
5. ‚60‘: spaurde saihs tigum (dat.; Lk 24:13), saihs tigum jere (dat.; 1.TimAB 5:9).
Die Zehner von ‚70‘ bis ‚100‘ zeigen Bildungen die auf -tehund (neben -taihund) enden.
Einerzahlen werden mit jah ‚und‘ angeschlossen. Die gezählten Objekte stehen im Genitiv.
Belegt sind:
1. ‚70‘: sibuntehund (nom. [Lk 10:17]; akk. [Lk 10:1]).
2. ‚80/84‘: ahtautehund (akk. [Lk 16:7]), jere ahtautehund jah fidwor (gen. [Lk 2:37]).
3. ‚98/99‘: +niuntehund jah .h. (akk. [Neh 7:21]; Konjektur für <niunhund>), niuntehund jah
niun (akk. [Lk 15:4]), in niuntehundis jah niune garaihtaize (gen. [Lk 15:7]).
4. ‚100‘: taihuntehund lambe (akk. [Lk 15:4]), taihuntaihund kase (akk. [Lk 16:6]),
taihuntaihund mitade (akk. [Lk 16:7]); dazu ist auch taihuntaihundfalþ ‚hundertfältig‘ (akk.
[Lk 8:8]) zu stellen.
[166]
Die Hunderte werden mit dem neutralen Plural hunda (nom./akk. hunda, dat. hundam)
(< urgerm. *χundan [ahd. hunt, as. hund, andl. chunna, aengl. hund]) gebildet. Belegt sind:
1. ‚200‘: twaim hundam skatte (dat. [Joh 6:7]).
2. ‚300‘: þrija hunda skatte (akk. [Mk 14:5]).
3. ‚500‘: fi<m>f hundam taihuntewjam broþre (dat. [1.KorA 15:6]), skatte fimf hunda (akk.
[Lk 7:41]).
4. ‚973‘: niun hunda .ug. (nom. [Neh 7:39]).
5. Fragmentarisch: …hunda .m.e. (nom. [Neh 7:13]).
In taihuntewjam ist ein Adjektiv taihun-teweis* ‚zehnreihig‘ zu sehen. Mit Hilfe dieses Zusatzes
sind die Hunderte als zehnteilig gegenüber dem zwölfteiligen germanischen Großhundert (‚120‘)
bezeichnet.
Das Zahlwort þusundi ‚1000‘ (< urgerm. *þūsund-; ahd. dūsunt, as. thūsundig, andl.
thūsunt, aengl. þūsend, afries. thūsend, aisl. þús[h]und) ist ein feminines Substantiv und
flektiert wie bandi; es hat den Genitiv nach sich stehen. Im Plural erscheint es als þusundjos
(z.B. fidwor þusundjos ‚4000‘ [Mk 8:9]); dazu auch das Kompositum þusundifaþs ‚Anführer
von Tausend‘.
3.1.4.2. Ordinalzahlen
Die ersten beiden Ordinalia sind etymologisch von den Kardinalzahlen unterschieden:
1. ‚1.‘: fruma m., frumo* n., frumei f. ‚der erste‘ flektiert wie ein schwaches Adjektiv (nur
zweimal akk.pl. frumans ‚die ersten‘ [Mk 10:31]) (< urgerm. *fruma- [aengl. frum
‚ursprünglich, erst‘, afries. frum- ‚erste‘, aisl. frum-]); daneben steht frumists ‚der erste‘ (<
urgerm. *frumista-).
2. ‚2.‘: anþar m./n., anþara f. ‚der zweite, andere‘ wird wie ein starkes Adjektiv flektiert (<
urgerm. *anþara- [ahd. andar, as. ōđar, andl. andar, aengl. ōþer, afries. ōther, aisl. annarr]).
Alle anderen Ordinalia lehnen sich an die jeweiligen Grundzahlen an und werden als
schwaches Adjektiv flektiert. Belegt sind:
1. ‚3.‘: þridja (16x).
2. ‚5.‘: *fimfta (in fimfta-taihunda* ‚15.‘).
3. ‚6.‘: saihsta (4x).
[167]
4. ‚8.‘: ahtuda* (dat.sg.m. in daga ahtudin [Lk 1:59]).
5. ‚9.‘: niunda* (4x).
6. ‚10.‘: taihunda* (akk.sg.f. taihundon dail [Lk 18:12]).
7. ‚15.‘: fimftataihunda* (dat.sg.n. in jera þan fimftataihundin [Lk 3:1]).
3.1.4.3. Andere Zahlarten
• Das Zahlwort tweihnai* kommt je einmal als Kollektiv ‚beide‘ ([dat.f.] miþ tweihnaim
markom ‚zwischen den beiden Grenzen‘ [Mk 7:31]) und als Distributiv ‚je zwei‘ ([akk.f.]
nih þan tweihnos paidos haban ‚und nicht <sollt ihr> je zwei Hemden haben‘ [Lk 9:3]) vor.
• Distributivzahlen werden entweder durch ƕazuh, ƕarjizuh ‚jeder‘ oder durch die Präposition
bi ‚bei, um‘ umschrieben (vgl. twans ƕanzuh [Mk 6:7] oder bi twans [1.KorA 14:27] ‚je
zwei‘).
• Multiplikativa werden mit dem Element -falþs* (-þ-) gebildet (vgl. etwa taihuntaihundfalþs*
‚hundertfältig‘).
• Iterative Zahladverbien (Frage: ‚wie viel Mal?‘) werden durch die Dative sinþa, sinþam (zu
sinþs* / sinþ* m. / n. a-St. ‚Mal‘ [vgl. ahd. sint, as. sīth, aengl. sīþ, aisl. sinn]) mit
vorangesetzter Kardinalzahl ausgedrückt (vgl. etwa sibun sinþam ‚siebenmal‘ [Lk 17:4]).
Von den ursprünglichen Iterativa ist lediglich twis- als Kompositionsvorderglied bewahrt
geblieben, vgl. twisstass* ‚Zwiespalt‘.
3.2.
Konjugation
Von den beiden urindogermanischen Diathesen (Genera Verbi), Aktiv (zur
Bezeichnung einer vom Subjekt ausgehenden Tätigkeit oder Eigenschaft) und Mediopassiv (zur
Bezeichnung einer Tätigkeit, die sich im Bereich des Subjekts abspielt bzw. das Subjekt
betrifft) ist nur ersteres in allen germanischen Sprachen bewahrt, letzteres, auf die passivische
Anwendung eingeschränkt, nur im Gotischen und dort auch nur im Präsens erhalten.
Die späteren Tempora wurden im Urindogermanischen ursprünglich zur Bezeichnung
der Handlung verwendet. Es gibt drei Tempus-Aspekt-Stämme: Präsensstamm (imperfektiver
[168]
Aspekt) zur Bezeichnung des Verlaufs einer Handlung, Aoriststamm (perfektiver Aspekt) zur
Bezeichnung einer punktuellen (momentanen) Handlung und Perfektstamm (stativer Aspekt)
zur Bezeichnung des erreichten Zustands. Zum Urgermanischen hin entwickeln sich diese zu
zwei Tempora: Präsens zur Bezeichnung des allgemeinen Tempus, besonders der Gegenwart
und Präteritum zur Bezeichnung der Vergangenheit.
Das Urindogermanische kannte vier Modi: Indikativ zum Ausdruck der Wirklichkeit
einer Handlung, Konjunktiv zum Ausdruck des Willens oder der Bestimmtheit, Optativ zur
Bezeichnung des Wunsches oder der Möglichkeit und Imperativ zum Ausdruck des Befehls.
Von diesen vier Modi blieben im Urgermanischen nur noch drei erhalten, nämlich der Indikativ,
der Optativ (der die Funktion des Konjunkivs mit übernahm) und der Imperativ.
Die drei Numeri, Singular, Dual und Plural und die drei Personen im
Urindogermanischen blieben zum Urgermanischen erhalten; der Dual ist jedoch im Schwinden
begriffen.
Von den zahlreichen urindogermanischen Partizipien sind im Germanischen nur noch
zwei erhalten: ein Partizip Präsens mit aktiver und ein Partizip Präteritum in doppelter Gestalt
(mit den Suffixen uridg. *-to- und *-no-), überwiegend in passivem Sinn. Dazu kommt noch
ein Verbalnomen mit dem Suffix *-no-, dass sich zum Infinitiv entwickelt.
Das gotische Verb kennt daher folgende Formen:
• Zwei Diathesen: 1. Aktiv mit reicher Formenvielfahlt; 2. Passiv, das nur in einigen Formen
des Indikativs und Optativs Präsens vorhanden ist (diese Formen werden in der
Bibelübersetzung jedoch sehr häufig verwendet).
Die fehlenden Passivformen werden durch das Partizip Präteritum mit den entsprechenden
Formen von wairþan ‚werden‘ oder wisan ‚sein‘ umschrieben.
• Zwei Tempora: 1. Präsens; 2. Prätertium (= Perfekt), das allgemeine Tempus der
Vergangenheit.
Das nicht vorhandene Futur wird zumeist durch das Präsens vertreten, teils aber auch mit
Hilfsverben umschrieben (skal ‚soll‘, haban ‚haben‘, duginnan ‚beginnen‘).
Das gotische Präteritum gibt sowohl das griechische Imperfekt wie den Aorist (manchmal auch
das Perfekt) wieder.
[169]
• Drei Modi: 1. Indikativ; 2. Optativ (= Konjunktiv); 3. Imperativ (nur im Präsens).
Der Optativ steht im selbstständigen Satz zum Ausdruck des Wunsches, der Vorschrift (hier in
Konkurrenz zum Imperativ) und der Möglichkeit. Der Prohibitiv bei der 2. Person wird durch ni +
Optativ ausgedrückt. Der Optativ im Sinne des Potentialis oder des Dubitativs findet sich häufiger in
Fragesätzen. In irrealen Bedingungssätzen steht immer der Optativ Präteritum.
• Drei Numeri: 1. Singular; 2. Plural; 3. Dual (jedoch fehlt hier die 3. Person).
Der Dual steht gegen die griechische Vorlage, da das Griechische keinen Dual kennt.
• Drei Verbalnomina: 1. Infinitiv Präsens; 2. Partizip Präsens; 3. Partizip Präteritum.
Vom germanisch-gotischen Standpunkt aus werden die Verben nach der Art der Bildung
ihres Präteritums eingeteilt. So ergeben sich drei Klassen: a. starke Verben; b. schwache
Verben; c. besondere Verbalbildungen:
a. Die starken Verben bilden ihr Prät. ohne Suffix, lediglich durch Wechsel des Wurzelvokals
bzw. durch Reduplikation. Dadurch ergeben sich folgende Untergruppen:
• Die ablautenden Verben Sie bilden ihr Präteritum durch einen regelmäßigen
Vokalwechsel in Vergleich zur Präsensform (Stichwort: Ablaut); vgl. qima ‚ich komme‘
: qam ‚ich kam‘.
• Die reduplizierenden Verben bilden ihr Präteritum durch eine Reduplikationssilbe ohne
Vokalwechsel; vgl. haita ‚ich heiße‘ : haihait ‚ich hieß‘.
• Die reduplizierend-ablautenden Verben bilden ihr Präteritum durch Kombination beider
Möglichkeiten; vgl. leta ‚ich lasse‘ : lailot ‚ich ließ‘.
b. Die schwachen Verben (in der übergroßen Mehrheit abgeleitete Verben) bilden ihr
Präteritum mit Hilfe eines Suffixes, das mit Dental beginnt; vgl. nasja ‚ich rette‘ : nasida
‚ich rettete‘. Nach der gotischen Form dieses Suffixes zerfallen die schwachen Verben in
folgende Untergruppen:
• Suffix -i-: nas-j-a ‚ich rette‘ : nas-i-da ‚ich rettete‘.
• Suffix -o-: salb-o ‚ich salbe‘ : salb-o-da ‚ich salbte‘.
• Suffix -ai-: hab-a ‚ich habe‘ : hab-ai-da ‚ich hatte‘.
• Suffix -no-: full-na ‚ich fülle‘ : full-no-da ‚ich füllte‘.
[170]
c. Reste alter Bildungen, die sich nicht in die Einteilung in starken und schwachen Verben
einordnen lassen. Es sind:
• Die Präteritopräsentien
• Das Verb ‚sein‘ (im ‚ich bin‘).
• Das Verb ‚wollen‘ (wiljau ‚ich will‘).
• Verschiedene andere Verben.
Die für andere indogermanischen Sprachen übliche Scheidung der Verben in thematische und
athematische Verben ist für das Gotische belanglos.
3.2.1. Die starken Verben
Zur genauen Einordnung eines jeden starken Verbs werden vier Stämme benötigt, in
denen der Vokal je nach Klasse in einer festgelegten Weise alterniert: Vom ersten Stamm wird
das gesamte Präsens gebildet (Präsens Aktiv und Präsens Passiv, Infinitiv und Partizip Präsens),
vom zweiten Stamm der Singular des Indikativs des Präteritums, vom dritten Stamm der Dual
und der Plural des Indikativs des Präteritums sowie der gesamte Prät.opt., vom vierten Stamm
das Partizip Präteritum.
3.2.1.1. Die ablautenden Verben
Die rein ablautenden Verben bilden ihre Tempusstämme lediglich durch den
regelmäßigen Wechsel des Wurzelvokals, den so genannten Ablaut (2.1.2.). Insgesamt gibt es
sechs solcher Ablautsreihen. Dadurch können die Verben in sechs Ablautsklassen eingeteilt
werden. In den ersten fünf Klassen gibt es für jede der oben genannten vier Stämme eine eigene
Ablautstufe. In der sechsten Klasse gilt dagegen eine Ablautstufe für das gesamte Präsens und
Partizip Präteritum, eine andere für das gesamte Präteritum.
Für das Got. ergibt sich damit folgendes Schema:
Klasse 1
Klasse 2
Klasse 3
Klasse 4
Klasse 5
Klasse 6
präsens
ei
iu
i (ai)
i (ai)
i (ai)
a
sg.ind.prät.
Ai
Au
A
A
A
O
du./pl.ind./opt.prät.
i (ai)
u (au)
u (au)
e
e
o
part.prät.
i (ai)
u (au)
u (au)
u (au)
i (ai)
a
[171]
ai neben i und au neben u sind keine urspürnglich eigene Ablautformen; ai und au sind jeweils
erst durch die gotische Brechung (s. 2.3.1.) entstandene Varianten von i und u.
Die Wurzelstruktur der jeweiligen Klassen ist für das Urgermanische wie folgt (C = Konsonant,
V = Vokal, R = Resonant):
Klasse I
Klasse II
Klasse III
Klasse IV
Klasse V
Klasse VI
CViC
CVuC
CVRC
CVR
CVC
CVC/R
Zur Einordnung eines Verbs in eine Ablautklasse werden in den Grammatiken der
altgermanischen Sprachen folgende vier Formen angegeben: a. 1.sg.ind.präs.; b. 1.sg.ind.prät.;
c. 1.pl.ind.prät.; d. part.präs.
• Klasse 1
Die Verben der Klasse 1 zeigen das Ablautmuster ei – ai – i (ai) – i (ai):
greipan ‚greifen‘ greipa graip Gripum gripans
-teihan ‚zeigen‘ -teiha -taih -taihum -taihans
Wie greipan* gehen noch: beidan* ‚warten‘, beitan* ‚beißen‘, dreiban ‚treiben‘, (-)hneiwan
‚sich neigen‘, keinan* ‚keimen‘, bi-leiban* ‚bleiben‘, -leiþan ‚gehen‘, ur-reisan ‚aufstehen‘, skeinan
‚scheinen‘, dis-skreitan* ‚zerreißen‘, -smeitan* ‚schmieren‘, sneiþan* ‚schneiden‘, speiwan ‚speien‘,
steigan* ‚steigen‘, sweiban* ‚aufhören‘, weipan* ‚bekränzen‘, fra-weitan ‚einem rächend Recht
verschaffen‘, in-weitan* ‚anbeten‘.
Wie gateihan* gehen noch: leiƕan ‚leihen‘, þeihan ‚gedeihen‘, þreihan* ‚drängen‘, (-)weihan
‚kämpfen‘.
Historische Erklärung:
Der Ablaut ei – ai – i (ai) – i (ai) geht auf urgerm. *ī – *a – *i – *i zurück.
• Klasse 2:
Die Verben der Klasse 2 zeigen das Ablautmuster iu – au – u (au) – u (au):
-biudan* ‚greifen‘
-biuda -bauþ -budum -budans
tiuhan ‚(weg-)führen‘ tiuha
tauh
tauhum tauhans
[172]
Wie -biudan* gehen noch: biugan* ‚biegen‘, driugan* ‚Kriegsdienst tun‘, driusan* ‚fallen‘,
giutan* ‚gießen‘, hiufan* ‚klagen‘, dis-hniupan* ‚zerreißen‘, kiusan* ‚prüfen‘, kriustan* ‚knirschen‘,
liudan* ‚wachsen‘, liugan* ‚lügen‘, fra-liusan* ‚verlieren‘, niutan ‚erlangen‘ siukan ‚krank sein‘,
af-skiuban* ‚wegschieben‘, sliupan* ‚schlüpfen‘, us-þriutan* ‚belästigen‘.
Wie tiuhan geht noch: þliuhan ‚fliehen‘.
Eine Abweichung im Präsensvokal zeigt -lukan ‚schließen‘ (wohl mit -ū-, vgl. ahd. -lūchan, as.,
andl. -lūkan, afries. lūka, aengl. lūcan, aisl. l[j]úka); es liegt wohl eine sekundäre Dehnung nach
Analogie der Klasse 1 vor.
Historische Erklärung:
Der Ablaut iu – au – u (au) – u (au) geht auf urgerm. *e – *a – *u – *u zurück.
• Klasse 3
Die Verben der Klasse 3 zeigen das Ablautmuster i (ai) – a – u (au) – u (au):
bindan* ‚binden‘ binda
band bundum
bundans
wairpan ‚werfen‘ wairpa warp waurpum waurpans
Wie bindan* gehen noch: bliggwan* ‚schlagen‘, brinnan* ‚brennen‘, drigkan ‚trinken‘, filhan
‚verbergen‘, finþan* ‚erfahren‘, -gildan ‚gelten‘, du-ginnan* ‚beginnen‘, hilpan ‚helfen‘, -hinþan*
‚fangen‘, af-linnan* ‚weichen‘, rinnan* ‚laufen‘, siggwan ‚singen‘, sigqan* ‚sinken‘, fra-slindan*
‚verschlingen‘, spinnan* ‚spinnen‘, stigqan ‚stoßen‘, swiltan* ‚sterben‘, ana-trimpan* ‚hinzutreten‘,
(-)þinsan ‚ziehen‘, wilwan ‚rauben‘, -windan* ‚winden‘, winnan ‚leiden‘; ebenso mit abweichendem
Konsonanz þriskan* ‚dreschen‘, ga-wrisqan* ‚Furcht bringen‘.
Wie wairpan gehen noch: bairgan* ‚bergen‘, -gairdan* ‚gürten‘, ƕairban*
‚wandeln‘, -swairban* ‚wischen‘, ga-þairsan* ‚verdorren‘, wairþan ‚werden‘.
Neben dem zu dieser Klasse gehörenden Präsensstamm briggan ‚bringen‘ steht ein schwaches,
ablautendes Präteritum brahta.
Historische Erklärung:
Der Ablaut i (ai) – a – u (au) – u (au) geht auf urgerm. *e – *a – *u – *u zurück.
• Klasse 4
Die Verben der Klasse 4 zeigen das Ablautmuster i (ai) – a – e – u (au):
niman ‚nehmen‘ nima nam nemum numans
bairan ‚tragen‘ baira bar berum baurans
[173]
Wie niman gehen noch: qiman ‚kommen‘, stilan* ‚stehlen‘, ga-timan* ‚geziemen‘ und mit
abweichendem Konsonanz brikan* ‚brechen‘.
Wie bairan geht noch: -tairan ‚reißen‘.
Ein schwundstufiger Präsensstamm liegt vor in: trudan ‚treten‘ (mit fra-trudan*) und wulan*
‚sieden‘.
Historische Erklärung:
Der Ablaut i (ai) – a – e – u (au) geht auf urgerm. *e – *a – *ē – *u zurück.
• Klasse 5
Die Verben der Klasse 5 zeigen das Ablautmuster i (ai) – a – e – i (ai):
qiþan ‚sagen‘
qiþa
qaþ qeþun qiþans
saiƕan ‚sehen‘ saiƕa saƕ seƕum saiƕans
Wie qiþan gehen noch: bidjan ‚bitten‘ (-j- nur im Präs.st.: bidja, baþ, bedun, bidans*; analogisch
j-loses Präsens in bidan [1.KorA 7:5] und usbida (RömA 9:3]), giban ‚geben‘, bi-gitan ‚erlangen‘,
hlifan* ‚stehlen‘, itan ‚essen‘, ligan* ‚liegen‘, -lisan* ‚sammeln‘, mitan ‚messen‘, ga-nisan ‚genesen‘,
rikan* ‚anhäufen‘, sitan ‚sitzen‘, ga-widan* ‚zusammenbinden‘, in-widan* ‚verleugnen‘, ga-wigan*
‚bewegen‘, wisan ‚bleiben‘, wrikan* ‚verfolgen‘.
Wie saiƕan geht noch: fraihnan ‚fragen‘ (-n- nur im Präs.st.: fraihna, frah, frehun, fraihans).
Historische Erklärung:
Der Ablaut i (ai) – a – e – i (ai) geht auf urgerm. *e – *a – *ē – *e zurück.
• Klasse 6
Die Verben der Klasse 6 zeigen das Ablautmuster a – o – o – a:
slahan ‚schlagen‘ slaha sloh slohum slahans
Wie slahan* gehen noch: alan* ‚sich nähren‘, uz-anan* ‚aushauchen‘, ga-daban ‚sich
ereignen‘, ga-dragan* ‚aufladen‘, faran* ‚wandern‘, fraþjan ‚verstehen‘, graban ‚graben‘, hafjan*
‚heben‘, hlahjan* ‚lachen‘, af-hlapan* ‚beladen‘, malan* ‚mahlen‘, sakan ‚streiten‘, skaban ‚schaben‘,
ga-skapjan* ‚schaffen‘, ga-skaþjan* ‚schaden‘, standan ‚stehen‘ (-n- nur im Präsensstamm: standa,
stoþ, stoþun; ohne Partizp Prätertium, das von einem durativen Verb nicht gebildet wird), swaran
‚schwören‘, þwahan ‚waschen‘, wahsjan ‚wachsen‘ (das -j- nur im Präsensstamm: fraþjan, hafjan*,
hlahjan*, ga-skapjan*, ga-skaþjan* und wahsjan).
Historische Erklärung:
Der Ablaut a – o – o – a geht auf urgerm. *a – *ō – *ō – *a zurück.
[174]
3.2.1.2. Die reduplizierenden Verben
Die reduplizierenden Verben werden auch als Klasse 7 (starke Verben 7) bezeichnet.
Die meisten der gotischen reduplizierenden Verben bildet das Präteritum mittels einer
vor dem Verbalstamm gesetzten Reduplikationssilbe ohne Veränderung des Wurzelvokals. Die
Reduplikationssilbe
besteht
aus
dem
wurzelanlautenden
Konsonanten
und
dem
Reduplikationsvokal <ai>, der die Geltung eines kurzen [ε] hat; vgl. -maitan ‚abschneiden‘
: -maimait. Wenn die Wurzelsilbe mit zwei Konsonanten beginnt, erscheint nur der erste in der
Reduplikationssilbe; vgl. fraisa* ‚ich versuche‘ : faifrais* (us-faifraisi [1.ThessB 3:5]); eine
Ausnahme bilden die Verbindungenen st und sk (für sp fehlen Belege) und ƕ: Bei ihnen finden
sich beide Konsonanten in der Reduplikationssilbe; vgl. ga-stalda ‚ich erwerbe‘ : ga-staistald
(Neh 5:16), skaida* ‚ich scheide‘ : af-skaiskaid (GalB 2:12) und , ƕopan ‚sich rühmen‘ :
ƕaiƕop (2.KorAB 7:14). Wenn die Wurzel mit einem Vokal anlautet, wird lediglich der
Reduplikationsvokal vorangestellt; vgl. auka* ‚ich vermehre‘ : ana-aiauk (4x).
Das Partizip Präteritum wird ohne Reduplikationssilbe gebildet; vgl. haitans, fraisans.
Im Nord- und Westgermanischen ist die Reduplikation nur noch in vereinzelten Resten
vorhanden; vgl. aisl. róa ‚rudern‘ : rera, aengl. hātan ‚heißen‘ : hehton, ahd. skrīan ‚schreien‘ : skrirun.
Diese reduplizierenden Verben können nach ihren Wurzelvokalen, die im gesamten
Paradigma unverändert bleiben, in fünf Klassen eingeteilt werden: 1. ai; 2. au; 3. a; 4. e; 5. o.
Die Flexion ist bei allen gleich.
1. Klasse 1: af-aikan ‚leugnen‘, fraisan* ‚versuchen‘, haitan ‚heißen‘, laikan* ‚springen‘,
maitan* ‚abschneiden‘, skaidan ‚scheiden‘, ga-þlaihan ‚liebkosen‘.
2. Klasse 2: aukan* ‚vermehren‘, us-hlaupan* ‚aufspringen‘, stautan* ‚stoßen‘, waldan
‚walten‘.
3. Klasse 3: blandan ‚mischen‘, fahan ‚fangen‘, falþan* ‚falten‘, hahan* ‚hängen‘, haldan
‚halten‘, saltan* ‚salzen‘, ga-staldan ‚erwerben‘.
4. Klasse 4: uf-blesan ‚aufblasen‘, slepan* ‚schlafen‘.
5. Klasse 5: blotan ‚verehren‘, flokan* ‚betrauern‘, ƕopan ‚sich rühmen‘.
Nicht bei allen der hier aufgezählten Verben ist ein redupliziertes Präteritum belegt; bei
manchen erfolgt die Einordnung in diese Gruppe auf Grund der anderen germ. Sprachen.
Das Verb bauan ‚wohnen‘ gehörte nach Ausweis der anderen germanischen Sprachen ebenfalls
hierher; im Gotischen geht aber nur 3.sg.ind.präs.akt. bauiþ nach der starken Konjugation; es bildet
[175]
jedoch ein schwaches Präteritum bauaida (2.TimA 1:5); auch das Verbalnomen bauains ‚Wohnung‘
weist auf schwache Konjugation (Klasse 3).
Das Verb gaggan ‚gehen‘, das nach Ausweis der anderen germanischen Sprachen,
reduplizierend war, bildet einmal ein neu geschaffenes schwaches Prätertium gaggida (Lk 19:12);
ansonsten ist das Prätertium suppletiv (iddja). Der einzige Beleg des Partizip Präteritum ist us-gaggana
(Mk 7:30).
Eine Anzahl Verben mit Präsensvokal e und ai, weisen im Präteritum o auf und haben
außerdem noch eine Reduplikationssilbe. Das Partizip Präteritum hat den gleichen Vokal wie
im Präsens. Nach dem Präsensvokal unterteilt man die Verben in zwei Klassen:
1. Klasse 1: gretan ‚weinen‘, letan ‚lassen‘, ga-redan* ‚Vorsorge treffen‘, tekan ‚berühren‘.
2. Klasse 2: saian ‚säen‘, waian* ‚wehen‘.
3.2.1.3. Das Paradigma der starken Verben
Die Personalendungen beim finiten Verb und die Formen des infiniten Verbs werden
bei allen starken Verben (ob ablautend, reduplizierend oder reduplizierend-ablautend) auf der
gleichen Weise an die vier Stämme angefügt.
Kleinere Abweichungen bei den Endungen sind das Resultat 1. von Auslautverhärtung (s. 2.3.2.)
und 2. einiger Veränderungen durch den Zusammenstoß von Konsonanten in der 2.Sg.Ind.Prät. (s.
2.3.2.).
Aus diesem Grund genügen die nachfolgenden Beispiele für alle drei Untergruppen der
starken Verben. Paradigma der st. V. Beispiele: 1) niman ‚nehmen‘. 2) -biudan ‚bieten‘. 3)
haitan ‚heißen‘:
aktiv
präsens
ind.
sg.
du.
pl.
opt.
sg.
1.
2.
3.
1.
2.
1.
2.
3.
1.
2.
3.
nima
nimis
nimiþ
nimos
nimats
nimam
nimiþ
nimand
nimau
nimais
nimai
biuda
biudis
biudiþ
biudos
biudats
biudam
biudiþ
biudand
biudau
biudais
biudai
haita
haitis
haitiþ
haitos
haitats
haitam
haitiþ
haitand
haitau
haitais
haitai
[176]
du.
pl.
imp.
sg.
du.
pl.
1.
2.
1.
2.
3.
2.
3.
2.
1.
2.
inf.
part.
ind.
sg.
du.
pl.
opt.
sg.
pl.
1.
2.
3.
2.
1.
2.
3.
1.
2.
3.
1.
2.
3.
part.
ind.
sg.
opt.
pl.
sg.
pl.
1./3.
2.
1./2./3.
1./3.
2.
1./2./3.
nimaiwa
nimaits
nimaima
nimaiþ
nimaina
nim
nimadau
nimats
nimam
nimiþ
niman
nimands
biudaiwa
biudaits
biudaima
biudaiþ
biudaina
biuþ
biudadau
biudats
biudam
biudiþ
biudan
biudands
haitaiwa
haitaits
haitaima
haitaiþ
haitaina
hait
haitadau
haitats
haitam
haitiþ
haitan
haitands
präteritum
nam
bauþ
namt
baust
nam
bauþ
nemuts
buduts
nemum
budum
nemuþ
buduþ
nemun
budun
nemjau
budjau
nemeis
budeis
nemi
budi
nemeima
budeima
nemeiþ
budeiþ
nemeina
budeina
numans
budans
haihait
haihaist
haihait
haihaituts
haihaitum
haihaituþ
haihaitun
haihaitjau
haihaiteis
haihaiti
haihaiteima
haihaiteiþ
haihaiteina
haitans
passiv
präsens
nimada
nimaza
nimanda
nimaidau
nimaizau
nimaindau
haitada
haitaza
haitanda
haitaidau
haitaizau
haitaindau
biudada
biudaza
biudanda
biudaidau
biudaizau
biudaindau
Historische Erklärung der Endungen:
1. Präs.ind.akt.:
• Singular: 1. got. -a < urgerm. *-ō (vgl. run. -u, ahd., as. -u, frühae. (angl.) -u, aengl. -e, aisl. -Ø).
2. got. -is entweder < urgerm. *-isi (vgl. ahd., as. -is, aengl. -es) oder < urgerm. *-izi (vgl. aisl. -r).
3. got. -þ (vgl. aber -id-uh, faura-qimid [Lk 1:17]) < urgerm. *-iđi (vgl. ahd. -it, as. -id).
• Dual: 1. got. -os (mit nicht ganz geklärter Lautentwicklung) < urgerm. *-a iz. 2. got. -ats (mit
nicht sicher erklärtem -t-) < urgerm. *-aþ/điz (mit analogischen urgerm. *-a-).
• Plural: 1. got. -am < urgerm. *-ami/az (vgl. aisl. -om). 2. got. -iþ (vgl. aber -id-uh) < urgerm *-iđi.
3. got. -and < urgerm. *-anđi (vgl. ahd. -ant).
2. Präs.opt.akt.:
[177]
• Singular: 1. got. -au < urgerm. *-a( )un (vgl. aisl. -a). 2. got. -ais entweder < urgerm. *-a s (vgl.
ahd. -ēs, as. -es) oder < urgerm. *-a z (vgl. aengl. -e, aisl. -er). 3. got. -ai < urgerm. *-a þ/đ (vgl.
ahd., as., aengl., aisl. -e).
• Dual: 1. got. -aiwa < urgerm. (mit sekundärer Dehnung) *-a ē. 2. got. -aits (mit nicht sicher
erklärtem -t-) < urgerm. *-a þ/điz.
• Plural: 1: got. -aima < urgerm. (mit sekundärer Dehnung) *-a mē (vgl. ahd. -ēm, aisl. -em). 2.
got. -aiþ entweder < urgerm. *-a đi (vgl. ahd. -ēt, aisl. -eþ?) oder < urgerm. *-a þi (vgl. aisl. -eþ?).
3. got. -aina (mit -a aus der 1.Pl.) < urgerm. *-a nþ/đ (vgl. ahd. -ēn, as., aengl. -en, aisl. -e).
3. Imp.präs.akt.
• Singular: 2. got. -Ø < urgerm. *-i (vgl. ahd., as., aengl., aisl. -Ø). 3. got. -adau (Neuerung [mit
sekundärem -a- (aus dem Pl.?)]).
• Dual: 2. got. -ats ist aus der entsprechenden Indikativform übernommen.
• Plural: 1. got. -am ist aus der entsprechenden Indikativform übernommen (wie im Ahd. und Aisl.).
2. got. -iþ ist aus der entsprechenden Indikativform übernommen (wie im Ahd., As., Aengl. und
Aisl.). 3. got. -andau (Neuerung).
4. Inf.präs.akt.
• got. -an < urgerm. *-anan (vgl. ahd., as., aengl. -an, aisl. -a).
5. Part.präs.akt.
• got. -and- < urgerm. *-anđ- (vgl. ahd. -ant-, as. -and-, aengl. -end-, aisl. -and-).
6. Prät.ind.akt.:
• Singular: 1. got. -Ø < urgerm. *-a (vgl. ahd., as., aengl., aisl. -Ø). 2. got. -t < urgerm. (mit
verallgemeinertem *-t in der Position nach *-s-) *-ta (vgl. aisl. -t). 3. got. -Ø < urgerm. *-e (vgl.
ahd., as., aengl., aisl. -Ø).
• Dual: 2. got. -uts (mit nicht sicher erklärtem -t-) < urgerm. *-uþ/điz (mit analogischem *-u- [aus
dem 1. Dual bzw. aus dem Plural]).
• Plural: 1. got. -um < urgerm. *-um (vgl. ahd. -um, aisl. -om). 2. got. -uþ < urgerm. (mit
analogischem *-u- nach der 1./3. Plurl) *-uđ (vgl. ahd. -ut, aisl. -oþ); 3. got. -un < urgerm. *-unþ/đ
(vgl. ahd., as. -un, aengl. -on, aisl. -o).
7. Prät.opt.akt.:
• Singular: 1. got. -jau (unter Anfügung der Endung des Optativs Präsens) < urgerm. *-īn (vgl. ahd.,
as. -i, aengl. -e, aisl. [mit derselben Umgestaltung wie im Got.] -a). 2. got. -eis entweder < urgerm.
*-īs (vgl.) ahd. -īs, as. -is) oder < urgerm. *-īz (vgl. aengl. -e, aisl. -er). 3. got. -i < urgerm. *-īþ/đ
(vgl. ahd., as. -i, aengl., aisl. -e).
• Plural: 1. got. -eima < urgerm. (mit sekundärer Dehnung) *-īmē (vgl. ahd. -īm, aisl. -em). 2.
got. -eiþ < urgerm. *-īþ/đi (vgl. ahd. -īt, aisl. -eþ). 3. got. -eina (mit -a aus der 1.Pl.Prät. bzw.
3.Pl.Präs.) < urgerm. *-īnþ/đ (vgl. ahd. -īn, as. -in, aengl. -en, aisl. -e).
8. Part.prät.akt.
• got. -an- < urgerm. *-ana- (vgl. ahd., as. -an-, aengl. -en-).
9. Präs.ind.pass.
• Singular: 1/3: got. -ada (die Form der 3. Singular ist auf die 1. Singular übertragen) < urgerm.
*-ađa . 2. got. -aza < urgerm. *-aza .
• Plural: 1/2/3. got. -anda (die Form der 3. Plural ist auf die 1./2. Plural übertragen) < urgerm.
*-anda .
10. Präs.opt.pass.
• An das Optativzeichen -ai- treten Endungen an, deren durchgehendes -au aus dem Optativ Aktiv
stammt.
[178]
3.2.2. Die schwachen Verben
Die schwachen Verben kennen keinen Vokalwechsel; sie bilden ihr Präteritum und
Partizip Präteritum mittels eines Dentalsuffixes -d- (nom.sg.m. part.prät. -þs). Auf Grund ihrer
Stammbildung werden die schwachen Verben des Gotischen in vier Klassen unterteilt:
• Klasse 1: Bildung mit einem Suffix urgerm. *-(i) e/a-. In dieser Klasse sind hauptsächlich
Kausativa zu primären Verben (vgl. wandjan* ‚wenden‘ zu -windan* ‚winden‘), einige
Intensiva (vgl. draibjan* ‚belästigen‘ zu dreiban* ‚treiben‘) und Faktitiva zu Adjektiven
(vgl. hrainjan* ‚reinigen‘ zu hrains ‚rein‘) enthalten.
• Klasse 2: Bildung mit einem Suffix urgerm. *-ō( e/a)-. In dieser Klasse sind mehrheitlich
denominative Verben (vgl. fiskon ‚fischen‘ zu got. fisks* ‚Fisch‘) neben einigen deverbalen
Verben (wohl Intensiva) (vgl. ƕarbon ‚wandeln‘ zu ƕairban ‚wandeln‘) enthalten.
• Klasse 3: Bildung mit einem Suffix urgerm. -a -/- e/a-. In dieser Klasse sind hauptsächlich
Deverbativa mit durativischer Bedeutung (vgl. haban ‚haben‘ [zu uridg. *kap- ,fassen,
schnappen‘]) und Denominativa mit inchoativer Bedeutung (vgl. got. arman* ‚sich
erbarmen‘ zu arms* ‚arm‘) enthalten.
• Klasse 4: Bildung mit einem Suffix urgerm. *-na/ō-. In dieser Klasse sind Verben mit
intransitiv-inchoativer Bedeutung (vgl. fullnan* ‚voll werden‘ zu fulls ‚voll‘) enthalten.
Während die vier Klassen der schwachen Verben im Präsens erhebliche
Flexionsunterschiede aufweisen, die durch ihre unterschiedliche Bildeweise bedingt sind,
stimmen die Bildung und Flexion aller vier Klassen im Präteritum überein. Ebenso bilden sie
das Partizip Präteritum auf gleiche Weise.
3.2.2.1. Das Präteritum der schwachen Verben
Bei den schwachen Verben war es – da sie nicht ablautfähig waren – nicht möglich, auf
die übliche Weise ein Perfekt zu bilden. Ein typologisch häufiger Weg zur Bildung neuer
Tempora ist die Verknüpfung einer nominalen Form des Verbs als Bedeutungsträger mit einem
Hilfsverb zur passenden Zeitstufenmarkierung, also die Bildung analytischer bzw.
periphrastischer Formen. Das germanische Präteritum wird periphrastisch mit Formen der
Verbalwurzel uridg. *dheh1- ‚setzen, tun‘ gebildet. In Frage kommen zwei Möglichkeiten:
Entweder wurde der Wurzelaorist uridg. * dheh1- / *dhh1- > urgerm. *đē- / *đ- verwendet (dann
[179]
müsste der Ablaut der 1.Singular im Germanischen sekundär sein) oder der Imperfekt uridg.
*dhedhoh1- / *dhedhh1- > germ. *(đe)đō- / *(đe)đ- (dann müsste der Ablaut der 2./3. Singular im
Germanischen sekundär sein). Im Gotischen fand im Ind.Präs.Du./Pl. und im gesamten Optativ
eine Vermischung mit dem Präteritum des im Got. nicht selbständig belegten Vollverbs statt
(vgl. got. -dedum : ahd. tātum, got. -deduþ : ahd. tātut, got. -dedun : ahd. tātun).
Die mit dem Dentalsuffix -d- gebildeten, an den jeweiligen Verbalstamm angefügten
Endungssätze des schwachen Präteritums stimmen bei allen schwachen Verben überein:
nasida*, salboda*, habaida, fullnoda*. Da die Paradigmen identisch sind, genügt es, die
Flexion an einem Beispiel aufzuzeigen. Paradigma: 1) nasida*:
sg.
1.
2.
3.
du. 1.
2.
pl. 1.
2.
3.
indikativ
nasida
nasides
nasida
–
nasideduts
nasidedum
nasideduþ
nasidedun
optativ
nasidedjau
nasidedeis
nasidedi
–
–
nasidedeima
nasidedeiþ
nasidedeina
Historische Erklärung der Endungen:
Prät.ind.akt.:
• Singular: 1. got. -da < urgerm. *-đō oder *-đē (vgl. run. -do, ahd. -ta, as., aengl. -de, aisl. -ða). 2.
got. -des < urgerm. *-đēz (vgl. as., aengl. -des, aisl. -ðir). 3. got. -da < urgerm. *-đēt (vgl. run. -de,
ahd. -ta, as., aengl. -de, aisl. -ði).
• Dual: 2. -deduts aus -ded- wie im Plural und -uts wie bei den starken Verben.
• Plural: 1. got. -dedum entweder < urgerm. *-đēđume oder mit Anfügung an vorgotisch
3.sg.ind.prät.akt. *-đē von urgerm. *-đume (vgl. ahd. -tum, as. -dun, aengl. -don, aisl. -ðum). 2.
got. -deduþ entweder < urgerm. *-đēđuđe oder mit Anfügung an vorgotisch 3.sg.ind.prät.akt. *-đē
von urgerm. *-đuđe (vgl. ahd. -tut, aisl. -ðuð). 3. got. -dedun entweder < urgerm. *-đēđunt oder mit
Anfügung an vorgotisch 3.sg.ind.prät.akt. *-đē von urgerm. *-đunt (vgl. ahd. -tun, as. -dun,
aengl. -don, aisl. -ðu).
Prät.opt.akt.
• Die Endungen bestehen aus -ded- und den entsprechenden Endungen der starken Verben.
Das Partizip Präteritum wird mittels des Suffixes got. -d- (nom.sg.m. -þs) < urgerm.
*-đa- (> ahd. -t-, as., mndl., aengl., afries. -d-, aisl. -þ-; < uridg. *-tó- [ai. -ta-, gr. -tos, lat. -tus])
gebildet: nasiþs*, salboþs*, habaiþs* (die Verben der Klasse 4. Bilden kein Partizip
Präteritum). Zur Flexion s. 3.1.3.3.
[180]
Einige Verben der Klasse 1 bilden das Präteritum und Partizip Präteritum zwar schwach,
jedoch ohne den Vokal -i- (die Verbalwurzel endet immer auf -g/k):
infinitiv
‚gebrauchen‘ brukjan
‚kaufen‘
bugjan*
‚denken‘
þagkjan
‚dünken‘
þugkjan*
‚bewirken‘
waurkjan
präteritum
bruhta
bauhta
þahta
þuhta
waurhta
part.prät.
-bauhts
-þahts
-þuhts
-waurhts
Hierher gehört auch das Präteritum des starken Verben 3 briggan ‚bringen‘ : brahta.
Es sind alte bindevokallose Bildungen.
3.2.2.2. Das Präsens der schwachen Verben
Im
Präsens
zeigen
die
vier
Klassen
der
schwachen
Verben
erhebliche
Flexionsunterschiede, die durch ihre unterschiedliche Bildeweise bedingt sind.
Die Verben der Klasse 1 zerfallen in zwei Gruppen, nämlich in einer mit einer
kurzstämmigen Verbalwurzel und einer mit einer langstämmigen Verbalwurzel. Verben mit
kurzer Wurzelsilbe (u.a. nasjan ‚retten‘) und Verben, deren Wurzel auf Langvokal endet (u.a.
stojan ‚richten‘), erhalten in der 2./3.Sg.Präs., 2.Pl.Präs. und 2.Pl.Imp. die Folge -ji-, Verben
mit langer, auf Konsonant ausgehender Wurzelsilbe (u.a. sokjan ‚suchen‘) und Verben mit
mehrsilbiger Basis (u.a. mikiljan* ‚preisen‘) erhalten in der 2./3.Sg.Präs., 2.Pl.Präs. und
2.Pl.Imp. die Folge -ei-.
Paradigmen: nasjan, stojan, sokjan sw. V. 1, salbon sw. V. 2, haban* sw. V. 3, fullnan*
sw. V. 4:
ind.
sg.
du.
pl.
1.
2.
3.
1.
2.
1.
2.
3.
nasja
nasjis
nasjiþ
nasjos
nasjats
nasjam
nasjiþ
nasjand
aktiv
präsens
Klasse 1
stoja
sokja
stojis
sokeis
stojiþ
sokeiþ
stojos
sokjos
stojats
sokjats
stojam
sokjam
stojiþ
sokeiþ
stojand
sokjand
Klasse 2
salbo
salbos
salboþ
–
–
salbom
salboþ
salbond
Klasse 3
haba
habais
habaiþ
habos
–
habam
habaiþ
haband
Klasse 4
fullna
fullnis
fullniþ
–
–
fullnam
fullniþ
fullnand
[181]
opt.
sg.
du.
pl.
imp. sg.
du.
pl.
1.
2.
3.
1.
2.
1.
2.
3.
2.
3.
2.
1.
2.
3
inf.
part.
ind.
sg.
opt.
pl.
sg.
pl.
1./3.
2.
1./2./3.
1./3.
2.
1./2./3.
nasjau
nasjais
nasjai
–
–
nasjaima
nasjaiþ
nasjaina
nasei
nasjadau
–
nasjam
nasjiþ
–
nasjan
nasjands
stojau
stojais
stojai
–
–
stojaima
stojaiþ
stojaina
–
stojadau
–
stojam
stojiþ
–
stojan
stojands
sokjau
sokjais
sokjai
–
–
sokjaima
sokjaiþ
sokjaina
sokei
sokjadau
–
sokjam
sokeiþ
–
sokjan
sokjands
nasjada
nasjaza
nasjanda
nasjaidau
nasjaizau
nasjaindau
passiv
präsens
stojada
sokjada
stojaza
sokjaza
stojanda
sokjanda
stojaidau
sokjaidau
stojaizau
sokjaizau
stojaindau sokjaindau
salbo
salbos
salbo
–
–
salboma
salboþ
salbona
salbo
–
–
–
salboþ
–
salbon
salbonds
habau
habais
habai
–
–
habaima
habaiþ
habaina
habai
–
–
–
habaiþ
habandau
haban
habands
salboda
–
salbonda
salbodau
–
salbondau
habada
–
habanda
habaidau
habaizau
habaindau
fullnau
–
fullnai
–
–
fullnaima
fullnaiþ
fullnaina
fulln
–
–
–
–
–
fullnan
fullnands
1. Wie nasjan gehen u.a. noch: hazjan ‚loben‘, hugjan ‚denken‘, huljan ‚verhüllen‘, lagjan
‚legen‘, satjan* ‚setzen‘, ga-tamjan ‚zähmen‘, uf-þanjan* ‚ausdehnen‘, us-wakjan*
‚aufwecken‘, waljan* ‚wählen‘, warjan* ‚wehren‘, wasjan* ‚kleiden‘.
2. Wie stojan gehen u.a. noch: ana-niujan* ‚erneuern‘, ga-qiujan* ‚lebendig machen‘, siujan*
‚nähen‘, straujan* ‚streuen‘, taujan ‚tun‘.
3. Wie sokjan gehen u.a. noch: andbahtjan ‚dienen‘, glitmunjan* ‚glänzen‘, haurnjan* ‚das
Horn blasen‘, hausjan ‚hören‘, hnaiwjan* ‚erniedrigen‘, hrainjan* ‚reinigen‘, meljan
‚schreiben‘, merjan ‚verkünden‘, siponjan* ‚Schüler sein‘.
4. Wie salbon gehen u.a. noch: faginon ‚sich freuen‘, fraujinon ‚herrschen‘, idreigon*
‚bereuen‘, karon* ‚sorgen‘, miton ‚denken‘, ga-paidon* ‚bekleiden‘, reikinon ‚Herr sein‘,
skalkinon ‚Knecht sein‘, sunjon* ‚entschuldigen‘, þiudanon ‚König sein‘.
5. Wie haban gehen u.a. noch: fijan ‚hassen‘, hahan* ‚hangen‘, liban ‚leben‘, liugan ‚heiraten‘,
saurgan ‚sorgen‘, ana-silan ‚still werden‘, trauan ‚trauen‘, þahan* ‚schweigen‘, þulan
‚dulden‘.
6. Wie fullnan* gehen u.a. noch: and-bundnan ‚sich lösen‘, ga-dauþnan ‚sterben‘,
ga-frisahtnan* ‚gebildet werden‘, mikilnan ‚groß werden‘, fra-qistnan* ‚umkommen‘,
ga-skaidnan* ‚sich scheiden‘, dis-skritnan ‚zerreißen‘, ga-wairþnan ‚sich versöhnen‘,
ga-waknan* ‚erwachen‘.
[182]
Die Endungen im Präsens sind prinzipiell dieselben wie bei den starken Verben. Die
Unterschiede erklären sich durch das Zusammenspiel zwischen stammbildendes Element und Endung.
3.2.3. Die besonderen Verbalbildungen
3.2.3.1. Präteritopräsentien
Bei den meisten handelt es sich formal um ehemalige urindogermanische
Perfektbildungen, die wegen ihrer präsentischen Bedeutung unter Beibehaltung der Form
funktionell zu Präsentien umgedeutet wurden (vgl. uridg. perf. * ó d-h2a ‚ich habe erblickt, ich
weiß‘ > got. wait). Daher können die meisten dieser Verben nach ihrem Ablaut den Klassen der
starken Verben zugeordnet werden. Sie bilden mehrheitlich ein neues Präteritum und Partizip
Präteritum mit Dental, allerdings ohne -i-; das Präteritum wird wie ein schwaches Präteritum
flektiert wird.
1. Klasse 1:
• wait ‚ich weiß‘, 1.pl. witum, opt.präs. witjau, ind.prät. wissa, opt.prät. wissedjau, part.präs.
witands, inf. witan (< urgerm. * a t : * itum : * issōn; vgl. ahd. weiz : wizzum : wissa/wista;
as. witan : wēt : witun : wissa; aengl. wāt : witon : wisse/wiste; aisl. veit : vitom : vissa).
• lais ‚ich weiß‘ (nur in dieser Form Phil 4,12B [2x] belegt) (< urgerm. *la s).
2. Klasse 2:
• daug ‚es nützt‘ (nur in dieser Form 1.KorA 10:23, 2.TimB 2:14) (< urgerm. *đa ǥ : *đuǥum
: *đuχtōn; vgl. ahd. toug : tugum : tohta; as. *dugan : dōg : dugun : *dohta; aengl. dēag :
dugon : dohte).
3. Klasse 3:
• kann ‚ich weiss, kenne‘, 1.pl. kunnum, opt.präs. kunnjau, opt.prät. kunþa, ind.prät.
kunþedjau, part.prät. (adj.) kunþs, inf. kunnan, part.präs. kunnands (< urgerm. *kann :
*kunnum : *kunþōn; vgl. ahd. kann : kunnum : konda; as. *kunnan : kann : kunnen : konsta;
aengl. can[n] : cunnon : cūðe; aisl. kann : kunnom : kunna).
• þarf ‚ich bedarf, habe nötig‘, 1.plur. þaurbum, opt.präs. (1.pl.) þaurbeima, ind.prät. þaurfta,
part.prät. (adj.) þaurfts, part.präs. þaurbands (< urgerm. *þarf : *þurƀum : *þurftōn; vgl. ahd.
darf : durfum : dorfta; as. *thurƀan : tharf : thurƀun : thorfta; aengl. þearf : þurfon : þorfte;
aisl. þarf : þurfom : þurfta).
[183]
• ga-dars ‚ich wage‘, 1.pl. ga-daursum, opt.präs. ga-daursjau, ind.prät. ga-daursta, inf.
ga-daursan (< urgerm. *đarz : *đurzum : *đurstōn; vgl. ahd. gi-tar : gi-turrum : gi-torsta;
as. *durran : gi-dar : *durrun : gi-dorsta; aengl. dear[r] : durron : dorste).
4. Klasse 4:
• skal ‚ich soll‘, 1.pl. skulum, opt.präs. skuljau, ind.prät. skulda, opt.prät. -skuldedi, part.prät.
(adj.) skulds (< urgerm. *skal : *skulum : *skulđōn; vgl. ahd. skal : skulum : skolta; as.
*skulan : skal : skulun : skolda; aengl. sceal : sculon : sc[e]olde; aisl. skal : skolom : skylda).
• man ‚ich meine‘, 2.pl. -munuþ, opt.präs. -muni, ind.prät. munda, part.prät. munds,
inf. -munan, part.präs. munands (< urgerm. *man : *munum : *mund/þōn; vgl. as. *[-]munan:
[-]man : *[-]munun : [-]munsta; aengl. man : munon : munde; aisl. man : munom : munþa).
• ga-nah ‚es genügt‘, bi-nah ‚es darf, muss‘; nur unpersönlich 3.sg.; dazu nur noch part.prät.n.
bi-nauht (1.KorA 10:23) und das Adj. bi-uhts ‚gewohnt‘ (< urgerm. *naχ).
5. Klasse 5: Ohne Beleg.
6. Klasse 6:
• ga-mot ‚er findet Raum‘, 1.pl. motum*, opt.präs. (1.pl.) ga-moteima, Prät. (3.pl.)
ga-mostedun (< urgerm. *mōt : *mōtum : *mōstōn; vgl. ahd. muoz : muozun : muosa; as.
*mōtan : mōt : mōtun : mōsta; aengl. mōt : mōton : mōste).
• og ‚ich fürchte‘, 1.pl. ogum*, opt.präs. (2.sg.) ogeis, ind.prät. ohta, part.präs. ogands (<
urgerm. *ōǥ).
Außerhalb der Ablautreihen stehen folgende zwei Verben:
• mag ‚ich kann‘, 1.pl. magum, opt.präs. magjau, ind.prät. mahta, opt.prät. mahtedi, part.prät.
mahts, part.präs. magands (< urgerm. *maǥ : *maǥum : *maχtōn; vgl. ahd. mag : ma/ugum :
ma/ohta; as. *mugan : mag/mah : mugun : ma/ohta; aengl. mæg : magon : meahte; aisl. má
: megom : mátta).
• aih ‚ich habe‘, 1.pl. aigum und aihum, opt.präs. (3.sg.) aigi, ind.prät. (3.sg.) aihta, opt.prät.
(2.sg.) aihtedeis, part.präs. aigands neben aihands*, inf. -aihan (< urgerm. *a χ : *a ǥum :
*a χtōn; vgl. ahd. – : eigun : –; as. ēgan : *ēh : ēgun : ēhta; aengl. āg : āgon : āhte; aisl. á :
eigom : átta).
3.2.3.2. Die Verben ‚sein‘, ‚wollen‘ und ‚gehen‘
• Das Verb ‚sein‘ bildet nur den Indikitab und Optativ Präsens von der Wurzel uridg. *h1es- /
*h1s- > urgerm. *es- / *s- ‚sein‘; die Flexion ist athematisch, d.h. dass sich zwischen
[184]
Verbalstamm und Endungen keinen Themavokal findet. Für alle anderen Formen tritt
suppletiv das starke Verb der Klasse 5 wisan ‚sein‘. Ein Partizip Präteritum kommt nicht
vor. Paradigma:
sg.
du.
pl.
1.
2.
3.
1.
2.
1.
2.
3.
inf.
part.
sg.
…
präsens
ind.
opt.
im
sijau
is
sijais
ist
sijai
siju
–
–
–
sijum sijaima
sijuþ sijaiþ
sind sijaina
wisan
wisands
präteritum
ind.
1. was
2. wast
3. wast
… usw.
opt.
wesjau
weseis
wesi
usw.
Historische Eklärung der Formen:
Präs.Ind.:
• Singular: 1. got. im < urgerm. *ezmi (vgl. aengl. eom, aisl. em [dagegen kontaminiert in ahd. b-im,
as. biu-m, aengl. bēo-m]). 2. got. is < urgerm. *ezi (vgl. aengl. eart, aisl. er-t [mit e- nach der 1.
Singular und -t nach den Präteritopräsentien]). 3. got. ist < urgerm. *esti (vgl. ahd. ist, as. is[t], aengl.
is, aisl. es [mit e- nach der 1. Singular und Verlust von -t wegen Unbetontheit]).
• Plural: 3. got. sind < urgerm. *senđi (vgl. ahd. sint, as., aengl. sind [dagegen (analogisch nach der 1.
Plural) aisl. ero]). Vielleicht von der 3.pl.ind.präs. sind aus wurde dann ein Verbalstamm
si- reanalysiert (analogisch nach bair-a-nd : si-nd), der als Grundlage für die restlichen Formen
diente.
• Das Präsens des Verbs ‚wollen‘ ist historisch gesehen ein Optativ der Verbalwurzel uridg.
* elh1- ‚(aus)wählen‘, und zwar nach der Art des athematischen Optativs Präteritum der
starken und schwachen Verben. Das schwache Präteritum flektiert wie nasida*, ist jedoch
ohne Vokal -i- gebildet. Ein Partizip Präteritum existiert nicht. Paradigma:
sg.
Präsens
1.
wiljau
2.
wileis
3.
wili
[185]
–
wileits
wileima
wileiþ
wileina
wiljan
wiljands
du. 1.
2.
pl. 1.
2.
3.
inf.
part.
ind.
opt.
Präteritum
sg. 1./3. wilda
pl. 1.
wildedum
2.
wildeduþ
3.
wildedun
sg. 3.
wildedi
pl. 2.
wildedeiþ
• Das Verb gaggan ‚gehen‘, das nach der Form des Präsens und des Partizips Präteritum (nur
us-gaggana [Mk 7:30]) sowie nach Ausweis der anderen germanischen Sprachen ein
reduplizierendes Verb war, hat einmal ein schwaches Präteritum gaggida (Lk 19:12).
Gewöhnlich ist das Präteritum zu gaggan jedoch durch die Suppletivform iddja ‚ich ging‘
vertreten, das wie ein schwaches Präteritum flektiert (also 1./3.sg. iddja, 1.pl. iddjedum,
3.pl.opt. -iddjedeina etc.).
Die Suppletionsformen gehen letztendlich auf die Verbalwurzel uridg. *h1e - ‚gehen‘ zurück.
3.3.
Unflektierbare Wörter
Zu den Adjektivadverbien s. 3.1.3.5.
3.3.1. Präpositionen, Präfixe
Die gotischen Präpositionen regieren einen Kasus (Dativ oder Akkusativ) oder zwei
Kasus (Dativ und Akkusativ). Nur bei in kommen drei Kasus (Genitiv, Dativ und Akkusativ)
vor. Der Genitiv erscheint sonst nur bei adverbialen Präpositionen.
• Präpositionen mit dem Dativ: af ‚von‘, alja ‚außer‘, andwairþis ‚gegenüber‘, du ‚zu‘, fairra
‚fern von‘, faura ‚vor‘, fram ‚von, von – her‘, miþ ‚mit‘, neƕa ‚nahe bei‘, undaro ‚unter‘, us
‚aus, von – weg‘.
• Präpositionen mit dem Akkusativ: and ‚entlang, an – hin‘, faur ‚vor, für‘, inu(h) ‚ohne‘, neƕ
‚nahe an‘, þairh ‚durch‘, undar ‚unter‘, wiþra ‚gegen, vor, bei‘.
[186]
• Präpositionen mit Dativ und Akkusativ: afar ‚nach‘ (der Akkusativ nur temporal), at ‚bei,
zu‘ (der Akkusativ nur temporal), ana ‚auf‘, bi ‚bei, um‘, hindar ‚hinter, über‘, uf ‚unter‘,
ufar ‚über‘, und mit Dativ ‚um, für‘, mit Akkusativ ‚bis, zu‘.
• Den Genitiv regieren die adverbialen Präpositionen: hindana ‚hinter, jenseits‘, innana
‚innerhalb‘, utana, utaþro ‚außerhalb‘; den Genitiv und Dativ regiert: ufaro ‚über‘.
• Den Genitiv, Dativ und Akkusativ regiert: in mit Genitiv ‚wegen‘, mit Dativ/Akkusativ ‚in,
auf, an‘.
Ein Instrumental steht bei bi und du in den Adverbien: biþe(h) ‚danach‘, biƕe ‚woran‘, duþe
‚dazu‘, duƕe ‚wozu‘.
Nur in Zusammensetzung, meist verbaler Art, stehen: dis- ‚zer‘, fair- ‚ver-‘, fra- ‚ver-‘,
ga- ‚ge-‘, twis- ‚auseinander‘.
3.3.2. Konjunktionen
Das Gotische kennt folgende Konjunktionen:
• Kopulative: jah oder enklitisches -(u)h ‚und‘, jah – jah ‚sowohl – als auch‘, nih, jah ni ‚und
nicht, auch nicht‘, ni(h) – ni(h) ‚weder – noch‘.
• Disjunktive: aiþþau ‚oder‘, andizuh – aiþþau ‚entweder – oder‘, jaþþe – jaþþe ‚sei es dass
– oder‘, þau(h) ‚oder‘.
• Adversative: aþþan, abgeschwächt iþ, iþ – uh, þan ‚aber‘, aþþan (raihtis, auk, þan) – iþ
(þan, aþþan) ‚zwar – aber‘, ak ‚sondern‘, akei ‚aber (doch)‘.
• Konsekutive: aþþan, eiþan, þannu, þanuh, þaruh ‚folglich, daher, also‘, swaei, swe, swaswe
‚so daß‘.
• Kausale: auh, allis, raihtis (meist nicht an erster Stelle im Satz) ‚denn, nämlich‘, unte ‚denn,
weil‘.
• Interrogative: niu ‚nicht?‘, enklitisches -u (Fragepartikel), an nuh ‚also doch?‘, þau ‚etwa‘,
nibai ‚ob nicht?‘, hwaiwa ‚wie‘.
• Finale: þatei, þei, ei ‚daß, damit‘.
• Als Einleitung von dass-Sätzen: þatei, þei, seltener ei.
• Konditionale: jabai, þande ‚wenn‘, niba(i) ‚wenn nicht‘.
• Temporale: þan, biþe, swe ‚als, da, wann‘, biþe, afar þatei ‚nachdem‘, miþþanei ‚während‘,
sunsei ‚sobald als‘, unte, þande, und patei ‚bis (dass), solange als‘.
[187]
• Komparative: swe ‚wie‘, swaswe ‚so wie‘, swe (swaswe) – swa(h), swa jah ‚wie – so auch‘.
• Konzessive: sweþauh ‚zwar, doch‘, sweþauh ei, þauhjabai, (jah) jabai ‚obgleich, wenn
auch‘.
3.3.3. Interjektionen
In gotischen Texten kommen vor: o ‚oh‘, sai ‚sieh‘, wai ‚wehe‘, hiri ‚hierher‘, du.
hirjats, pl. hirjiþ, das wie ein Imperativ flektiert.
[188]
Liste der in den Texten etymologisch behandelten Wörter
aba Lk 1:27
abraba Mk 16:4
abrs Mk 16:4
af Mt 6:13
afaikan Mt 26:72
afar Mt 8:1
afarsabbato* Mk 16:2
afguþs* Sk 4:4
afhrisjan* Lk 9:5
aflageins* Mk 1:4
aflet* Sk 3:3
aflifnan* Joh 6:12
afsateins* Mk 10:3
afstass 2.Thess 2:3
aftra Mt 26:72
aggilus Lk 1:26
aggwiþa 2.Thess 1:6
aggwus* 2.Thess 1:6
agis Lk 2:9
agisleiks* Bon 1:2
aglaitgastalds Tit 1:7
agljan* Mk 16:18
aglo 2.Thess 1:4
aglus* Mk 16:18
aha 2.Thess 2:2
ahaks Lk 3:22
ahma Joh 11:33
ahmeins* Sk 3:2
aƕa Mk 1:5
aiffaþa Mk 7:34
aikklesjo 2.Thess 1:1
ainfalþaba Sk 3:3
ainfalþs* Sk 3:3
ainƕarjizuh 2.Thess 1:3
ainƕaþaruh* Sk 3:1
ainlif* Mk 16:14
ains Mt 26:69
ainshun Joh 13:28
aipiskaupus Tit 1:7
aipistaule 2.Thess inc
aipistula* Neh 6:17
air Mk 16:2
airkns Bon 1:1
airþa Mt 6:10
airþakunds*
airþeins Sk 4:4
airus Bon 1:1
aiþei Mk 10:7
aiþs* Mt 26:72
aiþþau Joh 6:19
aiw Joh 11:26
aiwaggelista Sk 3:1
aiwaggeljo Mk 1:1
aiweins* 2.Thess 1:9
aiws* Mt 6:13
ajukduþs* Lk 1:33
ak Mt 6:13
akei Joh 6:9
akeit(s)* Mk 15:36
akrs Mk 15:21
alakjo Mk 16:15
alamoþs* (-d-) Urk 1:1
alan* Mt 8:32
aldumo* Lk 1:36
alhs Mk 14:58
allis Mk 15:14
alls Mt 8:32
allwaldands Bon 2:1
alþeis Lk 1:36
amen Mt 6:13
an Joh 18:37
ana Mt 6:10
anabiudan* Mt 8:4
anabusns Mk 10:5
anafilh* 2.Thess 3:6
anaks Lk 2:13
anakumbjan Joh 6:10
anananþjan* Mk 15:43
anastodeins Mk 1:1
anastodjan* 2.Thess inc
and Mt 8:32
andanahti Mk 15:42
andanemeigs Tit 1:9
andasets* Tit 1:16
andaþahts Tit 1:8
andbahtjan Mk 15:41
andbahts Joh 18:3
andbundnan* Mk 7:35
andeis Lk 1:33
andhuleins* 2.Thess 1:7
andwairþi Lk 5:12
ansts Lk 1:28
anþar Mt 26:71
apaustaulus Lk 9:1
arbaiþs 2.Thess 3:8
arka* Joh 13:29
armaleiko Bon 1:1
arms* Bon 1:1
aromata Mk 16:1
arwjo 2.Thess 3:8
asans Mk 1:20
asneis Mk 1:20
at Joh 11:45
atgaraihtjan* Tit 1:5
atta Mt 6:9
atwalwjan* Mk 15:46
aþþan Mt 9:6
audags Bon 1:1
audahafts* Lk 1:28
augjan* Mt 8:4
augo Joh 6:5
auhjodus* Mk 15:7
auhjon* Mk 15:7
auhns* Bon 1:2
auhsa Bon 2:2
auhumists Joh 18:10
auk Mt 26:73
aukan* Sk 4:2
aurali* Joh 11:44
aurtigards Joh 18:1
auso Joh 18:10
auþida* Lk 5:16
auþs* / auþeis* Lk 9:10
auzandil<s> Bon 2:1
awiliudon Joh 6:11
awiliuþ Joh 6:11
azets* Mt 9:5
azgo* Sk 3:3
badi* Lk 5:19
bagms Mk 8:24
bai Sk 3:1
bairan Mt 8:4
bairan Mt 9:2
bairgan* Bon 1:1
bairhtaba Mk 8:25
bairhts* Mk 8:25
baitraba Mt 26:75
baitrs* Mt 26:75
bajoþs Sk 3:1
balgs* Lk 9:3
baljon* Bon 1:2
balsan Joh 11:2
balwjan Mt 8:29
bandi Mk 7:35
bandja Mk 15:6
bandwjan* Joh 13:24
bandwjan* Mt 26:73
bandwo 2.Thess 3:17
barizeins* Joh 6:9
barms* Joh 13:23
barn Lk 2:12
barnilo Mt 9:2
bauan Bon 1:1
baur* Lk 2:7
baurgs Mt 8:33
baurgswaddjus Neh 5:16
[189]
bauþs Mk 7:32
beidan Mk 15:43
bi Mt 8:33
bibaurgeins* Sk 3:3
bidjan Mt 6:9
bigairdan* Mk 1:6
bigitan Joh 11:17
bihaitja Tit 1:7
bikunþjan* Bon 1:1
bilaibjan* Joh 6:12
bimait Tit 1:10
binauhan* Joh 6:7
bindan* Joh 11:44
birunains* Sk 3:1
bisauljan* Joh 18:28
bisauljan* Tit 1:15
bisaulnan* Joh 18:28
bisunjane Lk 9:12
biswairban* Joh 11:2
biþe Joh 6:12
biugan* Mk 15:46
biuhti Joh 18:39
biuhts Mk 10:1
biuþs* Neh 5:17
biwaibjan* Mk 16:5
blandan 2.Thess 3:14
bleiþs Tit 1:8
bliggwan* Joh 19:1
blinds Joh 11:37
blotinassus* 2.Thess 2:4
boka Mk 10:3
boka Mt 9:3
bokareis Mt 9:3
briggan Mt 6:13
brikan* Lk 9:16
brinnan* Bon 1:2
broþar Joh 6:8
brukjan Sk 3:2
bruks Sk 4:2
bugjan Joh 6:5
bugjan* Mk 15:46
dagands* Bon 2:2
dags Mt 6:11
dailjan Joh 6:11
dails* Joh 6:11
daimonareis Mt 8:28
dalaþ Mt 8:1
dals* / dal* Mt 8:1
dauhtar Neh 6:18
daupeins Mk 1:4
daupjan Joh 13:26
daur Mt 26:71
dauþjan* Mk 14:55
dauþs Joh 11:39
dauþus Joh 11:4
diakon Urk 1:1
digan* (deigan*?) Bon 2:2
disskreitan* Mk 14:63
disskritnan* Mk 15:38
diups* Joh 13:26
domjan Mt 26:74
doms Mt 26:74
dragan* Bon 2:1
dragkjan* Mk 15:36
draushna* Joh 6:12
drigkan Joh 18:11
driugan* Joh 19:2
driusan* Joh 11:32
driuso* Mt 8:32
drobjan* Mk 15:7
drobnan 2.Thess 2:2
du Mt 8:4
duginnan* Mt 26:74
duƕe Mt 9:4
dulþs Joh 6:4
duþe Lk 1:35
ei Mt 8:4
eiþan Sk 3:2
fadar* Lk 2:4
fadrein Lk 2:4
faginon Joh 11:15
faian* Neh 6:16
faihu Tit 1:11
faihugairns* Tit 1:11
faihugairns* Tit 1:11
fairguni Mt 8:1
fairƕus Joh 11:9
fairina* Joh 18:38
fairinon* Tit 1:6
fairjan* Bon 2:2
fairlet Bon 1:2
fairra Mt 8:30
fairraþro Mk 14:54
falþan* Sk 3:3
faran* Joh 6:19
farjan* Joh 6:19
farw* Mk 16:12
faskja* / faski* Joh 11:44
fastan Lk 2:19
faur Mt 8:29
faura Mt 26:69
fauragaggja Tit 1:7
faurahah Mk 15:38
fauramaþleis Neh 5:14
fauramaþli* Neh 5:14
faurhtjan* Mt 8:26
faurhts* Mt 8:26
faurþis 2.Thess 2:3
fi(j)an Neh 6:16
fidurdogs Joh 11:39
fidwor Joh 11:17
figgrs* Mk 7:33
fijands Neh 6:16
filaus Sk 3:4
filhan Joh 18:35
filleins* Mk 1:6
filu Mt 8:28
filusna* Neh 5:18
fimf Joh 6:10
fimftaihun* Joh 11:18
finþan* Lk 9:11
fiskja* Mk 1:16
fisks* Joh 6:9
fodr* Joh 18:11
fon 2.Thess 1:8
fotus Joh 11:2
frabauhtaboka* Urk 2:1
fragifts* Lk 1:27
fragildan* Lk 2:2
fraihnan Joh 13:24
fraisan* Mt 6:13
fraistubni* Mt 6:13
fraliusan* 2.Thess 1:9
fralusts 2.Thess 1:9
fram Mt 8:24
framis Mk 1:19
fraqistnan Mt 8:25
fraslindan Bon 1:2
fraþjan Bon 2:2
frauja Mt 8:2
fraujinon Neh 5:15
frawardjan* Bon 1:1
frawaurhts Bon 1:1
frawaurhts Mt 9:2
fraweit 2.Thess 1:8
freis Joh 11:3
fri(j)aþwa 2.Thess 1:3
frijon Joh 11:3
frijonds Joh 11:11
frisahts 2.Thess 3:9
froþs Bon 2:1
fruma Mk 15:42
frumabaur Lk 2:7
frumists Lk 2:2
fulhsni* Sk 4:4
fullafahjan Mk 15:15
fulljan* 2.Thess 1:11
fullnan* Joh 6:13
fulls Lk 5:12
fuls Joh 11:39
gabairan Joh 18:37
gabaurjaba Mk 14:65
gabrannjan* Sk 3:3
gabruka* Joh 6:13
gadaban Sk 3:3
gadauþnan Mt 8:32
gadraban* Mk 15:46
gadrauhts Joh 19:2
[190]
gafaurds Mk 14:55
gaggan Mt 8:4
gagrefts Lk 2:1
gagudei Tit 1:1
+
gaguþs Mk 15:43
gahlaiba* Joh 11:16
gahraineins* Lk 5:14
gaƕairbs* Tit 1:6
gairda* Mk 1:6
gaits Neh 5:18
galaubeins Mt 9:2
galaubeins* Tit 1:6
galaubjan Mt 8:26
galeikon 2.Thess 3:7
galeiks Bon 2:1
galga Mk 15:21
galiug* Mk 14:56
gamains Tit 1:4
gamaurþjan* Bon 1:1
gamotjan Mt 8:28
ganaitjan* Lk 5:21
ganauhan* Joh 6:7
ganisan Mk 16:16
ganohs* Joh 6:7
gaqumþs* 2.Thess 2:1
garaihtaba Sk 3:2
garaihtei Sk 4:3
garaihtjan 2.Thess 3:5
garaihts 2.Thess 1:5
garaiþs* Sk 3:3
gards Mt 9:6
garehsns Sk 3:1
gaskafts Mk 10:6
gaskapjan* Mk 10:6
gaskeirjan* Mk 15:22
gastaldan Neh 5:16
+
gastigoþs Tit 1:8
gastojans* 2.Thess 3:2
gasts Tit 1:8
gaswogjan* Mk 7:34
gatairan Mk 14:58
gatarhjan 2.Thess 3:14
gateihan* Mt 8:33
gatewjan* 2.Thess 3:7
gaþaurbs Tit 1:8
gaþlahsnan* Lk 1:29
gaþlaihan Tit 1:9
gaþlaihts* 2.Thess 2:16
gatiman* Mk 14:58
gaumjan Joh 6:5
gawairþi Lk 2:14
gawargeins* Bon 1:2
gawargjan* Bon 2:1
gawaurstwa Mk 16:20
gawi* Mt 8:28
gawidan* Mk 10:9
giba Mt 8:4
giban Mt 6:11
gilstr* Lk 2:2
gilstrameleins Lk 2:2
goleins Lk 1:29
goljan Mk 15:18
goþs Lk 2:14
graban Mk 15:46
greipan Mk 8:23
gretan Mt 26:75
gudja Mt 8:4
guma Neh 5:17
gumein* Mk 10:6
guþ Mt 8:29
haban Mt 8:2
hafjan* Joh 6:5
hahan* Mk 15:38
haidus* 2.Thess 2:3
haifsts* Sk 4:4
hailjan Lk 5:17
hails Joh 11:12
haims* Joh 11:1
hairda Mt 8:30
hairdeis Lk 2:8
hairto Mt 9:4
hairus Joh 18:10
hais* Joh 18:3
haitan Joh 11:16
haiþi* Mk 1:6
haiþiwisks* Mk 1:6
haldan Mt 8:30
haldis Sk 4:4
hana Mt 26:74
handus Mt 8:3
handuwaurhts* Mk 14:58
hansa Joh 18:3
harduhairtei* Mk 10:5
hardus Mk 10:5
harjis Lk 2:13
haubiþ Joh 19:2
hauheins Joh 11:4
hauhhairtei Bon 2:1
hauhhairts Tit 1:7
hauhisti* Lk 2:14
hauhjan Joh 11:4
hauhs* Lk 1:32
haunjan Bon 2:1
hauns Bon 2:1
hausjan Mt 8:27
hausjon Lk 5:15
hawi Joh 6:10
hazjan Lk 2:13
her Mt 8:29
hi-* Mt 6:11
hilpan Kr 1:2
himinakunds* Lk 2:13
himins Mt 6:9
hindar Mt 8:28
hiri Joh 11:34
hiuhma Lk 5:15
hiwi* Bon 2:2
hlaifs Mt 6:11
hlaiw Joh 11:17
hlaiwasna* Mt 8:28
hlauts Mk 15:24
hleiduma* Mk 15:27
hliuma Mk 7:35
hneiwan Lk 9:12
horinon Mk 10:11
hors Mk 10:11
hrainei Sk 3:2
hraineins* Sk 3:2
hrainjan* Mt 8:2
hrains Mt 8:3
hramjan* Mk 15:13
hropjan Mt 8:29
hrops Mt 8:29
hrot Lk 5:19
hrukjan* Mt 26:74
hruks* / hruk* Mt 26:75
hugjan* Joh 11:13
hugs* Joh 11:13
huljan Mk 14:65
hulundi Joh 11:38
hunda Joh 6:7
hundafaþs Mk 15:39
hups* Mk 1:6
hus* Urk 2:1
hwssopo* Sk 3:3
ƕad Joh 13:36
ƕairban* 2.Thess 3:6
ƕairnei Mk 15:22
ƕaiwa Joh 11:36
ƕan Mk 7:36
ƕar Joh 11:34
ƕarbon* Mk 1:16
ƕarjis Joh 13:22
ƕarjizuh Joh 6:7
ƕas Mt 8:26
ƕashun 2.Thess 2:3
ƕassaba Tit 1:13
ƕaþar Mt 9:5
ƕaþro Joh 6:5
ƕazuh Joh 11:26
ƕeila Joh 11:9
ƕeits* Mk 16:5
ƕileiks Mt 8:27
ƕopan 2.Thess 1:4
ibuks* Joh 18:6
idreiga* Mk 1:4
idweit* Mk 15:32
idweitjan Mk 15:32
[191]
ik Joh 6:20
in Mt 6:9
ingif* Mk 16:18
inkilþo Lk 1:36
inn Lk 1:28
innana Mk 15:16
innatgahts* Lk 1:29
innaþro Bon 2:2
inrauhtjan* Joh 11:33
inswinþjan Neh 5:16
inweitan* Mt 8:2
inwidan* Mt 26:75
is Mt 8:24
ist Mt 6:13
itan Lk 2:7
iþ Mt 8:24
iumjo* Mt 8:1
iup Joh 11:41
iupaþro Mk 15:38
iusila 2.Thess 1:7
izei Joh 11:37
izwar Mt 9:4
ja Joh 11:27
ja Mt 6:10
jabai Mt 8:2
jah Mt 6:10
jai Joh 11:27
jainar Mt 26:71
jaind Joh 11:8
jaindwairþs Joh 18:3
jains Mt 8:28
jainþro Mk 1:19
jaþþe Sk 4:3
jer* Neh 5:14
jiuhts* Bon 2:2
ju Joh 11:39
judaiwisks Tit 1:14
juggalauþs Mk 16:5
juggs* Mk 16:5
juk* Bon 2:2
jus Mt 6:9
juþan Joh 6:17
jûþan Mk 15:44
kaisar* Lk 2:1
kalbo* Sk 3:3
kannjan Sk 4:2
karkara* Sk 3:1
kaupatjan Mk 14:65
kaurjan* Neh 5:15
kaurs* / kaurus* Neh 5:15
kawtsjo* Urk 1:1
kilþei* Lk 1:31
kindins Lk 2:2
kiusan* Tit 1:16
kniu* Mk 15:19
kubitus* Lk 9:14
kuni Bon 1:1
kunnan Mt 26:72
kunþi Sk 4:2
kunþs Sk 4:2
lagjan Joh 11:34
laikan* Mk 15:20
laisareis Joh 11:28
laiseins Tit 1:9
laisjan Lk 5:17
laistjan Mt 8:1
laists* Mt 8:1
laiwa* / laiwo* Bon 1:2
lamb* Neh 5:18
land* Lk 2:8
lats* Tit 1:12
laþon 2.Thess 1:11
laþons 2.Thess 1:11
laugnjan* Mt 26:70
lauhmuni 2.Thess 1:8
laus Mt 6:13
lausawaurds* Tit 1:10
lausjan Mt 6:13
leik Lk 3:22
leikains* 2.Thess 1:11
leikan* Lk 3:22
lein* Mk 15:46
leitils Mt 8:26
lekeis Lk 5:15
lekinassus* Lk 9:11
+
lekinon Lk 5:15
letan* Joh 11:44
lewjan* Joh 13:21
lews* / lew* Joh 13:21
libains Joh 11:25
liban Joh 11:25
ligan* Mt 9:2
ligrs* Mt 9:2
lisan* Joh 6:12
liþus Mt 9:2
liudan* Mk 16:5
liufs Lk 3:22
liuga* Mk 10:12
liugan Mk 10:12
liugan* Mk 10:11
liugnja Tit 1:12
liuhaþ Joh 11:9
liuþ* Bon 2:1
liuts Tit 1:10
lofa* Joh 19:3
luton* Tit 1:10
magan* Mt 8:2
magaþs Lk 1:27
magula Joh 6:9
magus Bon 1:2
mahteigs Tit 1:9
mahts Mt 6:13
maidjan* Sk 3:2
mais Lk 5:15
maists Joh 18:26
maitan* Joh 18:10
malan* Lk 9:5
managnan* 2.Thess 1:3
manags* Mt 8:1
manaseþs Joh 6:14
manna Mt 8:2
mannahun Mk 8:26
manwjan Mk 1:3
manwus Bon 1:2
marei Mt 8:24
marka Mt 8:34
maþl* Neh 5:14
maþljan* Neh 5:14
matibalgs* Lk 9:3
matjan Joh 6:5
mats Lk 9:12
maurgins Joh 18:28
maurþr* Mk 15:7
megs Neh 6:18
meins Joh 11:21
mel Mt 8:29
mela Lk 2:1
meljan Lk 2:1
mena Lk 1:26
menoþs Lk 1:26
mereins* Tit 1:3
merjan Lk 9:2
midjaweipains Bon 1:2
midjis* Lk 5:19
midjungards* Lk 2:1
miduma* Sk 3:4
mikilduþs Sk 4:2
mikilei* Sk 4:4
mikiljan* Mt 9:8
mikils Mt 8:24
milhma Mk 14:62
miliþ* Mk 1:6
mins Mk 15:40
minznan Sk 4:1
+
missadeþs Sk 3:2
misso Joh 13:22
mitan* Mt 9:4
+
mitaþs Bon 1:2
miþ Mt 26:69
miþþanei Lk 2:6
miþwissei Tit 1:15
miton* Mt 9:4
mitons Mt 9:4
moþs* Urk 1:1
mulda* Lk 9:5
munan* Joh 6:15
munan* Mt 26:75
munþs Bon 1:2
[192]
nahts Joh 11:10
naiteins* Lk 5:21
namnjan* Lk 9:10
namo Mt 6:9
naseins Bon 1:2
nasjan Mt 8:25
nasjands Lk 2:11
nati* Mk 1:16
nauh Sk 4:1
nauhþan Joh 6:17
nauhþanuh Joh 11:30
ne Joh 18:25
neƕ Joh 6:4
neƕa Joh 6:4
neƕjan* Mk 1:15
neiþ* Mk 15:10
ni Mt 6:13
niba Lk 9:13
nih Lk 9:3
niman Mt 9:6
niþjis Joh 18:26
niþjo Lk 1:36
niu Joh 11:9
niujis Mk 16:17
niunda* Mk 15:33
niutan* Mk 1:17
nu Mt 6:9
nuh Joh 18:37
nuta* Mk 1:17
o Mk 15:29
ogan* Mt 9:8
ogjan Neh 6:19
paida* Lk 9:3
papa Urk 1:1
paraskaiwe Mk 15:42
pasxa Joh 6:4
paurpura* Mk 15:17
paurpuron* Joh 19:2
praitoriaun Joh 18:28
praizbwtairei* Tit 1:5
praufetjan* Mk 14:65
praufetus Joh 6:14
qainon Mk 16:10
qens Lk 2:5
qiman Mt 6:10
qinein* Mk 10:6
qino Lk 1:28
qistjan Joh 18:9
qiþan Mt 8:2
qius Lk 1:33
qums 2.Thess 2:1
rabbei* Joh 11:8
ragin* Lk 2:2
ragineis Mk 15:43
raginon* Lk 2:2
rahnjan* Mk 15:28
raidjan* Sk 3:3
raihtaba Mk 7:35
raihtis Mt 9:5
raihts* Mk 1:3
raþjo Joh 6:10
raus* Mk 15:19
rauþs* Sk 3:3
razda Mt 26:73
reiks Bon 1:1
reiks* / reikeis* Neh 6:17
reiro Mk 16:8
rikan* Mk 1:3
rimis 2.Thess 3:12
rinnan* Mt 8:28
rinno* Joh 18:1
riqis Joh 6:17
riurjan* Bon 1:1
riurs* Bon 1:1
rodjan Lk 2:17
rohsns* Mt 26:69
rums Lk 2:7
rums* / rum* Lk 2:7
runa Sk 3:1
runs Mt 8:32
sa Mt 8:27
sabbato Mk 15:42
saei Joh 6:9
sagqjan* Bon 2:2
saƕazuh Mk 10:11
sai Mt 8:2
saian Joh 6:14
saihs* Neh 5:18
saihsta* Lk 1:26
saiƕan Mt 8:4
saiwala Joh 13:37
saiws* Urk 1:1
sakan Mt 8:26
salbon Joh 11:2
saliþwos Joh 11:6
saljan Joh 11:6
sama Lk 2:8
samaleiko Joh 6:11
samaleiks* Mk 14:56
samana Bon 1:1
sandjan Neh 6:17
satjan* Lk 5:19
+
saþs (-d-) Joh 6:12
sauhts* Lk 5:15
sauil Mk 16:2
seins* Mt 9:1
seiþus* / seiþu Joh 6:16
sels* Bon 2:2
seþs Joh 6:14
sibja* Mk 15:28
sibun Mk 16:9
sidus Sk 3:2
siggwan Bon 2:1
sigqan* Bon 1:2
sikls* Neh 5:15
silba Mt 8:4
sildaleikjan* Mt 8:27
sildaleiknan 2.Thess 1:10
sildaleiks* Mt 8:27
silubr* Neh 5:15
sineigs Mk 14:53
sinteino Joh 11:42
sinteins* Mt 6:11
sinþs* / sinþ* Mt 26:75
siponeis Mt 8:23
sitan Mt 26:69
siukei Joh 11:4
siuks Joh 6:2
siuns Lk 3:22
skadus Lk 1:35
skaidan* Mk 10:9
skalja* Lk 5:19
skalks Joh 18:10
skaman* 2.Thess 3:14
skap* Bon 1:1
skatts Joh 6:7
skaudaraip* Mk 1:7
skeima Joh 18:3
skeinan Lk 2:9
skeirs* Sk 4:2
skilliggs* Urk 1:1
skip Mt 8:23
skohs* Mk 1:7
skohsl* Mt 8:31
skuft* Joh 11:2
skula Mt 6:12
skula* Mt 6:12
skulan* Joh 18:31
slahals Tit 1:7
slahan* Joh 18:10
slahs* Joh 19:3
sleiþs* / sleideis* Mt 8:28
slepan* Mt 8:24
sleps* Joh 11:13
smwrn* Mk 15:23
sniumjan* Lk 2:16
sniwan* Lk 2:16
sokeins Sk 3:1
sokjan Joh 11:8
spaurds* Joh 6:19
spedists* Joh 11:24
speiwan Mk 7:33
spill* Tit 1:14
spillon* Lk 2:10
sprauto Joh 11:29
staiga* Mk 1:3
stains Joh 11:8
stairo Lk 1:36
[193]
stamms* Mk 7:32
standan Mt 26:73
staþs Joh 6:10
staua 2.Thess 1:5
staua Bon 1:1
steigan* Mt 9:1
stibna Joh 11:43
stiggqan Joh 11:9
stikls Joh 18:11
stiur Neh 5:18
stiwiti* 2.Thess 1:4
stojan Joh 18:31
stols Lk 1:32
sums Mt 9:3
sundro Lk 9:10
sunja Mt 26:73
sunjeins Tit 1:13
sunno Mk 16:2
suns Mt 8:3
sunsaiw Joh 6:21
sunsei Joh 11:20
sunus Mt 8:29
swa Mt 6:9
swaei 2.Thess 1:4
swalauþs Sk 4:2
swaleiks Mt 9:8
swamms* Mk 15:36
swaran Mt 26:72
sware Sk 4:2
swaswe Mt 6:12
swe Mt 6:10
swein* Mt 8:30
swes Mk 15:20
sweþauh 2.Thess 1:6
swikneins* Sk 3:2
swikns* Sk 3:2
swikunþaba Joh 11:14
swikunþs Joh 11:14
swiltan* Joh 11:14
swinþs* Mk 1:7
swistar Joh 11:1
tagl* Mk 1:6
tagr* Joh 11:35
tagrjan* Joh 11:35
taihswa* Joh 18:10
taihswa* Mk 16:5
taihun Neh 5:18
taiknjan* 2.Thess 2:4
taikns Joh 6:2
tainjo* Joh 6:13
tains* Joh 6:13
talzjan* 2.Thess 3:15
taui Bon 1:2
taujan Joh 6:2
tekan* Mt 8:3
tewa* 2.Thess 3:7
tigjus* Lk 9:14
+
timrjan Mk 14:58
tiuhan Joh 18:28
trauan 2.Thess 3:4
triggws 2.Thess 3:3
trudan Bon 1:1
tuggo Mk 7:33
tulgjan Mk 16:20
tulgus Mk 16:20
twai Mt 8:28
twalif Joh 11:9
tweihnai* Lk 9:3
þadei Joh 13:36
þagkjan Joh 13:22
þahan* Mk 14:61
þairh Mt 8:28
þan Mt 8:1
þanamais Mk 14:63
þanaseiþs Mk 10:8
þandei Lk 1:34
þannu Bon 2:1
þanuh Mt 8:26
þar Lk 9:4
þarbs* Lk 9:11
þarei Joh 11:30
þaruh Mt 9:3
þatainei Sk 4:4
þatei Mt 6:12
þaþro Joh 18:36
þaþroh Joh 11:7
þau Mt 9:5
þauh Joh 11:25
þauhjabai Sk 4:3
þaurban* Joh 13:29
þaurneins* Joh 19:5
þaurnus* Joh 19:2
þaurp* Neh 5:16
þe Sk 4:4
þei Joh 6:7
þeihan Sk 3:4
þeiƕo* Mk 3:17
þeins Mt 6:9
þinsan Bon 2:1
þishun Tit 1:10
þisƕazuh Joh 11:22
þiubjo Joh 11:28
þiuda Joh 18:35
þiudangardi Mt 6:13
þiudans Joh 6:15
þiudinassus Mt 6:10
+
þiufs Joh 11:28
þius* Neh 5:16
þiuþ Bon 1:1
þiuþeigs Mk 14:61
þiuþeins 2.Thess 1:11
þiuþjan* Lk 1:28
þiwi Mt 26:69
þliuhan Mt 8:33
þrafstjan* Mt 9:2
þragjan* Mk 15:36
þramstei* Mk 1:6
þreihan* 2.Thess 1:6
þreis* Mt 26:75
þridja Mk 15:25
þrutsfill Mt 8:2
þu Mt 6:9
þuei Bon 1:2
þugkjan* Mk 14:64
þulan 2.Thess 1:5 (A)
þusundi Joh 6:10
þwairhs Tit 1:7
ubils Mt 6:13
ubiltojis Joh 18:30
uf Bon 1:2
ufaiþs* / ufaiþeis* Neh 6:18
ufar Joh 6:1
ufarassus Mk 7:37
ufarmeli Mk 15:26
ufaro Joh 11:38
ufarranneins* Sk 3:2
ufarskadwjan* Lk 1:35
ufartrusnjan* Sk 3:3
ufgairdan* Mk 1:6
ufkunnan Lk 5:22
ufkunþi* Tit 1:1
ufrakjan* Mt 8:3
ufta Joh 18:2
-(u)h Mt 8:30
ulbandus* Mk 1:6
unbiari* Tit 1:12
unbruks* Bon 1:1
und Lk 2:15
unfaurweis* Sk 3:2
unfroþs Bon 2:1
ungafairinonds Tit 1:6
ungafairinoþs Tit 1:7
ungaƕairbs* Tit 1:6
ungakusans* Tit 1:16
ungalaubeins* Mk 16:14
ungalaubjands Tit 1:15
ungatass* 2.Thess 3:6
ungatassaba 2.Thess 3:6
ungatewiþs* 2.Thess 3:7
unhails* Lk 9:2
unhanduwaurhts* Mk 14:58
unhulþa Lk 9:1
unhulþo Lk 9:1
unkja* Urk 2:1
unkunnands Sk 4:1
+
unleþs Joh 13:29
unliugands Tit 1:2
unmahteigs Lk 1:37
[194]
unrodjands Mk 7:37
unsar Mt 6:9
unsels* Bon 2:2
unsibjis Mk 15:28
untals* 2.Thess 3:15
unte Mt 6:13
unwunnands 2.Thess 2:16
urraisjan Mt 8:25
urrannjan* Sk 3:2
urreisan Mt 8:26
us Mt 8:28
usdaudjan* Joh 18:36
usdauþs* Joh 18:36
usfilma* Lk 5:26
usfilmei Lk 5:26
usgaisjan* Mk 16:5
usgeisnan* Mk 16:5
usgildan Lk 2:2
usgrudja* 2.Thess 3:13
ushauhnan 2.Thess 1:10
usleiþan Mt 8:28
usliþa Mt 9:2
uslukan* Joh 11:37
usluknan* Lk 3:21
usmernan* Lk 5:15
usqiss* Tit 1:6
ussindo Bon 1:1
usstass Joh 11:24
usstiurei Tit 1:6
uswakjan* Joh 11:11
uswindan* Joh 19:2
ut Mt 26:75
uta Mt 26:69
utana Mk 8:23
uzanan* Mk 15:37
uzeta* Lk 2:7
wagjan 2.Thess 2:2
wahsjan Sk 4:1
wahtwo* / wahtwa* Lk 2:8
wai Mt 9:3
waian* Joh 6:18
waidedja Joh 18:40
waiht Tit 1:15
waihts Joh 6:12
waila Lk 3:22
wailadeþs* Bon 1:1
wainahs Bon 1:1
waips Joh 19:5
wair Joh 6:10
wairpan Mk 1:16
wairþ* Urk 1:1
wairþan Mt 6:10
wairþs Mk 1:7
waitei Joh 18:35
wajamerjan Mt 9:3
wakan* Lk 2:8
waldan Mt 9:6
waldufni Mt 9:6
walisa* Tit 1:4
waljan* Neh 5:18
waltjan* Tit 1:11
walus* Lk 9:3
wamba Tit 1:12
wandjan* Lk 2:20
wans* Tit 1:5
warmjan* Joh 18:25
wasjan* Joh 19:2
wasti* Joh 19:2
wato* Mt 8:32
waurd Mt 26:75
waurdahs* Sk 4:3
waurkjan Joh 6:10
waurms Mk 16:18
waurstw Neh 5:16
wegs Mt 8:24
weiha Sk 4:4
weihnan* Mt 6:9
weihs Lk 1:35
weihs* Joh 11:30
wein Mk 15:23
weipan* Joh 19:2
weis Mt 6:12
weitwodei 2.Thess 1:10
weitwodiþa Mt 8:4
weitwodjan* Joh 13:21
weitwoþs* Mk 14:63
wenjan* Bon 1:2
wens 2.Thess 2:16
wepn* Joh 18:3
+
wigan Mt 8:24
wigs Mt 8:28
wilja Mt 6:10
wiljan Mt 8:2
wilþeis Mk 1:6
wilwan Joh 6:15
winds Mt 8:26
winnan 2.Thess 1:5 (B)
wipja* Joh 19:2
wis Mt 8:26
wists* Sk 4:3
witan Lk 2:8
witan Mt 9:4
wiþon* Mk 15:29
wiþra Mt 8:34
witodalaisareis* Lk 5:17
witoþ Joh 18:31
wlits Joh 11:44
wokrs Bon 1:2
wopjan Joh 11:28
wrakja 2.Thess 1:4
wrikan* 2.Thess 1:4
wrohs* Joh 18:29
wulan* Tit 1:11
wulfs Bon 2:2
wulla* Sk 3:3
wulþus Mt 6:13