An der Homöopathie scheiden sich die Geister: Für die einen ist sie Hokuspokus, für andere sanfte Individualmedizin ohne Risiken. Auch Cochrane bekommt immer wieder die Gretchenfrage gestellt, was man zur Wirksamkeit von Globuli & Co. sagen könne. Ein Versuch einer Antwort.
Anfang des Jahres wollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach homöopathische Behandlungen per Gesetz vom Leistungskatalog der Krankenkassen streichen. „Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt. Dann sollte eine solche Leistung auch nicht bezahlt werden“, so der Minister. Wichtig seien ihm nicht so sehr die so einsparbaren 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr, die nur minimalen Anteil an den Gesamtkosten des Gesundheitswesens von rund 300 Milliarden Euro haben. „Hier geht es ums Prinzip“, so Lauterbach. Wenn Globuli eine Kassenleistung seien, ergebe das „ein falsches Bild von Wissenschaft“.
Lauterbachs Vorstoß ließ die alte Diskussion über Sinn und Unsinn der Homöopathie mal wieder aufkochen: Nach heftigem Widerstand wurde der Plan einer gesetzlichen Abschaffung der Kostenübername im April vorerst auf Eis gelegt.
Der Streit um die Homöopathie geht auch an uns von Cochrane Deutschland nicht vorbei: Immer wieder erreichen uns Anfragen, wie Cochrane zur Homöopathie (und anderen alternativmedizinischen Ansätzen) stehe. Wir haben hier einmal versucht, häufig gestellte Fragen zu beantworten.
Was ist Homöopathie?
Homöopathie ist ein Verfahren der so genannten komplementären Medizin. Sie geht auf den Arzt Samuel Hahnemann zurück, der seine Ideen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt hat.
Die Homöopathie geht davon aus, dass Substanzen, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome auslösen, ähnliche Beschwerden bei Kranken lindern. Nach dem Leitsatz „Heile Ähnliches durch Ähnliches“ soll z. B. Kaffee ein Heilmittel gegen Schlaflosigkeit sein.
Homöopathische Mittel werden oft in Zuckerkügelchen, den Globuli, verabreicht, aber auch flüssig und als Tabletten angeboten. Die Präparate enthalten meist stark verdünnte Ausgangsstoffe. Dabei soll die Wirkung umso stärker sein, je mehr verdünnt wird.
Die Homöopathen nennen diesen Vorgang „dynamisieren“ oder „potenzieren“. Ab D24 bzw. C12 (D steht für Dezimalpotenz, C für Centesimalpotenz) kann die Verdünnung – gemäß einem Grundsatz der Chemie – kein Molekül der Ausgangssubstanz mehr enthalten. Naturwissenschaftlich betrachtet kann dann auch nichts mehr wirken.
Quelle: Gesundheitsinformation.de
Kann Cochrane überhaupt Aussagen zur Wirksamkeit von Homöopathie machen?
Cochranes Hauptaufgabe ist die objektive Bewertung der Studienlage zu spezifischen Behandlungen und Interventionen in seinen Cochrane Reviews. Jeder Review geht dabei einer sehr präzise formulierten (klinischen) Fragestellung nach (die sogenannte PICO-Frage) und legt vorab fest, welche Kriterien eine Studie erfüllen muss, um für den Review berücksichtigt zu werden. Häufig wird hier auf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) fokussiert, da dieser Studientyp verlässliche Aussagen über Ursache-Wirkungszusammenhänge erlaubt.
Insofern lassen Cochrane Reviews anekdotische Fallberichte und andere per se nicht belastbare Studientypen also aus guten Gründen außer Acht. Aber auch die in einen Review eingeschlossenen Studien werden einer kritischen Begutachtung unterzogen, die in eine Einschätzung der „Vertrauenswürdigkeit der Evidenz“ nach dem GRADE-System mündet.
Aufgrund der spezifischen Fragestellung jedes Reviews erlaubt Cochrane-Evidenz kaum allgemeine Aussagen wie „Homöopathie ist wirksam/unwirksam“.
Ob und wie gut mögliche Wirkmechanismen einer Behandlung erforscht sind oder ob sie aus naturwissenschaftlicher Perspektive plausibel erscheinen (was man im Fall der Homöopathie eindeutig verneinen kann), spielt für Cochrane Reviews prinzipiell keine Rolle, es zählt allein die Studienlage. Tatsächlich gibt es zahlreiche Cochrane Reviews zu Themen aus der Komplementärmedizin und so auch zur Homöopathie (siehe unten).
Warum ist Cochrane so zurückhaltend bei konkreten Empfehlungen?
Auch wenn es unsere Leserinnen manchmal ein bisschen irritiert: Cochrane gibt grundsätzlich keine Empfehlungen ab. Wir sehen unsere Aufgabe in der Bereitstellung kritisch aufgearbeiteter Evidenz, die stets Basis für Entscheidungen in Gesundheitsfragen sein sollte. Aus dieser Evidenz Handlungsempfehlungen für solche Entscheidungen abzuleiten ist jedoch die Aufgabe Anderer, beispielsweise von Entwicklern medizinischer Leitlinien oder von Ärztinnen im Gespräch mit ihren Patient*innen. Dies ist ein weiterer Grund, warum Cochrane bei der allgemeinen Bewertung der Homöopathie zurückhaltend ist.
Was kann Cochrane dann überhaupt zur Heilmethode der Homöopathie sagen?
In der Cochrane Library finden sich acht Reviews zu spezifischen Fragestellungen, die sich explizit mit homöopathischen Behandlungen beschäftigen. Leider ist die Mehrzahl davon schon mehr als fünf Jahre alt und damit unter Umständen nicht mehr auf dem aktuellsten Stand. Diese Reviews lassen sich grob in etwa so zusammenfassen:
• Die vorhandenen Cochrane Reviews finden keine eindeutigen Hinweise auf einen Nutzen der Homöopathie für die untersuchten Fragestellungen. Lediglich in einem Review finden sich unklare Hinweise auf einen möglichen Nutzen in speziellen Fällen.
• Diese Ergebnisse stehen unter dem Vorbehalt einer sehr eingeschränkten Vertrauenswürdigkeit der Evidenz: Die Cochrane-Autor*innen bewerten diese fast durchgängig als niedrig oder sehr niedrig (die beiden unteren Stufen der vierstufigen GRADE-Skala).
• Die Gründe für diese geringe Vertrauenswürdigkeit sind vielfältig. Sehr oft ist schon die Berichtsqualität schlecht. Es fehlen also Informationen zu methodischen Details, was wiederum die Bewertung der Methodik der Studien erschwert. Soweit die angewandte Methodik klar wird, gibt es häufig Probleme wie eine fehlende oder fragliche Verblindung. Auch sind die Fallzahlen oft klein.
• Ein weiteres Problem ist die große Heterogenität der Studien: Es werden verschiedene Mittel für verschiedene Indikationen untersucht und mit verschiedenen Endpunkten bewertet – das macht eine Zusammenfassung der Ergebnisse oft schwer bis unmöglich.
Inwieweit sind bestehende Homöopathie-Studien angemessen placebo-kontrolliert? Und ist die Homöopathie überhaupt geeignet für die Methoden der evidenzbasierten Medizin?
In die Studienbasis von Cochrane Reviews gehen nur kontrollierte Studien ein, dabei kann die Kontrollgruppe neben Placebo aber auch z. B. eine Standardbehandlung oder keine Behandlung erhalten.
Grundsätzlich eignen sich homöopathische Arzneien gut für Placebo-kontrollierte Studien, weil man leicht identisch aussehende, riechende und schmeckende Placebo-Globuli herstellen kann. Auch die nach Ansicht von Homoöpath*innen wichtige individuelle Anpassung der Behandlung (siehe unten) ließe sich in einer methodisch hochwertigen Studie durchaus angemessen berücksichtigen. Tatsächlich findet man beispielsweise im Cochrane Review zu homöopathischen Mitteln gegen Atemwegsinfektionen bei Kindern (siehe unten) sowohl Studien, in denen ausgewiesene Homöopathen das Mittel der Wahl individuell anpassen, als auch Studien mit gängigen homöopathischen Mitteln „von der Stange“, wie sie in der Praxis oft zum Einsatz kommen. Allerdings ergeben sich dadurch keine grundlegend anderen Ergebnisse.
Wie steht es um die Transparenz in der Homöopathie-Forschung?
Nicht gut! Eine Studie von österreichischen Forscher*innen aus dem Jahr 2022 zeigt: Viele Studien zur Homöopathie wurden nicht vorab registriert oder bleiben nach Durchführung unveröffentlicht – sie verletzen damit eine der Grundregeln für gute, transparente Forschung, die Cochrane auch für andere Bereiche immer wieder anmahnt (Positionspapier Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung ). Andere verändern während der Studiendurchführung das methodische Vorgehen. All dies sind Indizien, dass das öffentlich erzeugte Bild der Evidenz vermutlich stark zugunsten der Homöopathie verzerrt ist und dass dabei Interessenkonflikte eine zentrale Rolle spielen.
Rechtliche Stellung der Homöopathie
Der Einsatz homöopathischer Präparate ist mit dem anderer Arzneimittel nicht zu vergleichen: An homöopathische Arzneimittel werden in Deutschland nicht dieselben Anforderungen wie an „normale“ Arzneimittel gestellt. Die Hersteller müssen lediglich Qualität, Unbedenklichkeit und die Herstellung nach dem homöopathischen Arzneibuch nachweisen. Ein Nachweis der Wirksamkeit wird nicht gefordert. Die Mittel werden lediglich registriert, nicht zugelassen wie alle anderen Arzneimittel; Indikationsangaben fehlen.
Übrigens bestehen flüssige homöopathische Mittel in der Regel zur Hälfte aus Alkohol. Sie sind daher nicht geeignet für die Behandlung von Kindern und Personen, die Alkohol meiden müssen.
Unser Fazit
Das Denkgebäude der Homöopathie ist naturwissenschaftlich für uns nicht nachvollziehbar. Entscheidend ist jedoch: Betrachtet man die vorliegende Evidenz aus klinischen Studien mit gewissen methodischen Mindeststandards, so spricht diese nicht für eine Wirkung, die über die eines Placebos hinausgeht. Hierbei ist zu beachten, dass die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz meist niedrig ist.
Diese schlechte Evidenzbasis ließe sich nur durch weitere gut gemachte, ausreichend große Studien beheben. Allerdings würden diese viel Geld kosten. Es stellt sich also angesichts begrenzter Ressourcen in der medizinischen Forschung die Frage, ob man diese Mittel weiter im größeren Umfang für die Erforschung einer Heilslehre wie der Homöopathie einsetzen sollte, die weder eine plausible wissenschaftliche Grundlage, noch ausreichende Hinweise aus bisheriger Forschung auf eine Wirksamkeit vorzuweisen hat.
Cochrane Reviews zu Homöopathie!
Im Folgenden stellen wir Ihnen, kurz und knapp, zwei recht aktuelle Cochrane Reviews zur Homöopathie bei verschiedenen Erkrankungen vor. Einer der beiden Reviews beschäftigt sich mit der Homöopathie bei Kindern, die erkältet sind. Der andere Review sichtet die Evidenz zur Homöopathie beim sogenannten Reizdarmsyndrom, einem weit verbreiteten Magen-Darm-Leiden bei Erwachsenen. Weitere, ältere Cochrane Reviews, die sich mit der Homöopathie befassen, finden Sie in der Cochrane Library (Suchwort: homeopathy) .
Text: Georg Rüschemeyer, Cochrane Deutschland