In der Ästhetik wie in der Ethnologie wird die Auffassung vertreten, dass alle Menschen "Schönes"... more In der Ästhetik wie in der Ethnologie wird die Auffassung vertreten, dass alle Menschen "Schönes" schätzen. Anders formuliert: Alle nehmen die Welt ästhetisch wahr. Eine Erklärung dafür ist, dass Menschen die Welt und andere Menschen wesentlich sinnlich wahrnehmen. Zugleich liegt sinnliche Wahrnehmung allen ästhetischen Interaktionen zugrunde. Deswegen sind derartige Überlegungen auch für die Entwicklung von Konzepten Kultureller Bildung nützlich. Inzwischen liegen eine ganze Reihe von Theorien vor, die sinnliche Wahrnehmung (und deren Verarbeitung) als Schlüsselglied in den Beziehungen zwischen Menschen und Menschen sowie zwischen Menschen und ihren Umwelten betrachten. Einige davon, die man ganz grob als kulturanthropologisch charakterisieren kann, werden im Folgenden vorgestellt.
Im Anschluss an die Arbeiten der Aesthetics of the Everyday, an Studien zur Geschichte der Massen... more Im Anschluss an die Arbeiten der Aesthetics of the Everyday, an Studien zur Geschichte der Massenkünste und an soziologische Überlegungen von Andreas Reckwitz zum „Kreativitätsdispositiv“ verfolgt der Aufsatz die Entwicklung ästhetischer Praktiken und Sensibilitäten im Leben der Bevölkerung. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Ästhetisierung des Alltags zu einem Megatrend entwickelt. Das Streben nach immer mehr und intensiverem ästhetischem Erleben zählt inzwischen zu den primären Handlungsmotiven der Lebensführung. Dabei entfalten sich multifunktionale, nicht a priori in eine Richtung festgelegte Fähigkeiten, Begehrnisse, Sensibilitäten und Erfahrungsmöglichkeiten. Sie richten sich nicht vorrangig auf anerkannte Künste. Natur, gestaltete Umwelt, die Dinge, mit denen wir leben und uns zeigen, nehmen hier einen herausragenden Platz ein. Musik und ‚erzählender‘ Film sind jedoch aus keinem Genuss- und Gefühlshaushalt in der westlichen Welt mehr wegzudenken. In ihrer ganzen historischen Widersprüchlichkeit gehören die wachsenden Genüsse und wuchernden Praktiken alltäglichen ästhetischen Erlebens zu den Errungenschaften der Vielen, auf denen jede Vorstellung eines besseren Lebens aufbaut.
POP. Kultur und Kritik, Bd. 12 Heft 23, 2023, S. 120-129. , 2023
Die vorgestellten Studien analysieren moderne westeuropäische Vorstellungen und Normen von Aufmer... more Die vorgestellten Studien analysieren moderne westeuropäische Vorstellungen und Normen von Aufmerksamkeit und deren Schwächen. Befürtwortet wird ein realistischer Umgang mit den Balancen von Aufmerksamkeit, 'Zerstreuung' und 'Trance' im Umgang auch mit populärer Kultur.
Definitionen des Populären in der Kultur gibt es mehr als genug. Der Aufsatz wechselt die Perspek... more Definitionen des Populären in der Kultur gibt es mehr als genug. Der Aufsatz wechselt die Perspektive: Er verlässt das Diskursfeld zwischen High und Low und fokussiert die Nutzungsweisen; sie verlaufen quer zur Unterscheidung zwischen 'Hoch'- und 'Populärkultur'. Zwei Nutzungsmodi werden idealtypisch gegenübergestellt, die gegenüber allen Gegenständen ästhetischen Erlebens praktiziert werden: der alltägliche und der expertenhafte (professionelle). Genussvolles alltägliches ästhetisches Erleben findet in der Interaktion mit als 'high' etikettierten Gegenständen ebenso statt wie expertenhaftes gegenüber 'Populärem'. Alltägliches ästhetisches Erleben ist durch vier Merkmale charakterisiert: Geteilte, dialogische Routinen; verteilte Aufmerksamkeit; 'lockeres' Erleben und pragmatische Orientierung auf 'kurze Wege' und Lebensrelevanz. Die Annahme, an den Orten und mit Gegenständen der 'Hochkultur' finde stets eine elaborierte, 'anspruchsvolle' Rezeption durch die Nutzer*innen statt, ist empirisch nicht zu halten. Es sind v.a. Praktiken der Selbstinszenierung und der Distinktion, die einen klassistischen Graben zwischen Nutzer*innen von 'High' und 'Low' ziehen.
Peter Hinrichs/Martina Röthl/Manfred Seifert (Hg.): Theoretische Reflexionen. Perspektiven der Europäischen Ethnologie. Berlin 2021, S. 117-134, 2021
Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Diagnose einer fortschreitenden Ästhetisierung des Alltags.... more Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Diagnose einer fortschreitenden Ästhetisierung des Alltags. Europäische Ethnologie versteht sich als Alltagskulturwissenschaft und ist damit geradezu verpflichtet, entsprechende Entwicklungen empirisch-ethnographisch zu studieren. Dieser Aufsatz will dazu beitragen, indem er die beiden Konzepte ‚ästhetisches Erleben‘ und ‚Alltag‘ kombiniert. Ganz abstrakt lautet die These: Mithilfe der Schütz’schen Unterscheidung zwischen Handeln in alltäglich-pragmatischer oder in ‚theoretischer‘ Einstellung lässt sich – idealtypisch – die Struktur jener ästhetischen Praktiken (und sie regelnder Normen) beschreiben und erklären, die faktisch die meisten Menschen in unserer Gesellschaft bei den meisten Gelegenheiten anwenden; sie werden hier als alltagsästhetische Praktiken bezeichnet. Fokussiert wird die Diskussion über ästhetisches Erleben bzw. Erfahren. Der Aufsatz argumentiert für die Gleichrangigkeit und offene Kombinierbarkeit aller Elemente ästhetischer Begegnungen und dafür, den Gehalt alltagsästhetischer Praktiken an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv und ohne normative Vorgaben zu untersuchen.
Dieses Kapitel erörtert Dimensionen und Formen ästhetischen Erlebens. Es setzt sich mit etabliert... more Dieses Kapitel erörtert Dimensionen und Formen ästhetischen Erlebens. Es setzt sich mit etablierten Konzepten ästhetischer Interaktion auseinander, um mikrodeskriptiv die Zusammenhänge zwischen Wahrnehmen, Erleben und Reflektieren zu entfalten. Es argumentiert für ei- ne gleichrangige Betrachtung aller Elemente von ästhetischen Begegnungen. Deren offene Kombinierbarkeit ist empirisch anzuerkennen und ihr Gehalt an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv, ohne normative Einschränkung zu untersuchen. Werden nicht Reflexion und sprachliche Vergegenwärtigung ästhetischen Erlebens überbetont? Kann man ästhetische Begegnungen als Kontinuum mit fluiden Mischungen und Übergängen der Elemente verstehen? Grundlage der Überlegungen ist ein von der Akteur-Netzwerk-Theorie inspiriertes Verständnis von ästhetischer Interaktion als Ko-laboration unterschiedlicher Beteiligter.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Um Alltage geht es im dritten Kapitel. Dahinter steht die Annahme, dass
die ästhetischen Praktike... more Um Alltage geht es im dritten Kapitel. Dahinter steht die Annahme, dass die ästhetischen Praktiken, die die meisten Menschen bei den meisten Gelegenheiten ausüben, durch Strukturen der Alltäglichkeit geprägt sind. Hier liegen die Schlüssel für eine Antwort auf die Frage, warum ästhetische Interaktionen die Form haben, die sie üblicherweise haben – obwohl diese Gewohnheiten seit Generationen als fragwürdig und ungenügend kritisiert werden. Dazu betrachte ich vier Dimensionen ästhetischen Handelns im Modus der Alltäglichkeit genauer. Erstens sind die Alltagspraktiken, deren Mustern wir folgen, ›geteilte Praktiken‹ mit dialogischem Charakter; sie schließen Kritik, Lernen, Optimierung und Selbststeuerung ein. Zweitens bewirken Routinen und Wiederholungen, die Alltäglichkeit ausmachen, keine stumpfe Repetiti- on von Immergleichem. Es sind durchaus nicht-triviale Tätigkeiten, die sich auch ästhetisch weiterentwickeln. Zur Bewältigung moderner Alltage bedarf es drittens ›zerstreuter‹ und verteilter Aufmerksamkeit. Der Umgang mit ästhetischen Angeboten, insbesondere mit den Massenkünsten, bildet ein erstrangiges Einsatzfeld für derartiges ›lockeres Erleben‹. Viertens sind ästhetische Interaktionen im Modus der Alltäglichkeit strukturiert durch die pragmatische Ausrichtung allen Alltagshandelns. Ziele, auch ästhetisches Vergnügen, sollen mit einer optimalen Balance von Aufwand und Ertrag erreicht werden. Man erwartet Nützlichkeit für die Lebensbewältigung. Auf diesen Befunden aufbauend, werden idealtypisch Alltagsästhetik von Laien und professionelle Ästhetik von Expertinnen kontrastiert.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Das zweite Kapitel widmet sich der Begrifflichkeit im Feld ästhetischer
Interaktionen. Die Bestim... more Das zweite Kapitel widmet sich der Begrifflichkeit im Feld ästhetischer Interaktionen. Die Bestimmungsversuche gehen von der Nutzerinnen- Perspektive aus. Sie sind eher deskriptiv und rücken den »Gebrauchsaspekt« (Schweppenhäuser 2009: 71) jener ästhetischen Angebote ins Zentrum, die unter Bedingungen der Alltäglichkeit besonders geschätzt werden.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Das erste Kapitel entfaltet in zwei Schritten die empirisch-kulturwissenschaftliche Sicht. Zunäch... more Das erste Kapitel entfaltet in zwei Schritten die empirisch-kulturwissenschaftliche Sicht. Zunächst werden kulturanthropologische und evolutionäre Zugänge erörtert, die ästhetische Interaktion als Grundbestandteil menschlicher Entwicklung überhaupt begründen. Darauf baut eine historische Skizze der Ästhetisierung in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert auf; im Zentrum stehen jene Faktoren, die das Leben der gesamten Bevölkerung massiv umgestaltet haben.
Populärkulturforschung. Eine Einführung. Bielefeld , 2019
Das Kapitel argumentiert dafür, "Populärkultur" und "Popularität" als "unscharfe Begriffe" im Ver... more Das Kapitel argumentiert dafür, "Populärkultur" und "Popularität" als "unscharfe Begriffe" im Verständnis der neueren Wissenschaftsforschung zu verwenden. Das schließt präzise Sprache und klar definierte analytische Instrumente nicht aus, im Gegenteil. In diesem Sinn werden verschiedene begriffliche Vorschläge erörtert, um jeweils ihre epistemische Leistungsfähigkeit und deren Grenzen zu beleuchten - und auf diese Weise Referenzen zu gewinnen, die bei der Situierung konkreter Phänomene im Feld des "Populären" und seiner "Nachbarn" hilfreich sind.
Populärkulturforschung. Eine Einführung. Bielefeld , 2019
Das Kapitel setzt sich mit der verbreiteten Annahme auseinander, dass Populärkultur in den westli... more Das Kapitel setzt sich mit der verbreiteten Annahme auseinander, dass Populärkultur in den westlichen Gesellschaften eine erstrangige und – je nach Position aus unterschiedlichen Gründen – problematische Kraft bei der Bildung politischer Meinungen und Dispositionen darstelle. Die hier vertretene Antithese lautet: Bestimmte Varianten von Populärkultur haben unter bestimmten Bedingungen überprüfbare politische Wirkungen. Für den Mainstream der unterhaltenden populären Künste lassen sich jedoch im gesellschaftlichen Maßstab keine spezifischen Effekte nachweisen.
Allerdings können mittels "Politisierung von innen" und "von außen" soziale Bewegungen und politische Akteur*innen Einfluss nehmen und kulturelle Kräfteverschiebungen unterstützen.
Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 2006
SummaryThe paper departs from the observation that the campaign against »filth and trash« (»Schmu... more SummaryThe paper departs from the observation that the campaign against »filth and trash« (»Schmutz und Schund«) in Wilhelmine Germany was characterized by a high level of aggression against the children and young people who were supposedly protected. The sociological concept of intergenerational ambivalence is used to explain the pedagogical and parental conflict that generated those strange reactions. In the German speaking countries, enlightenment pedagogues highly supported children’s reading literature to employ their imagination for educative goals — and at the same time they were afraid that a wrong use of literature might corrupt their pupils. This ambivalence toward young people perceiving media on their own increased notably with the changing media constellations around the turn to the 20th century. Since then, a tendency to respond with fear and hate has been part of the social repertoire with respect to children’s media use.
Frank Kelleter (Hg.), Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert, Bielefeld 2012, S. 321-338
Der Text skizziert eine empirische Studie zur Frage, ob und wie von verschiedenen Akteuren in unt... more Der Text skizziert eine empirische Studie zur Frage, ob und wie von verschiedenen Akteuren in unterschiedlichen Konstellationen in Deutschland Serienhefte gesammelt wurden. Das ist im Horizont des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft zu betrachten: Selektiert wird, was für das kulturelle Gedächtnis im herrschenden Verständnis wertvoll erscheint. Verglichen werden die Aktivitäten der Deutschen Nationalbibliothek und der Sammlerszene, die zumeist aus Liebhaberinnen populärer Literaturformate besteht.
Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) 27, 2002, H. 2, S. 45-123
Die Studie will einen Beitrag zur historischen Ethnographie des Schundkampfes liefern. Er soll re... more Die Studie will einen Beitrag zur historischen Ethnographie des Schundkampfes liefern. Er soll rekonstruiert werden als Geflecht mehrdeutiger Praxen und im Kontext bedeutungsgenerierender Handlungskonfigurationen (zu denen auch die sprachlichen Praktiken zählen). Der Schundkampf wird betrachtet als "sozialer Diskurs, ... in vielen verschiedenen Zungen und ebensosehr mit Taten wie mit Worten geführt". Es geht darum, die Sicht der verschiedenen Akteure zu erschließen: ihre Wahrnehmungen und Deutungen, ihre symbolischen Botschaften, ihre Versuche, die jeweilige Lesart von gut und schlecht, erlaubt und illegitim zu verteidigen, und den Drang, die Macht der eigenen Lesart auch andere spüren zu lassen.
POP - Kultur und Kritik, 7. 6. 2021, URL: https://pop-zeitschrift.de/2021/06/07/populaerkultur-resistance-kultureller-radikalismus-und-selbst-bildungautorvon-kaspar-maase-autordatum7-6-2021-datum/
Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil ... more Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil verfolgt ideengeschichtliche Konstellationen, in denen die Fragestellung entstand und bis heute steht. Dann wird vorgeschlagen, die verschiedenen Dimensionen von " resistance " zu systematisieren. Der dritte Abschnitt geht auf die Entwicklung und Kritik des Ansatzes in den Cultural Studies ein. Das führt im vierten Teil zur Frage, welche Rolle in der Diskussion " kultureller Radikalismus " (Winfried Fluck) gespielt hat und. Der fünfte Teil führt das Konzept der Selbst-Bildung ein; der sechste erörtert, wie die politische Relevanz von Populärkultur eingeschätzt wurde und wie der " resistance "-Ansatz fortentwickelt werden kann.
Ludger Heidbrink/Andrea Gröppel-Klein (Hg.): Die dunklen Seiten des Konsums – Alte Prob-leme, neue Herausforderungen. Baden-Baden 2020, S. 47-58.
In der Konsum -und Populärkultur der Bundesrepublik finden seit einiger Zeit Geschichten mit Figu... more In der Konsum -und Populärkultur der Bundesrepublik finden seit einiger Zeit Geschichten mit Figuren, die als "böse" betrachtet werden, besondere Aufmerksamkeit. Am Beispiel der medialen Debatte über erfolgreiche Film- und TV-Serien konstatiert der Beitrag einen markanten Diskurswandel. Während noch in den 1980ern kritische und besorgte Kommentare (etwa zu neuen Formaten der Privatsender) überwiegend moralisch urteilten, werden inzwischen problematische Entwicklungen in den Massenkünsten zunehmend nüchtern erörtert. Ästhetische Betrachtungen zur Attraktivität des (dargestellten) Bösen geben den Ton an; aus der Sicht des Autors bringen sie ernst zu nehmende Argumente vor.
Wolfgang Flügel/Merve Lühr/Winfried Müller (Hg.): Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt 1896-1949. Dresden 2020, S. 139-159. , 2020
Interessanterweise liegt bisher der Schwerpunkt empirisch-historischer Forschung zum Kinderkin... more Interessanterweise liegt bisher der Schwerpunkt empirisch-historischer Forschung zum Kinderkino in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das liegt vermutlich an zwei Faktoren. Zum einen zählten Halbwüchsige zur „Hauptklientel“ der Filmtheater, insbesondere außerhalb der Abendvorstellungen. Zum anderen lieferte das vermutete Wohl von Kindern und Jugendlichen erstrangige Argumente für die Debatte um Nutzen, Legitimität und Regulierung des neuen Mediums. Das Thema ‚Kind und Kino‘ führt mithin ins Zentrum der frühen Filmgeschichte. In diesem Kontext sollen zunächst drei Quellen das Phänomen veranschaulichen. Davon ausgehend, werden dann zwei Hauptlinien skiz-ziert, entlang derer Befunde zum historischen Kinderkino unser Verständnis urbaner Kinokultur bis in die Gegenwart bereichern können. Die Stichworte lauten erstens: Medialisierung, Autonomisierung, Ästhetisierung; und zweitens: Regulierung, Volkserziehung, Geschmacksbildung. In einem Ausblick werden abschließend einige Überlegungen und mögliche Forschungsfragen zum Thema ‚120 Jahre Kinder und Kino‘ formuliert.
Timo Heimerdinger, Markus Tauschek (Hg.): Kulturtheoretisch argumentieren. Ein Arbeits-buch. Münster/New York 2020, S. 380-407
Der Beitrag stellt theoretische und methodische Ansätze vor, die in der Europäischen Ethnologie /... more Der Beitrag stellt theoretische und methodische Ansätze vor, die in der Europäischen Ethnologie / Empirischen Kulturwissenschaft zur Analyse populärkultureller Phänomene verwendet werden. Grundlegend sind ein offenes Verständnis des "Populären" und flexible definitorische Ein- und Abgrenzungen von Populärkultur als Interaktionsphänomen. Ausführlicher wird auf Ansätze der britischen Cultural Studies sowie auf die ästhetische Dimension der Nutzung von Massenkünsten eingegangen.
NÖ Forschungs- und Bildungsges. m.b.H. (Hg): Erbschaften: Kultur Natur Identität. Tagungsband zum Symposion Dürnstein 2020. St. Pölten 2020, S. 37-42 , 2020
Der Aufsatz plädiert dafür, das materielle wie immaterielle Erbe der populären oder Massenkünste ... more Der Aufsatz plädiert dafür, das materielle wie immaterielle Erbe der populären oder Massenkünste vor Missachtung und Verschwindenlassen zu bewahren. Nach kurzen Überlegungen zum bewussten Bewahren und unabsichtlichtlichen oder aus Missachtung folgenden Nicht-Bewahren wird der bedrohte Status vieler Bereiche der Massenkünste aus dem 19. und 20. Jahrhundert skizziert. "Je mehr es gab, desto weniger gibt es" - was zu seiner Zeit massenhaft und preiswert präsent war, darum scheint sich niemand zu kümmern. Noch heute sind Film- und Fernsehquellen aus dem 20. Jahrhundert weithin dem unaufhaltsamen Verfall überlassen.
Der Aufsatz begründet das gesellschaftliche Interesse daran, die materiellen Relikte wie die Erinnerungen an die Weisen der Nutzung populärer Kultur zu sichern, zu pflegen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit wird auch das Erbe derer bewahrt, deren Vorstellungen von Schönheit und gutem Leben sich in ihrem Umgang mit Massenkünsten niedergeschlagen haben.
In der Ästhetik wie in der Ethnologie wird die Auffassung vertreten, dass alle Menschen "Schönes"... more In der Ästhetik wie in der Ethnologie wird die Auffassung vertreten, dass alle Menschen "Schönes" schätzen. Anders formuliert: Alle nehmen die Welt ästhetisch wahr. Eine Erklärung dafür ist, dass Menschen die Welt und andere Menschen wesentlich sinnlich wahrnehmen. Zugleich liegt sinnliche Wahrnehmung allen ästhetischen Interaktionen zugrunde. Deswegen sind derartige Überlegungen auch für die Entwicklung von Konzepten Kultureller Bildung nützlich. Inzwischen liegen eine ganze Reihe von Theorien vor, die sinnliche Wahrnehmung (und deren Verarbeitung) als Schlüsselglied in den Beziehungen zwischen Menschen und Menschen sowie zwischen Menschen und ihren Umwelten betrachten. Einige davon, die man ganz grob als kulturanthropologisch charakterisieren kann, werden im Folgenden vorgestellt.
Im Anschluss an die Arbeiten der Aesthetics of the Everyday, an Studien zur Geschichte der Massen... more Im Anschluss an die Arbeiten der Aesthetics of the Everyday, an Studien zur Geschichte der Massenkünste und an soziologische Überlegungen von Andreas Reckwitz zum „Kreativitätsdispositiv“ verfolgt der Aufsatz die Entwicklung ästhetischer Praktiken und Sensibilitäten im Leben der Bevölkerung. Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Ästhetisierung des Alltags zu einem Megatrend entwickelt. Das Streben nach immer mehr und intensiverem ästhetischem Erleben zählt inzwischen zu den primären Handlungsmotiven der Lebensführung. Dabei entfalten sich multifunktionale, nicht a priori in eine Richtung festgelegte Fähigkeiten, Begehrnisse, Sensibilitäten und Erfahrungsmöglichkeiten. Sie richten sich nicht vorrangig auf anerkannte Künste. Natur, gestaltete Umwelt, die Dinge, mit denen wir leben und uns zeigen, nehmen hier einen herausragenden Platz ein. Musik und ‚erzählender‘ Film sind jedoch aus keinem Genuss- und Gefühlshaushalt in der westlichen Welt mehr wegzudenken. In ihrer ganzen historischen Widersprüchlichkeit gehören die wachsenden Genüsse und wuchernden Praktiken alltäglichen ästhetischen Erlebens zu den Errungenschaften der Vielen, auf denen jede Vorstellung eines besseren Lebens aufbaut.
POP. Kultur und Kritik, Bd. 12 Heft 23, 2023, S. 120-129. , 2023
Die vorgestellten Studien analysieren moderne westeuropäische Vorstellungen und Normen von Aufmer... more Die vorgestellten Studien analysieren moderne westeuropäische Vorstellungen und Normen von Aufmerksamkeit und deren Schwächen. Befürtwortet wird ein realistischer Umgang mit den Balancen von Aufmerksamkeit, 'Zerstreuung' und 'Trance' im Umgang auch mit populärer Kultur.
Definitionen des Populären in der Kultur gibt es mehr als genug. Der Aufsatz wechselt die Perspek... more Definitionen des Populären in der Kultur gibt es mehr als genug. Der Aufsatz wechselt die Perspektive: Er verlässt das Diskursfeld zwischen High und Low und fokussiert die Nutzungsweisen; sie verlaufen quer zur Unterscheidung zwischen 'Hoch'- und 'Populärkultur'. Zwei Nutzungsmodi werden idealtypisch gegenübergestellt, die gegenüber allen Gegenständen ästhetischen Erlebens praktiziert werden: der alltägliche und der expertenhafte (professionelle). Genussvolles alltägliches ästhetisches Erleben findet in der Interaktion mit als 'high' etikettierten Gegenständen ebenso statt wie expertenhaftes gegenüber 'Populärem'. Alltägliches ästhetisches Erleben ist durch vier Merkmale charakterisiert: Geteilte, dialogische Routinen; verteilte Aufmerksamkeit; 'lockeres' Erleben und pragmatische Orientierung auf 'kurze Wege' und Lebensrelevanz. Die Annahme, an den Orten und mit Gegenständen der 'Hochkultur' finde stets eine elaborierte, 'anspruchsvolle' Rezeption durch die Nutzer*innen statt, ist empirisch nicht zu halten. Es sind v.a. Praktiken der Selbstinszenierung und der Distinktion, die einen klassistischen Graben zwischen Nutzer*innen von 'High' und 'Low' ziehen.
Peter Hinrichs/Martina Röthl/Manfred Seifert (Hg.): Theoretische Reflexionen. Perspektiven der Europäischen Ethnologie. Berlin 2021, S. 117-134, 2021
Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Diagnose einer fortschreitenden Ästhetisierung des Alltags.... more Ausgangspunkt dieses Beitrags ist die Diagnose einer fortschreitenden Ästhetisierung des Alltags. Europäische Ethnologie versteht sich als Alltagskulturwissenschaft und ist damit geradezu verpflichtet, entsprechende Entwicklungen empirisch-ethnographisch zu studieren. Dieser Aufsatz will dazu beitragen, indem er die beiden Konzepte ‚ästhetisches Erleben‘ und ‚Alltag‘ kombiniert. Ganz abstrakt lautet die These: Mithilfe der Schütz’schen Unterscheidung zwischen Handeln in alltäglich-pragmatischer oder in ‚theoretischer‘ Einstellung lässt sich – idealtypisch – die Struktur jener ästhetischen Praktiken (und sie regelnder Normen) beschreiben und erklären, die faktisch die meisten Menschen in unserer Gesellschaft bei den meisten Gelegenheiten anwenden; sie werden hier als alltagsästhetische Praktiken bezeichnet. Fokussiert wird die Diskussion über ästhetisches Erleben bzw. Erfahren. Der Aufsatz argumentiert für die Gleichrangigkeit und offene Kombinierbarkeit aller Elemente ästhetischer Begegnungen und dafür, den Gehalt alltagsästhetischer Praktiken an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv und ohne normative Vorgaben zu untersuchen.
Dieses Kapitel erörtert Dimensionen und Formen ästhetischen Erlebens. Es setzt sich mit etabliert... more Dieses Kapitel erörtert Dimensionen und Formen ästhetischen Erlebens. Es setzt sich mit etablierten Konzepten ästhetischer Interaktion auseinander, um mikrodeskriptiv die Zusammenhänge zwischen Wahrnehmen, Erleben und Reflektieren zu entfalten. Es argumentiert für ei- ne gleichrangige Betrachtung aller Elemente von ästhetischen Begegnungen. Deren offene Kombinierbarkeit ist empirisch anzuerkennen und ihr Gehalt an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv, ohne normative Einschränkung zu untersuchen. Werden nicht Reflexion und sprachliche Vergegenwärtigung ästhetischen Erlebens überbetont? Kann man ästhetische Begegnungen als Kontinuum mit fluiden Mischungen und Übergängen der Elemente verstehen? Grundlage der Überlegungen ist ein von der Akteur-Netzwerk-Theorie inspiriertes Verständnis von ästhetischer Interaktion als Ko-laboration unterschiedlicher Beteiligter.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Um Alltage geht es im dritten Kapitel. Dahinter steht die Annahme, dass
die ästhetischen Praktike... more Um Alltage geht es im dritten Kapitel. Dahinter steht die Annahme, dass die ästhetischen Praktiken, die die meisten Menschen bei den meisten Gelegenheiten ausüben, durch Strukturen der Alltäglichkeit geprägt sind. Hier liegen die Schlüssel für eine Antwort auf die Frage, warum ästhetische Interaktionen die Form haben, die sie üblicherweise haben – obwohl diese Gewohnheiten seit Generationen als fragwürdig und ungenügend kritisiert werden. Dazu betrachte ich vier Dimensionen ästhetischen Handelns im Modus der Alltäglichkeit genauer. Erstens sind die Alltagspraktiken, deren Mustern wir folgen, ›geteilte Praktiken‹ mit dialogischem Charakter; sie schließen Kritik, Lernen, Optimierung und Selbststeuerung ein. Zweitens bewirken Routinen und Wiederholungen, die Alltäglichkeit ausmachen, keine stumpfe Repetiti- on von Immergleichem. Es sind durchaus nicht-triviale Tätigkeiten, die sich auch ästhetisch weiterentwickeln. Zur Bewältigung moderner Alltage bedarf es drittens ›zerstreuter‹ und verteilter Aufmerksamkeit. Der Umgang mit ästhetischen Angeboten, insbesondere mit den Massenkünsten, bildet ein erstrangiges Einsatzfeld für derartiges ›lockeres Erleben‹. Viertens sind ästhetische Interaktionen im Modus der Alltäglichkeit strukturiert durch die pragmatische Ausrichtung allen Alltagshandelns. Ziele, auch ästhetisches Vergnügen, sollen mit einer optimalen Balance von Aufwand und Ertrag erreicht werden. Man erwartet Nützlichkeit für die Lebensbewältigung. Auf diesen Befunden aufbauend, werden idealtypisch Alltagsästhetik von Laien und professionelle Ästhetik von Expertinnen kontrastiert.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Das zweite Kapitel widmet sich der Begrifflichkeit im Feld ästhetischer
Interaktionen. Die Bestim... more Das zweite Kapitel widmet sich der Begrifflichkeit im Feld ästhetischer Interaktionen. Die Bestimmungsversuche gehen von der Nutzerinnen- Perspektive aus. Sie sind eher deskriptiv und rücken den »Gebrauchsaspekt« (Schweppenhäuser 2009: 71) jener ästhetischen Angebote ins Zentrum, die unter Bedingungen der Alltäglichkeit besonders geschätzt werden.
Schönes alltäglich erleben. Über die Ästhetisierung der Kultur, 2022
Das erste Kapitel entfaltet in zwei Schritten die empirisch-kulturwissenschaftliche Sicht. Zunäch... more Das erste Kapitel entfaltet in zwei Schritten die empirisch-kulturwissenschaftliche Sicht. Zunächst werden kulturanthropologische und evolutionäre Zugänge erörtert, die ästhetische Interaktion als Grundbestandteil menschlicher Entwicklung überhaupt begründen. Darauf baut eine historische Skizze der Ästhetisierung in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert auf; im Zentrum stehen jene Faktoren, die das Leben der gesamten Bevölkerung massiv umgestaltet haben.
Populärkulturforschung. Eine Einführung. Bielefeld , 2019
Das Kapitel argumentiert dafür, "Populärkultur" und "Popularität" als "unscharfe Begriffe" im Ver... more Das Kapitel argumentiert dafür, "Populärkultur" und "Popularität" als "unscharfe Begriffe" im Verständnis der neueren Wissenschaftsforschung zu verwenden. Das schließt präzise Sprache und klar definierte analytische Instrumente nicht aus, im Gegenteil. In diesem Sinn werden verschiedene begriffliche Vorschläge erörtert, um jeweils ihre epistemische Leistungsfähigkeit und deren Grenzen zu beleuchten - und auf diese Weise Referenzen zu gewinnen, die bei der Situierung konkreter Phänomene im Feld des "Populären" und seiner "Nachbarn" hilfreich sind.
Populärkulturforschung. Eine Einführung. Bielefeld , 2019
Das Kapitel setzt sich mit der verbreiteten Annahme auseinander, dass Populärkultur in den westli... more Das Kapitel setzt sich mit der verbreiteten Annahme auseinander, dass Populärkultur in den westlichen Gesellschaften eine erstrangige und – je nach Position aus unterschiedlichen Gründen – problematische Kraft bei der Bildung politischer Meinungen und Dispositionen darstelle. Die hier vertretene Antithese lautet: Bestimmte Varianten von Populärkultur haben unter bestimmten Bedingungen überprüfbare politische Wirkungen. Für den Mainstream der unterhaltenden populären Künste lassen sich jedoch im gesellschaftlichen Maßstab keine spezifischen Effekte nachweisen.
Allerdings können mittels "Politisierung von innen" und "von außen" soziale Bewegungen und politische Akteur*innen Einfluss nehmen und kulturelle Kräfteverschiebungen unterstützen.
Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 2006
SummaryThe paper departs from the observation that the campaign against »filth and trash« (»Schmu... more SummaryThe paper departs from the observation that the campaign against »filth and trash« (»Schmutz und Schund«) in Wilhelmine Germany was characterized by a high level of aggression against the children and young people who were supposedly protected. The sociological concept of intergenerational ambivalence is used to explain the pedagogical and parental conflict that generated those strange reactions. In the German speaking countries, enlightenment pedagogues highly supported children’s reading literature to employ their imagination for educative goals — and at the same time they were afraid that a wrong use of literature might corrupt their pupils. This ambivalence toward young people perceiving media on their own increased notably with the changing media constellations around the turn to the 20th century. Since then, a tendency to respond with fear and hate has been part of the social repertoire with respect to children’s media use.
Frank Kelleter (Hg.), Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert, Bielefeld 2012, S. 321-338
Der Text skizziert eine empirische Studie zur Frage, ob und wie von verschiedenen Akteuren in unt... more Der Text skizziert eine empirische Studie zur Frage, ob und wie von verschiedenen Akteuren in unterschiedlichen Konstellationen in Deutschland Serienhefte gesammelt wurden. Das ist im Horizont des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft zu betrachten: Selektiert wird, was für das kulturelle Gedächtnis im herrschenden Verständnis wertvoll erscheint. Verglichen werden die Aktivitäten der Deutschen Nationalbibliothek und der Sammlerszene, die zumeist aus Liebhaberinnen populärer Literaturformate besteht.
Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL) 27, 2002, H. 2, S. 45-123
Die Studie will einen Beitrag zur historischen Ethnographie des Schundkampfes liefern. Er soll re... more Die Studie will einen Beitrag zur historischen Ethnographie des Schundkampfes liefern. Er soll rekonstruiert werden als Geflecht mehrdeutiger Praxen und im Kontext bedeutungsgenerierender Handlungskonfigurationen (zu denen auch die sprachlichen Praktiken zählen). Der Schundkampf wird betrachtet als "sozialer Diskurs, ... in vielen verschiedenen Zungen und ebensosehr mit Taten wie mit Worten geführt". Es geht darum, die Sicht der verschiedenen Akteure zu erschließen: ihre Wahrnehmungen und Deutungen, ihre symbolischen Botschaften, ihre Versuche, die jeweilige Lesart von gut und schlecht, erlaubt und illegitim zu verteidigen, und den Drang, die Macht der eigenen Lesart auch andere spüren zu lassen.
POP - Kultur und Kritik, 7. 6. 2021, URL: https://pop-zeitschrift.de/2021/06/07/populaerkultur-resistance-kultureller-radikalismus-und-selbst-bildungautorvon-kaspar-maase-autordatum7-6-2021-datum/
Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil ... more Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil verfolgt ideengeschichtliche Konstellationen, in denen die Fragestellung entstand und bis heute steht. Dann wird vorgeschlagen, die verschiedenen Dimensionen von " resistance " zu systematisieren. Der dritte Abschnitt geht auf die Entwicklung und Kritik des Ansatzes in den Cultural Studies ein. Das führt im vierten Teil zur Frage, welche Rolle in der Diskussion " kultureller Radikalismus " (Winfried Fluck) gespielt hat und. Der fünfte Teil führt das Konzept der Selbst-Bildung ein; der sechste erörtert, wie die politische Relevanz von Populärkultur eingeschätzt wurde und wie der " resistance "-Ansatz fortentwickelt werden kann.
Ludger Heidbrink/Andrea Gröppel-Klein (Hg.): Die dunklen Seiten des Konsums – Alte Prob-leme, neue Herausforderungen. Baden-Baden 2020, S. 47-58.
In der Konsum -und Populärkultur der Bundesrepublik finden seit einiger Zeit Geschichten mit Figu... more In der Konsum -und Populärkultur der Bundesrepublik finden seit einiger Zeit Geschichten mit Figuren, die als "böse" betrachtet werden, besondere Aufmerksamkeit. Am Beispiel der medialen Debatte über erfolgreiche Film- und TV-Serien konstatiert der Beitrag einen markanten Diskurswandel. Während noch in den 1980ern kritische und besorgte Kommentare (etwa zu neuen Formaten der Privatsender) überwiegend moralisch urteilten, werden inzwischen problematische Entwicklungen in den Massenkünsten zunehmend nüchtern erörtert. Ästhetische Betrachtungen zur Attraktivität des (dargestellten) Bösen geben den Ton an; aus der Sicht des Autors bringen sie ernst zu nehmende Argumente vor.
Wolfgang Flügel/Merve Lühr/Winfried Müller (Hg.): Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt 1896-1949. Dresden 2020, S. 139-159. , 2020
Interessanterweise liegt bisher der Schwerpunkt empirisch-historischer Forschung zum Kinderkin... more Interessanterweise liegt bisher der Schwerpunkt empirisch-historischer Forschung zum Kinderkino in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das liegt vermutlich an zwei Faktoren. Zum einen zählten Halbwüchsige zur „Hauptklientel“ der Filmtheater, insbesondere außerhalb der Abendvorstellungen. Zum anderen lieferte das vermutete Wohl von Kindern und Jugendlichen erstrangige Argumente für die Debatte um Nutzen, Legitimität und Regulierung des neuen Mediums. Das Thema ‚Kind und Kino‘ führt mithin ins Zentrum der frühen Filmgeschichte. In diesem Kontext sollen zunächst drei Quellen das Phänomen veranschaulichen. Davon ausgehend, werden dann zwei Hauptlinien skiz-ziert, entlang derer Befunde zum historischen Kinderkino unser Verständnis urbaner Kinokultur bis in die Gegenwart bereichern können. Die Stichworte lauten erstens: Medialisierung, Autonomisierung, Ästhetisierung; und zweitens: Regulierung, Volkserziehung, Geschmacksbildung. In einem Ausblick werden abschließend einige Überlegungen und mögliche Forschungsfragen zum Thema ‚120 Jahre Kinder und Kino‘ formuliert.
Timo Heimerdinger, Markus Tauschek (Hg.): Kulturtheoretisch argumentieren. Ein Arbeits-buch. Münster/New York 2020, S. 380-407
Der Beitrag stellt theoretische und methodische Ansätze vor, die in der Europäischen Ethnologie /... more Der Beitrag stellt theoretische und methodische Ansätze vor, die in der Europäischen Ethnologie / Empirischen Kulturwissenschaft zur Analyse populärkultureller Phänomene verwendet werden. Grundlegend sind ein offenes Verständnis des "Populären" und flexible definitorische Ein- und Abgrenzungen von Populärkultur als Interaktionsphänomen. Ausführlicher wird auf Ansätze der britischen Cultural Studies sowie auf die ästhetische Dimension der Nutzung von Massenkünsten eingegangen.
NÖ Forschungs- und Bildungsges. m.b.H. (Hg): Erbschaften: Kultur Natur Identität. Tagungsband zum Symposion Dürnstein 2020. St. Pölten 2020, S. 37-42 , 2020
Der Aufsatz plädiert dafür, das materielle wie immaterielle Erbe der populären oder Massenkünste ... more Der Aufsatz plädiert dafür, das materielle wie immaterielle Erbe der populären oder Massenkünste vor Missachtung und Verschwindenlassen zu bewahren. Nach kurzen Überlegungen zum bewussten Bewahren und unabsichtlichtlichen oder aus Missachtung folgenden Nicht-Bewahren wird der bedrohte Status vieler Bereiche der Massenkünste aus dem 19. und 20. Jahrhundert skizziert. "Je mehr es gab, desto weniger gibt es" - was zu seiner Zeit massenhaft und preiswert präsent war, darum scheint sich niemand zu kümmern. Noch heute sind Film- und Fernsehquellen aus dem 20. Jahrhundert weithin dem unaufhaltsamen Verfall überlassen.
Der Aufsatz begründet das gesellschaftliche Interesse daran, die materiellen Relikte wie die Erinnerungen an die Weisen der Nutzung populärer Kultur zu sichern, zu pflegen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit wird auch das Erbe derer bewahrt, deren Vorstellungen von Schönheit und gutem Leben sich in ihrem Umgang mit Massenkünsten niedergeschlagen haben.
Ästhetisierung als das Streben, Schönes zu erleben, hat die Entwicklung der Menschheit vorangetri... more Ästhetisierung als das Streben, Schönes zu erleben, hat die Entwicklung der Menschheit vorangetrieben – heute bestimmt sie als Megatrend den Alltag. In Auseinandersetzung mit dem Ästhetisierungsmodell von Andreas Reckwitz zeichnet Kaspar Maase diese Entwicklung bis in die Gegenwart nach. Welche Rolle spielt dabei Kunst, welche Rolle sinnlich anregende Umwelt? Was macht die Alltäglichkeit ästhetischen Erlebens aus, bei der Zerstreuung als Praxis verteilter Aufmerksamkeit dominiert? Und wie verbinden sich Vergnügen und sinnliche Erkenntnis, Fühlen und Wissen, Empfinden und Darüber-Reden? Potenziale und Grenzen heutiger Ästhetisierung werden aus der Perspektive gewöhnlicher Alltagsakteur*innen erörtert.
Kaspar Maase und Projektgruppe: Tü amo! Italienisches im deutschen Alltag. Eine Lokalstudie. Tübingen 2009
Im deutschen Alltag wird italienische Kultur gesucht, gefunden und erfunden. In puncto Lebensstil... more Im deutschen Alltag wird italienische Kultur gesucht, gefunden und erfunden. In puncto Lebensstil wollen viele heute möglichst italienisch wirken - nicht mehr möglichst pariserisch oder amerikanisch. Die Deutschen werden, wie die Italiener, immer mehr zu Weltbürgern; sie gemeinden ehemals Fernes und Fremdes ein, mischen es mit dem Gewohnten und veralltäglichen es. Doch zugleich halten sie auf geradezu romantische Weise fest an dem Wunsch, mit Italienischem Leichtigkeit, Schönheit und Genuss in ihr Leben zu holen.
Kaspar Maase, Wolfgang Kaschuba (Hg.): Schund und Schönheit. Populäre Kultur um 1900. Köln u.a. 2001
Um 1900 formten sich Züge der modernen Massenkultur aus, die bis in die Gegenwart wirken. Die neu... more Um 1900 formten sich Züge der modernen Massenkultur aus, die bis in die Gegenwart wirken. Die neue Populärkultur war Abschluss und Neuformierung wesentlicher Trends aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Unwiderruflich wurden Schönheit und Kunst zum Lebenselement der Massen; zugleich stigmatisierte man die populären Künste als "Schund". Der Verknüpfung beider Erfahrungen verdankt sich die Ambivalenz, mit der wir bis heute dem Populären entgegentreten.
Mehr als fünf Stunden täglich verbringen wir mit populärer Kunst: Musik, Fortsetzungsromane, Popv... more Mehr als fünf Stunden täglich verbringen wir mit populärer Kunst: Musik, Fortsetzungsromane, Popvideos, Filme, Comics, TV-Serien. Hinzu kommen Werbung, Computerspiele, Sport und Design. Oft wird all dies in den Kulturwissenschaften als »trivial« abgetan, mit Kunst habe es wenig zu tun und diene vor allem der Ablenkung und Verführung. In diesem Band wird dagegen das ästhetische Potenzial populärer Künste und Vergnügungen ernst genommen.Die Beiträge von Gernot Böhme, Diedrich Diederichsen, Knut Hickethier, Birgit Richard, Andreas Platthaus und anderen machen die Schönheiten des Populären sichtbar: Sie speisen sich aus der Präsenz des Körperlichen, aus dem Bezug zur persönlichen Geschichte und aus der Sehnsucht nach dem Glück eines gelungenen Lebens.
Populäre Unterhaltung und Vergnügung gelten dieser Einführung als wesentlich ästhetische Phänomen... more Populäre Unterhaltung und Vergnügung gelten dieser Einführung als wesentlich ästhetische Phänomene. Doch gibt es eine spezifische »Ästhetik des Populären«? Und inwiefern können Massenkünste die Ausbildung von Weltsichten und Identitätsorientierungen auf problematische Weise beeinflussen? Der Band nimmt den »Mainstream« der Massenkünste und dessen alltägliche Nutzungspraktiken in den Fokus. Dazu wird ein Verständnis von Populärkultur als Netz praktischer Interaktionen zwischen Menschen, Texten, Dingen, Kontexten und Situationen entwickelt.
Mit den Rock'n'Roll-begeisterten Halbstarken und Teenagern der späten 50er und frühen 60er-Jahre ... more Mit den Rock'n'Roll-begeisterten Halbstarken und Teenagern der späten 50er und frühen 60er-Jahre wuchs in Deutschland die erste Generation heran, die massiv durch amerikanische Populärkultur beeinflusst war - durch Übernahmen wie durch Ablehnung. Die Studie untersucht vor dem Hintergrund von Theorien zur Jugendkultur, welche Bedeutung die Heranwachsenden dem American Way of Life and Entertainment und seinen Symbolen verliehen. Wie grenzten sie sich gegen die Gesellschaft der späten Adenauerzeit und deren Autoritäten ab? Welche kulturellen und sozialen Auseinandersetzungen wurden mittels Popkultur ausgetragen? Wie änderten sich Geschlechterbilder und Vorstellungen vom Recht auf selbstbestimmte Jugendzeit? Welchen Beitrag lieferte die Amerikanisierung von unten zur Einwurzelung demokratischer Einstellungen im Post-NS-Deutschland?
Wenige Entwicklungen haben den Alltag der Europäer*innen derart verändert wie der Aufstieg der Ma... more Wenige Entwicklungen haben den Alltag der Europäer*innen derart verändert wie der Aufstieg der Massenkultur seit 1850. Damit wurden die populären Künste zum Lebensmittel moderner Leistungsgesellschaften. Doch stieß die populäre Unterhaltung auf erheblichen Widerstand; ihr Erfolg erschütterte kulturelle Hierarchien und überwand soziale Barrieren. Auch der Umgang mit den Massenkünsten musste gelernt werden. So erweist sich die Historie der Massenkultur auch als Geschichte von Täuschung und Selbsttäuschung, von Unterdrückung und Kreativität, von utopischer Hoffnung und erbärmlicher Anpassung.
Kaspar Maase, Christoph Bareither, Brigitte Frizzoni und Mirjam Nast (Hg.): Macher – Medien – Publika. Beiträge der Europäischen Ethnologie zu Geschmack und Vergnügen. Würzburg 2014
Christoph Bareither, Kaspar Maase und Mirjam Nast (Hg.): Unterhaltung und Vergnügung. Beiträge der Europäischen Ethnologie zur Populärkulturforschung. Würzburg 2013
Um 1900 begann in Deutschland das Medienzeitalter: mit Kinofilm und Groschenheften, öffentlicher ... more Um 1900 begann in Deutschland das Medienzeitalter: mit Kinofilm und Groschenheften, öffentlicher Werbung und Musikautomaten. Die Studie liest die damaligen Auseinandersetzungen um "Schmutz und Schund" als Antwort auf den Übergang zur modernen Mediengesellschaft. Die neuen Medien und ihre Nutzer solten "gezähmt" werden. Denn mit diesen Medien entstand in den Städten ein Lebensbereich, in dem sich die Jüngeren besser auskannten als ihre Eltern. Man fragte sich, wie die neuen Medienwelten auf Kinder und Jugendliche wirkten - dieselben Fragen wie in den aktuellen Debatten um Internet und Computerspiele.
This essay centers around the idea that it is both fruitful and necessary to understand popular c... more This essay centers around the idea that it is both fruitful and necessary to understand popular culture as a basically aesthetic element of everyday life. Accordingly, empirical investigations mainly deal with a conglomerate of different arts, more specifically: popular arts or mass arts. One of the gravest objections to this approach is the argument that the concepts of art and aesthetics are concentrated middle-class ideology and thus no more than an instrument of "naked cultural hegemony." So the debate about this concern will constitute a recurrent theme in what follows. To avoid ideological fallacies the author proposes to regard popular culture as a web of practical interactions connecting texts, things, human actors, places, spaces, atmospheres and further participants. First, I will try to define a few basic notions. The second part of this paper deals with some problems of applying those concepts in empirical study. The finishing considerations will return to the supposed ideological character of any usage of the concepts of art and aesthetical experience.
Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil... more Dieser Aufsatz geht der Debatte über Widerstandspotenziale populärer Kultur nach. Der erste Teil verfolgt ideengeschichtliche Konstellationen, in denen die Fragestellung entstand und bis heute steht. Dann wird vorgeschlagen, die verschiedenen Dimensionen von " resistance " zu systematisieren. Der dritte Abschnitt geht auf die Entwicklung und Kritik des Ansatzes in den Cultural Studies ein. Das führt im vierten Teil zur Frage, welche Rolle in der Diskussion " kultureller Radikalismus " (Winfried Fluck) gespielt hat und. Der fünfte Teil führt das Konzept der Selbst-Bildung ein; der sechste erörtert, wie die politische Relevanz von Populärkultur eingeschätzt wurde und wie der " resistance "-Ansatz fortentwickelt werden kann.
Im Folgenden geht es um Lachen als soziale Praxis. Dabei können wir vom verbreiteten Kriegshumor ... more Im Folgenden geht es um Lachen als soziale Praxis. Dabei können wir vom verbreiteten Kriegshumor nicht direkt auf das Kriegslachen schließen. Lachen in einem anthropologisch auch nur etwas strikteren Sinn bezeichnet nicht etwa die Reaktion auf einen Humor-Reiz, sondern ein differenziertes Spektrum menschlicher Äußerungsformen, deren körperliche Dimension nicht weniger wichtig ist als ihre mentale, kommunikative oder soziale.
Diversión ilimitada. El auge de la cultura de masas (1850-1970). Madrid 2016, p. 293-302.
Seit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe dieses Buches hat sich die Forschung zur Massenkultur u... more Seit dem Erscheinen der deutschen Ausgabe dieses Buches hat sich die Forschung zur Massenkultur und ihrer Geschichte in Europa ausgesprochen erfreulich entwickelt. Eine Fülle von Einzelstudien ist erschienen, und eine Reihe von Zeitschriften zur Freizeit-, Kultur-und Medienforschung veröffentlicht kontinuierlich historisch ausgerichtete Arbeiten. Damit wurden und werden neue Aspekte der Massenkulturgeschichte erschlossen, die unser Wissen über die Entwicklung der populären Freizeit, Unterhaltung und Vergnügung erweitern und vertiefen. Allerdings hat die Ausdifferenzierung der Facetten und der Fragestellungen eine ungewollte Nebenwirkung: Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger, die Forschungslandschaft zu überschauen und größere Entwicklungslinien zu zeichnen. Jede noch so begrenzte Einzelstudie lässt Vielschichtigkeit und Variantenreichtum der Entwicklungen in Europa wie in den einzelnen Ländern deutlicher hervortreten. So hat es in letzter Zeit kaum jemand gewagt, eine Gesamtdarstellung der modernen Freizeit und Massenkultur seit dem 19. Jahrhundert zu verfassen. Immerhin erschien eine Reihe von Studien, Sammelbänden und
This lecture gives a survey of the historical development of the concept of 'Americanization'. Th... more This lecture gives a survey of the historical development of the concept of 'Americanization'. The European core idea, dating back to the early 19th century, was the supposed problem of cultural imports from the US influencing the minds and practices of Europeans. It took about 150 years to question the one-way-model of superior American influences flooding Europe and to develop the paradigm of mutual exchanges on a "transatlantic turntable". This change implied shifting the focus of interest to the receiving end and accepting that European users adapted 'American' imports creatively depending on their interests and traditions. This culminated in the development of the concept of 'creolization'.
POP - Kultur und Kritik; URL:https://pop-zeitschrift.de/2023/08/29/je-mehr-es-gab-desto-weniger-gibt-esautorvon-kaspar-maase-autordatum29-8-2023-datum/, 2023
Der Vortrag argumentiert dafür, Massenliteratur und speziell Heftromane ernsthaft und umfassend a... more Der Vortrag argumentiert dafür, Massenliteratur und speziell Heftromane ernsthaft und umfassend als Teil des kulturellen Erbes zu betrachten und vor allem zu behandeln. Die Hefte sind nicht umfassend gesammelt und bibliografisch erfasst; private Bestände sind von Verlust und Verstreuung bedroht. Die Forschung weist erhebliche Desiderate auf, was etwa die internationale Vernetzung der Serien und die an ein weibliches Publikum gerichteten, extrem erfolgreichen Serien betrifft. Ebenso vernachlässigt sind weibliche Autorinnen. Bei der historischen Entwicklung ästhetischer Maßstäbe und Kompetenzen haben Romanheftserien über Generationen eine erstrangige Rolle gespielt, und mit ihnen verbinden sich wertvolle Erinnerungen an ästhetische Erlebnisse. Deshalb sollten sie im kulturellen Gedächtnis unserer Gesellschaft genau so respektvoll bewahrt und präsentiert werden wie die Zeugnisse der 'Hochkultur'.
Mit der Massenkultur ist es wie mit dem Leben überhaupt: Man kann die Sache aus den unterschiedli... more Mit der Massenkultur ist es wie mit dem Leben überhaupt: Man kann die Sache aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachten - und die meisten davon sind durchaus sinnvoll und berechtigt. Drei solcher Perspektiven werden in diesem Text skizziert, zugespitzt für die Diskussion. Welchen Einfluss hat Massenkultur auf politisches Denken und Handeln? Wie hat der Aufstieg kommerzieller Massenkultur seit dem späten 19. Jahrhundert die Möglichkeiten zum Lebensgenuss für die Masse der Bevölkerung in entwickelten kapitalistischen Ländern verändert? Welche Abhängigkeiten sind genau dadurch entstanden, dass die Menschen der westlichen Moderne sich an die ständige Ausweitung solcher Lebensgenüsse gewöhnt haben? Am Ende steht die Frage: Kann man diese unterschiedlichen Aspekte vernünftig gegeneinander abwägen?
Ausgangspunkt des Vortrags ist ein gewisses Unbehagen mit dem Konzept oder Begriff des ‚Populären... more Ausgangspunkt des Vortrags ist ein gewisses Unbehagen mit dem Konzept oder Begriff des ‚Populären'. Vorgeschlagen wird, das Modell 'alltäglichen ästhetischen Erlebens' zu erproben. Im Hauptteil des Vortrags geht es um ästhetische Praktiken im Modus der Alltäglichkeit. Der zweite Abschnitt fragt, ob und inwiefern diese Praktiken ‚klassenlos‘ sind. Und im Ausblick wird Gert Selles (1983) Empfehlung „sozialästhetischer Empathie“ vorgestellt.
Regarding younger people between Bordeaux and Moscow, Narvik and Istanbul, we can find many commo... more Regarding younger people between Bordeaux and Moscow, Narvik and Istanbul, we can find many common traits-in terms of movies and soft drinks, pop music and fast food, and last not least in terms of dress. Yet, the article discusses the main concepts in question - European Youth, generation, styles of clothing - critically. From the point of view of empirically studying culture it seems very difficult to make empirically valid statements on generational styles of youth clothing in Europe. More differentiation is needed. So the paper suggests two further analytical perspectives: family tradition and beauty.
Nach einer kurzen Erörterung der Frage, inwieweit Spektakel zur Populärkultur zu zählen seien, wi... more Nach einer kurzen Erörterung der Frage, inwieweit Spektakel zur Populärkultur zu zählen seien, wird zentral das Thema der Gewinnung von Wissen bei der Rezeption von Spektakeln behandelt. Ästhetisches Erleben, so die These, ist wesentlich körperliches Erleben, und bezieht sich wesentlich auf körperlich-sinnliches Wissen. Spektakel als Unterhaltungsangebote werden nicht nur kognitiv-rational, sondern gleichermaßen sinnlich-affektiv angeeignet. Vor allem das bezeichnet "aisthesis" als sinnliche Erkenntnis. Konkreter wird die These mit Intepretationen von Richard Dyer belegt, die die Effekte nicht-sprachlicher, nicht-begrifflicher Dimensionen von Filmen demonstrieren. Farben, Bewegungen, Rhythmen, Räume, Musik und Schauspieler*innen-Images wirken über affektive Codes auf bedeutungsgeladene Stimmungen hin - etwa auf die Erzeugung "utopischer" Energien.
Die zentrale These des Beitrags ist: Moderne Populär- und Vergnügungs-kultur hat wesentliche Qual... more Die zentrale These des Beitrags ist: Moderne Populär- und Vergnügungs-kultur hat wesentliche Qualitäten, die bereits über Jahrtausende in städtischen Zentren entwickelt, gelebt und weiterentwickelt wurden. Sie ist in gewissem Sinn Verallgemeinerung und Steigerung eines bewährten Modells. Dazu zählt an vorderer Stelle, dass in größeren Städten - das wird anhand der europäischen Entwicklung seit dem hohen Mittelalter skizziert - der 'Wille zum Vergnügen' über Jahrhunderte Teil des Habitus der Stadtbewohner*innen wurde. Zugleich werden die Veränderungen im Charakter populärer Unterhal-tungskultur benannt, die mit ihrer Verallgemeinerung im industriellen Kapitalismus verbunden waren, etwa die Privatisierung der Vergnügen.
Der Beitrag geht aus von der These, das einzig wirklich Gemeinsame und verbindend Geteilte im kul... more Der Beitrag geht aus von der These, das einzig wirklich Gemeinsame und verbindend Geteilte im kulturellen Raum Europas sei amerikanische Populärkultur. Zumindest scheint die Auseinandersetzung mit einem solchen im Kern transnationalen Phänomen wie der modernen Populärkultur gut geeignet, um das voranzubringen, was Projekte wie binationale Geschichtswerke voranbringen wollen: die Fraglosigkeit unserer Auffassungen von historischen Ereignissen und Entwicklungen ein wenig aufzubrechen, uns zu öffnen für andere Lesarten derselben Ereignisse und vielleicht sogar ein Stück weit zu erkennen, welche Prägungen unser Erinnern und Bewerten systematisch regeln.
Über zwei Punkte herrscht in der neueren volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Forschung weitgeh... more Über zwei Punkte herrscht in der neueren volkskundlich-kulturwissenschaftlichen Forschung weitgehend Einigkeit: Auch unter den Vorzeichen kultureller Globalisierung spielen Nahwelten für die Menschen emotional eine erstrangige Rolle; das zeigt die anhaltende Heimat-Debatte ebenso wie die Tatsache, dass die Mehrheit sich weiterhin über räumliche Herkunft und regionalkulturelle Prägungen definiert-als geborener Tübinger oder Berliner, als Bayer oder Sächsin. Zweitens ist es Konsens, dass symbolische Orts-und Raumbezogenheit und die Weisen ihrer Inszenierung seit dem 19. Jahrhundert Prozesse der Moderne und der Modernisierung sind-keine regressive Verweigerung sozialen Wandels, sondern Strategien der Ver-Ortung und der Identitäts-Markierung auch noch in der Spätmoderne. Vor diesem Hintergrund ist ständig neu zu fragen, was es denn eigentlich genau bedeutet, wenn Menschen sich positiv einer Region zuordnen, wenn sie damit angenehme Empfindungen, gute Erinnerungen und für ihre Person wichtige Erfahrungen verbinden. Regionale Identifikation in der Moderne ist subjektive Herstellung einer positiv besetzten Beziehung zur umgebenden Nahwelt. Die Bindung kann mehr oder weniger stabil sein und reicht von der Empfindung, daß es sich irgendwo "gut leben lasse" bis zur ethnischen Selbstdefinition, jemand sei in seinem Wesenskern ein Thüringer und daher verpflichtet, Thüringer Art und Thüringer Erbe gegen alle vermuteten Bedrohungen zu bewahren.
In Germany, the years of the Great War were a time for laughter. If we take a look at the product... more In Germany, the years of the Great War were a time for laughter. If we take a look at the production and consumption of goods that were designed to make people laugh – humour commodities – we get the impression that until November 1918 many Germans were eager to pay for papers, plays, or performances that promised a chance for laughter. By distinguishing and at the same time parallelising laughter provoked by conventional comic material and laughter about topics related to the war experience, I wish to promote a broadened view on the question of humour in wartime. One can subsume these findings under two different perspectives, a semiotic perspective and one which I call selfreferential. By semiotic I mean all the functions following from the semantic potential of funny texts.The paper contrasts this analytic perspective with a different reading; it is based on the assumption that generally humorous communication and laughter are used in everyday life for attaining goals that are partially or even to a great extent independent of the concrete semantics of the texts. One might call it a symbolic and selfreferential use of humour insofar as it aims above all at generating socio-emotional effects in the persons or the groups who laugh. To put it simpler: Laughing can be an end in itself, and it can serve as a means for mood management irrespective of its cause. The paper draws on analytical proposals by Mary Douglas, Max Weber, Anton Zijderveld, Willibald Ruch and others to elaborate on the idea of laughing in and at war as a selfreferential praxis.
Der Beitrag behandelt Heftromanserien, die während des Ersten Weltkriegs diesen zum Thema machten... more Der Beitrag behandelt Heftromanserien, die während des Ersten Weltkriegs diesen zum Thema machten und ausgesprochen umstritten waren. Während einige Politiker sie durchaus als Propagandainstrumente schätzten, sah die von Pädagogen und "Schundkämpfern" dominierte Öffentlichkeit darin gefährlichen "Kriegsschund". In großen Teilen des deutschen Kaiserreichs wurden entsprechende Heftreihen auf Anordnung der militärischen Befehlshaber verboten. Das wirft die Frage auf, wieso Militärs gegen eine solche populäre Propagandamöglichkeit vorgingen.
European ethnology, former folklore studies, has a long and respectable tradition of focusing on ... more European ethnology, former folklore studies, has a long and respectable tradition of focusing on things. The study of traditional house and dress, of tools and housing inventories, of folk art and ceramics, of the banana as the symbol of German reunification, of trench art from World War One and of the moveable belongings of migrants point to the broad spectrum of objects that have received attention. Equally broad and varied are the methodologies and theoretical contexts from which the studies of things derive. They all share an interest in the material nature of their objects of inquiry; their analysis, though, can be equally inspired by aesthetic considerations or by questions cultural historians and theorists of the forces of production ask, and of course völkisch thinking has also played a role. During the past decade Daniel Miller and his school of British material culture studies have been influential.
The thesis of this paper is that in the aftermath of World War II Rock’n’roll (more pre-cisely: w... more The thesis of this paper is that in the aftermath of World War II Rock’n’roll (more pre-cisely: what Europeans considered to be “American Rock’n’roll”) became a prime factor of social change. Rock could play this role not by reason of its musical qualities alone; rather, the sound served as a catalyst and as an object of imaginary projections for people from different milieus. These groups fought a “semiotic war” (Angela McRobbie) over Rock’n’roll, using antagonistic interpretations and opposing appraisals (of musical qualities, singers and bands, of the commercial music industry, of juvenile fandom et cetera) to carry out basic social and cultural conflicts of the time. Hence it takes a complex reconstruction of the concrete historical situation – of political tensions, social factors, and cultural traditions in post-World War Europe – to develop an appropriate interpretation of the advent of Rock music and what it meant to the contemporaries.
This paper is based on findings concerning the reception of popular arts, mainly popular reading ... more This paper is based on findings concerning the reception of popular arts, mainly popular reading materials and the cinema, since the middle of the 19th century and covers the German-speaking countries of Europe. It is built around three theses. First: Research on historical audiences should not be confined to generating knowledge of quantitative dimensions of perception and of intellectual responses like judgements and interpretations only. It should aim at the full range of usage practices connected to the artistic objects and performances; in particular, the study of the recipients’ actions promises to give valuable insight which we may not be able to gather from other sources. Second: We are not short of relevant sources; what is lacking to date is the efforts to open up and construe these sources. Third: A historical-ethnographical access to the sources is very well apt to shed light on the qualitative dimensions of perception. Most underrated among these is the aesthetic experience which common people have been drawing from their ways of using the popular arts.
Im Lauf des 20. Jahrhunderts ist es für die EuropäerInnen Bedürfnis und Gewohnheit geworden, Gege... more Im Lauf des 20. Jahrhunderts ist es für die EuropäerInnen Bedürfnis und Gewohnheit geworden, Gegenstände und Tätigkeiten des gewöhnlichen Lebensvollzugs 'schön' einzurichten: sinnlich reizvoll und emotional ansprechend, in prägnanter, gefälliger Gestalt und aufgeladen mit symbolischen Botschaften, die dem Dasein eine Dimension jenseits der Alltagspragmatik verleihen. Kaum eine Entscheidung, in die nicht ästhetische Ansprüche einflössen. Und wo die Basics der ökonomischen und physischen Reproduktion gesichert sind, da richtet sich die Lebensführung zunehmend nach Gesichtspunkten der Schönheit - häufig und durchaus bewusst auch zu Lasten von Funktionalität und ökonomischer Rationalität. Dies wird am Beispiel der Wahrnehmung "des Autos" betrachtet; als Quellen dienen Testberichte. Deren Diskurs steht nicht in der langen Tradition oberschichtlicher Geschmacks- und Einrichtungsratgeber. In den Testberichten lassen sich vielmehr für die Nachkriegszeit die Relativierung der ingenieurtechnischen Argumentation und die Transformation von technischen in Anmutungs- und Erfahrungsqualitäten verfolgen. Ich gehe davon aus, dass die Autoren gerade im nicht-technischen Bereich nicht auf tradierte Darstellungs- und Bewertungsmuster zurückgreifen konnten; dass sie vielmehr bei der Ausweitung der Dimensionen, in denen sie das Testobjekt und seine Erfahrung beschreiben, vergleichsweise synkretistisch-kreativ auf unterschiedlichste Diskursressourcen zugriffen. Sie waren und sind gewissermaßen Pioniere bei der Versprachlichung ästhetischer Erfahrungen, die sie mit dem durchschnittlichen Autonutzer teilen, ihm stets nur einen halben Schritt voraus und durch das Feedback auf dem Medienmarkt ständig genötigt, den Kontakt mit den Empfindungen der Alltagsfahrer zu halten.
Seit dem 19. Jahrhundert haben sich die wesentlichen Segmente deutscher Kultur umarrangiert, wie ... more Seit dem 19. Jahrhundert haben sich die wesentlichen Segmente deutscher Kultur umarrangiert, wie bei der Drehung eines Kaleidoskops. Welche Phänomene der Populärkultur waren beteiligt, welche sozialen Wandlungen waren im Spiel, und was folgt daraus für die Wahl der Forschungsgegenstände? Diesen Fragen gehe ich in drei Schritten nach. Zunächst ist ein Blick zurück ins 19. Jahrhundert erhellend, weil da der Aufstieg moderner Populärkultur begann. Und weil wir dort sehen, dass ein verbreitetes Denkmuster – der guten, anspruchsvollen Hochkultur steht eine zweifelhafte Massenkultur gegenüber – von Anfang an zu schlicht war. Dann skizziere ich den Aufstieg der Popkultur in Deutschland seit den 1950ern und deren Abgrenzung vom Mainstream. Diesem Mainstream und seiner Bedeutung für ästhetische Erfahrung und (Selbst-)Bildung widmet sich der Schlussteil – nicht ganz unparteilich und deswegen mit einer kurzen Selbstbefragung endend.
Der Grundgedanke des Vortrags lautet: Es ist sinnvoll und notwendig, Populärkultur als ein wesent... more Der Grundgedanke des Vortrags lautet: Es ist sinnvoll und notwendig, Populärkultur als ein wesentlich ästhetisches Phänomen zu verstehen, als Konglomerat von Künsten, genauer: Massenkünsten. Wenn wir Populärkultur zugleich als komplexe Interaktion begreifen , kann man der Ideologie entgehen, die mit der traditionellen Rede von Kunst verbunden ist. Zu diesem Zweck werden Definitionen des Ästhetischen und des ästhetischen Erlebens vorgeschlagen und erörtert, wie sie für empirische Populärkulturforschung zu verwenden sind und welche Probleme dabei auftreten.
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Papers by Kaspar Maase
Die Annahme, an den Orten und mit Gegenständen der 'Hochkultur' finde stets eine elaborierte, 'anspruchsvolle' Rezeption durch die Nutzer*innen statt, ist empirisch nicht zu halten. Es sind v.a. Praktiken der Selbstinszenierung und der Distinktion, die einen klassistischen Graben zwischen Nutzer*innen von 'High' und 'Low' ziehen.
Wahrnehmen, Erleben und Reflektieren zu entfalten. Es argumentiert für ei-
ne gleichrangige Betrachtung aller Elemente von ästhetischen Begegnungen. Deren offene Kombinierbarkeit ist empirisch anzuerkennen und ihr Gehalt an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv, ohne normative Einschränkung zu untersuchen. Werden nicht Reflexion und sprachliche Vergegenwärtigung ästhetischen Erlebens überbetont? Kann man ästhetische Begegnungen als Kontinuum mit fluiden Mischungen und Übergängen der Elemente verstehen? Grundlage der Überlegungen ist ein von der Akteur-Netzwerk-Theorie inspiriertes Verständnis von ästhetischer Interaktion als Ko-laboration unterschiedlicher Beteiligter.
die ästhetischen Praktiken, die die meisten Menschen bei den meisten Gelegenheiten ausüben, durch Strukturen der Alltäglichkeit geprägt sind. Hier liegen die Schlüssel für eine Antwort auf die Frage, warum ästhetische Interaktionen die Form haben, die sie üblicherweise haben – obwohl diese Gewohnheiten seit Generationen als fragwürdig und ungenügend kritisiert werden.
Dazu betrachte ich vier Dimensionen ästhetischen Handelns im Modus der
Alltäglichkeit genauer. Erstens sind die Alltagspraktiken, deren Mustern wir
folgen, ›geteilte Praktiken‹ mit dialogischem Charakter; sie schließen Kritik,
Lernen, Optimierung und Selbststeuerung ein. Zweitens bewirken Routinen
und Wiederholungen, die Alltäglichkeit ausmachen, keine stumpfe Repetiti-
on von Immergleichem. Es sind durchaus nicht-triviale Tätigkeiten, die sich
auch ästhetisch weiterentwickeln.
Zur Bewältigung moderner Alltage bedarf es drittens ›zerstreuter‹ und
verteilter Aufmerksamkeit. Der Umgang mit ästhetischen Angeboten, insbesondere mit den Massenkünsten, bildet ein erstrangiges Einsatzfeld für derartiges ›lockeres Erleben‹. Viertens sind ästhetische Interaktionen im Modus der Alltäglichkeit strukturiert durch die pragmatische Ausrichtung allen Alltagshandelns. Ziele, auch ästhetisches Vergnügen, sollen mit einer optimalen Balance von Aufwand und Ertrag erreicht werden. Man erwartet Nützlichkeit für die Lebensbewältigung. Auf diesen Befunden aufbauend, werden idealtypisch Alltagsästhetik von Laien und professionelle Ästhetik von Expertinnen kontrastiert.
Interaktionen. Die Bestimmungsversuche gehen von der Nutzerinnen-
Perspektive aus. Sie sind eher deskriptiv und rücken den »Gebrauchsaspekt«
(Schweppenhäuser 2009: 71) jener ästhetischen Angebote ins Zentrum, die
unter Bedingungen der Alltäglichkeit besonders geschätzt werden.
und evolutionäre Zugänge erörtert, die ästhetische Interaktion als
Grundbestandteil menschlicher Entwicklung überhaupt begründen. Darauf
baut eine historische Skizze der Ästhetisierung in Deutschland seit dem
19. Jahrhundert auf; im Zentrum stehen jene Faktoren, die das Leben der
gesamten Bevölkerung massiv umgestaltet haben.
Allerdings können mittels "Politisierung von innen" und "von außen" soziale Bewegungen und politische Akteur*innen Einfluss nehmen und kulturelle Kräfteverschiebungen unterstützen.
In diesem Kontext sollen zunächst drei Quellen das Phänomen veranschaulichen. Davon ausgehend, werden dann zwei Hauptlinien skiz-ziert, entlang derer Befunde zum historischen Kinderkino unser Verständnis urbaner Kinokultur bis in die Gegenwart bereichern können. Die Stichworte lauten erstens: Medialisierung, Autonomisierung, Ästhetisierung; und zweitens: Regulierung, Volkserziehung, Geschmacksbildung. In einem Ausblick werden abschließend einige Überlegungen und mögliche Forschungsfragen zum Thema ‚120 Jahre Kinder und Kino‘ formuliert.
Der Aufsatz begründet das gesellschaftliche Interesse daran, die materiellen Relikte wie die Erinnerungen an die Weisen der Nutzung populärer Kultur zu sichern, zu pflegen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit wird auch das Erbe derer bewahrt, deren Vorstellungen von Schönheit und gutem Leben sich in ihrem Umgang mit Massenkünsten niedergeschlagen haben.
Die Annahme, an den Orten und mit Gegenständen der 'Hochkultur' finde stets eine elaborierte, 'anspruchsvolle' Rezeption durch die Nutzer*innen statt, ist empirisch nicht zu halten. Es sind v.a. Praktiken der Selbstinszenierung und der Distinktion, die einen klassistischen Graben zwischen Nutzer*innen von 'High' und 'Low' ziehen.
Wahrnehmen, Erleben und Reflektieren zu entfalten. Es argumentiert für ei-
ne gleichrangige Betrachtung aller Elemente von ästhetischen Begegnungen. Deren offene Kombinierbarkeit ist empirisch anzuerkennen und ihr Gehalt an Fühlen, Wissen, Reflexion stärker induktiv, ohne normative Einschränkung zu untersuchen. Werden nicht Reflexion und sprachliche Vergegenwärtigung ästhetischen Erlebens überbetont? Kann man ästhetische Begegnungen als Kontinuum mit fluiden Mischungen und Übergängen der Elemente verstehen? Grundlage der Überlegungen ist ein von der Akteur-Netzwerk-Theorie inspiriertes Verständnis von ästhetischer Interaktion als Ko-laboration unterschiedlicher Beteiligter.
die ästhetischen Praktiken, die die meisten Menschen bei den meisten Gelegenheiten ausüben, durch Strukturen der Alltäglichkeit geprägt sind. Hier liegen die Schlüssel für eine Antwort auf die Frage, warum ästhetische Interaktionen die Form haben, die sie üblicherweise haben – obwohl diese Gewohnheiten seit Generationen als fragwürdig und ungenügend kritisiert werden.
Dazu betrachte ich vier Dimensionen ästhetischen Handelns im Modus der
Alltäglichkeit genauer. Erstens sind die Alltagspraktiken, deren Mustern wir
folgen, ›geteilte Praktiken‹ mit dialogischem Charakter; sie schließen Kritik,
Lernen, Optimierung und Selbststeuerung ein. Zweitens bewirken Routinen
und Wiederholungen, die Alltäglichkeit ausmachen, keine stumpfe Repetiti-
on von Immergleichem. Es sind durchaus nicht-triviale Tätigkeiten, die sich
auch ästhetisch weiterentwickeln.
Zur Bewältigung moderner Alltage bedarf es drittens ›zerstreuter‹ und
verteilter Aufmerksamkeit. Der Umgang mit ästhetischen Angeboten, insbesondere mit den Massenkünsten, bildet ein erstrangiges Einsatzfeld für derartiges ›lockeres Erleben‹. Viertens sind ästhetische Interaktionen im Modus der Alltäglichkeit strukturiert durch die pragmatische Ausrichtung allen Alltagshandelns. Ziele, auch ästhetisches Vergnügen, sollen mit einer optimalen Balance von Aufwand und Ertrag erreicht werden. Man erwartet Nützlichkeit für die Lebensbewältigung. Auf diesen Befunden aufbauend, werden idealtypisch Alltagsästhetik von Laien und professionelle Ästhetik von Expertinnen kontrastiert.
Interaktionen. Die Bestimmungsversuche gehen von der Nutzerinnen-
Perspektive aus. Sie sind eher deskriptiv und rücken den »Gebrauchsaspekt«
(Schweppenhäuser 2009: 71) jener ästhetischen Angebote ins Zentrum, die
unter Bedingungen der Alltäglichkeit besonders geschätzt werden.
und evolutionäre Zugänge erörtert, die ästhetische Interaktion als
Grundbestandteil menschlicher Entwicklung überhaupt begründen. Darauf
baut eine historische Skizze der Ästhetisierung in Deutschland seit dem
19. Jahrhundert auf; im Zentrum stehen jene Faktoren, die das Leben der
gesamten Bevölkerung massiv umgestaltet haben.
Allerdings können mittels "Politisierung von innen" und "von außen" soziale Bewegungen und politische Akteur*innen Einfluss nehmen und kulturelle Kräfteverschiebungen unterstützen.
In diesem Kontext sollen zunächst drei Quellen das Phänomen veranschaulichen. Davon ausgehend, werden dann zwei Hauptlinien skiz-ziert, entlang derer Befunde zum historischen Kinderkino unser Verständnis urbaner Kinokultur bis in die Gegenwart bereichern können. Die Stichworte lauten erstens: Medialisierung, Autonomisierung, Ästhetisierung; und zweitens: Regulierung, Volkserziehung, Geschmacksbildung. In einem Ausblick werden abschließend einige Überlegungen und mögliche Forschungsfragen zum Thema ‚120 Jahre Kinder und Kino‘ formuliert.
Der Aufsatz begründet das gesellschaftliche Interesse daran, die materiellen Relikte wie die Erinnerungen an die Weisen der Nutzung populärer Kultur zu sichern, zu pflegen, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit wird auch das Erbe derer bewahrt, deren Vorstellungen von Schönheit und gutem Leben sich in ihrem Umgang mit Massenkünsten niedergeschlagen haben.
Der Band nimmt den »Mainstream« der Massenkünste und dessen alltägliche Nutzungspraktiken in den Fokus. Dazu wird ein Verständnis von Populärkultur als Netz praktischer Interaktionen zwischen Menschen, Texten, Dingen, Kontexten und Situationen entwickelt.
Bei der historischen Entwicklung ästhetischer Maßstäbe und Kompetenzen haben Romanheftserien über Generationen eine erstrangige Rolle gespielt, und mit ihnen verbinden sich wertvolle Erinnerungen an ästhetische Erlebnisse. Deshalb sollten sie im kulturellen Gedächtnis unserer Gesellschaft genau so respektvoll bewahrt und präsentiert werden wie die Zeugnisse der 'Hochkultur'.
Denken und Handeln? Wie hat der Aufstieg kommerzieller Massenkultur seit dem späten 19. Jahrhundert die Möglichkeiten zum Lebensgenuss für die Masse der Bevölkerung in entwickelten kapitalistischen Ländern verändert? Welche Abhängigkeiten sind genau dadurch entstanden, dass die Menschen der westlichen Moderne sich an die ständige Ausweitung solcher Lebensgenüsse gewöhnt haben? Am Ende steht die Frage: Kann man diese unterschiedlichen Aspekte vernünftig gegeneinander
abwägen?
Konkreter wird die These mit Intepretationen von Richard Dyer belegt, die die Effekte nicht-sprachlicher, nicht-begrifflicher Dimensionen von Filmen demonstrieren. Farben, Bewegungen, Rhythmen, Räume, Musik und Schauspieler*innen-Images wirken über affektive Codes auf bedeutungsgeladene Stimmungen hin - etwa auf die Erzeugung "utopischer" Energien.
Zugleich werden die Veränderungen im Charakter populärer Unterhal-tungskultur benannt, die mit ihrer Verallgemeinerung im industriellen Kapitalismus verbunden waren, etwa die Privatisierung der Vergnügen.
By distinguishing and at the same time parallelising laughter provoked by conventional comic material and laughter about topics related to the war experience, I wish to promote a broadened view on the question of humour in wartime. One can subsume these findings under two different perspectives, a semiotic perspective and one which I call selfreferential. By semiotic I mean all the functions following from the semantic potential of funny texts.The paper contrasts this analytic perspective with a different reading; it is based on the assumption that generally humorous communication and laughter are used in everyday life for attaining goals that are partially or even to a great extent independent of the concrete semantics of the texts. One might call it a symbolic and selfreferential use of humour insofar as it aims above all at generating socio-emotional effects in the persons or the groups who laugh. To put it simpler: Laughing can be an end in itself, and it can serve as a means for mood management irrespective of its cause.
The paper draws on analytical proposals by Mary Douglas, Max Weber, Anton Zijderveld, Willibald Ruch and others to elaborate on the idea of laughing in and at war as a selfreferential praxis.
It is built around three theses. First: Research on historical audiences should not be confined to generating knowledge of quantitative dimensions of perception and of intellectual responses like judgements and interpretations only. It should aim at the full range of usage practices connected to the artistic objects and performances; in particular, the study of the recipients’ actions promises to give valuable insight which we may not be able to gather from other sources.
Second: We are not short of relevant sources; what is lacking to date is the efforts to open up and construe these sources.
Third: A historical-ethnographical access to the sources is very well apt to shed light on the qualitative dimensions of perception. Most underrated among these is the aesthetic experience which common people have been drawing from their ways of using the popular arts.
Dies wird am Beispiel der Wahrnehmung "des Autos" betrachtet; als Quellen dienen Testberichte. Deren Diskurs steht nicht in der langen Tradition oberschichtlicher Geschmacks- und Einrichtungsratgeber. In den Testberichten lassen sich vielmehr für die Nachkriegszeit die Relativierung der ingenieurtechnischen Argumentation und die Transformation von technischen in Anmutungs- und Erfahrungsqualitäten verfolgen.
Ich gehe davon aus, dass die Autoren gerade im nicht-technischen Bereich nicht auf tradierte Darstellungs- und Bewertungsmuster zurückgreifen konnten; dass sie vielmehr bei der Ausweitung der Dimensionen, in denen sie das Testobjekt und seine Erfahrung beschreiben, vergleichsweise synkretistisch-kreativ auf unterschiedlichste Diskursressourcen zugriffen. Sie waren und sind gewissermaßen Pioniere bei der Versprachlichung ästhetischer Erfahrungen, die sie mit dem durchschnittlichen Autonutzer teilen, ihm stets nur einen halben Schritt voraus und durch das Feedback auf dem Medienmarkt ständig genötigt, den Kontakt mit den Empfindungen der Alltagsfahrer zu halten.
Diesen Fragen gehe ich in drei Schritten nach. Zunächst ist ein Blick zurück ins 19. Jahrhundert erhellend, weil da der Aufstieg moderner Populärkultur begann. Und weil wir dort sehen, dass ein verbreitetes Denkmuster – der guten, anspruchsvollen Hochkultur steht eine zweifelhafte Massenkultur gegenüber – von Anfang an zu schlicht war. Dann skizziere ich den Aufstieg der Popkultur in Deutschland seit den 1950ern und deren Abgrenzung vom Mainstream. Diesem Mainstream und seiner Bedeutung für ästhetische Erfahrung und (Selbst-)Bildung widmet sich der Schlussteil – nicht ganz unparteilich und deswegen mit einer kurzen Selbstbefragung endend.