sehepunkte - 8 (2008), Nr. 9

David B. Hollander: Money in the Late Roman Republic (= Columbia Studies in the Classical Tradition; Vol. 29), Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2007, xi + 190 S., ISBN 978-90-04-15649-4, EUR 89,00

Rezensiert von:
Peter Franz Mittag
Institut für Altertumskunde, Universität zu Köln

Die vorliegende Untersuchung ist die stark �berarbeitete Fassung einer Dissertation aus dem Jahr 2002 und behandelt "the nature and use of money in the late Roman Republic [�] in order to understand better the development of the Roman economy in this period of rapid imperial expansion and increased wealth.� (1) Die Einleitung (chapter one) bietet zun�chst einige allgemeine �berlegungen zur modernen Geldmengentheorie und ihrer Anwendbarkeit auf die r�mischen Verh�ltnisse, wobei die grunds�tzliche �hnlichkeit zwischen dem Begriff pecunia und der modernen Definition von Geld festgestellt wird (13). In Anlehnung an die moderne Geldmengenklassifizierung aber aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen abweichend von ihr definiert Hollander "Roman C" als Bargeld, "Roman M1" als Rohmetall sowie Finanzinstrument und "Roman M2" als Geldersatz. Diese Einteilung gibt die Gliederung der folgenden �berlegungen vor.

Kapitel 2 widmet sich zun�chst dem Bargeld, wobei Hollander die drei M�nzmetalle Silber, Gold und Kupferlegierungen getrennt behandelt. In Bezug auf Silber stellt er fest, dass um 50 v. Chr. f�nf- bis zehnmal so viele denarii im Umlauf waren wie um 150 v. Chr. Die seltenen Goldm�nzpr�gungen verbindet er �berzeugend mit Liquidit�tsengp�ssen in milit�rischen Krisensituationen. Als Grund f�r die Schwankungen in der Kleingeldpr�gung, die zwischen 146 und 114 keine asses umfasste und zwischen 82 und 46 g�nzlich versiegte, vermutet er ein relativ geringes Vertrauen in diese M�nzen, das sich aus dem schwankenden Gewicht ergeben habe. Die au�erstadtr�mischen Pr�gungen und F�lschungen h�tten jedoch dazu beigetragen, einen Liquidit�tsengpass zu verhindern.

Kapitel 3 ist der Geldmenge "Roman M1" gewidmet und behandelt einerseits Rohmetall, das als Zahlungsmittel bei Einnahmen und Ausgaben der res publica sowie im Fernhandel belegt ist, andererseits die Finanzinstrumentarien wie permutationes, syngraphae, partes und nomina, die Hollander als Geldanweisungen, Schuldverschreibungen, Anteilsscheine und private Schulden deutet.

Im folgenden vierten Kapitel werden Geldersatzmittel gem�� den verschiedenen Funktionen von Geld behandelt (Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Austauschmittel und Recheneinheit). Als Zahlungsmittel lassen sich nachweisen Getreide, Wein, Oliven(�l), Vieh, Land, Sklaven und Arbeitskraft. �hnliches umfasst auch die Liste der belegten Wertaufbewahrungsmittel: Land, Sklaven, Getreide, Wein, �l, Tiere, M�bel und landwirtschaftliche Ger�tschaften. Dabei wurde Getreide in l�ndlichen Regionen zudem als Austauschmittel und - ebenso wie in seltenen F�llen auch Wein und �l - als Recheneinheit benutzt.

Im Anschluss an diese beeindruckende Zusammenstellung aller Informationen zu den definierten Geldmengen werden im f�nften Kapitel vier monetary zones separiert betrachtet: Die Administration der res publica, der Fernhandel, die Stadt und l�ndliche Regionen. In Bezug auf die Finanzen der res publica weist Hollander darauf hin, dass in vielen F�llen unklar bleibe, ob Einnahmen in bar oder in Waren geleistet wurden. Letzteres lasse sich auch f�r einige Ausgaben (Milit�r und annona) belegen. W�hrend die res publica auch gro�e Bargeldbest�nde �ber weite Strecken transportiert habe, sei der Fernhandel ohne gro�e Bargeldtransporte ausgekommen. Wesentlich sei dabei gewesen, dass die Handelsschiffe nicht Geld, sondern Waren als R�ckfracht transportiert h�tten. Bargeld habe daher nur an den Endpunkten des Handels, auf den jeweiligen M�rkten, eine gr��ere Bedeutung besessen. Das habe insbesondere f�r St�dte gegolten. Hier lasse sich ein hoher Monetarisierungsgrad feststellen, der nur sehr begrenzt durch die Redistribution von Waren (etwa die Verteilung verbilligten Getreides), Geschenke von Feldherren, die direkte Versorgung aus dem Umland und Geschenke durch Patrone minimiert worden sei. Demgegen�ber sei der l�ndliche Raum mit deutlich geringeren Bargeldmengen ausgekommen.

Das abschlie�ende 6. Kapitel ist dem Geldbedarf gewidmet. Ausgangspunkt ist dabei die Fisher'sche Quantit�tsformel (MV = PT; Geldmenge multipliziert mit Umlaufgeschwindigkeit = Preise multipliziert mit der Summe aller verkauften Produkte). Selbst wenn man T, also die Summe aller verkauften Waren, durch Y = Bruttoinlandsprodukt ersetzt, bleibt in jedem Fall die Umlaufgeschwindigkeit V eine weitgehend unbekannte Variable. Hollander versucht die sich daraus ergebenden Unw�gbarkeiten f�r die Rekonstruktion des r�mischen Geldbedarfes dadurch zu l�sen, dass er auf eine andere Formel von Irving Fisher zur�ckgreift, die den Anteil an Bargeldreserven "k" statt der Umlaufgeschwindigkeit ber�cksichtigt: Md = kPY (Geldbedarf = Produkt aus Bargeldreserven, Preisen und Bruttoinlandsprodukt). Hollander definiert k als V = 1/k und f�ngt sich damit letztlich das Problem der unbekannten Umlaufgeschwindigkeit wieder ein. Dies kann er auch nicht dadurch l�sen, dass er in Anschluss an Keynes die drei Arten von Bargeldreserven (f�r Transaktionen, f�r Notf�lle, f�r Spekulationen) f�r die vier r�mischen Geldzonen abzusch�tzen versucht.

Hierbei offenbart sich ein grunds�tzliches Dilemma der Arbeit: Es liegen noch nicht einmal ansatzweise gen�gende Zahlen vor, um viele der aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Das gilt dann auch f�r die abschlie�end gestellte Frage, ob es in der sp�ten Republik ein Wirtschaftswachstum gegeben habe (153-155). An keiner Stelle wird so deutlich, wie vage die Datenbasis letztlich ist und wie waghalsig der Versuch, hier zu auch nur ansatzweise tragf�higen Aussagen zu gelangen.

Die Arbeit zeigt daher vor allem, dass, selbst wenn man die verschiedenen modernen Theorien und Konzepte auf die r�mischen Verh�ltnisse anwendet, die Frage nach "nature and use of money" in der sp�ten Republik nur in ganz groben Grundz�gen beantwortet werden kann. Hollander gelingt zwar eine klar strukturierte Bestandsaufnahme, die von ihm herangezogenen Theorien bieten aber keine angemessenen analytischen Instrumente, um diesen Befund sachgerecht zu erkl�ren. Im Gegenteil: Die Anwendung moderner Geldmengenmodelle scheitert daran, dass weder hinreichende Informationen �ber Preise, das Bruttoinlandsprodukt, die Umlaufgeschwindigkeit noch die H�he der verschiedenen Geldmengen (etwa das bei Banken gutgeschriebene oder geschuldete Geld) in der sp�ten Republik vorliegen. Zudem macht Hollander nicht darauf aufmerksam, dass sich die Ziele moderner westeurop�ischer Notenbanken deutlich von denen des r�mischen Senats und der r�mischen Amtstr�ger unterscheiden. W�hrend heute Geldpolitik vor allem auf eine ausreichende Versorgung mit Geld und gleichzeitig die Bek�mpfung der Inflation zielt, war die schwankende Produktion von denarii in der sp�ten Republik nicht von geldpolitischen sondern prim�r von politischen, fiskalischen und sozialen Aspekten beeinflusst, wie sie von Hollander etwa auch im Zusammenhang mit Landbesitz erw�hnt werden (75). Daher l�sst sich mit Hilfe der modernen Geldmengen- bzw. geldpolitischen Theorien auch nur bedingt die Frage nach den Gr�nden f�r die Schwankungen der M�nzproduktion in Rom beantworten. Dar�ber hinaus bin ich mir keineswegs so sicher, dass in der sp�ten Republik kein (Klein-) Geldmangel herrschte. Dass die literarischen Zeugnisse dar�ber schweigen, ist nicht weiter �berraschend - das machen sie auch w�hrend der entsprechenden Mangelerscheinungen der fr�hen Kaiserzeit. Abgesehen davon, dass sich Autoren wie Cicero eher Sorgen um gro�e als um kleine Summen machten.

Die Bedeutung der Arbeit liegt meines Erachtens daher vor allem darin, die literarischen und zum Teil auch die arch�ologischen Zeugnisse in vorbildlicher Weise systematisch aufbereitet sowie die Grenzen einer Analyse mithilfe moderner Theorien aufgezeigt zu haben. Die Diskussion um die Frage nach "nature and use of money in the late Roman Republic" ist damit auf eine neue Ebene gehoben und wird in Zukunft von der Arbeit Hollanders profitieren.

Redaktionelle Betreuung: Matthias Haake

Empfohlene Zitierweise:

Peter Franz Mittag: Rezension von: David B. Hollander: Money in the Late Roman Republic, Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: <http://www.sehepunkte.de/2008/09/14109.html>