EWR 5 (2006), Nr. 5 (September/Oktober 2006)

Karl-Heinz Arnold / Uwe Sandfuchs / J�rgen Wiechmann (Hrsg.)
Handbuch Unterricht
Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2006
(726 S.; ISBN 3-7815-1443-9; 36,00 EUR)
Handbuch Unterricht In Zeiten zunehmender Beliebtheit von zusammenfassenden Handb�chern schlie�t das 2006 herausgegebene �Handbuch Unterricht� eine L�cke in der Reihe wissenschaftlicher Kompendien wie z.B. �Handbuch der Schulforschung�, �Handbuch Bildungsforschung� oder Handb�cher zur Kindheits-, Jugend-, und Medienforschung. Nachdem die Herausgabe von Walter Twellmanns �Handbuch Schule und Unterricht� bereits �ber 20 Jahre zur�ck liegt, ist den Herausgebern zu danken, dass sie sich mit diesem Buch das Ziel gestellt haben, den �aktuellen Stand der Wissenschaft(en) vom Unterricht zu pr�sentieren� (13). Diese Zielvorgabe wird von den meisten Autoren erf�llt. Neben dem notwendigen Bezug auf �ltere Literatur verarbeiten sie in ihren Ausf�hrungen �berwiegend Forschungsergebnisse, die zwischen 2000 und 2004 publiziert wurden.

Die Herausgeber stellen in ihrem Vorwort fest, dass �in den vergangenen Jahrzehnten (�) das Fachwissen zu den verschiedenen Bereichen der Didaktik vielf�ltig und tief greifend angewachsen� (13) ist und ein solches Handbuch eine ��bersicht zum didaktischen Wissen� (13) leisten sollte. Dabei stellt Interdisziplinarit�t ein erkl�rtes Anliegen der Herausgeber dar. Karl-Heinz Arnold erl�utert diese Intention in seinem Grundlagenbeitrag �Unterricht als zentrales Konzept der didaktischen Theoriebildung und der Lehr-Lern-Forschung� genauer. Er geht davon aus, dass sich neben der Allgemeinen Didaktik, den Fachdidaktiken und der Lehr-Lernforschung auch andere erziehungswissenschaftliche Teildisziplinen sowie die P�dagogische Psychologie und die Bildungssoziologie unter spezifischen Fragestellungen mit dem Gegenstand Unterricht befassen (18).

Der grundlegende Wert dieses Handbuches besteht vor allem darin, den neuesten Forschungsstand der relevanten Wissenschaftsdisziplinen komprimiert darzustellen. Dies ist nicht zuletzt darauf zur�ckzuf�hren, dass es den Herausgebern gelungen ist, zahlreiche ausgewiesene Experten f�r die einzelnen Themenbereiche zu finden. Genannt seien hier exemplarisch: Werner Sacher zum Thema Leistungsbeurteilung, Michael Knoll zum Projektunterricht, Andreas Helmke zur Unterrichtsforschung, Marianne Horstkemper zur Ber�cksichtigung der Geschlechterthematik im Unterricht sowie Uwe Schaarschmidt und Axel Gehrmann zur Lehrerbelastung bzw. Lehrerprofessionalit�t.

Die Komplexit�t des Gegenstandes zwingt die Herausgeber nachvollziehbare Akzente zu setzen. Sie verzichten beispielsweise auf eine �stufen- und schulformspezifische Darstellung der Wissenschaft vom Unterricht� (14), streifen nur am Rande �Spezifika des Unterrichts in der beruflichen Bildung, der beruflichen und privaten Weiterbildung und des Lehrens und Lernens in spezifischen Fertigkeitsbereichen� (14) und entscheiden sich notwendigerweise pragmatisch gegen eine vollst�ndige Darstellung aller didaktischen Modelle, aller Bindestrichdidaktiken und aller Unterrichtsmethoden.

Anerkennung verdient die von den Herausgebern geforderte relativ einheitliche Gestaltung der immerhin 117 Einzelbeitr�ge. Dieser (nicht in allen Beitr�gen konsequent umgesetzte) einheitliche Aufbau gibt dem Buch eine klare Linie und erleichtert dem Leser den Zugang zu dem referierten Theoriewissen. So beginnen die meisten Texte mit der Kl�rung der f�r das Thema zentralen Begriffe sowie, wenn m�glich, mit einem kurzen historischen Abriss. Dem Charakter eines Handbuches entsprechend konzentrieren sich die Autoren auf grundlegende und wesentliche Forschungsergebnisse und komprimieren ihre Darstellung auf ca. 5-8 Seiten. Die sich an jedes Kapitel anschlie�enden Literaturhinweise k�nnen insbesondere Studierenden und Referendaren eine weiterf�hrende und vertiefende Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Themen erleichtern.

Die Herausgeber w�hlen f�r ihr Handbuch eine interessante Gliederungsstruktur, von der sie sich �betr�chtliche Systematisierungsvorteile� (14) versprechen. Neben dem einf�hrenden Grundlagenkapitel folgt das Buch der Systematik der Analyse von Unterricht, wie sie durch das Berliner Modell entwickelt wurde. Die einzelnen Kapitel befassen sich mit Bedingungs- und Entscheidungsfeldern des Unterrichts, mit der Planung und Analyse von Unterricht sowie mit der Beurteilung der Lernwirksamkeit.

Das erste Kapitel ist grundlegenden Begriffen des komplexen Geschehens Unterricht gewidmet: Unterricht, Didaktik, Lehren und Lernen, erziehender Unterricht, lebenslanges Lernen und Wissen. Ein Exkurs in die Geschichte des Unterrichts und aktuelle Ergebnisse der Unterrichtsforschung komplettieren dieses Kapitel. Etwas quer zum Anliegen des Kapitels stehend, erscheinen der Rezensentin die beiden Beitr�ge zu �Unterrichtsrelevanten Wissensquellen�. Sie behandeln zum einen die geordnete Darstellung ausgew�hlter B�cher und Zeitschriften der Schulp�dagogik und zum anderen die Frage der Nutzung unterrichtlicher Quellen durch Lehrkr�fte. � Die mit der Diskussion dieser beiden Gegenstandsfelder verfolgte Intention w�re vielleicht in einem eigenen Kapitel besser zu verdeutlichen gewesen.

Das zweite Kapitel befasst sich mit Bedingungsfeldern von Unterricht. Hier werden Beitr�ge zu den institutionellen und gesellschaftliche Bedingungen, zur Bedeutung der Familie und der Peers sowie zu den individuellen Voraussetzungen bei Sch�lern und Lehrern eingeordnet. Allerdings dr�ngt sich die Frage auf, warum die Herausgeber an anderer Stelle von ihrer Gliederungsstruktur abweichen und das Kapitel 7 noch einmal den im zweiten Kapitel behandelten Bedingungsfeldern widmen. Die Beitr�ge dieses Kapitels zu den Voraussetzungen von Sch�lern und Lehrern h�tten gut in Kapitel 2 integriert werden k�nnen.

Keine Unterrichtsstunde kann durchgef�hrt werden, ohne dass die Lehrkr�fte Entscheidungen in den vier Strukturelementen des Unterrichts, den Intentionen, dem Inhalt, den Methoden und Medien treffen. Wissenschaftliche Beitr�ge zu diesen Entscheidungsfeldern von Unterricht umfassen die Kapitel 3, 4 und 5, wobei den gr��ten Umfang mit 32 Beitr�gen der Schwerpunkt �Unterrichtsmethodik� einnimmt. Innerhalb dieses Kapitels wird der Leser vermutlich Fragen zur verwendeten Begrifflichkeit stellen. Wie erkl�rt sich die Gliederung in �Unterrichtsmethoden und Instruktionsmodelle� (4.3) sowie �Methoden und Verfahrensweisen� (4.4)? Dass der Beitrag zur Projektmethode unter �Unterrichtsmethoden�, das Planspiel unter �Methoden� eingeordnet wird, mag zumindest Leser, die sich erst in die erziehungswissenschaftlichen Theorien einarbeiten, verwirren.

Eine �Balance zwischen Fachunterricht und f�cher�bergreifendem Unterricht� (441) herzustellen, ist eine Forderung aus dem Kapitel 6. In 14 Beitr�gen wird der Leser in die spezifischen Ziele der verschiedenen F�cher eingef�hrt und �ber aktuelle empirische Befunde sowie Entwicklungstrends informiert. Anliegen dieses Kapitels ist es jedoch auch, die Notwendigkeit des f�cher�bergreifenden Unterrichts darzustellen und auf dessen komplement�re Verschr�nkung mit dem Fachunterricht zu verweisen.

W�hrend sich die Autoren des vorletzten Kapitels mit Fragen der Bewertung von Lernprozessen und Lernergebnissen besch�ftigen, liegt der Focus im Kapitel 9 auf dem Schwerpunkt Vorbereitung und Analyse von Unterricht. Der Bogen wird von Didaktischen Theoriemodellen �ber Planungsprinzipien bis zur Evaluation von Unterricht gespannt.

Insgesamt bietet das �Handbuch Unterricht� ein breites Wissensspektrum zum Kernbereich Unterricht, basierend auf grundlegenden aktuellen Ergebnissen der Lehr-Lern-Forschung und der Didaktik. Studierende und Referendare werden dieses Buch f�r die selbstst�ndige Erarbeitung p�dagogischen Grundwissens mit Gewinn zur Hand nehmen. Dem Anliegen, ein Handbuch f�r die Lehrerausbildung anzubieten, werden die Herausgeber nach meinem Ermessen gut gerecht. Es bleibt zu w�nschen, dass es einen breiten Interessentenkreis findet.
Evelyn Ga�mann (Rostock)
Zur Zitierweise der Rezension:
Evelyn Ga�mann: Rezension von: Arnold, Karl-Heinz / Sandfuchs, Uwe / Wiechmann, J�rgen (Hg.): Handbuch Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2006. In: EWR 5 (2006), Nr. 5 (Veröffentlicht am 29.09.2006), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/78151443.html