- Christoph König / Hans-Harald Müller / Werner Röcke (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Berlin und New York: Walter de Gruyter 2000. 295 S. Geb. DM 97,93.
ISBN 3-1101-6157-5.
Inhalt
Formen biographischer Erinnerungsarbeit: Ahnengalerie, Genealogie, Lexikon | Lebenslauf und Karriere als narrative Ordnungsschemata | Welche Germanistik? Fragen an die Auswahl | Der soziale und wissenschaftliche Kontext | Konzeptuelle Unentschiedenheit | "Große Gelehrte" und die Außenseite der Wissenschaft
Formen biographischer Erinnerungsarbeit: Ahnengalerie, Genealogie, Lexikon
Eine Ahnengalerie ist zu besichtigen: 27 Porträts, die beanspruchen, eine "Wissenschaftsgeschichte der Germanistik" zu sein. In früheren Zeiten haben Personen von Stand Gemälde ihrer Vorfahren gesammelt, um ihre Herkunft demonstrativ zur Schau zu stellen. Darin lag zugleich eine Verpflichtung für die Zukunft, nämlich sich dieser Familientradition würdig zu erweisen. Als Glied einer Kette von Vor- und Nachfahren fungierten die Individuen stets auch als Muster oder exempla, die im Hinblick auf ihre Tugenden zur Nachahmung und Überbietung, zur imitatio und aemulatio, aufforderten — und hinsichtlich ihrer Laster zur Abschreckung.
Gänzlich ohne Orientierung entläßt uns auch die gegenwärtige Porträtsammlung nicht, etwa wenn "gedankliche Schärfe, Prinzipientreue, Logik und Verweigerung jeglicher politischen Ausnutzung der Forschung" (S. 95) als vorbildlich gelobt werden. Wie seinerzeit die Nekrologe mahnt uns dieser Bildersaal, die Tugenden unserer Professionsethik zu bewahren. 1 An einigen Stellen wird unser Germanistenspiegel konkreter:
Für die Nachlebenden behält er den Rang eines vorzüglichen Philologen, an dessen Überzeugung zuweilen erinnert werden sollte: Die Aktualität bzw. Modernität eines Dichters wird nicht durch aktualistische — von modischen Strömungen veranlaßte — Eingriffe in sein Werk gesichert, sondern allein durch die immer wieder erneuerte Hinwendung zu dem in einem historischen Prozeß Abgeschlossenen, das nur dann angemessen verstanden werden kann, wenn es nicht aus seinen Ursprüngen gelöst wird. (S. 233f.)
Manchmal raubt jedoch der Porträtist dem Nachstrebenden jegliche Hoffnung: "Als Fachmann war de Boor unübertrefflich, im Guten wie im Bösen. Germanisten wie ihn gibt es heute nicht mehr" (S. 188). Bevor wir darüber in Melancholie verfallen, blättern wir schnell weiter, trösten uns mit Hugo Kuhns Maxime: "Zweifel muß immer möglich sein" (S. 262) und beherzigen seine am Ende dieses letzten Porträts der Sammlung stehende Empfehlung, es an Humor nicht fehlen zu lassen. 2
Die Porträts >hängen< in chronologischer Reihenfolge. Ihre Anordnung unterliegt jedoch keineswegs allein den Zufällen der Geburt. Am Anfang der Genealogie stehen vielmehr "eine absolute Novität" (S. 2) und "eine eminent philologische Tat" (S. 69), stehen die Gründerväter Jacob Grimm und Karl Lachmann, praefiguriert von Georg Friedrich Benecke, der "den Boden dafür" (S. 3) bereitete, auf dem die Nachgeborenen das Fundament legten und den Bau der Wissenschaft errichteten. Lehrer-Schüler-Verhältnisse bestimmen die Abfolge der anschließenden Generationen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, eben: Außenseitern. Da die in den Gründerfiguren verkörperte ursprüngliche Einheit im Laufe der weiteren Geschichte Differenzierungsprozessen unterlag, entstanden mit den neuen Fächern und Forschungsfeldern neue Funktionsstellen für Teilbereichsgründer: Hermann Paul erscheint als "Begründer der modernen germanistischen Linguistik" (S. 95), und auf Wilhelm Scherer und Michael Bernays lassen sich ganze Dynastien deutscher Literaturwissenschaftler zurückführen.
Nach diesem Modell hat die Deutsche Philologie des 19. Jahrhunderts ihre Geschichte organisiert. Durch die disziplinengeschichtlichen Forschungen der letzten beiden Jahrzehnte wurde es nachhaltig in Erinnerung gerufen. Für die germanistische Selbstbeschreibung taugte es spätestens nach der Erkenntnis des >nationalsozialistischen Sündenfalls< nicht mehr. Der Zivilisationsbruch raubte der Vorstellung einer fortschreitenden Entwicklung vom Lehrer zum Schüler die nötige Plausibilität. Man wandte sich daher der Germanistik als einer Einheit zu, um nach ihrer Funktion als >Nationalwissenschaft< zu fragen und um eine Personalisierung der Auseinandersetzung um die jüngste Vergangenheit zu vermeiden. Das mag ein Grund für die — im Vergleich zu den Anglisten, Slawisten oder Kunsthistorikern 3 — auffällige Verspätung der Germanisten sein, ihre Geschichte biographisch zu dokumentieren.
Interessant ist hier ein Vergleich mit den Historikern, die für ihre fachhistorische Selbstreflexion Anfang der siebziger Jahre eine Reihe biographischer Essays benutzten, mit dem dezidierten Anspruch übrigens, die Begründer ihres Faches zu vergessen, sobald die nötige Umorientierung der Geschichtswissenschaft erfolgt sei. 4 Als die Historiker endlich ihre eigenen nationalsozialistischen Verstrickungen entdeckten, arbeiteten die Germanisten an der vorliegenden Porträtsammlung. Dabei handelt es sich um einen populären >Vorboten< für ein groß angelegtes Internationales Germanistenlexikon 1800—1950, das zur Zeit in Marbach entsteht und das voraussichtlich 2002 erscheinen wird. 5 Die Herausgeber Christoph König, Hans-Harald Müller und Werner Röcke betreten mit ihrer Sammlung von Biographien namhafter Fachvertreter germanistisches Neuland.
Lebenslauf und Karriere als narrative Ordnungsschemata
Neben oder unterhalb der Funktionsgeschichte in ihren ideologiekritischen oder disziplingeschichtlichen Spielarten gab es in der Germanistik stets eine ausgeprägte Präferenz für biographisch angelegte Studien. Ja, man kann sagen, daß die Biographie nach wie vor zu den beliebtesten Genres der Fachhistoriographie zählt. Sie rangiert, betrachtet man die Häufigkeit ihres Auftretens, deutlich vor Untersuchungen einzelner Forschungsfelder, >Methoden<, Problemstellungen, Institutionen, Zeitschriften oder wissenschaftlicher Genres. Kaum einer der bedeutenderen Germanisten aus der disziplinären Gründerzeit, der nicht in den letzten zwei, drei Jahrzehnten seine biographische Würdigung erfahren hat. Selbst Monographien über die National-völkisch-konservative Germanistik oder über die Germanistik zwischen 1925 und 1955 entpuppen sich bei näherem Hinsehen als verkappte Biographien. 6
Die Vorliebe für dieses Genre beruht wohl weniger auf der "größeren Anschaulichkeit" (S. VII), auf die sich die Herausgeber berufen, als vielmehr auf dem besonderen Integrationsvermögen seines narrativen Schemas. Die Biographie gibt Anfang und Ende der Geschichte sowie die Abfolge der zu erzählenden Begebenheiten vor. Die Chronologie bringt eine erste Ordnung in die Ereignisse. Ihre Daten lassen sich mit anderen verknüpfen. Dabei fungiert die Person als Schnittfläche verschiedenster Praxisfelder, so daß ihre Tätigkeit unter diversen Aspekten beleuchtet werden kann. Hier öffnen sich Freiräume für die Darstellung. Während die einen der Maxime folgen: "Richard Alewyn zu porträtieren heißt, sein Werk zu charakterisieren" (S. 212), erwähnen andere ein Hauptwerk wie Erich Schmidts Lessing-Biographie fast beiläufig, thematisieren dafür seine Salon-Aktivitäten ausführlicher, um so auf einen neuen Gelehrtentypus, auf eine Veränderung im Habitus, aufmerksam zu machen.
Welche Aspekte also ein Autor für darstellungswürdig hält, bleibt weitgehend ihm selbst überlassen. Das sorgt für eine gewisse Vielfalt, für Abwechslung. Immer jedoch bildet die Person das Zentrum. Eine solche Fokussierung legt es nahe, Wissenschaft wenn nicht als Angelegenheit von Personen so doch als Handlungszusammenhang zu begreifen, im extrem als Geschichte großer weißer deutscher Männer. Für die hier drohenden Gefahren besitzt man in Porträtistenkreisen mittlerweile genug Sensibilität, um grobe Ausrutscher zu verhindern.
Mit wenigen Ausnahmen liefert der Lebenslauf den Leitfaden, um das Wirken des jeweiligen Wissenschaftlers "mit möglichst sicheren und genauen dokumentarischen Belegen erzählen[d]" zu vergegenwärtigen. 7 Bei seiner Analyse der biographischen Methode der neudeutschen Philologie des späten 19. Jahrhunderts rechnet Klaus Weimar die "moralische Bewertung" zu den obligatorischen Elementen: Man bemüht sich um ein gerechtes Urteil über die Person, weniger über das Werk. Obwohl es nahegelegen hätte, haben die Herausgeber auf eine wissenschaftshistorische Verortung ihres eigenen Vorhabens verzichtet. Selbst in den Beiträgen über solche Literaturwissenschaftler, die sich in ausgezeichneter Weise der >biographischen Methode< bedienten, erfolgt keine kritische Selbstreflexion, die das eigene Verfahren einschließt. Ebensowenig findet sie dort statt, wo die Diskrepanz zwischen dem Bild, das sich im Zuge der Rezeption verfestigt hat, und den Texten bzw. Lebensdokumenten offensichtlich ist. Statt die Funktion einer solchen Bedeutungsverschiebung, statt die Wirkungsgeschichte in das biographische Projekt zu integrieren, ziehen die Verfasser es in der Regel vor, "einen vergleichsweise unverstellten Blick" (S. 221) auf ihre Gegenstände zu ermöglichen.
Dieser Einstellung verdankt sich manch überraschende Einsicht, etwa über die Kafka-Deutung des jungen Benno von Wiese (S. 221f.), sie beläßt es aber dabei, über die >wahre< Vergangenheit aufzuklären, ohne plausibilisieren zu können, wieso manche Stereotypen sich derart hartnäckig behaupten. Das betrifft etwa Wilhelm Scherer, von dem spätestens seit der Monographie von Jürgen Sternsdorff 8 eigentlich bekannt sein müßte, daß er nicht der Positivist war, zu dem er nach seinem Tode gemacht wurde. In noch stärkerem Maße zeigen sich bei Wilhelm Dilthey die Grenzen der — gerade von ihm — präferierten "genetischen Methode" (S. 57), da sich seine Bedeutung für die germanistische Literaturwissenschaft (und damit die Rechtfertigung für die Aufnahme in unsere Ahnengalerie) einem spezifischen Rezeptionsprozeß verdankt, der sich allein aus seiner Produktion gerade nicht erklären läßt. Hier hätte es sich angeboten, Dilthey von der Wirkungsgeschichte her zu beschreiben, zumal sich der Porträtist sehr gut auskennt. 9
Das biographische Schema legt es nahe, Leben und Werk engzuführen. Die Problematik eines solchen Verfahrens zeigt sich besonders dort, wo das heterogene Material der Biographie auf das >Wesentliche< reduziert wird. Vom einem Schlüsselroman inspiriert, liest Lorenz Jäger Wilhelm Emrichs Faust-Buch auf der Folie "eines intellektuellen Verrats" (S. 250). Als "den narrativen Kern von Emrichs Theorie" (S. 252) macht er "eine Theorie der Neugeburt durch das Vergessen, den Lethe-Schlaf" (S. 252f.), aus:
Die eigenen biographisch-intellektuellen Verwandlungen waren zu dramatisch, als daß Emrich sie hätte verdrängen oder ignorieren können. Selbstbewußt machte er die absolute Distanzierung von der lebensgeschichtlich-intellektuellen Vergangenheit, die bewußte Löschung der eigenen Erinnerung, die er soeben in der >Einbruch [des Judentums in das wissenschaftliche und fachliche Denken]<-Schrift praktiziert hatte, zum Thema einer großen Studie. (S. 253)
Diese zweifellos anregende Lesart steht methodisch in der Tradition Diltheys: >das Erlebnis und die Literaturwissenschaft<. Wie dort reduziert sich die Lebensgeschichte eines >großen< Individuums auf ein zentrales Erlebnis, das im Werk seinen objektivierten Ausdruck findet, hier: Emrichs "Verrat an seinen Lehrern und an seinen Freunden aus der Zeit von vor 1933" (S. 251), an Adorno, Horkheimer, Mannheim und Martin Sommerfeld, bei dem er 1933 promovierte. Da das Modell für "eine plötzliche Umschaltung von Freund-Feind-Verhältnissen und eine extreme Drehung des Glaubens" (S. 253) bereits in der Dissertation von 1933 vorliegt, stellt Jäger "die hier noch nicht untersuchte Frage nach dem Fortwirken von dialektischen Motiven Benjamins und Adornos auch in seiner nationalsozialistischen Phase" (S. 255), denn "Emrich kam von Adorno und Benjamin her" (ebd.). 10
Immerhin sehen die Herausgeber selbst die "Gefahr, die Wissenschaftsgeschichte zu biographisieren", und versuchen, sie "durch eine aufs Allgemeine zielende Darstellungsform in den einzelnen Beiträgen zu bannen" (S. VII). Lassen wir einmal diese Beschreibung wissenschaftlicher Arbeit als magische Praxis beiseite, konzentrieren wir uns "aufs Allgemeine". Das Individuum soll nicht nur für sich selbst stehen oder als exemplum dienen, sondern es soll in größere Zusammenhänge gerückt werden. In der historischen (Porträt-) Malerei implizierte das eine Aufwertung des Kostüms und des Hintergrundes, so daß die Figur in Raum und Zeit, also in einer bestimmbaren und d.h. (wieder-) erkennbaren einmaligen Situation dargestellt wurde. Der Hintergrund oder der Kontext, in den der Lebenslauf eingebettet wird, dient sowohl als Kriterium für die Auswahl des >Wesentlichen< wie als verbindendes Element der einzelnen Porträts, und dieser Kitt oder Klebstoff trägt den Namen "Wissenschaftsgeschichte der Germanistik". Es fällt nämlich auf, daß weniger die Biographie als vielmehr die Karriere den Aufbau der meisten Porträts organisiert. Es dominieren eindeutig jene Momente der Lebensgeschichte, die dem germanistischen Terrain zuzuordnen sind, anders gesagt: Die Disziplin gibt die Selektionskriterien vor. Vom Privatleben erscheint nur der Mitteilung wert, was wieder ins Fachliche mündet:
Aus ihrer Ehe, die bis an Schmidts Tod anhielt, gingen drei Kinder hervor, die beiden Söhne Wolfgang und Ulrich und die Tochter Hilde, die spätere Frau des Schmidt-Schülers Werner Richter. (S. 109)
Nicht mehr der Bildungsroman und die sich an ihn anlehnende Autobiographie dienen als Muster, sondern der Artikel aus dem Autorenlexikon. Das Fehlen von Abbildungen, abgesehen von den kleinen Fotos auf dem Umschlag, verstärkt diesen Eindruck noch.
Im Unterschied zum 19. Jahrhundert, als man noch glaubte, "mit möglichst sicheren und genauen dokumentarischen Belegen" die Geschichte dingfest machen zu können, dominiert heute in der germanistischen Wissenschaftsforschung eine "Mehrfachperspektivierung". Im engeren, präziseren Sinne ist darunter das Zusammenspiel der kognitiven und der sozialen Dimension der Wissenschaft in Beziehung zu ihrer sozialen Umwelt zu verstehen, wie es dem Konzept des Bielefelder / Kölner DFG-Projekts unter Leitung von Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp zugrunde liegt. 11 Im weiteren Sinne schließt es die Vielfalt der Konzepte, Institutionen und Leistungsbeziehungen mit ein,12 eben jenen Pluralismus, dem sich auch die Fachhistoriker nicht entziehen können. Mehrfachperspektivierung und Pluralismus implizieren keinen Abschied, sondern die Vervielfachung von "möglichst sicheren und genauen dokumentarischen Belegen". Was unter diesen Bedingungen als das "Allgemeine" oder die Geschichte zu verstehen ist, wäre vorab zu klären. Reflexion ist angesagt, und wie immer dann die Entscheidung ausfällt, das Ergebnis ist kontingent, aber keineswegs beliebig. Verbindlich bleibt der Forschungsstand.
Legt man diesen Maßstab an, können nicht alle Beiträge in gleicher Weise überzeugen. Ohne hier eine Kritik im Einzelnen leisten zu können, mag zur ersten Orientierung ein Blick auf das >Fundament der Wissenschaft< dienen. Schon die Fußnoten zeigen, daß das 19. Jahrhundert im allgemeinen besser erforscht ist als das 20. Jahrhundert, dieses jedoch umfassender, als hier dokumentiert. Doch Vorsicht ist angebracht: Mancher Porträtist gibt — wie einst ein Gundolf — nicht alle Quellen seines Wissens preis. Verzeichnisse der Schriften und Forschungsliteratur, die mittlerweile zum Standard von Lexikonartikeln zählen, dürfte das angekündigte Internationale Germanistenlexikon nachliefern.
Welche Germanistik? Fragen an die Auswahl
Aber wie verhält es sich mit dem Rahmen? Welches Bild von welcher Germanistik vermittelt die vorliegende Wissenschaftsgeschichte in Porträts? Vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal den Bestand unserer Ahnengalerie (einschließlich der Porträtisten) in der Reihenfolge der Präsentation: Georg Friedrich Benecke (Birgit Wägenbaur), Jacob Grimm (Horst Brunner), Karl Lachmann (Uwe Meves), Karl Rosenkranz (Werner Röcke), Moriz Haupt (Edith Wenzel), Karl Bartsch (Dieter Seitz), Wilhelm Dilthey (Tom Kindt), Michael Bernays (Michael Schlott), Wilhelm Scherer (Hans-Harald Müller), Hermann Paul (Ulrike Hass-Zumkehr), Erich Schmidt (Wolfgang Höppner), Oskar Walzel (Walter Schmitz), Andreas Heusler (Ulrich Wyss), Carl von Kraus (Johannes Janota), Friedrich Panzer (Ingrid Kasten), Friedrich Gundolf (Ernst Osterkamp), Eduard Berend (Hanne Knickmann), Helmut de Boor (Ulrich Wyss), Käte Hamburger (Gesa Dane), Walter Muschg (Karl Pestalozzi), Richard Alewyn (Klaus Garber), Benno von Wiese (Gerhard Lauer), Friedrich Beißner (Norbert Oellers), Wolfgang Kayser (Wilhelm Voßkamp), Emil Staiger (Werner Wögerbauer), Wilhelm Emrich (Lorenz Jäger), Hugo Kuhn (Walter Haug), Außenseiter. Eine Skizze (Barbara Hahn).
Es handelt sich um ein Gruppenbild mit Dame; bei den PorträtistInnen hat sich die Relation der Geschlechter immerhin etwas verbessert. Im Hinblick auf die Fächer und Forschungsschwerpunkte verteilen sich die 27 Porträts auf 10 Mediävisten (einschließlich Nordisten), 1 Sprachwissenschaftler, 14 Vertreter der Neueren deutschen Literaturwissenschaft und 2 Philosophen. Die Zuordnung ist nicht ganz unproblematisch, da man mit guten Gründen den Junggrammatiker Hermann Paul ebenso der Mediävistik zuordnen könnte, Jacob Grimm dagegen der Linguistik und Wilhelm Scherer zumindest auch ein wenig (vgl. S. 84f.). Das würde aber nichts daran ändern, daß die Sprachwissenschaft stark unterrepräsentiert ist — zumal im 20. Jahrhundert; Beiträge über Eduard Sievers, Leo Weisgerber, Jost Trier oder Theodor Frings hätten dem abhelfen können. Die Volkskunde ist nur in ihrer Frühphase mit Grimm, die Theaterwissenschaft überhaupt nicht vertreten. Die Mediävisten dominieren die ältere, die Neugermanisten die jüngere Vergangenheit. Die beiden Philosophen lassen sich diesen beiden Großgruppen paritätisch zuordnen.
Für die Gründungszeit bedeutet die Konzentration auf den harten philologischen Kern die fast völlige Ausblendung alternativer Konzepte des wissenschaftlichen Umgangs mit älterer und neuerer deutscher Literatur. 13 Lediglich Karl Rosenkranz nimmt eine Sonderstellung ein, die den Eindruck einer linearen Entwicklung der Entstehung der Germanistik eher verstärkt als konterkariert. Dieser Orientierung an der Disziplingeschichte der Deutschen Philologie sind sämtliche Literarhistoriker zum Opfer gefallen, wenn man nicht wiederum Rosenkranz als Gegengewicht in die Waagschale werfen wollte. Das Fehlen dieses Zweiges der Germanistik ist umso bemerkenswerter, als Georg Gottfried Gervinus, Hermann Hettner, August Friedrich Christian Vilmar, Josef Nadler u.v.a. in der zeitgenössischen Öffentlichkeit auf größere Resonanz stießen als die Philologen und in der ideologiekritischen Fachgeschichtsschreibung als die Repräsentanten der ganzen Disziplin gehandelt wurden.
Interessiert man sich für die Wissenschaftlertypen, so erhält man im Artikel über Benecke von Birgit Wägenbaur wenigstens einige spärliche Informationen über den alteuropäischen Gelehrten und seinen Umgang mit Literatur; 14 ein eigener Artikel etwa über Melchior Goldast oder Johann Jacob Bodmer wäre als Kontrastfolie zum modernen, spezialisierten und disziplinär organisierten Forscher sicher sinnvoll gewesen. Keinen Eingang in die Porträtsammlung fand auch der in der Gründungsphase so wichtige Typus des Liebhabers und Sammlers (Joseph von Laßberg, Karl Hartwig Gregor von Meusebach). Die für den modernen Betrieb zentralen Organisatoren wie Gustav Roethe, Arthur Hübner und Julius Petersen fehlen ganz. Sowohl bei Wilhelm Scherer wie bei Benno von Wiese bleibt es bei der Benennung ihrer organisatorischen Umtriebigkeit; was sie gemacht haben, wie sich der Wissenschaftsbetrieb verändert hat, erfährt man leider nicht. Das Pendant zum Organisator, der >wissenschaftliche Hilfsarbeiter<, ist wenigstens durch Eduard Berend vertreten. Mehr Aufmerksamkeit als die Arbeit in und an Gremien und Institutionen (lesenswert Uwe Meves über Karl Lachmann) findet die kulturelle Öffentlichkeit, namentlich bei den Literaturwissenschaftlern (besonders informativ Wolfgang Höppner über Erich Schmidt, Walter Schmitz über Oskar Walzel).
Der soziale und wissenschaftliche Kontext
Anders als noch in den siebziger und achtziger Jahren spielt das politische Engagement der Germanisten nur mehr eine untergeordnete Rolle. Die nationalsozialistische Zeit erfährt insgesamt eine differenzierte Darstellung — ohne Beschönigung und ohne Dämonisierung. Das Porträt eines prominenten NS-Germanisten wie Friedrich Neumann, Franz Koch oder Gerhard Fricke sucht man jedoch vergeblich. Eine ausführlichere Behandlung hätte die Deutschlehrerausbildung angesichts ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Germanistik auf jeden Fall verdient. Im Unterschied zu Meves, der am Beispiel Lachmanns die Rolle der Prüfungskommissionen thematisiert, handelt Ingrid Kasten die Deutschkunde-Bewegung in ihrem Porträt von Friedrich Panzer vornehmlich unter ideologiekritischem Aspekt ab, ohne die bildungspolitischen und institutionellen Veränderungen im Erziehungsbereich genügend zu berücksichtigen. Die programmatischen Äußerungen des langjährigen Germanistenverbandsvorsitzenden gehören zu einer — von allen Beteiligten — mit hohem ideologischen Aufwand geführten Auseinandersetzung um Bildungsinhalte und Stundenanteile. Dabei darf aber das äußerst fatale Weltanschauungsgetöse nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei der Umstellung von Neuhumanismus auf Nationalbildung auch um einen Modernisierungsprozeß gehandelt hat, von dem neben der Germanistik vor allem die Naturwissenschaften und lebenden Fremdsprachen profitiert haben und der eine begrenzte soziale Öffnung der höheren Bildung bedeutete. Eine Berücksichtigung der historischen Bildungsforschung hätte diese germanistische Blickverengung korrigieren können.
Generell ist in der Fachgeschichtsforschung — das betrifft nicht nur die germanistische — eine Tendenz zu beobachten, die eigene Disziplin von den Entwicklungen in den anderen Wissenschaften allzu sehr zu isolieren. An diesem Trend partizipiert der vorliegende Sammelband in besonderem Maße, da seine Orientierung an Biographien oder Karrieren bei einer zunehmenden Spezialisierung der Wissenschaftler das Problem verschärft. Erleichtert in der Frühphase die Vielfalt der Forschungsschwerpunkte etwa bei Grimm oder die doppelte Denomination der Lehrstühle bei Lachmann und Haupt noch den Ausblick auf andere Fächer, suchen Scherer und Dilthey noch den Kontakt zu den anderen Wissenschaften (einschließlich der Naturwissenschaften), so treten diese weitgespannten Interessen mit Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten fachspezifischer Ausrichtungen merklich zurück. In unserer Porträtsammlung erweist sich hier das völlige Fehlen der Literarhistoriker als Defizit, weil damit die für das 19. Jahrhundert so wichtigen Beziehungen zwischen Geschichtsschreibung und Philologie, zwischen Darstellung und Detailforschung, ausgeblendet werden.15
Welche Alternativen und Schwierigkeiten sich für vergleichende Studien ergeben, zeigen die beiden Philosophen-Porträts in unserer Sammlung. Während sich Werner Röcke auf den >Germanisten< Rosenkranz konzentriert, betont Tom Kindt gleich eingangs, daß Dilthey "kein Philologe, sondern Philosoph" (S. 53) war. Letzteres ist sicher richtig, zieht aber sofort die Frage nach sich, warum er dann in einem Germanistenlexikon auftaucht. In beiden Fällen vermisse ich eine Situierung der Philosophen in ihrer Disziplin, um über den Einzelfall hinaus das jeweilige Verhältnis von Philosophie und Germanistik zu thematisieren. Im ersten Fall wäre das Verhältnis zu den Hegelianern zu klären, im zweiten zu fragen, warum die germanistischen Literaturwissenschaftler Dilthey so sehr viel mehr als die Neukantianer von Rickert bis Cassirer schätzten. Wie funktioniert der Transfer von dem einem zu dem anderen Wissensfeld? Die Vorstellung einer Kommunikation von Person zu Person verdeckt die sich hier stellenden Probleme eher, als daß sie zu ihrer Lösung beiträgt.
Die chronologische Anordnung der Porträts anhand von Geburts- und Todesjahren (1762—1998) läßt zwar Anfang und Ende der Geschichte erahnen, gibt aber keine Anhaltspunkte für eine Periodisierung. Zwischen den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts verdiente die Epochenschwelle um 1900 größere Aufmerksamkeit. Das betrifft zum einen die Beziehungen der Germanistik zu ihrer sozialen Umwelt (Stichworte: neuer Gelehrtentyp, Bildungsreform) und zum anderen innerdisziplinäre Differenzierungsprozesse (Trennung von Mediävistik, Sprach- und Literaturwissenschaft). Zum dritten betrifft es den "Wahrheitsgewissheitsverlust" 16, der um 1900 die Natur- und Geisteswissenschaften erschütterte, ja erheblich zur Differenzierung dieser Wissenschaftsklassen beitrug und der den selbstsicheren Historismus des 19. Jahrhunderts in die andauernde >Krise< trieb. 17
Vor diesem Hintergrund erscheint es mir sehr zweifelhaft, ob wir, wie Ulrike Hass-Zumkehr empfiehlt, an den Objektivismus eines Hermann Paul anschließen können. 18 Bei der Darstellung von Scherer und Dilthey würde ich den Bruch stärker betonen zwischen dem anfänglichen Streben, historische Gesetzmäßigkeiten zu entdecken, und der dann stärkeren Hinwendung zu einer Literatur, die es auszulegen, zu verstehen gilt. Wenn der "Wahrheitsgewissheitsverlust" zur Aufwertung von Kunst führt, kann nicht überraschen, daß so unterschiedliche Germanisten wie Friedrich Gundolf und Carl von Kraus auf verblüffend ähnliche Weise charakterisiert werden: der Virtuose der Darstellung als "Wissenschaftskünstler" (S. 163) und der Meister der Textkritik als "Künstler der Philologie" (S. 150). Solche Beschreibungen rekurrieren zumeist auf jene Semantik des 19. Jahrhunderts, die im Gefolge Humboldts die Darstellung und damit die Synthesis von Erkenntnissen als künstlerische Leistung verstehen. 19
Ebenfalls zu den untauglichen Reaktionen auf die moderne Relativierung von wissenschaftlichen Geltungsansprüchen gehört eine auffällige Ideologisierung, die ihren Niederschlag in einem vielfach dokumentierten Antisemitismus (vgl. nur S. 124, S. 131, S. 170, S. 178f.) und gesteigerten Nationalismus finden. Die nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete "Ideologie der Ideologielosigkeit" (S. 239, vgl. S. 232) und noch die Ideologiekritik setzen diese Tradition fort, wenngleich auf eine distanzierte Weise oder mit umgekehrten Vorzeichen.
Die vorliegende Wissenschaftsgeschichte in Porträts handelt von der Germanistik als deutscher Wissenschaft. Kein ausländischer Fachvertreter (genauer: kein Fachvertreter aus einem nicht deutschsprachigen Land) fand Einlaß in unsere Ahnengalerie. Wieder werden wir auf das zukünftige Internationale Germanistenlexikon vertröstet. Dabei liegen umfangreiche Vorarbeiten etwa der französischen Kollegen vor. 20 Einige Besonderheiten einer Germanistik im fremdsprachigen Raum hätte man am Beispiel des amerikanischen Exils von Richard Alewyn oder der Lissaboner Auslandsprofessur von Wolfgang Kayser wenigstens ansprechen können; um eine solche Akzentuierung hätte man die Autoren dieser Artikel bitten müssen. Schließlich wäre ein Beitrag über August Sauer an der deutschen Universität in Prag instruktiv gewesen. Die Schweiz ist stärker vertreten als Österreich, während die DDR überhaupt keine Berücksichtigung findet, obwohl man in Beiträgen über Frings oder Hermann August Korff sicher einige der Spezifika der dortigen Germanistik hätte thematisieren können, wenn man es denn gewollt hätte. So bleibt dies die größte Lücke neben der sehr schwachen Vertretung der Linguistik, dem völligen Fehlen der Literarhistoriker und der ausländischen Germanisten.
Konzeptuelle Unentschiedenheit
Bedenkt man, daß es nach 1945 in der SBZ bzw. DDR einen ausgeprägteren personellen Neuanfang als in Westdeutschland gab, 21 dann könnte die Ausblendung dieses Teils der Fachgeschichte aus einem im Vorwort genannten Auswahlkriterium resultieren. Voraussetzung für die Aufnahme in die Porträtsammlung sei es, daß "die Porträtierten ihre Habilitation vor 1933 abgeschlossen haben mußten"; deshalb "endet das Buch mit der Weimarer Republik" (S. VII). Diese Aussage wird man schlechterdings nicht ernst nehmen dürfen, da sie zum einen impliziert, daß mit der Habilitation ("vor 1933") die Wissenschaftlerlaufbahn ("mit der Weimarer Republik") endet. Zum anderen widersprechen die Porträts von Käte Hamburger, Friedrich Beißner, Wolfgang Kayser, Emil Staiger, Wilhelm Emrich und Hugo Kuhn diesem Kriterium, weil sie alle nach 1933 habilitiert wurden. "Das Jahr 1933 bildet folgerichtig in der Fachgeschichte keine grundlegende Zäsur. Ähnliches gilt für das Jahr 1945" (S. VI). So endet diese "Wissenschaftsgeschichte" denn auch nicht mit der Weimarer Republik, sondern mit den sechziger und siebziger Jahren, die einen Einschnitt in der Disziplingeschichte sowohl in Westdeutschland wie in der DDR markieren 22 und das im Hinblick auf "Wissen, Organisation, Leistung" (Fohrmann).
Nun ist diese Fehlleistung nicht die einzige in dem knappen Vorwort. Auf Seite VII konstatieren die Herausgeber: "Über die ideologiekritische Germanistik der siebziger Jahre ist man hinaus. Wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen kann man heute vielfältiger und geschmeidiger miteinander verknüpfen." Knapp eine halbe Seite zuvor wird aber die Germanistik in eben dieser Tradition beschrieben, nämlich als eine der "entscheidenden gesellschaftlichen Sinnproduzenten", die seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, "was sie aus eigener Kraft an Sinn nicht mehr hervorzubringen vermochte, durch eine immer rückhaltlosere Identifikation mit einem imperialistischen Nationalismus" (S. VI) kompensierte. Gesellschaft wird auf Politik reduziert, Germanistik auf die Rolle der >Nationalwissenschaft<.
Die Porträts liefern ein anderes, ein deutlich differenzierteres Bild. Weder bestätigen sie für das 19. Jahrhundert die These von der Germanistik als großer Sinnproduzentin, eine Rolle, die einzunehmen ohnehin eher den hier ausgegrenzten Literarhistorikern zuzutrauen wäre als den Philologen vom Schlage eines Lachmann, Haupt, Bartsch oder Paul, noch stützen sie für das 20. Jahrhundert die Behauptung, daß der Bedeutungsverlust der Disziplin allein durch gesteigerten Nationalismus kompensiert wird. Vielmehr untermauern die Artikel den wesentlich beunruhigenderen Befund neuerer Forschungen, daß sich Ideologisierung, größere soziale Relevanz und wissenschaftliche >Fortschritte< keineswegs ausschließen, sondern sich sogar wechselseitig steigern können. Die Betonung liegt auf >können<. Wissenschaft birgt eben keine Garantie für das Wünschbare.
Noch in einem weiteren Punkt verheddert sich das Vorwort in merkwürdige Widersprüche. Auf S. VI heißt es, daß die "Einheit des Fachs [�] stets prekär war", und eine halbe Seite später ist zu lesen, "[d]aß die Germanistik spätestens seit fünfzig Jahren ihre einheitsstiftende Funktion verloren hat" (S. VII). Im Satz zuvor wurde aber bestritten, daß es 1945 eine "grundlegende Zäsur" (S. VI) gegeben hätte. Das belegen wiederum die hier versammelten Porträts, deren Zusammenstellung aber die Konzeption einer Wissenschaftsgeschichte der Germanistik widerlegt: Zumindest im 20. Jahrhundert handelt sie ausschließlich von der germanistischen Literaturwissenschaft, die Sprachwissenschaft verschwindet nach dem Junggrammatiker Hermann Paul völlig aus dem Blickfeld. Sinn macht die Behauptung vom Verlust der disziplinären Identität "spätestens seit 50 Jahren" allerdings dann, wenn man die Einheit allein auf "nationale[...] Werte und Ideen" (S. VI) zurückführt, wenn also das überholte Konzept einer >Nationalwissenschaft< zugrundegelegt wird. Dann droht in der Tat, die Diskreditierung nationalen Denkens (nach 1945!) die Germanistik aufzulösen.
Nun haben aber die Forschungen der letzten Jahrzehnte 23 sowie die Universitätsreformversuche der siebziger Jahre gezeigt, daß sich die Differenzierung der Philologien nach dem Nationenprinzip seit gut einem Jahrhundert nicht mehr hinreichend kognitiv begründen läßt, sondern sich vor allem auf die Nachfrage des Erziehungssystems stützt: Die Schule verlangt die Ausbildung von Deutsch-, Französisch-, Englisch- und Russischlehrern, und die Germanistik im fremdsprachigen Ausland wird allein aufgrund der Verbindung von Sprachunterricht, Landeskunde und Literatur- bzw. Kulturvermittlung weit stärker >nationalphilologisch< — bei terminologischer und konzeptueller Modernisierung der German Studies — orientiert bleiben als die hiesige Disziplin, die über die Magisterstudiengänge die national(sprachlich)e Zentrierung aufzulösen vermag. Also weniger "[d]ie Gravitation der europäischen Einigung wird zudem an der äußeren nationalstaatlichen [sic !] Gliederung der Philologien zerren" (S. VI), als vielmehr die Arbeitsmärkte für die Absolventen unserer Studiengänge. Die Diskussion um eine kultur- oder medienwissenschaftliche Öffnung der Germanistik stellt das Pendant dieser Entwicklung auf der kognitiven Ebene dar.
Wie sind diese auffälligen Widersprüche im Vorwort zu erklären? Man könnte vermuten, daß sie die dort konstatierte "Innovationskrise" bestätigen wollten:
Innovationen wird in den historisch-philologischen Disziplinen kein Vertrauen mehr entgegengebracht. Neue Ansätze zählen mittlerweile, unabhängig von ihrem Innovationswert, zur Normalität der Wissenschaft, das Publizieren von ständig Neuem gehört zum Althergebrachten, und das Neue veraltet immer rasanter. Der unablässige Wechsel des Allerneuesten desorientiert das Fach kognitiv und in seinen Normen. Vor allem aber verlieren literaturwissenschaftliche Theorieansätze zusehends an Legitimation: Die alten und die alten neuen gelten als überholt, die neuen neuen, deren Innovationswert meist ungeprüft bleibt, werden nicht beachtet. (S. Vf.)
Indem das Vorwort zwischen den fachgeschichtlichen Positionen der sechziger und siebziger Jahre und denen der achtziger und neunziger oszilliert, gewinnt die Krisendiagnose an Evidenz. Nun zählt die Krise ja bekanntlich zu den Lieblingskindern germanistischer Selbstthematisierung. Aber welchen Sinn macht ihr Diagnose noch, wenn sie längst zum Dauerzustand geworden ist? Allenfalls die Lokalisierung des Krankheitsherdes besitzt noch Neuigkeitswert; insofern könnte der "Innovationskrise" ein gewisses Selbstreflexionspotential zukommen. In dem Maße, in dem die Krise zur Normalität geworden ist, taugt dieses Modell nicht mehr zur Lagebeschreibung. Statt weiter normative Implikationen zu transportieren, wie es eigentlich sein sollte — jenseits aller Krisen-, sollte man lieber Bilanzen über Verluste und Gewinne aufstellen, 24 die zur Präzisierung zwingen, was war, und ist und an denen man zukünftige Entwicklungen messen kann.
"Große Gelehrte" und die Außenseite der Wissenschaft
Gegenüber den gegenwärtigen Entdifferenzierungs- und Umstrukturierungsprozessen dokumentiert diese Porträtsammlung noch einmal die Einheit der germanistischen Literaturwissenschaft (nicht jedoch der Germanistik). Sie unternimmt nicht den naheliegenden Versuch, für die heutigen >Paradigmen< altehrwürdige Vorläufer zu suchen und damit historische Identitätspolitik zu betreiben. Vielmehr folgt die "Auswahl der zu behandelnden Germanisten dem Prinzip, die wichtigsten Teilfächer, Methoden, Kanonbildungen und Wertvorstellungen in den großen Gelehrten der Zeit zu repräsentieren" (S. VII). Dabei wird "Größe" durchaus positiv gesehen, denn eine eindeutige Negativfigur wurde nicht in die Ahnengalerie aufgenommen.
Ein Vorbildersaal war den Herausgebern ebensowenig geheuer, neigen sie doch dazu, Größe mit Macht zu assoziieren, wenn sie folgern: "Da Wissenschaft und institutionelle Macht nicht identisch sind, haben wir einen eigenen Beitrag zu den Außenseitern des Faches aufgenommen" (S. VII). Darf man diesen Satz so interpretieren, daß die Außenseiter die >eigentliche< Wissenschaft gegen die "institutionelle Macht" vertreten? Diese Frage wird bejahen müssen, wer der abschließenden Skizze über die Außenseiter folgt.
Barbara Hahn zeichnet das Bild einer literaturwissenschaftlichen Germanistik, an der bis "in die 1960er Jahre [�] theoretische Einschnitte, die in anderen Wissensfeldern ausgearbeitet wurden, [�] weitgehend vorüber" gingen: "Psychoanalyse, unterschiedliche kulturtheoretische und sozialgeschichtliche Modelle wurden ebenso ausgegrenzt wie strukturalistische Theoriebildungen" (S. 273). Diese Negativversion der Fachgeschichte läßt jene Außenseiter um so stärker glänzen, die Neuerungen in Theorie und Gegenstandsbereichen erprobten. In der Habilitation sieht Barbara Hahn den zentralen Ausschlußmechanismus.
Wer Zugang hatte, verstand sich von selbst: Die Universität war eine Institution des deutschen Mannes. Dies implizierte eine doppelte Ausgrenzung. Deutscher Professor und Jude klangen nie recht zusammen und ebensowenig Frau und Professor. (S. 274)
Barbara Hahns Augenmerk gilt daher in erster Linie den Juden und den Frauen; schon "politisch Unliebsame" (S. 273) als weiteren potentiellen Kandidaten für die Besetzung der Außenseiter-Position interessieren sie nicht. Auf den nicht zu unterschätzenden Antikatholizismus einer kulturprotestantischen Professoren-Mehrheit weist wenigstens Michael Schlott in seinem Bernays-Porträt hin (S. 77).
Man kann die Skizze über die anonymen Außenseiter als eine Art Nachwort lesen, das zum Schluß noch einmal verdeutlicht, warum und woran dieses Projekt einer Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts scheitert. Es handelt sich in erster Linie um konzeptuelle Gründe. Das betrifft erstens die Kriterien für die Auswahl der Germanisten, die keineswegs überzeugen können und nicht stringent gehandhabt werden. So wird die Unterscheidung von "großen Gelehrten" und "Außenseitern", die ja die abschließende Skizze legitimiert, von den Herausgebern unterlaufen, indem sie Außenseiter (vgl. S. 274) wie Eduard Berend mit einem Porträt ehren. Gehört der "Begründer der Jean-Paul-Philologie" (S. 176) zu den repräsentativen "großen Gelehrten seiner Zeit"? Oder muß man sein Lebenswerk erwähnen als eines von einer "ganze[n] Serie editorischer Großprojekte, die von akademisch nichtetablierten Wissenschaftlern initiiert und durchgeführt wurden" (S. 276)? Stimmt man letzterem zu, muß man dann nicht die Preußische Akademie der Wissenschaften nennen, die ihn noch lange nach 1933 beschäftigt und geschützt hat, und sei es auch nur, weil sie seine Kompetenz für unersetzbar hielt?
In diesem Zusammenhang wäre zudem des >Wissenschaftsmanagers auf dem Philologenthron< zu gedenken, eben jenes Julius Petersens, der sich nicht nur für Berend eingesetzt hat, sondern ebenso für Charlotte Jolles und Melitta Gerhard. Letzteres hat ihm übrigens folgende Charakterisierung durch Edward Schröder, dem anderen Fachgutachter der "Notgemeinschaft" (später: DFG), eingetragen: "er macht mir immer mehr einen feministischen Eindruck — oft ganz fatal." 25 Es kann nicht darum gehen, nun Petersen zum Vorkämpfer der Emanzipation zu stilisieren; das war er mit Sicherheit nicht, sondern es geht um ein historisch korrektes Arbeiten, daß die Ambivalenzen und Widersprüche in den Biographien nicht tilgt.
Damit wird zweitens die Kategorienbildung zum Problem. Hier zeigt sich, daß die Opposition von "großen Gelehrten" und "Außenseitern" der Komplexität der Verhältnisse nicht gewachsen ist. Denn je stärker die Individualität herausgearbeitet wird, desto deutlicher unterscheidet sich der Germanist von seinen Kollegen, die gleichsam die Folie abgeben, angesichts der er sein besonderes Profil gewinnt. Jeder ist anders als alle anderen und taugt deshalb nicht zum exemplum. Moderne Individualität tendiert zum Exzentrischen, und wo sie — wie in den Geisteswissenschaften — kultiviert oder ihr Verlust beklagt wird, 26 liegt die Stilisierung zum Außenseiter nahe.
Der berühmteste Germanist seiner Zeit war, so zeigt dies, im Fach selbst ein Außenseiter, und die Größe seines Ruhms wie die Breite seiner Wirkung wurden von seinen Fachgenossen als Indizien dafür gewertet, wie sehr er gegen die Konventionen seiner Disziplin verstieß. (S. 162)
So Ernst Osterkamp über Gundolf, und Klaus Weimar räumte Scherer treffend "die paradoxe Stellung eines zentralen Außenseiters" ein. 27 Wenn schon der "berühmteste Germanist" ein "Außenseiter" ist, dann benötigt man zum einen zusätzliche Kriterien, um die zahllosen Außenseiter noch unterscheiden zu können, zum anderen wird man sich davon verabschieden (oder doch zumindest davor hüten) müssen, Personen — als Ganze — zu Außenseitern oder zu Germanisten zu erklären.
Das macht drittens die Personalisierung der (Wissenschafts-) Geschichte zum grundsätzlichen Problem. Personen partizipieren an Wissenschaft bzw. an Germanistik, aber sie gehen nicht darin auf. Entsprechend selektiv verfahren die Porträts: Statt Biographien zu liefern, charakterisieren sie Werke oder beschreiben Karrieren, die sich aus einer Mischung von Eigenleistung und Zufall, d.h. den Selektionsmechanismen von bestimmten, letztlich kontingenten Sozialsystemen verdanken. Bei dieser Fokussierung auf teilsystemspezifische Informationen gerät die andere, die Außenseite der Wissenschaft aus dem Blick und damit im Falle der Personen die Folgen der Disziplinierung für Leib und Seele. Die ältere >naive< Biographik vermittelte noch jenes Wissen über professionelle Deformationen und persönliche Vorlieben, die der Forschung förderlich oder hinderlich waren. 28 Diese enge Verbindung wurde mit der >Verwissenschaftlichung< der Biographik gekappt. Für die gelockerte Kopplung von Person und Germanistik stellt der Lexikon-Artikel mit seiner Fülle an Informationen und seinen geringeren Ansprüchen auf deren dichte Verknüpfung ein geeignetes Erzählmodell bereit. Deshalb sind die Porträts zumeist sehr viel informativer, wenngleich in ihrer Informationsauswahl wesentlich willkürlicher als die Systematisierungsversuche im Vorwort oder in der abschließenden Skizze.
Fazit: Eine Sammlung nützlicher Porträts allemal, eine Wissenschaftsgeschichte sicher nicht.
Dr. Holger Dainat
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Institut für Germanistik
Postfach 4120
D-39016 Magdeburg
Ins Netz gestellt am 13.11.2001
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Anmerkungen
1 Grundlegend: Rainer Kolk: Wahrheit — Methode — Charakter. Zur wissenschaftlichen Ethik der Germanistik im 19. Jahrhundert. In: IASL 14.1 (1989), S. 50—73. zurück
2 "Hugo Kuhn besaß ihn in der Form einer verschmitzten pfälzischen Heiterkeit, die die Schwere überspielen konnte und ihn trotz allem sein Leben und sein Tun bejahen ließ." (S. 272) zurück
3 Gunta Haenicke / Thomas Finkenstaedt: Anglistenlexikon 1825—1990. Biographische und bibliographische Angaben zu 318 Anglisten. Augsburg: Universität Augsburg 1992; Ernst Eichler u.a. (Hg.): Slawistik in Deutschland von den Anfängen bis 1945. Ein biographisches Lexikon. Bautzen: Domowina 1992; Heinrich Dilly (Hg.): Altmeister deutscher Kunstgeschichte. Berlin: Reimer 1990. — Jetzt angekündigt: Klaus Garber (Hg.): Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, München: Fink 2001; darin Porträts der Germanisten Richard Newald, Konrad Burdach und Josef Nadler. zurück
4 Vgl. das Vorwort von Hans-Ulrich Wehler in: H.-U. W. (Hg.): Deutsche Historiker. Bd. 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1971, S. 3f. — Zwischen 1971 und 1982 erschienen in dieser Reihe insgesamt 9 Bände. zurück
5 Vgl. dazu Christoph König: Die Wissenschaftsgeschichte und ihre Dokumentation. Das Marbacher Projekt eines Internationalen Germanistenlexikons 1800 bis 1950. In: IASL 21.1 (1996), S. 57—90. zurück
6 Hartmut Gaul-Ferenschild: National-völkisch-konservative Germanistik. Kritische Wissenschaftsgeschichte in personengeschichtlicher Darstellung. Bonn: Bouvier 1993; Christa Hempel-Küter: Germanistik zwischen 1925 und 1955. Studien zur Welt der Wissenschaft am Beispiel von Hans Pyritz. Berlin: Akademie 2000.[Rezension bei IASLonline: www.iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/judersle.html] zurück
7 Klaus Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. München: Fink 1989, S. 455. — Vgl. dazu die grundlegende Studie von Hans-Martin Kruckis: "Ein potenziertes Abbild der Menschheit". Biographischer Diskurs und Etablierung der Neugermanistik in der Goethe-Biographik bis Gundolf. Heidelberg: Winter 1995. zurück
8 Jürgen Sternsdorff: Wissenschaftskonstitution und Reichsgründung. Die Entwicklung der Germanistik bei Wilhelm Scherer. Eine Biographie nach unveröffentlichten Quellen. Frankfurt / M. u.a.: Peter Lang 1979. zurück
9 Tom Kindt und Hans-Harald Müller: Konstruierte Ahnen. Forschungsprogramme und ihre >Vorläufer<. Dargestellt am Beispiel des Verhältnisses der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft zu Wilhelm Dilthey. In: Jörg Schönert (Hg.): Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung. Stuttgart / Weimar: Metzler 2000, S. 150—173; dies., Dilthey gegen Scherer. Geistesgeschichte contra Positivismus. Zur Revision eines wissenschaftshistorischen Stereotyps. In: DVjs 74 (2000), S. 685—709. zurück
10 Jägers Deutung hat ihren Vorgänger in Frank Schirrmachers Behandlung des Falles von Paul de Man, der 1940 / 42 Artikel (z.T. mit antisemitischer Tendenz) für die belgische Kollaborationszeitung "Le Soir" geschrieben hatte, was erst nach seinem Tod bekannt wurde. Schirrmacher leitete de Mans "These von der Ungeschichtlichkeit literarischer Texte" aus "der Geschichte ihres Verfassers" ab; die Dekonstruktion, also die Theorie, sollte "zur illusionären Flucht aus der Taterinnerung dienen [�], zur neurotischen Absicherung eines eingeübten Gedächtnisverlustes" (Frank Schirrmacher, Totgeschwiegene Schuld. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 34 vom 10.2.1988). zurück
11 Wilhelm Voßkamp: Für eine systematische Erforschung der Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft. In: Jürgen Fohrmann und W. V. (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft (DVjs-Sonderheft 1987). Stuttgart: Metzler 1987, S. 1*—6*; Jürgen Fohrmann: Organisation, Wissen, Leistung. Konzeptuelle Überlegungen zu einer Wissenschaftsgeschichte der Germanistik. In: IASL 16 (1991), S. 110—125. Vgl. auch den Versuch einer Umsetzung dieses Konzepts: Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart und Weimar: Metzler 1994. zurück
12 Wolfgang Höppner: Mehrfachperspektivierung versus Ideologiekritik. Ein Diskussionsbeitrag zur Methodik der Wissenschaftsgeschichtsschreibung. In: Zeitschrift für Germanistik N.F. 5 (1995), S. 49—54. zurück
13 Vgl. nur Klaus Weimar: Geschiche der deutschen Literaturwissenschaft (Anm. 7); Jürgen Fohrmann: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich. Stuttgart: Metzler 1989; sowie Ulrich Hunger: Romantische Germanistik und Textphilologie: Konzepte zur Erforschung mittelalterlicher Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In: Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft (Anm. 11), S. 42*—68*. zurück
14 Vgl. dazu auch die erweiterte Fassung dieses Artikels: Birgit Wägenbaur: Ein vergessener Gründervater: Georg Friedrich Benecke und die Anfänge der Germanistik. In: Euphorion 94 (2000), S. 335—356. zurück
15 Vgl. dazu nur die beiden pointierten Skizzen von Jürgen Fohrmann: Literaturgeschichtsschreibung als Darstellung von Zusammenhang. In: J. F. und Wilhelm Voßkamp (Hg.): Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft (Anm. 11), S. 174*—187*; Wolfgang Hardtwig: Geschichte als Wissenschaft oder als Kunst. In: W. H., Geschichtskultur und Wissenschaft. München: dtv 1990, S. 92—102. zurück
16 So der treffende Titel der Dissertation von Gregor Schiemann: Wahrheitsgewissheitsverlust. Hermann Helmholtz' Mechanismus im Anbruch der Moderne. Eine Studie zum Übergang von klassischer zu moderner Naturphilosophie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1997. zurück
17 Vgl. nur Wolfgang Hardtwig: Geschichtsreligion — Wissenschaft als Arbeit — Objektivität. Der Historismus in neuer Sicht. In: Historische Zeitschrift 252 (1991), S. 1—32; Otto Gerhard Oexle: Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Studien zur Problemgeschichte der Moderne. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1996; Michael Schlott: Mythen, Mutationen und Lexeme. >Historismus< als Kategorie der Geschichts- und Literaturwissenschaft. In: Scientia Poetica 3 (1999), S. 158—204. zurück
18 Siehe Holger Dainat: "Erlösung von jenem ertötenden Historismus". Die Neuere deutsche Literaturwissenschaft zu Beginn der zwanziger Jahre. In: Wolfgang Bialas und Gérard Raulet (Hg.): Die Historismusdebatte in der Weimarer Republik. Frankfurt / M. u.a.: Peter Lang 1996, S. 248—271. zurück
19 Vgl. Anm. 15, sowie: Daniel Fulda: Wissenschaft aus Kunst. Die Entstehung der modernen deutschen Geschichtsschreibung 1760—1860. Berlin und New York: Walter de Gruyter 1996. Fulda beschränkt sich leider nur auf die Geschichtswissenschaft und berücksichtigt die Literaturgeschichtsschreibung überhaupt nicht. zurück
20 Histoire des études germaniques en France (1990—1970) sous la direction de Michel Espagne et Michael Werner. Paris: CNRS 1994. zurück
21 Petra Boden: Universitätsgermanistik in der SBZ / DDR. Personalpolitik und struktureller Wandel 1945—1958. In: P. B. und Rainer Rosenberg (Hg.): Deutsche Literaturwissenschaft 1945—1965. Fallstudien zu Institutionen, Diskursen, Personen. Berlin: Akademie 1997, S. 119—149. zurück
22 Vgl. Petra Boden: "Es geht ums Ganze!" Vergleichende Beobachtungen zur germanistischen Literaturwissenschaft in beiden deutschen Staaten 1945—1989. In: Euphorion 91 (1997), S. 247—275. zurück
23 Vgl. nur aus romanistischer Perspektive: Frank-Rutger Hausmann: Auch eine nationale Wissenschaft? Die deutsche Romanistik unter dem Nationalsozialismus. In: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 22 (1998), S. 1—39, S. 261—313. zurück
24 Diese ökonomische Betrachtungsweise schließt keineswegs eine Ökonomisierung der Wissenschaft ein, im Gegenteil: Aus ökonomischen Gründen empfiehlt sich funktionale Differenzierung, also eine betont lockere strukturelle Kopplung der Teilsysteme. Für Traditionalisten: Aus solchen Überlegungen heraus hat Humboldt gegen Nutzen und für Autonomie plädiert — im 19. Jahrhundert mit großem Erfolg. zurück
25 Edward Schröder an Gustav Roethe, 12.3.1926. In: Regesten zum Briefwechsel zwischen Gustav Roethe und Edward Schröder. Bearbeitet von Dorothea Ruprecht und Karl Stackmann, 2 Bde. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse; Folge 3, Nr. 237). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000, Nr. 4942, Bd. 2, S. 874. [Rezension bei IASLonline: www.iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/muellNot.html] Schröders Position ist eindeutig: "eine gewissenhafte Facultät könne doch keinen unheilbaren Stotterer, Blinden oder Stocktauben zur akadem. Karriere zulassen u. ebensowenig eine Person, deren geschlechtlicher Charakter nun einmal unveränderlich sei u. sie vorläufig (u. hoffentlich dauernd) vom Ordinariat ausschließe" (ebd., S. 875). Hier sind Schröder und Roethe völlig einer Meinung mit Friedrich Gundolf, der Melitta Gerhards Habilitationswunsch in Heidelberg "einzig und allein wegen ihres Geschlechtes" (ebd., S. 874) abgewiesen hatte. zurück
26 Peter J. Brenner: Das Verschwinden des Eigensinns. Der Strukturwandel der Geisteswissenschaften in der modernen Gesellschaft, in: P. B. (Hg.), Geist, Geld und Wissenschaft. Arbeits- und Darstellungsformen von Literaturwissenschaft. Frankfurt / M.: Suhrkamp 1993, S. 21—65. zurück
27 Klaus Weimar: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft (Anm. 7), S. 457. zurück
28 Vgl. z.B. folgende Passage aus dem anonymen Nekrolog auf Karl Müllenhoff. In: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde 7 (1884), S. 21—30, S. 30: "So sehr hing Müllenhoff an seinem Lebenszwecke, daß in der letzten Zeit, wo er nicht mehr thätig sein konnte, die unerfüllte Sehnsucht zu arbeiten ihn fortwährend beunruhigte: auch durch Vorlesen war ihm nicht zu helfen, weil sein rastloser Geist dann sofort Kritik übte und sich dabei erregte, was ihm ärztlich verboten war. Als er in Fieberphantasien lag, da waren >Kudrun<, >Völuspâ<, >Bravallaschlacht< beständig auf seinen Lippen." zurück
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