In meiner Nachbarschaft lebt eine ganz besondere junge Frau:
illegal hat sie sich eine kleine Feldscheuer zu Wohnhaus
und Stall umgebaut.
Alleine wohnte sie dort mit Schafen, Alpakas einem großen
schwarzen Hund und sieben Kamelen.
Das Leben im Freien mit den Tieren hat ihren Körper kräftig
und gesund gemacht, ihre Manieren sind leider ebenfalls
rauh und ungehobelt (geworden), eine Menschenfreundin
war sie noch nie.
Das Blöde war nur,dass sie versuchte, mit dem Kamelhof
ihr tägliches Brot zu verdienen.
Es gab Kamel-Events, die man bei ihr buchen konnte:
Ausritte oder Ausfahrten mit dem Kamelwagen oder
Geburtstag mit Kamelen.
So kamen mir als direkte Nachbarin immer wieder Klagen zu
Ohren...
Leute, die z.B. einen Geburtstag mit Kamelen gebucht hatten
berichteten: "Also diese Frau ist sowas von unfreundlich,
wir wollten einen lustigen Nachmittag mit Freunden organisieren
und sie hat uns angefahren, als würde sie uns am Liebsten vom
Hof jagen .."
Ich hatte gleich eine lustige Geschäfts- Idee: einen Kamelausritt
organisieren und danach orientalische Speisen aus meinem
Gasthaus servieren.
Ich ging begeistert rüber,um ihr das vorzuschlagen, aber sie hat die
Tür nicht mal aufgemacht, nur finster aus dem Fenster geschaut.
Jahrelang habe ich mir das jetzt angeschaut, wie sie sich alleine
auf den Wiesen und mit schwerem Gerät auf ihren Weiden mühte.
Und das, obwohl ich von einigen " kamelverrückten" Leuten
wusste,die ihr gerne, auch ohne Geld zu verlangen, geholfen hätten,
aber ein bisschen gute Stimmung hätten sie natürlich schon erwartet.
Ich beobachtete ,wie sie selten, vielzu selten, mit einer Gruppe
von Leuten einen Kamelausritt machte.
Ein skurrilles Bild, diese schönen Wüstentiere hier in unserer
Steuobstwiesenlandschaft, zig Fotos habe ich gemacht.
Vor zwei Wochen begegnete sie mir, bei dem Bauern ums Eck,
wo mein Pferd steht.
Hemdsärmelig stand sie auf dem Mistwagen und lud mit energischen
Bewegungen den Kamelmist händisch ab, offensichtlich war das
Abladeband des Mistwagens defekt.
Ich stieg gleich hoch und half ihr dabei, den Rest vom Mist nach unten
zu befördern.
Zum ersten Mal auf Augenhöhe, war sie überraschend freundlich
und gesprächsbereit.
"Weisst du ,wie ich diese abartige Maloche satt habe? Und diese
unmöglichen Menschen, die sich für Kamele interessieren?
Und dann kommen viel zu wenige! Wenn meine Eltern mich nicht
in allem unterstützen würden wäre ich längst untergegangen.."
Ich wollte ihr eine neue geschäftliche Kooperation anbieten,
mein Kopf ist ja voll von solchen Ideen- aber soweit kam ich gar
nicht.
"Ich versuche seit Jahren, die Kamele zu verkaufen -und jetzt ist es soweit!
Ich habe einen Käufer gefunden"sagte sie mit rauher Stimme und
wischte verstohlen eine Träne weg.
Schon zwei Tage später kam im Morgengrauen ein riesiger Tiertransporter
herbeigefahren.
Es dauerte bis in den frühen Nachmittag, bis alle Kamele verladen waren.
Manche wollten einfach nicht einsteigen und andere protestierten
mit großem Gebrüll.
Dann fuhren die Kamele für immer davon und die ehemalige Kamelfrau
kann sich jetzt anderen Dingen widmen.