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ADB:August (Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg)

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Artikel „August Emil Leopold, Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg“ von August Beck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 681–683, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:August_(Herzog_von_Sachsen-Gotha_und_Altenburg)&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 17:37 Uhr UTC)
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August: Emil Leopold, Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg, der zweitgeborene Sohn Herzog Ernsts II. und der Prinzessin Charlotte Amalia von Sachsen-Meiningen, war geb. 23. Nov. 1772, † 17. Mai 1822. Durch den unerwarteten frühzeitigen Tod seines älteren Bruders Ernst im J. 1779 wurde er Erbprinz. Als Regent und im Geschäftsleben unterschrieb er sich „August“, als Schriftsteller und in freundschaftlichem Verkehre „Amil“ oder lieber noch „Emile“. Sein zarter, schlanker Gliederbau und sein hoher Wuchs gaben dem schönen Mann eine fast weibliche Weichheit. Unter der Leitung eines Freiherrn von der Lühe und namentlich des Legationsraths Samuel Elisa von Bridel-Brideri hatte er mit seinem Bruder Friedrich eine gute Erziehung genossen. Im J. 1788 gingen die beiden Prinzen zu ihrer weitern Ausbildung, hauptsächlich aber auch, um ihrer schwächlichen Gesundheit aufzuhelfen, nach Genf, von wo sie reich an Kenntnissen im J. 1791 nach Gotha zurückkehrten. Eine Reihe von Vorlesungen, die ihnen über Philosophie, die Rechte, Geschichte und Litteratur gehalten wurden, beschlossen den Unterricht. Prinz A. nahm nun an den Sitzungen des Ministeriums Theil, um sich mit den Regierungsgeschäften vertraut zu machen. Am 21. Oct. 1797 vermählte er sich mit der Prinzessin Louise Charlotte von Mecklenburg-Schwerin (geb. 19. Nov. 1779), die aber schon [682] am 4. Jan. 1801 starb, nachdem sie eine Prinzessin Louise, die nachmalige Gemahlin Herzog Ernsts I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, geboren hatte. Zum zweiten Male vermählte er sich mit der Prinzessin Karoline Amalie (geb. 11. Juli 1771, † 22. Febr. 1848), der jüngsten Tochter des damaligen Landgrafen, nachherigen Kurfürsten Wilhelm von Hessen-Kassel. Diese Ehe blieb kinderlos.

Nach dem Tode seines Vaters (20. April 1804) trat Herzog A. die Regierung an. Die unruhigen, bewegten Zeiten, welche der Krieg mit Frankreich und Napoleon’s Gewaltherrschaft über das Land brachte, die massenhaften Einquartierungen und Truppendurchzüge wurden durch das kluge Benehmen des Herzogs gemildert. Seine politischen Anschauungen waren von denen der meisten deutschen Zeitgenossen verschieden; denn er nahm nur gezwungen Antheil an dem Kriege gegen Napoleon und ehrte ihn als einen außerordentlichen Mann. In Folge dieses freundschaftlichen Verhältnisses zu Napoleon wurde das gothaische Land während des ganzen unheilvollen Krieges von den Franzosen mit großer Schonung behandelt, und ihm sogar die im J. 1806 auferlegte Kriegscontribution von 1700000 Franken erlassen. Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena (14. Oct. 1806) wurde Gotha hart heimgesucht, und der Herzog von allen Seiten gedrängt, außerhalb des Landes zu entfliehen, er aber äußerte, „bei seinen treuen Bürgern bleiben und mit ihnen jedes Schicksal theilen zu wollen“. Als die Fürsten des nördlichen Deutschlands gezwungen wurden, dem Rheinbunde beizutreten, benutzte der Herzog die dadurch erlangte Unumschränktheit nicht zur Erweiterung seiner Gewalt. Als später im Oct. 1813 die flüchtigen Franzosen durch Gotha kamen, verließ er ebenso wenig wie früher seine Residenz und verhütete dadurch Raub, Plünderung und anderes Ungemach. Auf des Herzogs Bitte ließ Napoleon die Eingänge der offenen Stadt besetzen, und die Franzosen mußten um dieselbe herumgehen; außerhalb derselben konnten freilich nicht immer die Gewaltthätigkeiten verhindert werden. Der Umschwung der Dinge im J. 1813 war dem Herzoge keineswegs angenehm; doch fügte er sich der Macht der Verhältnisse. Wenige Wochen nach dem Rückzuge Napoleon’s schloß er sich im Nov. 1813 den Verbündeten an und reiste deßhalb selbst nach Frankfurt a/M. Dem zwischen Preußen, Oesterreich und Rußland am 24. Sept. 1815 gestifteten „heiligen Bunde“ trat er am 30. Dec. 1817 bei, ebenso den andern Conventionen dieser Mächte vom 20. Juni, 24. Juli und 12. Dec. 1818.

A. war durchaus Mann der Phantasie und der Ideen von freilich oft zweifelhaftem Werth; dagegen waren Studien, die ein tiefes Forschen und anhaltenden Fleiß erforderten, nicht seine Sache. Es stießen daher auch die Schöpfungen seiner ungeheuerlichen Einbildungskraft sehr oft auf unübersteigliche Hindernisse. Geld hatte für ihn keinen Werth, und beim Einkaufen von Kunst- und andern Werthsachen zahlte er stets, was verlangt wurde. Als nach dem Friedensschlusse (1815) französische Contributionsgelder gezahlt wurden, verwendete er nichts für sich selbst, sondern ließ davon die Schulden und Lasten der Landschaftskasse abtragen. Ihn beseelte fortwährend der Wunsch, Gutes zu thun und für einen guten und wohlwollenden Regenten zu gelten. Eine Menge wohlthätiger Einrichtungen und Gesetze sind aus der Zeit seiner Regierung vorhanden. So legte er neue schöne Kunststraßen an, richtete zur Sicherheit der Landorte eine berittene Polizeimiliz oder Gendarmerie ein (1811), verbesserte das Conscriptionswesen, sorgte für gute, fahrbare Wege auf den Dörfern, ließ Wegweiser an allen Kreuzwegen anbringen, gab eine zweckmäßigere Einrichtung der Armenanstalten, räumte den Katholiken (1806) und ebenso den Reformirten (1807) gleiche bürgerliche Rechte mit den Lutheranern ein, schaffte die Kirchenbuße ab, als eine nicht mehr zeitgemäße Einrichtung (1811), und Anderes mehr. Bei seiner Vorliebe für Wissenschaft und Kunst, förderte er dieselbe auf alle Weise. [683] Er bereicherte die Kunstsammlungen des Friedensteins; der Bibliothek machte er die bedeutende Privatsammlung seines Vaters zum Geschenk und ließ die von dem Reisenden Ulrich Jaspar Seetzen gesammelte kostbare und reiche Sammlung orientalischer Manuscripte derselben einverleiben. Das Kunstcabinet hat ihm eine Reihe Sculpturen aus Elfenbein und Holz zu verdanken; die Gemäldesammlung kostbare Gemälde und Kupferstiche. Das chinesische Cabinet, für welches er eine besondere Vorliebe hatte, wurde von ihm neu begründet. Die von seinem Vater begründete Sternwarte erhielt er nicht nur, obschon er kein Freund der Astronomie war, sondern unterstützte sie auch ansehnlich. Die Universität Jena und die Gymnasien zu Gotha und Altenburg hatten sich seiner Freigebigkeit zu erfreuen.

Die eigenthümliche, wunderliche und ungezügelte Phantasie des Herzogs gab seinem Geiste eine merkwürdige Richtung. Er las viel und behielt, was er gelesen hatte; er unterhielt sich gern mit gelehrten Männern, Künstlern und anmuthigen, witzigen Frauen, und wechselte gerne mit ihnen Briefe, freilich stand er auch mit Modehändlern und Haarkräuslern in brieflichem Verkehre. Seine Briefe zeichnen sich ebenso wie seine schriftstellerischen Arbeiten durch Zartheit und eine Fülle ungewöhnlicher Ideen und geistreicher Wendungen aus. Mit großer Vorliebe beschäftigte er sich mit Poesie, Musik und Zeichnen. Außer seiner musikalischen Liedercomposition war er Verfasser mehrerer poetischer Werke, von denen nur eines im J. 1805 im Drucke erschien; es hat den Titel: „Kyllenicon“ oder „Ein Jahr in Arkadien“. Seine Entstehung verdankte das Buch einer Französin, welche Geßner’s Idyllen sehr hoch hielt; der Herzog widersprach, und machte sich anheischig, Idyllen im griechischen Sinne und Gewande zu schreiben. Außerdem erschien noch gedruckt eine Uebersetzung der „Lettres d’un Chartreux par Charles Pougens“ (Briefe eines Karthäusers), die er aber nur seinen vertrauten Freunden mittheilte. Andere Werke wie „Panedone“ und „Emilianische Briefe“ blieben unvollendet und ungedruckt.

Der glänzende, übersprudelnde, oft beißende Witz des Herzogs verletzte zuweilen, aber, wenn er das fühlte, suchte er den Fehler immer auf irgend eine Art wieder gut zu machen. Er war ein origineller Sonderling. In den letzten Jahren seines Lebens ging er sehr spät zu Bette und stand sehr spät auf, gewöhnlich erst, wenn er zur Mittagstafel ging. Im Bette empfing er Besuche, selbst die Minister und Gesandten fremder Fürsten. Reiten und Jagen waren ihm zuwider. Er bestieg nur einmal in seinem Leben ein Pferd, aber in seidenen Strümpfen und Schuhen und ohne Kopfbedeckung. Gedrängt von seiner Umgebung wohnte er ein einziges Mal einer Jagd bei, hatte aber vorher alles Schießen dabei verboten. Nur den Tanz liebte er, und noch kurz vor seinem Lebensende tanzte er mit anmuthiger Grazie. Jean Paul, mit dem er in freundschaftlichem Briefwechsel stand (s. das „Freiheitsbüchlein“) sagte von ihm, er habe die Titanomanie und sei „ein personificirter Rebel, bunt, leicht, schwül, kühl, in allen phantastischen Gestalten sich zertheilend, zwischen Sonne und Erde schwebend, bald fallend, bald steigend. Nun greife man nach einem Uebel! Hätte er ein Herz, sein Dichterkopf wäre der größte!“ Goethe nannte ihn „angenehm und widerwärtig zugleich.“ Dem Herzog A. galt er für einen Pedanten.

Herzog A. starb schnell an einer in den Körper geschlagenen Flechte und wurde auf der Insel im Park zu Gotha beigesetzt.

Aug. Beck, Gesch. d. Goth. Landes. Bd. I. 628. Daselbst auch die biogr. Litteratur.