Holokratie: Beispiele, Vor- und Nachteile ohne Chef

Holokratie ist eine Organisationsform, bei der Unternehmen vollständig auf Hierarchien und Chefs verzichten. Führen ohne Chef – funktioniert das? Beispiele belegen das. Zudem ist selbstorganisiertes Arbeiten für junge Mitarbeiter der Generation Z interessant, die keine Lust mehr auf strikte Führung und enge Regelwerke haben. Wir erklären, was Holokratie bedeutet und welche Vor- und Nachteile das moderne Organisationsprinzip hat…

Holokratie Definition Beispiel Hierarchie Vor Und Nachteile

Holokratie Definition: Organisationskonzept

Holokratie ist Führung ohne Führung. Bei der Organisationsform verzichten Unternehmen vollständig auf eine Hierarchie. Der Führungsstil basiert im Wesentlichen auf transparenter und partizipativer Beteiligung der Mitarbeiter. Das Modell ist ein Mittelweg zwischen autokratischer und demokratischer Arbeitsorganisation.

Bei der Holokratie verteilt sich die Macht und Entscheidungskompetenz auf sogenannte Kreise – das sind sich selbst organisierende Einheiten (Abteilungen) sowie auf jeden einzelnen Mitarbeiter. Diese übernehmen in der Organisation unterschiedliche und wechselnde Rollen – auch über Abteilungen hinweg. Dadurch bleibt das Unternehmen flexibel und dynamisch.

Holokratie Herkunft und Herleitung

Erfunden hat das Holokratie-Modell der amerikanische Unternehmer Brian Robertson, weshalb Holokratie häufig auch „Holacracy“ genannt wird (Achtung: englische Schreibweise mit „a“). Der Begriff leitet sich vom griechischen „holos“ (= vollständig) und „kratie“ (= Herrschaft) ab und bedeutet den vollständigen Verzicht auf irgendeine Form von Herrschaft.

Holokratie Einfluss

Brian Robertson, selbst Gründer von Ternary Software, wandte das Organisationsprinzip schon 2007 in seinem Unternehmen erfolgreich an und entwickelte es kontinuierlich weiter, bis er 2010 die „holacracy constitution“ („Holokratie-Verfassung“, PDF), sein Regelwerk herausbrachte, in dem er seine Prinzipien und Beispiele erklärte.

Das Konzept beeinflusste später viele agile Arbeitsmethoden wie Scrum oder Kanban sowie einige Führungsstile (siehe Laterale Führung).

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Wie funktioniert das Holokratie-Modell?

Die meisten Unternehmen sind bis heute hierarchisch aufgebaut. Bedeutet: Die Führungskräfte steuern die Mitarbeiter über Anweisungen, Arbeitsaufträge und Zielvorgaben „von oben“ herab. In einem holokratisch geführten Unternehmen passiert das genaue Gegenteil: Die Arbeit dient allein dem Sinn und Zweck der Organisation.

Zwar herrschen auch hier weiterhin klare Verantwortungsbereiche und Befugnisse – zum Beispiel für Neueinstellungen oder Gehaltsverhandlungen – diese sind aber auf sämtliche Mitarbeiter und sich selbst organisierende (wechselseitig regierende) Teams verteilt.

Hierarchie in der Holokratie: Führung für alle

  • Kreise

    Noch vorhandene Hierarchien werden in der Holokratie durch Kreise (= Holons) dargestellt. Sie repräsentieren das Unternehmen insgesamt beziehungsweise einzelne Abteilungen – zum Beispiel: Marketing, Vertrieb, Finanzen, IT, … Unterkreise symbolisieren Spezialisierungen innerhalb eines Unternehmensbereichs.

  • Rollen

    Mitarbeiter übernehmen bei diesem Modell unterschiedliche Rollen. Sie entsprechen Aufgaben (z.B. Copywriting) oder Verantwortungsbereichen und sind von anderen Rollen abgegrenzt.

Holokratie Beispiel Praxis Vorteile Nachteile Definition

Die Freiheit in der Holokratie besteht darin, dass jede(r) die Arbeit im Rahmen seiner Rolle völlig frei gestalten und erledigen kann. Mitarbeiter innerhalb eines Kreises nehmen verschiedene Rollen ein, die wiederum wechseln können. Das ist einer der Hauptunterschiede zur Hierarchie: Hier hat jeder seinen festen Job und Platz im Organigramm.

Auch wie die Mitarbeiter eines Kreises die jeweiligen Unternehmensziele erreichen, können sie selber festlegen. Gleichzeitig stimmen Sie in Meetings das genaue Vorgehen ab und verteilen Rollen und Autoritäten. Holokratie ist also keine Anarchie!

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Die 4 Säulen der Holokratie

Die Basis der Holokratie bilden vier zentrale Leitlinien, die der Erfinder Brian Robertson in seiner Holokratie-Verfassung zusammengefasst hat. Dahinter stecken vier generelle Prinzipien ohne die das Organisationsmodell nicht funktioniert:

1. Doppelte Verbindung (Double-Linking)

Damit die Kommunikation zwischen den autonomen Kreisen funktioniert, benötigt jeder Kreis einen (oder mehrere) Vertreter, der den Austausch untereinander sicherstellt. Die Vertreter geben aktuelle und relevante Informationen aus ihrer Abteilung weiter und vertreten deren Interessen im Nachbarkreis. So werden alle Kollegen gehört und arbeiten nicht aneinander vorbei.

2. Trennung von operativen und Steuerungstreffen

Für das Tagesgeschäft gibt es operative Treffen. Sie finden in den Kreisen statt, die sich so autark steuern und organisieren und ihre Tagesaufgaben festlegen. In übergeordneten Steuerungstreffen geht es um neue Ideen und generelle Strategien des Unternehmens. Dabei wird bewusst nicht über Ressourcen (Geld, Personal) gesprochen, um die Impulse nicht abzuwürgen.

3. Rollenverteilung

Konflikte entstehen meist dort, wo Zuständigkeiten unklar bleiben. Die Holokratie trennt diese Rollen strikt von der Person. Bedeutet: Arbeitnehmer sind nicht dauerhaft „Community Manager“, sondern haben diese Funktion (Rolle) gerade inne, die aber wechseln kann. In Steuerungstreffen werden diese Rollen regelmäßig gemeinsam präzisiert oder neu definiert.

4. Dynamische Steuerung

Wichtige Steuerungsentscheidungen treffen die Kreise per „integrativer Entscheidungsfindung“ – bedeutet: In diesen Meetings wird eine pragmatische Lösung gesucht, die jederzeit korrigiert werden kann. Deshalb muss sie sich zunächst in der Praxis bewähren. Jeder Mitarbeiter kann jederzeit einen neuen und besseren Vorschlag einbringen.

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Meetingkultur in der Holokratie

Holokratie hat wenig mit starrem, hierarchischen Denken oder klassischer Unternehmensführung zu tun. Die Organisationsstruktur ist eher fließend, dynamisch und jederzeit veränderbar. Das ist modern und innovativ – setzt bei den Mitarbeitern aber einiges voraus. Zum Beispiel ein hohes Maß an Selbstorganisation, Umgang mit agilen Methoden und nicht zuletzt eine gewisse kollektive Intelligenz. Sonst droht Chaos.

Meetings sind ein wichtiger Bestandteil der Holokratie. Sie folgen ebenfalls klaren Regeln, die für mehr Effektivität sorgen. Die Treffen erfolgen in drei Formaten:

  1. Operative Meetings
    Hierin geht es um alltägliche Aufgaben und die Frage, wie die Effizienz bestimmter Projekte gesteigert werden kann.
  2. Steuerungsmeetings
    Sie dienen der Weiterentwicklung der Strukturen – etwa, ob Kreise zusammengelegt werden oder neue Kreise entwickelt werden müssen.
  3. Strategische Meetings
    In diesen Treffen werden die wichtigsten Fragen zur strategischen Entwicklung des Unternehmens diskutiert.

Weil es keine klassischen Führungsrollen gibt, stoßen die Teammitglieder selbst neue Entwicklungen an. Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Das setzt ebenfalls die Fähigkeit zum sachlichen Austausch ohne persönliche Animositäten oder Eitelkeiten voraus.

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Vor- und Nachteile der Holokratie

Die Holokratie ist ein radikales Organisationssystem, das im Zuge der New Work Bewegung entstanden ist und auf klassische Unternehmensstrukturen verzichtet sowie typisches Silodenken verhindert. Stattdessen versucht das Konzept die Entscheidungsprozesse effektiver zu organisieren. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile und Grenzen…

Vorteile der Holokratie

  • Kaum Hierarchien, mehr Basisdemokratie
  • Größere Eigenverantwortung
  • Mehr Flexibilität und Selbstbestimmung
  • Schnelle Anpassungsfähigkeit (zum Markt)
  • Hohe Entscheidungsautonomie
  • Gesteigerte Innovationskraft
  • Höhere Mitarbeitermotivation
  • Starke Identifikation mit Arbeit

Nachteile der Holokratie

Wo es Licht gibt, entsteht zugleich Schatten. Entsprechend hat auch das Holokratie-Modell einige Nachteile und Stolperfallen:

  • Hohe Komplexität
  • Unklare Rollenverteilungen
  • Lange Abstimmungswege
  • Zwang zum Konsens
  • Hoher Verantwortungsdruck
  • Wenig Synergien aus festen Teams
  • Kaum Beziehungskultur

Vor allem die beiden letzten Punkte werden immer wieder kritisiert. Weil Rollen und Personen strikt getrennt werden, müssen die Menschen in ihrer jeweiligen Position einfach nur funktionieren. Die zwischenmenschlichen Beziehungen – aus denen sich ebenfalls positive Effekte ergeben – bleiben dabei oft auf der Strecke.

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Für welche Unternehmen eignet sich Holokratie?

Aufgrund seiner dynamischen Strukturen ist die holokratische Organisationsform nicht für alle Unternehmen und Branchen geeignet. Große, international operierende Konzerne mit mehreren 1000 Mitarbeitern können auf standardisierte und etablierte Prozesse kaum verzichten.

Anders bei Start-ups und mittelständischen Unternehmen. Sie sind oft innovativ und müssen meist schnell auf Veränderungen im Markt reagieren. Für sie und kleine Belegschaften eignet sich die Holokratie durchaus. Allerdings sollte das Organisationsprinzip vor der generellen Einführung in kleinen Unternehmenseinheiten oder Abteilungen getestet werden. Zudem müssen sich die Mitarbeiter darauf einlassen (wollen) und die Regeln der Holokratie (4 Säulen) kennen und konsequent anwenden.

Holokratie Beispiel

Ein deutsches Unternehmen, das die Holokratie bereits seit einiger Zeit erfolgreich anwendet, ist der WordPress-Hosting Dienstleister Raidboxes aus Münster (Westfalen). Dort wurde die Holokratie im Jahr 2016 eingeführt.

Bisheriges Fazit: Die Mitarbeiter sind zufriedener mit ihrem Job. Gleichzeitig konnte die Produktivität gesteigert werden. Ein anderer Holokratie-Anwender ist der Sachbuch-Zusammenfasser Blinkist. Ebenso hat die Deutsche Bahn in ausgewählten Bereichen mit der Holokratie experimentiert.

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Holokratie: Veränderte Ansprüche an Arbeit

Keine Frage: Holokratie ist eine spannende Organisationsform mit vielen Vor- und Nachteilen. Für einige Menschen kann es enorm attraktiv sein, sich in unterschiedlichen und abwechselnden Tätigkeitsfeldern und Jobbeschreibungen zu erproben. Für andere stellt dies eine bedrohliche Herausforderung dar. Nicht jeder kann in holokratisch organisierten Teams arbeiten oder will auch nicht die damit verbundene Verantwortung übernehmen.

Ziel der Holokratie ist es, dass die Menschen und Mitarbeiter jene Rollen einnehmen, die am besten zu ihren Stärken und Interessen passen, weil das die Motivation und Effizienz der Mitarbeiter steigert. Ganz ohne Reibungsverluste gelingt aber auch das selten.

Tony Hsieh, der holokratische Strukturen seinerzeit beim Online-Schuh- und Kleidungshändler Zappos einführte, schätzt, dass es zwischen 3 und 5 Jahre dauert, bis das Modell vollständig in die Organisation integriert ist. So dynamisch die Holokratie ist – so unbeständig bleibt sie auch.


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[Bildnachweis: Karrierebibel.de]