Anapher: Definition, Beispiele + Wirkung des Stilmittels

Eine Anapher ist eine rhetorische Figur. Typisch ist die Wiederholung eines Wortes vom Anfang in den darauffolgenden Sätzen oder Versen: Sie waren müde, sie waren durstig. Solche Wiederholungen entfalten eine bestimmte Wirkung und sind ein beliebtes Stilmittel. Wir erklären anhand zahlreicher Beispiele, welche Bedeutung die Anapher hat und wie sie auf Leser wirkt.

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Definition: Was ist eine Anapher?

Wiederholt sich ein Wort (oder eine Wortgruppe) in mehreren aufeinanderfolgenden Sätzen, Satzteilen, Versen oder Strophen am Anfang, bezeichnet man das als Anapher. Der Begriff leitet sich vom altgriechischen Wort anaphorá ab und bedeutet „das Zurückführen“ oder „die Rückbeziehung“.

Anapher Beispiele

  • Keine Staus. Keine Termine. Keine Hektik. Kein Stress. Keine Kompromisse. Kein anderes Bier. – Jever. (Slogan)
  • Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. (Unbekannt)
  • Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,… (Johann Wolfgang von Goethe, Der Fischer)
  • Sollten Sie vor mir Geheimnisse haben? Sollten Sie nicht mehr wissen, dass es die erste Bedingnis unsrer Vertraulichkeit war,… (Friedrich Schiller, Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache)
  • O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter (Deutsches Weihnachtslied)
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Anapher Bedeutung in der Rhetorik

Die Anapher ist eins der ältesten und bedeutendsten Stilmittel. Schon in der Antike nutzen Philosophen und Redner diese rhetorische Figur, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Und auch heute noch greifen viele zu diesem rhetorischen Mittel:

Literatur

Ob Gedichte, Romane oder Lieder: Die Anapher hat ihren festen Platz. Bereits in der Bibel finden sich etliche Passagen mit diesem Stilmittel.

Beispiel aus der Bergpredigt, Evangelium nach Matthäus:

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

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Die einprägsame Wirkung des Stilmittels macht sich auch die Werbung in verschiedenen Werbeslogans zunutze. Beispiele dafür:

Carglass repariert, Carglass tauscht aus. (Carglass)
So klein. So fein. So Giotto. (Giotto)
Aus Liebe zum Fußball. Aus Liebe zur Fotografie.“ (Canon)

Reden

Eine der wohl berühmtesten und eindrucksvollsten politischen Reden ist „I have a dream“ (Ich habe einen Traum) von Martin Luther King. Darin fordert er in rhetorischen Formeln die Gleichstellung von Afroamerikanern. Diese Formeln sind als Anaphern aufgebaut:

Original auf Englisch:
I have a dream that one day even the state of Mississippi, a state sweltering with the heat of injustice, sweltering with the heat of oppression, will be transformed into an oasis of freedom and justice.
I have a dream that my four little children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character.
I have a dream today!

(Deutsche Übersetzung:
Ich habe einen Traum, dass eines Tages sogar der Staat Mississippi, ein Staat, der in der Hitze der Ungerechtigkeit schwitzt, in der Hitze der Unterdrückung schwitzt, in eine Oase der Freiheit und Gerechtigkeit verwandelt wird.

Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden.

Ich habe einen Traum heute!)

Anapher – Wirkung auf den Leser

Wer Anaphern verwendet, will damit eine bestimmte Wirkung erzeugen. Das gelingt beim geschriebenen Text für Leser ebenso wie beim gesprochenen für Zuhörer. Besonders diese drei Effekte lassen sich erzielen:

  • Hervorhebung

    Wer eine bestimmte Botschaft transportieren möchte, hebt durch die Wiederholung bestimmte Wort hervor. Ein Leser oder Zuhörer prägt sich dadurch solche Schlüsselwörter besser ein und erkennt die Bedeutung des Wortes.

  • Rhythmus

    Das Stilmittel hilft dabei, einen Text schnell zu erfassen. Die Wiederholungen am Anfang beschleunigen den Rhythmus und lenken den Fokus auf die weiteren Wörter.

  • Struktur

    Die Wiederholung am Satzbeginn verschafft einen Überblick. Die Sätze sind gleich aufgebaut, das vereinfacht das Verständnis.

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Unterschied zu anderen Stilmitteln

Auf den ersten Blick kann man die Anapher mit anderen rhetorischen Stilmitteln verwechseln. Unsere Liste gibt daher einen kurzen Überblick über ähnliche rhetorische Figuren und worin sie sich unterscheiden:

Alliteration

Hierbei wiederholt sich jeweils der Anfangslaut mehrerer aufeinanderfolgender Wörter:

Fischers Fritze fischt frische Fische.

Beispielsweise ist das bekannte Caesar-Zitat im lateinischen Original eine Alliteration: Veni, vidi, vici – es fängt jeweils mit demselben Buchstaben an (v, gesprochen w). In der deutschen Übersetzung hingegen wird aufgrund der Stellung des Personalpronomens daraus eine Anapher: Ich kam, ich sah, ich siegte.

Anadiplose

Ebenfalls mit Wiederholung arbeitet die Anadiplose. Hierbei taucht das letzte Wort oder die letzte Wortgruppe eines Satzes am Anfang des folgenden Satzes oder Verses auf. Auch diese rhetorische Figur ist häufig Bestandteil von Reden und Danksagungen:

„Ich möchte als Erstes meinen Eltern danken. Danken möchte ich aber auch so vielen anderen, ohne die ich es nicht geschafft hätte.“

Epipher

Eins der ältesten Stilmittel ist diese rhetorische Figur. Sie ist das Gegenstück zur Anapher. Die Epipher ist durch Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Ende aufeinanderfolgender Sätze oder Verse charakterisiert:

„Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!“ (Friedrich Nietzsche, Das trunkene Lied) Auch die Redewendung „Ende gut, alles gut“ besteht aus einer Ephipher.

Kyklos

Der Kyklos zählt ebenfalls zu den Wiederholungsfiguren. Das Wort stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet Ring oder Kreis. Und genau so funktioniert er: Ein Wort am Satzanfang wird am Ende desselben oder eines anderen Satzes (beziehungsweise Satzteils oder Verses) wiederholt. Zum Beispiel aus Goethes Faust:

Entbehren sollst du! sollst entbehren!

Symploke

Ein eher seltenes Stilmittel, das dennoch Gemeinsamkeiten aufweist, ist die Symploke (auch: Complexio). Sie ist eine Verbindung aus Anapher und Epipher. Heißt: Sowohl am Anfang als auch am Ende eines Satzes wird ein Wort aus dem vorhergehenden Satz wiederholt:

Was ist der Toren höchstes Gut? Geld!
Was verlockt selbst die Weisen? Geld!
(Goethe, Alles geben die Götter)


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[Bildnachweis: Karrierebibel.de]