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Tourismus

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Autor: Christoph Maria Merki | Stand: 31.12.2011

Schon früh reisten Händler, Soldaten, Pilger und Besucher von Heilbädern durch das an der Transitroute über die Bündner Pässe liegende Liechtenstein, wovon seit dem Spätmittelalter einige Gasthäuser profitierten. Tourismus im Sinn eines genussorientierten Freizeitverkehrs begann erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Anschluss Liechtensteins an das europäische Bahnnetz 1872 machte es für deutsche und österreichische Urlauber attraktiv. 1875 wurde auf der Alp Gaflei eine «Molken- und Luftkuranstalt» eingerichtet. Auch für die Alp Sücka ist ab den 1870er Jahren ein Kurbetrieb belegt. Es folgten weitere Kurhäuser und «Sommerfrischen» im Berggebiet: 1877 Masescha, 1879 Samina, 1908 Malbun, 1912 Silum. Zu einer Attraktion wurde der 1898 eröffnete Dreischwesternweg mit Fürstensteig. Im Ersten Weltkrieg brach der liechtensteinische Tourismus ein; er kam erst nach der Stabilisierung der deutschen und österreichischen Währung (1923/24) wieder in Schwung. In Steg entstand 1925 ein weiteres Alpengasthaus. Vom zunehmenden Wandertourismus – 1909 wurde die Sektion Liechtenstein des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins gegründet – zeugt die Errichtung einer ersten Schutzhütte 1928 (→ Pfälzerhütte). Zunächst überwogen die deutschen Gäste, in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 wurden die Besucher aus der Schweiz wichtiger. Sie stellten während des Zweiten Weltkriegs über 50% der Gäste.

Der Tourismus beschränkte sich zuerst ganz auf die Sommerzeit und vorwiegend auf das Berggebiet. In den 1930er Jahren kündigte sich die Umstellung auf den Ganzjahresbetrieb an. Das «Kurhaus Malbun» beherbergte 1934–39 Skisportler aus Deutschland und Belgien. Nach dem Zweiten Weltkrieg schnellten die Gästezahlen in die Höhe.

Dazu trugen der zunehmende Wohlstand, die Verbreitung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Automobils sowie die Verbesserung der Infrastruktur für Anreise und Aufenthalt bei. 1932 wurde der Postautoverkehr nach Malbun aufgenommen und 1947 das Berggebiet mit einem Tunnel bei Steg besser erschlossen. Seit 1959 ist die Strasse ins Malbun ganzjährig offen. Der erste Skilift wurde 1950 in Steg gebaut, wo sich in der Folge jedoch vor allem der Langlauf entwickelte. Das kleine, traditionell nur im Sommer bewohnte Malbuntal wandelte sich zum Wintersportort: 1962–79 entstanden fünf Skilifte, zwei Sesselbahnen und neun Hotels, aus Maiensässhütten wurden Ferienhäuser. Im Rheintal scheiterten in den 1930er bis 70er Jahren mehrere Bergbahnprojekte.

Zusätzlich zum Berg-, Wander- und Skitourismus, der sich vor allem für Triesenberg bezahlt machte, entwickelte sich im Tal ein Ausflugs- und Geschäftsverkehr. Anzugspunkte für Ausflügler waren zunächst das Schloss Vaduz (Gastwirtschaft 1850–96, Besichtigungsmöglichkeit bis Anfang der 1940er Jahre) und in den 1920er und 30er Jahren die Schlosswirtschaft auf Burg Gutenberg. Nach 1945 brachten international tätige Unternehmen Geschäftsleute und Kunden ins Land. Sie und andere Kurzaufenthalter liessen die Verweildauer früh auf niedrige Werte sinken; schon in den 1950er Jahren blieb der durchschnittliche Besucher nur zwei Nächte. Seit den 1940er Jahren gibt es Durchreisende, die Liechtenstein nicht mehr als ein, zwei Stunden zugestehen. Das nahe der Nord-Süd-Autobahn über den San Bernardino gelegene Vaduz wird von Reisebussen und Europa-Rundreisenden für einen Zwischenstopp genutzt. Von diesem Tagestourismus profitieren vor allem die Vaduzer Schmuck- und Souvenirgeschäfte. 1945 eröffnete Eduard von Falz-Fein einen ersten Touristenladen in Vaduz. Einen gewissen Kulturtourismus generierten ab 1952 Wechselausstellungen der fürstlichen Sammlungen und die liechtensteinischen Museen.

Volkswirtschaftlich war der Tourismus in Liechtenstein nie sehr wichtig. Das begrenzte landschaftliche und kulturelle Potenzial verhinderte eine Entwicklung, wie sie das benachbarte Graubünden erlebte. Immerhin kann Liechtenstein seit den 1950er Jahren jedes Jahr etwa doppelt so viele Gäste begrüssen, wie es selbst Einwohner hat. 2007 standen in rund 40 Hotels und Gasthöfen 1323 Betten zur Verfügung; das Gastgewerbe stellte knapp 3% der Beschäftigten.

Die Tourismusförderung setzte im späten 19. Jahrhundert ein. 1900–21 bestand der «Verband für Fremdenverkehr in Vorarlberg und Liechtenstein», der die Werbeschrift «Sommer-Stationen in Vorarlberg & Liechtenstein» herausgab. Ab 1929 entstanden erste lokale Verkehrsvereine, die sich 1935 in einem Landesverband zusammenschlossen. Im selben Jahr verfasste Erwin Hinderer den ersten «Offiziellen Reiseführer durch das Fürstentum Liechtenstein». 1952 trat Liechtenstein der Nordostschweizerische Verkehrsvereinigung bei und 1964 der Schweizerischen Verkehrszentrale (später «Schweiz Tourismus»). Die 1944 durch das «Gesetz betr. die Förderung des Fremdenverkehrs und die Erhebung einer Fremdenverkehrsumlage» geschaffene Landesverkehrskommission erhielt mit dem Landesverkehrsbüro (1952) bzw. der Fremdenverkehrszentrale (1972) ein ausführendes Organ. Im Jahr 2000 wurde die Tourismusförderung der öffentlich-rechtlichen Anstalt «Liechtenstein Tourismus» übertragen.

Literatur

Medien

Werbeplakat «Gasthaus & Pension Samina», 1. Hälfte 20. Jahrhundert (Bildarchiv LLM). Das Gasthaus «Samina» wurde 1881 eröffnet.
Gästeankünfte, Logiernächte und Gästebetten, 1911-2010

Zitierweise

Christoph Maria Merki, «Tourismus», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: https://historisches-lexikon.li/Tourismus, abgerufen am 12.6.2024.