Die Auswertung der Roses Revolution Deutschland dokumentiert inakzeptablen Umgang mit Gebärenden.
#Profilfoto ändern bis zum #Nov25 – dann ist @RosesRevolution. #Schweigenbrechen: Stoppt Gewalt in der Geburtshilfe #stopobstetricviolence! pic.twitter.com/QjNmAzhojI
— Roses Revolution (@RosesRevolution) November 21, 2016
Jedes Jahr, in der 3. Maiwoche, findet die IWRC (International Week for Respecting Childbirth), eine Initiative der ENCA (European Network of Childbirth Associations), statt. Anlässlich der internationalen Woche für Respektvolle Geburt geben die Organisatorinnen der „Roses Revolution Deutschland„, einer Aktion gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe, ihre Auswertung von 2016 bekannt. Alle Einsendungen, die am vergangenen 25. November, dem globalen Aktionstag, eingegangen sind, wurden berücksichtigt. Die 176 Berichte, Fotos und Briefe sind auf der gleichnamigen Facebook-Seite veröffentlicht. Sie zeigen auf erschütternde Weise, wie mit Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett umgegangen wird. Für mehr als 20 Prozent der rund 770 Einrichtungen in Deutschland wurden gewaltsame Vorfälle dokumentiert. Symbolisch erhielten viele eine rosa-farbene Rose.
„Von Einzelfällen kann bei dieser hohen Zahl nicht mehr gesprochen werden“, sagt Halina Koglin, eine der vier Organisatorinnen der Kampagne.
„Durch die Roses Revolution bekommen die betroffenen Frauen eine Stimme und können mitteilen, was ihnen widerfahren ist. Sie spüren, dass sie nicht alleine mit ihrer Erfahrung sind. Vielen hilft es dabei, das Erlebte besser zu verarbeiten“, sagt die Psychologin und Mit-Organisatorin Claudia Watzel.
Genaue Zahlen zu gewaltsamen Geburtserfahrungen sind unbekannt
Experten schätzen, dass bis zur Hälfte aller Gebärenden betroffen sind. Das Ausmaß für die Familien ist katastrophal. Oft leiden die Frauen, Kinder und Partner noch Jahre später. Bereits 2002 wurde festgestellt, dass Mütter nach negativen Geburtserlebnissen im Schnitt seltener oder erst später ein weiteres Kind bekommen. Bei Mutter und Baby können Stillprobleme auftreten oder Schwierigkeiten, eine sichere Bindung aufzubauen.
Gewalt ist vielfältig
Gewalt in der Geburtshilfe bedeutet nicht nur körperliche Misshandlung. Auch Beleidigungen, Geringschätzung und fehlende Zuwendung empfinden viele Frauen als gewaltsam.
Hinzu kommen medizinische Routineeingriffe, die wissenschaftlich seit Jahren widerlegt sind, doch täglich in Kliniken ohne Aufklärung und Einwilligung durchgeführt werden. Auch die viel zu hohe Damm- und Kaiserschnittrate sowie Operationsverletzungen bezeugen eine qualitativ mangelhafte und nicht-evidenzbasierte Geburtshilfe.
#auchdasistGewalt – verbale Gewalt unter der Geburt – ausschließlich echte Zitate aus 2015. #rsorev. Aufruf zum neuen #Bullshitbingo!Zitate? pic.twitter.com/XAvsJubVqA
— Roses Revolution (@RosesRevolution) November 24, 2016
Häufig ist Gewalt strukturell bedingt. In einer personell unterbesetzten Geburtshilfe können sich Geburtshelfer*innen nicht angemessen um die Gebärenden kümmern. Die vielerorts fehlende einfühlsame Geburtsbegleitung schadet Müttern und Kindern.
Politik schaut weg
Die Weltgesundheitsorganisation mahnt bereits seit 2015 offiziell, „Misshandlungen in geburtshilflichen Einrichtungen“ konsequent zu vermeiden. Doch politisch passiert nichts.
„Seit Beginn der Kampagne im Jahr 2013 fordern wir das Bundesministerium für Gesundheit dazu auf, Stellung zu beziehen und offiziell Daten zu erheben. Doch das Problem wird konsequent ignoriert“, sagt Mit-Organisatorin Dr. Katharina Hartmann.
Prävention und schnelle Hilfe
Um Familien vor physischer und psychischer Gewalt während Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett zu schützen, fordern wir grundlegende strukturelle Änderungen in der Geburtshilfe. Dazu zählt zum Beispiel ein besserer Personalschlüssel für die Geburtsbegleitung sowie ein Umdenken bezüglich des nicht-indizierten Einsatzes von medizinischen Eingriffen.
Nach einer gewaltsamen Geburtserfahrung fehlen schnelle, niedrigschwellige Angebote, wo die Familien qualitative, spezialisierte und kostenfreie Hilfe erhalten.
Patient*innenrechte gelten auch während der Geburt
„Wir haben viel erreicht, aber es bleibt noch mehr zu tun! Zwar sind immer mehr Frauen bereit, von negativen Erfahrungen zu berichten und Übergriffe öffentlich anzuklagen, doch das Bewusstsein, dass Patient*innenrechte auch während Schwangerschaft und Geburt gelten, wächst nur langsam“, so Mascha Grieschat, Organisatorin der Roses Revolution Deutschland.
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