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W. H, v, d Miilbe/Die Fremden
Sie war so schön die junge Fürstin, als sic in dem tiefen Bogen-
fenster stand, weiß gekleidet. Sie schaute hinab in den Park, über dem
die Sonne träumte, und das Licht spielte auf ihren goldnen Haaren,
Sie aber begann leise zu ihrer Vertrauten zu sprechen: „Sieh, wie
dort auf den schattenlosen Beeten die armen Rosen ihre Häupter hängen!
Vor zuviel Sonne welken, — das faß' ich nie —,“
Vielleicht das schlimmste Los, seufzte die Andre, sie aber ent-
gegnete schnell:
„Das schlimmste Los, an seinem Glücke sterben? Vielleicht das
einzig Schöne! Doch“, und sie lächelte, „was wissen wir davon, das mag
wohl Blumen vergönnt sein, uns aber klingt es wie ein fernes Märchen,
dies zuviel Sonne, während unsre Seelen, wie Blüten, die sich nicht
entfalten können, nach Licht und Sonne lechzen — und vergebens,“
Wieder schaute sie sinnend hinab.
Nach einer Weile fragten ihre Lippen: „Dein Bruder kam?“
Spät in der Nacht, entgegnete die Andre, wie müd er von dem
weiten Wege war. Und dennoch schweifte er heut morgen früh umher,
da wies ich ihm die Wege zu dem alten Park und nannte ihm die schönsten.
Wenn er in jenen Gängen sich verlor, so kehrt er uns sobald nicht wieder.
Ich sandte schon nach ihm und ließ ibn suchen, um ihn zu mahnen, daß
die Stunde nahe, in der ihr ihn empfangen wollt,
„Er wird den Weiher finden“, sagte die Fürstin,
Wie ich euch danke, fuhr die Vertraute fort, daß ihr ihm gönnen
wollt hier zu verweilen. So lang sah ich ibn nicht, nur hin und wieder
und an fremden Orten,-
Die Fürstin schwieg, dann atmete sie tief und sprach: „Der Weiher,
wenn du wüßtest, wie schön er ist, doch der Sonne des Tages offenbart
er sich nicht, erst wenn des Abends Dämmerlichter kommen, ist er erlöst.
Vergangne Nacht war sein Geheimnis wach. Die Silberstrahlen schmiegten
sich um die Wasserblumen wie ein lichter Reigen und es klang, als ob
im Bach die kleinen Wassermänner spielten. Von drüben zogen lange
Nebelschwaden daher, vermummte Geister, die leichten Elfen zu er-
schrecken, Die aber tanzten lautlos ihren Tanz und in den Wellen
kicherte es leise,“ —
Das sind die seltnen Stunden, sagte die Andre, in denen das Leben
ruht und die Ruhe lebt, in denen wir glücklich sind, wenn wir nur am
Ufer sitzen und schauen dürfen, —
Die Fürstin aber fuhr fort: „Nicht lange währte das silberne Spiel,
es kamen Wolken und die schwarze Nacht, Nur selten drang noch das
Licht hindurch und schweifte zitternd hinab. Mit weißen, sehnsuchtsvollen
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W. H, v, d Miilbe/Die Fremden
Sie war so schön die junge Fürstin, als sic in dem tiefen Bogen-
fenster stand, weiß gekleidet. Sie schaute hinab in den Park, über dem
die Sonne träumte, und das Licht spielte auf ihren goldnen Haaren,
Sie aber begann leise zu ihrer Vertrauten zu sprechen: „Sieh, wie
dort auf den schattenlosen Beeten die armen Rosen ihre Häupter hängen!
Vor zuviel Sonne welken, — das faß' ich nie —,“
Vielleicht das schlimmste Los, seufzte die Andre, sie aber ent-
gegnete schnell:
„Das schlimmste Los, an seinem Glücke sterben? Vielleicht das
einzig Schöne! Doch“, und sie lächelte, „was wissen wir davon, das mag
wohl Blumen vergönnt sein, uns aber klingt es wie ein fernes Märchen,
dies zuviel Sonne, während unsre Seelen, wie Blüten, die sich nicht
entfalten können, nach Licht und Sonne lechzen — und vergebens,“
Wieder schaute sie sinnend hinab.
Nach einer Weile fragten ihre Lippen: „Dein Bruder kam?“
Spät in der Nacht, entgegnete die Andre, wie müd er von dem
weiten Wege war. Und dennoch schweifte er heut morgen früh umher,
da wies ich ihm die Wege zu dem alten Park und nannte ihm die schönsten.
Wenn er in jenen Gängen sich verlor, so kehrt er uns sobald nicht wieder.
Ich sandte schon nach ihm und ließ ibn suchen, um ihn zu mahnen, daß
die Stunde nahe, in der ihr ihn empfangen wollt,
„Er wird den Weiher finden“, sagte die Fürstin,
Wie ich euch danke, fuhr die Vertraute fort, daß ihr ihm gönnen
wollt hier zu verweilen. So lang sah ich ibn nicht, nur hin und wieder
und an fremden Orten,-
Die Fürstin schwieg, dann atmete sie tief und sprach: „Der Weiher,
wenn du wüßtest, wie schön er ist, doch der Sonne des Tages offenbart
er sich nicht, erst wenn des Abends Dämmerlichter kommen, ist er erlöst.
Vergangne Nacht war sein Geheimnis wach. Die Silberstrahlen schmiegten
sich um die Wasserblumen wie ein lichter Reigen und es klang, als ob
im Bach die kleinen Wassermänner spielten. Von drüben zogen lange
Nebelschwaden daher, vermummte Geister, die leichten Elfen zu er-
schrecken, Die aber tanzten lautlos ihren Tanz und in den Wellen
kicherte es leise,“ —
Das sind die seltnen Stunden, sagte die Andre, in denen das Leben
ruht und die Ruhe lebt, in denen wir glücklich sind, wenn wir nur am
Ufer sitzen und schauen dürfen, —
Die Fürstin aber fuhr fort: „Nicht lange währte das silberne Spiel,
es kamen Wolken und die schwarze Nacht, Nur selten drang noch das
Licht hindurch und schweifte zitternd hinab. Mit weißen, sehnsuchtsvollen