Spatial Audio
Ein Smartphone und normale Kopfhörer reichen für ein erstes Hörerlebnis mit 3D-Audio aus. © IMAGO / Westend61 / IMAGO / Michela Ravasio
Hören wir Musik bald nur noch in 3D?
Tonaufnahmen, die klingen, als wäre man live dabei – mitten in der Musik. Das ermöglichen sogenannte 3D-Audios. Sie sind schon jetzt leicht verfügbar und das Angebot wächst rasant. Werden sie die Musikwelt für immer verändern?
„Listen to the wind blow, watch the sun rise“ – Es sind die ersten Wörter des bekannten Songs „The Chain“ der Kult-Rockband Fleetwood Mac. 1977 wurde das Lied auf dem Album "Rumours" erstmals veröffentlicht. Das damalige Audioformat: die gute alte Schallplatte – mit Hintergrundgeräuschen oder leichtem Knistern. Heute, im Jahr 2024, gut 47 Jahre später, sind die Originalaufnahmen neu im Dolby Atmos Sound erschienen. Was bedeutet das genau?
Ein dreidimensionales Erlebnis für die Ohren
Dolby Atmos kommt eigentlich aus dem Kino- und Heimkinobereich und ist neben Sony 360 Reality Audio das bekannteste 3D-Soundformat oder auch 3D-Audio. Ähnlich wie bei 3D-Filmen ist es auch mit dem 3D-Audio: Der Klang kommt nicht nur von vorne, von den Seiten und von hinten, sondern auch von oben – quasi ein dreidimensionales Erlebnis für die Ohren. Man teilt sich den Raum mit dem Gesang und den Instrumenten. Alles wirkt voller, näher, größer. Man steckt mitten in der Musik drin.
Wenn man die 3D-Version von „The Chain“ anhört, hat man schnell den Eindruck, als würden die Musikerinnen und Musiker direkt um einen herumsitzen, während sie den Songtext weitersingen: „Running in the shadows, damn your love, damn your lies.“ Ein Erlebnis, an das man sich zugegebenermaßen erst einmal gewöhnen muss, gerade wenn man in der Öffentlichkeit unterwegs ist, zum Beispiel in der U-Bahn und die Musik per Kopfhörer anhört. Es beschleicht einen das Gefühl, dass auch alle anderen die Musik im Raum hören können - was natürlich nicht der Fall ist.
3D-Audio, immersives Audio und Spatial-Audio – was ist der Unterschied?
Spatial Audio und immersives Audio werden meist als synonyme Begriffe für 3D-Audio bezeichnet. Mit immersivem Audio ist der räumliche, umhüllende Klang gemeint, den man beim 3D-Audio erlebt. Mit Spatial Audio wird hingegen eine Technik innerhalb des 3D-Audio-Bereichs bezeichnet, die sich speziell darauf konzentriert, Klangquellen im dreidimensionalen Raum zu platzieren.
Ein Beispiel: Die Aufnahme eines Orchesters. Per Spatial Audio kann man genau hören, wo jedes Instrument im Raum sitzt – die Violinen vorne links, die Celli rechts, sogar der Hall des Raumes ist realistisch wiedergegeben.
Auch Podcasts kann man im 3D-Sound erleben. So gibt es etwa den Podcast "Billion Dollar Apes – Kunst, Gier, NFTs" von Deutschlandfunk Kultur und ZDF mit Dolby Atmos und 3D-Sound. Der sechsteilige Podcast thematisiert den US-Hype um NFTs mit computergenerierten Bildern von Comic-Affen am Beispiel des „Bored Ape Yacht Club“ (BAYC).
Und auch hier bekommt man das Gefühl, dass man mitten im Geschehen ist, die erzählte Geschichte live miterlebt. Mal kommt eine Stimme von rechts, ein Motorengeräusch von hinten oder ein Gewitter von oben.
Die "Billion Dollar Apes" wurden nun beim Deutschen Podcastpreis in der Kategorie "Innovation" ausgezeichnet.
Was braucht man, um 3D-Audio zu erleben?
In erster Linie braucht es ein Audio im 3D-Soundformat, zum Beispiel als Dolby Atmos. Diese kann man auf vielen Streaming-Plattformen bereits finden. Ein Smartphone und normale Kopfhörer reichen für ein Hörerlebnis aus. Es gibt aber auch spezielle Kopfhörer, die die Qualität noch einmal steigern.
Um ohne Kopfhörer 3D zu hören, braucht es um die acht Lautsprecher: Fünf um sich herum, zwei an der Decke und dann noch der Basslautsprecher. Außerdem benötigt man einen Player, mit dem man die 3D-Audios abspielen kann, etwa den Blu-ray-Player oder man hat ein Abonnement bei einem Streamingservice, der Spatial Audio, bzw. 3D-Audio unterstützt, zum Beispiel Amazon oder Apple. Auch bei Spotfiy gibt es Aufnahmen im 3D-Sound.
Welche Musik eignet sich für Atmos?
Beim 3D-Sound gibt es im Gegensatz zu Stereo nicht nur zwei Kanäle, sondern mehrere. Und die muss man entsprechend bestücken. Eine Band wie ZZ Top mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang ist sehr kompakt. Es gibt keinen großen Klangteppich und ist daher nicht so gut für 3D-Audio geeignet. Denn bei 3D-Audio zieht man die Musik quasi auseinander: Also das Schlagzeug kommt zum Beispiel von oben, die Gitarre von links und so weiter. Wenn die Musik zu kompakt oder es zu wenig Instrumente gibt, funktioniert das Ganze nicht sehr gut – es wirkt auseinandergerissen.
Doch ob eine Musik für 3D-Audio geeignet ist, hängt nicht unbedingt von der Besetzung ab. Zum Beispiel funktioniert der 3D-Sound gut bei der kanadischen Rockband Rush, die nur aus drei Bandmitgliedern besteht. Der Grund: Die Musik ist an sich schon sehr verspielt, es passiert sehr viel, die Musik hat bereits einen großen Sound. Und genauso ist es auch mit Fleetwood Mac und dem Song „The Chain“. 3D-Sound funktioniert hier sehr gut.
Ist 3D also das Format der Zukunft?
Das Angebot auf dem Musikmarkt ist in den vergangenen Jahren quasi explodiert. Apple Music verlangt mittlerweile sogar, dass neue Musik in Dolby Atmos eingereicht werden soll – zumindest gilt das bei den größeren Veröffentlichungen.
Man könnte 3D-Audio als nächsten logischen Schritt bezeichnen. Erst hatte man den Mono-Sound, das wurde zu Stereo, also zwei Kanäle, dann kam Surround, wo der Sound auch von hinten kommt. Und mit 3D ist man im Raum vom Sound umgeben. Der Toningenieur kann die einzelnen Instrumente, wie es beim Spatial Audio der Fall ist, im Raum platzieren und eben auch den Zuhörer selbst.
Und die Technologie wird immer weiterentwickelt. Karlheinz Brandenburg, der Erfinder des MP3-Formats arbeitet derzeit mit seinem Team an einem 360-Grad-Sounderlebnis für Kopfhörer, das 100-Mal besser als die Spatial Audios von Apple oder Sony sein soll, wie Brandenburg selbst sagt. „Wir beginnen es jetzt erstmal an Profis auszuliefern. Denn Musikstudios, die solche Mehrkanalaufnahmen mischen wollen, hätten gern die Möglichkeit, die Musik auch über Kopfhörer abzuhören und nicht nur über die viele zehntausend Euro teure Lautsprecheranlage“, sagt Brandenburg.
Fest steht: 3D-Audio wird sicherlich unser Audioerlebnis der Zukunft verändern. Und auch viele ältere Bands können von 3D-Audio profitieren, so wie Fleetwood Mac, aber zum Beispiel auch Pink Floyd. Doch sicher ist auch: Nicht jeder will die Musikerinnen und Musiker direkt um sich herumsitzen haben – Stereo reicht für ein schönes Musikerlebnis meist völlig aus. Und klar, gerade für Vinylliebhaber, wird das größte Hörerlebnis auch in Zukunft nach wie vor die Schallplatte sein – mit leichtem Kratzen inklusive.
ema