DIE RESTAURIERUNG DES PAUMG ARTNER-ALT ARES
VON
MAX J. FRIEDLAENDER
GEGEN das Ende des i<5. Jahrhunderts
und zu Anfang des 17. hob sich Dürers
Ruhm und seine Werke kamen zu Ehren.
Kaiser Rudolf II. und der bayerische Kurfürst
Maximilian warben mit Ausnutzung ihrer
Uebermacht, mit List und mit reichen Mitteln
um alles Auffällige und Bedeutende, was
Nürnberg von Dürer besass. Das Resultat
der habgierigen fürstlichen Kunstliebe zeigt
sich in den Museen. Wien und München
besitzen die reichsten Schätze Dürer'scher
Kunst, während in Nürnberg so gut wie
nichts zu finden ist. In jener kritischen
Zeit, da Nürnberg so arg beraubt wurde,
hat man fleissig Handel getrieben mit der
Hinterlassenschaft Dürers, hat man auch
Echtes durch Falsches ersetzt, kopiert und
nachgeahmt. Der Dürer-Stil erlebte eine
zweifelhafte Auferstehung. Haltlose süd-
deutsche Maler, wie Hans Hoffmann, Georg
Gärtner, Jobst Harrich, Paul Juvenel wandten
sich von dem italienischen Akademiestil zu
der Art des alten nürnberger Meisters, dessen
Schöpfungen von Fürsten so leidenschaftlich
gesucht und so hoch bezahlt wurden. Was
damals im archaisierenden Stile geschaffen
wurde, wird heute belächelt und verachtet,
soiveit es nicht noch immer als Dürer sehe Arbeit
gilt.
Im Jahre 1613, wie es scheint, erwarb
Kurfürst Maximilian von Bayern aus der
Katharinenkirche von Nürnberg den Paum-
gartner-Altar. Die stattlichen Ritter mit
den charaktervollen Porträtköpfen auf den
Flügeln dieses Altares, der in der Pina-
kothek steht, sind populär geworden. Die
Kunsthistoriker haben das Triptychon nie
genau betrachtet als ein „bekanntes" Stück
und sich über das Unbefriedigende des Ein-
drucks in der üblichen Art hinweggeholfen
mit der Wendung: Die Ausführung ist von
Schülerhand. 1503 etwa wurde als Ent-
stehungszeit angenommen.
Eine Merkwürdigkeit war nicht zu über-
sehen. Die Flügel hatten nicht die natürliche
Dimension, die halbe Breite der Mitteltafel;
sie waren offenbar an beiden Seiten erheblich
vergrössert. Die Malerei auf den angestückten
Leisten unterschied sich aber weder nach Art
noch nach Qualität von der Hintergrunds-
malerei auf den Originaltafeln.
Die Konsequenz aus dieser Beobachtung
wurde erst gezogen, als im vorigen Jahre alte
Kopien nach den Flügeln des Paumgartner-
Altares zufällig nach München kamen. Diese
Kopien, die in der wiener Sammlung Klin-
kosch gewesen sind, stammen aus Dürers Zeit.
Sie sind höchst getreu in Hinsicht auf die
ritterlichen Figuren, haben aber leeren,
dunkelen, neutralen Fond, keine Landschaft
und keine Pferde. Da man nun die Kopien
mit den Originalen zu vergleichen bequeme
Gelegenheit hatte, begann man zu ahnen, dass
das Mehr der Originale, jener Reichtum an
Landschaft, die Rosse, Helme und der Schild
des einen Ritters nichts wäre als spätere Zuthat,
als Arbeit jenes Malers, der die Flügel so
thöricht verbreitert hatte. Die technische
Untersuchung machte die Vermutung zur
Gewissheit.
Zu Anfang des 17. Jahrhunderts war ein
Triptychon mit beweglichen, beiderseitig be-
malten Flügeln etwas Unbequemes, das sich
schlecht in einer kurfürstlichen Kunstkammer
präsentieren Hess. Die Ritter, die dem fürst-
lichen Liebhaber von dem ganzen Altar gewiss
am besten gefielen, schienen nicht genug
Spielraum zu haben. Im 17. Jahrhundert
393
VON
MAX J. FRIEDLAENDER
GEGEN das Ende des i<5. Jahrhunderts
und zu Anfang des 17. hob sich Dürers
Ruhm und seine Werke kamen zu Ehren.
Kaiser Rudolf II. und der bayerische Kurfürst
Maximilian warben mit Ausnutzung ihrer
Uebermacht, mit List und mit reichen Mitteln
um alles Auffällige und Bedeutende, was
Nürnberg von Dürer besass. Das Resultat
der habgierigen fürstlichen Kunstliebe zeigt
sich in den Museen. Wien und München
besitzen die reichsten Schätze Dürer'scher
Kunst, während in Nürnberg so gut wie
nichts zu finden ist. In jener kritischen
Zeit, da Nürnberg so arg beraubt wurde,
hat man fleissig Handel getrieben mit der
Hinterlassenschaft Dürers, hat man auch
Echtes durch Falsches ersetzt, kopiert und
nachgeahmt. Der Dürer-Stil erlebte eine
zweifelhafte Auferstehung. Haltlose süd-
deutsche Maler, wie Hans Hoffmann, Georg
Gärtner, Jobst Harrich, Paul Juvenel wandten
sich von dem italienischen Akademiestil zu
der Art des alten nürnberger Meisters, dessen
Schöpfungen von Fürsten so leidenschaftlich
gesucht und so hoch bezahlt wurden. Was
damals im archaisierenden Stile geschaffen
wurde, wird heute belächelt und verachtet,
soiveit es nicht noch immer als Dürer sehe Arbeit
gilt.
Im Jahre 1613, wie es scheint, erwarb
Kurfürst Maximilian von Bayern aus der
Katharinenkirche von Nürnberg den Paum-
gartner-Altar. Die stattlichen Ritter mit
den charaktervollen Porträtköpfen auf den
Flügeln dieses Altares, der in der Pina-
kothek steht, sind populär geworden. Die
Kunsthistoriker haben das Triptychon nie
genau betrachtet als ein „bekanntes" Stück
und sich über das Unbefriedigende des Ein-
drucks in der üblichen Art hinweggeholfen
mit der Wendung: Die Ausführung ist von
Schülerhand. 1503 etwa wurde als Ent-
stehungszeit angenommen.
Eine Merkwürdigkeit war nicht zu über-
sehen. Die Flügel hatten nicht die natürliche
Dimension, die halbe Breite der Mitteltafel;
sie waren offenbar an beiden Seiten erheblich
vergrössert. Die Malerei auf den angestückten
Leisten unterschied sich aber weder nach Art
noch nach Qualität von der Hintergrunds-
malerei auf den Originaltafeln.
Die Konsequenz aus dieser Beobachtung
wurde erst gezogen, als im vorigen Jahre alte
Kopien nach den Flügeln des Paumgartner-
Altares zufällig nach München kamen. Diese
Kopien, die in der wiener Sammlung Klin-
kosch gewesen sind, stammen aus Dürers Zeit.
Sie sind höchst getreu in Hinsicht auf die
ritterlichen Figuren, haben aber leeren,
dunkelen, neutralen Fond, keine Landschaft
und keine Pferde. Da man nun die Kopien
mit den Originalen zu vergleichen bequeme
Gelegenheit hatte, begann man zu ahnen, dass
das Mehr der Originale, jener Reichtum an
Landschaft, die Rosse, Helme und der Schild
des einen Ritters nichts wäre als spätere Zuthat,
als Arbeit jenes Malers, der die Flügel so
thöricht verbreitert hatte. Die technische
Untersuchung machte die Vermutung zur
Gewissheit.
Zu Anfang des 17. Jahrhunderts war ein
Triptychon mit beweglichen, beiderseitig be-
malten Flügeln etwas Unbequemes, das sich
schlecht in einer kurfürstlichen Kunstkammer
präsentieren Hess. Die Ritter, die dem fürst-
lichen Liebhaber von dem ganzen Altar gewiss
am besten gefielen, schienen nicht genug
Spielraum zu haben. Im 17. Jahrhundert
393