PROFESSOR BRUNO PAUL BERLIN.
»BÜFETT« IN NEBENSTEHENDEM SPEISEZIMMER.
VOM ERSTEN DEUTSCHEN HERBSTSALON.
Wer den ständigen Besuchern der Ausstel-
lungen des „Sturm" angehört, konnte sich
schon im voraus ein Bild von der Sinnesart des
ersten deutschen Herbstsalons machen, der unter
derselben Leitung die jüngsten Ideen in der moder-
nen Malerei vertritt. Mit ungefähr 350 Gemälden,
Zeichnungen und Radierungen stellt sich dieser
deutsche Bruder des Pariser „Salon d'automne"
die Aufgabe, über die neue Bewegung in den
bildenden Künsten aller Länder einen Überblick
zu geben, der zugleich, wie der Katalog formuliert,
„das Blickfeld der Zeitgenossen erweitern wird".
Leider steht ihm aber die Stärke der Überzeu-
gung nicht immer zur Seite, da die meisten seiner
Kräfte sich in mehr oder minder genialen Ex-
plosionen verbrauchen. Aus den vom „Sturm" im
Laufe der Jahre veranstalteten Einzelausstellungen
nahm man oft die wertvollsten Eindrücke mit nach
Hause, vor allem wohl auch deshalb, weil in die-
sen Veranstaltungen stets die besten Kräfte
dieser futuristischen und kubistischen Bestrebungen
zu Worte kamen. Das Dargebotene lieg hier stets
die Richtschnur der starken Persönlicheit erkennen,
die ihrem erstrebenswerten Ideal, wenn auch auf
ungewohnten Wegen, entgegenging. Wenn aber
das Absonderliche vorherrscht ohne das
Suchen und Ringen des von einer künstlerischen
Mission restlos Überzeugten, dann darf man sich
über die energische Ablehnung auch des
nicht Voreingenommenen gegenüber diesen Mach-
werken nicht wundern. — Echte Kunst ist stets
tiefste Erkenntnis, die sich mit überzeugen-
der Logik gibt, mag ihr Gesicht pathetisch, gro-
tesk, bizarr, ernst oder lachend sein. Unsinnig
und geschmacklos ist sie niemals gewesen, das
dürfte sich mancher Aussteller in das Gedächt-
nis zurückrufen, wenn er sich durch allzu deutliche
Proteste unverstanden fühlen sollte. Es seien hier
nur zwei eklatante Beispiele aus der Art einer
Kunst, die den nach Kunst Verlangenden, statt er-
höht, beleidigt, herausgegriffen. So zeigt Marc
Chagall auf seiner Leinwand „Rufjland, den
Eseln und den Anderen" ein Weib ohne Kopf, die
mit einer Gießkanne in der Hand über einer Stadt
schwebt, auf deren Dächern eine Kuh anscheinend
ein Lamm und einen Affen säugt. Der vom Rumpf
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»BÜFETT« IN NEBENSTEHENDEM SPEISEZIMMER.
VOM ERSTEN DEUTSCHEN HERBSTSALON.
Wer den ständigen Besuchern der Ausstel-
lungen des „Sturm" angehört, konnte sich
schon im voraus ein Bild von der Sinnesart des
ersten deutschen Herbstsalons machen, der unter
derselben Leitung die jüngsten Ideen in der moder-
nen Malerei vertritt. Mit ungefähr 350 Gemälden,
Zeichnungen und Radierungen stellt sich dieser
deutsche Bruder des Pariser „Salon d'automne"
die Aufgabe, über die neue Bewegung in den
bildenden Künsten aller Länder einen Überblick
zu geben, der zugleich, wie der Katalog formuliert,
„das Blickfeld der Zeitgenossen erweitern wird".
Leider steht ihm aber die Stärke der Überzeu-
gung nicht immer zur Seite, da die meisten seiner
Kräfte sich in mehr oder minder genialen Ex-
plosionen verbrauchen. Aus den vom „Sturm" im
Laufe der Jahre veranstalteten Einzelausstellungen
nahm man oft die wertvollsten Eindrücke mit nach
Hause, vor allem wohl auch deshalb, weil in die-
sen Veranstaltungen stets die besten Kräfte
dieser futuristischen und kubistischen Bestrebungen
zu Worte kamen. Das Dargebotene lieg hier stets
die Richtschnur der starken Persönlicheit erkennen,
die ihrem erstrebenswerten Ideal, wenn auch auf
ungewohnten Wegen, entgegenging. Wenn aber
das Absonderliche vorherrscht ohne das
Suchen und Ringen des von einer künstlerischen
Mission restlos Überzeugten, dann darf man sich
über die energische Ablehnung auch des
nicht Voreingenommenen gegenüber diesen Mach-
werken nicht wundern. — Echte Kunst ist stets
tiefste Erkenntnis, die sich mit überzeugen-
der Logik gibt, mag ihr Gesicht pathetisch, gro-
tesk, bizarr, ernst oder lachend sein. Unsinnig
und geschmacklos ist sie niemals gewesen, das
dürfte sich mancher Aussteller in das Gedächt-
nis zurückrufen, wenn er sich durch allzu deutliche
Proteste unverstanden fühlen sollte. Es seien hier
nur zwei eklatante Beispiele aus der Art einer
Kunst, die den nach Kunst Verlangenden, statt er-
höht, beleidigt, herausgegriffen. So zeigt Marc
Chagall auf seiner Leinwand „Rufjland, den
Eseln und den Anderen" ein Weib ohne Kopf, die
mit einer Gießkanne in der Hand über einer Stadt
schwebt, auf deren Dächern eine Kuh anscheinend
ein Lamm und einen Affen säugt. Der vom Rumpf
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