Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. gr. 235

Griechische Übersetzungen philosophisch-theologischer Texte

Papier · 4, 342, 3 Bll. · 22 × 14 cm · Byzantinischer Raum? / Italien? · Mitte 15. Jh.


Schlagwörter (GND)
Theologie / Patristik / Philosophie / Seelenlehre / Psychologie / Kommentar / Dialektik.
Diktyon-Nr.
65967.
1ar–3av vacant
4ar Schenkungsexlibris
4av vacat
1) 1r–31v Boëthius, Ars dialectica, in der griechischen Übersetzung des Manuel Holobolus
32r–v vacat
2) 33r–201v Thomas Aquinas, Commentarius in Aristotelem, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius
3) 202r–239r Petrus Hispanus, Dialectica, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius
4) 239v–257v Thomas Aquinas, De sophismatis, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius
5) 258r–302v Thomas Aquinas, Prolegomena in Aristotelis Physicorum libros II priores, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius
6) 303r–318r Thomas Aquinas, De ente et essentia, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius
318v vacat
7) 319r–342v Aristoteles, De anima
343*–345* vacant

Kodikologische Beschreibung

Entstehungsort
Byzantinischer Raum? / Italien?
Entstehungszeit
Mitte 15. Jh. Datierung durch Wasserzeichen, Schrift und die Biographie des Übersetzers: die Hs. wird nicht vor 1440 entstanden sein, wahrscheinlich ist ab 1445. Gelegentlich wird sie auf das 16. Jh. datiert (Stevenson, Niketas), was aber problematisch ist.
Typus (Überlieferungsform)
Codex.
Beschreibstoff
Östliches Papier, Vorsatzbll. westliches Papier, Bll. 2–4 Pergament.
Umfang
4, 342, 3 Bll.
Format (Blattgröße)
22 × 14 cm.
Zusammensetzung (Lagenstruktur)
(I-1)1a + I3a + 14a + 14 IV112 + (IV-1)119 + 10 IV199 + I201 + 7 IV257 + VI269 + 4 IV300 + I302 + 5 IV342 + I344* + (I-1)345* .
Foliierung
Vatikanische Foliierung (f. 1–342). Das Doppelbl. 303/310 ist falsch herum eingebunden. Fehlendes Bl. hinter f. 118 (ohne Textverlust), mit Bl. 276A hinter 276. Die Bezeichnung der ungez. Bll. folgt dem Digitalisat (f. 1a–4a, 343*–345*).
Lagenzählung
Mit griechischen Zahlen am Lagenende (zumindest erste vier Lagen). Neu einsetzend ab f. 201 (α-ζ).
Zustand
Schlechter Zustand; zuletzt restauriert am 20.6.2006. Gewelltes Papier, am Ende ist Textverlust eingetreten (vgl. Annotation auf 342v: mancus uno folio). Im ersten Bl. sind Löcher, vielerorts Stockflecken, unter denen auch die Lesbarkeit der Schrift leidet.
Wasserzeichen
Siehe Harlfinger II, Ciseaux 76 (datiert auf 1442). Wasserzeichen aufgrund der Größe der Hs. nicht digitalisiert.

Schriftraum
15 × 9–10 cm.
Spaltenanzahl
1 Spalte.
Zeilenanzahl
27–40 Zeilen.
Schriftart
Hand 1: Humanistische Minuskel. Majuskelgamma. Zu Beginn etwas schwerfällig mit Betonung der senkrechten Linien, später wird die Schrift lockerer, mehr Ligaturen, stärkere Neigung zu diagonalen Linien. Ab 258v fließende Veränderung des Schriftbilds: zunehmende Variation bei der Buchstabengröße, größerer Schriftraum, flüchtigerer Duktus, variierende Zeilenzahl. Ab 310r (bzw. 303r) nimmt die Schrift plötzlich wieder die ursprüngliche Gestalt an.
Angaben zu Schrift / Schreibern
Mehrere Hände. Die Schrift ist ähnlich der von Gennadios Scholarios (RGK I, Nr. 71 = RGK II, Nr. 92 = RGK III, Nr. 119), so dass verschiedentlich die These geäußert wurde, es handle sich um einen Autographen. Dies gilt in der Forschung inzwischen als widerlegt (vgl. Brambillasca, S. 248). Es wird angenommen, dass es sich um die Abschrift eines seiner Schüler handelt.
Buchgestaltung
Die Hs. zeigt die Merkmale einer Gebrauchshandschrift: Das wird schon an der Zusammenstellung der Texte deutlich. Schmucklose Gestaltung, dazu Gebrauchsspuren wie die meist lateinischen Annotationen und die starken Beschädigungen.
Buchschmuck
Der Schmuck beschränkt sich auf einfachste Elemente wie vergrößerte Initialen (z.B. f. 1r, 22v, 33r), wobei Rubrizierung eingesetzt wird. An vielen Stellen wurden aber keine Initialen gesetzt. Vielfach sind auch Überschriften erst von späterer, lateinischer Hand ergänzt worden.

Nachträge und Benutzungsspuren
Stempel der BAV auf 1r, 342v. Schenkungsexlibris auf 4ar. Auf 1r steht mehrmals die Signatur 235. Signaturen von Fugger oder Allacci sind nicht erhalten.

Einband
Hochroter Ledereinband über Pappe der BAV aus der Zeit von Kardinalbibliothekar Francesco Saverio de Zelada und Papst Pius VI.; Rücken mit goldenen Wappenstempeln von Papst Pius IX. (oben) und Kardinalbibliothekar Angelo Mai (unten); vgl. Schunke, Einbände, II, S. 909.
Provenienz
Augsburg / Heidelberg.
Geschichte der Handschrift
Die Hs. gilt als Kopie der Hs. Laurentianus 86. 19 und stellt wahrscheinlich eine erste Redaktion des Werks dar. Sie kam als Einzelstück an Ulrich Fugger (vgl. Gerstmann-Katalog, BAV, Pal. lat. 1950, f. 184v; in der Hs. selbst findet sich kein Hinweis). Fugger übersiedelte 1564 nach Heidelberg, wohin ihm seine Bibliothek 1567 folgte, und vermachte sie nach seinem Tod 1584 an Kurfürst Friedrich IV. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Hs. als Kriegsbeute nach Rom gebracht, wo sie sich seit 1623 befindet.

Faksimile
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/bav_pal_gr_235
Literatur
Stevenson, Graeci, S. 128; Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 6, Paris 1933, S. VIII-XII, und vol. 8, Paris 1936, S. V; Gaetano Brambillasca, Sulla tradizione greca di Giorgio Scolario al commento di S. Tommaso al De anima, in: Aevum 40, 1966, S. 242–253, hier S. 248; Harlfinger II; Demetrios Z. Niketas (Hrsg.), Boethius, De topicis differentiis kai hoi byzantines metaphraseis tōn Manuēl Holobōlu kai Prochoru Kydōnē, Athen 1990 (Corpus philosophorum Medii Aevi, Philosophi Byzantini 5), S. LXXXVIII-LXXXIX und XCIII.
Verzeichnis der im Katalogisierungsprojekt abgekürzt zitierten Literatur

Inhalt

1) 1r–31v Digitalisat

Verfasser
Boëthius (GND-Nr.: 11851282X).
Titel
Ars dialectica, in der griechischen Übersetzung des Manuel Holobolus.
TLG-Nummer
4065.005.
Angaben zum Text
f. 1r–9r Buch I; f. 9r–21v Buch II; f. 22v–31v Buch III. Zusätzlich zur Übersetzung gibt es geringfügige Ergänzungen von ausgelassenen Wörtern und einige Untertitel. Aus den Kommentaren sind die Nummern 117 (12v), 120 (13r), 129 und 132 (beide 14v), 136 und 141 (beide 15r), 154 (16r: nur die Abbildung), 178 (18v), 181 (19r), 202 (22r) und 205 (23r) beigefügt (ediert: Niketas, S. 173–195 passim). Der Beginn des zweiten Buches wird mit dem Titel "Βοετίου φιλοσόφου τοπικῶν βιβλίον δεύτερον" angekündigt, wonach eine spätere Hand ihn etwas darunter kopierte und den Namen änderte: "Βοητίου etc". Dem dritten Buch geht der Titel voraus: "Βοετίου φιλοσόφου τοπικῶν βιβλίον τρίτον". Am Ende der byzantinischen Übersetzung wird das letzte Kapitel (III 9) weggelassen und in margine eine Notiz geschrieben, die auf das Fehlen des vierten Boethius-Buchs hinweist. Von diesem ist keine griechische Übersetzung bekannt, weswegen es auch in der Edition fehlt. Die Hs. wird zur Textfamilie υ dieses Werks gerechnet.
Titel (Vorlage)
1r Βοετίου φιλοσόφου περὶ τέχνης διαλεκτικής.
Incipit
1r Πρότασις λ[όγο]ς ἀλη[θὲς] ἢ ψευδος σημαίνων.
Explicit
31v ἀπὸ ἀναλογίας· ἀπὸ ὁμοιώσεως.
Edition
Demetrios Z. Niketas (Hrsg.), Boethius, De topicis differentiis kai hoi byzantines metaphraseis tōn Manuēl Holobōlu kai Prochoru Kydōnē, Athen 1990 (Corpus philosophorum Medii Aevi, Philosophi Byzantini 5), S. 95–145 (Hs. herangezogen; erwähnt auf S. LXXXVIII-LXXXIX und XCIII).

2) 33r–201v Digitalisat

Verfasser
Thomas Aquinas (GND-Nr.: 118622110).
Titel
Commentarius in Aristotelem, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius.
TLG-Nummer
3195.011.
Angaben zum Text
Übersetzung des Gennadius Scholarius (ca. 1435, Konstantinopel). f. 33r–77v Buch I; f. 77v–146v Buch II; f. 146v–201v Buch III.
Titel (Vorlage)
33r εἰς τὴν περὶ ψυχῆς πραγματείαν ἀριστοτέλους ἐξήγησις τοῦ θωμᾶ, ἑρμηνευθεῖσα παρὰ τοῦ σοφωτάτου καὶ λογιωτάτου καὶ καθολικοῦ κριτοῦ τῶν ῥωμαίων κυροῦ γεωργίου τοῦ σχολαρίου.
Incipit
33r Ὥσπερ ὁ φιλόσοφος φησι ἐν τῶ ἐνδεκάτω περὶ ζωων, ἐν ἑκαστω γένει.
Explicit
201v καὶ ταῦτα μὲν περὶ ψυχῆς εἰρημένα τέως ἀρκείτωσαν.
Textgestaltung
Der Beginn von Buch II ist durch einen Absatz und eine spätere Überschrift in margine gekennzeichnet. Der Beginn von Buch III hat zwar eine Überschrift, hebt sich optisch aber nicht vom umgebenden Text ab.
Nachträge und Rezeptionsspuren
Zahlreiche lateinische Annotationen zur Textorganisation.
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 6, Paris 1933, S. 327–581 (Hs. als Sigle B herangezogen).

3) 202r–239r Digitalisat

Verfasser
Petrus Hispanus (GND-Nr.: 100965814).
Titel
Dialectica, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius.
TLG-Nummer
3195.050.
Angaben zum Text
Griechische Übersetzung der Dialektik (Summulae logicae). Nach Textende sind noch Schaubilder zum Thema, 239r enthält eine Begriffsübersicht dazu.
Titel (Vorlage)
202r Dialectica certi auctoris.
Incipit
202r Διαλεκτικὴ ἐστὶ, τέχνη τεχνῶν καὶ ἐπιστήμη.
Explicit
238v Ὅθεν πᾶσα σύγχυσις ἐστὶ τῇ ἀνάγκῃ τοῦ σημείου, ἢ τοῦ τρόπου.
Textgestaltung
Auf 204v sind fünf leere Kreise gezeichnet. An derselben Stelle der Edition (S. 287) ist ein Schaubild, das möglicherweise dazu passt. Auf 210v ist der Text im oberen Teil eingerückt. Möglicherweise sollte ein Schaubild ergänzt werden (S. 296 der Edition).
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 8, Paris 1936, S. 283–337 (Hs. herangezogen als Sigle D).

4) 239v–257v Digitalisat

Verfasser
Thomas Aquinas (GND-Nr.: 118622110).
Titel
De sophismatis, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius.
TLG-Nummer
3195.049.
Angaben zum Text
Griechische Übersetzung von De fallaciis.
Titel (Vorlage)
239v περὶ τῶν σοφισμάτων ἐκ τοῦ φιλοσόφου θωμᾶ.
Incipit
239v ἐπειδὴ ἡ λογικὴ ἐπιστήμη ἐστὶ περὶ λόγους, καὶ πρὸς τὰς διαλέξεις.
Explicit
257v καὶ ταῦτα μὲν περὶ τῶν σοφισμάτων. Τέλος τοῦ περὶ τῶν σοφισμάτων τοῦ φιλοσόφου θωμᾶ.
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 8, Paris 1936, S. 255–282 (Hs. herangezogen als Sigle D).

5) 258r–302v Digitalisat

Verfasser
Thomas Aquinas (GND-Nr.: 118622110).
Titel
Prolegomena in Aristotelis Physicorum libros II priores, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius.
TLG-Nummer
3195.048.
Angaben zum Text
f. 258r–297r Buch I; f. 297r–302v Buch II. 259v vacat (kein Textverlust).
Titel (Vorlage)
258r προλεγόμενα ἢ προθεωρούμενα.
Incipit
258r ἐπειδὴ τὸ βιβλίον τῶν φυσικῶν οὗ τὴν ἐξήγησιν προιστάμεθα.
Explicit
302v ὅμως οὐχ ἕπεται ὅτι οὐκ ἔστι διὰ τὴν συντήρησιν καὶ τὴν αὔξησιν. ἀδυνατον δὲ·.
Nachträge und Rezeptionsspuren
258r Überschrift in margine Thomae in Aristotelis Physicorum libros priores commentarius fine mutilatus (laut Edition fehlt am Ende kein Text). 302v Annotation ex cap. 8 lib. 2. Phys. Cetera desunt. (Ende des Werkes).
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 8, Paris 1936, S. 163–254 (Hs. herangezogen als Sigle B).

6) 303r–318r Digitalisat

Verfasser
Thomas Aquinas (GND-Nr.: 118622110).
Titel
De ente et essentia, in der griechischen Übersetzung des Gennadius Scholarius.
TLG-Nummer
3195.009.
Angaben zum Text
Die Bll. sind korrekt beschriftet, aber das Doppelbl. 303/310 ist falsch herum eingebunden.
Titel (Vorlage)
303r Thomae Aquinatis opusculum de Ente & Essentia.
Incipit
303r [Ἐ]πειδὴ ἡ μικρὰ πλάνη ἐν τῆ ἀρχῆ μεγάλη ἐστὶν ἐν τῶ
Explicit
318r εἰκότως τὸ τέλος καὶ ἡ συμπλήρωσις γίνεται.
Edition
Martin Jugie/Louis Petit/Xenophon A. Siderides, Oeuvres complètes de Georges (Gennadios) Scholarios, vol. 6, Paris 1933, S. 154–177 (Hs. herangezogen als Sigle D).

7) 319r–342v Digitalisat

Verfasser
Aristoteles (GND-Nr.: 118650130).
Titel
De anima.
TLG-Nummer
0086.002.
Angaben zum Text
f. 319r–326v Buch I; f. 327r–337r Buch II; f. 337r–342v Buch III.
Titel (Vorlage)
319r Aristotelis De Anima libri III.
Incipit
319r [Τ]ῶν καλῶν καὶ τιμίων τὴν εἴδησιν ὑπολαμβάνοντες.
Explicit
342v ὄψις ἀκοὴ· ἁπτόμενον δεῖ μὴ.
Edition
Aristotle. Edited, with introduction and commentary by David Ross, Oxford 1961, S. 402a–435b.


Bearbeitet von
Vinzenz Gottlieb, Universitätsbibliothek Heidelberg, 17.02.2021.
Katalogisierungsrichtlinien
Die Katalogisierungsrichtlinien finden Sie hier.
Gefördert durch
The Polonsky Foundation Greek Manuscripts Project: a Collaboration between the Universities of Cambridge and Heidelberg – Das Polonsky-Stiftungsprojekt zur Erschließung griechischer Handschriften: Ein Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Cambridge und Heidelberg.