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Dynamik des Electrons

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Autor: Max Abraham
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Titel: Dynamik des Electrons
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aus: Göttinger Nachrichten, 1902, S. 20-41
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Erscheinungsdatum: 1902
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Erscheinungsort: Berlin
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Dynamik des Electrons.
Von
M. Abraham.
Vorgelegt von Herrn W. Voigt in der Sitzung vom 11. Januar 1902.
§ 1. Einleitung.

Die sogenannte „Electronentheorie" ist allen anderen Theorieen der Electrodynamik insofern überlegen, als sie nicht nur die Lichtstrahlung in bewegten Körpern,[1] sondern auch die Kathodenstrahlung[2] umfaßt. Diese Theorie sieht bekanntlich für den Aether die Maxwell-Hertz'schen Grundgleichungen als giltig an; die Mitwirkung der Materie bei den Strahlungsvorgängen wird der Bewegung der Electronen zugeschrieben. Für die Bewegung des Electrons wiederum ist insbesondere, wenn nicht ausschließlich, sein electromagnetisches Feld bestimmend. So werden die Differentialgleichungen des electromagnetischen Feldes maaßgebend für die Dynamik des Electrons, und somit auch für die Mechanik der aus Electronen zusammengesetzten Materie. Auf die hier sich bietende Möglichkeit, die Mechanik electromagnetisch zu begründen, hat Herr W. Wien hingewiesen.[3] Er hebt hervor, daß die träge Masse, die in der gewöhnlichen Mechanik als constant angesehen wird, bei steigender Geschwindigkeit zu einer variabeln Größe wird. Solche Geschwindigkeiten materieller Teilchen, die nicht weit hinter der Lichtgeschwindigkeit zurückbleiben, kommen nur bei den freien negativen Electronen vor, deren Bewegung die Kathoden- und Becquerel-Strahlung ausmacht. Die höchst interessanten experimentellen Untersuchungen des Herrn W. Kaufmann über die magnetische und electrische Ablenkbarkeit der Becquerelstrahlen[4] haben nun in der That eine Abhängigkeit der Trägheit der Electronen von der Geschwindigkeit ergeben. Ist es möglich, diese Abhängigkeit quantitativ aus den Differentialgleichungen des electromagnetischen Feldes abzuleiten? Ist die Trägheit des Electrons vollständig durch die dynamische Wirkung seines electromagnetischen Feldes zu erklären, ohne eine von der electrischen Ladung unabhängige Masse zur Hilfe zu nehmen? Nur wenn diese Fragen bejahend beantwortet werden, ist die Möglichkeit einer rein electromagnetischen Begründung der Mechanik anzuerkennen. Herr W. Kaufmann erörtert jene Fragen am Schlusse seiner Mitteilung. Es scheinen indessen die Vorarbeiten von der theoretischen Seite, auf welche die Discussion sich stützt, keineswegs ausreichend zu sein. Die Arbeiten der Herren W. B. Morton[5] und G. F. C. Searle[6] beschäftigen sich mit der Ermittelung des Feldes und der Feldenergie gleichförmig bewegter, electrisch geladener Leiter von ellipsoidischer Form. Die Dynamik des Electrons verlangt eine wesentliche Ergänzung dieser Untersuchungen. Die Kenntnis der Feldenergie gestattet nur, die „longitudinale Masse" zu berechnen, d. h. diejenige Trägheit, welche sich einer Beschleunigung in der Bewegungsrichtung widersetzt. Die „transversale Masse", die bei Beschleunigung senkrecht zur Bahnrichtung in Betracht kommt, bleibt hierbei unbestimmt, da eine solche Beschleunigung die Energie nicht ändert. Wir werden auch die transversale Masse berechnen; es geschieht dieses, indem, neben der electromagnetischen Energie, der Vector der „electromagnetischen Bewegungsgröße" eingeführt wird. Dadurch wird es gleichzeitig ermöglicht, die Berechnung der Energie und der longitudinalen Masse erheblich zu vereinfachen. Endlich wird zwischen den Werten, welche alle diese Größen im Falle der Flächenladung und im Falle gleichförmiger Volumladung dreiaxiger Ellipsoide besitzen, eine einfache Beziehung als giltig erkannt. Für das als kugelförmig betrachtete Electron werden die betreffenden Formeln abgeleitet und mit den experimentellen Resultaten verglichen.

§ 2. Problemstellung.

Bewegt sich ein Electron, von der Ladung e (electrostatisch gemessen) im electromagnetischen Felde, so wirkt, nach der Grundhypothese der Electronentheorie, auf dasselbe die Kraft

1)

Der Vector, mit dem die Ladung e hier zu multiplicieren ist, entsteht durch geometrische Addition zweier Vectoren; der erste ist die electrische Feldstärke , der zweite ist das äußere (vectorielle) Product[7] des durch die Lichtgeschwindigkeit dividirten Geschwindigkeitsvectors und der magnetischen Kraft .

Welche Beschleunigung erteilt die Kraft dem Electron? Das ist die Frage, die uns weiterhin beschäftigen soll. Nehmen wir zunächst noch materielle (wahre) Masse (M) des Electrons als vorhanden an, d. h. eine Trägheit, die ihm als materiellem Teilchen, ohne Berücksichtigung der electrischen Ladung zukommt. Dann gilt, nach D'Alembert's Princip

2) .

Die Kraft ist durch Gleichung (1) bestimmt; allein es genügt nicht, bei der Berechnung derselben die Feldstärken des äußeren, etwa von Electromagneten oder electrostatischen Ladungen erzeugten Feldes in Ansatz zu bringen. Vielmehr ist zu beachten, daß das Electron selbst das Feld modificiert, daß mithin die Feldstärken von der Geschwindigkeit und Beschleunigung des Electrons abhängige Glieder enthalten; strenge genommen, gehen sogar die höheren Differentialquotienten der Geschwindigkeit nach der Zeit ein. Geht man darauf aus, diese Glieder zu berechnen, so erwächst zunächst die Aufgabe, das Feld eines ungleichförmig bewegten Electrons zu ermitteln; das Electron wäre hierbei nicht als Punctladung, sondern als räumlich ausgedehnt anzunehmen, denn eine Punctladung würde einen unendlichen Energievorrat darstellen. Alsdann wäre der Gl. (1) entsprechend, die auf das Volumelement (dv) des Electron wirkende Kraft

zu berechnen; die Integration über das ganze Volumen würde die resultierende Kraft ergeben, die das Electron auf sich selbst ausübt, und die sich einer Geschwindigkeitsänderung entgegenstellt. Auf diesem Wege würde man zu einer vollkommen strengen Dynamik des Electrons gelangen. Allein dieser Weg erscheint bei dem gegenwärtigen Stande der Theorie als ungangbar; schon die Berechnung des Feldes eines ungleichförmig bewegten Electrons ist äußerst compliciert.

Die im Folgenden zu entwickelnde Dynamik des Electrons beschränkt sich von vorne herein auf solche Bewegungen, bei denen die Geschwindigkeitsänderungen langsam erfolgen; sie setzt nur die Kenntnis des Feldes eines gleichförmig bewegten Electrons voraus. Unsere Theorie ist zu vergleichen mit derjenigen Theorie der Wechselströme, welche den Strom als quasistationär betrachtet, d. h. den aus der magnetischen Energie des Gleichstromes definierten Wert der Selbstinduction auch für zeitlich variable Stromstärken als maaßgebend ansieht. Wie diese Voraussetzung bei hochfrequenten, Hertz'schen Schwingungen unzulässig wird, so wird auch die im folgenden darzulegende Theorie bei sehr rapiden Geschwindigkeitsänderungen der Correctur bedürfen. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Geschwindigkeit des Electrons der Lichtgeschwindigkeit sehr nahe kommt. In der That, je geringer die Differenz zwischen Lichtgeschwindigkeit und Bahngeschwindigkeit des Electrons ist, eine um so längere Zeit wird die Herstellung des stationären Feldes in Anspruch nehmen, da das Electron den von ihm in der Bewegungsrichtung ausgesandten Störungen nacheilt, und ihnen nur einen geringen Vorsprung läßt. Auf die interessanten Probleme, welche der Dynamik des Electrons bei Erreichung und Ueberschreitung der Lichtgeschwindigkeit erwachsen,[8] soll indessen hier nicht eingegangen werden; wir setzen Geschwindigkeiten voraus, die unterhalb der Lichtgeschwindigkeit liegen.

Das Feld soll weiterhin als quasistationär angenommen werden, d.h. es soll bestimmt sein durch Angabe der momentanen Geschwindigkeit des Electrons; es wird übrigens abhängen von der Form des Electrons, und von der Art, wie die Ladung über sein Volumen, bezw. seine Oberfläche, verteilt ist. Die Kraft bestimmen wir durch das äußere, etwa von Electromagneten oder ruhenden electrischen Ladungen erzeugte Feld. Die soeben erwähnte, vom Electron auf sich selbst ausgeübte Kraft führen wir in die Bewegungsgleichung ein, indem wir diese schreiben

3) .

Neben der „materiellen" Masse (M) nehmen wir „electromagnetische" Masse[9] (m) als vorhanden an, die wir eben durch Gl. (3) definieren. Es wird sich herausstellen, daß die electromagnetische Masse von dem Betrage und der Richtung der Geschwindigkeit abhängt. Die Ermittelung dieser Abhängigkeit ist das Ziel der weiteren Entwickelungen.

§ 3. Electromagnetische Energie und electromagnetische Bewegungsgröße.

Will man auf Grund der Kenntnis des Feldes, welches gleichförmiger Electronenbewegung entspricht, die electromagnetische Masse berechnen, so muß man darauf ausgehen, aus den Feldgleichungen Integrale der Bewegungsgleichungen abzuleiten, d. h. solche Relationen, die nur die Geschwindigkeit, aber nicht die Beschleunigung enthalten. In der Dynamik der gewöhnlichen, von electrischen Ladungen freien, materiellen Systeme gelten, als wichtigste Integralprincipe, das Energieprincip und der Schwerpunctsatz. Das Energieprincip besagt, daß die mechanische Energie eines Systems, der Schwerpunctsatz, daß der Vector der Bewegungsgröße nur durch Einwirkung äußerer Kräfte Aenderungen erfährt. Lassen sich diese Sätze auch auf solche Massensysteme übertragen, die electrische Ladungen mitführen? Zunächst ist dieses nicht der Fall; die von den Wechselwirkungen der electrischen Ladungen herrührenden inneren Kräfte leisten im allgemeinen bei einer Bewegung positive oder negative Arbeit, die eine Zunahme oder Abnahme der mechanischen Energie bedingt. Doch kann man bekanntlich das Energieprincip aufrecht erhalten, wenn man dem electromagnetischen Felde eine bestimmte Energie

4)
zuschreibt, deren electrischer und magnetischer Bestandteil durch die über das ganze Feld erstreckten Integrale bestimmt sind:
4a) ,
4b) .

Die Abnahme der electromagnetischen Energie compensiert die von den inneren Kräften geleistete Arbeit. Mithin lautet das verallgemeinerte Energieprincip: Die Zunahme der Summe der mechanischen und der electromagnetischen Energie pro Zeiteinheit ist der Arbeit der äußeren Kräfte gleich:[10]

5)

{q = Betrag der Geschw., = Comp. der äußeren Kraft in Richtung der Geschw. }

Aehnlich, wie das Energieprincip, verhält sich der Schwerpunctsatz. Die mechanische Bewegungsgröße eines mit electrischen Ladungen behafteten Systems wird im allgemeinen durch innere Kräfte verändert; denn die ponderomotorischen Kräfte, welche die Ladungen auf einander ausüben, genügen keinesweg dem Principe der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung. Die Stellung der Lorentz'schen Theorie zum dritten Axiome Newton's discutierte besonders eingehend Herr H. Poincaré;[11] er betonte, daß der Satz der Erhaltung der Bewegungsgröße seine Giltigkeit bewahrt, wenn dem electromagnetischen Felde eine bestimmte Bewegungsgröße zugeschrieben wird. Diese electromagnetische Bewegungsgröße wird, nach Richtung und Betrag, durch das über das ganze Feld erstreckte Integral bestimmt

6) ,

wo

6a) .

den Poynting'schen Strahlvector darstellt. In der That, aus der Lorentz'schen Theorie folgt,[12] daß der von den inneren Kräften erzeugte Impuls durch die gleichzeitig stattfindende Abnahme der electromagnetischen Bewegungsgröße compensiert wird, falls die auf die Grenzfläche des Raumes v von den Maxwell'schen Spannungen ausgeübte Kraft verschwindet; bei quasistationärer Electronenbewegung ist diese Bedingung erfüllt, wenn das Volumintegral der Gl. (6) über den ganzen Raum erstreckt wird. Mithin lautet der verallgemeinerte Schwerpunctsatz: Die Zunahme, welche der resultierende Vector der mechanischen und der electromagnetischen Bewegungsgröße in der Zeiteinheit erfährt, ist der äußeren Kraft gleich

7) .

Wie berechnet man, auf Grund der beiden Integralprincipe, die electromagnetische Masse? Die Energie des Feldes hängt, da wir das Feld des Electrons als durch seine Geschwindigkeit bestimmt ansehen, nur von dem Betrage q derselben ab. Mithin ergiebt (5):

.

Andrerseits ergiebt die Bewegungsgleichung (3), angewandt auf Beschleunigung in der Bahnrichtung (s)

.

Es folgt somit als Wert der „longitudinalen Masse ms", die bei Beschleunigung in der Bewegungsrichtung in Betracht kommt.

8) .

Diese Formel für die longitudinale Masse stimmt mit der Kaufmann'schen[13] überein; sie ergiebt indessen nur diejenige Trägheit, welche sich einer Beschleunigung in der Bewegungsrichtung entgegenstellt. Beschleunigung senkrecht zur Richtung der Geschwindigkeit, wie sie z. B. im magnetischen Felde auftritt, erfordert keinen Arbeitsaufwand; demgemäß ist die hier in Rechnung zu ziehende „transversale Masse" aus der Feldenergie nicht abzuleiten. Um sie zu ermitteln, ist der verallgemeinerte Schwerpunctsatz (7) heranzuziehen.

Wie die Energie, so ist auch die Bewegungsgröße bei quasistationärer Electronenbewegung nur von der Geschwindigkeit abhängig. Die Richtung des Vectors der Bewegungsgröße stimmt, bei den in den folgenden Paragraphen zu Grunde gelegten Annahmen über Form und Ladungsverteilung des Electrons, mit der Richtung des Geschwindigkeitsvectors überein. Bezeichnet G den Betrag der Bewegungsgröße, so gilt, nach (7), für Beschleunigung in der Bahnrichtung

.

Hieraus, in Verbindung mit (3), folgt für die longitudinale electromagnetische Masse die Formel

9) .

Erfährt andrerseits das Electron eine Beschleunigung senkrecht zur Bahnrichtung, so bleibt der Betrag der Geschwindigkeit, mithin auch derjenige der Bewegungsgröße, constant, nur die Richtung beider Vectoren wird im Raume gedreht, und zwar mit der Winkelgeschwindigkeit , wenn r den Krümmungsradius der Bahn bezeichnet. Der Zuwachs, welchen die genannten Vectoren in der Zeiteinheit erfahren, wird dargestellt durch Vectoren vom Betrage

bezw. ,

die nach dem Krümmungsmittelpuncte der Bahn hinweisen. Aus (7) folgt mithin

,

andererseits aus (3)

.

Mithin ist

10)

die transversale electromagnetische Masse. Bei großen Geschwindigkeiten ist die electromagnetische Bewegungsgröße des Electrons nicht mehr der Geschwindigkeit proportional; die transversale Masse wird hier verschieden von der longitudinalen. Eine Kraft, die in der Richtung der Geschwindigkeit wirkt, ruft daher eine andere Beschleunigung hervor, als eine solche, die senkrecht zur Geschwindigkeit wirkt. Ist die Kraft schief zur Bewegungsrichtung orientiert, so stimmt die Richtung der Beschleunigung nicht mit derjenigen der Kraft überein. Um den Beschleunigungsvector zu erhalten, ist die Kraft in ihre Componenten parallel und senkrecht zur Bewegungsrichtung zu zerlegen; die entsprechenden Componenten der Beschleunigung werden berechnet, indem man die Kraftcomponenten durch die longitudinale, bezw. die transversale Masse dividiert. Das Resultat ist in den Satz zusammenzufassen: Die electromagnetische Masse ist kein Scalar, wie die Masse der gewöhnlichen Mechanik, sondern ein Tensor,[14] von der Symmetrie eines Rotationsellipsoides.

§ 4. Feld und Kräftefunction eines gleichförmig bewegten Electrons.

Es erwächst nunmehr die Aufgabe, die electromagnetische Energie und Bewegungsgröße eines mit beliebiger Geschwindigkeit gleichförmig bewegten Electrons zu ermitteln. Hierbei ist nur das von dem Electron selbst erzeugte Feld zu berücksichtigen, die Einwirkung des äußeren Feldes ist in der äußeren Kraft enthalten. Das Feld des gleichförmig bewegten Electrons ist, im stationären Zustande, relativ zum Electron constant; es wird mit der Geschwindigkeit q durch den Raum geführt. Auch ohne specielle Annahmen über die Verteilung der Ladung im Electron zu machen, läßt sich, wie aus den eingangs citierten Untersuchungen der Herren W. B. Morton und G. F. C. Searle hervorgeht, über das stationäre Feld allgemein Folgendes aus den Grundgleichungen ableiten.

Die magnetische Feldstärke ist das äußere Product des durch die Lichtgeschwindigkeit gemessenen Geschwindigkeitsvectors und der electrischen Feldstärke

11) .

Führt man ein mit dem Electron mitbewegtes Coordinatensystem ein, dessen x-Axe in Richtung der Bewegung des Electrons weist, so sind die magnetischen Feldcomponenten

11a) .

Der Vector

12) ,

der die vom Felde auf die mitbewegte Einheit der Ladung ausgeübte ponderomotorische Kraft anzeigt, ist im stationären Felde der Gradient eines Scalars φ; letzterer wird „Convectionspotential" genannt

12a) .

Die Componenten der Vectoren und sind, nach (11) und (11a) durch folgende Gleichungen verknüpft:

12b)

Hieraus, in Verbindung mit 12a, und der Gleichung

12c) ,

in der die räumliche Dichte der Volumladung des Electrons bezeichnet, folgt

13) .

Diese Differentialgleichung bestimmt das Convectionspotential bei gegebener Form und Ladungsverteilung des Electrons. Sie entspricht der Poisson'schen Gleichung der gewöhnlichen Potentialtheorie, in die sie für q = 0 übergeht. Das Convectionspotential giebt die Arbeit an, die zu gewinnen wäre, wenn die Einheit der Ladung, von dem betreffenden Puncte des Feldes aus ohne merkliche Aenderung der Convectionsgeschwindigkeit in unendliche Entfernung gebracht würde.

Die Analogie der Electrostatik legt es nahe, die Funktion

14)

einzuführen; wir nennen sie "Kräftefunction" des stationären Feldes. Sie entspricht der electrostatischen Energie eines Systems ruhender Ladungen, indem sie die Arbeit angiebt, die aus dem stationären Felde zu gewinnen wäre, wenn die gleichnamigen Ladungen der Volumelemente des Electrons, den zwischen ihnen wirkenden Kräften folgend, sich ohne merkliche Aenderung der Convectionsgeschwindigkeit ins Unendliche entfernten. Eine einfache Umformung, welche die Gleichungen (12a) und (12c) verwendet, bringt (14) auf die Form

14) .

Das hier auftretende innere (scalare) Product der Vectoren und ist, nach (11a, 12b) zu schreiben

.

Es folgt mit Rücksicht auf (4a, 4b)

15) .

Die Kräftefunction des Electrons ist gleich der Differenz der electrischen und der magnetischen Feldenergie. Dieser wichtige, von Searle herrührende[15] Satz läßt sich deuten, indem man +We, als Kräftefunction der abstoßenden electrostatischen, -Wm als Kräftefunction der anziehenden electrodynamischen Kräfte interpretiert.

Mit Hilfe der Formel (15) werden wir die für die Berechnung der electromagnetischen Masse maaßgebenden Gleichungen (8, 9, 10) des vorigen Paragraphen auf eine für die praktische Berechnung geeignetere Form bringen. Diese Umformung vorbereitend, berechnen wir zunächst den Vector der electromagnetischen Bewegungsgröße. Die Componenten desselben sind, nach (6, 6a), da ist

16)

Nehmen wir jetzt an, daß die (xy) und die (xz)-Ebene Symmetrieebenen des Electrons sind, sowohl was die Form, als auch, was die Ladungsverteilung des Electrons anbelangt, so sind die Componenten , gleich null. Denn in je zwei Puncten, die durch die Coordinaten (x, y, z) und (x, —y, —z) charakterisiert sind, sind die electrischen Componenten gleich, die Componenten hingegen, und folglich, nach (11a), auch die magnetischen Componenten , entgegengesetzt gleich. Mithin heben sich die Beiträge auf, welche zwei solche Puncte zu den Componenten liefern. Wir gelangen also zu dem Resultat: Besitzt das Electron zwei aufeinander senkrechte, durch die Bewegungsrichtung gehende Symmetrieebenen, so weist der Vector der electromagnetischen Bewegungsgröße in Richtung der Bewegung. Der Betrag der Bewegungsgröße ist, nach (11a)

,

oder, gemäß 4b

17) .

Das Product aus electromagnetischer Bewegungsgröße und Geschwindigkeit ist gleich der doppelten magnetischen Feldenergie.

Die Gleichungen (10) und (9), für transversale und longitudinale electromagnetische Masse, schreiben wir jetzt

17a) ,
17b) .

Diese Relationen ergab der verallgemeinerte Schwerpunctsatz. Aus dem Energieprincip folgte andrerseits die Gl. (8)

17c) .

Subtraction von 17c, 17b ergiebt, mit Rücksicht auf (15):

,

mithin

18) .

Während Searle die magnetische Energie durch Integration über das ganze Feld berechnet, gestattet uns die Formel (18), dieselbe durch Differentiation der Kräftefunction des Electrons abzuleiten; durch (15) ist dann auch die electrische Energie bestimmt. Die electromagnetische Bewegungsgröße wird jetzt

18a) ,

die transversale, bezw. longitudinale electromagnetische Masse

18b) ;
18c) .

Durch Angabe der Kräftefunction sind mithin alle für die Dynamik des Electrons wichtigen Größen bestimmt.

§ 5. Dreiaxiges Ellipsoid.

Die bisherigen Entwickelungen legten recht allgemein gehaltene Annahmen über Form und Ladungsverteilung des Electrons zu Grunde. Nunmehr wollen wir dieselben specialisieren. Wir betrachten das Electron als dreiaxiges Ellipsoid, das in Richtung einer der drei Hauptaxen bewegt wird; seine Ladung soll entweder gleichförmig über das ganze Volumen, oder gleichförmig über eine unendlich dünne, von zwei benachbarten, ähnlichen und ähnlich gelegenen Ellipsoiden begrenzte Oberflächenschicht verteilt sein. Den erstgenannten Fall haben wir im Sinn, wenn wir kurz von „Volumladung“, den letztgenannten, wenn wir von „Flächenladung“ des Electrons reden.

Beiden Fällen entsprechende Lösungen der Differentialgleichung (13) des Convectionspotentials erhält man mit Hilfe eines von H. A. Lorentz,[16] sowie auch von Searle[17] angewandten Reductionsverfahren. Dieses Verfahren bildet das bewegte System S auf ein ruhendes System S’ electrischer Ladungen ab; die Coordinaten entsprechender Puncte P, P’ der beiden Systeme sind einander folgendermaaßen zugeordnet

19)

.

Das ganze Feld erscheint also im ruhenden Systeme S’in der

Richtung der x-Axe gedehnt, und zwar in dem, von der Geschwindigkeit abhängigen Verhältnis . Auch das Bild des Electrons selber in S' ist in diesem Verhältnis verlängert; doch sollen — das setzen wir fest — die Ladungen entsprechender Volumelemente die gleichen, mithin

19a) .

sein. Das electrostatische Potential φ' genügt der Poisson'schen Gleichung

.

Vergleichung mit (13) ergiebt

19b) .

Die Bestimmung des Convectionspotentiales φ im bewegten Systeme ist somit reduciert auf die Bestimmung des electrostatischen Potentials im ruhenden Systeme. Die electrostatische Energie des letzteren

20)

hängt mit der Kräftefunction U des Electrons durch die aus (19, 19a, 19b) folgende Gleichung zusammen

20a) .

Die Berechnung der Kräftefunction des Electrons ist hierdurch zurückgeführt auf die Berechnung der electrostatischen Energie eines gemäß (19) deformierten ruhenden Systems.

Nun läßt sich bekanntlich die Berechnung der electrostatischen Energie ausführen für ein über das ganze Volumen gleichförmig geladenes Ellipsoid, sowie für eine Ladung, die gleichförmig über eine, von zwei ähnlichen und ähnlich gelegenen Ellipsoiden begrenzte Schicht verteilt ist. Auf diese Aufgabe aber wird man geführt, wenn man die Kräftefunction eines Electrons von den im Eingange dieses Paragraphen vorausgesetzten Eigenschaften aufsucht. Was den Fall der Flächenladung des Electrons anbelangt, so wird dieser durch das Reductionsverfahren zurückgeführt auf ein ruhendes System S’, in dem die Ladung sich wiederum gleichförmig über eine, von zwei ähnlichen und ähnlich gelegenen Ellipsoiden begrenzte Schicht verteilt. Von der letzteren Verteilung weiß man, daß sie in dem von der Schicht eingeschlossenen Hohlraum constantes Potential ergiebt, also im Grenzfalle einer unendlich dünnen Schicht mit der Gleichgewichtsverteilung der Electricität auf der Oberfläche eines leitenden Ellipsoids identisch ist. Mithin ergiebt die entsprechende Flächenladung im bewegten Systeme S nach (19b) ein im ellipsoidischen Hohlraume constantes Convectionspotential; da der Gradient des Convectionspotentials die Kraft auf die mitbewegte Einheit der Ladung anzeigt, so entspricht im bewegten Systeme S die Ladungsverteilung dem convectiven Gleichgewicht der Electricität auf der Oberfläche eines leitenden Ellipsoides. Da dieses für beliebige Geschwindigkeiten gilt, so folgt einerseits, daß die Gleichgewichtsverteilung auf einem leitenden Ellipsoid von der Geschwindigkeit unabhängig ist, daß mithin die Verteilung der Electricität auf einem leitenden Ellipsoid durch die gleichförmige Bewegung nicht beeinflußt wird. Dieses hat bereits Herr W. B. Morton bewiesen. Andrerseits aber erkennen wir, daß die Annahme einer fest haftenden Flächenladung des Electrons zu denselben Resultaten führen muß, wie diejenige eines Leiters von derselben ellipsoidischen Oberfläche.

Wir gehen über zur Berechnung der Kräftefunction des dreiaxigen Ellipsoids. Die Halbaxen seien a, b, c; die Bewegung finde, wie bisher, in Richtung der x-Axe statt. Durch das Reductionsverfahren wird die Bestimmung der Kräftefunction U zurückgeführt auf die Berechnung der electrostatischen Energie U’ eines Ellipsoids von den Halbaxen

.

Für den ersten Fall der gleichförmigen Volumladung ist das electrostatische Potential im Inneren des Ellipsoides[18]

21) ,

wo gesetzt ist. Für den zweiten Fall der Flächenladung, der als Grenzfall einer gleichförmigen Verteilung in einer von zwei benachbarten, ähnlichen und ähnlich gelegenen Ellipsoiden begrenzten Schicht aufzufassen ist, ist der Wert des Potentials auf der geladenen Fläche.[18]

21a) .

Mithin ist die electrostatische Energie

22)

bei Flächenladung. Bei Volumladung hingegen wird

22a) ,

wo J das über das ganze Ellipsoid erstreckte Integral

22b)

bezeichnet. Nun gilt

;

ferner zeigt eine z. B. bei der Berechnung der Trägheitsmomente homogener Ellipsoide gebräuchliche Betrachtung, daß zu setzen ist

,

,

.

Mithin folgt, bei Volumladung

22c)

Dieser Ausdruck läßt sich vereinfachen; setzen wir, abkürzend

,

so ist

,

,

.

Führen wir diese Relationen in (22c) ein, so erhalten wir

22d) .
Nun ist f eine homogene Function von a'², b², c², und zwar vom

Grade ; also ist nach einem, von Euler herrührenden Satz über homogene Functionen

.

Daher ergiebt sich schließlich, bei Volumladung

23) .

Aus (22) und (23) geht hervor, daß sich, für dasselbe Ellipsoid, die Werte der electrostatischen Energie U' bei Volumladung und Flächenladung verhalten, wie 6:5. Vom ruhenden System S’ zum bewegten System S übergehend, erkennen wir, daß nach (20a) dasselbe Verhältnis auch für die Werte der Kräftefunction des bewegten Ellipsoids bei Volumladung und Flächenladung gilt. Auf Grund der Resultate des § 4 gelangen wir nun sofort zu dem Satze: Alle für die Dynamik des Electrons wichtigen Größen, magnetische und electrische Energie, longitudinale und transversale electromagnetische Masse, werden im Verhältnis 6:5 vermehrt, wenn man von dem Falle der Flächenladung zum Falle der Volumladung desselben bewegten Ellipsoids übergeht. Dieses Resultat ist im Einklänge mit dem von Herrn C. H. Wind,[19] speciell für die Energie und die longitudinale Masse einer langsam bewegten Kugel abgeleiteten.

Durch den soeben bewiesenen Satz ist der Fall der Volumladung auf denjenigen der Flächenladung zurückgeführt, so daß uns weiterhin nur der letztere zu beschäftigen braucht. Bei Flächenladung aber entspricht, wie gezeigt wurde, die Verteilung der Electricität in S’ der Gleichgewichtsverteilung auf der Oberfläche eines leitenden, ruhenden Ellipsoids von den Halbaxen a’, b, c. Die Kapacität Q’ eines solchen wird in den Lehrbüchern der Electrostatik angegeben. Das Potential an seiner Oberfläche wird , mithin die electrostatische Energie

24) .

Nach (20a) wird also die Kräftefunction des bewegten Ellipsoids, von den Halbaxen a, b, c

24a) .

bei Flächenladung, und, nach dem soeben bewiesenen Satze

24b) .

bei Volumladung. Beachtet man, daß das ruhende Ellipsoid in S' gegen das bewegte in S im Verhältnis parallel der x-Axe gedehnt ist, und setzt demgemäß , so ist U als Funktion der Geschwindigkeit des Electrons bekannt. Die Formeln des § 4 erlauben es daher, alle für die Dynamik des Electrons wichtigen Größen zu berechnen. Für den Fall des kugelförmigen Electrons mögen diese Rechnungen ausgeführt werden.

§ 6. Kugelförmiges Electron.

Wir betrachten in diesem Abschnitte das Electron als eine Kugel vom Radius (a), deren Oberfläche mit einer electrischen Belegung von gleichförmiger Dichte versehen ist. Die Anwendung des Reductionsverfahrens bildet das Electron ab auf ein ruhendes gestrecktes Rotationsellipsoid, mit den Halbaxen . Die reciproke Kapacität eines solchen ist[20]

.

Gl. (24a) ergiebt, als Kräftefunction des Electrons:

25) .

Entwickelung nach aufsteigenden Potenzen von ergiebt:

25a) .

Die magnetische Energie beträgt, nach (18):

25b) ;
nach (15) folgt sofort die Searle'sche Formel für die Gesammtenergie:
25c)

Was endlich die electromagnetische Masse anbelangt, so folgt, aus (18b), für die transversale:

25d)

,

hingegen, aus (18c), für die longitudinale:

25e)

.

Man bemerkt, daß, bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit, die transversale Masse nicht so rasch ansteigt, wie die longitudinale. Daß, in den Reihenentwickelungen der transversalen und longitudinalen Masse, die Coefficienten von verschiedene Werte besitzen, fand bereits Herr H. A. Lorentz;[21] den Gang seines Beweises gab er nicht an.

Bei gleichförmiger Volumladung der Kugel wären die rechten Seiten aller dieser Formeln mit zu multiplicieren. Es ist also ein kugelförmiges Electron vom Radius a mit Volumladung äquivalent einem mit Flächenladung versehenen vom Radius . Die Abhängigkeit der electromagnetischen Trägheit von der Geschwindigkeit ist in beiden Fällen die gleiche.

Es entsteht die Frage, ob die auf Grund der Electronentheorie erhaltenen Formeln sich mit den Beobachtungsresultaten vereinbaren lassen. Die experimentellen Untersuchungen des Herrn W. Kaufmann[22] betrafen die Ablenkung der Becquerelstrahlen im magnetischen und im transversalen electrischen Felde; die Ablenkungswinkel waren so klein, daß die Beschleunigung, auch im electrischen Felde, als rein transversale zu betrachten ist. Es ist mithin die Formel (25d) heranzuziehen. Wir schreiben diese

26) ,

indem wir

26a)

setzen. Die beobachtete Massenträgheit bezeichnen wir mit μ, den absoluten Betrag der Ladung des Electrons, electromagnetisch gemessen, mit ε, so daß

26b)

ist.

Die erste Columne der folgenden Tabelle enthält die den Beobachtungen entnommenen Werte von q·10-10, die zweite diejenigen von . In der dritten Columne sind die, den betreffenden Werten der Geschwindigkeit q zugehörigen Werte von angegeben, und in der vierten die Werte des Productes

26c) .


q·10-10 P
2,83
2,72
2,59
2,48
2,36
0,63
0,77
0,975
1,17
1,31
2,85
2,47
2,20
2,05
1,92
1,8
1,90
2,14
2,40
2,52
0,6 1,865 1,333 2,49

Die Zahlen der letzten Horizontalreihe beziehen sich auf Kathodenstrahlen; der Wert von ist den Beobachtungen des Herrn S. Simon[23] entnommen, für ist der für kleine Werte von gültige Grenzwert gesetzt. Alle übrigen Zahlen beziehen sich auf Becquerelstrahlen.

Ist die beobachtete Trägheit durch die dynamische Wirkung des electromagnetischen Feldes zu erklären, so muß μ = mr, mithin das Product P constant sein. Ist, umgekehrt, P constant, so ist μ = mr. Vergleicht man die aus Versuchen mit Kathodenstrahlen einerseits, mit den langsamsten Becquerelstrahlen andrerseits erhaltenen Werte des Productes P, so ergiebt sich eine sehr befriedigende Uebereinstimmung. Wir gelangen also zu dem Resultate:

Die beobachtete Trägheit der in den Kathodenstrahlen und in den langsamsten Becquerelstrahlen bewegten Teilchen läßt sich vollständig durch die dynamische Wirkung ihres electromagnetischen Feldes erklären, wenn man die Teilchen als kugelförmige Electronen betrachtet.

Vergleicht man die für Becquerelstrahlen erhaltenen Zahlwerte unter einander, so ist die Uebereinstimmung keine befriedigende; doch wird man auf diesen Umstand kein sehr großes Gewicht legen, wenn man bedenkt, daß die genaue Messung der Ablenkbarkeit der Becquerelstrahlen mit wachsender Geschwindigkeit immer schwieriger wird. Wie mir Herr Kaufmann mündlich mitteilte, ist möglicherweise die Abweichungen der theoretischen und der beobachteten Masse den bei der Geschwindigkeitsbestimmung eingehenden Versuchsfehlern zuzuschreiben. Weitere experimentelle Untersuchungen müssen hierüber Aufklärung schaffen. Sehr wünschenswert wäre auch eine Ausfüllung des Intervalles das die langsamsten Becquerelstrahlen von den raschesten der bisher messend untersuchten Kathodenstrahlen trennt.

Die Einführung einer constanten „materiellen" Masse würde die Abweichung zwischen Theorie und Experiment nicht aufheben, sondern vergrößern; denn die theoretische Masse würde, bei Hinzufügung eines constanten Gliedes, relativ noch langsamer mit wachsender Geschwindigkeit ansteigen. Tritt jene Abweichung wirklich bei Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit ein, so müssen unbekannte Einflüsse ins Spiel kommen. Ist sie nur durch Versuchsfehler bedingt, so wird man behaupten können:

Die Trägheit des Electrons ist ausschließlich durch sein electromagnetisches Feld verursacht.

Zum Schlüsse sei nochmals hervorgehoben, daß die hier entwickelte Dynamik des Electrons quasistationäre Bewegung annimmt; plötzliche Geschwindigkeitsänderungen des Electrons sind ausgeschlossen. Sobald solche eintreten, sendet das Electron electromagnetische Impulse, Röntgenstrahlen, aus; diese Ausstrahlung, und die durch dieselbe bedingte Dämpfung, fällt aus dem Rahmen der hier entwickelten Theorie heraus. Die soeben dargelegte Theorie der Kathoden- und Becquerel-Strahlen beschränkt sich also auf solche Vorgänge, bei denen kein merklicher Bruchteil der Energie in Röntgenstrahlung verwandelt wird. Will man den Gültigkeitsbereich der Theorie festlegen, so muß man die bei ungleichförmiger Bewegung des Electrons emittierte Röntgenstrahlung berechnen. Diese Rechnung, die wesentlich andere mathematische Hilfsmittel verwendet, mag einer künftigen Mitteilung vorbehalten bleiben.


  1. H. A. Lorentz, Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern‎. Leiden 1895.
  2. E. Wiechert, Gött. Nachr. 1898 p. 87.
  3. W. Wien, Arch. Néerl. (2). 5. p. 96—104. 1900. Vgl. auch H. A. Lorentz, Phys. Zeitschr. 2. p. 78. 1900.
  4. W. Kaufmann, Göttinger Nachrichten 1901, Heft 2.
  5. W. B. Morton, Phil. Mag. 41 p. 488.
  6. G. F. C. Searle, Phil. Trans. 187 A (1896) p. 675—713. Phil. Mag. 44 (1897) p. 329—341.
  7. In Betreff der hier gebrauchten Begriffe und Symbole der Vectoranalysis vergleiche man: M. Abraham, Encycl. d. mathem. Wissensch. Bd. IV. Art. 14.
  8. vgl. Th. Des Coudres, Arch. Néerl. (2) 5. p. 652—664. 1900.
  9. Die vielfach gebräuchlichen Bezeichnungen „scheinbare" und „wahre" Masse dürften verwirrend wirken. Die „scheinbare" Masse ist in mechanischem Sinne wahr, die „wahre" Masse hingegen ist wahrscheinlich unwahr.
  10. Daß der Ansatz (1) für die ponderomotorische Kraft dem verallgemeinerten Energiegesetz genügt, beweist H. A. Lorentz, l. c. pag. 22.
  11. H. Poincaré, Arch. Néerl. (2) 5 p. 252—278. 1900.
  12. Dies besagt die Gleichung (15) auf pag. 26 des citierten Buches von H. A. Lorentz.
  13. l. c. pag. 11 Gl. 13.
  14. Ueber diesen Begriff vergl. W. Voigt, „Die fundamentalen physikalischen Eigenschaften der Krystalle", Leipz. 1898 und M. Abraham, Encycl. d. mathem, Wissensch. Bd. IV. Art. 14.
  15. l. c. Phil. Trans. 187 A (1896) p. 675—713,
  16. H. A. Lorentz, l. c. pag. 36 ff.
  17. H. F. C. Searle, Phil. Mag. 44 (1897) p. 329—341.
  18. a b Vgl. B. Riemann, Partielle Differentialgleichungen, 4. Aufl. herausgeg. von H. Weber, I p. 255—261. In Betreff der Geschichte des Problems ist zu verweisen auf H. Burkhardt und W. F. Meyer, Encycl. d. mathem. Wissensch. Bd. II, Art. A 7b Nr. 15.
  19. C. H. Wind, Arch. Néerl. (2) 5 (1900) p. 609-635.
  20. Vgl. z. B. Maxwell, Treatise I. p. 244 der deutschen Uebersetzung.
  21. H. A. Lorentz, Phys. Zeitschr. 2. p. 78. 1900.
  22. W. Kaufmann, Gött. Nachr. 1901, Heft 2.
  23. S. Simon, Wied. Ann. 69, p. 589. 1899.