ADB:Zepper, Wilhelm
Dr. Wigand Orthius, der getreueste Schüler des vor kurzem verstorbenen großen Gelehrten Andreas Hyperius, sein Lehrer in der Theologie ward. Nach Vollendung seiner Universitätsbildung wurde Z. 1570 Lehrer an der höheren Stadtschule zu Herborn und zwei Jahre später Diakonus oder Kaplan. Damals trug sich der Landesherr, Graf Johann der Aeltere von Nassau-Katzenelnbogen, mit dem Gedanken, in seiner Grafschaft das reformirte Bekenntniß an Stelle des lutherischen einzuführen. Unter den Predigern fanden sich manche, welche ihm nicht beistimmten. Z. dagegen, schon auf Universität mehr reformirt gerichtet, half in besonnener und umsichtiger Weise das Volk für die Anschauungen der reformirten Kirche gewinnen und wurde daher im August 1573 als Diakonus nach Dillenburg berufen. Hier hatte der Graf viele Unterredungen mit ihm [86] über kirchliche Angelegenheiten. Seiner gründlichen Kenntnisse und seines klaren praktischen Blickes halber schätzte ihn dieser immer mehr, ja ließ sogar seine Kinder oft von ihm unterrichten. Er wurde zu den Verhandlungen eingeladen. welche 1573 der Graf zur Einführung des reformirten Cultus mit Ludwig von Sayn zu Wittgenstein, Konrad von Solms, Otto von Grünrade, Andreas Christiani und mit den Theologen Friedrich Wiedebram, Kaspar Olevianus, Andreas Rauting, Georg Sohnius, Christoph Pezel und Wolfgang Crellius hielt, wobei er sich viele Notizen machte, welche ihm später großen Nutzen brachten. Seine Begabung that sich bald so sehr kund, daß ihm die Ausarbeitung von Gutachten selbst übertragen wurde und man ihn mit der Visitation der Kirchen und Schulen des Landes beauftragte. Nach der Versetzung Rauting’s 1582 von Dillenburg nach Herborn rückte er in dessen bisherige Stelle in erstgenannter Stadt ein, wobei er zugleich Hofprediger wurde. Als solcher mußte er im Juni 1593 den jungen Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz mit seiner Gemahlin, der Prinzessin Luise Juliane von Oranien, nach deren zu Dillenburg am 10. Juni gefeierten Vermählung, nach Heidelberg begleiten. Im J. 1594 zog Z. nach seiner Vaterstadt Herborn, um das erste Predigt- und Inspectorenamt daselbst zu übernehmen, sowie eine theologische Professur an der hierselbst im J. 1584 eröffneten Hochschule. Bei der Generalkirchenvisitation, welche im J. 1590 in den nassau-katzenelnbogischen Landen vorgenommen wurde, hatte er sich die allgemeine Liebe und Achtung, als Leiter derselben, erworben. Auch in seinem neuen akademischen Lehramte gelang es ihm bald, sich Anerkennung zu verschaffen, so daß seine Collegen ihn für das Jahr 1604 und 1605 zum Rector wählten. Zu frühe wurde er seiner gesegneten Wirksamkeit entrissen, als ihn im Sommer 1607 die Pest, welche damals in verheerendster Weise das Dillthal durchzog, als Opfer wegraffte.
Zepper: Wilhelm Z., reformirter Theologe, der zuerst die praktische Theologie und die Fragen der Kirchenverfassung unter den Protestanten systematisch bearbeitet hat, geboren Mittwoch vor Ostern, am 2. April 1550 zu Dillenburg, wohin sich seine Mutter von Herborn gerade begeben hatte, † am 20. August 1607 zu Herborn. Sein Vater, Konrad Z., war ein ehrsamer Bürger zu Herborn, der seinen frühe bedeutende Fähigkeiten verrathenden Sohn auf der einheimischen lateinischen Schule für das akademische Studium vorbilden ließ. Schon im Sommer 1564 bezieht derselbe die Universität Marburg, woDie Bedeutung Zepper’s für Schule und Kirche ist eine höchst anerkennenswerthe zu nennen. In einer Zeit, wo an das sogen. Volksschulwesen auf dem Lande noch kaum jemand dachte, hat er mit warmer Fürsorge dasselbe auf dem Herzen getragen. Für den religiösen Unterricht hat er „Fragestücke“ aus dem Heidelberger Katechismus bearbeitet, welche noch lange nach ihm in gesegnetem Gebrauche waren. Seine unter der Aufschrift: „Anordnung und Bestellung deutscher Schulen in den Städten, Flecken und Dörfern“ bekannte Schulordnung verdient nach Steubing die Bewunderung aller Kenner. Die Schule theilte er ein in Trivialschule, Pädagogium und Akademie. Auf die Wichtigkeit der Schule hat er in seiner Schrift: „Von der christlichen Disciplin“, besonders aber in seiner „Politia ecclesiastica“ aufmerksam gemacht. Mit pädagogischer Sachkenntniß hat er die Erziehung der Jugend auf die Religion, vornehmlich auf das Wort Gottes basirt. Den Unterricht der weiblichen Jugend will er ausschließlich weiblichen Individuen übertragen wissen.
Für Kirche und theologische Wissenschaft hat er aber vor allem unzählbare Verdienste sich erworben. Nicht bloß hat er das Kirchenwesen seiner Heimathlande im Sinne der reformirten Kirche auf das schönste geordnet, sondern er war auch bei Organisation der Kirchen der wetterauischen Grafschaften mit Rath und That aufs beste behülflich. Sein Einfluß erstreckte sich aber über das Weichbild dieser genannten Territorien hinaus auf die ganze reformirte Kirche und Theologie seiner Zeit und der Nachwelt. Denn seine trefflichen Schriften, die er hinterlassen hat, haben sich als höchst segensreich in den Fragen der Kirchenregierung, der Kirchenordnung und Zucht bis auf unsere Tage erwiesen. Seine Hauptschrift: „De Politia ecclesiastica sive forma ac ratio administrandi et gubernandi regni Christi“ (Herborn 1595 1. und 2. Ausg., 1714 3. Ausg.) ist geradezu classisch zu nennen in ihrer Art und hat dem berühmten Niederländer [87] Gisbert Voetius zu seinem gleichnamigen voluminösen Werke als Modell gedient. Wenn man lutherischer Seits 300 Jahre lang diese Schrift Zepper’s ignorirt hat, so that man das aus herkömmlichem Vorurtheil gegen alles, was der reformirten Kirche oder Theologie angehört. Dagegen hat der vor 200 Jahren heimgegangene lutherische Theologe J. L. Hartmann mit der Naivetät seiner Zeit keinen Anstand genommen, die Politia Zepper’s in seinem Pastorale evangelicum auszuschreiben, wie Gerhard v. Zezschwitz entdeckt hat. Hartmann’s Schrift prunkte als bahnbrechendes Werk auf dem Gebiete der praktischen Theologie, während man die Zepper’sche, trotz ihrer dritten Auflage unberücksichtigt ließ. – Eine andere Schrift Zepper’s, wol bis heute die beste in diesem Fach, ist: „Von der christlichen Disciplin oder Kirchenzucht“ (Siegen 1596). Wir können dieselbe als ein rechtes Handbuch für Pastoren und Kirchenälteste bezeichnen. – Eine treffliche Homiletik ist seine „Ars habendi et audiendi conciones sacras“ (Herborn 1598, 2. Ausg. 1616), welche lange auf reformirten Hochschulen den Vorlesungen zu Grunde gelegt worden ist. Eine Ergänzung dazu ist „Sylva Homiliarum in textus ex quatuor Evangelistis dominicales“ (Herborn 1605); als das gelehrteste Werk Zepper’s wird angesehen: „Legum Mosaicarum forensium explanatio“ (Herborn 1604, 2. Aufl. 1614, 3. 1714). Eine in irenischem Geiste geschriebene Symbolik der lutherischen und reformirten Kirche bildet der „Bericht von den dreyen Hauptpuncten, welche zwischen den Evang. Kirchen vnd Lehrern in streit stehen“ (Herborn 1593, 1598, 1616). – Ein Verzeichniß seiner Schriften findet sich in der Ev. ref. Kirchenzeitung 1876 und bei v. d. Linde. Z. hat als seine Aufgabe stets angesehen, das Wissen mit der Praxis zu vereinigen. Er war, sagt der nassauische Historiker Vogel, in jeder Beziehung ein ausgezeichneter Mann und ein trefflicher Schriftsteller im ascetischen und homiletischen Fache.
- Dillenburg, Intellig. Nachr. 1785. – J. H. Steubing, Kirchen- und Reform.-Gesch. der Oran.-Nass. Lande. Hadamar 1804. – Vogel, Nassauisch. Taschenb. 1832. – Jöcher. – Fr. W. Cuno, W. Zepper in der Evang. reform. Kirchenzeit. f. 1876. – Derselbe, Blätter der Erin. an Dr. K. Olevianus. Barmen 1887. – G. v. Zezschwitz, Prakt. Theol. (Zöckler’s Theol. Handb. 3. Bd.) Nördl. 1885. – A. v. d. Linde, Die Nassauer Drucke. Wiesb. 1882.