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ADB:Bamberger, Ludwig

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Artikel „Bamberger, Ludwig“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 193–199, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bamberger,_Ludwig&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 01:05 Uhr UTC)
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Bamberger: Ludwig B., Dr. jur., geboren am 22. Juli 1823 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Mainz, war ein fruchtbarer volkswirthschaftlicher wie politischer Schriftsteller und einflußreicher deutscher Parlamentarier. Sein früh hervortretendes lebhaftes Interesse für öffentliche Vorgänge verband sich, unter dem Eindrucke der in seiner Jugend herrschenden politischen Zustände Deutschlands, von Anfang an mit einer gewissen radicalen Richtung im Sinne einer Befreiung der Völker vom Drucke der Regierenden. Schon auf dem Mainzer Gymnasium für die Sache der Polen begeistert, kam er als Jüngling in Berührung mit Bürgern, die selbst oder in ihren älteren Angehörigen die Clubistenzeit erlebt und die sich in ihren Erinnerungen an das republikanische Frankreich erwärmten, während er andererseits seine Vaterstadt als Sitz der Bundes-Central-Untersuchungs-Commission erblickte, von der die Ermittlung der demagogischen Umtriebe zur Reform des deutschen Bundes ausgegangen war. Unter dem Eindrucke der kleinlichen Verhältnisse seines engeren Vaterlandes erfüllte ihn allmählich ein mit politischem Thatendrange verbundener starker Oppositionsgeist. Zum Zwecke des nur aus negativen Gründen gewählten Studiums der Rechte brachte er die ersten Semester auf der Landesuniversität Gießen zu, wo er durch seine philosophischen Neigungen mit M. Carrière befreundet wurde, sodann zwei Semester in Heidelberg, wo er sich, mit Kapp und Oppenheim befreundet, in der freien burschenschaftlichen Vereinigung „Walhalla“ wohl fühlte. Das letzte Semester wurde in Göttingen verbracht, worauf B., nach Ablegung des Facultätsexamens in Gießen, im Frühjahr 1845 als Accessist der Kanzlei des Appellhofs in Mainz zugetheilt wurde. Nach zwei Jahren bestand er die Staatsprüfung, der Anstellung im Staatsdienste stellte sich jedoch seine Eigenschaft als Jude entgegen. Er vertiefte sich nunmehr in nationalökonomische Studien, aus denen er durch die Nachricht vom Ausbruch der französischen Revolution aufgerüttelt wurde. Auf diese Kunde eilte er, ohne bestimmten Plan, mit einem Freunde nach Straßburg, bloß um auf dem Boden des Landes dieser Begebenheiten zu sein. Als aber die Beiden in Straßburg als Deputation der deutschen Studenten gefeiert wurden, ward es ihnen unheimlich, sie machten sich aus dem Staube und warteten auf der Rückkehr in Karlsruhe vergeblich auf den Ausbruch einer Bewegung. („Aus grünen Tagen“ ist diese Episode von B. später in Rodenberg’s „Rundschau“ geschildert.) Aber in Mainz traf B. noch rechtzeitig ein, um an der Aufstellung der Forderungen, die sein Freund Zitz nach Darmstadt brachte, sowie an den Festlichkeiten wegen [194] ihrer Bewilligung theilzunehmen. Bei aller Freude über den Umschwung hielt er jedoch, voll tiefen Mißtrauens gegen die Regierungen, das scheinbar erworbene Gut nicht geborgen und trat zu dessen Vertheidigung in die Redaction der „Mainzer Zeitung“. Er nahm sodann Theil am Vorparlamente in Frankfurt am Main, wo er im „Wolfseck“ mit einer Rede gegen die in Ansprachen R. Blum’s und Raveaux’ sich ausdrückende Vertrauensseligkeit auftrat. Den mit Hecker Ausgeschiedenen berichtete er über die weiteren Vorgänge in der Paulskirche. Nach Mainz zurückgekehrt trat er im Sinne Hecker’s am 16. April in einer Volksversammlung in einer Weise auf, die ihm die Bezeichnung „rother Bamberger“ eintrug. Er warf in seiner Rede die Frage auf, ob man noch länger 38 deutsche Staaten und 34 Fürsten haben wolle und ob das Volk Civillisten fernerhin für nöthig halte. Man beschloß auf seinen Antrag die Erklärung, daß allen deutschen Staaten das Recht zustehe, sich eine Verfassung selbst zu geben und daß die republikanische Form überall eingeführt werden müsse. Als nunmehr populärer Mann wurde er zugleich an die Spitze eines neugewählten Bürgercomités gestellt. Sein Verhältniß zur „Mainzer Zeitung“ mußte er äußerlich wieder aufgeben, weil er darin mit dem Staatsrath Jaup in Darmstadt, dem Schwiegervater des Verlegers, in heftigen Streit gerathen war, er blieb jedoch stiller Mitarbeiter und Berichterstatter aus der Nationalversammlung zu Frankfurt, wo er in ständigem Verkehr mit Fröbel, J. Jacoby, M. Hartmann, A. Ruge und L. Simon stand. Zur Zeit des Promemorias des darmstädtischen Bundestagsgesandten v. Lepel trat er im demokratischen Verein zu Mainz heftig dagegen auf. Es sei ein elendes Bubenstück, an dem eine Bande von Verräthern an der Freiheit der Nation theilgenommen habe, und auf seinen Antrag wurde in einer Adresse an das Parlament verlangt, daß „dieses Machwerk der Verachtung der Mit- und Nachwelt“ überantwortet werde. Im Juli 1848 nahm B. an einem demokratischen Congresse in Frankfurt a. M. theil, der sich in einer Ansprache an das Volk für die deutsche Republik erklärte. Seit der Wahl des Reichsverwesers von der Hinfälligkeit der Arbeit des Parlaments überzeugt, siedelte B. wieder nach Mainz über, wo er sich der Ausdehnung der demokratischen Vereine auf das Land widmete. Es konnte nicht fehlen, daß er am 26. October 1848, neben A. Ruge und Kinkel, am demokratischen Congresse in Berlin theilnahm, dieser wählte ihn sogar zum Präsidenten; als aber infolge des Gegensatzes zwischen den demokratischen und den socialistischen Elementen der Lärm der Verhandlungen aufs höchste gestiegen und es zu Beschlüssen gekommen war, wie „Der Pächter bezahlt hinfort keine Pacht“, legte er das Amt nieder. Temme, der den Verhandlungen als Zuhörer beiwohnte, sagt in seinen „Erinnerungen“, es habe wol nie „eine unverständigere, dünkelhaftere, rohere Versammlung“ gegeben. Nach R. Blum’s Erschießung trat B. in der „Mainzer Zeitung“ mit der Erklärung auf, nun sei es mit der Monarchie gänzlich aus und in einer Versammlung bezeichnete er „die Volksfeinde im Parlament“ mit H. v. Gagern an der Spitze als „die tieferen Urheber dieses Mordes“. In seiner demokratischen Agitation war er bis Ende 1848 soweit gelangt, daß er erklären konnte, ganz Rheinhessen sei ein einziger Demokratenverein. Auch der allgemeine demokratische Turnerbund war seiner Leitung unterstellt, und bei einem am 24. Februar 1849 in Mainz gehaltenen Bankett der Erinnerung sagte B. unter der Büste Blum’s und der rothen Fahne in seiner Rede, noch liege ein Ocean von Blutsthränen zwischen uns und dem neuen Lande der Freiheit, „aber wir sind Männer der Zukunft“. Die vom Parlament beschlossene Reichsverfassung war nicht nach Bamberger’s Sinne, die Staatsmänner wie Gagern, Riesser, Welcker flößten ihm „unbegrenzte Antipathie“ ein, und am 31. März 1849 höhnte er in einem Leitartikel die Kaiserdeputation, [195] die ausziehe „um einen neuen Herrn für die souveräne Heerde herbeizubetteln“. Dennoch erließ er eine fulminante Aufforderung zu einer Vereinigung aller demokratischen Vereine Rheinhessens nach Bingen, wo am 29. April 1849 das Festhalten an der Reichsverfassung beschlossen wurde. Als Grund, warum die Demokratie an dem „blöden Machwerk“ festhalte, gibt B. in seiner Schrift über die Erhebung in der Pfalz an, sie habe geglaubt, daß der durch die Verfassung gesicherte Zustand dem drohenden Absolutismus gegenüber mit allen Opfern eines offenen Kampfes vertheidigt werden müsse. Zu diesem Kampfe zog B. selbst am 7. Mai 1849 mit dem rheinischen Hülfscorps aus nach der in der Erhebung begriffenen Pfalz. Zwar hegte er mit seinen Freunden Bedenken, da sie an ein Gelingen nur bei Erhebung aller deutscher Stämme glaubten; aber das Bewußtsein, daß es sich endlich um ein gemeinsames Ziel handele, rief ihnen, wie er sagte, zu: „Jetzt ist es Zeit!“, und in diesem Gefühle „eines unvermeidlichen Muß entschlossen wir uns zum äußersten Schritt“. Die Enttäuschung trat jedoch schon in Wörrstadt ein, wohin B. und Zitz die bewaffneten Rheinhessen zur Sammlung berufen hatten. Wie trostlos er die Zustände der Freischaren, welche Unordnung, welchen Mangel, welche Unfähigkeit der sonstigen Führer und welch’ kleinlichen Geist er vorfand, das ist von ihm, zum Theil stark persiflirend, in seiner noch 1849 in Frankfurt a. M. erschienenen Schrift „Erlebnisse aus der Pfälzischen Erhebung im Mai und Juni 1849“ geschildert, um damit „die Blößen der demokratischen Partei rückhaltlos aufzudecken, damit die Schäden ausgebessert würden“. In seiner Enttäuschung hatte B. die Freischar zur Heimkehr zu bewegen versucht, man hielt ihm aber vor, er müsse aushalten, da er die Sache unternommen habe, und so machte er mit gemischten Gefühlen und bei „völlig verflogenem Spiritus“ den Zug mit bis dahin, als der Rest am 18. Juni bei Knielingen über den Rhein nach Baden übertrat.

Damit endete die vorwiegend idealistische Periode des deutschen Patrioten, der durch die Umstände bewahrt war, so weit als der ähnlich veranlagte Hecker zu gehen, aber das Vaterland mußte er auf lange hin meiden. Mit Zitz begab er sich am 22. Juni 1849 in die Schweiz, lebte zunächst mit Fröbel in Zürich, dann im Verkehre mit M. Hartmann, Kapp, Alexander Herzen, Herwegh, J. Fazy, Braß, Klapka und Türr in Genf, hiernach wohnte er zusammen mit Oppenheim in Bern, wo er mit Löwe, Jacoby, L. Simon und d’Ester in Verkehr trat, Häuptern des Stuttgarter Rumpfparlaments, in das er während dessen letzten Tagen gewählt war. Nun handelte es sich aber um eine berufliche Beschäftigung, und da folgte er im Herbst 1849 dem Rufe Bischofsheim’s, des im gleichnamigen Bankgeschäfte zu London angestellten jüngeren Bruders seiner Mutter. Hier wandte er sich ebenfalls den politischen Flüchtlingen zu und stand im Verkehr mit L. Bucher, Freiligrath, Kinkel, Marx. Von den französischen Flüchtlingen zog ihn am meisten Louis Blanc an, und bei Mazzini wohnte er einer langen Berathung über die Revolutionirung Italiens an. Dagegen führten ihn die Brüder Bischofsheim immer tiefer in das praktische Leben ein und bewogen den 26jährigen, wieder Anfänger auf einem neuen Gebiete zu werden. So wurde er im Bankgeschäfte „Bischofsheim, Goldschmidt und Avigdor“ allmählich mit dem gesammten Bankfache sehr vertraut, insbesondere wurde er mit dem Handel bezüglich der Edelmetalle befaßt. Daneben lieferte er Beiträge für die vom österreichischen Flüchtling Kolaczek in Paris gegründete deutsche Monatsschrift und auf A. Herzen’s Wunsch eine Abhandlung über deutsche Zustände in Proudhon’s „Voix du peuple“. Als einer seiner Oheime Bischofsheim Vorstand der Filiale dieses Bankhauses in Antwerpen wurde, folgte er ihm im October 1850 dahin und entging hier nur auf besondere Verwendung einem Ausweisungsbefehle, nachdem ihm aus Deutschland amtlich eröffnet war, daß er [196] vom Schwurgerichte in Mainz wegen Beleidigung der Nationalversammlung zu 2 Jahren Gefängniß, wegen Amts- und Ehrverletzung des hessischen Heeres zu 4 Monaten Correctionshaus und wegen des Freischarenzugs zu 8 Jahren Zuchthaus, endlich vom Schwurgerichte in Zweibrücken zum Tode verurtheilt worden sei. Geschäftlich hatte er in Brüssel mit dem in seinen Anfängen stehenden Telegraphenbureau Reuter zu thun. Im September 1851 machte er sich selbständig durch Gründung des Bankhauses L. A. Bamberger in Rotterdam, wo er sich im Mai 1852 mit Anna Belmont aus Alzey vermählte. Aber schon im Herbst 1853 nahm er den Antrag, in das Bankhaus Bischofsheim zu Paris einzutreten an, und damit begann für ihn eine längere Zeit großer Anregungen, indem er sowol im Geschäfte wie im Salon mit den vornehmsten Vertretern der Politik, Litteratur und der bildenden Kunst zusammenkam. In litterarischen und gelehrten Kreisen wegen seiner umfassenden Studien und der geistreichen Art seiner Mittheilungen geschätzt, verkehrte er nicht bloß mit A. Meißner, Kuranda, dem schwäbischen Schriftsteller L. Pfau und dem nun ebenfalls in einem Pariser Bankhause angestellten L. Simon aus Trier, sondern wir finden ihn auch mit Iwan Turgenieff an M. Hartmann’s Krankenbette, in einem Salon mit Em. Arago, George Sand, Garnier-Pagés, dem Dichter Laprade, den Schriftstellern Littré, Forcade, Lavertujon, im Salon der Mad. Didier mit Berryer und St. Beuve, daneben im Geschäftsverkehr mit Crémieux, Lamartine, Meyerbeer und in Fragen der ägyptischen Anleihe mit dem späteren englischen Colonialminister Goschen; besondere Freundschaft verband ihn mit dem italienischen Staatsmann Peruzzi. Bei allem, was Paris ihm anziehendes bot, verfolgte er doch vor allem die Entwicklung in Deutschland und suchte in wichtigen Augenblicken mit seinem offenen Worte einzugreifen. Als 1859 in Süddeutschland sich die Neigung für ein thätiges Eingreifen Preußens und des Deutschen Bundes für Oesterreich in Italien zeigte, trat er in einer Schrift dagegen auf, deren Titel „Juchhe nach Italia“ ironisch dem Rufe der einstmals an England angeblich verkauften und in Amerika verwendeten deutschen Soldaten nachgebildet war, eine Schrift, wegen der er mit Fröbel in heftigen litterarischen Streit gerieth. 1860 hegte er mit M. Hartmann, Oppenheim und L. Simon in Paris den Plan, ein Organ zu schaffen, in dem eine Anzahl im Auslande lebender deutscher politischer Flüchtlinge mit einer gewissen Regelmäßigkeit ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung in Deutschland ausüben könnten. So entstanden die „Demokratischen Studien“ von L. Walesrode, zu denen B. einen Artikel lieferte, wegen dessen der darmstädtische Minister v. Dalwigk gegen Herausgeber und Verleger in Hamburg eine Untersuchung auf Hoch- und Landesverrath einleiten ließ. Nachdem jedoch Oppenheim im September 1861 in Berlin die „Deutschen Jahrbücher für Politik und Literatur“ begründet hatte, lieferte B. seine Aufsätze hierhin, von denen die über die Gold- und Silberfrage, „Berlin und Paris“ und über Renan’s Leben Jesu hervorzuheben sind. Bei der Enthüllung des Denkmals für den im Wallensee ertrunkenen L. Simon im J. 1862 kam er mit Jacoby, Temme, Nauwerk zusammen und hielt in Murg eine rührende Rede über die Weihe des Exils. Die nächsten Jahre brachten eine Reihe publicistischer Arbeiten, in denen B. den Gedanken vertrat, daß Preußen, welches allein etwas Bleibendes für Deutschland geschaffen, den Beruf zur Oberherrschaft in Deutschland besitze. So sehr ihn auch das Leben in Paris fesselte, so wuchs doch nach den Ereignissen von 1866 seine Sehnsucht nach Rückkehr in die Heimath und nach Betheiligung an der weiteren Entwicklung. Der frühere preußische Abgeordnete v. Unruh, der öfter nach Paris kam, suchte ihn darin zu bestärken. B. begab sich nach Ems und schrieb hier zunächst Artikel, in denen er seinen ehemaligen Gesinnungsgenossen in Süd- und [197] Westdeutschland dringend rieth, sich an Preußen anzuschließen; habe man sich auch den Anfang zur deutschen Einheit anders gedacht und ersehnt, so möchten sie doch den unliebenswürdigen Militärstaat nehmen wie er ist, weil er eben die wirkliche deutsche Großmacht sei. Zurückgekehrt nach Paris, wurde er von seinem Geschäftshause nach Berlin geschickt, um mit Strousberg über Betheiligung an Eisenbahnunternehmungen zu verhandeln. Hiernach löste er jedoch in Paris seine geschäftlichen Verbindungen und schrieb in Trouville über „Mr. de Bismarck“ mehrere im Februar 1868 in der Pariser „Revue moderne“ erscheinende Aufsätze, in denen er diejenigen, welche sich durch das erste Auftreten des Ministers v. Bismarck abgestoßen fühlten, für ihn zu gewinnen und die Franzosen zu vorurtheilsloser Beurtheilung der neuen deutschen Entwicklung zu bestimmen suchte. Diese Aufsätze erschienen sodann in einer besonderen französischen, 1868 zu Breslau in einer deutschen Ausgabe. Von Bismarck’s Persönlichkeit und Thaten ganz erfüllt, war B. darauf bedacht, dessen Politik mit Wort und That zu unterstützen, wozu ihm seine Wahl zum Vertreter von Mainz ins Zollparlament die erste Gelegenheit bot. Die starke Minderheit bei dieser Wahl bestand aus seinen früheren Genossen, den Demokraten, von denen er jetzt als Abtrünniger behandelt wurde. Der Idealist und Republikaner hatte sich aus Patriotismus in einen Vernunftmonarchisten verwandelt. Wofür er im Zollparlament eintrat, das hat er in seinen an die Wähler gerichteten „Vertraulichen Briefen aus dem Zollparlament 1868–70“ niedergelegt. Dabei ist bezeichnend, daß er in dem an A. Ruge gerichteten Vorworte sich als einen Mann schilderte, der die schnell lebende Gegenwart besitze, der mit raschem Eifer die Erscheinung jeden Tags in sich aufnehme, in demselben Tempo die empfangenen Eindrücke wiederzugeben pflege und die Wirkung davon zu erleben wünsche. Im Sommer 1870 vorübergehend wieder in Paris weilend, ließ ihm das, was er in Gesprächen mit eingeweihten Persönlichkeiten erfuhr, keinen Zweifel, daß Frankreich zum Kriege treibe, und er säumte nicht, dies in einem Briefe vom 10. Juli 1870 den Minister Delbrück in Berlin wissen zu lassen. Am 13. Juli verließ er Paris und am 2. August wurde er im Hauptquartier zu Mainz vom Bundeskanzler Grafen Bismarck bewogen, ihn als amtlicher Vermittler mit der deutschen Presse im Feldzuge zu begleiten. Der Kanzler zog ihn besonders heran, als es sich in Versailles um die Verträge mit den süddeutschen Staaten handelte. Verschiedene Aufträge desselben erledigte er mit Glück und hiernach wurde er eine Zeit lang mit Rücksicht auf die politischen Verwaltungsmaßregeln im Elsaß dem Regierungspräsidenten Kühlwetter beigegeben. In einer Schrift „Zur Naturgeschichte des französischen Kriegs“ (Lpz. 1871) kritisirte er auf Grund seiner Kenntniß des Charakters der Franzosen deren 1870 gehegte Auffassungen. 1871 von Mainz in den ersten deutschen Reichstag gewählt, schloß er sich der nationalliberalen Partei an, an deren Flugblättern er sich schon 1867 betheiligt hatte. Bei den Verhandlungen über die Friedenspräsenzstärke des Heeres trat er gegen das dreijährige Pauschquantum auf, im Juni 1872 machte er auf Grund seiner Erfahrungen geltend, daß den Elsässern die Theilnahme am Reichstage noch gleichgültig sei, im Mai 1873 wandte er sich scharf gegen die schwarze Schilderung, welche der Demokrat Sonnemann von den Zuständen des Reichslands entworfen hatte, und im Juni 1873 übte er durchschlagenden Einfluß auf das Zustandekommen des Reichsmünzgesetzes aus. Gegen den schon 1871 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über Ausprägung von Goldmünzen hatte B. eine Reihe von Anträgen eingebracht hauptsächlich um dem Münzwesen die Eigenschaft der Reichssache völliger zu wahren. Damals fielen sie zwar, gelangten aber später, von Lasker wieder aufgenommen, und vom Finanzminister in ihrer Bedeutung richtiger gewürdigt, dennoch [198] zur Annahme. Schriftstellerisch behandelte er um diese Zeit in dem Buche „Die Arbeiterfrage unter dem Gesichtspunkte des Vereinsrechts“ die englischen Trade Unions, die deutschen Gewerkvereine, die Arbeitseinstellungen und das Hülfscassenwesen, worauf Professor L. Brentano mit einer Gegenschrift antwortete. 1873 erschien ferner seine Schrift „Die 5 Milliarden“, worin er ein klares Verständniß über den wirklichen Hergang der Dinge bei der nach dem Krieg mit Frankreich bewirkten großen Finanzoperation zu geben suchte. Der Bankgesetzentwurf wurde am 16. Nov. 1874 von B. im Sinne einer einheitlichen Reichsfinanzpolitik angegriffen. Bei der zweiten Lesung der Strafgesetznovelle am 28. Januar 1876 sprach er sich für Zügelung der Socialdemokratie durch das Mittel der Belehrung aus. In der Frage des Socialistengesetzes ging B. zur Opposition gegen den Fürsten Bismarck über, dessen zur nationalliberalen Partei veränderte Stellung er am 21. Juni in einer längeren Rede zu Mainz schilderte (Nat.-Ztg. vom 26. Juni 1878). Als Bismarck im December 1878 den Schutz der nationalen Arbeit durch die Finanzpolitik des Reichs ankündigte, wurde Bamberger’s Opposition heftiger, denn Freihandel und Liberalismus waren ihm sich deckende Begriffe geworden. Er bekämpfte am 23. Februar 1878 im Reichstage den Reichskanzler wegen seines Tabakmonopolplanes, wünschte bei Berathung des neuen Socialistengesetzes eine nur beschränkte Zeit für die Vollmachten, sprach 1879 bei der Etatsberathung den Freihandel von der Schuld an der wirthschaftlichen Krisis frei, bezeichnete bei der Verhandlung vom 3. Mai über den Zolltarifentwurf die Steuerpolitik des Reichskanzlers als verhängnißvoll, trat in der Schrift „Was uns der Schutzzoll bringt“ gegen jede Art von Schutzzoll auf und stellte sich, gegenüber der von 204 Reichstagsabgeordneten für den Schutzzoll erlassenen Erklärung, an die Spitze eines „Vereins zur Förderung der Handelspolitik“, in dem er am 25. Mai 1880 eine große Rede über das Thema „Ist der Freihandel ein Reichsfeind?“ hielt. Mit dieser Opposition gegen Bismarck hing auch Bamberger’s entschiedenes Auftreten gegen die Vorlage wegen Erwerbung der Samoa-Inseln zusammen, die am 22. April wesentlich an seinen eingehenden Darlegungen gescheitert ist. Schon lange mit dem rechten Flügel der nationalliberalen Partei nicht einverstanden, schied er am 30. August 1880 nebst Braun, v. Forckenbeck, Rickert, v. Stauffenberg und 21 Anderen aus, welche nun die „Liberale Vereinigung“ bildeten. Das Unfallversicherungsgesetz wurde von B. am 26. März 1881 bekämpft, weil der eingeschlagene Weg grundfalsch sei, die Vorlage wegen eines Volkswirthschaftsraths bekämpfte er, weil eine solche Körperschaft dem Reichstage nicht eine Nebenconcurrenz machen dürfe, im Januar 1882 bekämpfte er den Zollanschluß Hamburgs, dann nochmals das Tabakmonopol und am 5. Mai 1883 sprach er sich beim Etat dahin aus, daß der Reichstag, wenn er sich gesund entwickeln solle, zum Parlamentarismus übergehen müsse. Seinen weiteren Klagen über Unterdrückung des freien Worts in Deutschland trat der Minister Scholz entgegen. Nach Lasker’s Tode hob B. am 7. März 1884 im Reichstag dessen große Verdienste hervor, während ihm vom Reichskanzler kein Dank zu Theil geworden sei. Bei der Trauerfeier für Lasker in Berlin hielt B. die Gedenkrede. Durch die weitere Entwicklung im Innern wurde er immer mehr verstimmt; es war, als ob er glaubte, daß ihm hierdurch ein Theil der Grundlage entzogen sei, auf der er nach 1866 seine Wandlung vollzogen hatte, seine Opposition im Reichstage nahm einen gereizten Ton an und er rückte durch Anschluß an die deutschfreisinnige Fraction so weit nach links als möglich, ohne wieder Demokrat zu werden. Am 15. März 1884 antwortete er auf Fürst Bismarck’s Aeußerungen zum Unfallversicherungsgesetze mit einer Rede, in der er von gewissenloser Gesetzgebung, socialistischen Schrullen und chimärischen Unternehmungen sprach. Auch bei der Postdampfervorlage [199] kam er am 14. Juni in heftigen Streit mit dem Fürsten Bismarck; die Subvention, meinte er, schädige die freie Entwicklung des Handels, man solle die Vermittlung lieber Privaten oder dem Auslande überlassen. In der Budgetcommission äußerte er sich über Colonialfragen sogar derart, daß Fürst Bismarck dies am 26. Juni im Reichstage als höhnische Persiflage bezeichnete, worauf B. die Dampfervorlage eine Revanche für Samoa nannte. Bei Berathung der Zolltarifnovelle am 11. Februar 1885 griff B. die Schutzzollpolitik heftig an; er behauptete, es handele sich beim Getreidezoll um Unterstützung des Großgrundbesitzes auf Kosten des kleinen Mannes. Hierbei stieß er aufs neue mit dem sonst von ihm so verehrten Fürsten Bismarck zusammen. In der die Militärvorlage berathenden Commission empfahl er am 8. December 1886, daß Deutschland mit Abrüstung vorangehe. Das Socialistengesetz fand er bei der Berathung im Januar 1888 unerträglich, Windthorst’s Antrag wegen Bekämpfung des Negerhandels gab ihm wieder Anlaß zur Warnung vor der Colonialpolitik, die ihm „faule Fische“ war; für die auf diesem Gebiete begangenen Mißgriffe machte er am 26. Januar 1889 Bismarck verantwortlich, und beim Nachtragsetat für Ostafrika am 12. Mai 1890 meinte er, so könne es nicht weiter gehen, endlich rieth er am 5. März 1892 zum Aufgeben der ganzen Colonialpolitik. Als 1893 nach der Entscheidung über die Militärvorlage die Deutschfreisinnigen sich trennten, ging B. zu der „Freisinnigen Vereinigung“ über, nahm aber eine Wiederwahl nicht an und entwickelte statt dessen, in Berlin wohnend, eine rege schriftstellerische Thätigkeit, vor allem in Barth’s „Nation“. Angeregt durch Fürst Bismarck’s „Erinnerungen“, setzte er sich in dem Buche „Bismarck Posthumus“ (1898) mit den großen Problemen der Fortentwicklung des deutschen Reichs auseinander. Von seinen früheren Werken sind noch die „Charakteristiken“ (Berlin 1894) hervorzuheben. Er schilderte in diesem Buche eingehend A. Lux, M. Hartmann, Lasker, Kapp, v. Treitschke, Renan u. A. Eine Ausgabe seiner Gesammelten Werke ist 1894 bis 97 in 4 Bänden zu Berlin erschienen. 1898 erlitt er einen Schlaganfall, erholte sich auf seiner Besitzung in Interlaken, am 14. März 1899 aber machte in Berlin ein sanfter Tod seinem Leben ein Ende. Seine von ihm innig geliebte Gattin hatte er schon 1874 verloren. Die Ehe war kinderlos geblieben.

Nekrologe s. im Berl. Tagebl. v. 14., Frankf. Ztg. und Köln. Ztg. v. 15. März 1899. Vgl. auch Preuß. Jahrb., Bd. 36 v. 1875, Grenzboten v. 2. April 1872, Illustr. Ztg. v. 4. Febr. 1882. – Am 17. März 1899 fand im Berliner Künstlerhause eine Trauerfeier mit Rede Barth’s statt. Im November wurde seine Büste im Gebäude der Reichsbank aufgestellt. – Bamberger’s „Erinnerungen“, die bis 1871 reichen und namentlich für die Sittenzustände in Frankreich von Interesse sind, wurden im November 1899 von P. Nathan in Berlin herausgegeben (s. Voss. Ztg. v. 28. Nov., Nat.-Ztg. v. 5., Köln. Ztg. v. 18. Dec.).