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RE:Sophene

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Landschaft in W-Armenien
Band III A,1 (1927) S. 10151019
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Sophene (Plin. n. h. V. 66. Tac. ann. XIII 7. Iustin. XLII 3, 9; [ἡ] Σωφηνή Diod. fr. XXXI 22. XL 4. Strab. XI 12, 3 u. ö. Plut. Lucull. 24, 8. 29, 8. Pomp. 33, 3. Appian. b. Mithr. 105. Zonar. X 4. Steph. Byz. Σωφ° wechselt hsl. öfter mit Σοφ°, so besonders Ptolem. V 12, 6; Σοφήνη Georg. Cypr. 958). Das Gentilicium Σωφηνός (Steph. Byz) ist bei Strab. XI 14, 12. 15 und XII 2, 1 belegt. Der Name Σωφανηνή, Sophanene ist als bloße Nebenform zuerst für Arrian bezeugt durch Steph. Byz. (παρὰ δ’ Ἀρριανῷ Σωφανηνὴ τετρασυλλάβος), ferner Cass. Dio XXXVI 53, 2 und Eutrop. VI 13. Später bezeichnet Sophanene eine besondere, von S. räumlich getrennte Landschaft. Der älteste Beleg hierfür ist wohl Cod. Theod. VI 12. 13, dann Polemius Silvius laterc. Bei Procop. bell. I 21, 6 u. ö. wird diese Landschaft (ἡ) Σοφανηνή (das Gentilicium Σοφανηνοί de aed. III 2, 9) genannt, und bei Iustinian (s. u.) finden sich beide Namen Sophene und Sophanene, Τζοφηνή und Τζοφανηνή (wonach Τζοφανήν Eustath. ad Dionys. perieg. 694 in Τζοφανηνήν zu verbessern ist) mit der jedem Namen eigentümlichen Bedeutung nebeneinander. Eine gesonderte Betrachtung erfordert die Anwendung des Namens Sophene bei Petr. Patrik. frg. 14 (s. u.).

[1016] Die Landschaft S. wird von Strabon und Ptolemaios Armenien zugerechnet, aber jener unterscheidet schon τὴν ἰδίως λεγομένην Ἀρμενίαν (XI 14, 15) von S. und Plut. Lucull. 24, 8 schlechthin S. und Armenien. S. lag nach Strabon und Ptolemaios im westlichen Armenien, stieß westlich an den Euphrat, und zwar unmittelbar an der Ausbiegung des Stromes (πρὸς αὐτῇ τῇ ἐκτροπῇ τοῦ ποταμοῦ Ptolem.), gegenüber den kappadokischen Landschaften Melitene und Kommagene, die sich am Westufer des Euphrat erstreckten (Strab. XI 12, 3. XII 2, 1). Die befestigte Stadt Tomisa, auf dem kappadokischen Ufer des Euphrat gelegen, wurde zu einer nicht näher bestimmten Zeit für 100 Talente an den Sophener verkauft, später von Lucullus, der im J. 69 hier über den Euphrat ging, dem Kappadoker zurückgegeben. Im Norden wurde S. vom Antitauros begrenzt (Strab. XI 12, 4), der es von der Landschaft Akilisene schied (c. 14, 2). Als südliche Grenze S.s nennt Strabon an der ersten Stelle den Tauros, der von anderen als gordyäische Berge bezeichnet werde, an der zweiten den Masios. Eine Ostgrenze geben weder Strabon noch Ptolemaios ausdrücklich an. Als aber Lucullus nach seinem Übergang über den Euphrat mehrere Tage durch S. gezogen war, überschritt er den Tigris und fiel in Armenien ein (Plut. Luc. 24, 8). Der Tigris bildete also die Ost- oder Südostgrenze gegen Armenien.

Der Name S. ist alt. Schon in chaldischen Keilinschriften des 8. Jhdts. wird das Land Ṣupani erwähnt. Es war damals von Hettitern bewohnt und wurde von König Menuaš von Biaina erobert; vgl. Belck Beitr. z. alten Geogr. und Gesch. Vorderasiens I 48ff. (Lpz. 1901). Lehmann-Haupt Armenien einst u. jetzt I 507ff. (Berl. 1910). Seit der Eroberung durch Kyros um 550 hat S. wahrscheinlich zu Armenien gehört und die Geschicke dieser Provinz des Achämenidenreiches geteilt (s. Armenia o. Bd. II S. 1181ff.). Unter Antiochos III. wurde Armenien von zwei Strategen des Königs, Artaxias und Zariadris, verwaltet. Diese benutzten die schwere Niederlage, die ihr Oberherr im J. 190 im Kriege gegen Rom erlitten hatte, dazu, sich selbständig zu machen. Artaxias behielt den Osten, Zariadris wurde König von S. und einigen anderen Landschaften des westlichen Armeniens (Strab. XI 14, 5. 15). Als Residenz des Königs von S. nennt Strabon (XI 14, 2) Karkathiokerta. Über den Ausgang des Zariadris ist nichts Näheres bekannt. Aber seine Herrschaft muß noch vor der des Artaxias geendet haben. Denn dieser machte dem König Ariarathes V. von Kappadokien den Vorschlag, S. mit ihm zu teilen. Ariarathes lehnte dies ab und führte vielmehr den rechtmäßigen Thronerben Mithrobuzanes, in dem wir einen Sohn oder Enkel des Zariadris zu erkennen haben, um 163 in seine väterliche Herrschaft zurück (Diod. fr. XXXI 22). Was Artaxias erfolglos erstrebt hatte, gelang 70 Jahre später seinem Nachkommen Tigranes II. Dieser griff den Herrscher von S. an, eroberte sein Land und setzte ihn ab. Der Name des entthronten Sopheners ist im jetzigen Texte Strabons (XI14,15) Arianes geschrieben, im Zitat bei Steph. Byz. aber Arsakes. Seine Absetzung wird mit Marquardt Erānšahr [1017] S. 173) zwischen 95 und 93 v. Chr. anzusetzen sein.

Während des dritten Mithradatischen Krieges durchzog Lucullus im J. 69 S., vom Volke als Befreier begrüßt (Plut. Luc. 29, 8), fiel in Armenien ein und besiegte Tigranes. In dem Frieden, den Pompeius im J. 66 mit dem armenischen König schloß, mußte sich dieser in den Verlust der von Lucullus eroberten Provinzen fügen. Dazu gehörte S., das Pompeius erst einem Sohne des Tigranes zugedacht hatte, dann aber Ariobarzanes I. von Kappadokien überließ (Plut. Pomp. 33, 3. Appian. b. Mithr. 105. Cass. Dio XXXVI 53. Eutrop. VI 13. Zonar. X 4). Die ursprünglich kappadokische Euphratfestung Tomisa, die einst durch Kauf an S. gelangt war, hatte der Kappadoker schon durch Lucullus wieder erhalten (s. o.). Der letzte König von S., von dem wir Kunde haben, war Sohaemus aus dem Fürstenhause von Hemesa, den Kaiser Nero im J. S 54 n. Chr. einsetzte (Tac. ann. XIII 7).

Der Einfall in das römische Mesopotamien, den der persische König Narsaios im J. 296 unternahm, führte erst zu einer Niederlage der Römer, endete aber mit ihrem unbestrittenen Siege. Die κεφάλαια des Friedens von 297 sind uns durch ein Bruchstück aus dem Geschichtswerk des Petros Patrikios (frg. 14) erhalten:ὥστε κατὰ τὸ ἀνατολικὸν κλίμα τὴν Ἰγγιληνὴν (so aus Ἰντιληνὴν längst verbessert) μετὰ Σωφηνῆς καὶ Ἀρζανηνὴν μετὰ Καρδουηνῶν καὶ Ζαβδικηνῶν Ῥωμαίους ἔχειν, καὶ τὸν Τίγριν ποταμὸν ἑκατέρας πολιτείας ὁροθέσιον εἶναι κτλ.. Hier sind verschiedene Schwierigkeiten (s. o. Bd. X S. 1937f.). Zunächst fällt auf, daß S. als Anhängsel von Ingilene erscheint, wie Karduene und Zabdikene als Anhängsel von Arzanene. Ferner hätte der Vertrag zwischen Ingilene (armen. Ange-tun, der Landschaft am Arghana-Su, dem westlichsten Quellfluß des Tigris) und Arzanene eine Lücke gelassen, die persisches Hoheitsgebiet geblieben und wie ein polnischer Korridor zwischen zwei römische Gebiete eingedrungen wäre. Eine solche Teilung konnte sich ein Siegerstaat schon aus militärischen Rücksichten nicht leisten und hat sie auch sicherlich nicht vorgenommen. Dann sollte der Tigris die Grenze beider Reiche bilden. Wozu ist dann aber Zabdikene, das diesseits des Tigris lag, noch besonders genannt? Und Ingilene, Karduene lagen doch mindestens teilweise, Arzanene aber vollständig jenseits des Tigris. Die Schwierigkeiten haben verschiedene Lösungsversuche hervorgerufen. Güterbock (Festschr. f. Schirmer S. 6, Königsb. 1900) umschrieb die Friedensbedingungen folgendermaßen: ,der Oberlauf des Tigris sollte fortan die Scheide beider Reiche bilden, so jedoch, daß über ihn hinaus einige armenische und persische Grenzgebiete: westlich Ingilene und S., östlich Arzanene, Korduene und Moxoene, sowie das mesopotamische Zabdikene den Römern abgetreten werden mußten.‘ Man könnte dem zur Not zustimmen, wenn es bei Petros Patrikios hieße: ὥστε . . . τὸν μὲν Τίγριν ποταμὸν ἑκατέρας πολιτείας ὁροθέσιον εἶναι, τὴν δ’ Ἰγγιληνὴν μετὰ Σωφηνῆς καὶ Ἀρζανηνηὴν μετὰ Καρδουηνῶν Ῥωμαίους ἔχειν κτλ. Aber so wie der Text uns überliefert ist, kann nicht der erste Satz als Einschränkung [1018] des zweiten aufgefaßt werden; vielmehr ist der zweite Satz eine glatte Aufhebung des ersten. Marquart (a. a. O. 171) meint, ,daß die (zu Armenien gehörigen) Fürstentümer Ingilene ... Zabdikene in ein näheres Klientelverhältnis zum römischen Reiche traten. Damit blieb jedoch ihre Zugehörigkeit zum Königreich Armenien bestehen.‘ Ob dies aber aus den Worten Ῥωμαίους ἔχειν herausgelesen werden darf? Ich glaube kaum. Mit Recht urteilte Hübschmann (Idg. Forsch. XVI 220,1): ,da das Land südlich und nördlich vom oberen Tigris römisch war, so ist es unklar, wieso bei Petros Patrikios der Tigris als Grenze beider Staaten bezeichnet werden konnte ... Die Angabe muß falsch sein.‘ In der Tat gibt Petros Patrikios nur die Hauptpunkte des Friedensvertrags und diese offenbar ungenau wieder. Der Friedensvertrag wird allerdings den Tigris als Reichsgrenze genannt, aber gewiß nicht den ganzen Stromlauf von der Quelle bis zur Mündung gemeint haben. Er muß also genauer bestimmt haben, von welchem Punkte an und bis zu welchem Punkte hin der Tigris die Grenze bilden sollte. Solange uns darüber nähere Mitteilungen fehlen, ist die allgemeine Angabe, daß der Tigris die Grenze beider Reiche sein sollte, für uns so gut wie unbrauchbar. Es bleiben nur noch die übrigen Angaben über den Friedensvertrag. Feststeht dabei eines: die Landschaft zwischen Ingilene und Arzanene muß zu dem an die Römer abgetretenen Gebiet gehört haben. Dies ist aber die Landschaft, die Prokopios (ἡ) Σοφανηνή nennt, die im Osten vom Nymphiosfluß (jetzt Batman-Su) begrenzt wurde, und als deren Hauptstadt Martyropolis galt. Es ist also entweder bei Petros Patrikios Σωφηνῆς in Σωφανηνῆς zu verbessern – wobei man stillschweigend annehmen könnte, daß das wirkliche S. in dem Friedensvertrag vielleicht deshalb nicht ausdrücklich erwähnt wurde, weil es sich zur damaligen Zeit schon im Besitz der Römer befunden hätte – oder Sophanene wurde bei Petros Patrikios deshalb nicht genannt, weil sich damals Ingilene so weit nach Osten erstreckte, daß es die Landschaft Sophanene mit umfaßte (so Hübschmann a. a. O. 219, 4 unter Berufung auf Kiepert M.-Ber. Akad. Berl. 1873, 200 und Marquart a. a. O.), oder endlich: die Bezeichnung S. galt damals auch für Sophanene (Güterbock a. a. O. 32). Für diese letztere Deutung ließe sich die Verwendung des entsprechenden armenischen Namens geltend machen. Das armenische Copʿkʿ hat bei fast allen Schriftstellern beide Bedeutungen, bezeichnet sowohl Sophanene als auch Sophene. Die einzige Ausnahme ist Faustus von Byzanz: dieser unterscheidet mec Copʿkʿ ,das große C‘ = Sophanene einerseits, Copʿkʿ šaheaj ,das šahische C.‘, C. šahunvoç ,das C. der Šahunier‘ oder einfach mius C. ,das andere C‘ = Sophene andererseits. Ähnlich werden beide Landschaften im Syrischen unterschieden: Sōf = Sophene, aṯrā dě Ṣōfanājě = Sophanene. Im 4. Jhdt. stand Sophanene wie seine Nachbarlandschaften unter Satrapen. Ein Erlaß der Kaiser Gratianus, Valentinianus und Theodosius (Cod. Theod. XII 13, 6 Haenel) trägt die Anschrift: Gaddanae satrapae Sophanenae. Im Laterculus des Polemius Silvius wird Sophanene als römische [1019] Provinz hinter Mesopotamia, Eufratesia, Hosdroene genannt. Als im J. 503 der Perserkönig Kabades I. in das byzantinische Armenien einfiel, ergab sich der Satrap von Sophanene, Theodoros, und das Land mit der Hauptstadt Martyropolis fiel den Persern ohne Schwertstreich zu (Procop. de aed. III 2, 6. 9). Iustinian, der 527 den Kaiserthron bestiegen hatte, beeilte sich, die Verwaltung Armeniens neu zu ordnen, engte das Tätigkeitsgebiet der Satrapen stark ein und unterstellte magnam Armeniam quae interior dicebatur et gentes (Anzitenam videlicet, Ingitenam, Asthianenam, Sophenam, Sophanenam in qua est Martyropolis, Balabitenam) et primam et secundam Armeniam et Pontum Polemoniacum einem Magister militum. Dieser im Codex Iustiniani (I 29, 5) Zeta, bei Prokop. Sittas genannt, hatte, als die Perser 531 den Krieg erneuerten und das schlecht befestigte und ungenügend verproviantierte Martyropolis belagerten, große Mühe, die Feinde durch Gesandtschaften hinzuhalten. Der bald darauf erfolgte Tod des Königs Kabades befreite die Byzantiner von dieser Bedrohung, da der neue König Chosroes II. alsbald Frieden schloß (Procop. bell. I 21f.). Iustinian benutzte die Zeit, auch Sophanene stark zu befestigen (Procop. de aed. III 3). Im J. 536 schaffte er die Satrapen vollends ab und vereinigte die bisherigen Satrapien (gentes, ἔθνη), darunter Τζοφανηνή und Τζοφηνή, zu einer neugebildeten Provinz, der τετάρτη Ἄρμενία, quarta Armenia (Iustinian. nov. rec. Schoell XXXI 1,3).