Thermaerogenit

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Thermaerogenit
Thermaerogenit (Braun) auf Aphthitalit (Weiß), Hämatit (Schwarz) und Tenorit (Schwarz)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2018-021[1][2]

IMA-Symbol

Tag[3]

Chemische Formel Cu2+Al2O4[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch[2]
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m
Raumgruppe Fd3m (Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227[2]
Gitterparameter a = synthetisch: 8,079(3)
natürlicher Mischkristall: 8,093(9) Å[2]
Formeleinheiten Z = 8[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 7[2]
Dichte (g/cm3) berechnet: 4,870[2]
Spaltbarkeit nicht beobachtet[2]
Bruch; Tenazität muschelig[2]
Farbe gelblich bis rötlich braun[2]
Strichfarbe gelblich[2]
Transparenz Bitte ergänzen!
Glanz Glasglanz[2]
Kristalloptik
Brechungsindex n = nicht publiziert

Das Mineral Thermaerogenit ist ein sehr selten vorkommendes Oxid aus der Spinell-Supergruppe mit der Endgliedzusammensetzung Cu2+Al2O4. Es kristallisiert mit kubischer Symmetrie und tritt in Form brauner, oktaedrischer Kristalle von weniger als 0,1 mm Größe auf.[2]

Typlokalität ist die Fumarole Arsenatnaya des Tolbatschik-Vulkans auf der Halbinsel Kamtschatka in Russland.

Etymologie und Geschichte

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Spinelle sind wegen ihrer einfachen Struktur bei gleichzeitig hoher chemischer Variabilität ein beliebtes Modellsystem, um kristallchemische Gesetzmäßigkeiten oder elektrische und magnetische Eigenschaften zu studieren.

Nickelaluminate können sich bei der Verhüttung von Kupfer durch Reaktionen mit aluminiumreichen Feuerfestmaterialien der Öfen bilden. Um z.B: diese Reaktionen zu verstehen (und zu vermeiden) wurden die thermodynamischen Eigenschaften von CuAlO2 und dem Spinell CuAl2O4 Mitte des 20. Jahrhunderts untersucht.[4] Da diese Eigenschaften von Spinellen auch von der Kationenverteilung in der Spinellstruktur abhängen,[5] wurde die Verteilung von Cu2+ und Al3+ im synthetischen Cu-Spinellen wiederholt untersucht.[6][7][8]

Aus der Natur waren kupferreiche Oxispinelle lange nicht bekannt. Das erste und bislang (2024) einzige natürliche Vorkommen beschrieben russische Wissenschaftler im Jahr 2018. Sie entdeckten kupferreiche Oxidspinelle, darunter auch Cu2+Al2O4 in vulkanischen Sublimationsprodukten der Arsenatnaya Fumarole des Vulkans Tolbatschik auf der Halbinsel Kamchatka in Russland. Den neuen Kupfer-Aluminat-Spinell benannten sie nach seinen Bildungsbedingungen Thermaerogenit. Dieser Name (Therm-aero-genit) setzt sich zusammen aus den griechischen Worten θερμός für heiß, αέριον für Gas und γενής, was mit “geboren aus” übersetzt wird.[2]

Die strukturelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Thermaerogenit zur Spinell-Supergruppe, wo er zusammen mit Chromit, Cochromit, Coulsonit, Cuprospinell, Dellagiustait, Deltalumit, Franklinit, Gahnit, Galaxit, Guit, Hausmannit, Hercynit, Hetaerolith, Jakobsit, Maghemit, Magnesiochromit, Magnesiocoulsonit, Magnesioferrit, Magnetit, Manganochromit, Spinell, Titanomaghemit, Trevorit, Vuorelainenit und Zincochromit die Spinell-Untergruppe innerhalb der Oxispinelle bildet.[9] Ebenfalls in diese Gruppe gehören die nach 2018 beschriebenen Oxispinelle Chihmingit[10] und Chukochenit[11] sowie der Nichromit, dessen Name von der CNMNC der IMA noch nicht anerkannt worden ist.[12]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist der Thermaerogenit ebenso wenig verzeichnet, wie im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, dessen „Lapis-Systematik“ sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet.[13]

Die von 2001 bis 2009 von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Thermaerogenit ebenfalls noch nicht.[14]

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana führt den Thermaerogenit noch nicht auf.

Die von der Mineraldatenbank „Mindat.org“ weitergeführte Strunz-Klassifikation, die sich im Aufbau nach der 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik richtet, ordnet den Thermaerogenit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung „Metall : Sauerstoff = 3 : 4 und vergleichbare“ (englisch Metal : Oxygen = 3 : 4 and similar) ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und Thermaerogenit ist entsprechend seiner Zusammensetzung in die Unterabteilung „Mit ausschließlich mittelgroßen Kationen“ (englisch With only medium-sized cations) mit der Systemnummer 4.BA. eingeordnet worden (vergleiche dazu die gleichnamige Unterabteilung in der Klassifikation nach Strunz (9. Auflage)). Eine weitergehende Einordnung in eine bestimmte Mineralgruppe gibt es bisher nicht.[15]

Reiner Thermaerogenit hat die Endgliedzusammensetzung Cu2+Al2O4 und ist das Kupfer-Analog von Spinell (Mg2+Al2O4) bzw. das Aluminium-Analog von Cuprospinell (Cu2+Fe3+2O4). Die empirische Zusammensetzung des Kupfer-Aluminium-Spinells aus der Typlokalität ist

  • (Cu2+0,619Zn0,422)(Al1,523Fe3+0,443Cr3+0,007)O4[2]

Thermaerogenit bildet Mischkristalle mit Gahnit, Cuprospinell und Spinell entsprechend er Austauschreaktionen[2]

  • Cu2+ = Zn2+ (Gahnit)
  • Cu2+ = Mg2+ (Spinell)
  • Al3+ = Fe3+ (Cuprospinell)

Kristallstruktur

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Natürlicher Thermaerogenit kristallisiert mit kubischer Symmetrie der Raumgruppe Fd3m (Raumgruppen-Nr. 227)Vorlage:Raumgruppe/227 und dem Gitterparameter a = 8,093(9) Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle mit der Struktur von Spinell.[2]

In diesem vorwiegend normalen Spinell ist die Tetraederposition vorwiegend mit Kupfer (Cu2+) besetzt und die Oktaederposition mit Aluminium (Al3+).[2]

Bildung und Fundorte

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Schlackenkegel am Fuße des Vulkans Tolbachik (Kamtschatka, Russland)
Thermaerogenit (braun) auf Langbeinit (weiß), Urusovit (hellblau), Tenorit (schwarz) und Ericlaxmanit (grün)

Thermaerogenit ist ein extrem seltenes Mineral und weltweit nur an der Typlokalität gefunden worden, der Arsenatnaya Fumarole am zweiten Schlackenkegel des nördlichen Ausbruchs der großen Spalteneruption des Tolbatschik im Jahr 1975.[2][16] Die Arsenatnaya Fumarole gehört mit rund 150 Mineralen zu den mineralreichsten Fumarolen weltweit. Sie ist die Typlokalität von 67 Mineralen.[17] Rund 30 weitere sind bislang nur unzureichend charakterisiert worden.[2]

Die Fumarole war zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung in den Jahren 2012 noch aktiv und setzte CO2, HF und HCl mit Temperaturen von bis zu 490 °C frei. Im Bereich der 15 m langen Fumarole sind die Spalten und Taschen des Basalts ausgekleidet mit sehr mineralreichen Krusten, die sich aus den Fumarolengasen abschieden. Die Aluminat- und Ferritspinell haltigen Paragenesen finden sich in mittleren Tiefen (1–2 m) und enthalten neben kupferreichen Spinellen (Spinell, Gahnit, Thermaerogenit, Magnesioferrit, Franklinit und Cuprospinell) eine Vielzahl von Begleitmineralen, darunter Tenorit, Hämatit, Orthoklas (As-haltige Varietät), Fluorophlogopit, Langbeinit, Calciolangbeinit, Sulfate vom Aphthitalit-Typ, Anhydrit, Krascheninnikovit, Vanthoffit, Fluoborit, Sylvit, Halit, Pseudobrookit, Rutil, Korund und die Arsenate Urusovit, Johillerit, Ericlaxmanit, Kosyrevskit, Popovit, Lammerit, Lammerit-β, Tilasit, Svabit, Nickenichit, Bradaczekit, Dmisokolovit, Shchurovskyit und andere.[2]

Die kupferreichen Spinelle gehören zu den letzten Bildungen und überkrusten die Oxide Hämatit und Tenorit sowie die Arsenate und Sulfide. Verbreitet sind epitaktische Verwachsungen von Spinellen mit der {111}-Fläche auf der {0001}-Fläche von Hämatit.[2]

Einzelnachweise

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  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 14. September 2024 (englisch).
  2. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Igor V. Pekov, Fedor D. Sandalov, Natalia N. Koshlyakova, Marina F. Vigasina, Yury S. Polekhovsky, Sergey N. Britvin, Evgeny G. Sidorov, Anna G. Turchkova: Copper in Natural Oxide Spinels: The New Mineral Thermaerogenite CuAl2O4, Cuprospinel and Cu-Enriched Varieties of Other Spinel-Group Members from Fumaroles of the Tolbachik Volcano, Kamchatka, Russia. In: Minerals. Band 8, Nr. 11, 2018, S. 498, doi:10.3390/min8110498 (englisch).
  3. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  4. K. T. Jacob, C. B. Alcock: Thermodynamics of CuAlO2 and CuAl2O4 and phase-equilibria in system Cu2O-CuO-Al2O3. In: Journal of the American Ceramic Society. Band 58, Nr. 5–6, 1975, S. 192–195, doi:10.1111/j.1151-2916.1975.tb11441.x (englisch, online verfügbar bei researchgate.net [PDF; 421 kB; abgerufen am 14. September 2024]).
  5. Hugh St. C. O’Neill and Alexandra Navrotsky: Simple spinels: crystallographic parameters, cation radii, lattice energies, and cation distribution. In: American Mineralogist. Band 68, 1983, S. 181–194 (englisch, minsocam.org [PDF; 1,6 MB; abgerufen am 14. September 2024]).
  6. H. Schmalzried: Röntgenographische Untersuchung der Kationenverteilung in Spinellphasen. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. Band 28, Nr. 3-4, 1961, S. 203–219, doi:10.1524/zpch.1961.28.3_4.203.
  7. Hugh St. C. O’Neill, Michael James, Wayne A. Dollase, Simon A. T. Redfern: Temperature dependence of the cation distribution in CuAl2O4 spinel. In: European Journal of Mineralogy. Band 17, 2005, S. 581–586 (englisch, online verfügbar bei researchgate.net [PDF; 485 kB; abgerufen am 14. September 2024]).
  8. Rosa Anna Fregola, Ferdinando Bosi, Henrik Skogby, Ulf Hålenius: Cation ordering over short-range and long-range scales in the MgAl2O4-CuAl2O4 series. In: American Mineralogist. Band 97, 2012, S. 1821–1827 (englisch, citeseerx.ist.psu.edu [PDF; 452 kB; abgerufen am 14. September 2024]).
  9. Ferdinando Bosi, Cristian Biagioni, Marco Pasero: Nomenclature and classification of the spinel supergroup. In: European Journal of Mineralogy. Band 31, Nr. 1, 12. September 2018, S. 183–192, doi:10.1127/ejm/2019/0031-2788 (englisch).
  10. Ritsuro Miyawaki, Frédéric Hatert, Marco Pasero, Stuart J. Mills: IMA Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) – CNMNC Newsletter 67. In: European Journal of Mineralogy. Band 34, 2022, S. 359–364, Chihmingite, IMA 2022-010 (englisch, ejm.copernicus.org [PDF; 113 kB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  11. Can Rao, Xiangping Gu, Rucheng Wang, Qunke Xia, Yuanfeng Cai, Chuanwan Dong, Frédéric Hatert, Yantao Hao: Chukochenite, (Li0.5Al0.5)Al2O4, a new lithium oxyspinel mineral from the Xianghualing skarn, Hunan Province, China. In: American Mineralogist. Band 107, Nr. 5, 2022, S. 842–847, doi:10.2138/am-2021-7932 (englisch).
  12. Cristian Biagioni, Marco Pasero: The systematics of the spinel-type minerals: An overview. In: American Mineralogist. Band 99, Nr. 7, 2014, S. 1254–1264, doi:10.2138/am.2014.4816 (englisch, Vorabversion online bei minsocam.org [PDF; 4,6 MB; abgerufen am 23. Januar 2024]).
  13. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  14. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  15. Classification of Thermaerogenite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 14. September 2024 (englisch, siehe auch Anker „Strunz-Mindat“).
  16. Fundortliste für Thermaerogenit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 14. September 2024.
  17. Arsenatnaya fumarole, Second scoria cone, Northern Breakthrough (North Breach), Great Fissure eruption (Main Fracture), Tolbachik Volcanic field, Milkovsky District, Kamchatka Krai, Russia. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 14. September 2024 (englisch).