Berufsverbot (Deutschland)

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Als Berufsverbot wird eine Anordnung eines Staatsorgans bezeichnet, die einer konkreten Person oder Personengruppe bestimmte Tätigkeiten untersagt. Davon abzugrenzen ist das Beschäftigungsverbot, das einem Arbeitgeber auf gesetzlicher Grundlage die Beschäftigung eines Arbeitnehmers - in der Regel zu dessen Schutz - verbietet.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Maßnahmen als Berufsverbot bezeichnet, die die Berufsfreiheit de facto einschränken. In vielen Ländern ist die Berufsfreiheit ein von der jeweiligen Verfassung gewährtes Grundrecht. In Deutschland wird sie vom Grundgesetz gewährt (siehe auch Grundrechte (Deutschland), Grundrechte (EU)).

Eingriffe in der Berufsfreiheit sind auf Grundlage von Gesetzen möglich. Beispiele:

Geschichte

Deutscher Bund bis Weimarer Republik

In der Paulskirchenverfassung waren die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum garantiert. Zwar trat die Verfassung nie in Kraft, jedoch ihr späterer Grundrechtsteil (Abschnitt VI, §§ 130 bis 189) entsprach den durch das Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848 für anwendbar erklärten Grundrechten. Den Grundrechten kam noch kaum praktische Bedeutung zu, da die Gegenrevolution zu diesem Zeitpunkt wieder erstarkt war und mehrere Gliedstaaten des Deutschen Bundes die Veröffentlichung der Grundrechte in ihren Gesetzblättern verweigerten, was nach damaligem Bundesrecht zu deren Inkrafttreten erforderlich gewesen wäre. Schon im August 1851 wurde der Grundrechtskatalog von der Bundesversammlung formal wieder aufgehoben. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 verbürgte dagegen keine Grundrechte („Einheit vor Freiheit“). Erst die Weimarer Reichsverfassung knüpfte an die Paulskirchenverfassung an und enthielt die gleichen Grundrechte und als zusätzliche soziale Grundrechte unter anderem die Grundpflicht und das Grundrecht auf Arbeit (Art. 163 WRV).

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden mit der Reichstagsbrandverordnung von 1933 die in den Art. 114 (Freiheit der Person), Art. 115 (Unverletzlichkeit der Wohnung), Art. 117 (Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis), Art. 118 (Meinungsfreiheit), Art. 123 (Versammlungsfreiheit), Art. 124 (Vereinigungsfreiheit) und Art. 153 WRV (Eigentumsgewährleistung) festgeschriebenen Grundrechte außer Kraft gesetzt.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche Berufsverbote aus politischen oder ideologischen Gründen ausgesprochen. Daneben gab es auch unausgesprochene Berufsverbote. Juden und politisch Missliebige wurden aus dem Staatsdienst entlassen (Berufsbeamtengesetz vom 7. April 1933). Infolge der Nürnberger Gesetze von 1935 durften Juden spätestens ab 1938 nicht mehr als Arzt oder Rechtsanwalt tätig sein.

Approbationsentzug jüdischer Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker

Am 25. Juli 1938 war die „Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ erlassen worden. Damit war der Approbationsentzug aller jüdischen Ärztinnen und Ärzte zum 30. September 1938 festgeschrieben. Dies bedeutete das Ende deren beruflicher Existenz. [1] Zum 1. Januar 1939 wurde mit einer weiteren Verordnung zum Reichsbürgergesetz jüdischen Zahnärzten, Tierärzten und Apothekern die Approbation entzogen. 3152 jüdische Ärzte lebten damals noch in Deutschland. Für alle bedeutete dies ein Berufsverbot ab 1. Oktober 1938. Sie durften sich weder Arzt nennen, noch ihren Doktortitel behalten. Die Universitäten betrieben hierzu auch den Entzug der Promotion. 709 jüdischen Medizinern wurde auf Widerruf und mit polizeilicher Registrierung zugestanden, als „Krankenbehandler“ ausschließlich jüdische Menschen zu behandeln. [2]

Berufsverbot für Rechtsanwälte

Am 27. September 1938 wurde ein generelles Berufsverbot für jüdische Rechtsanwälte erlassen.

Berufsverbot für Künstler

Berufsverbot bekamen zahlreiche Künstler, deren Werke den Nazis nicht gefielen.

Besatzungszeit

Besatzungsrechtlich wurden gegen eine Vielzahl von Belasteten aus der Zeit des Nationalsozialismus Berufsverbote verhängt. Dies galt vor allem für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Berufsverbote waren ein Instrument der Entnazifizierung. So wurden nach 1945 einigen Filmkünstlern, die im Nationalsozialismus eng mit dem Regime zusammengearbeitet hatten, weitere Tätigkeiten in der Filmbranche von den Siegermächten nach dem Zweiten Weltkrieges verboten.

DDR

In der DDR war das Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht gesichert. Die Möglichkeit der Ausbildung (siehe Erweiterte Oberschule#Bildungsdiskriminierung als Repressionsinstrument) zum gewünschten Beruf und dessen Ausübung konnte bei aus Sicht der Machthaber vorliegender politischer Unzuverlässigkeit untersagt werden.[4]

Daneben konnten gemäß § 53 StGB ein Berufsverbot von einem bis fünf Jahren verhängt werden.

Bundesrepublik

Am bekanntesten wurde in diesem Zusammenhang der sogenannte Radikalenerlass von 1972. Er wurde in der Bundesrepublik dazu verwendet, Personen mit kommunistischen Überzeugungen aus dem Staatsdienst zu entfernen oder ihnen die Aufnahme in denselben - speziell die Verbeamtung - zu verwehren.[5] Den Betroffenen wurde nicht die Berufstätigkeit verboten; da aber Lehrer oder Eisenbahner fast immer im Staatsdienst arbeiteten, waren die Folgen ähnlich.

Juristische Fachsprache

Im juristischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet der Begriff Berufsverbot eine gesetzliche Folge oder Maßregel der Besserung und Sicherung aus der Verurteilung wegen einer Straftat. Berufsverbote greifen unmittelbar und direkt in die Berufsfreiheit des Art. 12 GG ein.

Entzug der Approbation

Wenn sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung - BÄO [6]) zur Ausübung des Arztberufs ergibt, kann dies zum Entzug der Approbation führen (§ 5 Abs. 2 BÄO). Der Widerruf der Approbation erfolgt durch die nach Landesrecht zuständige Behörde des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist (§ 12 Abs. 4 S. 1 BÄO).

„Unwürdigkeit“ und „Unzuverlässigkeit“ sind dabei unbestimmte Rechtsbegriffe. Das bedeutet, dass die zuständige Behörde dies in ihrem Ermessen zu beurteilen hat, wobei sie bei diesem schweren Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierte Berufsfreiheit Rechnung tragen muss.

Unzuverlässig im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO kann bedeuten, wer nach seiner Gesamtpersönlichkeit keine ausreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung mehr bietet. Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Vermutung rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände.

Unwürdig im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO kann bedeuten, wer durch sein Verhalten das zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen bei der Bevölkerung nicht mehr besitzt. Der Arzt muss also langanhaltend in erheblichem Ausmaß gegen seine Berufspflichten verstoßen haben, so dass er nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist.

Bezüglich der Beurteilung der Unwürdigkeit orientieren sich Gerichte auf das durch die öffentliche Berichterstattung zerstörte Ansehen und Vertrauen des Arztes in der Bevölkerung.

Ein Zahnarzt darf sich ebenso „nicht eines Verhaltens schuldig gemacht“ haben, „aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs ergibt“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZHG). [7] Macht er sich schuldig, ist die Approbation zu widerrufen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 ZHG).

Als mildere Maßnahme kann ein befristetes Berufsverbot in Form des Ruhens der Approbation angeordnet werden.

Gesetzliche Folge

Als gesetzliche Folge tritt das Berufsverbot stets ein, sofern die Verurteilung wegen eines Insolvenzdeliktes (§§ 283 - 283d StGB) erfolgt. Die Geschäftsführung einer GmbH ist dann für fünf Jahre untersagt.

Maßregelanordnung

Als Maßregelanordnung wird das Berufsverbot verhängt, wenn sich die rechtswidrige Tat als Missbrauch der Berufs- und/oder Gewerbefreiheit darstellt. Voraussetzung der Anordnung ist nach § 70, § 62 StGB neben dem Missbrauch eine Wiederholungsgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit des Berufsverbotes.

Die Anordnung kann zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 70a StGB).

Rechtsfolge

Das Berufsverbot bedeutet schließlich die Unterbindung jeder Berufsausübung in dem Berufs- oder Gewerbezweig für maximal fünf Jahre. Nur ausnahmsweise ist keine Befristung vorzusehen.

Zuwiderhandlungen

Der Verstoß gegen das (strafgerichtliche) Berufsverbot stellt eine Straftat dar, die nach § 145c StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden kann.

Allgemeiner Sprachgebrauch

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist von einem Berufsverbot oft die Rede, wenn einem Bürger aufgrund des Radikalenerlasses oder des Beamtenrechts der Eintritt in den bzw. das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt wird. Allerdings verwehrt es eine derartige Nichteinstellung in den öffentlichen Dienst etwa einem Lehrer nicht, außerhalb des öffentlichen Dienstes pädagogisch tätig zu werden. Im Nationalsozialismus hingegen durften Lehrer, gegen die ein Berufsverbot verhängt worden war, gar nicht in ihrem Beruf tätig sein.

SPIEGEL 37/1988, Zur NS-Judenpolitik per Gesetz und Verordnung 1933 bis 1938

Literatur

  • Volker E. Wedekind: Die Reform des strafrechtlichen Berufsverbots (§§ 70-70b StGB). Dissertation, Universität Tübingen 2006 (Volltext / Print-on-Demand-Kopie)
  • DER FALL F. KONRAD - Wie man einem DKP Mitglied den Beamtenstatus entziehen wollte, Ostheim 2011, ISBN 978-3-941126-18-3

Einzelnachweise

  1. Hagalil - 70 Jahre danach: Approbationsentzug 1938
  2. Hagalil - Heidrun Graupner, SZ vom 25. Juli 1998 "Die gesamte Gesundheitspflege von Juden gereinigt"
  3. Hamburgisches Biografie-Personenlexikon, Band 2, S. 66f.
  4. Danuta Kneipp: Berufsverbote in der DDR? Zur Praxis politisch motivierter beruflicher Ausgrenzung in Ost-Berlin in den 70er und 80er Jahren; in: Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien Nr. 36-37/2006, Seite 32 ff, Online
  5. Roland Seim, Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen – Eine medien- und rechtssoziologische Untersuchung zensorischer Einflußmaßnahmen auf bundesdeutsche Populärkultur, Diss. Münster, Münster 1997, S. 205
  6. Bundesärzteordnung
  7. Zahnheilkundegesetz