Mohammed Dschawad Sarif

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Mohammed Dschawad Sarif (2020)
Unterschrift von Mohammed-Dschawad Sarif
Unterschrift von Mohammed-Dschawad Sarif

Mohammed Dschawad Sarif (persisch محمد جواد ظریف پیرانشهری Mohammad Dschawad Zarif, DMG Moḥammad-Ǧavād Ẓarīf; * 7. Januar 1960 in Teheran) ist ein iranischer Politiker. Er war von 2013 bis 2021 Außenminister der Islamischen Republik Iran. Er wurde am 1. August 2024 Vizepräsident des Iran und trat am 11. August 2024 von diesem Amt zurück.[1]

Sarif studierte an der University of Denver Internationales Recht und Politikwissenschaft. Er war zeitweise Professor für Internationales Recht an der Universität Teheran.

Er war von 2002 bis 2007 UN-Botschafter (auch im Kabinett Ahmadineschād I), zuvor war er von 1992 bis 2002 Vizeaußenminister des Irans (unter Ali-Akbar Rafsandschāni sowie Mohammad Chātami). Er wurde am 4. August 2013 von Präsident Hassan Rohani für das Amt des Außenministers nominiert und trat das Amt am 15. August an.

Sarif nutzte, wie auch Rohani, als einer der ersten und wenigen Vertreter des Irans soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter als regelmäßiges Kommunikationsinstrument, um politische Botschaften und Ansichten zu verbreiten. Derartige Webdienste sind (2013) innerhalb des Irans im Rahmen der umfassenden Internetzensur gesperrt.[2][3] Die Ankündigung Rohanis im Herbst 2013, diese Praxis zu überdenken, wurde (Stand 2015) nicht umgesetzt. Beobachtern zufolge verschlechterte sich die ohnehin kaum vorhandene Meinungs- und Pressefreiheit seit Rohanis Amtsantritt mit einer „regelrechten Jagd auf Blogger und Internet-Aktivisten“ sogar nochmals dramatisch.[4] Der polnische Außenminister Radosław Sikorski kritisierte im Februar 2014 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sarif die bestehende Zensur scharf und äußerte sich besorgt über den mit dem Amtsantritt Rohanis zu verzeichnenden Anstieg der Hinrichtungen im Iran.[5][6]

Am 25. Februar 2019 kündigte Sarif auf Instagram überraschend seinen Rücktritt als Außenminister an.[7] Das iranische Parlament sprach sich in einem Brief an Präsident Rohani gegen einen Rücktritt Sarifs aus,[8] Rohani nahm das Rücktrittsgesuch nicht an und Sarif blieb bis 2021 Außenminister.[9]

Er wurde am 1. August 2024 Vizepräsident unter Präsident Massud Peseschkian und trat nach elf Tagen zurück, weil er mit der Ministerauswahl für das Kabinett nicht zufrieden war. Sarif war de facto die rechte Hand Peseschkians in dessen Präsidentschaftswahlkampf und wegen seiner Popularität auch maßgeblich am Wahlsieg beteiligt. Ihm war zugesagt worden, nach der Wahl die Kandidatenliste für die Posten der Minister und Vizepräsidenten zusammenstellen zu können. Diese sollte laut Sarif so aufgestellt werden, dass auch die von Peseschkian im Wahlkampf angekündigten Reformen umgesetzt werden konnten. Die Auswahl der neuen Minister passte nach Ansicht von Beobachtern allerdings nicht zu den Plänen und Reformversprechen.[10][11]

Mohammed Dschawad Sarif während der 55. MSC 2019

Sarif wird häufig als „moderater Technokrat“ beschrieben, da er auch inoffizielle Treffen mit US-amerikanischen Diplomaten einging.[12] Er selbst identifiziert sich in vielen Äußerungen explizit mit den Zielen der Islamischen Republik Iran, auch mit dem globalen Anspruch der „Islamischen Revolution“ von 1979. So schreibt er in seiner Anfang 2014 in Teheran erschienenen Autobiographie:

„Wir haben ein grundsätzliches Problem mit dem Westen und besonders Amerika […] Der Grund ist, dass wir eine Mission für uns beanspruchen, und zwar mit einer globalen Dimension. Es hat nichts mit dem Ausmaß unserer Stärke zu tun, vielmehr geht es darum, woraus wir unsere Daseinsberechtigung herleiten. Wie kommt es, dass Malaysia [ein mehrheitlich muslimisches Land] keine ähnlichen Probleme hat? Weil Malaysia nicht versucht, die internationale Ordnung zu verändern.“

Mohammed Dschawad Sarif[13]

Sarif hat sich von den Holocaustleugnungen des früheren Präsidenten Ahmadineschād distanziert. Er verurteilte Anfang September 2013 ausdrücklich den Holocaust. Im gleichen Atemzug nannte er „die Unterdrückung der Palästinenser durch die Zionisten“.[2] Am Rande der 50. Münchner Sicherheitskonferenz 2014 bezeichnete er den Holocaust als „entsetzliche Tragödie […], und das darf nie wieder passieren“. Allerdings – so Sarif – „darf das nicht als Entschuldigung herhalten für die Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes“.[14][15]

Im Januar 2014 legte Sarif bei einem Besuch im Libanon einen Kranz am Grab des ehemaligen Militärbefehlshabers der Hisbollah, Imad Mughniyya, in Beirut nieder.[16] Er gilt laut dem Time-Magazin als eine der einflussreichsten Personen der Welt.[17]

Laut Sarif folgte die Politik der Trump-Administration gegenüber dem Iran israelischen Interessen.[18]

Geleakte Audioaufnahmen 2021

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Am 25. April 2021 wurden brisante Audioaufnahmen eines Gespräches von Sarif mit dem Journalisten Leylaz Saeed durch Radio Iran International, einen regimekritischen Sender mit Sitz in London, geleakt.[19] In diesen Aufnahmen kritisiert Sarif die Revolutionsgarden und insbesondere den durch einen amerikanischen Luftangriff getöteten General Qassem Soleimani. Sarif beklagte sich darüber, dass er in Entscheidungen der Revolutionsgarden häufig nicht einbezogen würde und über ihre Tätigkeiten auch unzureichend informiert würde.[20]

Das im Jahr 2015 ausgehandelte Atomabkommen im Rahmen des Iranischen Atomprogramms wurde laut Sarif gegen massiven Widerstand Russlands und Soleimanis durchgesetzt. Demnach habe es nach einem Besuch Soleimanis in Russland auch eine Reihe von Ereignissen gegeben, die das Ziel gehabt hätten, den erfolgreichen Abschluss des Atomabkommens zu torpedieren. Zu diesen Ereignissen gehörten laut Sarif die Festnahme und öffentliche Zurschaustellung von US-Marinesoldaten sowie der Angriff auf die Botschaft von Saudi-Arabien in Teheran, die kurz vor dem Inkrafttreten des Atomabkommens im Januar 2016 erfolgten. Sarif zufolge war Russland strikt gegen eine Annäherung des Irans an die USA.[20]

Sarif klagte zudem darüber, dass die staatlichen Medien des Irans Soleimani im Gegensatz zu ihm heroisiert hätten.[20]

Die Beteiligung des Irans im syrischen Bürgerkrieg ist laut Sarif auf Anweisung Putins erfolgt. Demnach habe Russland in Syrien Operationen aus der Luft durchgeführt und den Iran für die Entsendung von Bodentruppen beordert. Russische Kampfjets seien dazu aus dem Iran geflogen, um Luftangriffe in Syrien durchzuführen. Hierbei erwähnt Sarif den Missbrauch von zivilen Airlines wie Iran Air durch die Revolutionsgarden, um Milizen und Waffen nach Syrien zu entsenden.[20]

Sarif kritisiert zudem, dass ihm von den Revolutionsgarden unzureichend Informationen übermittelt werden und er in ihre Entscheidungen nicht involviert sei. So sei er nur kurzfristig und oberflächlich über die Operation Märtyrer Soleimani informiert worden. Als in jener Nacht das Passagierflugzeug der Ukraine-International-Airlines-Flug 752 von den Revolutionsgarden abgeschossen wurde, sei ihm ein Statement vorgegeben worden, in dem er den Abschuss leugnen sollte.[20]

In einem Teil der Aufnahme sagt Sarif, dass er erst durch John Kerry über israelische Luftangriffe auf iranische Ziele in Syrien informiert wurde. Dies führte in den USA zu Kontroversen, wobei Kerry diese Aussage Sarifs dementiert.[21]

Während eines Besuchs in New York zur Verhandlung des Atomabkommens behauptete Sarif in einer Talkshow von Charlie Rose: „Wir sperren Menschen nicht wegen ihrer Meinung ein.“ Das brachte ihm selbst von seinen Unterstützern im Iran Kritik ein.[22]

Commons: Mohammad Javad Zarif – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

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  1. orf.at
  2. a b Irans Außenminister verurteilt Holocaust – Spiegel Online
  3. Irans Präsident Rohani verspricht Social-Network-Freiheit. In: Spiegel Online. 2. Oktober 2013, abgerufen am 27. Dezember 2015.
  4. esel: Iran: Für Facebook-Posts in die Todeszelle. In: publikative.org. 26. Januar 2015, archiviert vom Original am 16. März 2015; abgerufen am 17. März 2015.
  5. Ausschnitt der Pressekonferenz, youtube.de, abgerufen am 6. März 2014.
  6. Meeting with the Isfahan Province governor and laying a wreath in the Polish section of a Christian cemetery dating back to World War II, Minister Radosław Sikorski began his visit to Iran last Friday. Ministry of Foreign Affairs. Republic of Poland, 28. Februar 2014, abgerufen am 27. Dezember 2015 (englisch, Mitteilung des polnischen Außenministeriums).
  7. Iran: Außenminister Sarif gibt Rücktritt bekannt. Spiegel Online, 25. Februar 2019.
  8. Irans Außenminister: Zarifs rätselhafter Rücktritt. In: tagesschau.de, 26. Februar 2019 (abgerufen am 26. Februar 2019).
  9. Benjamin Mueller: Two Days After Resigning, Iran’s Foreign Minister Returns to Post. In: New York Times. 27. Februar 2019, abgerufen am 9. Februar 2020 (englisch).
  10. Irans Vizepräsident Zarif tritt nach nur elf Tagen zurück. Abgerufen am 12. August 2024 (österreichisches Deutsch).
  11. Vizepräsident Zarif tritt nach elf Tagen zurück , Tagesschau, 12. August 2024.
  12. Irans neuer Präsident: Rohani vereidigt – Ahmadineschād tritt ab. In: Spiegel Online. 4. August 2013, abgerufen am 27. Dezember 2015.
  13. Ali Alfoneh, Reuel Marc Gerecht: An Iranian Moderate Exposed. Everyone thought Iran’s foreign minister was a pragmatist. They were wrong. In: New Republic. 24. Januar 2014, abgerufen am 27. Dezember 2015 (englisch).
  14. Holocaust verurteilt: Ärger für Iran-Minister. In: Merkur Online. Abgerufen am 27. Dezember 2015.
  15. Zarif-Interview: phoenix stellt englische Originalpassage und deutsche Neuübersetzung zur Verfügung. In: Phoenix, Presseportal. 4. Februar 2014, abgerufen am 5. Februar 2014.
  16. Reuters Meldung, 13. Januar 2014
  17. Mohammad Javad Zarif Time 100
  18. Iran FM Zarif: US sanctions are ‘economic terrorism’. Abgerufen am 7. Mai 2019 (englisch).
  19. Exclusive: Zarif Claims Soleimani Intervened In Diplomacy, Russia Wanted To Destroy JCPOA. 25. April 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
  20. a b c d e Javad Zarif Full Audio File. 26. April 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
  21. The facts around leaked audio about John Kerry. CNN, 1. Mai 2021, abgerufen am 2. Mai 2021.
  22. Saeed Kamali Dehghan: Iranian foreign minister angers supporters with human rights claim. In: theguardian. 1. Mai 2015, abgerufen am 6. April 2021 (englisch).