Milnacipran

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Strukturformel
1:1-Gemisch: (1R,2S)-Isomer (links) und (1S,2R)-Isomer (rechts)
Allgemeines
Freiname Milnacipran
Andere Namen
  • (±)-cis-2-(Aminomethyl)-N,N-diethyl-1-phenylcyclopropancarbamid (IUPAC)
  • (1R*,2S*)-2-(Aminomethyl)-N,N-diethyl-1-phenylcyclopropancarbamid
  • (1R,2S)-rel-2-(Aminomethyl)-N,N-diethyl-1-phenylcyclopropancarbamid
  • Milnacipranum (Latein)
Summenformel
  • C15H22N2O (Milnacipran)
  • C15H22N2O·HCl (Milnacipran·Hydrochlorid)
Kurzbeschreibung

weißes Pulver (Milnacipran·Hydrochlorid)[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 65833
ChemSpider 59245
DrugBank DB04896
Wikidata Q421058
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AX17

Wirkstoffklasse

Antidepressivum

Wirkmechanismus

Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Eigenschaften
Molare Masse
  • 246,35 g·mol−1 (Milnacipran)
  • 282,81 g·mol−1 (Milnacipran·Hydrochlorid)
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

179–181 °C (Milnacipran·Hydrochlorid)[2]

Löslichkeit

Wasser: 19 g·l−1 (HCl)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301
P: 301+310[1]
Toxikologische Daten

237 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[3]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Milnacipran ist ein Arzneistoff, der in einigen Ländern der EU als Antidepressivum zugelassen ist und zu den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI) gehört.

In Österreich erfolgte die Zulassung als Antidepressivum im Jahr 1998. In Deutschland wurde Milnacipran im Jahr 2016 zugelassen. In der Schweiz hat der Hersteller Pierre Fabre Médicament bisher keine Zulassung beantragt. Als Antidepressivum ist der Wirkstoff in über 40 Ländern zugelassen, darunter Frankreich, Russland, Japan, Finnland.

In den USA ist Milnacipran für die Indikation Fibromyalgie-Syndrom (FMS) seit 2009 zugelassen. In Europa dagegen wurde in die Zulassung hierfür wegen unwesentlicher Wirkung und fehlender Langzeitdaten in einer europäischen Population versagt.[4][5]

2008 wurde in einer Metaanalyse festgestellt, dass in der Wirkung und Verträglichkeit von Milnacipran zu anderen Antidepressiva kein Unterschied nachweisbar ist, wobei festgestellt wurde, dass weniger Patienten aufgrund von Nebenwirkungen die Behandlung abgebrochen haben.[6] Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2009 kommt zu dem Schluss, dass Informationen über klinisch bedeutende Ergebnisse wie Kosteneffektivität und Fähigkeit zur Wiederaufnahme der Arbeit fehlen.[7]

Milnacipran hemmt im Zentralnervensystem die Wiederaufnahme (engl.: reuptake) von Serotonin und von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt in die präsynaptischen Vesikel. Die Substanz wird pharmakologisch den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI) zugeordnet. Zu dieser Gruppe gehören auch Venlafaxin und Duloxetin. Während Milnacipran die Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme ungefähr gleich stark blockiert, hat Duloxetin eine 10-fach größere Selektivität für Serotonin, Venlafaxin eine 30-fach größere Selektivität für Serotonin.[8] Die Substanz hat keine Affinität zu postsynaptischen Rezeptoren.[9]

Es gibt zudem Studien, welche eine Aktivierung von D1-Rezeptoren im präfrontalen Kortex beschreiben, was bei Ratten zu einer verbesserten Impulskontrolle führte.[10][11]

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

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Milnacipran darf in folgenden Fällen nicht eingesetzt werden:

Die allgemein für SSRI und SNRI ergangene Warnung der Europäischen Arzneimittelagentur bezüglich der Therapie von Kindern und Jugendlichen ist zu beachten.

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln

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Milnacipran wird nicht über das Cytochrom P450 der Leber abgebaut und hat mit keinem der CYP-Systeme klinisch signifikante Wechselwirkungen. Die Plasmaspiegel gleichzeitig eingenommener Medikamente werden durch Milnacipran nicht verändert. Auch Wechselwirkungen mit Alkohol sind nicht bekannt.[9]

Die häufigsten Nebenwirkungen sind (wie bei anderen Antidepressiva): Übelkeit/ Erbrechen, Kopfschmerzen, Verstopfung, Schwindel, Flush, Schwitzen, erhöhte Herzfrequenz ggfs. mit Extraschlägen (Palpitationen), trockener Mund und Erhöhung des Blutdrucks. Das Medikament kann bei Männern zu Hodenschmerzen und zur Erektilen Dysfunktion bzw. Ejakulationsstörungen führen. Eine Dysurie kommt bei Milnacipran signifikant häufiger als bei vergleichbaren Präparaten.[12]

Das Medikament hat im Vergleich (z. B. mit Trizyklika) eher eine geringe sedative Wirkung bzw. wirkt insgesamt eher anregend. Die Einnahme der zweiten Dosis sollte spätestens um 15 Uhr erfolgen, um Schlafstörungen zu vermeiden. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass Milnacipran anders als andere Antidepressiva keinen aktivierenden Effekt im Hinblick auf ein Suizid-Risiko am Anfang der Therapie hat.[13][14][15]

Pharmakokinetik

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Milnacipran wird nach oraler Einnahme gut resorbiert. Die Bioverfügbarkeit beträgt circa 85 % und wird durch die Nahrungsaufnahme nicht beeinträchtigt. Die Plasmaspitzenkonzentration wird bei oraler Einnahme etwa nach zwei Stunden erreicht und beträgt ca. 120 ng/ml nach einer einmaligen Gabe von 50 mg. Die Konzentrationen steigen proportional zur Dosis bis zu 200 mg pro Gabe. Die Plasmaproteinbindung ist gering (13 %) und ist nicht sättigbar. Das Verteilungsvolumen von Milnacipran beträgt etwa 5 l/kg mit einer Gesamtclearance von ca. 40 l/h. Renale und nichtrenale Clearance sind äquivalent. Der Metabolismus von Milnacipran beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Glucuronsäure-Konjugation. Sehr geringe Konzentrationen aktiver Metaboliten ohne klinische Relevanz wurden nachgewiesen. Die Plasmahalbwertszeit beträgt etwa 8 Stunden. Die Ausscheidung erfolgt im Wesentlichen über die Niere (90 % der verabreichten Dosis) mit einer tubulären Sekretion des unveränderten Produkts. Nach wiederholter Gabe ist Milnacipran zwei bis drei Tage nach Beendigung der Behandlung vollständig ausgeschieden. Eine Leberinsuffizienz verursacht keine signifikante Änderung der pharmakokinetischen Eigenschaften des Wirkstoffes.[16] Milnacipran ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz mit Vorsicht einzusetzen – die Dosierung muss gegebenenfalls aufgrund einer verlängerten Eliminationshalbwertszeit verringert werden.[17]

Levomilnacipran, ein Enantiomer von Milnacipran, wird in Studien als möglicher Inhibitor von BACE 1, einem Protein, welches Vorstufen von Beta-Amyloiden spalten kann, angesehen.[18][19]

Vier Isomere von 2-(Aminomethyl)-N,N-diethyl-1-phenyl-cyclopropancarbamid: (1R,2S)-Isomer (links oben), (1S,2R)-Isomer (rechts oben), (1R,2R)-Isomer (links unten) und (1S,2S)-Isomer (rechts unten)

2-(Aminomethyl)-N,N-diethyl-1-phenyl cyclopropancarbamid enthält zwei Stereozentren. Somit existieren die folgenden vier Formen:

  • (1R,2S)-Isomer
  • (1S,2R)-Isomer
  • (1R,2R)-Isomer
  • (1S,2S)-Isomer

Der Arzneistoff Milnacipran ist ein Racemat (1:1-Gemisch) aus dem (1R,2S)-Isomer und dem (1S,2R)-Isomer.[3] Das (1R,2R)-Isomer und das (1S,2S)-Isomer besitzen keine praktische Bedeutung.

Monopräparate

Ixel (A), Savella (USA), Toledomin (Japan), Joncia (Australien), Tivanyl (Mexiko), Dalcipran (Chile), Milna-neurax (D)

  • Zofia Rogóż et al.: Effect of repeated treatment with milnacipran on the central dopaminergic system. In: Polish Journal of Pharmacology. Band 52, Nr. 2, 2000, S. 83–92, PMID 10949109 (englisch).
  • Stephen M. Stahl et al.: SNRIs: their pharmacology, clinical efficacy, and tolerability in comparison with other classes of antidepressants. In: Cns Spectrums. Band 10, Nr. 9, 2005, S. 732–747, doi:10.1017/s1092852900019726, PMID 16142213 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. a b c d Datenblatt Milnacipran hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 10. April 2011 (PDF).
  2. Eintrag zu Milnacipran. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. November 2014.
  3. a b The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage. 2006, ISBN 0-911910-00-X, S. 1069.
  4. Fragen und Antworten zur Empfehlung der Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen für Milnacipran Pierre Fabre Médicament/Impulsor. (41 kB; PDF) In: Dok.-Ref.: EMA/64535/2010, EMEA/H/C/1034, EMEA/H/C/1122. Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), 3. Februar 2010, S. 2, abgerufen am 24. August 2010: „Wirkung … unwesentlich. … Langzeitwirkungen in einer europäischen Population … fehlten. … in Europa zurzeit keine klinischen Prüfungen … bei Fibromyalgie laufen“.
  5. REFUSAL ASSESSMENT REPORT FOR Milnacipran Pierre Fabre Medicament. (608 kB; PDF) In: Procedure No. EMEA/H/C/001034. European Medicines Agency, 26. April 2010, abgerufen am 24. August 2010 (englisch, 50 Seiten).
  6. Atsuo Nakagawa et al.: Efficacy and tolerability of milnacipran in the treatment of major depression in comparison with other antidepressants : a systematic review and meta-analysis. In: CNS Drugs. Band 22, Nr. 7, 2008, S. 587–602, doi:10.2165/00023210-200822070-00004, PMID 18547127.
  7. Atsuo Nakagawa et al.: Milnacipran versus other antidepressive agents for depression. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Nr. 3, 2009, S. 1–10, doi:10.1002/14651858.cd006529.pub2, PMID 19588396.
  8. C. Moret et al.: Biochemical profile of midalcipran (F 2207), 1-phenyl-1-diethyl-aminocarbonyl-2-aminomethyl-cyclopropane (Z) hydrochloride, a potential fourth generation antidepressant drug. In: Neuropharmacology. Band 24, Nr. 12, 1985, S. 1211–1219, doi:10.1016/0028-3908(85)90157-1, PMID 3005901.
  9. a b Christian Puozzo, Simone Lens, Christian Reh, Karl Michaelis, Dominique Rosillon, Xavier Deroubaix, Dominique Deprez: Lack of Interaction of Milnacipran with the Cytochrome P450 Isoenzymes Frequently Involved in the Metabolism of Antidepressants. In: Clinical Pharmacokinetics. Band 44, Nr. 9, 2005, S. 977–988, PMID 16122284 (englisch).
  10. Iku Tsutsui-Kimura, Yu Ohmura, Takeshi Izumi, Haruko Kumamoto, Taku Yamaguchi, Takayuki Yoshida, Mitsuhiro Yoshioka: Milnacipran enhances the control of impulsive action by activating D1-like receptors in the infralimbic cortex. In: Psychopharmacology. Band 225, Nr. 2, Januar 2013, S. 495–504, doi:10.1007/s00213-012-2835-5.
  11. Iku Tsutsui-Kimura, Yu Ohmura, Takayuki Yoshida, Mitsuhiro Yoshioka: Milnacipran affects mouse impulsive, aggressive, and depressive-like behaviors in a distinct dose-dependent manner. In: Journal of Pharmacological Sciences. Band 134, Nr. 3, Juli 2017, S. 181–189, doi:10.1016/j.jphs.2017.06.004.
  12. S. A. Montgomery, J. F. Prost, A. Solles, M. Briley: Efficacy and tolerability of milnacipran: an overview. In: International Clinical Psychopharmacology. Band 11, September 1996, S. 47, doi:10.1097/00004850-199609004-00007.
  13. Avedisova: Effect of milnacipran on suicidality in patients with mild to moderate depressive disorder. In: Neuropsychiatric Disease and Treatment. Juli 2009, S. 415, doi:10.2147/NDT.S5467, PMID 19721721, PMC 2732008 (freier Volltext) – (dovepress.com [abgerufen am 25. Juli 2024]).
  14. Mike Briley, Gitoh, Kirino E: Rapid improvement of depressive symptoms in suicide attempters following treatment with milnacipran and tricyclic antidepressants – a case series. In: Neuropsychiatric Disease and Treatment. Dezember 2011, S. 723, doi:10.2147/NDT.S27718, PMID 22247614, PMC 3255999 (freier Volltext) – (dovepress.com [abgerufen am 25. Juli 2024]).
  15. S. A. Montgomery, J. F. Prost, A. Solles, M. Briley: Efficacy and tolerability of milnacipran: an overview. In: International Clinical Psychopharmacology. Band 11, September 1996, doi:10.1097/00004850-199609004-00007.
  16. C. Puozzo, H. Albin, G. Vinçon, D. Deprez, J. M. Raymond, M. Amouretti: Pharmacokinetics of milnacipran in liver impairment. In: European Journal of Drug Metabolism and Pharmacokinetics. Vol. 23, Nr. 2, 1998, S. 273–279, PMID 9725493.
  17. C. Puozzo et al.: Pharmacokinetics of milnacipran in renal impairment. In: European Journal of Drug Metabolism and Pharmacokinetics. Band 23, Nr. 2, 1998, S. 280–286, doi:10.1007/bf03189352, PMID 9725494.
  18. Syed Mohd Danish Rizvi, Sibhghatulla Shaikh, Mahiuddin Khan, Deboshree Biswas, Nida Hameed, Shazi Shakil: Fetzima (levomilnacipran), a Drug for Major Depressive Disorder as a Dual Inhibitor for Human Serotonin Transporters and Beta-Site Amyloid Precursor Protein Cleaving Enzyme-1. In: CNS & Neurological Disorders - Drug Targets. Band 13, Nr. 8, 2014, S. 1427–1431, doi:10.2174/1871527313666141023145703 (eurekaselect.com [abgerufen am 25. Juli 2024]).
  19. Kelly Willemijn Menting, Jurgen A. H. R. Claassen: β-secretase inhibitor; a promising novel therapeutic drug in Alzheimer’s disease. In: Frontiers in Aging Neuroscience. Band 6, 21. Juli 2014, doi:10.3389/fnagi.2014.00165, PMID 25100992, PMC 4104928 (freier Volltext).