Lex Baiuvariorum
Die Lex Baiuvariorum (auch Lex Baiuwariorum, Lex Bajuvariorum oder Lex Baivariorum) ist die in der Zeit des 6. bis 8. Jahrhunderts entstandene Sammlung des Volksrechtes der Bajuwaren, das heißt die älteste Sammlung von Gesetzen des frühen bairischen Stammesherzogtums. Der Text ist auf Latein verfasst, enthält jedoch bajuwarische Fragmente und somit die älteste Überlieferung der bairischen Sprache. Es ist das älteste und wichtigste Schriftdenkmal der Bajuwaren.[1] Die lex gehört zudem zu den germanischen Stammesrechten, die vergleichsweise am umfassendsten dokumentiert sind.
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Abt Eberswind des neu gegründeten Klosters Niederaltaich gilt vielen als der Bearbeiter dieses ersten bairischen Stammesrechts (um 741/743). Ebenso kann die Lex Baiuvariorum in St. Emmeram in Regensburg oder im Bischofskloster auf dem Freisinger Berg entstanden sein. Die Initiative dazu soll von Herzog Odilo († 748) ausgegangen sein. Die Lex Baiuvariorum selbst gibt König Dagobert (623 bis 639) an, der dem Rechtsbuch die letzte Form gegeben haben soll. Diese Angabe kann jedoch angezweifelt werden, da damit versucht wird, die Abhängigkeit Bayerns vom frühen Frankenreich extrem hervorzuheben. Herzogsgewalt contra Königsmacht, vor diesem Hintergrund entstand die Lex Baiuvariorum in verschiedenen Stufen und wurde nach der Niederlage Tassilos stark zugunsten der Frankenkönige verändert. In der Lex Baiuvariorum vereinen sich das Westgotenrecht des Königs Eurich, das fränkische Königsrecht und Teile der Lex Alamannorum mit bajuwarischen Elementen zum sogenannten Volksrecht der Bayern.[2]
Die Lex Baiuvariorum war bis 1180 in Kraft. Die Lex wurde auch im inneralpin-tirolischen Raum des 10. und 11. Jahrhunderts befolgt, wie die häufigen Bezugnahmen der Traditionsbücher des Hochstifts Brixen auf die aures-tracti-Bestimmungen des Zeugenbeweises (Kap. 16 u. 17 der Lex) zu erkennen geben.[3]
Die älteste erhaltene Handschrift der Lex Baiuvariorum aus der Zeit um 800, die sogenannte „Ingolstädter Handschrift“, wird in der Universitätsbibliothek München aufbewahrt (Signatur: Cim. 7 = 8° Cod. ms. 132). Die Sammlung zählt zu den germanischen Stammesrechten.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Lex Baiuvariorum enthält in 23 Artikeln Rechtssätze und Verfahrensregeln zu Straf-, Prozess- und Privatrecht teilweise getrennt für die einzelnen Stände (Kleriker, Adlige, Freie, Freigelassene, Unfreie) sowie Grundsätze zur Verwaltung des Kirchengutes.
Kapitel:
- vom Klerus oder das Recht der Kirche betreffend
- vom Herzog und den Rechtsfällen, die ihn angehen
- von den Geschlechtern und ihrer Buße
- von den Freien, wie sie gebüßt werden
- von Freigelassenen, wie sie gebüßt werden sollen
- von Knechten, wie sie gebüßt werden sollen
- vom Verbot blutschänderischer Ehen
- über Frauen und ihre Rechtsfälle, die sich häufig zutragen
- vom Diebstahl
- von Brandstiftung an Häusern
- von Gewalttätigkeit
- von zerstörten Grenzzeichen
- von Pfändern
- von schädlichen Tieren
- von anvertrauten [und weggeliehenen] Sachen
- von Verkäufen
- von Zeugen
- von Kämpfern
- von Toten und was sie betrifft
- von Hunden und ihrer Buße
- von Habichten und Vögeln
- von Obstgärten, Wäldern und Bienen
- von Schweinen
Die Agilolfinger werden als erbberechtigte Herrscher Bayerns bezeichnet, eingesetzt vom fränkischen Merowingerkönig in Reims. Daneben werden die Geschlechter der Huosi, Trozza, Fagana, Hahiligga (auch Hahilinga) und Anniona ausdrücklich genannt.
Ausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johannes Merkel (Hrsg.): Leges Alamannorum. Leges Baiuwariorum. Friedrich Bluhme (Hrsg.): Leges Burgundionum. Karl von Richthofen (Hrsg.): Lex Frisionum. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1863. Hiersemann, Stuttgart 1993, ISBN 3-7772-6507-1, (Monumenta Germaniae Historica, Leges, Leges (in Folio) (LL) 3, ISSN 0344-4953). Die Lex Baiuvariorum auf S. 183ff. (Digitalisat)
- Ernst von Schwind (Hrsg.): Lex Baiwariorum. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1926. Hahn, Hannover 1997, ISBN 3-7752-5423-4, (Monumenta Germaniae Historica, Leges, Leges nationum Germanicarum (LL nat. Germ.) 5, 2, ISSN 0343-0839). Bei den digitalen Monumenta.
- Konrad Beyerle: Lex Baiuvariorum. Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter Handschrift des Bayerischen Volksrechts mit Transkription, Textnoten, Übersetzung, Einführung, Literaturübersicht und Glossar. Zur Jahrhundertfeier der Übersiedelung der Universität Landshut nach München. Hueber, München 1926. (Auch: Lex Baiuwariorum. Wiedergabe der Ingolstädter Handschrift des bayerischen Volksrechts. In der originalen Übersetzung aus dem Lateinischen). Verlag Documenta Naturae, Olching 1997 (Documenta historiae 2, 1, ISSN 1433-1691 sowie Einführung zur Lex Baiuvariorum. Als Einleitung einer Faksimile-Ausgabe der Ingolstädter Handschrift des bayerischen Volksrechts. Hueber, München 1926. Aus: Festgabe der Juristischen Fakultät und der Universitätsbibliothek München zur Jahrhundertfeier der Universität München).
- Karl August Eckhardt (Hrsg.): Allemannen und Bayern. Böhlau, Weimar 1934, (Germanenrechte 2, Die Gesetze des Karolingerreiches 714–911 2).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Harald Siems: Lex Baiuvariorum. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 18, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 3-11-016950-9, S. 305–315.
- Peter Landau: Die Lex Baiuvariorum. Entstehungszeit, Entstehungsort und Charakter von Bayerns ältester Rechts- und Geschichtsquelle. Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2004, ISBN 3-7696-1627-8, (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte 3, 2004) online.
- Harald Siems: Das Lebensbild der Lex Baiuvariorum. In: Hans-Joachim Hecker, Reinhard Heydenreuther, Hans Schlosser (Hrsg.): Rechtssetzung und Rechtswirklichkeit in der bayerischen Geschichte. Tagung der Gesellschaft für Bayerische Rechtsgeschichte 1 (Ingolstadt). Beck, München 2006, ISBN 3-406-10671-4, (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Beiheft, Reihe B, 30), S. 29–73.
- Hannes Obermair: Das Recht der tirolisch-trientinischen ‚Regio‘ zwischen Spätantike und Frühmittelalter. In: Concilium Medii Aevi 9 (2006), S. 141–158, DOI:10.2364/1437905809107.
- Roman Deutinger: Lex Baioariorum. Das Recht der Bayern. Pustet, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7917-2787-5.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Geschichtsquellen.de
- Veröffentlichungen zur lex Baiuvariorum im Opac der Regesta Imperii
- Auszüge und Gliederung auf der Website von Helmut Zenz ( vom 13. August 2013 im Internet Archive)
- Die Lex Baiuvariorum in der Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Handschriftendatenbank zum weltlichen Recht im Frankenreich (Karl Ubl, Universität zu Köln).
- Lex Baiuvariorum (Ingolstädter Handschrift) – hochauflösendes Digitalisat im Kulturportal bavarikon
- Lex Baiuvariorum im LegIT-Projekt (Digitale Erfassung und Erschließung des volkssprachigen Wortschatzes der kontinentalwestgermanischen Leges barbarorum in einer Datenbank)