Benny’s Video

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Film
Titel Benny’s Video
Produktionsland Österreich, Schweiz
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1992
Länge 105 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Michael Haneke
Drehbuch Michael Haneke
Produktion Veit Heiduschka
Musik Karl Schlifelner
Kamera Christian Berger
Schnitt Marie Homolkova
Besetzung

Benny’s Video ist ein Filmdrama des Regisseurs Michael Haneke aus dem Jahr 1992 mit Arno Frisch in der Titelrolle und Angela Winkler und Ulrich Mühe, die Bennys Eltern verkörpern.

Die Premiere des Films fand am 20. Oktober 1992 statt.

Der Teenager Benny, ein Gymnasiast, lebt mit seiner wohlhabenden Familie in Wien. Seine Eltern sind beide berufstätig und der Jugendliche ist überwiegend allein zu Hause. Er besitzt eine Videokamera, mit der er leidenschaftlich gerne und viel filmt. Als seine einzigen wirklichen Hobbys nehmen das Filmen und das Ansehen von Videos einen großen Teil seiner Freizeit ein.

Eines Tages filmt er, wie auf dem Bauernhof von Verwandten ein Schwein mittels eines Bolzenschussgeräts getötet und anschließend geschlachtet wird. Fasziniert von diesem Video, sieht er es sich zu Hause immer wieder an. Einem Mädchen, das er vor seiner Stammvideothek kennenlernt und das mit zu ihm in die „sturmfreie Bude“ kommt, spielt er das Video ebenfalls vor. Daraufhin zeigt er ihr das zuvor auf dem Bauernhof entwendete Bolzenschussgerät, das er erst sich und dann ihr an die Brust drückt. Ob der Schuss, den er dann auslöst, mutwillig, gleichmütig oder nur aus Neugier, was nun passieren wird, geschieht, sei dahingestellt. Als das Mädchen sich daraufhin erbärmlich schreiend auf dem Boden windet, und er ihre Schreie nicht mehr ertragen kann, tötet er sie panisch mit zwei weiteren Schüssen. Währenddessen läuft seine Kamera. Danach ißt er in der Küche einen Joghurt und macht seine Hausaufgaben. Sodann zerrt er die Leiche über den Boden und wischt anschließend das Blut weg und beseitigt alle Spuren, bis sein Zuhause sich wieder in einem makellosen Zustand befindet.

Nachdem er eine Nacht auswärts bei Freunden geschlafen hat, zeigt er das Video am darauffolgenden Abend kommentarlos seinen Eltern. Diese sind schockiert und beraten sich, während Benny bereits im Bett liegt, darüber, wie sie weiter vorgehen sollen. Benny hat aber seine Mutter gebeten, die Tür seines Zimmers einen Spalt weit offen zu lassen, und nimmt ihr Gespräch auf Video auf. Bennys Vater fasst sich verhältnismäßig schnell, ohne das Schuldproblem zu reflektieren. Er will nur, dass die Leiche verschwindet, was für ihn die Lösung des Problems bedeutet. Bennys Mutter scheint das Ganze schlimmer mitzunehmen, obwohl sich auch bei ihr die Eisdecke, die alles verdrängt, schnell wieder schließt. Die Eltern entscheiden sodann gemeinsam, dass Benny zusammen mit seiner Mutter für eine Woche nach Ägypten reisen soll, während der zu Hause bleibende Vater die Leiche des getöteten Mädchens verschwinden lässt. Als Mutter und Sohn von ihrem Trip zurück sind, scheint erst einmal alles wieder normal und die Welt in Ordnung. Für seine Eltern völlig überraschend erstattet Benny urplötzlich Strafanzeige gegen diese. Während seines Verhörs zeigt Benny den Polizeibeamten die Aufnahme des Gespräches seiner Eltern, in dem sie darüber entscheiden, wie sie mit der Leiche des Mädchens verfahren sollen.

Als Benny aus dem Verhörraum hinausgeführt wird, steht er im Gang plötzlich seinen Eltern gegenüber. Erstmals ist im Gesicht des Vaters ein Ausdruck, als sei er dem Weinen nahe, ob als Zeichen der Erleichterung, der Zustimmung oder des Vorwurfs ist nicht auszumachen. Bennys Eltern betreten sodann den Raum, wo sie vernommen werden sollen.

Viele Einstellungen im Film sind aus der Perspektive der Videokamera des Hauptcharakters Benny zu sehen, wobei diese teilweise das ganze Bild einnehmen oder aber auf einem Fernsehbildschirm zu sehen sind. Neben dem Video der Schweineschlachtung, einigen Aufnahmen während des Ägyptenaufenthalts und dem Beweisvideo im Verhör ist dies vor allem in der Tötungsszene bedeutend. In dieser Einstellung steht die Videokamera fest im Raum montiert und gibt nur Randausschnitte des grauenvollen Geschehens zu erkennen. Die Auseinandersetzung ist nur anhand von rumpelnden Geräuschen und den Schreien des Mädchens zu erahnen. Thomas Koebner führte dazu aus: „Der Film beobachtet exakt, unablässig, gleichsam behavioristisch, einen extremen Fall von kaltsinniger Lebensmeisterung, von ‚coolen Attitüden‘, die Grauen erregen. Ein Horror-Film anderer Art über die rabiate Entfremdung von Menschen zu überlebensfähigen, weil unerschütterlichen Zombies. Hanekes Film hat nur scheinbar teil an der Kälte seiner Objekte. Er konstatiert den Verlust von Leidenschaft und Leidensfähigkeit, weil er von der Bedeutung des Verlusts weiß.“[1]

Die Kommunikation im Film läuft oft auf mehreren Ebenen ab, indem bei Gesprächsszenen zumeist irgendein Medium auf gleicher Lautstärke im Hintergrund läuft. Die Zuschauer werden damit herausgefordert, beide Informationsquellen wahrzunehmen, auch wenn diese nicht sofort klar getrennt werden können.

Das Medium Video bietet Benny die Möglichkeit, die Außenwelt zu konservieren und damit kontrollierbar zu machen. Erlebtes wird dadurch für ihn reproduzierbar, beeinflussbar, nachbearbeit- und widerrufbar. Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Schlachtung. Lässt Benny den Film rückwärts laufen, erwacht das Schwein wieder zum Leben; spielt er die Szene vorwärts ab, wiederholt sich die Schlachtung. Schließlich muss Benny jedoch im Falle des Mädchens den Tod als unumkehrbare Begrenzung seines Handelns erkennen.[2]

Produktionsnotizen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film wurde von November 1991 bis Jänner 1992 in Wien, Niederösterreich und der Steiermark gedreht. Verwendet wurden 35-mm-Filme. Produziert wurde er von der Wega-Filmproduktionsgesellschaft m.b.H., koproduziert von Bernard Lang Film (CH). Die Produktionsleitung lag bei Gebhard Zupan und Michael Katz.[3]

Der Film wurde vom Österreichischen Filminstitut und dem Filmfonds Wien gefördert. Neben dem Schweizer Fernsehen beteiligte sich auch der Österreichische Rundfunk im Rahmen des Film-/Fernseh-Abkommen an der Produktion. Für das Szenenbild zeichnete Christoph Kanter verantwortlich.[3]

Veröffentlichung, Zuschauerzahlen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland wurde der Film am 10. Juni 1993 veröffentlicht. Im September 1997 wurde er auf DVD herausgegeben.

Im Oktober 1992 drohte dem Film in der Schweiz ein Aufführungsverbot, für den nur kurz zuvor dem Koproduzenten Bernard Lang zusätzlich zu einer lobenden Erwähnung eine Ehrenurkunde überreicht worden war. Lang hatte den Film zurückgezogen, nachdem der Zürcher Bezirksanwalt Lino Esseiva angedroht hatte, ihn konfiszieren zu lassen. Der zuständige Bezirksanwalt hatte sich seinerzeit von der moralischen Empörung eines Zeitungsartikels des Boulevardblatts Blick beeinflussen lassen, der die Schlagzeile trug „Der widerlichste Film des Jahres“.[4]

Der Film wurde in österreichischen Kinos 5.697 Mal besucht (per 31. Dezember 2005).

Thomas Koebner lobte im Lexikon des internationalen Films / Filmdienst: „Eine beklemmende, komplexe moralische Fabel über die Entfremdung von Menschen zu Wesen mit erschreckender emotionaler Teilnahmslosigkeit. Der dicht inszenierte, hervorragend gespielte und fotografierte Film umschreibt mit verstörender Konsequenz den Verlust von Wirklichkeitsgefühl, Leidenschaft und Leidensfähigkeit. Arno Frisch beeindruckt vorzüglich durch seine nie nachlassende leise Präsenz, die schwebende, diskrete, beinahe traurige Verhaltenheit seines Ausdrucks. – Sehenswert.“[1]

In seinem Werk Filmklassiker, Beschreibungen und Kommentare zeigte sich Thomas Koebner ebenfalls beeindruckt von dem Film und führte aus: „Haneke ist eine komplexe moralische Fabel und ein Meisterwerk von großer ästhetischer Dichte gelungen, raffiniert inszeniert und fotografiert, elegant montiert, rhythmisch subtil erzählt, mit Vorhalten, kleinen Beschleunigungen und Verzögerungen, ohne jede Starrheit – nicht zuletzt wird hier frei von abgewetzter Ornamentik gespielt, detailgenau und dennoch mit präzisem Umriß.“ Thomas Koebner: [5]

Oliver Armknecht von film-rezensionen gab dem Film acht von zehn möglichen Punkten und stellte fest, dass „die Geschichte eines Jugendlichen, der den Bezug zu der Welt da draußen, vor allem aber zu den Menschen“ verliere, bereits bei ihrem Erscheinen „durch Mark und Bein“ gegangen sei. Das tue sie „auch heute noch“, sie habe in den vielen Jahren „nichts von ihrer Dringlichkeit und Aktualität eingebüßt“. Es sei Haneke und seinem Ensemble zu verdanken, dass „der Film noch immer diese starke Wirkung“ habe. Haneke selbst spiele mit den Bildern, wenn er beispielsweise „gar nicht alles“ zeige, „was es zu zeigen“ gebe. Weiter führte Armknecht aus: „Ausschnitte ersetzen Totale, vieles spielt sich abseits der Kamera ab, wo wir es als Publikum wieder zusammensetzen. Ein Kopfkino des Grauens, dessen Bilder wir nicht loswerden, selbst wenn es keine Bilder gibt. Und dann wäre da noch Arno Frisch, mit dem Haneke Jahre später in Funny Games erneut zusammenarbeitete. Obwohl sein Benny gar nicht so schrecklich viel tut, immer etwas passiv und lethargisch wirkt, ist seine Darstellung der Emotionslosigkeit so erschütternd und durchdringend, dass sie einen noch lange später verfolgen wird. Gerade weil hier nicht viel passiert, alles so ruhig, so nüchtern ist, wird das Drama zu einem Vorschlaghammer, der nicht spurlos an einem vorbeigeht.“[2]

Tobias Diekmann von der Filmstarts-Redaktion führte aus, dass, schaue man sich das filmische Schaffen von Michael Haneke an, sich zeige, „welche Grundgedanken ihn immer wieder beschäftigen“ würden, „denn die Fragen nach menschlicher Kontrolle, Gewalt, Isolation (Non-) Kommunikation und die Möglichkeit der effektivsten Darstellung ihrer Medialisierung“ würden sich „wie ein roter Faden durch seine Filme ziehen“. So entwerfe auch der 1992 entstandene Film ‚Benny’s Video‘ „ein psychologisches Drama im Spannungsfeld von Einsamkeit und Isolation, das vor allem durch die starken selbstreferenziellen Aspekte verdeutlicht“ werde, und somit „die Ambivalenz der Bilder in ihrer (physischen) Gewalteinwirkung für den Zuschauer auf ein höchstes Maß“ intensiviere. Die „Intensität vieler Szenen“ liege „vor allem im reduzierten Spiel von Arno Frisch, der seinen Benny nahezu regungslos in Mimik und Gestik“ gebe, „und gerade dadurch eine unglaubliche Tiefe“ erfahre. „Auch Angela Winkler als Mutter“ wisse „zu überzeugen, der man die Belastung der unterdrückten Gefühle in jeder ihr gewidmeten Szene“ abnehme. „Ulrich Mühe“ sei „so oder so schauspielerisch über jeden Zweifel erhaben.“[6]

  • Christian Wessely: Virtualität – Realität – Medialität. Wirklichkeitsdimensionen in BENNY’S VIDEO. In: Franz Grabner u. a. (Hrsg.): Michael Haneke und seine Filme. Schüren, Marburg 2005, ISBN 978-3-89472-402-3, S. 87–104.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Thomas Koebner: Benny’s Video. Kritik. In: Filmdienst. Abgerufen am 15. November 2024.
  2. a b Oliver Armknecht: Benny’s Video film-rezensionen.de, 9. Oktober 2019. Abgerufen am 15. November 2024.
  3. a b Bennys Video filminstitut.at
  4. Benny’s Video: Radikalität und ein drohendes Aufführungsverbot degruyter.com (Aus dem Buch Haneke von Katharina Müller)
  5. Filmklassiker, Beschreibungen und Kommentare / hrsg. von Thomas Koebner […], Bd. 4: 1982–1994, Reclam, Stuttgart 1995 (Universal-Bibliothek; 9419), ISBN 3-15-009419-4, S. 388.
  6. Tobias Diekmann: Benny’s Video filmstarts.de. Abgerufen am 15. November 2024.