Wiener Neustädter Kanal

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Der Wiener Neustädter Kanal ist ein von Wien bis in den Raum Ljubljana (Laibach) geplanter künstlicher Wasserlauf. Er wurde in den Jahren 1797 bis 1811 aber nur von Wien bis Pöttsching (bei Wiener Neustadt) in einer Länge von 63 km errichtet und sollte vor allem dem Transport von Kohle nach Wien dienen. Die Kanalschifffahrt wurde von 1803 bis 1879 betrieben und mußte dann aufgrund der Konkurrenz durch die Bahn eingestellt werden. Der Wasserlauf wurde in der Folge schrittweise auf 35 km verkürzt und der industriellen und gewerblichen Nutzung (Mühlen, Kleinkraftwerke, Fischerei, Wasserentnahme etc.)zugeführt. Durch die Anlage eines Rad- und Fußweges hat der Erholungswert des Kanals stark an Bedeutung gewonnen.

Karte der geplanten und teilweise auch umgesetzten Abschnitte des Wiener Neustädter Kanals (Mitteilungen der k.k. geographischen Gesellschaft, 1894)

Vorgeschichte

Im Jahr 1761 wurde in Nordwest-England der 23 Kilometer lange Bridgewaterkanal eröffnet, der die Kohlengrube des Sir Francis Egerton mit Manchester verband. Der durchschlagende wirtschaftliche Erfolg dieses Projektes sollte überregionale Bedeutung erlangen. So beflügelte der auf 1/3 gesunkene Kohlepreis die industrielle Revolution in Manchester derart, dass die Stadt eine Beispielfunktion erhielt, die als "Manchesterliberalismus" allerdings auch weniger erfreuliche Aspekte zeigen sollte.

Im Kaiserreich Österreich hatte man in den 1770er Jahren gerade begonnen, den Verlust der im Siebenjährigen Krieg an Preußen gefallenen schlesischen Industriegebiete durch Forcierung des Ausbaues der Industrie im südlichen Niederösterreich zu kompensieren, was den Schriftsteller Gottlob Heinrich Heinse 1812 zur Aussage bewegen sollte,

„dass in dem österreichischen Kreise Unter-Wiener-Wald mehr Fabriken und Industrie zu treffen ist, als in irgendeinem Flächenraum von gleicher Größe auf dem ganzen festen Lande in Europa.“[1]

Die Kehrseite dieser raschen Entwicklung zum Industrieviertel, einen Namen den die Region auch heute noch trägt, war der hohe Energiebedarf, der damals neben der Wasserkraft fast ausschließlich durch Holz bzw. durch Holzkohle gedeckt wurde. Die Bedarfsdeckung führte zum Raubbau an den Wäldern, dem anfänglich noch keine gesetzlichen Schranken gesetzt waren. So schrieb der Reiseschriftsteller Joseph August Schultes in einem seiner Wanderberichte über die vor ihm liegende Hügelkette im Voralpenbereich:

„Abgeholzt sind sie vom Gipfel bis zum Fuß, kein Stamm blieb von der mörderischen Axt unverschont, um dem Wald Gelegenheit zu geben sich selbst zu verjüngen. Welch ein Forstskandal, Berge ganz abzutreiben... Diese traurige Perspektive in die Zukunft findet man beinahe durchaus in allen Gebirgen Unterösterreichs in herrschaftlichen Wäldern.“[2]

Die Versuche, dem englischen Beispiel folgend die Mineralkohle als Hauptenergieträger zu etablieren blieb zunächst erfolglos. Selbst als Geschenk an bedürftige Wiener löste der neue Brennstoff keine Begeisterung aus. Man bemängelten den Geruch, den notwendigen Umbau der Heizanlagen und den geringen Preisvorteil. Von der Zukunft der Kohle dennoch überzeugt, gründeten Politiker wie der Bürgermeister von Wiener Neustadt, Michael Joseph de Roy, hohe Magistratsbeamte der Statutarstadt und Geschäftsleute im Oktober des Jahres 1791 die „Wiener Neustädter Steinkohlengewerkschaft“. Man pachtete noch im gleichen Jahr den kaiserlichen Brennberg bei Ödenburg und begann mit dem Abbau, ab 1792 erwarb man noch Schürfrechte im Schwöllgraben bei Dreistetten sowie bei Bad Fischau-Starhemberg und in der Gegend von Klingfurth, 1793 kam noch die Kohlengrube auf der Schauerleithen bei Walpersbach dazu. Der Absatz der Kohle litt jedoch unter den hohen Kosten des Transports durch Pferdefuhrwerke auf der schlechten, überlasteten Triester Reichsstraße (heute Wiener Neustädter Straße, B17). Einer der Teilhaber der „Gewerkschaft“, der Großhändler Bernhard Edler von Tschoffen hatte nun – angeregt vom Durchbruch der Kanalidee in England – die Idee den Transport durch die Errichtung eines Kanales rationeller zu gestalten. Als die „Gewerkschaft“ diesen Plan 1794 Kaiser Franz II. vorlegte, so konnte man an jene Denkschrift anknüpfen, die der belgische Ingenieur Jean-Joseph LeMaire bereits 1786 dessen Vorgänger Joseph II. präsentiert hatte. In ihr schlug LeMaire Wien als Mittelpunkt eines Kanalsystems vor das zu allen Meeren führen sollte. Kaiser Franz II. zeigte sich interessiert und schickte einen seiner Offiziere und zwar den Ingenieur-Oberstleutnant Sebastian von Maillard gemeinsam mit Bernhard von Tschoffen und drei weiteren Begleitern nach England um dort das Kanalwesen zu studieren. Die Kommission erstattet dem Kaiser einen positiven Bericht, in dem neben dem finanziellen Nutzen für Kunden und Betreiber vor allem das Faktum Interesse weckte, dass die nur von einem Pferd gezogenen britischen Narrowboats in der Lage waren bis zu 30 Tonnen Güter zu befördern, während auf der Strasse zwei Pferde lediglich zwei Tonnen bewegen konnten. Der Kaiser erteilte im Juli 1796 per Hofdekret die Genehmigung zur Errichtung eines Schifffahrtkanals bis zur Adria (?) Es kam zur Gründung der „k.k. privilegierte Steinkohlen-& Canalbau A.G.“ , die sich zunächst nur den Ausbau des Kanals bis Ödenburg zum Ziel setzte. Die für Errichtung des Kanals und den Aufbau der Infrastruktur veranschlagten 2 Millionen Gulden wurden von den „Gewerkschaftern“ und durch Aktienverkäufe aufgebracht, der Kaiser beteiligte sich mit 500.000 Gulden aus der Privatschatulle. Die Gesellschaft beauftragte nun Maillard mit der Erstellung der Pläne und der Bauleitung. Der Bau konnte beginnen.

Der Bau des Kanals (1797 – 1803)

Die Schleuse 2 in Wien im Jahr 1812 (vor dem Bau der Tierärztlichen Hochschule

Nach der Trassierung, den Grundstücksankäufen, der Pacht von Steinbrüchen, Ziegel- und Kalkbrennereien im Raum Guntramsdorf sowie einer Eisenschmelze in Pitten begannen am 19. Juni 1797 48 kroatische Ziegelarbeiter bei Guntramsdorf mit den eigentlichen Bauarbeiten. Da diese mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden waren blieben sie nicht lange und wurden durch 100, später 200 Soldaten ersetzt. Als der Kaiser am 26. Oktober den Bau persönlich inspizierte, zeigte er sich unzufrieden über den Baufortschritt und ließ im Folgejahr 1.260 Soldaten für die Kanalarbeiten abstellen. Als diese ein Jahr später im Zuge der napoleonischen Kriege abgezogen wurden, ersetzte man sie durch Sträflinge. Da sich darunter auch Mörder und andere Schwerverbrecher befanden, die nicht selten – so wie der Vater des berüchtigten Räubers Johann Georg Grasel - entflohen, kam es zu Protesten der Anwohner, worauf die Sträflinge nur mehr in den Steinbrüchen am Eichkogel bei Guntramsdorf zum Einsatz kamen, wo sie dem Blickfeld der Bevölkerung entzogen waren. Dieser permanente Arbeitskräftemangel und die hohe Fluktuation waren aber nur zwei von mehreren Gründe für die Bauverzögerungen und die stetig steigenden Baukosten. Es hatte auch an Weitsicht beim Erwerb der Grundstücke gefehlt, was die Bodenspekulationen begünstigte. Dies wurde Maillard ebenso angelastet, wie das Fehlen eines Generalplanes und die damit verbundenen chaotischen und kostentreibenden Zustände auf den zahlreichen Baustellen. Die Summe dieser Faktoren führte dazu, dass die von Maillard errechneten Baukosten von 2 auf 3,7 und schließlich auf 11 Millionen Gulden anstiegen. Da dies die Finanzkraft der „Gewerkschaft“ überstieg, wurde die Gesellschaft im Jahr 1799 von der kaiserlichen Domänenverwaltung übernommen. Maillard erhielt sein Entlassungsdekret, als Nachfolger nominierte man den für das ,Land unter der Enns' (Niederösterreich) zuständige Landesbau-Direktor Josef Schemerl von Leytenbach.

Die Schleuse 2 in Wien 1826 (mit Tierärztlicher Hochschule)

Unter diesen Umständen fanden die archäologischen Funde beim Kanalaushub nur wenig Beachtung. Dazu Franz Anton de Paula Gaheis:

„Um der österreichischen Altertumskunde willen ist zu bedauern, dass nicht jemand alles gesammelt und beschrieben hat, was man bei der Grabung des Kanals entdeckte. Man stieß auf Gemäuer und Grundfesten, die ihre Existenz gewiß aus den älteren Zeiten herleiten. Ja, es sind Gewölbe mit Gängen und Eisengittern und Türen, Aschenkrüge und Urnen, Münzen, Stücke von Statuen und Säulen, welche das graueste Altertum verraten, gefunden worden.“[3]

1801 wurde mit den Prüfungen des Kanals begonnen, wobei zunächst nur Wasser der Piesting eingeleitet wurde. Aufgrund unzureichender Wasserdichte der Kanalbettung versickerte das Wasser bereits nach wenigen Kilometern. Es versumpften dabei anliegende Felder und Wiesen, setzte Keller unter Wasser und verunreinigte Ortsbrunnen. Um die Dichtheit des Gerinnes zu erhöhen (zu „podeln“), brachte man nun in jenen Bereichen, wo wasserdurchlässige Kieselschichten vorherrschten, ein Gemisch von einem Drittel Kiesel und zwei Drittel Erde ein. Dieses vom Briten Brindley entwickelte Verfahren hatte den Vorteil, dass dieses Dichtmaterial billiger und einfacher zu bearbeiten war als Lehm. Man benötigte jedoch zum Feststampfen eine größere Anzahl an Pferden. Bei den Versuchen im Folgejahr traten ähnliche Probleme bei den bislang noch nicht gefluteten Kanalabschnitten auf. So kam es bei Simmering zu einem Dammbruch, weitere Keller wurden überflutet und in der Gruft der Franziskaner in Maria Lanzendorf schwammen die Särge.[4] Der Kaiser, der die Baukosten bislang überwiegend selbst getragen hatte, ließ nun am 13. April 1802 den Kanal ins Staatseigentum übertragen.

Auch nach der Aufnahme des regulären Schifffahrtsbetriebes auf der 56 km lange Strecke zwischen Wien und Wr. Neustadt im Jahre 1803 hatte man die Probleme mit der Abdichtung noch nicht ganz behoben. Um den Wasserdruck zu verringern befüllte man den Kanal zunächst nicht mit der planmäßigen Wassermenge, was bei verringerter Wassertiefe dazu führte, dass die Kähne nur mit 20 statt mit über 50 Tonnen beladen werden konnten. Das generelle Dichtheitsproblem konnte letztendlich erst der eingebrachte Schlamm lösen, wozu ein gutes Jahrzehnt nötig war.

1811 wurde das Teilstück bis Pöttsching an der Grenze zu Ungarn angeschlossen. Die für die Rentabilität des Kanals so wichtige Verlängerung bis zu den Kohlengruben bei Ödenburg scheiterte am Widerstand der ungarischen Großgrundbesitzer, den auch eine persönliche Intervention des Kaisers nicht brechen konnte. Die ungarischen Magnaten fürchteten einerseits Absatzeinbußen bei ihren Pferdezuchten (immerhin waren täglich 40.000 Pferde zwischen Wien und Triest unterwegs), anderseits fürchtete man den Import billiger landwirtschaftlicher Produkte nach Ungarn. Damit waren auch die Pläne einer Fortsetzung des Kanals über Ödenburg bis Raab und Triest als gescheitert zu betrachten. Immerhin hatte Maillard gemeinsam mit dem Baudirektor des Herzogtums Krain[5] die Strecke bis Oberlaibach (Vrhnika) bereits „nivelliert“ (vermessen). Die Bauzeit hatte man mit 84 Jahren berechnet – die Kähne hätten 850 Schleusen passieren müssen.

Der Betrieb (1803 – 1879)

Wiener Neustädter Kanal bei Sankt Marx um 1860

Die „Kanalbau-Hofkommission“ unternahm 1803 die erste Befahrung der Gesamtstrecke. Sie dauerte vom 19. bis zum Abend des 20. April und wurde in der Presse als „Wasserschneckenfahrt“ bezeichnet. Am geringen Tempo war vor allem die Begeisterung der Bevölkerung und die Begrüßungsadressen der Honoratioren der anliegenden Gemeinden verantwortlich. Der Frachtbetrieb lief schleppend an, da man wegen Lieferverzögerung bei den Kähnen anfangs nicht wie geplant 16, sondern nur 4 Kähne zum Einsatz bringen konnte. Im Frühjahr 1804 fuhr man dann bereits mit 55 Frachtkähnen. Es handelte sich dabei um einheitliche Kähne von 22,8 m Länge und 2,05 m Breite. Nachdem die Schleusen im Zuge der jährlichen Reparaturen zwischen 1820 und 1850 erneuert und um 32 cm verbreitert worden waren und die Verfestigung der Dämme eine Anhebung des Wasserspiegels gestattete, konnten die Kähne entsprechend verbreitert und die Beladekapazität auf 52 Tonnen gesteigert werden. Bei Holztransporten kam man aufgrund des großen Volumens nicht über 30 Tonnen hinaus. Die Kähne wurden in Wiener Neustadt und Passau hergestellt und waren Nachbauten der britischen Narrowboats, deren Pläne das Erkundungsteam unter Maillard aus England mitgebracht hatte. Sie waren symmetrisch gebaut, mußten daher am Zielpunkt nicht gewendet werden; es wurde lediglich das Ruder und die Stange für den Seilzug umgesteckt. Die von einem Steuermann gelenkten Boote wurden von einem Pferd gezogen, das von einem Pferdeführer entlang des Treppelweges geführt wurde, der entlang des Ostufers und unterhalb der Brücken verlief. Die Treidelgeschwindigkeit betrug knapp vier Kilometer pro Stunde. Getreidelt wurde im Gegenverkehr, auszuweichen hatte das leere bzw. das bergabfahrende Schiff. Aufgrund der geringen Strömung mußten die Fuhren in beiden Richtungen gezogen werden. Für die Strecke von Wien bis Wiener Neustadt benötigte man im Schnitt eineinhalb Tage.

1805 wurden mit 2.103 Fahrten 42.000 Tonnen Fracht befördert. Trotz der Intentionen der Wiener Neustädter Steinkohlengewerkschaft wurde allerdings mehr Holz als Kohle transportiert. Dies lag daran, dass die Gruben am Brennberg zu abgelegen waren und sich die im Raum Wiener Neustadt gepachteten Vorkommen als unergiebig erwiesen. Man konnte daher am Siegeszug der Kohle in Österreich nur wenig profitieren. Dieser Siegeszug begann erst in den 1850er Jahren. Die Bahn war daran dreifach beteiligt. Sie selber kurbelte durch Eigenbedarf die Kohleförderung an, machte Dampfmaschinen populär und lieferte den erforderlichen Brennstoff. Als der Kohleverbrauch der Wiener von 50.000 Tonnen auf 200.000 Tonnen im Jahr 1870 anstieg, da war es die Bahn und kein Kanalschiff, dass sie in die Haupt- und Residenzstadt brachte. Die Kohle kam auch nicht aus dem Raum Wiener Neustadt sondern aus Böhmen, Mähren und Schlesien. [6]

Statt der Kohle stand daher bis zuletzt der Transport von Brenn-, Bau- und Werkholz im Vordergrund. Das Holz stammte vor allem aus den Wäldern der Region um Rax und Schneeberg, die sich teilweise in kaiserlichem, vorwiegend jedoch im Besitz der Grafen von Hoyos befanden. Die Holzstämme wurden über die Schwarza und den Kehrbach nach Wiener Neustadt getriftet und dort auf die Kähne verfrachtet. Zwischen 1808 und 1827 wurden auf diese Art jährlich 28.000 m³ Holz nach Wien verbracht. Bei einem jährlichen Holzbedarf der Wiener von 900.000 m³, war man jedoch keine ernsthafte Konkurrenz zur Donau, auf der das Holz der an den Strom angrenzenden Wälder teilweise billiger herangeschafft werden konnte.

Neben Holz und Kohle wurden Steine, Mauer- und Dachziegel, Kalk und Roheisen, sowie Harze und Tonwaren Richtung Wien transportiert. In die Gegenrichtung fuhr man mit Eisenwaren, Tonerde, Graphit, Schwerspat, Salz, Zucker, Wein und Mauthausener Granit, mit dem die Strassen von Wr. Neustadt gepflastert wurden. Hauptabnehmer des Holzes aus dem südlichen Niederösterreich war die Ziegelindustrie, die sich aufgrund der ergiebigen Lehmgruben vor allem am Südrand von Wien angesiedelt hatte. Da der Holzbedarf der Ziegelwerke enorm war, wurden sie schließlich im Sinne der Erhaltung der Wälder, um die besonders Josef Schöffel kämpfte, verpflichtet, den Betrieb auf Kohle umzustellen.[7]

Die Frachtpreise waren nach Gewicht und Ladegut und Distanz gestaffelt. 1868 kostete beispielsweise der Transport einer Schiffsladung Brennholz von der Schleuse Leobersdorf (Nr. 34) bis nach Wien 24 Gulden. Für einen Zentner (ca. 56 kg) heikler Fracht hatte man auf der gleichen Strecke 7 Kreuzer (1 Gulden = 100 Kreuzer) zu erlegen, was bei einer Schiffsladung (30 Tonnen) 38 Gulden bedeutete.

Neben Gütern wurden auch Personen transportiert. So verkehrte dreimal in der Woche ein „Lustschiff“ von Wien nach Laxenburg, das bis zu 80 Personen transportieren konnte. In Laxenburg befand sich die Franzensburg des Kaisers und ein großer Park.

Nach den auch finanziell erfolgreichen Betriebsjahren vom Ende der napoleonischen Kriege (1815) bis 1848 machte sich die Konkurrenz der Eisenbahn in Form der Südbahn bemerkbar. Das Ende der Kanalschiffahrt war abzusehen. Was jenes Konsortium bewog, dem Staat 1871 den Kanal abzukaufen und die Erste Österreichische Schiffahrtskanal A.G. zu gründen, hatte deshalb weniger mit Schifffahrt als mit Eisenbahnbau zu tun. Mit der Kanaltrasse im Eigentum hatte man dafür vor allem im Raum Wien beste Voraussetzungen. Als man mit der belgischen Eisenbahngesellschaft einen potenten Partner gefunden hatte, suchte man um eine Eisenbahnlizenz an, erhielt sie 1877, stellte 1879 den Schifffahrtsbetrieb ein und begann 1880 mit Bauarbeiten für die neue Bahnlinie, die ursprünglich bis Saloniki reichen sollte.[8]

Der Kanal nach Einstellung des Schifffahrtsbetriebes (1879 -2000)

Eines der sieben Wunder von Wiener Neustadt

Nach der Eröffnung der Aspangbahn im Jahr 1881 wurde am Südende des Kanals der Pöttschinger Ast trocken gelegt und teilweise rückgebaut. Die Masse der Dämme wurde allerdings erst 1964 beseitigt, wobei 20 Hektar Ackerland gewonnen wurde. [9] mit dem Zuschütten des Hafens in Wiener Neustadt in den Jahren 1926/1927 wurde der Kanal weiter verkürzt und endet nun am Nordostrand von Wr. Neustadt. Am Nordende des Kanals wurde im Zuge des Baues der Aspangbahn nicht nur der Kanalhafen, sondern auch der Kanalabschnitt bis zum Krottenbach und dann bis Biedermannsdorf trocken gelegt und bis nach Kledering als Bahntrasse genutzt.

Bereits ab 1803 hatte man vom Kanal gespeiste Nutzwasserleitungen und Mühlen angelegt. Bald danach entschloss man sich auch zur Versteigerung der Gefälle an Industriebetriebe. Dadurch kam es im Zuge der allgemeinen Industrialisierung der Region zwischen Wien und Wiener Neustadt zur Ansiedelung von 19 Betrieben mit Kanalbezug, deren Spektrum von Mühlen über Holz- und Metallverarbeitung, bis zur Chemie- und Lebensmittelbranche reichte und die teilweise auch heute noch in Betrieb sind.

In der Zwischenkriegszeit erweiterte sich das industrielle Nutzungsspektrum. So wurden 1935/1936 im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms der Regierung an 13 aufgelassenen Schleusen vollautomatische Kleinkraftwerke errichtet, deren Strom in das Netz von Wien eingespeist wurde.

Im zweiten Weltkrieg erlitt der Kanal schwere Schäden. Aufgrund der Tatsache, dass die „Alpen- und Donaureichsgaue“ (Österreich) bis Mitte 1943 von Luftangriffen verschont blieben, wurden zahlreiche Industriebetriebe aus dem „Altreich“ hierher ausgelagert, wobei die Kanalnähe vor allem aufgrund des Löschwasserangebotes gesucht wurde. Der größte Industriebetrieb am Kanal, die Flugmotorenwerke Ostmark, deren Areal mit dem heutigen Industriezentrum Niederösterreich Süd identisch ist, erwarb sogar ein Teilstück des Kanals und zwar jenes zwischen dem Krottenbach und dem Kanalstück 300m nördlich des Haidbachablasses. Am 13.August 1943 begann mit einem schweren Luftangriff auf Wiener Neustadt der Bombenkrieg auch über Österreich, der 1944 mit voller Wucht zunächst die Luftfahrtindustrie traf und damit auch eine Reihe von Betrieben in unmittelbarer Nähe des Kanals. Der Kanal wurde dabei oftmals getroffen und immer wieder trocken gelegt. Weitere Zerstörungen folgten im Zuge der Erdkämpfe in den ersten Apriltagen 1945 zwischen Teilen der deutschen 6. Panzerarmee und der sowjetischen 3. Ukrainischen Front. Dabei wurden mehrere Brücken gesprengt, Schleusenanlagen und Kleinkraftwerke zerstört und Industriebetriebe mit Kanalbezug devastiert. Als man im August 1945 nach ersten Reparaturen wieder Wasser zuführte, versickerte es. Da die Sanierung in keiner Relation zu den möglichen Einnahmen standen, entschloss sich die „Austro-Belgische“ den Kanal still zu legen und zuzuschütten. Knapp davor sprang auf Intervention einiger am Erhalt interessierter Kammermitglieder die Handelskammer Niederösterreich ein, kaufte die Aktien der „Austro-Belgischen“ auf und gründete die „Wiener Neustädter Kanal - Aktiengesellschaft“. Auch diese war allerdings nicht in der Lage die Anlage zu erhalten und beschloss die Auflösung der Gesellschaft. In letzter Minute griff das Land Niederösterreich als Käufer ein, der Kaufvertrag wurde am 12. Juli 1956 abgeschlossen.

Jenes Teilstück, das sich im Besitz der Flugmotorenwerke befand, lag auch nach der Teilsanierung des südlichen Kanalabschnittes trocken, da das Kanalwasser im Bereich der Gemeindegrenze Guntramsdorf - Laxenburg beim sogenannten „Haidbachablass“ in den hier nahen Haidbach (Badener Mühlbach) umgeleitet wurde. Nachdem die Eigentumsrechte der Flugmotorenwerke an die „Industriezentrum Niederösterreich Süd GmbH“ übergegangen waren, wurde die im ursprünglichen Kaufvertrag verankerte Verpflichtung zur Erhaltung des Kanals eingemahnt. Angesichts der massiven Zerstörungen vor allem im Nordteil kam es nach längeren Verhandlungen zu einem Kompromiss. Der Kanal wurde Anfang der 1970er Jahre (?) bis zum Mödlingbach saniert, der Abschnitt bis zum Krottenbach jedoch endgültig stillgelegt. Es spielten dabei auch wasserwirtschaftliche Erwägungen eine Rolle, da der Mödlingbach mit einer Hochwassermenge von 50.000 Litern/sec die durchschnittliche Wassermenge des Kanals mit 1500 Litern/sec besser aufnehmen konnte, als der wesentlich kleinere Krottenbach. [10] Der „Haidbachablass“ blieb (mit einer Schleuse versehen) erhalten. 2007 befindet sich dieser Kanalteil im Besitz der „ECO-Plus Betriebsansiedelungsgesellschaft“.

Der Kanal im 21. Jahrhundert

Brücke über den Kanal bei Theresienfeld

Die Funktionen des Kanals

Ökologische Funktion

Der Kanal prägt mit seinen Pappelreihen (bei Baden als Naturdenkmal ausgewiesen) und Kunstbauten die Landschaft. Obwohl die Kanalböschungen regelmäßig gemäht werden, so stellt der Kanalbereich dennoch ein Refugium für nicht wenige teilweise seltene und bedrohte Pflanzen- und Tierarten dar. [11]Der Kanalbereich steht auch im Biotopenverbund mit den angrenzenden Lebensräumen, unter denen sich vor allem im Bereich Kottingbrunn einige interessante Nassbereiche und bei Gross-Mittel ausgedehnte Trockenbereiche befinden. An Bäumen sind Pappeln vorherrschend, die Weide ist seltener. Bei den kleineren Pflanzen sind in Wassernähe die Sumpfdotterblume, die attraktive Wasserschwertlilie sowie Schilf, der Große Ampfer oder Fluss-Ampfer, das Bandgras, das Wasser-Süßgras mit seinen großen Rispen und das Rohrglanzgras zu nennen. Auch Sumpf-Segge, Blutweiderich, Mädesüß und Beinwell sind vertreten. In den höheren Böschungs-,Damm- und Uferwegbereichen herrschen Pflanzenarten der Trockenwiesen vor. Zu nennen sind u.a. Wiesenbocksbart,Wundklee und andere Kleesorten, Salbei, Thymian, Sonnenröschen, Ackersteinsame und die Aufrechte Trespe. Mit der Brennessel, dem Löwenzahn und dem Beifuß sind auch Mitglieder der Ruderalgesellschaft vertreten.

An Tierarten sind neben den Fischen vor allem Wasservögel wie die Stockente, dass Blässhuhn und das Teichhuhn zu nennen.

Wasserwirtschaftliche Funktionen

Dem Kanal wird Wasser für Bewässerungszecke, für Fischteicheinspeisungen (Schönau an der Triesting, Guntramsdorf) sowie für industrielle Zwecke entnommen. Neben Nutz-, Brauch- und Kühlwasser ist die Funktion als Feuerlöschwasserquelle von besonderer Bedeutung. Bei Schneeschmelze und starken Gewitterregen nimmt der Kanal zwischen Baden und Guntramsdorf einige Bachläufe wie den Thallernbach in Gumpoldskirchen auf, er dient auch als Vorfluter der gereinigten Abwässer der Kläranlage Bad Vöslau, der die Abwässer aller Gemeinden des Triestintales zugeleitet werden.

Von den in den 1935/1936 errichteten 13 Kleinkraftwerken wurde ca. die Hälfte im Krieg zerstört, bzw. devastiert. Heute betreibt das Land Niederösterreich noch 7 Anlagen, die im Jahresschnitt 600.000 Kilowattstunden in das Netz der Wiener-Stadtwerke (Wien-Strom) einspeisen. Man findet diese Kraftwerke bei den Schleusenkammern 18, 20, 21, 22, 24, 27 und 32. Bei der Schleuse Nr. 13 produziert die Firma Bruno Strom für den Eigenbedarf, bei der Schleuse Nr. 9 im Raum Pfaffstätten steht seit März 2006 als Pilotprojekt des Wiener Erfinders Adolf Brinnich eine Staudruckmaschine in Betrieb, von der man sich eine höhere Effizienz im Kleinkraftwerksbereich erwartet.

Nutzung für Fischereizwecke

Die Fischereiberechtigten (Land Niederösterreich, ECO-Plus) haben die Fischerreichrechte an die Sportfischereiverbände Baden und Guntramsdorf verpachtet. Der Verein aus Baden nutzt die Reviere Wiener Neustädter Kanal DI/1 und DI/2, die Reviere DI/3 und DI/4 (ECO-Plus) jener aus Guntramsdorf. [12]

Nutzung als Erholungsgebiet

Der milden Winter und der Strömung wegen steht auch nicht mehr der Eislaufsport und aufgrund der vielen Schleusen auch nicht der Rudersport im Vordergrund. Interessant ist der Kanal heute vor allem für Wanderer, insbesondere jedoch für Radsportler. Letztere finden auf dem nun asphaltierten Treppelweg ideale Bedingungen vor. Sowohl der Thermenradweg [13] als auch der EuroVelo Nummer 9 nutzen dies.

Die Instandhaltung des Kanals

Der Wiener Neustädter Kanal bei Leobersdorf (2006)

Der Kanal wird von der Niederösterreichischen Landesregierung in gutem Zustand erhalten. Dies bedeutet, dass der Kanal einmal im Jahr trockengelegt und von größeren Schlamm und Schottermengen befreit wird, die vor allem im Zuge von Hochwässern und Unwettern ins Kanalbett gelangen. Dazu kommt das Mähen der Kanalböschungen. Finanziell aufwendig ist vor allem die Instandhaltung der sieben Kanalbrücken sowie der Brücken über den Kanal. Dafür stehen 2 "Flußwärter" zur Verfügung, die bei ihren Kontrollgängen vom Kehrbachursprung bis Biedermannsdorf auch die Turbinen der Kleinkraftwerke warten und bei Eisbildung eingreifen. Die Ausgaben trägt das Land, sie werden vermindert durch freiwillige Beiträge des Bundes, der Gemeinden und der Wirtschaft, durch Einnahmen aus Gestattungen (Servituts- und Grundpachtzinse, Fischereipacht etc.) sowie der Einnahme aus der Stromerzeugung von sieben Kleinkraftwerken. Auch die ECO-Plus Betriebsansiedelungsgesellschaft hält einen ähnlichen Standard der Wartung.

Spuren in den aufgelassenen Bereichen

In Wien erinnern Verkehrsflächen wie „Hafengasse“ und „Am Kanal“ unmittelbar an das einst örtlich vorhanden gewesene Gewässer. Der letztgenannte Straßenzug begleitet zwischen dem ehemaligen Aspangbahnhof und Kledering mehrere Kilometer lang die Bahntrasse, die von der Bahnstation Wien-Mitte bis Kledering im Kanalbett verlegt wurde. Städtebaulich hat der Kanal nachhaltige Spuren hinterlassen. Auf dem Kataster Franz I. von 1823 ist der Wasserweg bereits als städtebauliche Leitlinie des Gebietes erkennbar.[14] Monumentale öffentliche Bauten wie die Veterinärmedizinische Universität (siehe Bild), deren Areal zurzeit von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien genützt wird, sowie die großbürgerlichen Zinshäuser am Nordufer richteten sich am Kanal aus. Im Bereich zwischen Rennweg und dem Heumarkt stellt der Kanal auch die Begrenzung des sogenannten „Diplomatenviertels“ dar, das hier zu Ende des 19. Jahrhunderts entstand und zumindest bis Ende des 1.Weltkrieges auch eine soziale Trennlinie zu den eher (klein)bürgerlichen Bereichen am anderen Ufer darstellte. Auch die drei Brücken, die zwischen dem Wienfluss und dem Aspangbahnhof über die heutige Bahntrasse führen (Beatrixgasse, Neulinggasse und Rennweg) sind lediglich der leistungsfähigere Ersatz für alte Kanalbrücken.

Südlich von Kledering findet man im Gemeindegebiet von Biedermannsdorf Spuren. Im Anschluss an den bestehenden Kanal sind hier noch Teile der alten Dämme, eine Schleuse sowie der Schleppkanal zu den ehemaligen Ziegelwerken erhalten. Am südlichen Ende des Kanals sind die Spuren gering. Abgesehen von der bereits erwähnten Gedenktafel in der Wiener Neustädter Ungargasse findet man nur südlich von Lichtenwörth im Waldstück Hauslisse einen längeren Abschnitt des alten Dammes.

Die Betreiber

Brücke über den Wiener Neustädter Kanal bei Sollenau
  • 1803–1822: Staatliche Leitung. Das Kanalunternehmen bilanzierte passiv.
  • 1822–1829: Bankhaus Fries (jährlicher Pachtschilling 6.000 Gulden)
  • 1829–1834: Matthias Feldmüller aus Persenbeug. Feldmüller hatte bereits 1926 den Kanal aus der Konkursmasse des Bankhauses Fries übernommen und als Unterpächter geführt. Den Wasserweg übernahm er 1829 nach Abwicklung des Konkurses unter gleichen Konditionen wie das Bankhaus Fries. Feldmüller war nebenbei Eigentümer von 1.225 Donauschiffen und zog den ersten Gewinn aus dem Kanalbetrieb.
  • 1834–1846: Freiherr Simon von Sina. Simon von Sina war Bankier und erzielte trotz der Erhöhung des Pachtschillings auf 13.085 Gulden beträchtliche Gewinne.
  • 1846–1857:Alois Miesbach, dem Begründer des heute weltweit agierenden Baustoffkonzerns Wienerberger, (Besitzer der Herrschaft Inzersdorf sowie von 30 Bergwerken, 9 Ziegeleien und einer Terrakottafabrik). Der Pachtschilling betrug 15.551 Gulden.
  • 1857–1871: Heinrich von Drasche-Wartinberg. Er übernahm nach dem Tod seines Onkels Alois Miesbach den Konzern und auch die Pacht des Kanals.
  • 1871–1878: Erste Österreichische Schiffahrtskanal A.G. Sie kaufte den Kanal am 15. Mai 1871 zum Betrag von 350.000 Gulden vom Staat. 1877 setzte sie sich mit der Belgischen Eisenbahngesellschaft in Verbindung und erhielt am 28. November 1877 die Konzession zum Bau der Aspangbahn.
  • 1878–1950er Jahre: Austro-Belgische Eisenbahngesellschaft. Diese Gesellschaft entstand aus der Fusion der Ersten Österreichischen Schiffahrtskanal A.G. mit der Belgischen Eisenbahngesellschaft nach Erhalt der Konzession zur Errichtung der Aspangbahn. Die „Austro-Belgische“ stellte den Schifffahrtsbetrieb 1879 still.
  • Nordteil: In den Jahren 1941/1942 verkaufte die "Austro-Belgische" den Kanalabschnitt von der Gemeindegrenze Guntramsdorf - Laxenburg bis zum Krottenbach an die „Flugzeugmotorenwerke Ostmark Ges.m.b.H.“ Deren Rechte gingen nach dem Krieg an die „Industriezentrum Niederösterreich Süd Ges.m.b.H“ über und befinden sich heute im Besitz der „ECO-Plus Betriebsansiedelungsgesellschaft“. Diese Gesellschaft ist zur Erhaltung des Kanals von der genannten Gemeindegrenze bis zum Mödlingbach vertraglich verpflichtet.
  • Südteil: 1950er Jahre bis 1956: Handelskammer Niederösterreich. Da die "Austro-Belgische" finanziell nicht in der Lage war, die Kriegsschäden zu sanieren, entschloss man sich zur Trockenlegung des gesamten Kanals und zum Verkauf der Teilabschnitte. Um dies im Sinne der niederösterreichischen Wirtschaft zu verhindern, entschloss man sich zum Ankauf, musste aber angesichts der hohen Kosten ebenfalls kapitulieren.
  • Südteil: Ab 1956: Das Land Niederösterreich.

Technische Angaben

Verlauf

Schleusentor bei Kottingbrunn

Der Kanal führte 1803 über die Gemeindegebiete folgender Orte: Wien, Simmering, Kledering, Rannersdorf, Lanzendorf, Biedermannsdorf, Laxenburg, Guntramsdorf, Gumpoldskirchen, Pfaffstätten, Tribuswinkel, Bad Vöslau, Kottingbrunn, Leobersdorf, Schönau an der Triesting, Sollenau, Theresienfeld und Wiener Neustadt.

Heute sind die Gemeindegebiete von Wien, Simmering, Kledering, Rannersdorfund Lanzendorf weggefallen.

Der Kanal wird heute vom „Triangel“ (Y-förmige Abzweigung des heute zugeschütteten Pöttschinger Astes) am Nordostrand von Wiener Neustadt bis zur Kreuzung mit der Pottendorferstraße in einem Damm und danach in einer schwachen Aufdämmung bis zur Kreuzung mit der Bahnlinie Wien-Pottendorf geführt. Ab dort wird der Kanal entweder in schwachen Einschnitten oder in einem normalen Graben geführt.

Kanaldaten

Der Kanal wird durch die hölzernen Schleusen in verschiedene Abschnitte unterteilt, die auch „Haltungen“ genannt werden. Die „Haltungen“ weisen nur ein geringes Gefälle auf. Die Schleusen haben im Schnitt ein Gefälle von zwei Metern. Grundsätzlich handelte es sich um Einfachschleusen, lediglich vier waren mit zwei Kammern, jene bei Guntramsdorf mit drei Schleusenkammern ausgestattet. Die Schleusen sind von Wiener Neustadt aus Richtung Wien durchnummeriert, jene von Guntramsdorf bis zum Hafen in Wien tragen/trugen den Namen des Standortes.

Der Schifffahrtsbetrieb lief von Anfang April bis Ende Oktober. Die verbleibende frostfreie Zeit wurde für Wartungs- und Reparaturarbeiten genützt. Zu diesem Zweck wird der Kanal zur Kanalabkehr auch heute noch im Herbst kurzfristig trocken gelegt.

Die schiffbare Länge des Kanals betrug/beträgt:

  • 1803: 56 Kilometer (Hafen Wien bis Hafen Wr. Neustadt)
    Der Höhenunterschied betrug 93 Meter, der 46 „Haltungen“ (Strecken zwischen den Schleusen) beinhaltete.
  • 1811: 63 Kilometer (Hafen Wien bis Pöttsching)
    Der Höhenunterschied betrug 103 Meter bei „50 Haltungen“.
  • 2007: 35 Kilometer (Biedermannsdorf - Wiener Neustadt Nordost)
    Der Höhenunterschied beträgt 86 Meter, die Anzahl der Schleusen 38.

Zur Zeit der Inbetriebnahme führten 54 Brücken über den Kanal.

Die Spiegelbreite des Kanals (Breite am Wasserspiegel gemessen) betrug bis zu 11 m, die Sohlenbreite durchschnittlich 5,7 m. Wegen des geringen Tiefgangs der Kähne reichte eine Wassertiefe von 1,6 – 1,9 m aus.

Der am rechten Ufer geführte Treppelweg hatte eine Breite von 2,5 Metern.

Wassereinspeisung

Der Kanal wird hauptsächlich vom Kehrbach gespeist. Der Kehrbach, der bereits im 12. Jahrhundert Erwähnung findet, wird beim „Peischinger Landwehr“ nahe des Ortes Peisching (östlich von Neunkirchen) von der Schwarza abgeleitet, wobei bis zu 7000 Liter/sec und damit im Regelfall das gesamte Wasser der Schwarza entnommen wird. In Wiener Neustadt fließen mindestens 1.000 bis maximal 1.440 Liter in der Sekunde in den Kanal, der Rest fließt in die Warme Fischa.

Eine weitere Wasserquelle stellt die Leitha dar. Die Leitha hat mit der Schwarza und der aus dem Wechselgebiet kommenden Pitten zwei Quellflüsse, die bei Haderswörth, dem „Leitha-Ursprung“ zusammenfließen. Von der Pitten wird knapp vor dem Leitha-Ursprung der ,Lanzenkirchner Werkkanal' abgeleitet, der vor Katzelsdorf in die Leitha mündet. Knapp danach speist die Leitha das Katzelsdorfer Zuleitungsgerinne (auch Katzelsdorfer Mühlbach genannt) im Jahresschnitt mit 3.000 Liter/sec. Das Gerinne fließt im Park der Theresianischen Militärakademie in den Kehrbach. Zur Zeit des Schifffahrtsbetriebes wurde auch noch Wasser der Triesting, der Piesting, des Kalten Ganges und der Hirm zugeführt.

Gewässerquerungen

Kleinere Gerinne werden mit Durchlässen (1803 waren es 26) unter dem Kanal durchgeführt. Größere Wasserläufe überquert der Kanal mit Hilfe von Aquädukten (1803 waren es 16, heute sind es noch 6). Das Wasser floss dabei in Trögen aus Holz, bei längeren Strecken wurde es über Brücken aus Ziegelmauerwerk geleitet. Die Holztröge wurden bereits vor dem zweiten Weltkrieg durch Betontröge ersetzt. Die Aquädukte über die Warme Fischa, die Piesting, die Triesting, den Triestinger Hochwassergraben, die Schwechat und über den Badener Mühlbach existieren noch, wobei die Überführung über die Warmen Fischa wegen ihrer auffälligen Bauweise zu den sieben Wundern von Wiener Neustadt zählt. Mit dem Rückbau des Kanals von Pöttsching bis Wr. Neustadt - Süd und des Abschnittes vom Mödlingbach bis zur Donau wurden die Aquädukte über die Leitha, den Kehrbach, den Mödlingbach, den Krottenbach, den Petersbach und die Liesing abgerissen.

Häfen und Verladestellen

Der Hafen am Wiener Ende lag zunächst nahe der Einmündung des Wienflusses in den heutigen Donaukanal (heute Bahnhof Wien Mitte), wurde aber 1847 knappe zwei Kilometer nach Süden an jene Stelle verlegt, wo später der Aspangbahnhof errichtet wurde. In Wiener Neustadt lag der Hafen bei der Ungargasse, woran ein Gedenkstein erinnert. Entlang des Kanals gab es insgesamt zehn weiter Verladestationen mit Lagermöglichkeiten, Gaststätten für die Schiffsmannschaften, Unterkünften für das Betriebspersonal (Schleusenwärter etc.) sowie Stallungen und Futterstellen für die Zugpferde.

Quellen

  1. Michael Rosecker: Neue Zeiten - neue Wege. Das historische Umfeld der Anfänge des Wiener Neustädter Schiffahrtskanales, in: Industrieviertel Museum (Hg.): 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997). Seite 7
  2. Rosecker 1997, Seite 7 und 8
  3. Franz Gaheis:Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden Wiens (Wien 1798-1807) Band 4 Seite 265
  4. Josef Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf (1977) Seite 67
  5. Entspricht – vermehrt durch Teile der Steiermark – weitgehend dem heutigen Staatsgebiet von Slowenien
  6. Alois Brusatti (HG.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918 Band 1 Die wirtschaftliche Entwicklung (Wien 1973) Seite151
  7. Knoll: Heimatbuch Guntramsdorf. Seite 69
  8. Bezirksmuseum Landstraße - Der Aspangbahnhof und die Wien-Saloniki-Bahn
  9. Hermann Mayrhofer: Kanal für Leser, in: Industrieviertel-Museum: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997) Seiten 35-37
  10. Hans Rosmann: Vom Schiffahrtskanal zum Kanal, in:Industrievierrtel - Museum Wiener Neustadt (Hg.): 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal. Seiten 26-34
  11. Jutta Edelbauer: Wiener Neustädter Kanal -Fauna und Flora, in: Industrieviertel-Museum: 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal (Wiener Neustadt 1997) Seiten 15-17 (
  12. Das Revier DI/1 reicht vom Kanalende in Wiener Neustadt bis Schleuse 35 an der Landesstraße Sollenau-Schönau, das Revier DI/2 bis zur Schleuse 13 nahe der Landesstraße Pfaffstätten - Traiskirchen, das Revier DI/3 bis zur Gemeindegrenze Guntramsdorf -Laxenburg, das Revier DI/4 bis zum Mödlingbach.
  13. http://www.fahr-radwege.com/Thermenradweg.htm
  14. Podbrecky. Seite 8

Literatur

  • Inge Podbrecky: Der Wiener Neustädter Kanal, in: Denkmalpflege in Niederösterreich Band 10 Verkehrsbauten
  • Fritz Lange: Von Wien zur Adria - Der Wiener Neustädter Kanal, Sutton Verlag 2003, ISBN 3-8970-2621-X
  • Industrieviertel-Museum (Hrsg): 200 Jahre Wiener Neustädter Kanal, Wiener Neustadt 1997
  • Slezak: Vom Schiffskanal zur Eisenbahn, Wien 1981 ISBN 3-9001-3472-3
  • Slezak: Kanal Nostalgie Aspangbahn, Wien 1990, ISBN 3-8541-6153-0
  • Valerie Else Riebe: Der Wr. Neustädter Schiffahrtskanal, Eigenverlag, Wien 1936

Der Wiener Neustädter Kanal auf den Seiten des Bezirksmuseums Landstraße

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