Peer Gynt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. Oktober 2024 um 17:06 Uhr durch CamelBot (Diskussion | Beiträge) (Bot: http2https, linkfix: entfernung von tracking-parameter, youtube-redirect; siehe user:CamelBot.).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Peer Gynt (norwegisch: [ˈpeːr ˈɡʏnt]) ist ein 1867 von Henrik Ibsen geschriebenes dramatisches Gedicht.

Entstehungsgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peer Gynt entstand auf der Vorlage norwegischer Feenmärchen von Peter Christen Asbjørnsen. Sie waren zwischen 1845 und 1848 unter dem Titel Norske Huldre-Eventyr og Folkesagn erschienen. In seinem Werk setzte sich Ibsen kritisch mit dem romantischen Nationalismus im Norwegen seiner Zeit auseinander. Er schuf es während seines freiwilligen Exils in Italien, vor allem auf Ischia und in Sorrent.

Peer Gynt war ursprünglich nicht für die Bühne geschrieben worden. Einige Jahre nach der Fertigstellung änderte Ibsen jedoch seine Meinung und begann, das bis dahin in der Lesefassung sehr erfolgreiche Gedicht, das auch Züge eines Schelmenromans aufweist, zu einer Bühnenfassung umzuarbeiten, was einige Kürzungen mit sich brachte. Für dieses Vorhaben schuf Edvard Grieg die 26-teilige Schauspielmusik Peer Gynt. Die Uraufführung der Bühnenfassung zusammen mit Griegs Musik fand am 24. Februar 1876 im Christiania Theater in Christiania statt. Aus der Schauspielmusik stellte Grieg 1888 und 1891 seine beiden Peer-Gynt-Suiten zusammen.

Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die nationalromantische Musik Griegs denkbar schlecht zu Ibsens modernem Drama passt,[1] obwohl neben musikalischen Qualitäten auch Griegs „theatrale[s] Einfühlungsvermögen“ und sein „Sinn für dramaturgische Knotenpunkte“ gewürdigt wird.[2] Grieg hat in Briefen denn auch mehrfach geäußert, dass Ibsens Peer Gynt nie seine Sympathie gewinnen werde. Der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen hielt das Werk gar für das Schrecklichste, das er je gelesen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Harald Sæverud mit der Komposition einer neuen, moderneren Bühnenmusik beauftragt, die 1948 erstmals in Verbindung mit dem Stück erklang. In zeitgenössischen Theaterproduktionen wird Griegs Musik entweder gar nicht mehr oder nur ironisch verwendet. Die Verfilmung von 2006 benutzt diese jedoch ganz ohne Ironie und beweist, dass sie sogar zu einer modernen Lesart des Dramas passt.

Übersetzungen ins Deutsche existieren unter anderem von Ludwig Passarge (1881), Christian Morgenstern (1901), Hermann Stock (1953) und Angelika Gundlach (2006).

Die Hauptfigur ist der junge Bauernsohn Peer Gynt, der mit Lügengeschichten versucht, der Realität zu entfliehen. So verdrängt er, dass sein Vater, der einst sehr angesehene Jon Gynt, Hof und Habe durch Misswirtschaft und zahlreiche Alkoholeskapaden verloren hat. In Peers Fantasiewelt ist die heruntergekommene Behausung jedoch nach wie vor ein strahlender Palast. Auch seine eigene Nichtsnutzigkeit verklärt er zu Heldenhaftigkeit. So schildert er seiner Mutter Aase einen halsbrecherischen Ritt auf einem „Bock“ über einen Grat, möglicherweise den Besseggen oberhalb des Gjendesees im norwegischen Gebirge Jotunheimen.

Lina Lossen und Friedrich Kayssler als Solvejg und Peer Gynt im Jahr 1913. Aufführung im Lessingtheater (Berlin). Foto: Becker und Maass

Von seiner Mutter wird Peer überbehütet und glorifiziert, doch soll er immer ihre Version des Lebens teilen. Auf der Suche nach Liebe und Abenteuer findet er sich bald in einer Welt von Trollen und Dämonen wieder. Er entführt Ingrid, die Braut eines anderen, verlässt sie aber kurz nach der Entführung. Gleichzeitig verliebt er sich in die aus pietistischem Elternhaus stammende Solvejg, die ihn anfangs nicht erhört, sich ihm später jedoch anschließt und in einem Holzhaus im Wald auf seine Rückkehr wartet.

Nach einem Zeitsprung von etwa 30 Jahren findet sich der inzwischen unter anderem durch Sklavenhandel reich gewordene Peer im vierten Akt in Marokko wieder. Dort wird ihm von Geschäftspartnern sein Schiff mit allen Reichtümern gestohlen. Nach einem Gebet versinkt das Schiff. Peer findet sich mit seiner Armut ab und wendet sich Gott zu. Durch einen Affenangriff wird er in die Wüste getrieben, wo er sich in eine Oase rettet. Von den dort lebenden Jungfrauen erwählt er Anitra, die ihm allerdings die letzten Habseligkeiten stiehlt. Den Tiefpunkt seines Lebens erlebt Peer im Irrenhaus zu Kairo, dem der deutsche Arzt Doktor Begriffenfeldt vorsteht.

Alt und verarmt kehrt Peer Gynt heim, wo ihm der Abgesandte des „Meisters“, der sich der Knopfgießer nennt, erscheint und gegen den er um seine Seele kämpfen muss. In einer berühmten Szene vergleicht sich Peer mit einer Zwiebel, die viele Hüllen, jedoch keinen Kern aufzuweisen hat. In der an einem Pfingstmorgen spielenden Schluss-Szene stellt sich jedoch Solvejg, die ein Leben lang auf die Rückkehr ihres Geliebten gewartet hat, schützend vor ihn und rettet ihn. Weil Peers ideales Selbst die ganze Zeit über in Solvejgs Herzen gelebt hat („In meinem Glauben, in meinem Hoffen und in meinem Lieben“), wird ihm verziehen.

Vinstra und das Peer-Gynt-Festival

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Leben von Peder Olsen Hågå, der 1732 bis 1785 auf dem Hof Nordgardhågå[3] in dem Dorf Sødorp bei Vinstra lebte,[4] bildete die Erzählgrundlage für Ibsens Drama. Auf dem alten Kirchenfriedhof in Sødorp steht ein Gedenkstein für Peer Gynt. Der Peer-Gynt-Bauernhof, Hågå, besteht aus 15 alten Häusern und ist heute für das Publikum zugänglich. Außerdem beginnen in Vinstra der Peer-Gynt-Weg („Peer Gyntveien“) über Gålå nach Gausdal und der Peer-Gynt-Almweg über den Rondablick (Rondaneblikk) nach Kvam.

Das Peer-Gynt-Festival ist ein 10-tägiges Kulturfestival, welches jährlich im August in Sør-Fron im Gudbrandstal startet. Die Veranstaltung umfasst unter anderem die Theateraufführung „Peer Gynt“ auf der Freilichtbühne am See Gålåvatnet und das Bergkonzert im Kvamsfjellet.

Das erste Festival fand 1928 statt. Seit 1967 wird dabei jährlich das Drama von Ibsen aufgeführt, als eine Huldigung an den lokalen Peer Gynt. Seit 1989 finden die Aufführungen im Freilufttheater am See Gålåvatnet statt. Von 1993 bis 2013 wurde das Theaterstück von Edvard Griegs Musik begleitet. Die Theatervorstellung wird jährlich von über 12.000 Zuschauern besucht. Auf der Konzertarena im Kvamsfjellet findet das jährliche Konzert „Am Rondane“ statt. Von 2006 bis 2012 gab es während des Veranstaltungszeitraumes zusätzlich eine Tanzvorstellung in Fryajuvet. Die Auszeichnung „Årets Peer Gynt“ (Peer-Gynt-Ehrenpreis) wird während des Festivals vergeben. Das Festival wird von der Peer Gynt AS aus Vinstra organisiert und veranstaltet. Das Festival wird als zentraler Knotenpunkt betrachtet und zusätzlich zu den bereits genannten drei großen Veranstaltungen werden während der Festivaldauer auch größere und kleinere Kultur- und Naturarrangements angeboten.

Peer Gynt in Gålå

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1988 bis 2013 wurde das Theaterstück unter der Regie von Svein Sturla Hungnes, der von 1995 bis 2007 selbst die Hauptrolle als Peer Gynt übernahm, aufgeführt. Von 1989 bis 2004 spielte Per Tofte die Hauptrolle, bis 2008 dann Dennis Storhøi die Hauptrolle als Peer übernahm. Edvard Griegs Musik wurde bis 2013 von einem Orchester in Begleitung eines Chores gespielt. Die Theatervorstellung hat international Aufmerksamkeit erhalten, so dass unter anderem im Oktober 2006 eine Konzertversion im New Yorker Central Park organisiert wurde.

2014 wurde unter der Regie von Erik Ulfsby eine ganz neue Theateraufführung präsentiert. In Zusammenarbeit mit Berufsschauspielern und 80 Laiendarstellern wird diese Version aufgeführt. Kjetil Bjerkestrand hat die Musik zu dieser neuen Theaterstückversion geschrieben. Die Musik, inspiriert von Edvard Griegs Peer-Gynt-Suite, hat eine modernere Richtung und wird von sieben Berufsmusikern gespielt.

Literaturseminar und Debatten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusätzlich zum Festivalprogramm werden auch Literaturseminare und Debatten veranstaltet. Kleinere internationale Theatergruppen zeigten in Auszügen ihre Interpretation des Peer-Gynt-Theaterstückes, Vorträge über Peer Gynt bildende Kunst, Peer Gynt als Volksdichtung, Ibsen und Gudbrandsdalen Tal und vieles mehr. Es gab auch Plenumsdebatten. In den späteren Jahren wurden auf dem Peer Gynt Bauernhof Hågå in Vinstra Seminare abgehalten.

Bergkonzert im Kvamsfjellet mit Aussicht auf den Rondane-Nationalpark: Während des Peer-Gynt-Festivals finden eine Reihe von Konzerten statt. Das Konzert „Morgenstimmung“ („Morgenstemning“) findet vor den Türen der Freiluftbühne am See Gålåvatnet statt. 2014 sorgte das Konzert von Ingrid Olava und Frida Ånnevik für Morgenstimmung und Gänsehaut. Das Kirchenkonzert während des Festivals findet in der Kirche von Sør–Fron statt. 2014 spielten Arve Tellefsen, Knut Buen und Håvard Gimse mit dem Thema „Leben und Musik von Ole Bull“. 2012 gastierte Alexander Rybak in der Sør–Froner Kirche.

Kunstausstellung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1971 findet während des Festivals eine Kunstausstellung statt. 2014 wurden die Werke des Künstlers Arve Nøst ausgestellt, der auch Bühnenbildner für die neue Theateraufführung am See Gålåvatnet ist. Basierend auf der Geschichte des Peer Gynt präsentierte Ståle Blæsterdalen seine Ausstellung 2013.

Ehrenpreis „Årets Peer Gynt“

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ehrenpreis „Årets Peer Gynt“ wurde 1971 vom Peer Gynt-Festival, mit Einar Gerhardsen als erstem Gewinner, gestiftet. Seit 1973 wählen die Repräsentanten des norwegischen Parlamentes („Stortinget“) den jährlichen Gewinner. Gewählt werden Personen oder Institutionen, die sich positiv für das gemeinschaftliche Leben in Norwegen eingesetzt haben oder Norwegen als Nation im Ausland bekannt gemacht haben.

Preisträger[5]

Wichtige Inszenierungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Uwe Englert: „Peer Gynt“, in: Ibsens Dramen. Reclam, Stuttgart 2005, [Reclam Interpretationen, RUB 17530], ISBN 3-15-017530-5, S. 7–40.
  • Meinolf Schumacher: „Peer Gynts letzte Nacht. Eschatologische Medialität und Zeitdehnung bei Henrik Ibsen“, in: Figuren der Ordnung. Beiträge zu Theorie und Geschichte literarischer Dispositionsmuster, hrsg. von Susanne Gramatzki und Rüdiger Zymner. Böhlau, Köln u. a. 2009, ISBN 978-3-412-20355-9, S. 147–162 (Digitalisat).
  • Brigitte Fochler: Der Narziss Peer Gynt. Eine psychologische Betrachtung von Ibsens Gedicht und seine dramaturgische Umsetzung durch die Claus-Peymann-Inszenierung am Wiener Burgtheater. Diplomatica-Verlag GmbH, ISBN 978-3-8366-5739-6.
Commons: Peer Gynt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Vgl. Uwe Englert: „Peer Gynt“, in: Ibsens Dramen. Reclam, Stuttgart 2005, S. 35
  2. Hanspeter Krellmann: Edvard Grieg. Rowohlt, 1999, S. 66
  3. Christian Nowak, Rasso Knoller: Baedeker Reiseführer Norwegen, S. 206
  4. Der Peer Gynt-Weg Lillehammer – Sehen und Erleben
  5. Verdensborger ("Weltbürger"). Peer Gynt Huset (Vinstra), abgerufen am 13. Juli 2024.
  6. Matthias Heilmann: Leopold Jessner - Intendant der Republik. Hrsg.: Walter de Gruyter. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005, S. 421.
  7. Peer Gynt - 23/03/2016 - Spielplan - DeutschesSchauSpielHausHamburg. Abgerufen am 28. April 2018.
  8. Christian Gampert: Glamour statt Glanz auf dlf.de, 7. Juli 2018
  9. Fabian Wallmeier: Mach keinen Umweg mehr, Peer! auf rbb24.de, 20. Februar 2020.
  10. Peer Gynt (1919) bei filmportal.de