Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland

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Die Fünf-Prozent-Hürde, auch Fünf-Prozent-Klausel genannt, ist die bekannteste und am meisten verbreitete Sperrklausel für Wahlen in Deutschland. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen Ländern mit Verhältniswahlrecht.

Für den ersten Bundestag 1949 galt die Fünf-Prozent-Hürde getrennt für jedes Bundesland. Am 25. Juni 1953 verabschiedete dann der Deutsche Bundestag ein neues Bundeswahlgesetz, nach dem sie sich auf die bundesweit abgegebenen gültigen Stimmen bezieht. Bei der Bundestagswahl 1990 galt die Fünf-Prozent-Hürde wegen der besonderen Situation direkt nach der deutschen Wiedervereinigung ausnahmsweise getrennt für West- und Ostdeutschland.

Nationale Minderheiten

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Ausgenommen von der Fünf-Prozent-Hürde sind teilweise die Parteien nationaler Minderheiten. So wird der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) in Schleswig-Holstein, der die dort ansässige dänische nationale Minderheit repräsentiert, davon ausgenommen. Im Gegensatz zum schleswig-holsteinischen Wahlgesetz, das nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich (aufgrund der Bonn-Kopenhagener Erklärungen) nur Parteien der dänischen Minderheit von der Sperrklausel befreit,[1] erstreckt sich gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 BWahlG die Befreiung von der Fünf-Prozent-Hürde auf alle Parteien nationaler Minderheiten in Deutschland. Neben dem SSW existiert derzeit die 2005 gegründete Lausitzer Allianz als sorbische Partei in Brandenburg und Sachsen. Die 2007 in Niedersachsen gegründete Partei Die Friesen, die sich in ihrer Satzung als Partei einer nationalen Minderheit bezeichnete, hat sich 2023 wieder aufgelöst.

Rechtliche Grundlagen

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Bundestagswahlen

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Bei der Wahl zum Deutschen Bundestag gilt Folgendes: Damit einer Partei gemäß der Stimmverteilung Sitze zugeteilt werden, muss sie mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen auf sich vereinen („Fünf-Prozent-Klausel“). Anderenfalls verfallen die für diese Partei abgegebenen Zweitstimmen.

Die Grundmandatsklausel, wonach auch Parteien die mindestens drei Direktmandate erringen, ihren Zweitstimmen entsprechend in den Bundestag einziehen, wurde ursprünglich 2023 abgeschafft.[2] Das Bundesverfassungsgericht erklärte mit seiner Entscheidung vom 30. Juli 2024 die Ausgestaltung der Fünf-Prozent-Sperrklausel ohne Ausnahmen im § 4 Abs. 2 Satz 2 Nummer 2 BWahlG (nach der Abschaffung der Grundmandatsklausel im 2023 novellierten Bundeswahlgesetz) für verfassungswidrig und stellte die Unvereinbarkeit dieser Sperrklausel mit dem Grundgesetz fest.[3][4][5] Zur Sicherstellung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages sei es nicht erforderlich, eine Partei bei der Sitzverteilung unberücksichtigt zu lassen, deren Abgeordnete im Fall ihrer Berücksichtigung eine gemeinsame Fraktion mit den Abgeordneten einer anderen Partei bilden würden, wenn beide Parteien gemeinsam die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten würden.[6] Das Bundesverfassungsgericht ordnete die Fortgeltung der Sperrklausel an und erließ es eine Regelung entsprechend der früheren Grundmandatsklausel bis zur Neuregelung der Sperrklausel durch den Gesetzgeber.[7]

Eventuell errungene Direktmandate verbleiben darüber hinaus lediglich für Einzelkandidaten (§ 6 Abs. 2 BWahlG), nicht für Kandidaten einer Partei, wenn diese an der Sperrklausel scheitert (§ 6 Abs. 1 BWahlG).

Parteien nationaler Minderheiten, wie etwa der SSW, der 2021 erstmals seit 1961 wieder an einer Bundestagswahl teilgenommen hat und dadurch mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten ist,[8] sind von der Sperrklausel befreit. Als nationale Minderheit gelten nur angestammte Minderheiten wie Dänen, Friesen, Sinti und Sorben, nicht jedoch Zuwanderer wie z. B. Italiener, Türken.

Seit der Europawahl 2014 gibt es keine Sperrklauselregelung mehr.[9]

Bis zur Wahl 2009 galt bei Europawahlen eine reine Fünf-Prozent-Hürde gemäß § 2 Abs. 7 Europawahlgesetz (Wahlsystem, Sitzverteilung) in der Fassung vom 17. März 2008.

Die Vorschrift ist aber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und damit nichtig. Sie verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen die Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der Parteien.[10][11]

Der CDU-Bundesparteitag sowie einige SPD-Landesverbände forderten daraufhin Ende 2012 die Einführung einer Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen; die CSU präferierte die Einrichtung von Wahlkreisen und Umstellung auf D’Hondt, was auch zu einer deutlichen Erhöhung der faktischen Sperrklausel führen würde.[12] Auch das Europäische Parlament verabschiedete im November 2012 eine Entschließung,[13] in der die Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, „geeignete und angemessene Mindestschwellen“ für die Sitzvergabe einzuführen.[12]

Am 13. Juni 2013 beschloss der Deutsche Bundestag eine Drei-Prozent-Sperrklausel für die Europaparlamentswahlen.[14] Dagegen klagten mehrere kleinere Parteien vor dem Bundesverfassungsgericht, außerdem organisierte der überparteiliche Verein Mehr Demokratie eine Klage gegen das Gesetz.[15][16][17]

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am 18. Dezember 2013 mündlich über die Klagen. Dabei wurde erörtert, ob sich die politische Lage im Europaparlament seit 2011 so verändert habe, dass nun eine Sperrklausel gerechtfertigt sein könnte.

Am 26. Februar 2014 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Drei-Prozent-Hürde verfassungswidrig und nichtig ist, da diese Hürde gegen die Chancengleichheit der Parteien verstößt.[18] Bei der Europawahl 2014 zogen daraufhin sieben Abgeordnete kleiner Parteien in das Europaparlament ein, von denen sich die meisten einer der großen Fraktionen anschlossen.

Auf Initiative von CDU, CSU und SPD einigten sich am 6. Juni 2018 die EU-Staaten im Rat der Europäischen Union als Teil eines ganzen Pakets von Wahlrechtsänderungen auf die Einführung einer Sperrklausel von mindestens 2 % in großen Ländern/EP-Wahlkreisen, die bis spätestens zur übernächsten Europawahl nach Inkrafttreten des Beschlusses umzusetzen sein soll.[19] Die neue Regelung wurde so konzipiert, dass sie faktisch nur Kleinparteien in Deutschland und eingeschränkt in Spanien trifft (alle anderen EU-Staaten haben bereits eine höhere explizite oder faktische Sperrklausel bei der Europawahl). Vor Inkrafttreten muss die Wahlrechtsänderung noch von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert und dann ins nationale Wahlrecht überführt werden. Pläne zur Ratifizierung und Wiedereinführung einer Sperrklausel bereits zur Europawahl 2019 hat die Große Koalition nach Widerstand der Grünen im November 2018 aufgegeben.[20] – Bei einer weiteren Gesetzesinitiative 2023 nach einer Änderung der europäischen Wahlgesetze stimmten Bundesrat und Bundestag für eine Sperrklausel, es fehlte aber noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Im Juli 2023 beantragte Die PARTEI beim Bundesverfassungsgericht dieses deutsche Zustimmungsgesetz zu stoppen, das vorsieht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament eine Sperrklausel von mindestens zwei und höchstens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen einzuführen. Dieser Antrag sowie eine entsprechende Verfassungsbeschwerde des Parteivorsitzenden Martin Sonneborn wurden mit Beschluss vom 6. Februar 2024 (2 BvE 6/23, 2 BvR 994/23) als unzulässig verworfen. Für die Europawahl 2024 hat dieser Beschluss noch keine Auswirkungen, aber für die Wahl 2029 wird eine entsprechende Hürde von mindestens 2 % kommen.

Für die Landtagswahlen ist die Fünf-Prozent-Hürde in den jeweiligen Landeswahlgesetzen verankert. In den meisten Bundesländern bezieht sich die Fünf-Prozent-Hürde auf die gültigen Stimmen. In den meisten Bundesländern ziehen über die Erststimme gewählte Direktkandidaten auch in den Landtag ein, wenn ihre Partei die Sperrklausel nicht überwinden konnte; teilweise gibt es auch eine Grundmandatsklausel ähnlich wie bei der Bundestagswahl.

Am 1. Juli 1973 wurde in Bayern per Volksentscheid die Fünf-Prozent-Hürde für Landtagswahlen eingeführt. Zuvor galt eine Zehn-Prozent-Sperrklausel auf Ebene der Bezirke, d. h., eine Partei musste in mindestens einem der Bezirke zehn Prozent der gültigen Stimmen erreichen, um in den Landtag einzuziehen.[21]

Nur in Bayern gilt heute noch die Regel, dass in den Landtag nur Direktkandidaten der Parteien einziehen können, die mindestens fünf Prozent der gültigen Stimmen bekommen, wobei Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt werden.[22]

In Berlin hat die Fünf-Prozent-Hürde Verfassungsrang.[23] Hier bezieht sich die Hürde auf die abgegebenen Stimmen, so dass diese effektiv etwas höher ist.

Im Land Bremen wird die Fünf-Prozent-Hürde in den zwei Wahlbereichen Bremen und Bremerhaven getrennt angewendet. Dies hatte zur Folge, dass bei der Bürgerschaftswahl 2003 DVU und FDP und 2007 DVU und die Bürger in Wut in Bremerhaven in die Bürgerschaft einziehen konnten, obwohl landesweit keine fünf Prozent der Stimmen erreicht wurden.

Schleswig-Holstein

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In Schleswig-Holstein ist der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen.

In fast allen Bundesländern wird die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen nicht mehr angewandt; in die Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte können somit alle Parteien und Gruppierungen einziehen, die – in Abhängigkeit vom Sitzzuteilungsverfahren – genug Stimmen erhalten, um die faktische Sperrklausel zu überwinden. Bei den üblichen Größen von Kreis-, Stadt- und Gemeinderäten von ca. 20 bis 70 Personen liegt diese Untergrenze dann etwa zwischen 2,5 und 0,7 Prozent.

In Berlin gibt es bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen eine Drei-Prozent-Hürde.

In der Stadt Bremen gilt die Fünf-Prozent-Hürde nur für die Wahlen der Bremischen Stadtbürgerschaft.

In Hamburg gibt es bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen eine Drei-Prozent-Hürde.

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die Wahlperiode 2024 bis 2029 sprechen sich die Parteien dafür aus, insbesondere die Einführung einer Sperrklausel zu evaluieren, um kommunale Handlungsfähigkeit sicherzustellen.[24] Der Verein Mehr Demokratie und kleine Parteien wie Volt und Die PARTEI kritisierte den Vorstoß als undemokratisch.[25][26][27]

Nordrhein-Westfalen

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In Nordrhein-Westfalen wurde die fünfprozentige Sperrklausel mit Urteil des Verfassungsgerichts NRW vom 6. Juli 1999 abgeschafft.

Eine daraufhin eingeführte „Ein-Sitz-Klausel“, nach der eine Partei mindestens rechnerisch 1,0 Sitze erreicht haben muss, um in die Vertretungskörperschaft einzuziehen, war mit Urteil vom 16. Dezember 2008 unzulässig.

Am 21. November 2017 erklärte das Verfassungsgericht NRW die im Jahr 2016 im Landtag von SPD, CDU und Grünen beschlossene 2,5-Prozent-Hürde für verfassungswidrig.[28] Bei der Wahl der Bezirksvertretungen ist sie jedoch gültig.[29] Bei den Kommunalwahlen 2020 gab es keine 2,5-Prozent-Hürde.

Schleswig-Holstein

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Am 13. Februar 2008 gab das Bundesverfassungsgericht einer Klage der schleswig-holsteinischen Grünen und Linken statt und erklärte die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig, da sie die Chancengleichheit kleinerer Parteien verletze.[30] Nach der Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten in Schleswig-Holstein im Jahr 1995 seien für diese Wahl keine stabilen Mehrheiten mehr erforderlich. Außerdem zeigten die Erfahrungen in anderen Bundesländern ohne diese Hürde, dass die Kommunen dennoch funktionsfähig seien.[31][32]

Am 11. April 2008 wurde auch in Thüringen die Fünf-Prozent-Hürde für rechtswidrig erklärt.[33][34][35]

Verfallene Zweitstimmen (Bundestagswahl)

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Verfallene Zweitstimmen bei bisherigen Bundestagswahlen
Gültige Zweitstimmen Davon verschwendet 1 Anteil verschwendet
1953[36] 27.551.272 1.803.026 6,54 %
1957[37] 29.905.428 2.087.041 6,98 %
1961[38] 31.550.901 1.796.408 5,69 %
1965[39] 32.620.442 1.186.449 3,64 %
1969[40] 32.966.024 1.801.699 5,47 %
1972[41] 37.459.750 348.579 0,93 %
1976[42] 37.822.500 333.595 0,88 %
1980[43] 37.938.981 749.646 1,98 %
1983[44] 38.940.687 201.962 0,52 %
1987[45] 37.867.319 512.817 1,35 %
1990[46] 46.455.772  2 3.740.292  2 8,05 %
1994[47] 47.105.174 1.698.766 3,61 %
1998[48] 49.308.512 2.899.822 5,88 %
2002[49] 47.996.480  3 3.376.001  3 7,03 %
2005[50] 47.287.988 1.857.610 3,93 %
2009[51] 43.371.190 2.606.902 6,01 %
2013[52] 43.726.856 6.859.439 15,69 %
2017[53] 46.515.492 2.325.533 5,00 %
2021[54] 46.419.448 4.003.553 8,62 %
1 
Zweitstimmen werden nur berücksichtigt, wenn eine Partei die Sperrklausel von 5 Prozent überwindet oder mindestens drei Direktmandate erzielt.
2 
Bei der Bundestagswahl 1990 bildeten die alten (inkl. West-Berlin) und die neuen Bundesländer (inkl. Ost-Berlin) jeweils ein Wahlgebiet. Die Fünf-Prozent-Hürde musste nur in einem Wahlgebiet bewältigt werden. So kamen die PDS und die Ost-Grünen (B90/Gr.) nur in den neuen Ländern über 5 Prozent, die Zweitstimmen der PDS in den alten Ländern wurden mitberücksichtigt, die der West-Grünen (GRÜNE) verfielen.
3 
Inklusive der 1.916.702 Zweitstimmen (4,00 %) der PDS, die über Erststimmen mit zwei Direktmandaten in den Bundestag einzog.

Ziel dieser Sperrklausel ist es, eine Konzentration der Sitzverteilung herbeizuführen, um stabile Mehrheiten zu fördern und einer Zersplitterung der Volksvertretungen durch kleine und Kleinstparteien und den damit verbundenen internen Konflikten entgegenzuwirken.[55] Eingeführt wurde sie nach den Erfahrungen der Weimarer Republik.[56] Die Fünf-Prozent-Hürde gilt als umstritten. Kritiker meinen, sie widerspreche dem Gedanken der Demokratie und dem Grundgesetz (Art. 38 Abs. 1 GG), nach dem jede Stimme den gleichen Wert haben muss. Mit einer Sperrklausel ist zwar weiterhin ein gleicher Zählwert der abgegebenen Stimmen gegeben, nicht jedoch zwingend ein gleicher Erfolgswert (vgl. auch Überhangmandate). Durch an der Fünf-Prozent-Hürde scheiternde Kleinparteien kommt es häufig vor, dass eine Regierungskoalition mit weniger als 50 % der Stimmen eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze erhält. Nach Dieter Nohlen sind solche Disproportionseffekte abhängig davon, ob eine Wählerschaft die Wirkung solcher Sperrklauseln antizipiert sowie solche Parteien zu wählen unterlässt, und nannte dies einen psychologischen Effekt.[57] Die Funktionsfähigkeit von Volksvertretungen, wo Parteien mit nur einem Sitz erlaubt sind, zeigt sich am Europäischen Parlament mit 206 Parteien[58] und schweizerischen Bundesversammlung mit 12 Parteien, wo politische Fragmentierung durch Fraktionen reduziert wird.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1990 die Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene in seiner bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich für verfassungsgemäß, da es ein funktionsfähiges Parlament als ein höheres Gut ansah als die exakte Widerspiegelung des politischen Willens der Wähler. Es betont dabei aber, dass „die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht ein für allemal abstrakt beurteilt werden kann“; die aktuellen Verhältnisse seien also zu berücksichtigen.[59] Bei Kommunalwahlen wurde die Fünf-Prozent-Hürde von einigen Verfassungsgerichten der Länder dagegen für unzulässig bzw. überprüfungspflichtig erklärt. Bereits kurz nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde vom Bundesverfassungsgericht eine Sperrklausel von 7,5 % in Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt.[60]

Kontroverse nach der Bundestagswahl 2013

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Bei der Bundestagswahl 2013 waren 6,8 Millionen (15,7 Prozent) verschwendete Stimmen. Angesichts dieses Ergebnisses nannte der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schneider eine Absenkung der Sperrklausel „verfassungsrechtlich geboten“. Der Politologe und Parteienforscher Hans Herbert von Arnim sprach über diese Wähler von „doppelten Verlierern“. Einerseits sei ihre gewählte Partei nicht im Bundestag vertreten und andererseits vergrößere sich dadurch die Macht der Siegerparteien.[61] Gegenüber Spiegel Online schlug Arnim die Schaffung einer Ersatzstimme vor.[62]

Der Politikwissenschaftler Frank Decker hält die Sperrklausel für eine Einschränkung der Gleichheit der Wahl. Parteien, die abweichende Positionen vertreten, hätten keine Chance, „im Bundestag ihre Meinung darzustellen und die anderen Parteien zu zwingen, sich damit zu befassen“. Das sei „unter Demokratiegesichtspunkten fragwürdig“.[63] Der Rechtswissenschaftler Ulrich Battis bezeichnete im Deutschlandradio den Umstand, dass fast sieben Millionen Wählerstimmen ohne Auswirkung bleiben, als „schwer vereinbar mit dem Grundsatz der Demokratie“.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele bezeichnete die Fünf-Prozent-Hürde als „demokratierechtlich bedenklich“ und sprach sich wie der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier für eine niedrigere Hürde von drei Prozent aus.[64] Ebenso kritisierte der Bürgerrechtler und Vorsitzende des Vereins Mehr Demokratie, Ralf-Uwe Beck, den Status quo und nannte als Lösung entweder die „Fünf-Prozent-Sperrklausel zu senken oder abzuschaffen“ oder „eine Ersatzstimme für die Wähler, die davon ausgehen, dass die von ihnen favorisierte Partei möglicherweise an der Sperrklausel hängen bleibt.“ Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter resümierte: „Dass 15 Prozent der Stimmen unter den Tischen fallen und das Wahlergebnis dadurch erheblich verzerrt wird, ist des Nachdenkens wert. Man könnte mal darüber nachdenken, ob die Fünf-Prozent-Hürde in ihrer Höhe noch zeitgemäß ist – angesichts der Tatsache, dass wir eine gewisse Stabilisierung des politischen Systems haben.“[65]

Wiktionary: Fünf-Prozent-Hürde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. § 3 des Wahlgesetzes für den schleswig-holsteinischen Landtag. 29. März 2011, abgerufen am 4. Juli 2016.
  2. Deutscher Bundestag - Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages beschlossen. 17. März 2023, abgerufen am 12. Oktober 2023.
  3. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2024, Az. 2 BvF 1/23 u. a., insbesondere Rn. 287.
  4. Das Bundeswahlgesetz 2023 ist überwiegend verfassungsgemäß – allein die 5 %-Sperrklausel ist derzeit verfassungswidrig, gilt aber mit bestimmten Maßgaben fort. Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 64/2024 vom 30. Juli 2024.
  5. Thomas Wischmeyer: Staatsorganisationsrecht: Wahlrecht. Normenkontrolle Bundeswahlgesetz 2023 (insbes. Zweitstimmendeckung, Sperrklausel, Grundmandatsklausel). JuS 2024, S. 899 (901).
  6. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2024, Az. 2 BvF 1/23 u. a. Rn. 249 ff.
  7. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2024, Az. 2 BvF 1/23 u. a. Rn. 288.
  8. Ergebnisse Deutschland – Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 27. September 2021.
  9. Der Bundeswahlleiter: Das Wahlsystem – Der Bundeswahlleiter. Abgerufen am 26. November 2018.
  10. BVerfG, Urteil vom 9. November 2011, Az. 2 BvC 4/10, Volltext.
  11. Fünfprozentklausel bei Europawahl ist verfassungswidrig, Der Spiegel vom 9. November 2011.
  12. a b Wahlrecht – News – Der Wahlrecht.de-Jahresrückblick 2012 und der Ausblick auf 2013. In: www.wahlrecht.de.
  13. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. November 2012 zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2014 (2012/2829(RSP)), abgerufen am 8. Juni 2018.
  14. Bundestag beschließt Drei-Prozent-Hürde für Europawahlen. In: Zeit Online. 14. Juni 2013, abgerufen am 6. August 2013.
  15. Piraten klagen gegen Drei-Prozent-Hürde. In: Zeit Online. 8. Oktober 2013, abgerufen am 18. Oktober 2013.
  16. NPD klagt gegen Drei-Prozent-Hürde. In: Zeit Online. 14. Juni 2013, abgerufen am 6. August 2013.
  17. Mehr Demokratie e. V. klagt gegen Drei-Prozent-Hürde. In: Zeit Online. 10. Oktober 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Oktober 2013; abgerufen am 18. Oktober 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mehr-demokratie.de
  18. BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2014, Az. 2 BvE 2/13, Volltext.
  19. EU-Rat: Ratsbeschluss vom 14. Juni 2018. (PDF; 59,22 kB) Abgerufen am 25. Juni 2018.
  20. Christian Kerl: Europawahl 2019: Große Koalition begräbt Pläne für Sperrklausel. (morgenpost.de [abgerufen am 26. November 2018]).
  21. Information zur Zehn-Prozent-Hürde im Abschnitt Sperrklausel.
  22. Art. 42 Abs. 4 Satz 1 Landeswahlgesetz Bayern.
  23. VIS BE Artikel 39 Verf BE | Landesnorm Berlin | Verfassung von Berlin vom 23. November 1995 | gültig ab: 29.11.1995. Abgerufen am 14. Oktober 2020.
  24. EINE FÜR ALLE. (PDF; 1,74 MB) Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die 21. Legislaturperiode 2024 – 2029. In: spd-hessen.de. 18. Dezember 2023, S. 159–160, abgerufen am 4. März 2024.
  25. Hessen: Sorge vor neuen Sperrklauseln bei Kommunalwahlen. 8. Dezember 2023, abgerufen am 4. März 2024.
  26. Ewald Hetrodt: Hessen: Neue Fünfprozenthürde gegen Splittergruppen in Rathäusern? In: FAZ.NET. 6. Januar 2024, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. März 2024]).
  27. In Frankfurt gibt es scharfe Kritik an der Idee einer Sperrklausel. 8. Dezember 2023, abgerufen am 4. März 2024.
  28. FOCUS Online: Sperrklausel in NRW: 2,5-Prozent-Hürde bei Wahl der Gemeinderäte verfassungswidrig.
  29. www.waz.de
  30. Bundesverfassungsgericht: Fünf-Prozent-Hürde für Kommunalwahlen gekippt, Die Welt vom 13. Februar 2008.
  31. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008, Az. 2 BvK 1/07; BVerfGE 120, 82 – Sperrklausel Kommunalwahlen.
  32. Verfassungsgericht kippt Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen, Der Spiegel vom 13. Februar 2008.
  33. Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs. In: Landesrecht Thüringen. Abgerufen am 30. Dezember 2022 (VerfGH 22/05).
  34. Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 9. April 2008. 11. April 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. August 2022; abgerufen am 30. Dezember 2022 (Volltext).
  35. Pressemitteilung zur Verkündung am 11.04.2008. Thüringer Verfassungsgerichtshof, 11. April 2008, archiviert vom Original am 11. August 2022; abgerufen am 30. Dezember 2022.
  36. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1953, Der Bundeswahlleiter.
  37. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1957, Der Bundeswahlleiter.
  38. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1961, Der Bundeswahlleiter.
  39. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1965, Der Bundeswahlleiter.
  40. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1969, Der Bundeswahlleiter.
  41. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1972, Der Bundeswahlleiter.
  42. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1976, Der Bundeswahlleiter.
  43. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1980, Der Bundeswahlleiter.
  44. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1983, Der Bundeswahlleiter.
  45. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1987, Der Bundeswahlleiter.
  46. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1990, Der Bundeswahlleiter.
  47. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1994, Der Bundeswahlleiter.
  48. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 1998, Der Bundeswahlleiter.
  49. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2002, Der Bundeswahlleiter.
  50. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2005, Der Bundeswahlleiter.
  51. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2009, Der Bundeswahlleiter.
  52. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2013, Der Bundeswahlleiter.
  53. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2017, Der Bundeswahlleiter.
  54. Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2021, Der Bundeswahlleiter.
  55. Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon, 5. aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2011, online bei Bundeszentrale für politische Bildung.
  56. Raban Graf von Westphalen: Deutsches Regierungssystem, 2015, ISBN 9783486808445, S. 501, Digitalisat.
  57. Nohlen, Dieter / Grotz, Florian: Kleines Lexikon der Politik, C.H.Beck 2007, S. 629 online in Google Bücher.
  58. Europäisches Parlament: Fakten und Zahlen März 2022
  59. Urteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 82, 322, 29. September 1990.
  60. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952, Az. 2 BvH 1/52; BVerfGE 1, 208 – 7,5 %-Sperrklausel.
  61. Annett Meiritz: Bundestag ohne Kleinparteien: Die Sieben-Millionen-Lücke. Spiegel Online, 24. September 2013, abgerufen am 24. September 2013.
  62. Bundestag ohne Kleinparteien: Die Sieben-Millionen-Lücke, Spiegel Online vom 24. September 2013.
  63. „Sperrklausel schränkt Gleichheit der Wahl ein“. Freie Presse, 23. September 2013, abgerufen am 24. September 2013.
  64. Ströbele fordert Dreiprozenthürde, Zeit Online vom 28. September 2013.
  65. Kritik an der Fünf-Prozent-Hürde, Frankfurter Rundschau vom 25. September 2013.