Francesca da Rimini (Adlige)

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Francesca da Rimini oder Francesca da Polenta (* in Ravenna; † zwischen 1283 und 1286, nach anderen Angaben zwischen 1285 und 1289[1]) war die Tochter von Guido da Polenta (genannt Guido Minore), des Herrn (signore) von Ravenna. Sie war Zeitgenossin Dante Alighieris und eine der Handlungspersonen in dessen Göttliche Komödie. Berühmt wurde sie durch den Umstand, dass sie von ihrem Ehemann, Giovanni Malatesta, wegen Ehebruchs mit dessen jüngerem Stiefbruder Paolo ermordet wurde.

Die heute vorliegenden Informationen über Francescas Leben stammen aus Dantes Divina commedia, aus Kommentaren zu diesem Werk sowie aus einem knappen Vermerk in der Chronik Marcha des Geschichtsschreibers Marco Battagli. Battagli stammte aus Rimini, wo Francesca als Ehefrau gelebt hatte. Er nennt ihren Namen nicht, sondern teilt nur mit, ihr Mann habe seinen Bruder „wegen Ausschweifung“ (causa luxurie) getötet. Der einschlägige Teil der Chronik wurde 1352 abgefasst, drei Jahrzehnte nach Dantes Tod, und kann daher von Dantes Werk beeinflusst sein. Somit ist unsicher, ob es sich bei der Nachricht in der Chronik um eine unabhängige Bestätigung von Angaben Dantes handelt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Dante die Geschichte erfunden oder zumindest stark umgestaltet hat; manche Einzelheiten, über die er nicht informiert sein konnte, sind offensichtlich dichterische Ausschmückung. Für einen echten Kern spricht immerhin der Umstand, dass Francescas Familie anscheinend nicht gegen Dantes Darstellung protestiert hat. Francescas Neffe Guido Novello da Polenta war in Ravenna Dantes Gastgeber. Auffällig ist jedoch das Schweigen der zeitgenössischen Chronisten. Als historische Gestalt ist Francesca nur in einem einzigen Dokument bezeugt, und zwar nur mit ihrem Taufnamen: im 1311 abgefassten Testament ihres Schwiegervaters, wo von ihrer Mitgift und ihrer Tochter Concordia, nicht aber von ihrer Herkunft die Rede ist.[2]

Francescas Familie strebte in ihrer Heimatstadt Ravenna nach der Herrschaft, die sie 1275 erlangte; in Rimini versuchte der Condottiere Malatesta da Verucchio an die Macht zu kommen, was ihm 1295 gelang. Diese beiden Familien waren damals die bedeutendsten Geschlechter der Romagna. Zwischen ihnen soll eine Rivalität bestanden haben, doch die Behauptung der Dante-Kommentatoren, dass sie in Fehde lagen, wird von der Geschichtsschreibung nicht bestätigt.[3] Jedenfalls schlossen die Polenta und die Malatesta um die Mitte der siebziger Jahre ein Bündnis, das durch eine dynastische Heirat besiegelt wurde. Guido da Polenta verheiratete um 1275 seine Tochter Francesca mit Giovanni („Gianciotto“), dem ältesten Sohn von Malatesta da Verucchio. Giovanni ist in Rimini nie an die Macht gekommen, da er vor seinem Vater starb; er wurde 1304 ermordet. Im Ottimo commento, einem um 1333 in Florenz entstandenen Dante-Kommentar, wird Giovanni als kriegerisch und grausam beschrieben, Francesca als sehr schön und fröhlich. Für Guido zahlte sich das Bündnis aus; als er im September 1275 in einem militärischen Handstreich die Kontrolle über Ravenna übernahm, wurde er von Hilfstruppen der Malatesta unterstützt.[4]

Dantes spärlichen Angaben lässt sich nur wenig zur Biographie Francescas entnehmen. Obwohl er ein erbitterter Gegner der Familie Malatesta war, nennt er in diesem Zusammenhang nicht einmal deren Namen. Er erwähnt nur Francescas Geburtsort (ohne ihn namentlich zu nennen; dass es Ravenna ist, muss der Leser erschließen), ihren Vornamen und den Umstand, dass sie mit ihrem Geliebten, mit dem sie verschwägert war, von einem Bruder (des Geliebten) ermordet wurde. Man erfährt weder den Namen des Mörders noch den Umstand, dass er ihr Gatte war. Weiteres ist in den Dante-Kommentaren überliefert, deren Berichte im Lauf der Zeit legendenhaft ausgeschmückt wurden. In dem um 1322 entstandenen Dante-Kommentar von Jacopo Alighieri wird nur mitgeteilt, Francesca habe sich auf ein ehebrecherisches Verhältnis mit Giovannis jüngerem Bruder Paolo „il Bello“ eingelassen. Als Giovanni, der verkrüppelt oder lahm („sciancato“) gewesen sei, dies entdeckt habe, habe er beide getötet. In dem nur wenige Jahre später verfassten Kommentar von Jacopo della Lana werden weitere Einzelheiten mitgeteilt: Giovanni habe das ehebrecherische Paar auf frischer Tat ertappt und beide zugleich mit seinem Schwert durchbohrt. Die Datierung der Tat ergibt sich daraus, dass Paolo am 28. Februar 1283 letztmals als lebend bezeugt ist und dass Giovanni spätestens 1286 eine neue Ehe geschlossen hat.[5]

An dem Bündnis zwischen den Familien Malatesta und da Polenta änderte sich durch den Mord nichts; auch in den folgenden Jahren handelten sie einträchtig.[6]

Dante lässt Francesca, die ihm in der Göttlichen Komödie als Verstorbene in der Hölle begegnet, berichten, dass die Initiative zu dem Verhältnis von ihrem Geliebten ausging, der von ihrer Schönheit ergriffen war. Sie erzählt, die gemeinsame Lektüre der Geschichte von Lancelot und Guinevere (Lancelot du Lac) habe dazu geführt, dass sie sich küssen ließ und sich ihm hingab.

Erst Giovanni Boccaccio gestaltete den Stoff zu einer romantischen Erzählung, die für die Folgezeit das Bild Francescas prägte. Er fügte den überlieferten Nachrichten frei erfundene Einzelheiten hinzu. Nach seiner Darstellung wurde Guido da Polenta von einem Freund gewarnt, Francesca werde ihrer geplanten Verheiratung niemals zustimmen, wenn sie ihren künftigen Gatten, der hässlich und missgestaltet war, vor der Hochzeit sehe. Guido wollte aber Giovanni zu seinem Schwiegersohn machen, weil er erwartete, dass dieser künftig die Herrschaft über Rimini erlangen würde. Daher ließ man den gutaussehenden Paolo nach Ravenna kommen, wo er stellvertretend für seinen Bruder die Ehe schloss. Francesca verliebte sich sogleich in Paolo und man ließ sie zunächst im Glauben, er sei nun ihr Ehemann. Erst am Morgen nach der Hochzeitsnacht entdeckte sie ihren Irrtum. Sie hielt an ihrer Liebe zu Paolo fest und wurde so zur Ehebrecherin. Als Giovanni die beiden ertappte, wollte er nur seinen Bruder töten, da er seine Frau liebte, doch weil Francesca sich zwischen die beiden Männer stellte, musste auch sie sterben.

Im Unterschied zur älteren Überlieferung weist Boccaccio Francesca eine sehr aktive Rolle zu. Bei ihm ist sie nicht eine verführte Ehebrecherin, sondern sie hält nur an ihrer anfänglichen Entscheidung für Paolo fest, da sie mit Recht in ihm den Mann sieht, für den sie sich von Anfang an entschieden hat und den sie auch am Hochzeitstag zu heiraten glaubte. Boccaccio macht aus Francesca eine unschuldige und willensstarke Heldin. Damit widerspricht er der Version Dantes. Er stellt auch ausdrücklich fest, er halte Dantes Darstellung des Beginns der Liebesgeschichte für unglaubwürdig, und suggeriert, er selbst habe Zugang zu einer mündlichen Überlieferung, die zuverlässiger sei als Dantes Quelle.[7] Damit war er erfolgreich, die Nachwelt schenkte ihm Glauben und verband seine Version mit der Dantes.

Verschwiegen wird in der Francesca-Legende der Umstand, dass Paolo verheiratet war. Er hatte mit seiner Frau Orabile Beatrice, der Tochter und Erbin des Grafen Uberto von Ghiaggiolo, zwei Kinder, den Sohn Uberto, der Ghiaggiolo erbte, und die Tochter Margharita. In der modernen Forschung wird vermutet, dass der Gegensatz zwischen den Brüdern Giovanni und Paolo, der zu Paolos Tod führte, nicht nur und vielleicht nicht in erster Linie aus dem Ehebruch resultierte, sondern dass auch Streit um das künftige Erbe der beiden, insbesondere um Ghiaggiolo, eine wichtige Rolle spielte.[8]

Wirkung in der Kunst

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  • Jean-Auguste-Dominique Ingres, Paolo and Francesca (1819), Öl auf Leinwand. Musée des Beaux-Arts, Angers, Frankreich.
  • Ary Scheffer, Francesca da Rimini und Paolo Malatesta (1855), Öl auf Leinwand. Louvre, Paris.
  • Gustave Doré, Illustration zu Canto V Vers 73–75 der Göttlichen Komödie von Dante – Francesca und Paolo da Rimini in der Hölle, Stahlstich (1861)
  • Anselm Feuerbach, Francesca da Rimini und Paolo bei der Lektüre von „Lancelot und Guinevere“ (1863)
  • Alexandre Cabanel, Der Tod von Francesca da Rimini und Paolo Malatesta (1870), Öl auf Leinwand. Musée d’Orsay, Paris.
  • Auguste Rodin, Der Kuss, ursprünglich Francesca da Rimini, Skulptur (1888), Musée Rodin, Paris.
  • Josef Thorak, Francesca da Rimini (1943), Skulptur
  • Johann Kluska, Francisca da Rimini, 1950, 1958, 1963, mehrere Bilder aus seiner umfangreichen Bilderserie zur Göttlichen Komödie
Commons: Francesca da Rimini – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 6, Leipzig/Wien 1906, S. 817 (online)
  2. Teodolinda Barolini: Dante and Francesca da Rimini: Realpolitik, Romance, Gender. In: Speculum 75, 2000, S. 1–28, hier: 1f., 25f.
  3. Teodolinda Barolini: Dante and Francesca da Rimini: Realpolitik, Romance, Gender. In: Speculum 75, 2000, S. 1–28, hier: 3f.
  4. Anna Falcioni: Malatesta detto Malatesta da Verucchio. In: Dizionario Biografico degli Italiani Bd. 68, Rom 2007, S. 68–71, hier: 69.
  5. Teodolinda Barolini: Dante and Francesca da Rimini: Realpolitik, Romance, Gender. In: Speculum 75, 2000, S. 1–28, hier: 5f.
  6. Anna Falcioni: Malatesta detto Malatesta da Verucchio. In: Dizionario Biografico degli Italiani Bd. 68, Rom 2007, S. 68–71, hier: 70.
  7. Teodolinda Barolini: Dante and Francesca da Rimini: Realpolitik, Romance, Gender. In: Speculum 75, 2000, S. 1–28, hier: 13–18.
  8. Anna Falcioni: Malatesta, Giovanni. In: Dizionario Biografico degli Italiani Bd. 68, Rom 2007, S. 53–56, hier: 54; Anna Falcioni: Malatesta, Paolo. In: Dizionario Biografico degli Italiani Bd. 68, Rom 2007, S. 101–103, hier: 102.