Kreuzschlepper

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Kreuzschlepper von 1728 bei Kolitzheim-Lindach, Landkreis Schweinfurt, Unterfranken

Als Kreuzschlepper (auch Kreuzträger, Kreuzschlager, Kreuzschlaafer[1]) bezeichnet man die Darstellung des kreuztragenden Christus in Form einer Freifigur. Die im 17. Jahrhundert aufkommende Sonderform des Bildstocks ist insbesondere in Franken weitverbreitet und prägt, vor allem in den katholischen Bistümern Bamberg und Würzburg, die Landschaft.

Etymologie

Die Bezeichnungen Kreuschlepper, Kreuzträger oder Kreuzschleifer für die Skulpturen sind eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, als die akademische Forschung auf sie aufmerksam wurde. Zeitgenössische Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts sprechen vielmehr einfach von „Bild“, „Bildnis“, „Biltnus“ oder „Marterbild“, was die geläufige, ikonografisch nicht festgelegte Beschreibung für einen Bildstock in Franken war. Zumeist wurde diese Umschreibung noch mit einem Hinweis auf das Motiv, den Kreuz tragenden Heiland, versehen.

Dabei tauchte der Kreuzschlepper allerdings in anderem Zusammenhang auch in den Quellen auf. Kreuzschlepper waren für die Menschen der Vormoderne Teilnehmer an den Prozessionen während der Karwoche, die als Symbol das Kreuz vor sich hertrugen und so den Leidensweg Christi bildlich der Gemeinde vor Augen führten.[2] Noch heute wird in der katholischen Liturgie der Ministrant mit dem Vortragekreuz als Kruziferar oder Kreuzträger bezeichnet. In den bayerischen Denkmalslisten ist die Bezeichnung Kreuzschlepper am geläufigsten. Lediglich im Landkreis Lichtenfels existiert parallel dazu der Terminus Kreuzträger. Der Kreuzschleifer ist eine umgangssprachliche Abwandlung der existierenden Begriffe.

Geschichte

Die Darstellung des Leidenswegs Christi wurde bereits in Bildwerken der Spätgotik aufgegriffen. Das Sujet entwickelte sich zu einem Teil der sieben Fälle, die später zu den 14 Stationen eines Kreuzweges umgewandelt wurden. Parallel zu dieser Entwicklung wurde das Motiv auch immer wieder in Bildstöcken verarbeitet. Die älteste bekannte Darstellung ist einem Bildstockaufsatz in Junkersdorf zugeordnet worden und stammt noch aus der Spätgotik. In den folgenden Jahrhunderten veränderte man das Motiv immer wieder.

Erst im ausgehenden 17. Jahrhundert begann man Freifiguren des kreuztragenden Christus zu errichten. Noch 1707 wurde auf einem Bildstock in Distelhausen bei Tauberbischofsheim der Kreuzschlepper lediglich als ein Element eines größeren Reliefs gezeigt. In der Folgezeit erhielt der Kreuzträger immer mehr Raum innerhalb der Darstellung und wurde bald zur Freifigur weiterentwickelt. Zunächst gestaltete man allerdings Darstellung, die ihn in Kombination mit anderen biblischen Motiven, wie dem Schweißtuch der Veronika oder der Mater dolorosa, zeigen.

Die frühesten Freifiguren können auf die Jahre um 1710 datiert werden, in Effeldorf hat sich ein Schlepper erhalten, der mit „1695“ bezeichnet wurde. Die Bildstocksetzungen entsprachen dabei den üblichen Motiven für eine solche Stiftung. Darunter fielen private Frömmigkeit, Grenzmarkierung oder Wegmarken. Überaus häufig entstanden Kreuzschlepper entlang von Wallfahrtswegen und dienten den vorübergehenden Menschen als Orte der Andacht. Die Inschriften mit denen manche Kreuzschlepper ausgestattet wurden, unterstreichen diese Lesart.[3] Das Motiv blieb auch nach dem Ende des 18. Jahrhunderts beliebt.

Noch im 20. Jahrhundert entstanden moderne Kreuzschlepper, wie das Beispiel im Volkacher Gemeindeteil Rimbach belegt. Das Motiv fand nach dem Ersten Weltkrieg auch Eingang in die Gestaltung von Kriegerdenkmälern. Dazu wurden unter anderem auch ältere Schlepper umfunktioniert. So zog man für das Ehrenmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs im mittelfränkischen Ebermannstadt den kreuztragenden Christus aus dem benachbarten Breitenbach von 1751 heran.[4]

Beschreibung

Kreuzschlepper von 1716 in Volkach-Fahr, Landkreis Kitzingen, Unterfranken mit typischer Inschriftentafel

Das Motiv des kreuztragenden Christus existiert heute in den unterschiedlichsten Varianten. Selten läuft der, zumeist dornenbekrönte Christus unter der Last des Kreuzes noch, häufiger ist er bereits darüber zusammengebrochen. Besonders frühe Beispiele zeigen Christus zusammen mit den Henkersknechten. Eine solche Darstellung hat sich auf einem Stock in Obervolkach erhalten, ist aber auch in Aub, Euerfeld, Bad Brückenau und Oberschwarzach, aber auch in Forchheim belegt. Hier brachte man das Motiv allerdings oberhalb eines Prozessionsaltars an, sodass er als Übergangsform gelten kann.

Typisch für den Darstellungstyp ist außerdem die Inschriftentafel, die den vorübergehenden Menschen an das Schicksal des Gekreuzigten ermahnt. Kreuzschlepper wurden oftmals auf hohen Säulen errichtet, die weithin sichtbar in die Landschaft ragten.[5] Daneben sind die Figuren allerdings auch auf Hausmauern und breiten Sockeln zu finden. Die filigrane Gestaltung der Kreuzesbalken führte dazu, dass insbesondere diese Elemente häufig Vandalismus ausgesetzt sind und immer wieder erneuert werden müssen.[6]

Ursprünglich waren viele der Figuren farbig gefasst. Die Jesusfigur wurde lebensecht bemalt, wobei man Kalkfarben verwendete. Diese Pigmente hafteten nicht lange auf dem Stein, sodass einige Objekte bereits nach wenigen Jahrzehnten renoviert werden mussten. Heute hat sich die Farbschicht nur noch bei wenigen Kreuzschleppern erhalten, sie werden in der Regel auch nicht erneuert. Die Skulpturen sind heute teilweise mit metallenen Baldachinen vor Witterungseinflüssen geschützt, teilweise umgibt man die Kreuzschlepper in den Wintermonaten mit einer hölzernen Einhausung.

Verbreitung und Beispiele

Die Kreuzschlepper sind insbesondere in den zwei katholischen Bistümern Bamberg und Würzburg weitverbreitet. Damit können sie heute in den bayerischen Regierungsbezirken Ober- und Unterfranken gefunden werden. Wenige Exemplare weisen auch die ehemals zu Bamberg gehörenden Gebiete Mittelfrankens auf und den heute in Baden-Württemberg verorteten Einflussbereich des Würzburger Bischofs auf. Viele Schlepper werden vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als Baudenkmäler eingeordnet in Baden-Württemberg sind sie zumeist Kleindenkmale.

Siehe auch

Literatur

  • Josef Dünninger, Bernhard Schemmel: Bildstöcke und Martern in Franken. Würzburg 1970.
  • Josef Dünninger, Karl Treutwein: Bildstöcke in Franken (= Thorbecke Kunstbücherei Bd. 9). Konstanz 1960.
  • Achim Timmermann: Calvary in Kitzingen: Dragging your Cross through Eighteenth-Century Franconia. In: Material Religion. Vol. 17, No. 3. Ann Arbor, Michigan 2021. S. 317–354.
Commons: Kreuzschlepper – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Otto Veit: Sonstige Kleindenkmale, Ruhsteine, Grenzsteine, Kreuzschlepper und Heiligenfiguren im Landkreis Forchheim (= Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung Nürnberg Bd. 2017). Forchheim 2017. S. 252.
  2. Achim Timmermann: Calvary in Kitzingen: Dragging your Cross through Eighteenth-Century Franconia. In: Material Religion. Vol. 17, No. 3. Ann Arbor, Michigan 2021. S. 319 f.
  3. Josef Dünninger, Bernhard Schemmel: Bildstöcke und Martern in Franken. Würzburg 1970. S. 28.
  4. Otto Veit: Sonstige Kleindenkmale, Ruhsteine, Grenzsteine, Kreuzschlepper und Heiligenfiguren im Landkreis Forchheim (= Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung Nürnberg Bd. 2017). Forchheim 2017. S. 253.
  5. Josef Dünninger, Karl Treutwein: Bildstöcke in Franken (= Thorbecke Kunstbücherei Bd. 9). Konstanz 1960. S. 90.
  6. Ute Feuerbach: Kreuzschlepper in Volkach. In: Ute Feuerbach (Hrsg.): Unsere Mainschleife. 1993–2007 (= Volkacher Hefte Bd. 17). Volkach 2008. S. 360.