Nun lasst uns gehn und treten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. Dezember 2021 um 19:07 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Text: Leerzeichen vor Satzzeichen entfernt, Kleinkram).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
In der Praxis Pietatis Melica 1653 erstmals erschienen.

Nun lasst uns gehn und treten ist ein kirchliches Neujahrslied, das Paul Gerhardt vor 1648[1] dichtete.

Das in weiblichen Paarreimen gedichtete Lied verwendet zahlreiche Zwillingsformeln („gehn und treten, tun und machen, Großen und Kleinen“…). Es besteht aus zwei Teilen, einem resümierenden Gotteslob und Vertrauensbekenntnis (Strophen 1–7) und einer Segensbitte (Strophen 8–15), deren durch einsilbige Imperative eingeleitete Einzelbitten (Strophen 8–13) das jeweilige Anliegen intensivieren. Bis Strophe 8 spricht die Gemeinde in der 1. Person Plural („uns, wir“), ab Strophe 9 flicht sich auch der Einzelne in der 1. Person Singular ein („mir“).

Das Lied ist, wie aus Strophen 2 und 15 hervorgeht, für den Jahreswechsel gedichtet.

Eingangs lädt es ein, sich singend und betend Gott zu nähern (Strophe 1). Strophe 2 greift das „Gehen“ auf und wandelt es ab in das Wandern durch den Wechsel der Zeit, die in Strophen 3 und 10 durch drastische Formulierungen („Angst, Schrecken, Blutvergießen“) als Leidenszeit gekennzeichnet ist. Dies verweist auf die Erfahrungen des Autors in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, denen die Strophen 4 und 5 das Bild der bewahrenden Mutter („Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“ Jes 66,13 LUT) und des schützenden Vaters (wohl Anspielung auf den Schoß Gottes 1 Joh 1,18 LUT) entgegensetzen. Strophe 6 reflektiert die Erkenntnis der Vergeblichkeit menschlichen Strebens ohne diese Bewahrung (Anspielung auf „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst“ Ps 127,1 LUT). Dieser Erfahrung schließt sich an zentraler Stelle des Liedes (Strophe 7) ein Lobpreis an, der die Erkenntnis aufgreift: „Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß“ (Klgl 3,22f LUT).

Der fürbittende Teil ist in Anlehnung an das Allgemeine Kirchengebet formuliert,[2] das traditionell die „heilige allgemeine Kirche, alle Gemeinden des Erdkreises, die Ortsgemeinde und ihre Kleriker, Witwen und Waisen, Kaiser und Reich, Frieden in der Welt, Fruchtbarkeit der Erde, gutes Wetter, Feinde und Verfolger, Notleidende und Bedürftige“ einschloss.[3]

Nun lasst uns Gott dem Herren

Das Lied wird gesungen auf die Melodie Nun lasst uns Gott dem Herren (bei Nikolaus Selnecker 1587,[4] heutige Form bei Johann Crüger,[5] dessen vierstimmiger Satz im Evangelischen Gesangbuch (EG 320) und im Schweizer Reformierten Gesangbuch (RG 548) steht). Charakteristisch ist innerhalb des Drei-Halbe-Rhythmus der Wechsel von grundschlägigen und synkopischen Takten. Im 18. Jahrhundert, so bei Johann Sebastian Bach,[6] wurde die Melodie zum Drei-Viertel-Takt ausgeglichen, doch schon das Deutsche Evangelische Kirchen-Gesangbuch (1854) notiert sie wieder in der Crüger-Fassung.[7] Die Melodie wird auch für das Lied Wach auf, mein Herz, und singe verwendet.

Der Text findet sich erstmals in der 1653er Ausgabe der Praxis Pietatis Melica[8], Sp. 215–217, Rubrik Vom neuen Jahre,[9] war aber vermutlich auch schon in der verloren gegangenen Ausgabe von 1648 abgedruckt.[1]

Im Evangelischen Gesangbuch lautet er:

1. Nun laßt uns gehn und treten
mit Singen und mit Beten
zum Herrn, der unserm Leben
bis hierher Kraft gegeben.

2. Wir gehn dahin und wandern
von einem Jahr zum andern,
wir leben und gedeihen
vom alten bis zum neuen

3. durch so viel Angst und Plagen,
durch Zittern und durch Zagen,
durch Krieg und große Schrecken,
die alle Welt bedecken.

4. Denn wie von treuen Müttern
in schweren Ungewittern
die Kindlein hier auf Erden
mit Fleiß bewahret werden,

5. also auch und nicht minder
läßt Gott uns, seine Kinder,
wenn Not und Trübsal blitzen,
in seinem Schoße sitzen.

6. Ach Hüter unsres Lebens,
fürwahr, es ist vergebens
mit unserm Tun und Machen,
wo nicht dein Augen wachen.

7. Gelobt sei deine Treue,
die alle Morgen neue;
Lob sei den starken Händen,
die alles Herzleid wenden.





8. Laß ferner dich erbitten,
o Vater, und bleib mitten
in unserm Kreuz und Leiden
ein Brunnen unsrer Freuden.

9. Gib mir und allen denen,
die sich von Herzen sehnen
nach dir und deiner Hulde,
ein Herz, das sich gedulde.

10. Schließ zu die Jammerpforten
und laß an allen Orten
auf so viel Blutvergießen
die Freudenströme fließen.

11. Sprich deinen milden Segen
zu allen unsern Wegen,
laß Großen und auch Kleinen
die Gnadensonne scheinen.

12. Sei der Verlaßnen Vater,
der Irrenden Berater,
der Unversorgten Gabe,
der Armen Gut und Habe.

13. Hilf gnädig allen Kranken,
gib fröhliche Gedanken
den hochbetrübten Seelen,
die sich mit Schwermut quälen.

14. Und endlich, was das meiste,
füll uns mit deinem Geiste,
der uns hier herrlich ziere
und dort zum Himmel führe.

15. Das alles wollst du geben,
o meines Lebens Leben,
mir und der Christen Schare
zum sel’gen neuen Jahre.

Das Lied steht im Evangelischen (EG 58), im Schweizer Reformierten (RG 548), im Mennonitischen (MG 273) und im freikirchlichen Gesangbuch Feiern & Loben (FL 230).

  1. a b Christian Bunners: Nun lasst uns gehn und treten. S. 40.
  2. Bunners: Nun lasst uns gehn und treten. S. 42.
  3. Gebet. Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl.
  4. Erstdruck der Melodie
  5. Melodie bei Crüger 1653
  6. Bach-Version/?
  7. Nun lasst uns gehn und treten 1854
  8. Christian Bunners: Nun lasst uns gehn und treten. S. 41.
  9. Digitalisat des Erstdrucks