Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Holozän

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. März 2006 um 03:58 Uhr durch Chadmull (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks: plus "Lesenswert" minus "Lesenswert Kandidat"). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Vorlage:Footerkänozoikum Das Holozän ist die jüngste Epoche der Erdgeschichte. Es begann vor etwa 11.500 Jahren mit dem Rückgang des Eises von den mittelschwedischen Moränen und folgte dem Pleistozän. Früher wurden beide Epochen zusammenfassend als Quartär bezeichnet, während man sie heute als jüngste Epochen des Neogens einordnet. In der englischen Terminologie wird es gelegentlich schlicht als Present (dt. „Gegenwart“) bezeichnet.

Das Holozän wird in der Paläoklimatologie als Neo-Warmzeit oder auch Flandrische Warmzeit benannt. Es entspricht dem OIS 1. Die Bezeichnung des Holozäns als eigene geologische Epoche wird derzeit von der Internationalen Kommission für Stratigrafie diskutiert, da es sich im Vergleich zu anderen Epochen um einen sehr kurzen Zeitabschnitt handelt, der nur die letzte einer ganzen Reihe von Warmzeiten (Interglaziale) während des gegenwärtigen Eiszeitalters darstellt.

Begriff

Die Bezeichnung Holozän stammt aus dem Griechischen und bedeutet sinngemäß „das völlig Neue“ (griech. ὄλος „völlig“ und καινός „neu“). Der Begriff wurde um 1867 durch den französischen Zoologen Paul Gervais geprägt.

Eine weitere, aber veraltete Bezeichnung lautet Alluvium, was soviel wie „das Angeschwemmte“ (von lat. alluvio „Anschwemmung“) bedeutet. Diese Bezeichnung geht auf den britischen Geologen William Buckland zurück, der 1823 in (vor-)sintflutliches (DiluviumPleistozän) und nachsintflutliches Zeitalter teilte.

Gliederung

MesolithikumNeolithikumBronzezeitEisenzeitYoldia-MeerAncylusseePräborealAtlantikumSubatlantikum

Bemerkung: Die Jahre basieren auf Jahresschichten in Seesedimenten in Nord-Zentral-Europa und gelten exakt nur für die Klimastufen. Die Grenzen der mit * markierten Bezeichnungen sind nicht gesichert. Bei den Kulturstufen ist die regional unterschiedliche Entwicklung zu beachten.

Verlauf

Datei:Holozän.png

Altholozän

10.6. Jt. v. Chr.
Geobotanische Untergliederung: PräborealBoreal

Nachdem die Weichsel-Eiszeit etwa 16000 v. Chr. ihren Tiefpunkt durchschritten hatte, begann eine phasenweise Wiedererwärmung des Erdklimas. Im Vergleich zu früheren Warmzeiten (→ Eem-Warmzeit) dauerte dieser Übergang allerdings ungewöhnlich lang, und nach der Allerödzeit, in der die Temperatur schon fast ihr Warmzeitniveau erreicht hatte, fiel sie von 10700 bis 9500 v. Chr. noch einmal in einen Kaltzustand zurück; in der sogenannten Jüngeren Tundrenzeit. Auf die Tundrenzeit folgte das Präboreal und damit der erste Abschnitt des Holozäns Vorlage:Ref2.

Das Holozän beginnt übereinkunftsgemäß mit dem Zurückweichen des Eisrandes aus Mittelschweden (9610 v.Chr. nach heutiger Geochronologie) und der Öffnung der sogenannten Billinger Pforte, durch die das Wasser der zum Eissee angestauten Ostsee ins Weltmeer abfließen konnte. Dadurch sank der Wasserspiegel des Baltischen Eisstausees um 26m auf Meeresspiegelniveau und über die Billinger Pforte drang mit dem Meerwasser arktische Fauna mit Yoldia (Portlandia arctica) in das Ostsee-Becken ein (Yoldia-Meer).

Die Veränderung des Klimas zog vielerorts eine Veränderung der Fauna nach sich. So verschwanden in vielen Gegenden der Welt die großen Säugetiere der Eiszeit. Dieses Ereignis, das möglicherweise auch durch den Menschen verursacht war, wird Holozän-Massensterben genannt. Es begann anschließend ein Umbruch in der Ernährungsweise der Menschen, zunächst in der Levante, später in China, Mittelamerika und anderen Teilen der Welt: die Jäger und Sammler begannen, Getreide und andere Pflanzen anzubauen sowie Ziegen, Schafe und andere Tiere zu domestizieren. Diese „Neolithische Revolution“ verbreitete sich nach und nach auch in Richtung Europa.

Mit der Erwärmung einher ging ein Abschmelzen der Eismassen. Nachdem bereits zu Beginn des Holozäns das Inlandeis im norddeutsch-polnischen Tiefland und der südlichen Ostsee verschwunden war, teilte sich um 6800 v. Chr. das Eis in Skandinavien, bis es am Ende des Altholozäns um 6000 v. Chr. schließlich ganz verschwand. Die von dieser Last befreite Erdkruste begann sich seit etwa 7700 v. Chr. bis heute um etwa 300 m zu heben. Noch heute hebt sich das Land um bis zu 1 cm pro Jahr.

Mittelholozän

6.3. Jt. v. Chr.
Geobotanische Untergliederung: Atlantikum

Das von den abtauenden Gletschern freigesetzte Wasser sammelte sich zum Teil in verschiedenen Senken und ließ so zahlreiche große Seen entstehen, wie den Ladogasee in Nordeuropa oder den Agassizsee in Nordamerika; auch Ostsee (Ancylussee) und Schwarzes Meer (Euxinossee) waren zunächst Eisstauseen. Ein anderer Teil des Wassers floß in die Ozeane und ließ so den Meeresspiegel um über 120 m (im Vergleich zur Eiszeit) ansteigen. Damit ging zum einen eine Überflutung weiter Küstenräume einher, die sich phasenhaft vollzog und letztlich die heutigen Küstenlinien ausbildete (Flandrische Transgression, Dünkirchener Transgression). Zum anderen wurden einige Eisstauseen vom Meereswasser überspült und so selbst zu Nebenmeeren, so etwa die Hudson Bay (zwischen 6000 und 5500 v. Chr.). Um 5000 v. Chr. (womöglich auch früher) wurden die Dänischen und Britischen Inseln vom europäischen Festland getrennt; ein Vorgang, der durch eine lange Serie von verheerenden Sturmfluten von statten ging und in dessen Folge auch die Ostsee zu einem Nebenmeer des Atlantiks wurde. Die Überflutung des Schwarzen Meeres um 6700 v. Chr. lief ähnlich dramatisch ab und führte womöglich zur Entstehung der Sintflut-Legenden bei den vorderasiatischen Völkern (Utnapischtim, Noah, Deukalion) Vorlage:Ref2.

Durch das wärmer werdende Klima wich in Mitteleuropa (aber auch in Nordamerika) die Tundrenvegetation der Eiszeit zunehmend einer Bewaldung, zunächst durch Birken und Kiefern, später auch Eichen, Buchen, Erlen und anderen. Die Tundra breitete sich dementsprechend nach Norden in bis dahin unwirtliche Gebiete von polarer Kältewüste aus Vorlage:Ref2.

Die Zeit vom 6. bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. stellt das Optimum des Holozäns da und wird daher als Altithermum bezeichnet. Unterbrochen wird dieses Hauptoptimum allerdings durch eine gut anderthalb Jahrtausende andauernde Kälteperiode (4100 bis 2500 v. Chr.), weshalb gelegentlich in Hauptoptimum 1 (5500 bis 4100 v. Chr.) und Hauptoptimum 2 (2500 bis 1800 v. Chr.) geteilt wird. Während des Optimums lag die Jahresdurchschnittstemperatur etwa um 2 bis 3 °C höher als heute, dementsprechend war bspw. auch die Baumgrenze in den Alpen um 200 bis 300 m höher. In Sibirien und Nordamerika lag die Baumgrenze bis zu 300 km weiter nördlich als heute.

Datei:Wuestenschwimmer.jpg
„Schwimmer in der Wüste“. Felsenzeichnung aus der Ägyptisch-Libyschen Wüste.

Der bemerkenswerteste Unterschied des Altithermums im Vergleich zu heute war ein deutlich feuchteres Klima in den Wüstengebieten. Es gibt Anzeichen für ganzjährliche Flüsse in der Sahara und anderen heutigen Wüsten. Der Tschadsee hatte zu dieser Zeit etwa die Ausdehnung des Kaspischen Meeres. Wie etliche Felszeichnungen aus der Sahara zeigen, gab es zahlreiche Großtierarten wie Giraffen, Elefanten, Nashörner und sogar Flusspferde. Siedlung und Viehhaltung war den Menschen damals in diesen Gebieten möglich. Gleiches wurde in der Thar (Pakistan) ermöglicht, wo der Indische Sommermonsun deutlich stärker ausgeprägt war als heute Vorlage:Ref2.

Während des Klimapessimums von 4100 bis 2500 v. Chr., das deutlich niedriger Temperaturen als das Hauptoptimum 1 aufwies, kam es zu einem abrupten Rückzug der Savannenvegetation. 3200 bis 3000 v. Chr. wurde das Klima in den Wüstengebieten deutlich trockener, es begann die Desertifikation der Sahara. Die Bewohner der Sahara und anderer werdender Wüstengebiete mussten ihre Lebensräume verlassen und sammelten sich in den Flusstälern des Nil, Niger, Huang-Ho und Indus sowie in Mesopotamien am Euphrat und Tigris. In den meisten dieser Gebiete blühten durch die Notwendigkeit einer staatlichen Organisation sowie das Überangebot an Sklaven erste Hochkulturen auf Vorlage:Ref2.

Jungholozän

3. Jt. v. Chr. – heute
Geobotanische Untergliederung: SubborealSubatlantikum

Gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. kommt es zu einer weltweiten Dürreperiode, die mehrere Jahrhunderte andauerte Vorlage:Ref2. In Ägypten brach durch das Ausbleiben des Nilhochwassers das Alte Reich zusammen, es folgte die Erste Zwischenzeit. Die von der Trockenheit aus ihrer Heimat vertriebenen Amurriter wanderten in Mesopotamien ein und zerstörten dort das Akkadische Reich. Im Industal führte ein Abschwächen des Monsuns um bis zu 70% zur Bildung der Wüste Thar und zum Untergang der Harappa-Kultur Vorlage:Ref2.

Ab etwa 1200 v. Chr. setzte eine ausgeprägte Kaltepoche, das sogenannte Klimapessimum der Bronzezeit ein. Die Jahresmitteltemperatur war um 1-2°C kälter als heute, womit diese Periode die kälteste seit Ende der Weichsel-Eiszeit darstellt. Sie hielt bis etwa Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. an und ging dann in ein neues Klimaoptimum, das sogenannte Optimum der Römerzeit über. Die Jahresmitteltemperatur lag um etwa 1-1,5°C höher als heute. In dieser Zeit gelang zum einen dem karthagischen Feldherrn Hannibal die Überquerung der Alpen mit Elefanten (217 v. Chr.), zum anderen den Römern der Anbau von Wein auf den Britischen Inseln.

Auffallend ist nun erneut ein Zusammenhang zwischen einer erneuten Klimaverschlechterung und einer Phase des Umbruchs bzw. des Niedergangs des Römischen Reichs. So beginnt die Epoche der Völkerwanderung mit dem Vorstoß der Hunnen, der wiederum durch eine Trockenperiode in deren zentralasiatischer Heimat ausgelöst wurde. In Nord- und Nordwesteuropa kommt es aufgrund von Ernteausfällen zu massiven Versorgungsproblemen. Eine Dürreperiode in Zentralasien im 4. Jahrhundert bringt schließlich den Handel auf der Seidenstraße zum Erliegen.

Datei:Avercamp-ijsvermaak.jpg
„Kleine Eiszeit“. Zugefrorene Kanäle in Holland, 1608.

Im 8. und 9. Jahrhundert kam es wieder zu einer Erwärmung, dem sogenannten Mittelalterlichen Klimaoptimum. Um das Jahr 1000 liegen die Temperaturen um etwa 1°C höher als heute. Weinanbau wurde bis Südschottland möglich. Die Wikinger begannen mit der Besiedlung Islands und Grönlands, das damals zu Recht den Namen „grünes Land“ trug. Gleichzeitig kam es in Europa gehäuft zu katastrophalen Sturmfluten, so etwa 1099 und 1212 in England und den heutigen Niederlanden. 1362 erfolgte die Abtrennung der friesischen Inseln vom nordeutschen Festland, ebenfalls durch eine Sturmflut Vorlage:Ref2.

Ab Mitte des 14. Jahrhunderts setzte eine „Klimawende“ ein, die insbesondere zwischen 1550 und 1850 ihren Höhepunkt fand. Dieses Neuzeitliche Klimapessimum wird in der Regel als „Kleine Eiszeit“ bezeichnet. In nasskalten Sommern reifte das Getreide nicht mehr aus, häufig traten Missernten Hungersnöte auf. Gleichzeitig kam es zu verheerenden Seuchen (wie der Pest) und Kriegen (wie dem Dreißigjährigen Krieg), die die Bevölkerung zusätzlich belasteten. Die einsetzende Landflucht sowie die spätere Abwanderung großer Bevölkerungsteile in die „Neue Welt“ wurde so zum Teil auch durch die Klimaverschlechterung verursacht. Dennoch ist anzumerken, dass sie spätestens seit der Neuzeit keinen so drastischen Einfluss mehr auf die Lebensweise hat, wie sie es in Antike und Vorzeit hatte.

Etwa ab 1850, spätestens 1900 begann ein erneutes Klimaoptimum. Es setzte ein Temperaturanstieg und ein Rückgang der Gletscher ein, wobei umstritten ist, inwiefern er vom Menschen verursacht ist; vom Meteorologen Paul J. Crutzen wurde für diesen Zeitraum der Begriff „Anthropozän“ geprägt. Ebenfalls umstritten ist, wann auf das derzeitige Interglazial die nächste Eiszeit folgen wird – und ob sie überhaupt kommt. Manche Forscher sind der Ansicht, der Treibhauseffekt werde den seit vielen hunderttausend Jahren stetig wiederkehrenden Zyklus von Eis- und Warmzeiten stören und dadurch eine neue Eiszeit verhindern Vorlage:Ref2.

Literatur

[1] Vorlage:Fußnote
[2] Vorlage:Fußnote
[3] Vorlage:Fußnote
[4] Vorlage:Fußnote
[5] Vorlage:Fußnote
[6] Vorlage:Fußnote
[7] Vorlage:Fußnote
[8] Vorlage:Fußnote
Siehe auch: Geologische ZeitskalaKlimageschichteVorgeschichte