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Das Dokument behandelt Funktionalgleichungen und deren Lösungen, beginnend mit einer Einführung in den Begriff der Funktion und der Definition von Funktionalgleichungen. Es werden grundlegende Lösungstechniken und Beispiele vorgestellt, um die Konzepte zu verdeutlichen, sowie ein klassisches Schema zur Formulierung von Lösungen. Der Text zielt darauf ab, den Lesern zu helfen, Erfahrung im Umgang mit Funktionalgleichungen zu sammeln und die erforderlichen Fähigkeiten zur Lösung solcher Probleme zu entwickeln.

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Das Dokument behandelt Funktionalgleichungen und deren Lösungen, beginnend mit einer Einführung in den Begriff der Funktion und der Definition von Funktionalgleichungen. Es werden grundlegende Lösungstechniken und Beispiele vorgestellt, um die Konzepte zu verdeutlichen, sowie ein klassisches Schema zur Formulierung von Lösungen. Der Text zielt darauf ab, den Lesern zu helfen, Erfahrung im Umgang mit Funktionalgleichungen zu sammeln und die erforderlichen Fähigkeiten zur Lösung solcher Probleme zu entwickeln.

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MATHEMATICAL.

OLYMPIAD.CH
MATHEMATIK-OLYMPIADE
OLYMPIADES DE MATHÉMATIQUES
OLIMPIADI DELLA MATEMATICA

Funktionalgleichungen 1

Thomas Huber, Arnaud Maret

Aktualisiert: 1. August 2021


vers. 2.1.0

Inhaltsverzeichnis
1 Allgemeines und Einleitung 2
1.1 Verstehen des Begris einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Was ist eine Funktionalgleichung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Klassisches Schema für's Aufschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Grundlegende Lösungstechniken 6
2.1 Einsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.1.1 Grundlegende Substitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.1.2 Funktionelle Substitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.2 Funktionalgleichungen über N, Z und Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3 Doppeltes und mehrfaches Berechnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.4 Egalisierung von Funktionaltermen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3 Weitere Verfahren 23
3.1 Surjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.2 Injektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.3 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3.4 Fixpunkte und Nullstellen einer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.5 Periodizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.6 Die Lösungsgesamtheit und neue Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1 Allgemeines und Einleitung
Willkommen in der Welt der Funktionalgleichungen! Das ist eine Welt voll mit geheim-
nisvollen Kreaturen, bekannt unter dem Namen Funktionalgleichungen. Für manche Per-
sonen sind diese Funktionalgleichungen ganz gewöhnliche Probleme. Andere fürchten sie.
Nun ist auch dein Abenteuer in dieser wunderlichen Welt der Funktionalgleichungen auf
bestem Wege zu beginnen! Eine Welt der Träume und Abenteuer mit atemberaubender
Vielfalt an verschiedensten Funktionalgleichungen erwartet dich. Auf geht's!

Bevor man das Konzept einer Funktionalgleichung verstehen kann, muss man verstehen,
was eine Funktion eigentlich ist.

1.1 Verstehen des Begris einer Funktion


Eine Funktion f beschreibt eine Relation zwischen einer Denitionsmenge, sagen wir
A, und einer Zielmenge, sagen wir B . Sie ordnet jedem Element a in A ein eindeutiges
Element b B zu, man nennt dieses b Bild von a unter f . Für gewöhnlich schreibt man
in
in diesem Fall b = f (a); auf diese Weise sieht man sofort an der Notation, dass b das Bild
von a unter f ist.

Man benutzt folgende Notation um eine Funktion zu denieren:

f: A→B
a 7→ f (a).

Zum Beispiel

f: R→R
x 7→ f (x) = x2 + 1

ist eine Funktion, welche jeder reellen Zahl x die reelle Zahl f (x) = x2 + 1 zuordnet. In
diesem Fall haben wir eine einfache arithmetische Rechenvorschrift, welche es uns erlaubt,
das Bild einer Zahl x zu berechnen.

In anderen Fällen kennt man keine solchen einfachen Rechenvorschriften zur exakten Be-
rechnung des Bildes eines Elements der Denitionsmenge. Betrachten wir beispielsweise
die Funktion:

p: N → N
n 7→ p(n),

wobei p(n) die n-te Primzahl ist. Für diese Funktion muss man sich mit der Notation
p(n) begnügen um vom Bild einer natürlichen Zahl n zu sprechen, da man (bis jetzt)

2
über keine explizite Formel zur Berechnung des Bildes verfügt.
Hier bereits eine Bemerkung zu den Funktionalgleichungen: Die Funktionen, mit denen
ihr zu tun haben werdet, werden alle fast vollkommen durch schöne explizite Formeln
denierbar sein. Doch nochmals, das ist keine universelle Eigenschaft von Funktionen, und
viele (in einem mathematisch wohldenierten Sinne sogar die überwiegende Mehrheit)
können nicht durch eine explizite Formel beschrieben werden. Gewöhnt euch also nicht
an, diese abnormalen Funktionen auszugrenzen.

Der zentrale Punkt im Begri einer Funktion ist die Eindeutigkeit des Bildes. Wenn man
zum Beispiel jeder ganzen Zahl n all seine verschiedenen Teiler zuordnet, erhält man eine
Relation von Z nach Z die keine Funktion ist.

Andererseits ist es keineswegs untersagt, dass ein Element aus der Zielmenge das Bild
von mehreren Elementen der Denitionsmenge ist. Wenn wir zum Beispiel die Funktion
f (x) = x2 + 1 betrachten, dann ist 2 das Bild sowohl von 1 als auch von −1.
Analog ist es auch durchaus erlaubt, dass es Elemente in der Zielmenge gibt, die nicht
das Bild eines Elements der Denitionsmenge sind, obwohl man voraussetzt, das jedes
Element der Denitionsmenge ein Bild in der Zielmenge besitzt. Betrachten wir beispiels-
weise erneut die Funktion

f: R→R
x 7→ f (x) = x2 + 1,
dann gibt es keine reelle Zahl, deren Bild unter f die Zahl 0 ∈ R ist, da kein x in R
2
existiert sodass 0 = x + 1.

In den folgenden Problemen werden wir zumeist Funktionen einer Variablen betrachten.
Funktionen also, die eine Zahl auf eine andere schicken. Nichtsdestotrotz gibt es Aufga-
ben, welche Funktionen mehrerer Variablen betreen, die ein Tupel von Zahlen auf ein
anderes Tupel von Zahlen schicken. Zum Beispiel schickt die Funktion

f: Z×N→Q
a
(a, b) 7→ f (a, b) =
b
ein Paar ganzer Zahlen, wobei die zweite strikt positiv ist, auf den Quotienten der ersten
durch die zweite.

Auf den ersten Blick kann das Konzept einer Funktion ganz schön abstrakt scheinen. Man
kann diesen Begri aber wie folgt visualisieren: man sieht eine Funktion als eine Menge
von Pfeilen an, die von den Elementen einer Menge zu den Elementen einer anderen
Menge zeigen, wobei aus jedem Element der Startmenge genau ein Pfeil hervorgeht.

Für Funktionen einer reellen Variablen existiert eine geometrische Veranschaulichung die
man Graph der Funktion nennt. Dabei zeichnet man in ein Koordinatensystem zweier
Achsen alle Punkte (x, f (x)) für jedes x aus der Denitionsmenge ein. Viele der Eigen-
schaften, die wir später antreen werden, besitzen hierdurch eine geometrische (heisst
visuelle) Interpretation.

3
Mit diesen Hilfsmitteln sollte der Begri einer Funktion für all jene, die sich den Umgang
mit ihm nicht gewohnt sind, allmählich klarer werden. Weitere Eigenschaften von Funk-
tionen werden später deniert. Beginnen wir nun mit ein paar allgemeinen Betrachtungen
einiger erster Funktionalgleichungen.

1.2 Was ist eine Funktionalgleichung?


Eine Funktionalgleichung ist eine Gleichung, deren Unbekannte eine Funktion ist. Wenn
man von einer Gleichung spricht, möchte man zumeist alle Werte nden, für die zwei
algebraische Ausdrücke gleich sind. Bei einer Funktionalgleichung möchte man nun al-
le algebraischen Ausdrücke nden, für welche eine Gleichung für alle Werte aus einer
gegebenen Menge erfüllt ist. Es ist also in gewisser Weise die Umkehrung des Problems.

Zum Beispiel gilt für die Funktion f : R → R, x 7→ x2 oenbar

f (x)f (y) = f (xy),

x, y in R, da für jedes solche Paar x, y ∈ R die Gleichung


für beliebige reelle Zahlen
2 2 2
f (x)f (y) = x y = (xy) = f (xy) nach den üblichen Potenzregeln erfüllt ist. Darüber
a
hinaus bemerkt man, dass jede Funktion x 7→ x eine Lösung der Funktionalgleichung
ist.

Für gewöhnlich haben Funktionalgleichungsaufgaben die folgende Form :

Beispiel 1 (IMO 92) Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R

f (x2 + f (y)) = y + f (x)2 .

Wir werden später zeigen, dass die einzige Lösung dieser Gleichung die Identitätsfunktion
x 7→ x ist. Ihr könnt euch gerne davon überzeugen, dass das tatsächlich eine Lösung der
Gleichung ist.

Es gibt jedoch auch völlig andere Funktionalgleichungen. Sie können eine oder mehrere
Variablen haben. Es können einzelne Gleichungen sein oder Systeme von Gleichungen für
eine oder mehrere Funktionen. Die Funktionen müssen auch nicht immer reelle sein, der
+
Denitionsbereich ist oft Q, N oder irgendeine andere Menge, wie beispielsweise R .

Oft bezeichnet man als Funktionalgleichung jedes Problem, welches Funktionen betrit
und dessen Lösung einiger Berechnungen und Manipulationen von Ausdrücken bedarf.
Hier einige Beispiele, die zwar von der gewöhnlichen Formulierung abweichen, aber den-
noch zu den Funktionalgleichungen gezählt werden:

Beispiel 2 (IMO 93) Entscheide, ob es eine Funktion f: N → N gibt, sodass f (1) = 2


und sodass für alle n in N
(a) f (f (n)) = f (n) + n
(b) f (n) < f (n + 1).

4
Beispiel 3 (IMO 02) Bestimme alle Funktionen f : R → R sodass für alle reellen Zahlen
x, y, z, t
(f (x) + f (z))(f (y) + f (t)) = f (xy − zt) + f (xt + yz).

Das letzte Beispiel zeigt, dass f auch mehrere Argumente haben kann:

Beispiel 4 (IMO 81) Die Funktion f (x, y) erfülle die folgenden Gleichungen für alle
x, y ≥ 0:

f (0, y) = y + 1,
f (x + 1, 0) = f (x, 1),
f (x + 1, y + 1) = f (x, f (x + 1, y)).

Bestimme f (4, 1981).


Nach diesem Rundblick sollte klar geworden sein, was die typische Problemstellung ist.
Eine ganz andere Frage ist allerdings, wie man nun vorgeht, um die Lösungen einer
solchen Funktionalgleichung zu bestimmen. Oft sieht man recht schnell eine Lösung und
ist sich auch recht sicher, dass es die einzige ist. Dies aber wirklich zu beweisen, ist
die Hauptschwierigkeit. Es gibt nur ganz wenige Standardverfahren, die man anwenden
kann. Meistens muss man einfach herumprobieren, mit der Gleichung spielen, bis sie
Informationen preisgibt, die man weiterverwenden kann. Das Wichtigste überhaupt beim
Lösen solcher Funktionalgleichungen ist die Erfahrung. Erst mit einiger Übung wird man
erkennen, worauf es eigentlich ankommt, wonach man suchen muss. Dieses Skript soll
euch diese Erfahrung geben. Es enthält viele ausführliche Lösungen zu Beispielen und
viele Aufgaben, an denen ihr euer Können unter Beweis stellen könnt.

1.3 Klassisches Schema für's Aufschreiben


Obgleich es nur wenige Standardverfahren zur Lösung einer Funktionalgleichung gibt,
existiert nichtsdestotrotz ein Grundschema für das Aufschreiben einer Lösung an einer
Olympiade.

Eine Lösung sollte stets mit dem Satz: Sei f eine Lösung der Gleichung beginnen, oft
lässt man ihn aber aus Gewohnheit weg.

Anschliessend bestimmt man immer stärker einschränkende Eigenschaften, die eine solche
Lösung f
erfüllen muss, bis man schliesslich ihre explizite Form bestimmen kann. Man
2
schreibt dann beispielsweise ... somit ist gezwungenermassen f (x) = x +1 für alle reellen
Zahlen x.
Äusserst wichtig ist auch folgendes: Eine Lösung ist erst vollständig, wenn überprüft wird,
dass die gefundenen Funktionen tatsächlich Lösungen der ursprünglichen Gleichung sind.
Oft vergisst man diesen Schritt, er scheint schlicht zu trivial. Dennoch handelt es sich
hierbei um einen essentiellen Bestandteil einer Lösung, und falls dieser fehlt, wird dies
ausnahmslos durch das Abziehen einiger Punkte bestraft. Ihr werdet es noch sehr oft

5
hören, und man kann es auch eigentlich nie genug sagen: Immer überprüfen, dass die
Lösungsfunktionen die ursprüngliche Gleichung erfüllen !

2 Grundlegende Lösungstechniken
2.1 Einsetzen
Dieser Abschnitt behandelt die wohl naheliegendste Lösungstechnik, das Einsetzen. Wenn
eine Funktion f eine gegebene Gleichung beispielsweise für alle x, y in R erfüllt, dann
bleibt diese Gleichung auch für eine bestimmte Wahl von x und y erhalten.

2.1.1 Grundlegende Substitutionen

Im Allgemeinen, wenn man eine Funktionalgleichung angeht, dann beginnt man immer
mit einigen Standardsubstitutionen. Diese können häug hilfreich sein, die Bilder unter
f einiger Schlüsselwerte zu bestimmen; zumeist f (0) oder f (1). Eine ranierte Folge
solcher grundlegenden Substitutionen reicht manchmal schon zum Lösen einer Aufgabe,
sogar für recht komplizierte! Hier ein Beispiel.

Beispiel 5 Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R

f (xy) = xf (x) + yf (y).

Lösung. Sei f eine Lösung der obigen Gleichung.

Nach dem Lösen einiger erster Funktionalgleichungen werdet ihr schnell merken, dass es
für Funktionen von R nach R oft äusserst hilfreich ist, die möglichen Werte von f (0)
zu kennen. In unserem Fall kann mit dem Einsetzen von x = y = 0 beginnen. Man
erhält nach Berechnung: f (0) = 0. Somit muss jede Lösungsfunktion der Gleichung die
Bedingung f (0) = 0 erfüllen.

Schauen wir nun was passiert, wenn man y=0 einsetzt und x als unabhängige Variable
behält. Man erhält
xf (x) = f (0) = 0.
Diese Gleichung ist für alle reellen Zahlen x erfüllt. Somit erhält man für alle reellen x,
dass entweder x = 0, oder f (x) = 0, daher ist f (x) = 0 wenn man x 6= 0 nimmt. Da man
aber schon weiss, dass f (0) = 0 kommt man zum Schluss, dass f die Nullfunktion sein
muss, also f (x) = 0 für alle x in R.

Die letzte Etappe besteht im Überprüfen, dass die Nullfunktion tatsächlich eine Lösung
der Ursprungsgleichung ist. Man sieht, dass

0 = x · 0 + y · 0,

für alle x, y in R.

6
Somit haben wir gezeigt, dass diese Funktionalgleichung eine eindeutige Lösung besitzt;
die Nullfunktion.

Betrachten wir ein weiteres grundlegendes Beispiel.

Beispiel 6 Finde alle Funktionen f : R+ → R+ sodass für alle x, y in R+


xf (xy) = f (y).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wenn wie hier der Wert 0 nicht erlaubt ist, dann lohnt es sich meistens, die Substitution
x = 1 und/oder y = 1 auszuprobieren. Wir sehen, dass x = 1 zu der Gleichung f (y) =
f (y) führt, welche nutzlos ist. Wir setzen also y = 1 in die Ursprungsgleichung ein. Das
ergibt:
xf (x) = f (1)
für jeden Wert von x in R+ . Da x hier nie 0 ist, darf man beide Seiten der Gleichung
durch x teilen, dies führt zu
f (1)
f (x) = . (1)
x
Nun ist es wichtig festzustellen, vor allem wenn man gerade erst mit dem Lösen von
Funktionalgleichungen begonnen hat, dass f (1) hier nichts weiter als eine Konstante
ist. In einigen Beispielen, dieses gehört dazu, kann man den Wert von f (1) (oder von
f (0) in anderen Beispielen) nicht eindeutig bestimmen, da die Gleichung mehr als eine
Lösungsfunktion zulässt und nicht jede Lösung bei 1 den gleichen Wert annimmt.

Die Gleichung (1) ist wie folgt zu interpretieren : wenn f eine Lösung der Ursprungsglei-
chung ist, dann
c
f (x) = ,
x
wobei c eine Konstante in R+ ist.

Wie immer muss man nun überprüfen, dass für jede Wahl von c in R+ die Funktion
x 7→ c/x eine Lösung der Ursprungsgleichung ist. Tatsächlich sieht man, dass für alle x, y
+
in R
c c
x· = .
xy y

In diesem Beispiel haben wir gezeigt, dass die Funktionalgleichung unendlich viele Lösun-
c
gen besitzt, gegeben durch alle Funktionen der Form x 7→ , wobei c eine strikt positive,
x
reelle Konstante ist.

Betrachten wir ein letztes Beispiel; eine etwas subtilere Gleichung, die dennoch eine Lö-
sung bestehend ausschliesslich aus grundlegenden Substitutionen zulässt. Diese Gleichung
war die Aufgabe 9 an der Finalrunde 2005.

7
Beispiel 7 (Finalrunde 2005) Finde alle Funktionen f : R+ → R+ sodass für alle x, y in
+
R
f (yf (x)) (x + y) = x2 (f (x) + f (y)) .

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung. Erneut arbeiten wir in R+ , wir konzentrieren
uns in den ersten Substitutionen also eher auf die Zahl 1. Wir versuchen also zuallererst
(ein Grundreex) die Substitution x=y =1 in der Ursprungsgleichung. Wir erhalten
nach Berechnung :
f (f (1)) = f (1). (2)

Wir können also nicht direkt den Wert von f (1) bestimmen. Andererseits haben wir eine
eine interessante Eigenschaft des Werts f (1) gefunden. Hier ist Hartnäckigkeit gefordert;
es sind weitere Substitutionen nötig um mehr Informationen über f (1) zu erhalten. Man
überzeuge sich, dass f (1) nichts weiter als eine reelle Zahl ist, somit ist es durchaus erlaubt
(und sogar wünschenswert !) Substitutionen der Form (x, y) = (1, f (1)), (x, y) = (f (1), 1)
oder sogar (x, y) = (f (1), f (1)) auszuprobieren und die Eigenschaft (2) benutzen um die
so erhaltenen Identitäten zu vereinfachen.

In unserem Fall ergibt das Einsetzen von x = f (1) und y = 1, unter Verwendung der
Eigenschaft (2) um die doppelten f 's zu vereinfachen und durch Faktorisieren der resul-
tierenden Gleichung
(f (1) − 1) (2f (1) + 1) = 0.
Daraus schliesst man f (1) = −1/2. Da die Zielmenge R+ ist, kann man
f (1) = 1 oder
Letzteres aber ausschliessen und somit gilt f (1) = 1. Da wir diese neue Gleichung be-
nutzen möchten, versuchen wir die Substitution x = 1. Wir erhalten nach Umordnen der
Terme
yf (y) = 1.
Da y strikt positiv ist, dürfen wir durch y teilen, dies führt zu f (y) = 1/y . Es bleibt noch
zu überprüfen, dass die Funktion x 7→ 1/x die Ursprungsgleichung erfüllt. Wir sehen,
dass
x2
 
1 2 1 1
(x + y) = +x=x + .
y x1 y x y

2.1.2 Funktionelle Substitutionen

Wir haben die obigen Beispiele gelöst, indem wir Konstanten für die freien Variablen x
und y eingesetzt haben. Da im Allgemeinen die Gleichungen für alle Werte der Varia-
blen erfüllt sind, müssen wir uns aber keineswegs auf das Einsetzen von vorbestimmten
Werten für x und y beschränken, wir können beispielsweise auch einen Ausdruck in Ab-
hängigkeit von y für x einsetzen. Betrachten wir folgendes Beispiel, um den Gebrauch
solcher Substitutionen aufzuzeigen.

8
Beispiel 8 Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R
x + 2f (x) + f (f (y) − x) = y.

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wie gewöhnlich beginnen wir mit einigen Standardsubstitutionen. Mit x = 0 erhalten
wir
f (f (y)) = y − 2f (0).
Eine solche Gleichung ist stets hilfreich, da sie erlaubt doppelte f 's zu vereinfachen.

Der komplizierteste Term der Gleichung ist f (f (y) − x). Es kann daher äusserst nützlich
sein zu versuchen, ihn loszuwerden. Dies erreicht man am einfachsten, wenn man x = f (y)
einsetzt. Gerade am Anfang einer zukünftigen Funktionalgleichungsweltkarriere ist es sehr
wichtig zu verstehen, warum eine solche Substitution erlaubt ist. Die Gleichung ist für
jeden reellen Wert von x erfüllt, und das unabhängig von der Wahl von y. Sie bleibt also
insbesondere erfüllt, wenn x von y abhängt.

Man erhält nach Vereinfachen der doppelten f 's mit Hilfe der obigen Identität

f (y) = −y + 3f (0).
Setzen wir nun noch y=0 in diese letzte Gleichung ein, erhalten wir f (0) = 3f (0) und
daher f (0) = 0. Die obige Gleichung wird also zu f (y) = −y .
Es bleibt noch zu überprüfen, dass die Funktion x 7→ −x die Ursprungsgleichung erfüllt.
Man sieht schnell, dass
x − 2x − ((−y) − x) = y.

Betrachten wir nun ein Beispiel, welches ein bisschen weniger dem Standard entspricht.
Es handelt sich um eine Funktionalungleichung. Keine Panik ! Die Vorgehensweise beim
Lösen eines solchen Problems bleibt im Kern die selbe.

Beispiel 9 Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R


f (x + y) ≥ f (xy).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Ungleichung.


Es lohnt sich stets, das Lösen einer Funktionalgleichung mit dem Identizieren der Lö-
sungsfunktionen zu beginnen. Hierzu sollte man die üblichen Funktionen durchtesten (die
konstanten Funktionen x 7→ c, die linearen Funktionen x 7→ ax + b, insbesondere x 7→ x
2
und x 7→ −x, aber auch x 7→ ±x , x 7→ c/x, etc).

In diesem Beispiel erfüllen aus der obigen Liste nur die konstanten Funktionen die Un-
gleichung. Wir probieren also zu zeigen, dass nur konstante Funktion das Problem lösen.
Wir beginnen wie so oft mit dem Einsetzen von y = 0. Man erhält

f (x) ≥ f (0)

9
für alle x in R. Wäre es also möglich, die umgekehrte Ungleichung zu zeigen, nämlich
f (x) ≤ f (0) für alle reellen x, dann hätte man f (x) = f (0) und somit wären wir fertig.

Wir versuchen also, auf der linken Seite des Ungleichheitszeichens ein f (0) auftauchen
zu lassen. Dies erreicht man mit der sehr natürlichen Substitution y = −x. Sie führt zu

f (0) ≥ f −x2 .


Das Problem hier ist, dass man nicht alle reellen Zahlen als "minus das Quadrat einer
reellen Zahl" ausdrücken kann. Wir erhalten die Gleichung f (t) = f (0) lediglich für jene
t, die sich als t = −x2 für eine bestimmte reelle Zahl x schreiben lassen. Man sieht
√ 2
schnell, dass dies genau dann der Fall ist, wenn t ≤ 0, weil dann t = − −t , und
dieser Ausdruck ist nicht deniert für t > 0. Wenn t ≤ 0 setzen wir diesen Ausdruck in
obige Gleichung ein und erhalten f (0) ≥ f (t). Zusammen mit unserer ersten Ungleichung
ergibt das
f (t) = f (0)
für alle t≤0 in R.
Eine andere Standardsubstitution, die häug nützliche Informationen liefert, ist der Klas-
siker x = y. Damit erhalten wir

f (2x) ≥ f x2 .


Rufen wir uns in Erinnerung, dass wir die Ungleichung f (0) ≥ f (t) für t > 0 beweisen
wollen. Wir versuchen also, ein (t)
√ auf der rechten Seite des Ungleichheitszeichens auf-
tauchen zu lassen. Einfach
√ x = t einzusetzen führt hier zu nichts, weil wir nichts über
den Term f 2 t aussagen können. Wenn wir hingegen, und hier liegt die Subtilität des
√ √
Ganzen, x = − t setzen, ändert dies alles, weil wir bereits wissen, dass f −2 t = f (0),

da −2 t < 0. Man erhält daher für t > 0
 √
f (0) = f −2 t ≥ f (t).

Zusammen mit der umgekehrten Ungleichung und früheren Resultaten können wir also
schliessen, dass f (t) = f (0) für alle t in R.
Zum Schluss überprüft man mit Leichtigkeit, dass alle konstanten Funktionen x 7→ c die
Ursprungsungleichung erfüllen.

Betrachten wir ein letztes Beispiel. Dieses Problem wurde als Aufgabe 4 der Finalrunde
2004 gestellt. Die Lösung besteht aus drei Teilen, wobei der kniigste der zweite Teil
ist. Dieses Beispiel ist recht elementar nach meinem Geschmack und ich lade euch ein, es
etwas eingehender zu studieren.

Beispiel 10 (Finalrunde 2004) Finde alle Funktionen f: R → R sodass für alle x, y in


R,
f (xf (x) + f (y)) = f (x)2 + y.

10
Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung. Der erste Teil besteht wie so oft in der
Berechnung des Wertes von f (0). Ihr könnt diesen Teil erstmal auslassen und später
darauf zurückkommen, nachdem wir das Kapitel über die Surjektivität behandelt haben.
Mit diesem Kapitel wir dieser erste Teil um einiges klarer sein.

Das Setzen von x=y=0 ergibt

f (f (0)) = f (0)2 . (3)

Mit der Substitution x = 0 und y = −f (0)2 , erhält man f (f (−f (0)2 )) = 0. Anders
gesagt, setzt man a := f (−f (0)2 ), dann gilt f (a) = 0. Solche Argumente werden im
Zusammenhang mit dem Begri der Surjektivität noch öfters auftreten.

Setzen wir x = y = a, so ergibt das f (0) = a. Anwenden von fauf beide Seiten der
2
Gleichung liefert f (f (0)) = f (a) = 0. Zusammen mit (3) erhält man f (0) = 0 und
somit f (0) = 0.

Da wir nun den Wert von f (0) kennen, setzen wir sogleich (beissen wie wir sind) erst
x=0 und dann y=0 um zu sehen, ob wir das Ergebnis f (0) = 0 irgendwie brauchen
können.
f (f (y)) = y
und
f (xf (x)) = f (x)2 ,
erst für alle y in R, dann für alle x ∈ R. Die erste sieht einfacher aus, daher versuchen
wir, mit ihr die zweite zu vereinfachen. Wie schaen wir es, doppelte f 's in der zweiten
Gleichung auftauchen zu lassen? Die Idee ist, eine Substitution der Form x = f (t) durch-
zuführen, wobei t eine beliebige reelle Zahl ist. Um aber sparsam mit Buchstaben und
Variablen umzugehen, gehen wir wie folgt vor : wir ersetzen alle x durch f (x) (statt x
mit f (t) zu ersetzen). Damit erhält man

f (f (x)f (f (x))) = f (f (x))2 .

Dieser Ausdruck scheint um einiges komplizierter als der ursprüngliche, aber er lässt sich
vereinfachen wenn man f (f (y)) = y miteinbezieht. Man erhält

f (xf (x)) = x2 .

Zusammen mit vorherigen Gleichung, aus welcher wir diese hergeleitet haben, ergibt dies
f (x)2 = x2 . Ist als x in R beliebig, dann gilt entweder f (x) = x, oder f (x) = −x. Aber
Achtung, das bedeutet nicht, dass wir als einziges die beiden Lösungsfunktionen x 7→ x
und x 7→ −x erhalten ! Wir wissen nur, dass wenn f eine Lösung der Ursprungsgleichung
ist, dann gilt f (x) = x für einige Werte von x und f (x) = −x für andere. Die gar nicht
mal so abnormale Funktion x 7→ |x| fällt auch in diese Kategorie, doch scheint sie keine
Lösung der Ursprungsgleichung zu sein. Wir kehren also zur Ursprungsgleichung zurück
um mehr über die Struktur der Lösungen herauszunden.

11
Erinnern wir uns, dass f (0) = 0. Nehmen wir nun also an, dass es reelle Zahlen x1 6= 0 und
x2 6= 0 gibt, sodass f (x1 ) = x1 respektive f (x2 ) = −x2 um zu sehen, ob eine Mischung
der Funktionen x 7→ x und x 7→ −x eine mögliche Lösung der Gleichung ist.

Mit x = x1 und y = x2 erhält man

f (x21 − x2 ) = x21 + x2 .

Andererseits wissen wir, dassf (x21 −x2 ) = x21 −x2 oder f (x21 −x2 ) = −x21 +x2 . Kombiniert
man dies mit der obigen Gleichung, erhält man im ersten Fall x2 = 0 und im zweiten Fall
x1 = 0. Beides steht im Widerspruch zu unserer Wahl von x1 und x2 . Somit haben wir
gezeigt, dass f nicht eine Kombination aus x 7→ x und x 7→ −x sein kann. Daher bleiben
nur zwei mögliche Lösungen : die Funktionen x 7→ x und x 7→ −x.

Eine einfache Berechnung zeigt, dass x 7→ x eine Lösung der Ursprungsgleichung ist.
Auch die Funktion x 7→ −x ist eine Lösung, da

− (x · (−x) − y) = x2 + y = (−x)2 + y.

Lasst uns, bevor wir dieses Kapitel über Substitutionen abschliessen, ein paar take-away
Schlüsselerkenntnisse mitnehmen. Am Anfang empehlt es sich, eine Funktionalgleichung
mit den Standardsubstitutionen, also x, y = 0, x, y = ±1, x = ±y oder gar manchmal
x = ±1/y , anzugreifen. Oft reichen diese Substitutionen aus, um f (0) und f (1) zu
berechnen. Und wichtig : sobald ihr etwas neues herausndet über eine Lösungsfunktion
f , überlegt umgehend, wie ihr diese neue Erkenntnis kreativ gebrauchen könnt, um noch
mehr über f herauszunden !

2.2 Funktionalgleichungen über N, Z und Q


Bis hierhin haben wir ausschliesslich Beispiele gesehen, in welchen die Argumente der
Funktion reell waren. Manchmal sucht man aber auch Funktionen, deren Argumente
lediglich ganze, oder rationale Zahlen sind. Hierbei kommen neue Methoden ins Spiel,
wie beispielsweise Resultate aus der Zahlentheorie über Teilbarkeit und Kongruenzen. Der
wichtigste Ansatz bleibt aber die Induktion. Betrachten wir umgehend ein grundlegendes
Beispiel.

Beispiel 11 Finde alle Funktionen f: Z→Z sodass für alle m, n in Z

f (m + n) = f (m) + f (n).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Versucht man ein paar Lösungen zu nden, so sieht man, dass die Funktionen der Form
n 7→ cn die einzigen Lösungen zu sein scheinen. Man beachte, dass wenn f (n) = cn,
dann ist f (1) = c. Wir werden also zeigen, dass die einzigen Lösungen jene der Form
n 7→ f (1)n sind.

12
Behalten wir unsere Reexe aus dem ersten Kapitel bei und versuchen die Substitution
m = n = 0. Sie ergibt f (0) = 0.
Wie bereits erwähnt ist das wichtigste Lösungsverfahren bei solchen Funktionalgleichun-
gen die Induktion. Wir versuchen also, aus unserer Gleichung eine Formel herzuleiten,
welche den Wert von f (n + 1) mit jenem von f (n) in Verbindung setzt, oder allgemeiner,
eine Formel welche den Wert von f (n) mit jenen von f (n − 1)) , . . . , f (0) in Verbindung
setzt. Setzt man m = 1, so ergibt das

f (n + 1) = f (n) + f (1).

Erinnern wir uns daran, dass wir f (1) als konstanten Parameter festsetzen wollen. Diese
Gleichung ist wie folgt zu interpretieren : verfüge ich über den Wert von f (n), dann kann
ich den Wert von f (n + 1) berechnen. Wir verwenden also eine Induktion um erst einmal
zu zeigen, dass f (n) = nf (1) für n ≥ 0. Wir wissen bereits das f (0) = 0 = f (1) · 0.
Nehmen wir also an, dass f (n0 ) = f (1)n0 für ein vorgegebenes n0 ≥ 0. Wir haben
demnach
f (n0 + 1) = f (n0 ) + f (1) = f (1)n0 + f (1) = f (1) (n0 + 1) ,
und daher können wir schliessen, dass f (n) = f (1)n für alle n ≥ 0.
Die (natürliche !) Substitution m = −n in der Ursprungsgleichung ergibt f (n) = −f (−n),
da wir ja bereits f (0) = 0 gezeigt haben. Ist somit n < 0, dann gilt

f (n) = −f (−n) = − (−nf (1)) = f (1)n,

denn wenn n < 0, dann ist −n > 0 und wir wissen durch unsere Induktion, wie wir
die Bilder von positiven ganzen Zahlen berechnen. Wir können daher schliessen, dass
f (n) = f (1)n für alle n in Z.
Man überprüft schnell, das dies tatsächlich eine Lösung ist, da

f (1)(m + n) = f (1)m + f (1)n.

Betrachten wir nun ein Beispiel, welches Resultate aus der Zahlentheorie verwendet.

Beispiel 12 Finde alle Funktionen f: N→N sodass für alle m, n in N

f (mn) = f (m)f (n).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Beginnen wir mit den gewöhnlichen Substitutionen. Setzt man m = n = 1 so ergibt das
f (1)2 = f (1) und demnach f (1) = 1 da f (1) eine natürliche Zahl ist und somit nicht null
sein kann.

13
Ferner sieht man, dass die Multiplikativität von f,
f (mn) = f (m)f (n) nicht nur
also
auf zwei Variablen beschränkt ist; mit einer einfachen Induktion auf k kann man schnell
zeigen, dass f auch für beliebige natürliche Zahlen n1 , ..., nk multiplikativ ist, also

f (n1 · · · nk ) = f ((n1 · · · nk−1 ) · nk )


= f (n1 · · · nk−1 ) f (nk )
= ...
= f (n1 ) · · · f (nk ).
Im Spezialfall n1 = ... = nk erhält man f (nk ) = f (n)k für alle natürlichen Zahlen n und
k.
Angesichts einer solchen Multiplikativität liegt es nahe, an Primfaktorzerlegungen zu
a1 a
denken. Ist nämlich n > 1 eine natürliche Zahl mit Primfaktorzerlegung n = p1 · · · pr r ,
dann gilt

f (n) = f (pa11 · · · par r )


= f (pa11 ) · · · f (par r )
= f (p1 )a1 · · · f (pr )ar .
Insbesondere kann man, sofern man den Werten von f (p) für alle Primzahlen p kennt, den
Wert von f (n) für alle natürlichen n berechnen. Aber gibt es Bedingungen auf die Werte
von f (p)? Sind sie durch die Ursprungsgleichung bestimmt? Probiert man ein bisschen
herum bemerkt man, dass man keine Einschränkungen auf die Werte von f (p) nden
kann (genau wie für f (1) im letzten Beispiel). Daher müssen sie als konstante Parameter
aufgefasst werden.

a1 a
Wir wollen also zeigen dass jede Funktion, welche 1 auf f (1) = 1 und n = p1 · · · pr r
a1 ar
auf f (n) = f (p1 ) · · · f (pr ) abbildet für eine beliebige Wahl der Werte von f (pi ), eine
Lösung der Ursprungsgleichung ist. Wenn m = 1 oder n = 1, dann erfüllt f die Gleichung
f (mn) = f (m)f (n). Im allgemeinen Fall wenn n = pa11 · · · par r und m = q1b1 · · · qsbs wobei
p1 = q1 , . . . , pk = qk die gemeinsamen Primfaktoren von m und n sind (demnach also
0 ≤ k ≤ min{r, s}) und pk+1 , . . . , pr , qk+1 , . . . , qs die Primfaktoren, welche nicht beide der
Zahlen m und n gleichzeitig teilen, dann sehen wir, dass

f (mn) = f pa11 · · · par r q1b1 · · · qsbs



 
a1 +b1 ak +bk ak+1 ar bk+1 bs
= f p1 · · · pk pk+1 · · · pr qk+1 · · · qs
= f (p1 )a1 +b1 · · · f (pk )ak +bk f (pk+1 )ak+1 · · · f (pr )ar f (qk+1 )bk+1 · · · f (qs )bs
= f (p1 )a1 · · · f (pr )ar f (q1 )b1 · · · f (qs )bs
= f (n)f (m).

Bevor wir dieses Kapitel abschliessen, betrachten wir nun noch ein Beispiel mit einer
Funktion, deren Denitionsmenge die rationalen Zahlen sind. Die Art und Weise wie wir
hier eine Erweiterung von Z auf Q durchführen, wird häug verwendet; ich empfehle euch
also, sie euch zu merken.

14
Beispiel 13 Finde alle Funktionen f: Q→Q sodass für alle x, y in Q
f (x + y) = f (x) + f (y).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir wissen bereits vom ersten Beispiel dieses Kapitels, dass f (n) = f (1)n für alle n in
Z. Des Weiteren wissen wir ja auch f (x) = −f (−x) und daher genügt es, f auf den
positiven Zahlen zu bestimmen, da wir dann mit dieser Formel auch die Werte unter f
von negativen Zahlen kennen.

Als erstes bemerken wir, dass für eine positive ganze Zahl k und eine rationale Zahl x
die Gleichung

f (kx) = f (x . . + x})
| + .{z
k Mal
= f (x) + . . . + f (x)
= kf (x),
gilt, wobei wir die Additivität von f mit einem ähnlichen Argument wie im vorherigen
Beispiel auf mehr als zwei Variablen erweitert haben,

Somit gilt für eine positive rationale Zahl x > 0, welche man als x = a/b mit a und b in
N schreibt, dass    
a 1 1
f (x) = f =f a· = af .
b b b
Andererseits können wir das Bild des Kehrwerts einer natürlichen Zahl wie folgt bestim-
men :        
1 1 1 1 1
f (1) = f + ... + =f + ... + f = bf ,
b b b b b
Mal
| {z }
b
und demnach  
1 1
f = f (1) .
b b
Schliesslich erhalten wir
a
f (x) = f (1) = f (1)x
b
womit wir f (x) = f (1)x für alle x in Q gezeigt haben, da wir für eine negative rationale
Zahl y < 0 sehen, dass f (y) = −f (−y) = f (1)y (das gleiche Argument wie in 11).
Wir sehen wie im Anfangsbeispiel, dass x 7→ f (1)x die Ursprungsgleichung tatsächlich
erfüllt.

2.3 Doppeltes und mehrfaches Berechnen


Die Induktion bleibt die Schlüsselmethode für Funktionalgleichungen über N, Z und Q,
aber dennoch existieren Fälle, in denen man die Gleichungen nicht wesentlich vereinfa-
chen kann. Man dreht sich dann im Kreis, schmeisst mit grossen, komplizierten Funkti-
onsausdrücken um sich, nützliche Identitäten ndet man aber keine. Hier hilft folgende

15
Idee: man berechnet einen festen Ausdruck auf zwei verschiedene Arten, ganz so wie wir
überraschender Weise f (xf (x)) im Beispiel 10 auf zwei Arten berechnet haben. Indem
man die Resultate gleichsetzt, erhält man oft neue, nützlichere Gleichungen.

Allgemeiner kann man manchmal ein Gleichungssystem konstruieren, deren Unbekannte


Funktionsterme sind, die man berechnen will. Die Kunst ist es, diese Terme auf verschie-
dene Arten und Weisen auftauchen zu lassen, um nach der Lösung des Gleichungssystems
nicht auf triviale Resultate zurückzufallen (was oft sehr frustrierend sein kann; es gehört
zum Everyday Struggle des Funktionalgleichungslösers).

Betrachten wir sogleich ein erstes Beispiel.

Beispiel 14 Finde alle f : (−1; +∞) → (−1; +∞) sodass für alle x, y > 0

f (xf (x − 1) + yf (y − 1)) = xf (3x − 1).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Setzt man naheliegenderweise x=1 erhält man

f (f (0) + yf (y − 1)) = f (2),

für alle y > 0. Gleichzeitig erhält man mit y=1

f (xf (x − 1) + f (0)) = xf (3x − 1),

für alle x > 0. Vergleicht man nun beide Ausdrücke, so stellt man fest, dass wenn man
im obigen Term y durch x ersetzt, die linken Seiten beider Gleichungen übereinstimmen.
Wir haben f (f (0) + yf (y − 1)) doppelt berechnet! Man erhält demnach

xf (3x − 1) = f (2),
t+1
für alle x>0 x > 0. Für t > −1 setzen wir x= 3
und erhalten damit

3f (2)
f (t) = .
t+1
c
Die Lösungen der Ursprungsgleichung sind also von der Form x 7→ x+1
wobei c eine
Konstante ist.
Überprüfen wir nun, ob es für solche Lösungen weitere Einschränkungen auf c gibt. Mit
einer Funktion dieser Form erhält man in der Ausgangsgleichung

c c
=
2c + 1 3
woraus man schliessen kann, dass entweder c = 0 oder c = 1. Es gibt demnach genau zwei
1
Lösungen der Ursprungsgleichung; die Nullfunktion und die Funktion x 7→ . Hier ist
x+1
es für einmal nicht nötig zu überprüfen ob die gefundenen Funktionen die ursprüngliche
Gleichung tatsächlich erfüllen, da wir sie ja genau gefunden haben, indem wir die Werte

16
für c identiziert haben, für welche wir tatsächlich Lösungen erhalten. Schaden kann es
aber nie, vor allem wenn ihr euch nicht sicher seid; statt zu überlegen, ob ihr nun noch
überprüfen müsst, dass die gefundenen Funktionen die ursprüngliche Gleichung lösen,
schreibt es lieber gleich auf (besser einmal zu viel als zu wenig). Letzteres ist sicherer und
geht wahrscheinlich sogar schneller.

In der folgenden Funktionalgleichung gibt es nur eine freie Variable. Solche Funktional-
gleichungen sind grundsätzlich eher schwierig, da es wenig vernünftig scheinende Substi-
tutionen gibt und man weniger Freiheitsgrade hat.

Beispiel 15 Finde alle Funktionen f: R → R welche die folgenden drei Bedingungen


erfüllen:

(a) f (−x) = −f (x) für alle x in R,


(b) f (x + 1) = f (x) + 1 für alle x in R,
 
1 f (x)
(c) f = 2 für alle x 6= 0 in R.
x x

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Aus (a) folgt mit x = 0 sofort f (0) = 0. Mit der Gleichung (b) erhalten wir sogleich die
Induktionsrelation f (n + 1) = f (n) + 1, welche zusammen mit f (0) = 0 zu f (n) = n für
alle n in Z führt.

Nun brauchen wir eine Idee um weiterzukommen, weil wir mit elementaren Substitu-
tionen nicht mehr viel herausnden können. Die Idee ist, mit den Gleichungen (b) und
(c) einen Funktionsterm auf zwei verschiedene Arten auszurechnen. Wir suchen also eine
Grösse, die wir sowohl in der Form a+1 wie auch in der Form 1/b schreiben können.
Natürlich gibt es dafür unzählige Möglichkeiten, aber die Terme, welche in den verschie-
1
denen Grundbedingungen auftauchen, legen es Nahe den Term
x
+ 1 für x 6= 0, −1 zu
betrachten.

Einerseits folgt mit (b) und danach (c) :

   
1 1 f (x)
f +1 =1+f =1+ 2 . (4)
x x x

Andererseits erhält man mit (c) auch

!
x

f (x + 1)2
 
1 1 x+1
f +1 =f x = .
x x+1
x2

x

Erneut dürft ihr beim Term
x+1
f
nicht einfach aufgeben und müsst hartnäckig sein!
Um seinen Wert zu berechnen, müssen wir ihn in eine Form bringen, welche es uns erlaubt,

17
(b) oder (c) anzuwenden. Es gilt
   
x 1
f =f − +1
x+1 x+1
 
1
=1+f −
x+1
 
1
=1−f
x+1
f (x + 1)
=1−
(x + 1)2
f (x) + 1
=1− .
(x + 1)2
Zusammengefasst haben wir also

(x + 1)2 − 1 − f (x)
 
1
f +1 = . (5)
x x2
Ein Vergleich zwischen (4) und (5) liefert sofort

f (x) = x,

für alle x 6= 0, −1. Da wir aus unseren anfänglichen Substitutionen bereits wissen, dass
f (0) = 0 und f (−1) = −1, schliessen wir also, dass f (x) = x für alle x in R.
Überprüfen wir zum Schluss noch, ob x 7→ x wirklich eine Lösung ist. Wir sehen, dass

(a) −x = −x,
(b) x + 1 = x + 1,
1 x
(c)
x
= x2
.

Betrachten wir nun ein Beispiel, in dem zur Berechnung einiger Basiswerte ein Glei-
chungssystem aufgestellt werden muss.

Beispiel 16 Finde alle Funktionen f: Z→Z sodass für alle m, n in Z

f (m + n) + f (mn) = f (m)f (n) + 1.

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Kontrolliert man die üblichen Lösungskandidaten, so stösst man auf die Lösungsfunktio-
nen n 7→ 1 und n 7→ n + 1. Es gibt nichtsdestotrotz noch eine etwas weniger normale
Lösung, die man zu Beginn zu übersehen riskiert.

Wir versuchen nun eine Induktionsbeziehung herzuleiten, dazu setzen wir wie öfters am
Anfang n = 1, was
f (m + 1) = (f (1) − 1) f (m) + 1, (6)

18
für alle m in Z ergibt.

Damit haben wir unsere Induktionsvorschrift. Ausgestattet mit ebendieser reicht es, den
Wert von f (1) zu berechnen, da sich alle weiteren daraus ergeben werden. Nun gibt aber
keine Substitution direkt den Wert von f (1); in einer einzelnen Gleichung werden zumeist
mehrere Werte der Form f (n) auftauchen. Es muss also durch möglichst wenige, aber
ranierte Substitutionen ein möglichst einfaches Gleichungssystem gefunden werden.

Zuallererst betrachten wir die Standardsubstitution m = n = 0, diese ergibt (f (0) − 1)2 =


0 und somit f (0) = 1. Darüber hinaus gilt

m = 1 und n = −1 : f (−1)(f (1) − 1) = 0.


m = −2 und n = 1 : f (−1) + f (−2) = f (−2)f (1) + 1.
m = n = −1 : f (−2) + f (1) = f (−1)2 + 1.

Aus der ersten Gleichung schliesst man, dass entweder f (1) = 1 oder f (−1) = 0. Wenn
f (−1) = 0, dann erhält man durch Eliminieren von f (−2) aus den letzten beiden Glei-
2
chungen, dass (f (1) − 1) = 1 und somit f (1) = 0 oder f (1) = 2. Wir unterscheiden also
drei Fälle bezüglich des Wertes von f (1).

1. f (1) = 2. In der Gleichung (6) ergibt sich also f (m + 1) = f (m) + 1, was zusammen
mit f (1) = 2 und einer einfachen Induktion zu f (n) = n + 1 für alle n in Z führt.
Hierbei handelt es sich tatsächlich um eine Lösung, da

(m + n + 1) + (mn + 1) = (m + 1)(n + 1) + 1.

2. f (1) = 1. Die Gleichung (6) ergibt f (m + 1) = 1 was direkt zu f (n) = 1 für alle n
führt. Natürlich ist das auch wirklich eine Lösung, da 1 + 1 = 1 + 1.
3. f (1) = 0. Die Gleichung (6) ergibt nun Folgendes: f (m + 1) = 1 − f (m). Aus
f (1) = 0 erhält man in dieser Reihenfolge f (2) = 1, f (3) = 0, f (4) = 1, etc. Es
scheint also, dass f ungerade Zahlen auf 0 und gerade Zahlen auf 1 schickt. Man
zeigt das leicht mit Induktion.

Überprüfen wir, ob dies tatsächlich eine Lösung der Ursprungsgleichung ist; dazu
unterscheiden wir die verschieden Fälle bezüglich der Paritäten von m und n. Sind
m undn gerade, so hat man 1 + 1 = 1 · 1 + 1. Sind m und n ungerade, dann ergibt
das 1 + 0 = 0 · 0 + 1. Ist letztlich eine der Zahlen gerade und die andere ungerade,
so führt dies zu 0 + 1 = 0 · 1 + 1. In allen Fällen gilt also Gleichheit und somit
handelt es sich tatsächlich um eine Lösung.

Diese Gleichung hat also genau drei verschiedene Lösungen.

Eine weitere, nützliche Form des doppelten Berechnens ist die folgende: Weist eine Seite
einer Funktionalgleichung eine bestimmte Invarianz auf, so muss die andere Seite diese

19
Invarianz auch erfüllen. Bemerkt man beispielsweise, dass sich die linke Seite eine Funk-
tionalgleichung nicht verändert wenn man x und y vertauscht, oder wenn man x durch
−x (oder gar f (x)) ersetzt, dann muss das auch für die rechte Seite gelten. Gleichsetzen
der 'alten' und 'neuen' rechten Seite ergibt dann eine neue Gleichung.

Betrachten wir erneut das Beispiel 14 :

f (xf (x − 1) + yf (y − 1)) = xf (3x − 1).

Man stellt nun fest, dass die rechte Seite invariant unter der Vertauschung von x und y
ist, somit muss auch die rechte Seite diese Eigenschaft haben. Dies führt zur Gleichung

xf (3x − 1) = yf (3y − 1),

für alle x, y > 0. Setzt man nun y = 1, so folgt direkt xf (3x − 1) = f (2) und von da aus
fährt man fort wie in der oben bereits gezeigten Lösung.

Die folgende Funktionalgleichung ist ein Beispiel für ein Problem, welches sehr schwierig
ist, wenn man diesen Trick nicht kennt.

Beispiel 17 (CSO 2001) Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R

f (x2 + f (y)) = (x − y)2 · f (x + y).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Die linke Seite ist invariant unter dem Ersetzen von x mit −x und somit auch die rechte
Seite. Dies liefert die Gleichung

(x − y)2 · f (x + y) = (x + y)2 · f (y − x).

Nun wollen wir für x und y so substituieren, dass x+y alle reellen Werte annehmen
kann, während y − x konstant bleibt, zum Beispiel gleich 1. Dies erreichen wir, indem wir
x = 21 (t − 1) und y = 21 (t + 1) setzen, wobei t eine beliebige reelle Zahl ist. Die Gleichung
2 2
wird zu f (t) = t · f (1) für alle t ∈ R. Alle Lösungen sind also von der Form f (x) = cx
mit einer reellen Konstanten c.
Nun setzen wir das in die Ursprungsgleichung ein um mögliche Einschränkungen auf c
zu identizieren. Die Gleichung wird zu

2 2
c x2 + cy 2 = c x2 − y 2 .

für alle x, y in R. Mit x=y=1 erhält man c(c + 1)2 = 0 und somit c = 0 oder c = −1.
Des Weiteren stellt man fest, dass wenn c = 0 oder c = −1 obige Gleichung für alle
x, y in R gilt. Die Lösungen dieser Funktionalgleichung sind also die Nullfunktion und
x 7→ −x2 .

20
2.4 Egalisierung von Funktionaltermen
Scheint eine Funktionalgleichung besonders hartnäckig zu sein, so ist es manchmal rat-
sam, gezielt nach ausgefeilten Substitutionen zu suchen, für welche zwei Funktionalter-
me übereinstimmen. Wenn man durch eine ranierte Substitution zwei additive oder
multiplikative Terme der Gleichung egalisieren kann, so kann dies das Problem durchaus
entscheidend vereinfachen. Betrachten wir umgehend ein Beispiel, um das zu veranschau-
lichen.

Beispiel 18 (Schweiz 1998) Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R

f (f (x) + y) = f (x2 − y) + 4f (x)y.

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Die normale Vorgehensweise wäre hier durch Substitutionen die zwei grossen Funktio-
2
nalterme loszuwerden, nämlich mit y = x und y = −f (x). Es gibt aber eine direktere
Methode, und diese betrachten wir hier.

Kann man irgendetwas einsetzen, sodass sich zwei Terme gegenseitig aufheben? In diesem
2
Beispiel könnte man versuchen, y so zu wählen, dass die Terme f (f (x) + y) und f (x − y)
2 2
gleich werden. Dazu muss dann f (x)+y = x −y gelten, also y = (x −f (x))/2. Einsetzen
liefert nun die Gleichung
x2 − f (x)
4f (x) · =0
2
für alle x in R.
Daraus folgt direkt, dass für ein gegebenes x in R entweder f (x) = 0 oder f (x) = x2
gilt (insbesondere also f (0) = 0). Aber Achtung, wie schon mal bedeutet das nicht, dass
entweder f (x) = 0 für alle x, oder f (x) = x2 für alle x, sondern dass jeder Mix dieser
beiden Funktionen eine potentielle Lösung ist! Wir beenden den Beweis auf die gleiche
Art und Weise wie im Beispiel 10.
Hierzu nehmen wir an, dass es zwei reelle Zahlen x1 , x2 6= 0 gibt, sodass f (x1 ) = 0 und
f (x2 ) = x22 . Setzen wir x = x1 und y = x2 in der Ursprungsgleichung, so ergibt das

f (x21 − x2 ) = x22 .

Andererseits gilt nun wieder entweder f (x21 − x2 ) = 0


f (x21 − x2 ) = (x21 − x2 )2 .
oder
Zusammen mit obiger Gleichung ergibt sich im ersten Fall x2 = 0 und somit ein Wider-
2 2 2
spruch, und im zweiten Fall x1 (x1 − 2x2 ) = 0. Da x1 6= 0 erhalten wir x1 = 2x2 .
2
Setzt man nun x = 0 und y = x2 so liefert das f (−x2 ) = f (x2 ) = x2 . Somit können
2
wir obiges Argument mit x = x1 und y = −x2 wiederholen, was analog zu x1 = −2x2
führt. Somit gilt aber x1 = x2 = 0, was erneut ein Widerspruch ist. Wir schliessen also,
2
dass es zwei potentielle Lösungen gibt; die Nullfunktion und x 7→ x . Die erste erfüllt
trivialerweise die Ursprungsgleichung, da 0 = 0 + 0. Für die zweite genügt es zu sehen,
dass
2 2
x2 + y = x2 − y + 4x2 y.

21
Na gut, weil's so Spass macht hier noch ein kleines Beispiel, als Geschenk.

Beispiel 19 Finde alle Funktionen f : R+ → R+ sodass für alle x, y in R+ ,


f x2 f (f (y)) x = f (x)f (y).


Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Dieses Problem stellt sich nach einigen Versuchen als beinahe unangreifbar durch Stan-
dardsubstitutionen heraus. Wir arbeiten hier mit reinen Produkten von Funktionalter-
men, somit ist es sinnvoll zu probieren, einzelne Terme zu egalisieren um so durch kürzen
die Gleichung zu vereinfachen.

1
Zuallererst sehen wir, dass wir mit x = f (f (y))
zu f (x2 f (f (y))) = f (x) kommen, was
nach Vereinfachen
f (y)f (f (y)) = 1 (7)

ergibt. Man beachte dass die Substitution und das Kürzen erlaubt sind, da die Zielmenge
von f die Null nicht enthält.
q
y
In ähnlicher Manier führt x= f (f (y))
zu f (x2 f (f (y))) = f (y) und somit ergibt sich

nach Vereinfachen r  r
y y
f = . (8)
f (f (y)) f (f (y))
Eine solche Gleichung haut euch wahrscheinlich vom Stuhl, so kompliziert scheint sie. Der
emsige Schüler, der sich zu Beginn die Zeit genommen hat, nach möglichen Lösungen der
Ursprungsgleichung zu suchen hat sich wahrscheinlich davon überzeugt, dass die Funktion
x 7→ 1/x die einzige Lösung zu sein scheint. Somit ist wohl z = 1 die einzige Zahl,
welchef (z) = z erfüllt, wahrscheinlich können wir also aus der letzten Gleichung etwas
Entscheidendes herleiten.

Betrachten wir erneut die Gleichung (7); wir wenden sie auf die Zahlen z an, für welche
f (z) = z gilt. Dies ergibt zf (z) = 1 und durch erneutes Anwenden von f (z) = z führt
2
dies zu z = 1. Somit gilt z = 1. Wir haben also gezeigt, dass wenn eine Zahl z die
Gleichung f (z) = z erfüllt, wobei f eine Lösung der Ursprungsgleichung ist, z = 1 gelten
muss.
q
y
Kombiniert man dies mit der Gleichung (8), so erhält man
f (f (y))
= 1 und somit

f (f (y)) = y für alle y in R+ . Schliesslich erhält man, wenn man diese letzte Gleichung
auf (7) anwendet, dass f (y) = 1/y .
Überprüfen wir, ob es sich tatsächlich um eine Lösung handelt. Es gilt

1 1 1 1
·x= = · .
x2 1 1 xy x y
y

22
Dieses Beispiel zeigt, dass man sich nicht vor garstig scheinenden Substitutionen zu fürch-
ten braucht. Nachdem man die Standardsubstitutionen durchprobiert hat, ist es immer
ratsam, zwei Funktionalterme zu egalisieren. Das ist auf jeden Fall ein guter Reex beim
Lösen von Funktionalgleichungen.

Das Beispiel zeigt euch gleichermassen, dass man keine voreiligen Schlüsse ziehen darf. Ein
unerfahrener Leser hätte vielleicht in Anbetracht der Gleichung (8) die naive Substitution
q
y
z= f (f (y))
durchgeführt, womit er zu f (z) = z gelangt. Natürlich gilt diese Gleichung
q
y
aber nur, wenn sich z als z= f (f (y))
für eine positive reelle Zahl y schreiben lässt. Sie

impliziert also keineswegs, dass f die Identität ist.

Das folgende Kapitel behandelt weitere, fortgeschrittenere Methoden die sich auf grund-
legende Eigenschaften von Funktionen stützen.

3 Weitere Verfahren
3.1 Surjektivität
Wir haben bereits gesehen, dass zwar jede Zahl der Denitionsmenge einer Funktion
genau ein Bild in der Zielmenge haben, keineswegs aber jede Zahl der Zielmenge das Bild
eines Elements der Denitionsmenge sein muss.

Wir sagen daher, dass eine Funktion f : A → B surjektiv ist, wenn dies gleichwohl der
Fall ist, also wenn für alle Elemente b im B (mindestens) ein a in A existiert, sodass
f (a) = b. Hiermit setzen wir voraus, dass aller Element der Zielmenge das Bild eines
Elements der Denitionsmenge sein muss.
Betrachten wir sogleich ein Beispiel; die Funktion

f: R→R
x 7→ x2 + 1,

ist nicht surjektiv, da für 0∈R kein x in R mit x2 + 1 = 0 existiert. Andererseits ist die
Funktion (und es handelt sich hierbei tatsächlich um eine andere Funktion !)

f : R → [1; +∞)
x 7→ x2 + 1,
√ 
surjektiv, da für t≥1 die Gleichung t=f t−1 gilt.

Zwei natürliche Fragen tauchen hier auf. Zuallererst: Was nützt eine surjektive Funktion
beim Lösen einer Funktionalgleichung? Und danach: Wie zeigt man konkret, dass eine
Lösungsfunktion surjektiv sein muss?

Die häugste Anwendung der Surjektivität besteht darin, dass sie die Existenz eines
Urbildes für grundlegende Werte wir 0 oder 1 sichert. Dies hilft manchmal massgeblich,

23
Gleichungen wie f (0) = 0 oder f (1) = 1 herzuleiten, und diese sind, wie ihr bereits
gesehen habt, oft äusserst nützlich.

Allgemeiner garantiert uns die Surjektivität die Existenz eines Urbildes für alle Elemente
der Zielmenge. Man kann also, im allgemeinsten Fall, für einen freien Parameter das
Urbild eines Ausdrucks, der von einem zweiten Parameter abhängt, einsetzen.

Es existiert noch eine dritte Situation in der die Surjektivität nützlich ist. Taucht eine
freie Variable, sagen wir x, in der Gleichung ausschliesslich als f (x) auf und wissen
wir bereits, dass f surjektiv ist, dann können wir f (x) selbst als eine freie Variable
betrachten und somit durch eine neue Variable ersetzen, sofern die Zielmenge von f
mit der Denitionsmenge übereinstimmt. Betrachten wir ein kleines Beispiel um dies zu
veranschaulichen :

Beispiel 20 Finde alle surjektiven Funktionen f: R→R sodass für alle x in R,


f (f (x)) = f (x).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir wissen aus der Aufgabenstellung, dass f surjektiv ist. Anders gesagt bedeutet das,
dass wenn x die reellen Zahlen vollständig durchläuft, dann durchläuft auch f (x) nach
und nach alle reellen Zahlen. Somit können wir alle Terme f (x) in der Gleichung durch
eine neue reelle Variable t ersetzen, womit wir schliesslich f (t) = t für alle t in R erhalten.
Aufgepasst ! Alle f (x) einer Gleichung durch eine neue Variable zu ersetzen ist immer
erlaubt, auch wenn f nicht surjektiv ist (es ist nichts weiter Umschreiben der Gleichung
!). Die Surjektivität kommt erst bei der Aussage, dass die Gleichung f (t) = t für alle t
in R gilt, ins Spiel. Im Allgemeinen hat man f (t) = t lediglich für reelle Zahlen t, welche
sich als t = f (x0 ) für ein x0 in R schreiben lassen.

Um aber auf das Beispiel zurückzukommen; wir sehen dass die Funktion x 7→ x tatsächlich
eine Lösung ist, da sie eine surjektive Funktion von R nach R ist, und natürlich gilt auch
x = x.

Bevor wir zum ersten wirklichen Beisiel kommen, ndet ihr hier eine kurze Beschreibung
der Standardprozedur zum Zeigen, dass eine Lösungsfunktion einer Funktionalgleichung
surjektiv ist. In den meisten Fällen versucht man, die Funktionalgleichung durch geeignete
Umformungen in die Form f (. . .) = A(x, y, . . .) zu bringen, sodass auf der einen Seite
ein Funktionalterm steht und auf der anderen ein Ausdruck A, welcher alle Werte der
Zielmenge von f annehmen kann. Dies muss dann auch für f gelten, ganz egal wie
kompliziert der Ausdruck f (. . .) tatsächlich ist.

Nehmen wir zum Beispiel an, dass wir uns für folgende Funktionalgleichung interessieren

f (f (x) − x + y)2 = x + f (y 2 − x)
für Funktionen f : R → R. Hier kann man zeigen, dass f surjektiv ist. In der Gleichung
gibt es zwei Funktionalterme, auf beiden Seiten einer und von denen einer quadriert ist.

24
Wir versuchen also, den quadrierten Funktionalterm "festzuhalten", um über den anderen
uneingeschränkte Kontrolle zu haben. Mit diesem Ziel im Auge setzen wir y = x − f (x),
was die Gleichung
f (x − f (x))2 − x = f (0)2 − x.


x und lineare Funktionen


liefert. Es hat hier auf der rechten Seite eine lineare Funktion in
2
sind, sofern sie nicht konstant sind, surjektiv von R nach R, da für alle t in R, t = f (0) −
2
(f (0) − t). Da also die rechte Seite aller reellen Zahlen annehmen kann, muss das auch
für die linke Seite gelten. Hierbei handelt es sich um einen reinen Funktionalterm (also
kein Exponent, Koezient oder andere Schnörkel), daher ist f surjektiv. Das detaillierte
mathematische Argument lautet hier : für ein beliebiges R gilt t in

 2 
2 2 2

t=f f (0) − t − f f (0) − t − f (0) − t .

Ihr werdet verstehen, dass man in der Praxis die einfache Erklärung in Worten dem
mathematischen Detail vorzieht.

Betrachten wir nun das erste konkrete Beispiel.

Beispiel 21 Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R,

f (f (f (x))) + f (f (y)) = f (y) + x.

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Mit dem Ziel die Surjektivität von f nachzuweisen, setzen wir y =0 um zwei der drei
Funktionalterme festzuhalten. Man erhält somit

f (f (f (x))) = x + f (0) − f (f (0)).

Die rechte Seite ist eine lineare Funktion die somit alle reellen Zahlen durchläuft. Die
rechte Seite ist ein reiner Funktionalterm. Man schliesst daraus, dass f surjektiv ist.

Man bemerkt nun, dass die Variable y stets als f (y) in der Gleichung auftritt. Setzen wir
also t = f (y); dies ergibt
f (t) = t + x − f (f (f (x))) .
Diese Gleichung gilt für allex in R und gleichermassen für alle t in R, da f surjektiv ist.
Mit x = 0 erhält man so f (t) = t + c für allen reellen Zahlen t, wobei c eine Konstante
ist. Setzt man dies mit x = y = 0 in die Ursprungsgleichung ein, so folgt 3c + 2c = c und
demnach c = 0, also ist f die Identität.

Man überprüft leicht, dass die Identität tatsächlich eine Lösung ist, da x + y = y + x.

Das folgende Beispiel ist eine prachtvolle Gleichung von der IMO 1992. Wir werden hier
das Konzept der Surjektivität verwenden um ein paar erste Resultate zu erzielen; wir
werden die Lösung später zu Ende führen.

25
Beispiel 22 (IMO 92) Finde alle Funktionen f :R→R sodass für alle x, y in R
f (x2 + f (y)) = y + f (x)2 .

Anfang der Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir wollen die Surjektivität von f nachweisen, daher halten wir die unreinen Funktio-
nalterme fest. Wir setzen also x = 0 was
f (f (y)) = y + f (0)2 (9)

ergibt. Die rechte Seite ist eine lineare Funktion in y und kann somit alle reellen Zahlen
annehmen; die linke Seite ist ein reiner Funktionalterm. Somit ist f surjektiv und daher
existiert eine reelle Zahl a mit f (a) = 0.
Um von der Gleichung (9) zu protieren, wenden wir f auf beide Seiten der Ursprungs-
gleichung an. Daraus folgt

x2 + f (y) + f (0)2 = f f (x2 + f (y)) = f (y + f (x)2 ).




Setzen wir hier x=y=a dann gilt

a2 + f (0)2 = 0
und somit wie erwartet a = f (0) = 0.
Setzt man nun y=0 in der Ursprungsgleichung ergibt das

f (x2 ) = f (x)2 (10)

für alle x in R.
Darüber hinaus wird die Gleichung (9) zu f (f (y)) = y für alle y in R. Benutzt man diese
Identität zusammen mit der Gleichung (10), so kann man die Ursprungsgleichung als

f (x2 + f (y)) = f (f (y)) + f (x2 )


schreiben. Hier setzen wir t = f (y) und erhalten damit

f (x2 + t) = f (t) + f (x2 ) (11)

was durch die Surjektivität von f für alle x, t in R gilt. Wir werden später sehen, wie
man den Beweis zu Ende führen kann.

Dies beschliesst das Kapitel über die Surjektivität; eines Schlüsselbegris für Funktional-
gleichungen. Beginnt man damit, die potentiellen Lösungen einer Gleichung zu bestimmen
und stellt dann fest, dass sie allesamt surjektiv zu sein scheinen, dann empehlt es sich
auf jeden Fall zu zeigen, dass eine Lösungsfunktion surjektiv sein muss.

Allgemeiner ist es immer ratsam, auch wenn f nicht surjektiv ist, die Werte zu bestim-
men, welche f oder andere Ausdrücke in f annehmen können. Behaltet diesen Tipp fürs
erste im Hinterkopf; sobald ihr eine gewisse Erfahrung habt, wird er seinen vollen Sinn
oenbaren.

Betrachten wir nun den Zwillingsbegri: die Injektivität.

26
3.2 Injektivität
Wir erinnern uns daran, dass alle Elemente der Denitionsmenge einer Funktion per
Denition genau ein Bild in der Zielmenge haben. Wir haben aber auch gesehen, dass es
durchaus möglich ist, dass ein Element der Zielmenge auch das Bild mehrerer Elemente
der Denitionsmenge sein kann. Falls eine Funktion gleichwohl die Eigenschaft hat, dass
kein Element der Zielmenge das Bild mehrerer Elemente der Denitionsmenge ist, so
nennen wir sie injektiv.

Mathematisch ausgedrückt ist eine Funktion f: A→B injektiv, falls für alle a1 , a2 in A

f (a1 ) = f (a2 ) =⇒ a1 = a2 .

Äquivalent dazu ist auch die Aussage, dass wenn a1 6= a2 zwei verschiedene Elemente von
A sind, dann gilt f (a1 ) 6= f (a2 ). Geometrisch kann man für Funktionen einer reellen Va-
riablen die Injektivität mit der Regel der Horizontalen überprüfen : eine solche Funktion
ist genau dann injektiv, wenn jede horizontale Gerade den Graphen in höchstens einem
Punkt schneidet.

Damit können wir auch denieren, was eine bijektive Funktion ist : Man sagt, dass eine
Funktion bijektiv ist, wenn sie sowohl surjektiv als auch injektiv ist.

Merkt euch gut die folgende Erinnerung. Eine Funktion f: A→B ist :

1. surjektiv, falls alle Elemente der Zielmenge B mindestens ein Urbild in der De-
nitionsmenge A haben.

2. injektiv, falls alle Elemente der Zielmenge B höchstens ein Urbild in der Deniti-
onsmenge A haben.

3. bijektiv, falls alle Elemente der Zielmenge B genau ein Urbild in der Denitions-
menge A haben.

Betrachten wir beispielsweise die folgenden vier Funktionen. Die erste

f: R→R
x 7→ x2 ,

ist eine Funktion, welche weder surjektiv, noch injektiv ist. Sie ist nicht surjektiv, da
kein Element der Denitionsmenge das Bild −1 hat und sie ist nicht injektiv, da f (1) =
f (−1) = 1.
Nimmt man

f : R≥0 → R
x 7→ x2 ,

so erhält man eine Funktion, die zwar nicht surjektiv, wohl aber injektiv ist. Sie ist nicht
surjektiv, da noch immer kein Element der Denitionsmenge das Bild −1 hat, aber sie
ist injektiv, da wir für x 6= y in R≥0 Ungleichheit der Bilder haben, also x2 6= y 2 .

27
Nimmt man allerdings

f : R → R≥0
x 7→ x2 ,

so erhält man eine surjektive Funktion, die aber nicht injektiv ist. Sie ist surjektiv, da
√ 2 √
für alle t in R≥0 die Gleichung t = ( t) = f ( t) gilt. Dennoch ist sie nicht injektiv, da
f (1) = f (−1) = 1.
Letztlich ist

f : R≥0 → R≥0
x 7→ x2

eine bijektive Funktion.

Erneut fragen wir uns, inwiefern eine injektive Funktion nützlich ist beim Lösen einer
Funktionalgleichung. Die häugste Anwendung ist das "Kürzen von f " auf beiden Seiten
einer Gleichung: nden wir eine Gleichheit zweier reiner Funktionalterme und wissen wir,
dass eine Lösungsfunktion stets injektiv sein muss, so müssen die Argumente überein-
stimmen. Betrachten wir sogleich ein erstes Beispiel:

Beispiel 23 Finde alle injektiven Funktionen f: R→R sodass für alle x in R

f (f (x)) = f (x).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir sind nur an injektiven Lösungen interessiert. Wir erinnern uns, dass f genau dann
injektiv ist, wenn man füru, v in R mit f (u) = f (v) zwangsläug u = v hat. In unserem
Problem haben wir für x in R die Gleichung f (f (x)) = f (x) und somit, da f injektiv ist,
gilt gezwungenermassen f (x) = x. Und siehe da! Wir sind schon fertig.

Wir überprüfen noch, ob die Identität auch wirklich eine Lösung der Ursprungsgleichung
ist. Tatsächlich ist sie injektiv von R nach R und natürlich gilt auch x = x.

Wie zeigt man, dass eine Funktion injektiv ist ? Im Allgemeinen schat man das, wenn
man durch ranierte Substitutionen auf eine Gleichung in einer Variablen, sagen wir x,
erhalten, welche überall bis auf eine einzige Stelle als f (x) auftaucht, und bei jener Stelle
hoen wir, dass sie "injektiv nackt" ist, also ausserhalb jedes Funktionalterms. Nimmt
man dann an, dass f (a) = f (b), kann man mit Hilfe dieser Gleichung auf a = b schliessen.
Hier sagt ein Beispiel wohl mehr als Tausend Worte, nicht zuletzt um diese Erklärung zu
verstehen. Die folgende Aufgabe ist von der Finalrunde 2012.

Beispiel 24 (Finalrunde 2012) Finde alle Funktionen f: R → R sodass für alle x, y in


R
f (f (x) + 2f (y)) = f (2x) + 8y + 6.

28
Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.
Man bemerkt, dass nur y ausserhalb von jeglichem Funktionalterm liegt. Darüber hinaus
wird euch die Erfahrung zeigen, dass ihr beim Nachweisen der Injektivität einer Funktion
Variablen, die gleichzeitig als f (x) und als f (2x) in der Gleichung auftauchen, möglichst
schnell um die Ecke bringt. Setzen wir also x = 0; das liefert

f (f (0) + 2f (y)) = f (0) + 8y + 6.

Erneut lernt man mit der Zeit, dass man mit einer solchen Gleichung schon gewonnen hat
punkto Injektivität. Tatsächlich sieht man, dass wenn f (u) = f (v) für zwei reelle Zahlen
u, v , dann gilt f (f (0) + 2f (u)) = f (f (0) + 2f (v)) und somit f (0) + 8u + 6 = f (0) + 8v + 6
was u = v impliziert. Somit ist f injektiv.

Versuchen wir nun, auf beiden Seiten der Gleichung genau einen reinen Funktionalterm
auftauchen zu lassen, sodass wir f aus der Gleichung kürzen können. Hierfür müssen wir
das 8y + 6 loswerden, darum setzen wir y = −3/4. Man erhält so

  
−3
f f (x) + 2f = f (2x).
4

Da nun f injektiv ist, kann man das äusserste f rauskürzen, was

 
−3
f (x) + 2f = 2x
4

ergibt. Man schliesst daraus, dass eine Lösung stets die Form x 7→ 2x + c hat. Setzt man
dies in die Ursprungsgleichung zusammen mit x=y=0 ein, so erhält man 7c = c + 6
und somit c = 1.
Wir überprüfen nun noch, ob x 7→ 2x + 1 wirklich eine Lösung ist. Tatsächlich gilt

2 ((2x + 1) + 2(2y + 1)) + 1 = 4x + 8y + 7 = 2 · (2x) + 1 + 8y + 6.

Betrachten wir nun noch ein letztes Beispiel welches wir erst durch Injektivität, dann
durch Surjektivität lösen werden.

Beispiel 25 Finde alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R,

f (f (x)f (y)) = f (x)y.

Erste Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Oensichtlich ist die Nullfunktion eine Lösung. Wir suchen nun noch andere Lösungen
und schliesse diese ab hier aus, somit können wir annehmen, dass eine reelle Zahl a
existiert, sodass f (a) 6= 0.

29
Setzt man x=a so ergibt das

f (f (a)f (y)) = f (a)y.

Wir zeigen nun, dass f injektiv ist. Seien dazu u und v reelle Zahlen mit f (u) = f (v).
Man erhält
f (a)u = f (f (a)f (u)) = f (f (a)f (v)) = f (a)v,
und da f (a) 6= 0, folgt daraus u = v. Somit sind die nicht trivialen Lösungen der Ur-
sprungsgleichung injektiv.

Da wir nun die Gleichheit zweier reiner Funktionalterme anstreben, setzen wir nun y=1
in der Ursprungsgleichung, was f (f (x)f (1)) = f (x) ergibt. Aus der Injektivität von f
2
folgt damit f (x)f (1) = x. Setzt man dann noch x = 1 ergibt dies f (1) = 1 und somit
f (1) = ±1. Somit erhält man zwei Funktionen : x 7→ x und x 7→ −x.
Wir überprüfen nun noch, ob beide Funktionen tatsächlich Lösungen der Ursprungsglei-
chung sind. Man sieht, dass sowohl xy = xy , als auch − ((−x)(−y)) = (−x) · y .

Zweite Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir nehmen erneut an, dass f nicht die Nullfunktion ist; sei daher a in R so, dass
f (a) 6= 0. Setzt man x=a ergibt dies

f (f (a)f (y)) = f (a)y.

Die rechte Seite kann alle reellen Zahlen annehmen, da f (a) 6= 0. Da die linke Seite ein
reiner Funktionalterm ist, schliessen wir, dass f surjektiv ist.

Setzen wir erneut y=1 in der Ursprungsgleichung ein, liefert das f (f (x)f (1)) = f (x).
Mit t = f (x) und der Surjektivität von f erhält man so f (tf (1)) = t für alle t in R
Wir bemerken nun, dass wenn f (1) = 0 wäre, dann würde f (0) = t für alle t in R gelten,
was absurd ist. Daher gilt f (1) 6= 0. Setzen wir nun noch t = z/f (1), so erhalten wir
1
f (z) = z f (1) für alle z in R. Somit habe die Lösungsfunktionen die Form x 7→ cx. Setzt
3
man dies in der Ursprungsgleichung ein zusammen mit x = y = 1, ergibt das c = c und
somit c = ±1, da wir die Nullfunktion bereits ausgeschlossen haben.

Man beendet den Beweis nun gleich wie in der ersten Lösung.

Lösung für die gerissenen Mathleten. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.
Die linke Seite der Gleichung ist invariant unter der Vertauschung von x und y und somit
auch die rechte. Man erhält so
xf (y) = yf (x)
für alle x, y in R. Setzt man y =1 ergibt das sogleich f (x) = f (1)x. Man beendet die
Lösung wie vorher.

30
Denkt also immer an Symmetrieargumente. Sie können einem das Leben massgeblich
vereinfachen !

Wir haben nun die grundlegenden und wichtigsten Methoden für das Lösen von Funktio-
nalgleichungen gesehen. Sie sind es, die man zuallererst ausprobieren sollte. Die Metho-
den, die wir nun noch betrachten, betreen spezische Typen von Funktionalgleichungen.
Sie sind daher weniger allgemein, gleichwohl aber interessant. Ihr werdet auch feststellen,
dass die Beispiele dieser Funktionalgleichungstypen etwas schwieriger sind.

3.3 Monotonie
Die Monotonie ist ein Konzept welches auf natürliche Art und Weise im Studium von
Funktionen auftaucht. Mit Begri Monotonie erfasst man sowohl fallende als auch steigen-
de Funktionen. Mathematisch ausgedrückt heisst eine Funktion f mit Denitionsmenge
A und Zielmenge B, wobei A und B Teilmengen von R (oder allgemeiner zwei geordnete
Mengen) sind,

1. monoton steigend, wenn für alle x, y in A mit x<y die Ungleichung f (x) ≤ f (y)
gilt.

2. streng monoton steigend, wenn für alle x, y in A mit x < y die Ungleichung f (x) <
f (y) gilt.

3. monoton fallend, wenn für alle x, y in A mit x<y die Ungleichung f (x) ≥ f (y)
gilt.

4. streng monoton fallend, wenn für alle x, y in A mit x<y die Ungleichung f (x) >
f (y) gilt.

Eine Funktion heisst monoton, falls sie entweder monoton fallend oder monoton steigend
ist. Analog dazu heisst eine Funktion streng monoton, falls sie entweder streng monoton
fallend oder streng monoton steigend ist

Die Monotonie tritt beim Lösen von Funktionalgleichungen in verschiedenen Formen


auf. Wir werden später sehen, dass die Monotonie bei der Erweiterung von Q nach R
eine Schlüsselrolle spielt. Ein weiterer Nutzen der Monotonie entspringt der folgenden
Aussage:

Lemma 3.1 Eine streng monotone Funktion ist injektiv.

Beweis. Die Idee ist ziemlich klar und dieses Resultat wird euch kaum überraschen. Sei
f eine streng monotone Funktion. Ad absurdum nehmen wir an, dass wir f (u) = f (v) für
zwei Elemente u 6= v der Denitionsmenge haben. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit
kann man daher u < v annehmen. Nach der strengen Monotonie gilt nun entweder
f (u) < f (v) im steigenden Fall, oder f (u) > f (v) im fallenden Fall. In beiden Fällen
führt dies zum Widerspruch.

Wir verwenden dieses Lemma sogleich im folgenden Beispiel.

31
Beispiel 26 Finde alle Funktionen f : R+ → R+ sodass für alle x, y in R

f (x)f (yf (x)) = f (x + y).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Unsere hart erarbeiteten, guten Reexe sagen uns, dass wir bei einer solchen Funktional-
gleichung versuchen sollten, zwei Terme zu egalisieren. Dazu halten wir x fest und suchen
x
y sodass yf (x) = x + y . Dies führt zu y = f (x)−1 und das wollen wir auch einsetzen, aber

diese Substitution ist nur erlaubt, wenn f (x) > 1, da y>0 sein muss. Für solche x er-
hält man mit dieser Substitution aber nach Vereinfachen f (x) = 1, Widerspruch. Somit
+ +
existiert kein x in R mit f (x) > 1, oder anders gesagt gilt f (x) ≤ 1 für alle x in R .

Auf die Ursprungsgleichung angewendet liefert das f (x + y) ≤ f (x) für alle x, y in R+ ,


da f (yf (x)) ≤ 1. Daraus kann man schliessen, dass f monoton fallend ist, da so für
gegebene Zahlen u < v die Ungleichung f (v) = f (u + (v − u)) ≤ f (u) gilt (y = v − u ist
erlaubt, da v − u > 0).

Wir stellen fest, dass die Funktion x 7→ 1 eine Lösung der Ursprungsgleichung ist. Ohne
diese Funktion auszuschliessen, können wir also unmöglich die Injektivität für Lösungs-
funktionen nachweisen. Nehmen wir an, dass f (a) = 1 für ein a > 0. Da dann für
0 < x ≤ a auch f (x) ≥ f (a) = 1 gilt, schliessen wir mit f (x) ≤ 1 dass f (x) = 1 für alle
0 < x ≤ a. In der Ursprungsgleichung ergibt dies, dass für Zahlen 0 < x, y ≤ a die linke
Seite 1 ist. Nehmen wir nun x, y ≤ a so, dass x + y grösser als a ist, also beispielsweise
mit x = y = 2a/3, dann erhalten wir mit f (4a/3) = 1 ein entscheidendes Resultat. Wir
bemerken nämlich, dass 4a/3 > a; wiederholen wir also das obige Argument mit 4a/3
statt a, dann erhalten wir, dass f überall gleich 1 ist (genauer gesagt funktioniert dieses
n
Argument, da (4/3) a für immer grössere natürliche Zahlen n gegen +∞ strebt).

Wir können daher annehmen, dass f (x) 6= 1 für alle x in R+ , daher gilt sogar f (x) < 1 für
alle solchen x. Wiederholen wir nun das Argument, mit dem wir die fallende Monotonie
von f gezeigt haben, aber diesmal mit der strikten Ungleichung f (yf (x)) < 1, dann
erhalten wir, dass f sogar streng monoton fallend ist. Somit ist f insbesondere injektiv.

Nun wollen wir von der Injektivität protieren. Dazu muss einer der beiden Terme auf
der linken Seite der Usprungsgleichung verschwinden. Hier wird's tricky. Die Idee ist,
die Ursprungsgleichung als eine Formel zu nutzen, mit welcher wir das Bild der Summe
zweier Zahlen unter f berechnen können. Wir versuchen so, das f (yf (x)) auch auf der
rechten Seite auftauchen zu lassen. Wir haben

f (x)f (yf (x)) = f (x + y)


= f (yf (x) + (x + y − yf (x)))
= f (yf (x))f ((x + y − yf (x))f (yf (x)))

und daher erhalten wir

f (x) = f ((x + y − yf (x))f (yf (x))) .

32
Nun benutzen wir die Injektivität von f , diese ergibt x = (x + y − yf (x))f (yf (x)) für
+
alle x, y in R . Damit sind wir fast fertig; setzen wir x = 1 liefert das

1
f (yf (1)) = .
1 + (1 − f (1))y
+
Nun müssen wir nur noch z = yf (1) setzen; durchläuft y die Zahlen aus R so nimmt
+ 1
auch z alle Werte aus R einmal an. Dies ergibt f (z) = mit der positiven Konstanten
1+cz
1−f (1)
c = f (1) .
1
Überprüfen wir nun, ob die Funktionen der Form x 7→
1+cx
mit c ≥ 0 auch wirklich
Lösungen sind; mit c = 0 erhalten wir die Einsfunktion, die wir zuvor ausgeschlossen
haben. Tatsächlich gilt

1 1 1 1
· 1 = = .
1 + cx 1 + cy · 1+cx
1 + cx + cy 1 + c(x + y)

Ein solides Beispiel einer Funktionalgleichung in der man von der Monotonie protiert.
Keine Panik, es handelt sich um eine sehr schwierige Aufgabe. Behaltet erstmal nur das
Schema im Kopf, mit welchem wir die Monotonie gezeigt haben und auch, dass man
Injektivität mit Hilfe von strenger Monotonie zeigen kann.

3.4 Fixpunkte und Nullstellen einer Funktion


Zum Einstieg die genaue Denition dieser Begrie.

Sei f : A → A eine beliebige Funktion. Ein Element a in A heisst Fixpunkt von f , falls
f (a) = a. Man bemerke, dass wir hier die Gleichheit von Denitions- und Zielmenge
vorausgesetzt haben, sodass a auch wirklich ein Element der Zielmenge ist; andernfalls
wäre die Denition sinnlos.

Die Nullstellen betreend; ist f : A → R eine reellwertige Funktion, dann ist a in A


eine Nullstelle der Funktion f , falls f (a) = 0. Erneut müssen wir voraussetzen, dass die
Zielmenge der Funktion 0 enthält; andernfalls wäre die Denition sinnlos.

Allgemein ist es vor allem dann gut, die Nullstellen und Fixpunkte einer Funktion zu
betrachten, wenn man schon etwas über sie herausgefunden hat. Kehren wir zum Bei-
q
y +
spiel 19 zurück, so erinnern wir uns, dass wir die Gleichung für alle y in R
f (f (y))
hergeleitet haben. Dazu haben wir festgestellt, dass 1 der einzige Fixpunkt von f ist, was
der Schlüsselschritt in der Lösung war.

Betrachten wir nun ein Beispiel von der IMO 1994.

Beispiel 27 (IMO 1994) Finde alle Funktionen f : (−1; +∞) → (−1; +∞), welche die
beiden folgenden Bedingungen erfüllen :

33
(a) f (x + f (y) + xf (y)) = y + f (x) + yf (x) für alle x, y in (−1; +∞)
(b) Die Funktion f (x)/x ist streng monoton steigend auf den Intervallen (−1; 0) und
(0; +∞).

Lösung. Sei f eine Funktion welche obige Bedingungen erfüllt.


Mit x=y in (a) folgt

f (x + f (x) + xf (x)) = x + f (x) + xf (x). (12)

Das bedeutet, dass x + f (x) + xf (x) ein Fixpunkt von f für alle x in (−1; +∞) ist. Wir
versuchen daher, etwas über die Fixpunkte von f herauszunden.

Für das haben wir die zweite Bedingung (b). Per Denition ist a 6= 0 ein Fixpunkt von

f wenn und nur wenn f (a)


a
= 1. Nach (b) existiert also in den Intervallen (−1; 0) und
(0; +∞) höchstens je ein Fixpunkt, da die Funktion f (x)/x den Wert 1 nur höchstens
einmal pro Intervall annehmen kann.

Sei nun a ein Fixpunkt von x = y = a erhält man f (2a + a2 ) = 2a + a2 . Somit ist
f. Mit
2a + a auch ein Fixpunkt von f . Ist a > 0 so gilt auch a < 2a + a2 und somit hätte f
2

mindestens zwei verschiedene Fixpunkte im Intervall (0; +∞), was nach (b) unmöglich
2
ist. Analog gilt im Fall −1 < a < 0, dass −1 < 2a + a < a < 0 und somit hätte f zwei
verschiedene Fixpunkte im Intervall (−1; 0), was ebenfalls unmöglich ist.

Somit kann nur 0 ein Fixpunkt von f sein und somit folgt aus der Gleichung (12), dass
x + f (x) + xf (x) = 0 für alle x in (−1; +∞). Man erhält dadurch
x
f (x) = − .
x+1
x
Wir überprüfen noch, ob die Funktion x 7→ − x+1
die beiden Ursprungsbedingungen
f (x) −1
erfüllt. Die Funktion
x
= x+1 ist tatsächlich streng monoton steigend auf den beiden
Intervallen (−1; 0) und (0; +∞), somit ist (b) erfüllt. Darüber hinaus gilt auch (a), da

−y −y
−x − y+1
− x y+1 y−x −x −x
−y −y = =y+ +y .
x+ y+1
+ x y+1 +1 x+1 x+1 x+1

Dieses Beispiel suggeriert, die Fixpunkte von f zu betrachten, ohne es explizit zu er-
wähnen. Denkt an Fixpunkte, sobald ihr eine Gleichung der Form (12) erhaltet. Probiert
dann etwas über diese Fixpunkte herauszunden.

3.5 Periodizität
Bevor wir beginnen, denieren wir erstmal Periodizität. Sei I ein Intervall in R und sei
c>0 eine reelle Zahl. Eine Funktion f: I → R heisst periodisch mit Periode c, wenn

34
für alle x∈I mit x+c ∈ I die Gleichung f (x + c) = f (x) gilt. Eine triviale Familie
periodischer Funktionen sind zum Beispiel die konstanten Funktionen. Die klassischsten
Beispiele für periodische Funktionen sind aber die Sinus- und Kosinusfunktionen. Wollt
ihr ein weiteres Beispiel ? Die Funktion x 7→ x − bxc beispielsweise hat jede natürliche
Zahl als Periode.

Das Konzept der Periodizität ist manchmal ein bisschen irreführend, daher hier eine
kleine Vorwarnung. Jedes ganze Vielfache von c ist natürlich auch eine Periode von f.
Hingegen gibt es für eine Periodische Funktion nicht immer eine minimale Periode, im
Gegensatz zu den trigonometrischen Funktionen beispielsweise. Die Funktion f: R→R
mit f (x) = 1 wenn x rational und f (x) = 0 wenn x irrational ist besitzt jede rationale
Zahl als Periode. Nichtsdestotrotz haben periodische Funktionen mit Denitionsmenge
Z immer eine kleinste Periode (da N ein positives, minimales Element hat).

So gut wie immer sind Lösungsfunktionen von Funktionalgleichungen nur dann peri-
odisch, wenn sie konstant sind. Natürlich ist das weder ein mathematischer Satz, noch
eine unumstössliche Regel. Dennoch benutzt man die Periodizität beim Lösen von Funk-
tionalgleichungen meistens indem man zeigt, dass eine Lösung nicht periodisch sein kann
und somit jede potenzielle Periode gleich null ist. Hierzu folgendes Beispiel :

Beispiel 28 (Frankreich TST 2007) Finde alle Funktionen f: Z → Z sodass für alle
ganzen Zahlen m und n

f (m + f (n) − n) = f (m) + f (n).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir erinnern uns, dass wenn alle Variablen ausschliesslich innerhalb von Funktionalter-
men auftreten, dann empehlt es sich, das Egalisieren von Funktionaltermen anzustreben.
Setzt man beispielsweise m = 2n − f (n) so folgt f (n) = f (2n − f (n)) + f (n) und somit
f (2n − f (n)) = 0. Insbesondere hat 0 ein Urbild.
Mit kleinem Aufwand (und gewissem Optimismus) bemerkt man, dass die einzigen po-
tentiellen Lösungen die Nullfunktion und n 7→ 2n sind. Wenn wir also indem wir die
Nullfunktion ausschliessen die Injektivität von f in 0 zeigen können (also die Implikation
f (a) = 0 =⇒ a = 0), dann können wir aus obiger Gleichung f (n) = 2n für alle ganzen
Zahlen n schliessen.

Nehmen wir also an, es existiert a 6= 0 sodass f (a) = 0, andernfalls könnten wir direkt
f (n) = 2n für alle ganzen Zahlen n folgern. Die Substitution m = n = a in der Ursprungs-
gleichung liefert f (0) = 0. Wenn wir nur n = a setzen, so erhalten wir f (m−a) = f (m) für
alle ganzen Zahlen m. Anders gesagt ist f eine periodische Funktion, die jede ganze Zahl
b 6= 0 sodass f (b) = 0 als Periode zulässt. Wir haben schon gezeigt, dass f (2n−f (n)) = 0,
also ist insbesondere 2 − f (1) eine Periode von f .

Setzt man nun n=1 in der Ursprungsgleichung, so folgt

f (m + f (1) − 1) = f (m) + f (1).

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Da 2 − f (1) eine Periode von f ist (im weiteren Sinne, wir setzen nicht 2 − f (1) > 0
voraus), haben wir auch

f (m + f (1) − 1) = f (m + f (1) − 1 + 2 − f (1)) = f (m + 1).

Somit gilt f (m + 1) = f (m) + f (1) für jede ganze Zahl m; mit Induktion zeigen wir
dann f (m) = mf (1). Wir erinnern uns aber, dass f periodisch ist, somit kann sie nur
linear sein, wenn sie konstant ist. Tatsächlich haben wir f (m + a) = f (m) und somit
(m + a)f (1) = mf (1). Da a 6= 0 folgt daraus f (1) = 0, somit ist f die Nullfunktion.
Überprüfen wir nun noch, ob die Nullfunktion und n 7→ 2n tatsächlich Lösungen sind.
Im ersten Fall sehen wir, dass 0 = 0, im zweiten

2(m + 2n − n) = 2m + 2n.

Wir haben im obigen Beispiel verwendet, dass eine lineare, periodische Funktion konstant
ist. Allgemeiner gilt sogar, dass eine monotone, periodische Funktion konstant sein muss.
Tatsächlich, ist I ein Intervall mit Länge grösser als c und f: I → R eine monotone,
periodische Funktion mit Periode c, dann ist f konstant auf I ! Das ist auch gar nicht so
schwierig zu zeigen. Für alle I mit x + c ∈ I gilt nach Periodizität f (x + c) = f (x)
x in
und somit nach Monotonie auch f (x) ≤ f (y) ≤ f (x + c) (oder f (x) ≥ f (y) ≥ f (x + c)
im fallenden Fall) für alle x ≤ y ≤ x + c. Somit ist f konstant auf allen geschlossenen
Intervallen der Länge c und somit konstant auf ganz I .

Noch allgemeiner braucht man statt der Periodizität für dieses Argument lediglich, dass
f den gleichen Wert an mehreren Stellen annimmt. Ist beispielsweise f : R≥0 → R eine
monoton steigende Funktion für welche f (x) = a für alle ganzen, nicht-negativen Zahlen
+
x. Dann gilt mit dem gleichen Argument sogar f (x) = a für alle x in R , also dass f
konstant ist auf R≥0 .
Solche Ideen können manchmal hilfreich sein, wie wir am folgenden Beispiel sehen:

Beispiel 29 (Shortlist 2005) Bestimme alle Funktionen f : R+ → R+ sodass für alle x, y


+
in R
f (x)f (y) = 2f (x + yf (x)).

Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


In dieser Aufgabe ist schwierig zu sehen, wie man anfangen soll. Die konstante Funktion
f (x) = 2 ist natürlich eine Lösung, aber ist sie die einzige? Schaut man sich die Lage ein
wenig genauer an, so kommen die folgenden zwei natürlichen Fragen auf:

(1) Ist es möglich ein y zu nden, sodass das Funktionsargument der rechten Seite den
gleichen Wert für zwei verschiedene Werte von x annimmt ? Das führt wahrschein-
lich zu einer nützlichen Identität. Seien also 0 < u < v und suchen wir y sodass

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u + yf (u) = v + yf (v). Auösen liefert:

v−u
y= .
f (u) − f (v)
Die Substitution ist somit nur erlaubt, wenn f (u) > f (v). Nehmen wir an, dies
sei der Fall, so nimmt die rechte Seite der Gleichung für die Werte x = u und
x=v den gleichen Wert an. Somit gilt dies auch für die linke Seite. Da f (y) 6= 0
führt dies zu f (u) = f (v). Zusammenfassend haben wir also gezeigt, dass wenn
reelle Zahlen 0 < u < v mit f (u) > f (v) existieren, dann gilt f (u) = f (v), was
natürlich absurd ist. Somit gilt für alle u < v , dass f (u) ≤ f (v); wir haben also
(überraschenderweise) gezeigt, dass f monoton steigend ist.

(2) Was passiert, wenn f an zwei verschiedenen Stellen denselben Wert annimmt? Sei
also 0<u<v mit f (u) = f (v). Für alle y > 0 gilt dann

2f (u + yf (u)) = f (u)f (y) = f (v)f (y) = 2f (v + yf (v)).

Das scheint nun eine Art Periodizität für f zu implizieren, nämlich mit der Periode
c = v − u. Tatsächlich: Sei z > u beliebig, und setze y = fz−u(u)
> 0 in diese Gleichung
ein, dann folgt f (z) = f (u + yf (u)) = f (v + yf (v)) = f (z + c). Daher ist f auf dem
Intervall (u, ∞) periodisch und nach (1) monoton steigend, also nach dem vorigen
Argument konstant. Setzt man nun x, y > u in die ursprüngliche Gleichung ein
(man beachte, dass in diesem Fall auch x + yf (y) > u gilt), dann folgt sofort,
dass diese Konstante gleich 2 sein muss. Das ist beinahe was wir wollten. Die
Einschränkung, dass f u konstant 2 ist, lässt sich nun aber sehr einfach
erst ab
beheben: Sei y beliebig und sei x > u in der ursprünglichen Gleichung, dann folgt
wegen x + yf (x) > u sofort 2f (y) = 2 · 2, also f (y) = 2 für alle y > 0.

Wir müssen nun also nur noch zeigen , dass zwei verschiedene positive reelle Zahlen
existieren, für welche f den selben Wert annimmt. Nehmen wir an, dem sei nicht so; das
bedeutet dann, dass f injektiv ist.
Benutzen wir die Symmetrie der linken Seite der Ursprungsgleichung, so erhalten wir

2f (x + yf (x)) = f (x)f (y) = f (y)f (x) = 2f (y + xf (y)),

Und somit x + yf (x) = y + xf (y) da f injektiv ist. Mit y = 1 erhält man somit f (x) =
(f (1) − 1)x + 1 für alle x > 0. Einsetzen in die Ursprungsgleichung zeigt aber, dass diese
Funktionen allesamt keine Lösungen sind, somit kann f nicht injektiv sein.

Nun bleibt noch zu überprüfen, ob die konstante Funktion x 7→ 2 tatsächlich eine Lösung
ist. Dem ist so, da 2 · 2 = 2 · 2.

3.6 Die Lösungsgesamtheit und neue Funktionen


Löst man eine Funktionalgleichung, so ist es sehr wichtig, schon zu Beginn die elementa-
ren Lösungen zu erraten. Die Form dieser Lösungen kann einen grossen Einuss auf unsere

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Lösungsstrategie haben. Beispielsweise haben wir ja gesehen, dass wenn es konstante Lö-
sungen gibt, dann probieren wir nicht Injektivität zu zeigen, ehe wir diese ausgeschlossen
haben; ähnliches gilt auch für Surjektivität, Monotonie oder Fixpunkte.

Oftmals errät man eine Lösung und ist überzeugt davon, dass sie die einzige ist. In
solchen Fällen kann man probieren, direkt die Eindeutigkeit der Lösung zu zeigen. Ein
erstes Beispiel hierfür sind die Induktionsrelationen. Gelangen wir zu einer Gleichung, die
es erlaubt f (n+1) aus f (n)) , . . . , f (0) zu berechnen und haben f (n) für kleine Werte von
n bereits berechnet, so folgt aus diesen Bedingungen, unter anderem, die Eindeutigkeit
der Lösung. Man könnte dann auch einfach eine Lösung der Ursprungsgleichung erraten
und sich die Induktion ersparen, oft ist aber der Aufwandsunterschied nur klein.

Betrachten wir nun ein anderes, direkteres Beispiel.

Beispiel 30 Bestimme alle Funktionen f: R→R sodass für alle x, y in R

f (xy) + x2 + y 2 = xy + f (x2 ) + f (y 2 ).

Klassische Methode. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Die klassische Methode ist das Substitutionsgelage. Mit x = y = 0 folgt f (0) = 0,
2 2
dann mit f (0) = 0 auch f (x ) = x . Nun benutzen wir diese letzte Gleichung um die
Ursprungsgleichung ein wenig zu vereinfachen; das ergibt f (xy) = xy . Mit y=1 folgt in
dieser letzten Gleichung also auch f (x) = x.
Die Identitätsfunktion ist natürlich eine Lösung, da xy + x2 + y 2 = xy + x2 + y 2 .

Lösung durch Eindeutigkeit. Wir versuchen zu zeigen, dass die Funktionalgleichung höchs-
tens eine Lösung haben kann. Dazu nehmen wir an, dass f1 und f2 zwei Lösungen der
Gleichung sind und setzen g(x) = f1 (x) − f2 (x). Subtrahiert man die beiden Gleichungen
für f1 und f2 , so erhält man die einfachere Gleichung

g(xy) = g(x2 ) + g(y 2 )

Für g . Mit x = y = 0 folgt g(0) = 0; mit y = 0 dann auch g(x2 ) = 0, also anders gesagt
g(z) = 0 für alle z ≥ 0. Zum Schluss setzten wir y = 1 was g(x) = g(x2 )+g(1) = 0+0 = 0
für alle x in R ergibt. Somit gilt aber f1 = f2 , was zeigt, dass falls eine Lösung existiert,
dann ist sie eindeutig. Da x 7→ x die Ursprungsgleichung erfüllt, ist dies demnach die
einzige Lösung.

Eine weitere Möglichkeit ist es, neue Funktionen einzuführen; ein bisschen wie g in der
obigen Lösung. Im Allgemeinen ist es um einiges einfacher zu zeigen, dass eine gegebene
Funktionalgleichung nur konstante Lösungen oder Lösungen der Form f (x) = cx hat, als
4
zu zeigen, dass sie kompliziertere Funktionen wie f (x) = 2x + 1 oder gar f (x) = x − 3x
hat. Das wird später noch mehr Sinn ergeben, insbesondere wenn wir eine Funktionalglei-
chung in eine Cauchy-Funktionalgleichung umformen wollen. Man kann also probieren,

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die gesuchte Funktion durch eine andere, einfachere Funktion auszudrücken. Damit nun
eine dritte Lösung für dieses letzte Beispiel.

Dritte Lösung. Sei f eine Lösung obiger Gleichung.


Wir wissen bereits, dass f (x) = x eine Lösung ist, und wir wollen zeigen, dass es keine
anderen gibt. Wir führen eine neue Funktion g ein indem wir g(x) = f (x) − x. setzen. In
der Ursprungsgleichung folgt damit die einfachere Gleichung

g(xy) = g(x2 ) + g(y 2 )

für g. Aus der zweiten Lösung folgt nun aber, dass g die Nullfunktion sein muss. Somit
schliessen wirf (x) = x + g(x) = x.

Eine andere Variante wäre gewesen, g durch f (x) = xg(x) zu denieren. Aber Achtung,
diese Substitution impliziert f (0) = 0 (setzt x = 0) ! Somit können wir diese Substitution
nur machen, falls wir f (0) = 0 bereits gezeigt haben, was hier nicht schwierig ist. Wir
müssen also den Wert von g(0) nicht festlegen. Hier ergibt diese Substitution aber eine
kompliziertere Gleichung als jene für f , aber manchmal kann auch diese Substitution
nützlich sein.

Dieses Verfahren ist nur dann sinnvoll, wenn man sich recht sicher ist, dass die gefundene
2
Lösung die einzige ist. Betrachten wir Beispiel 17; dort sind x 7→ 0 und x 7→ x beides
Lösungen, wie man leicht sieht. Es bringt daher wenig, eine neue Funktion g durch f (x) =
x2 −g(x) zu denieren. Man muss dann ja zeigen, dass g entweder identisch verschwindet,
2
oder dass g(x) = −x ist. Das ist mindestens so schwierig wie die ursprüngliche Aufgabe.
2
Sinnvoller (wenn schon) wäre die Denition f (x) = x /2+g(x). Damit hat man immerhin
2
eine gewisse Symmetrie gewonnen (die Lösungen wären dann g(x) = ±x /2).

Die Lage ist nochmals anders im Beispiel 6, wo man eine Lösungsfamilie von Funktionen
der Form f (x) = c/x mit einer positiven Konstanten c hat. Es bringt hier also nichts zu
zeigen, dass die Lösung eindeutig ist (da das gar nicht nicht stimmt) und eine Substi-
tution der Form g(x) = xf (x) macht auch nicht viel Sinn. Die folgende Sichtweise kann
allerdings manchmal nützlich sein: wir bemerken, dass die Summe von zwei Lösungsfunk-
tionen ebenfalls eine Lösung ist; man sieht das, indem man die beiden Gleichungen für
diese Lösungen addiert. Ähnlich sieht man auch, dass jedes skalare Vielfache eine Lösung
ebenfalls eine Lösung ist. Somit könnten wir (nachdem wir f (1) 6= 0 gezeigt haben) die
Funktion g(x) = f (x)/f (1) einführen. Die resultierende Gleichung für g ist die gleiche
wie für f , aber wir haben zusätzlich auch g(1) = 1 (setzt x = 1 in der Subtitutions-
formel). Für eine beliebige Lösung ist das keineswegs der Fall, somit könnte uns diese
zusätzliche Bedingung die Eindeutigkeit der Lösung liefern. Hier müsste man zeigen, dass
g die Kehrwertfunktion 1/x ist.

In diesem Beispiel ist der Gewinn an Informationen nur gering. Diese Methode ist vor
allem dann sehr stark, wenn nichts anderes zu funktionieren scheint. Merkt euch, dass das
Einführen einer neuen Funktion selten einen massgeblichen Fortschritt liefert. Es erlaubt,
wenn korrekt durchgeführt, die Aufgabe aus einer anderen Perspektive zu sehen und so

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eine bessere Intuition für die Schlüsselmanöver beim Lösen einer Funktionalgleichung zu
erlangen.

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