Alans
Start-up Guide
PS: Bitte entschuldigt die Anglizismen.
Urheberrecht @2024 Alan Frei
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses
Buches darf ohne die schriftliche
Genehmigung des Urheberrechtsinhabers
reproduziert oder verwendet werden, mit
Ausnahme der Verwendung eines kurzen
Zitats in einer Buchrezension.
Cover Design und Layout von Studio
Rasumowsky
Basierend auf dem Podcast von Alan Frei
und Charline Amereller
Zusammengefasst von Julia Lohfink
www.alanfrei.com
Erstausgabe
Über den Autor
«Vertraue deiner inneren Weirdness und gib
nicht auf.» – Alan Frei
Nach 51 gescheiterten Projekten kam Alan
Freis grosser Erfolg mit dem 52. Unternehmen:
Amorana. Während seiner Zeit als Mitgründer
und CMO des Online-Erotikshops entwickelte
Alan eine ganze Reihe unkonventioneller
Ansätze, die ihren Teil dazu beitrugen, die
Firma zum Erfolg zu führen.
Nach dem Verkauf von Amorana an die
britische Lovehoney Group im Jahr 2022
widmete er sich dem Aufbau der Alan Frei
Company, einem tokenisierten Unternehmen
mit Lifehacker Content und smarten Produk-
ten. Zeitgleich arbeitet der Millionär als Uber
Eats-Fahrer und trainiert mit dem philippi-
nischen Curling-Team für die Olympischen
Winterspiele 2026. In diesem Buch teilt Alan
Frei seine Erfahrungen aus über 20 Jahren
erfolgreichem – und mehrheitlich weniger er-
folgreichem – Unternehmertum und gibt ange-
henden Unternehmer:innen anwendbare Tipps
und Methoden mit auf den Weg.
Inhalt
Kapitel 1: Gründen.........................................................................1
Kapitel 2: Erfolg und Misserfolg................................................ 6
Kapitel 3: Marketing & PR......................................................... 13
Kapitel 4: So findet man Investor:innen.................................. 26
Kapitel 5: Team & Recruiting....................................................34
Kapitel 6: Domain, Name und Logo.......................................... 44
Kapitel 7: Markenrecht............................................................. 49
Kapitel 8: Wachstum................................................................. 55
Kapitel 9: Unternehmertum: Timing & MVP........................... 65
Kapitel 10: Businessmodelle..................................................... 77
Kapitel 1: Gründen
Ich bin Alan Frei – Lifehacker, Unternehmer
und zukünftiger olympischer Curler. In den
letzten zwei Jahrzehnten habe ich nach dem
Prinzip Trial-and-Error eine ganze Menge
ausprobiert. Manche Geschäftsideen funktio-
nierten, manche nicht. Um ehrlich zu sein: Die
meisten nicht.
Ich bin überzeugt, dass Fehler einfach
dazugehören. Man lernt aus ihnen – sowohl aus
den eigenen, als auch aus denen anderer
Menschen. Aus diesem Grund will ich hier
meine Erfahrungen und Erkenntnisse rund um
das Thema Unternehmertum teilen und dir
zeigen, wie du systematisch beim Gründen
vorgehst. Das soll dir Mut machen, deinen
eigenen Weg zu gehen.
1
Wie gründet man richtig?
Es geht beim Gründen nicht darum, gleich
einen Marathon zu laufen, sondern vielmehr
darum, einen Fuss vor den anderen zu setzen.
Um eine Geschäftsidee zu verwirklichen, musst
du weder am Anfang deinen Job kündigen,
noch vorab Unsummen investieren. Selbst die
Wahl der Gesellschaftsform ist zu Beginn nicht
entscheidend.
Alles, was du benötigst, ist eine klar definierte
Grundidee, ein Logo und eine Kreditkarte.
Anhand des Prozesses, den ich dir nachfolgend
vorstelle, kannst du deine Geschäftsidee in nur
drei Tagen und für unter 600 Franken auf ihre
Realisierbarkeit prüfen.
1. Die Grundidee – Hier gibt es mehrere
Möglichkeiten. Du kannst dich zum Beispiel
umsehen, was andere schon probiert haben
und eine Marktrecherche betreiben. Oder aber
du fragst dich, was du selber gerne kaufen
würdest. Ich bevorzuge letzteres. Wenn du
zustimmst, dann nutze die Notiz-App auf dem
Smartphone, um alle Ideen aufzuschreiben, die
dir einfallen – egal, wie realistisch oder
2
unrealistisch sie sind. Alle zwei Wochen
überprüfst du diese Ideen, fügst neue hinzu
und baust alte Ideen aus. Denn: «The best way
to have a good idea is to have a lot of ideas».
Essenziell ist, auch wirklich alle Ideen aufzu-
schreiben. Das machen die wenigsten Leute.
2. Domain – Nehmen wir als Beispiel an, die
Idee, die du weiterverfolgen willst, ist, Käse
aus dem Emmental zu verkaufen. Du kaufst
also eine Domain für 15 Franken und nennst sie
meinlieblingskäse.ch. Dann erstellst du ein
Konto bei Squarespace oder Strikingly, wählst
ein Template aus, verfasst die Website Copy
und setzt ein paar professionelle und
gleichzeitig authentische Bilder ein. Insgesamt
sollte dich das nicht mehr als 100 Franken
kosten.
3. Logo – Nutze jetzt das Momentum, um deine
Idee zu visualisieren. Erstelle ein Logo mit
99Designs oder frage eine:n Freund:in, der
oder die vielleicht Designer:in ist oder eine:n
Designer:in kennt.
3
4. Werbung – Schalte Werbung auf Instagram
(20 Franken), auf Google (20 Franken) und auf
Facebook (20 Franken). Du musst nicht einmal
den Käse auf Lager haben. Die zentrale Frage,
die du mit diesem Test beantworten willst, ist:
Zücken fremde Menschen das Portemonnaie,
um mein Produkt zu kaufen? Mit diesem Test
umgehst du die Verzerrung, die bei Umfragen
im Freundes- oder Bekanntenkreis entsteht.
Unter Umständen sagen sie dir nicht ihre
ehrliche Meinung, weil sie befürchten, du seist
danach beleidigt. Sollte jemand durch deine
Werbung bereits etwas kaufen, kannst du den
Betrag immer noch zurückerstatten, mit der
Entschuldigung, es gäbe Lieferverzögerungen
oder zu hohe Nachfrage.
5. Feedback – Gerade zu Beginn neigt man
dazu, das Potenzial der eigenen Idee zu
überschätzen. Je mehr Feedback du zu deiner
Geschäftsidee aus verschiedenen Quellen
erhalten kannst, desto besser. Ideen sind
Rohdiamanten, die mit jeder Rückmeldung
feiner geschliffen werden. Wichtig ist, die
Leute nicht überreden zu wollen, sondern
lediglich ihr Feedback zu empfangen. Ist das
4
Feedback mittelmässig, dann arbeite am
eigenen Elevator Pitch.
Vielleicht befürchtest du, dass jemand deine
Idee kopiert. Tatsächlich ist das unwahrschein-
lich, denn die meisten Menschen haben nicht
die Ressourcen oder das Skillset, das du
besitzt. Und grosse Firmen sind zu wenig agil,
um Ideen schnell umzusetzen.
2003 war ich beispielsweise Feuer und
Flamme dafür, Chinesen exklusive Expat
Services in der Schweiz anzubieten. Sofort
machte ich mich auf, um Privatschulen von
meiner Idee zu überzeugen. Das Ganze floppte.
Was ich daraus mit Blick auf das Unter-
nehmertum gelernt habe? Es ist wie im Sport
auch: Die grossen Sportlerinnen und Sportler
sind nicht so erfolgreich durch ihr Talent
alleine, sondern vor allem durch das ständige
Training.
5
Kapitel 2: Erfolg
und Misserfolg
Wie ich einleitend bereits beschrieben habe, ist
Unternehmertum nicht immer eine Erfolgs-
geschichte. Für mich selbst war es häufiger mit
Misserfolg als mit Erfolg verbunden. Ich
bezeichne mich daher gern als Serienscheiterer
statt Serienunternehmer. Ich habe schon sehr
viele Geschäftsmodelle ausprobiert und dabei
festgestellt:
Talent x Zeit = Erfolg
Wer nicht so viel Talent hat, braucht mehr Zeit,
um zum Erfolg zu kommen – ich selbst
brauchte sehr lange. Unabhängig davon wird
man als Unternehmer:in Fehler machen. Fehler
sind Lektionen, die uns dem Erfolg näher
bringen. Das Wichtigste ist, nicht denselben
Fehler zweimal zu machen.
Wie ich das erreiche? Ich führe einen Error Log,
in dem ich meine Fehler notiere und sie alle
zwei bis drei Monate wieder überprüfe.
6
Welche Fehler vermeiden als
Unternehmer:in?
Die drei wichtigsten Fehler aus meinem
Error Log will ich hier mit dir teilen.
Fehler #1: Mangelnder Fokus – Ich habe
gelernt, dass es entscheidend ist, mich voll und
ganz auf eine Idee zu konzentrieren, anstatt
mich in zu vielen Projekten zu verzetteln.
Getreu des Leitsatzes «Where the focus goes
the energy flows», nehmen mir zu viele parallel
laufende Projekte die Energie, eine Idee
ernsthaft zu verfolgen.
Ausserdem führt das dazu, dass andere
Menschen gar nicht wissen, mit welchem
Unternehmen sie mich assoziieren sollen.
Wenn andere nicht direkt verstehen, was ich
als Unternehmer:in mache, wird meine
Geschäftsidee ganz schnell wieder vergessen.
Als ich Amorana gegründet hatte, verpasste
mir ein Bekannter eines Tages den Spitznamen
«Dildo-Alan». Da war klar – ich bin auf dem
richtigen Weg!
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Fehler #2: Blindlings deiner Leidenschaft
folgen – Meiner Erfahrung nach sollten
angehende Unternehmer:innen ihrer Leiden-
schaft nicht blindlings folgen, es sei denn, sie
haben die Mittel und finanziellen Ressourcen
dazu. Erstgründer:innen empfehle ich, mit
einem Thema zu beginnen, in dem sie gut und
versiert sind. Das mag vielleicht nicht deine
Leidenschaft sein, aber es hilft dir, zu deiner
Leidenschaft überzugehen, sobald du die
notwendigen Ressourcen gesammelt hast. In
anderen Worten: Können ist anfangs wichtiger
als Leidenschaft. Die Leidenschaft braucht es
dann später, um die Geschäftsidee langfristig
zu verfolgen.
Fehler #3: Alles alleine machen wollen – Ein
Start-up ist keine One-Man bzw. One-Woman-
Show. Es geht nur mit einem hervorragenden
Team.
Wenn du diese drei grossen Fehler vermeidest,
heisst das natürlich nicht automatisch, dass du
fortan vor anderen Fehlern gefeit bist. Fehler
sind Stepping Stones auf dem Weg zum Erfolg.
Fehler dürfen und sollen sogar passieren. Am
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besten möglichst früh, wenn die Kosten noch
gering sind.
Mindset für Zeiten des Misserfolgs
Die Scheu davor, Fehler zu machen, kommt
natürlich auch daher, dass bestimmte Fehler
unangenehme finanzielle Konsequenzen nach
sich ziehen können. Ich erinnere mich an den
Moment, an dem ich keinen einzigen Franken
mehr auf meinem Spar- und Girokonto und
mein Kreditkartenkonto mit 4.000 Franken
überzogen hatte.
An solchen Tiefpunkten hat mir Folgendes
geholfen:
● It's not about how many times you get
knocked down, but how many times you get
back up. – Es geht nicht um den Rückschlag
selbst, sondern um die Ausdauer und
Resilienz im Angesicht des Rückschlages.
Ich habe mir bewusst gemacht, dass ich das
tue, was ich immer tun wollte – Unter-
nehmer sein. Ich bin sehr freiheitsliebend
und erschaffe gerne Neues zusammen mit
9
anderen Menschen. Ein starkes Warum zu
haben, hilft dabei, nicht zu schnell auf-
zugeben.
● Bend, don’t break – Manchmal wird es
richtig schwierig. In solchen Momenten
scheint die gesamte Willenskraft auf die
Probe gestellt. Dann heisst es, sich anzu-
passen und flexibel zu bleiben, anstatt an
der Herausforderung zu zerbrechen. Dieser
eine Satz hat mir persönlich stark geholfen.
● Das Leben ist endlich – Ich habe eine App
ausrechnen lassen, wie viele Tage ich noch
zu leben habe, wenn ich wie mein Vater und
Grossvater mit 59 Jahren sterbe. Das
Ergebnis hat mir die Augen geöffnet, denn
so viele Tage waren das gar nicht mehr.
Beim Schreiben des Buches waren es noch
genau 6.703. Aus diesem Grund will ich
meine Zeit so gut es geht nutzen.
Das heisst natürlich nicht, kopflos und ohne
Plan neue Firmen zu gründen oder durch neue
Projekte in eine finanzielle Schräglage zu
geraten. Manche Dinge sind einfach wichtig,
10
etwa als Unternehmer:in die Mehrwertsteuer
oder AHV- bzw. Rentenversicherungsbeiträge
zu zahlen – denn dafür ist man persönlich
haftbar.
Für das Geld von Investor:innen hingegen ist
man nicht persönlich haftbar. Gegenüber
Investor:innen sollte man offen und ehrlich
kommunizieren, damit eine eventuelle Pleite
keine plötzliche Überraschung darstellt. In ein
Start-up zu investieren, ist immer mit hohem
Risiko verbunden – dafür auch mit hohem
potenziellem Gewinn. Investor:innen rechnen
damit, es sollte bloss keine Überraschung sein.
Generell rate ich Neuunternehmer:innen am
Anfang, nicht zu euphorisch zu sein und dafür
am Ende – sollte es nicht klappen – nicht zu
traurig zu sein. Auch schwierige Zeiten und
vermeintliche Niederlagen gehören dazu.
Was bedeutet Erfolg?
Meine Definition von Erfolg beschränkt sich
nicht nur auf den Faktor Geld. Natürlich ist es
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toll, Geld zu haben (gerade, wenn man weiss,
wie es ohne ist). Aber Geld an sich ist nichts
anderes als ein Mittel zum Zweck. Geld erlaubt
mir, Dinge zu tun und zu erleben. Es erlaubt
mir, mein eigenes Potenzial auszuschöpfen. Ich
kann damit Neues kreieren, von dem andere
Menschen profitieren und Mehrwert für sie
schaffen. Das wiederum erfüllt mich.
Der Erfolg im Unternehmertum liegt für mich
neben diesem Punkt auch in der Unab-
hängigkeit und Entscheidungsfreiheit. Und:
Erfolg heisst nicht, «es geschafft zu haben».
Als Unternehmer habe ich nie das Gefühl, ich
wüsste jetzt alles oder wäre an der Ziel-
geraden angekommen. Jeder Tag ist Tag eins
und bietet damit eine Chance, Neues zu lernen
und mich weiterzuentwickeln. Alles erreicht zu
haben, würde Stillstand für mich bedeuten.
12
Kapitel 3:
Marketing & PR
Marketing
Ich bin kein Marketingexperte – und doch
wurde die von mir mitgegründete Firma
Amorana 2019 zum «Digital Marketer of the
Year» ernannt.
Das liegt meiner Meinung nach daran, dass
man Marketing lernen kann. Wir haben sehr
viel ausprobiert und dabei festgestellt, dass es
einen schmalen Grat zwischen langweilig und
zu provokativ gibt. Oft bringt Provokation zwar
Traffic und Aufsehen, dafür läuft man dadurch
Gefahr, schlechte Publicity zu bekommen. Ein
langweiliger, dafür aber ästhetischer Marke-
tingansatz, der die Wertvorstellungen und den
Lebensstil der Verbraucher:innen aufgreift, ist
hingegen unaufdringlich und stört niemanden.
Gleichzeitig generiert er aber auch keinen
Traffic.
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Welchen Marketing-Ansatz wählen?
Für junge Unternehmen geht es in erster Linie
darum, bekannt zu werden – denn abgesehen
von den eigenen Eltern interessiert das
Start-up in den ersten Tagen kaum jemanden.
Das Gute daran ist, dass man auch nichts zu
verlieren hat. Sollte das Marketing etwas zu
provokativ sein, kann man im Nachhinein
immer noch einlenken.
Aus meinen Erfahrungen mit Amorana habe ich
folgenden Marketing-Framework erstellt.
Damit er sich leichter einprägt, sind die
einzelnen Komponenten etwas überspitzt
betitelt.
1. Mitleid nutzen – Während der Anfangszeit
bei Amorana hat diese Taktik super funk-
tioniert. Die Leute hatten Mitleid, weil ich
Sextoys verkaufen musste. Das habe ich
genutzt! Auf meiner persönlichen Visitenkarte
hatte ich einen Gutscheincode aufgedruckt.
Die Visitenkarte habe ich bei jedem Event, bei
jeder Kontaktaufnahme und wirklich überall
verteilt. Das Ergebnis? Der Gutschein ist bis
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heute fast 1.000 Mal eingelöst worden! Das ist
richtig viel Umsatz.
2. Fuck Budgets – Hiermit meine ich, dass man
sich gerade in der Start-up-Phase von Budgets
lösen darf. Stattdessen konzentriert man sich
auf den ROAS (Return on Ad Spend) und die
Conversion Rate, um die Wirksamkeit der
digitalen Werbekampagnen zu bewerten.
● Die Conversion Rate gibt Aufschluss darüber,
welcher Prozentsatz der Website-Besu-
cher:innen eine gewünschte Aktion, etwa
einen Kauf, ausführt. Auf testingtime.com
gibt es ein tolles Tool, um einen besseren
Einblick in das Zustandekommen der
Conversion Rate zu erhalten. Über die
Plattform kann man Menschen einer
bestimmten Zielgruppe dabei zusehen, wie
sie sich auf einer Website bewegen und was
sie anklicken. Somit kann man nachvoll-
ziehen, woran es liegt, ob Besucher:innen
kaufen oder nicht. Auf Basis dieses Wissens
kann anschliessend die Conversion Rate
verbessert werden. Je höher die Conversion
15
Rate, desto höher ist in den meisten Fällen
auch der ROAS.
● Der ROAS gibt an, wie viel Umsatz das
Start-up für jeden ausgegebenen Werbe-
franken erzielt. Ist der ROAS hoch, kann die
Kampagne hochskaliert werden; wenn nicht,
ist es besser, sie sofort wieder einzustellen.
3. Make them angry – Das ist eine einfache
und effektive Taktik, um relevant zu bleiben.
Was ich damit meine, sind Humor und clevere
Provokation. Ein Investor meinte einmal zu uns:
«Entweder du hast Geld oder du hast Mut.
Selten hast du beides.» Als Start-up wird man
am Anfang nicht viel Geld für Marketing
ausgeben können. Damit die Leute trotzdem
auf das Start-up aufmerksam werden, muss
man mutig sein. Das ist der Vorteil, den man
als Start-up gegenüber grossen Firmen hat.
Falls man mal etwas zu sehr über die Stränge
geschlagen hat, kann man im Nachhinein
immer noch einlenken. Für grosse Firmen steht
zu viel auf dem Spiel, als dass sie mit ihrem
Marketing allzu mutig sein können.
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Pull vs. Push – Wie entscheidet
man sich für den richtigen
Marketing-Kanal?
Prinzipiell kann jeder Kanal funktionieren –
ausschlaggebend sind die zugehörigen Kosten.
Plakate können zum Beispiel effektiv sein,
wenn sie 1 Franken, 50 Franken oder auch 100
Franken pro Stück kosten – häufig aber nicht
bei einem Preis von 5.000 Franken.
Ausser den Kosten sollte man sich an dieser
Stelle die Art des Marketing-Kanals ansehen:
● Push – Beim Push-Marketing werden
potenziellen Kund:innen Produkte oder
Dienstleistungen aktiv vorgestellt. Beispiele
für Push-Kanäle sind Instagram, TikTok Ads,
LinkedIn und Newsletter. Besonders TikTok
Ads und LinkedIn sind derzeit lukrative
Kanäle für Start-ups, wenn man mit einer
guten Strategie häufig postet. Mein Tipp ist,
den Newsletter dagegen sparsam zu
versenden und darin echten Mehrwert zu
bieten.
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● Pull – Pull-Marketing ist das, was
potenzielle Kund:innen selbst suchen. Der
bedeutendste Pull-Kanal ist Google. Wenn
man die Suchmaschine richtig nutzt, kann
man als Start-up zügig wachsen.
Wie Marketing-Kanäle testen?
Um schnell und einfach zu entscheiden,
welcher Kanal funktioniert und welcher nicht,
kannst du wie folgt vorgehen (siehe auch
Kapitel 1):
1. Markt testen – Bevor du in Produkt-
entwicklung und Lagerkosten investierst, teste
zuerst den Markt. Erstelle dafür eine
Landingpage und schalte Ads. So siehst du
schnell, wie gefragt das Produkt tatsächlich
ist. Im Monat kosten Google Ads zu
Testzwecken ca. 100 Franken. Weitere 100
Franken kannst du je für LinkedIn, Instagram,
Facebook und/oder TikTok rechnen. Insgesamt
belaufen sich die Testkosten damit auf ca. 500
Franken.
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2. Marketing-Kanäle testen – Heutzutage
musst du nicht erst eine riesige Fernseh- oder
Plakatkampagne buchen, um zu testen, ob
deine Werbung funktioniert. Du brauchst nicht
einmal das Produkt. Bereits mit Kleinst-
beträgen kannst du die Performance deiner
Ads auf verschiedenen Kanälen testen.
Ausserdem eignen sich Kanäle wie TikTok
hervorragend, um mit regelmässigem Content
organisch Reichweite aufzubauen.
3. Kontaktaufnahme mit Interessent:innen –
Falls jemand bereits vor der Markteinführung
des Produkts einen Kauf tätigen möchte,
kannst du der Person mitteilen, dass das
Produkt derzeit nicht verfügbar ist. Oder aber
du bist ehrlich und gibst zu, dass es noch nicht
lieferbar ist. Du kannst dem- oder diejenigen
dafür einen Gutschein über 20 % Rabatt auf
die zukünftige Bestellung senden. Bei dieser
Gelegenheit nimmst du direkt Kontakt zu
Interessent:innen auf und kannst herausfinden,
was sie zum Kauf bewegt hat.
Denn: Es ist wichtig, seine Zielgruppe gut zu
kennen. Hier geht es nicht einfach um eine
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fiktive Kunden-Persona, sondern um echte
Menschen. Wer weiss, was Kund:innen wollen
und sich auf sie einstellt, muss – je nach
Geschäftsmodell – weniger oder gar keine
Neukundenakquise machen. Ziel ist, dass die
Leute immer wieder kaufen. Die zu optimie-
rende Metrik ist hier die Retention Rate, oder zu
Deutsch Verbleibquote. Zu diesem Thema gibt
es einen tollen Blog Post auf KK.org von Kevin
Kelly. In «A Thousand True Fans» schreibt er,
dass es nicht mehr als 1.000 echte Fans
braucht, um ein Geschäft aufzubauen und am
Laufen zu halten.
Sollte man das Marketing auslagern?
Ich bin überzeugt, dass man das digitale
Marketing bzw. Performance Marketing als
Start-up zu Anfang gut selbst übernehmen
kann. Später kann es dann an Agenturen
ausgelagert werden.
Das essenzielle Know-how zu den Metriken
sollte dennoch immer intern vorhanden sein. In
anderen Worten: Man sollte seine Performance
20
selbst interpretieren und die Mechanik hinter
den Metriken verstehen können – selbst, wenn
man mit Agenturen zusammenarbeitet.
PR
Die PR-Arbeit für Start-ups kann sich grund-
sätzlich an drei Arten von Medien richten:
#1 Massenmedien – In der Schweiz sind das
Nachrichtenplattformen wie 20Minuten oder
Blick. Sie interessieren sich nicht für das Start-
up an und für sich, sondern für Geschichten,
die Klicks generieren und landesweit relevant
sind oder einzelne Kantone miteinander ver-
gleichen.
In meiner Zeit bei Amorana habe ich die
folgende Strategie entwickelt:
1. Eine interessante Statistik ausfindig
machen – Etwa: In welchem Kanton werden die
meisten Sextoys gekauft?
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2. Thema beim News-Outlet suchen – Über
die Google-Suchfunktion «URL: Suchbegriff»,
also etwa «20minuten.ch: sextoy» findet man
schnell heraus, welche Artikel und wie viele es
zu dem Thema bereits gibt.
3. Journalist:innen-Kürzel notieren – In jedem
Artikel ist das Kürzel des Journalisten oder der
Journalistin vermerkt.
4. Journalist:in anschreiben – Im Impressum
sucht man anschliessend das Kürzel, den
Namen und die E-Mail-Adresse des Journa-
listen oder der Journalistin und schreibt ihn
oder sie an. Das kann in etwa so lauten: «Hey,
wir haben eine Studie darüber gemacht, in
welchem Kanton die meisten Sextoys gekauft
werden. Ich habe gesehen, dass Sie bereits
über Sextoys geschrieben haben. Hätten Sie
Interesse an der Story? Wir würden sie Ihnen
exklusiv für 24 Stunden überlassen.»
5. Nicht aufgeben – Wenn der erste Journalist
oder die erste Journalistin die Story nicht
innerhalb von 24 Stunden für sich bean-
sprucht, sucht man das nächste Kürzel, den
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zugehörigen Namen und die E-Mail-Adresse
und macht das Angebot jemand anderem.
Sollte es bei 20Minuten nichts werden, dann
versucht man es bei Blick und so weiter.
6. Es braucht nicht zwingend einen
Presseverteiler – Mit Konstanz erreicht man
sein Ziel und schafft es, in den grossen Medien
genannt zu werden. Wichtig ist, den Fokus zu
behalten. Sobald man in einem Medium
publiziert wurde, kann man die Studie an
weitere Nachrichtenplattformen weiterleiten.
Häufig entstehen in der Folge Interviews mit
Radiosendern.
#2 Gründer:innenmedien – Medien wie
Start-up-Ticker, Handelszeitung oder Bilanz
berichten über Unternehmen und die Leute
dahinter. Häufig findet man hier Artikel über
angesagte Start-ups. Um mit dem eigenen
Start-up in Gründer:innenmedien zu erschei-
nen, sollte eine Person aus dem beruflichen
Netzwerk eine Empfehlung bei der jeweiligen
Redaktion aussprechen. Ich rate davon ab, sich
selbst für einen Artikel vorzuschlagen.
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#3 Produktmedien – Hiermit sind Magazine
wie Annabell oder GQ gemeint, die Produkte
testen und sie in ihre Lifestyle-Artikel ein-
binden. Auch Influencer und Blogs machen
Produkttests. Der Haken an diesem Medium
sind die relativ langen Vorlaufzeiten von bis zu
drei Monaten.
Kann man auch ohne Netzwerk PR machen?
Wenn das Produkt gut ist, dann kommen die
Leute alleine auf das Start-up zu. Aber nicht
jedes gute Produkt ist zwingend etwas
bahnbrechend Neues.
Wenn einem das Netzwerken selbst nicht liegt,
dann ist es ratsam, sich jemanden ins Team zu
holen, dem oder der das Netzwerken Spass
macht und der oder die gerne zu Netzwerk-
Events geht.
Für Introvertierte, die sich anders aufstellen
wollen, gibt es die Möglichkeit, sich ein
digitales Netzwerk aufzubauen, mit dem man
anderen Mehrwert bietet. Auf diesem Weg
kann man etwa Journalist:innen regelmässig
relevante und interessante Berichte schicken
24
(die müssen oder sollten sogar nicht einmal
zum eigenen Unternehmen sein). Eine starke
Präsenz auf Plattformen wie LinkedIn oder
Twitter/X kann ein physisches Netzwerk
erweitern und zum Teil ersetzen.
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Kapitel 4: So findet man
Investor:innen
Das Thema Investor:innen ist ein zweischnei-
diges Schwert: Einerseits ist es wunderbar zu
sehen, dass andere Menschen an die eigene
Vision und Geschäftsidee glauben. Es bestärkt
einen darin, auf dem richtigen Weg zu sein.
Andererseits gibt man im Zuge dieser Art der
Kapitalbeschaffung einen Teil des Unterneh-
mens ab. Plötzlich muss man Rechenschaft
über Geschäftsentscheidungen ablegen und
entscheidet nicht mehr allein, in welche
Richtung es gehen soll.
Was machen Investor:innen?
Investor:innen sind Geldgeber, wobei
Seed-Investor:innen oft unter die «3 F» fallen:
Friends, Family, and Fools. Es sind diejenigen,
die ganz am Anfang Geld zur Verfügung
stellen.
Die Investor:innen, um die es in diesem Kapitel
geht, sind externe Geldgeber:innen, die in
26
einer Transaktion Teile des Unternehmens
kaufen – mit der Aussicht auf eine Rendite, die
die investierte Summe um ein Vielfaches
übersteigt.
Die Rolle der Investor:innen beschränkt sich
allerdings nicht nur auf die Finanzierung.
Start-ups können unwahrscheinlich vom
Wissen und Netzwerk der Investor:innen
profitieren. Ich habe die Erfahrung gemacht,
dass man gute Investor:innen am besten in den
Verwaltungsrat aufnimmt und regelmässig
Ideen mit ihnen bespricht.
Welche Beziehung sollte man zu
Investor:innen pflegen?
Grundsätzlich sind Investor:innen keine
Freunde. Wenn sich zwischen Gründer:innen
und Investor:innen ein zu freundschaftliches
Verhältnis entwickelt, kann das in schwierigen
Situationen zu Problemen führen. Meiner
Erfahrung nach ist ein neutral-positives und
transparentes Verhältnis zu Investor:innen
gesünder.
27
Wann sollte man Investor:innen ins
Unternehmen einbinden?
Hier gibt es zwei mögliche Zeitpunkte:
Zeitpunkt #1 – Man hat bereits bedeutende
Umsatzzahlen realisiert oder anderweitige
Finanzströme und will das Geschäft nun
professionalisieren.
Zeitpunkt #2 – Man kennt sein Business-
modell und hat ein skalierbares Produkt oder
eine skalierbare Dienstleistung, dessen oder
deren Wachstum man ankurbeln will. Ich rate
dazu, nur dann Investor:innen aufzunehmen,
wenn man seinen Product Market Fit genau
kennt; also dann, wenn man weiss, dass das
Produkt oder die Dienstleistung am Markt
gebraucht wird.
28
Wie kommt man zum
Wunsch-Investor oder der
Wunsch-Investorin?
Zuerst einmal rate ich dazu, so lange wie
möglich zu warten, bevor man sich nach
Investor:innen umsieht. Die Freiheit, die man
ohne externe Geldgeber:innen hat, ist unbe-
zahlbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass
man mit der Investor:innensuche erst dann
beginnen sollte, wenn man die Finanzierung
bereits dringend braucht.
An dieser Stelle will ich noch einmal Klarheit
schaffen, von welcher Art Start-up ich spreche.
Es gibt «heisse» Start-ups, die rasant wachsen.
Aufgrund ihrer unglaublichen Wachstumsrate
brauchen sie schnelle Finanzierung – und
bekommen diese im Nu, eben weil sie eine so
hohe Wachstumsrate vorzeigen können. Diese
sogenannten Microwaves machen aber nur 0,1
% der Start-ups aus.
Der Rest sind Slowbaker. Sie brauchen Zeit
zum Wachsen. Nachfolgend teile ich eine
Strategie, die uns als Slowbaker bei Amorana
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unseren Wunsch-Investor (und weitere tolle
Investor:innen) verschafft hat: Oversubscribed
sein. Das bedeutet, mehr interessierte Inves-
tor:innen zu haben, als Plätze zur Verfügung
stehen. Wie erreicht man das?
1. Potenzielle Investor:innen ranken – Als wir
bei Amorana auf Investor:innensuche waren,
habe ich eine lange Liste von potenziellen
Geldgeber:innen erstellt. Aus dieser Liste habe
ich meine Top 30 gewählt und sie nach ihrer
Wichtigkeit geordnet. Dann habe ich
begonnen, Nummer 6 und 7 zu kontaktieren –
also interessante Investor:innen, aber noch
nicht meine absoluten Favoriten.
2. You ask for money, you get advice. You ask
for advice, you get money. – Das habe ich in
meiner Kommunikation mit Investor:innen
gelernt. Anstatt direkt beim Outreach nach
Geld zu fragen, bin ich anders vorgegangen:
Ich wollte ihren Input. Hier geht es darum, sich
über das Produkt auszutauschen, nicht die
Finanzierung.
30
3. Wert vorschiessen – Bei Amorana wollten
wir unbedingt diesen einen berühmten E-
Commerce Entrepreneur als Investor gewin-
nen. Zu ihm bestand zu dieser Zeit allerdings
kein Kontakt. Ich habe mir also eineinhalb
Stunden Zeit genommen und alle Schreib-
fehler, die ich auf seiner Website und seinen
Social Media Kanälen finden konnte, ge-
sammelt. Zusammen mit einer kurzen
Marketing-Strategie habe ich ihm diesen Input
per E-Mail geschickt. Darin schrieb ich, dass
wir uns gerne mit ihm über einige aktuelle
Trends im E-Commerce austauschen würden
und fragte, ob er dafür 20 Minuten Zeit hätte.
4. Beziehung aufbauen – Dieser Entrepreneur
sagte zu, weil wir ihm für seinen Input bereits
im Vorfeld einen Mehrwert geboten hatten.
Aus den angefragten 20 Minuten wurde dann
ein vierstündiges Gespräch. Um in Dialog zu
treten und eine Beziehung aufzubauen, ist es
meiner Erfahrung nach unabdinglich, zuerst
einen Mehrwert zu bieten.
5. Updates schicken – Wir fragten ihn
anschliessend, ob es ihm etwas ausmachen
31
würde, wenn wir ihm in unregelmässigen
Abständen Updates zu unserem Business
schicken würden. Ihm machte es nichts aus.
Genauso wenig wie den anderen Inves-
tor:innen, denen wir diese Frage stellten. Die
Idee dieses Schrittes besteht darin, so viele
Investor:innen wie möglich im Verteiler zu
haben und sie über einen Zeitraum von vier bis
sechs Monaten auf dem Laufenden zu halten.
Wichtig ist, in diesen Updates super
transparent aufzuzeigen, was gut gelaufen ist
und vor allem das, was schlecht gelaufen ist.
Potenzielle Investor:innen können so mitver
-folgen, was das Team bereits geleistet und
aus welchen Fehlern es gelernt hat.
6. Investor:innenrunde – Nach etwa sechs
Monaten ehrlicher Updates hatten die
Investor:innen ein Gefühl für Amorana bekom-
men. Als wir dann unsere Investor:innenrunde
ankündigten, dauert es nicht lange, bis der
erste Investor zusagte. Als die anderen
Investor:innen davon Wind bekamen, wollten
sie auch teilhaben. Wichtig ist, den Inves-
tor:innen weiterhin alle drei bis vier Monate ein
transparentes Update per E-Mail zu schicken,
32
in dem man Fehler offen anspricht. Generell
finden Investor:innen nichts schlimmer, als
überrascht zu werden, sollte das Start-up nicht
erfolgreich sein. Professionelle Investor:innen
haben grundsätzlich kein Problem damit, denn
sie wissen, dass es sich hier um eine Trans-
aktion handelt, die hohe Renditen bringen
kann, dafür aber auch mit grossem Risiko
verbunden ist.
33
Kapitel 5:
Team & Recruiting
Ein gutes Team zeichnet sich durch Mitglieder
aus, die sich einem gemeinsamen Ziel
verpflichtet fühlen und sich darauf konzen-
trieren. Sie wissen genau, was dieses Ziel ist
und verfolgen es mit Klarheit. Sie setzen sich
füreinander ein und ergänzen sich.
Solch ein Team aufzubauen, ist eine
Herausforderung für viele Gründer:innen –
insbesondere, wenn das Start-up schnell
wächst. Es gibt zwei zentrale Herausforde-
rungen für Start-ups. Ich orientiere mich hier
am «Pirates vs. Navy»-Framework von Reid
Hoffman:
#1 Piraten – Am Anfang zieht ein Start-up
«Piraten» an. Das sind laut Hoffman die
proaktiven Alleskönner: Diejenigen, die im
Lager arbeiten, im Kundendienst helfen und
Marketing betreiben. Das sind die Personen,
die getreu dem Motto «Lass uns Vollgas
geben» arbeiten. Für sie ist es entscheidend,
34
möglichst viele Freiheiten im Unternehmen zu
geniessen. Gründer:innen müssen in diesem
Stadium lernen, Verantwortung abzugeben.
#2 Navy – Wenn das Start-up wächst, müssen
Prozesse optimiert werden. Piraten mögen
diese Prozesse nicht, denn sie sehen darin
einen Verlust ihrer Freiheiten. Der Übergang
zur «Navy» kann zu Spannungen führen. Wie
gut die Piraten mit in die neue Struktur
eingebunden werden, hängt in dieser Phase
von der Kommunikation im Team ab.
Wie baut man ein gutes Team auf?
Für ein Start-up, das noch in den Kinder-
schuhen steckt, ist es entscheidend, Mit-
arbeiter:innen zu gewinnen, die emotional
intelligent sind. Diese Fähigkeit ist zu Beginn
eines jeden Unternehmens essenziell. Grün-
der:innen brauchen ein Gespür dafür, wer zu
ihrer Vision passt und das Potenzial hat, mit
dem Unternehmen zu wachsen. Sie stehen vor
der Aufgabe, Talente nicht nur zu identi-
fizieren, sondern auch eine Arbeitskultur zu
35
schaffen, die diese Talente langfristig an das
Unternehmen bindet.
Mit der Expansion des Unternehmens ver-
schieben sich die Prioritäten. Die emotionale
Intelligenz, so wichtig sie zu Beginn ist, rückt in
den Hintergrund, und fachspezifische Fähig-
keiten und Kenntnisse gewinnen an Be-
deutung. Gründer:innen sollten sich darauf
einstellen, dass die Eigenschaften, die an-
fänglich im Vordergrund standen, ergänzt oder
sogar ersetzt werden durch spezifische Skills,
die das Unternehmen in der Wachstumsphase
benötigt.
Um ein richtiges Team aus einzelnen Playern
zu formen, sind die folgenden drei Punkte
essenziell:
1. Klare Zielsetzung – Gründer:innen sollten
sich immer wieder fragen, was das Ziel des
Unternehmens ist und die Antwort darauf
fortlaufend mit ihrem Team teilen. Das Team
wiederum muss die Frage jederzeit und ohne
zu überlegen beantworten können. Eine klare
Zielsetzung kann viele Konflikte vermeiden.
36
2. Overcommunication – Konstante Kommuni-
kation und Wiederholung wichtiger Informa-
tionen sind der Schlüssel zu einem gut
funktionierenden Team – egal, ob über Tools
wie Slack, privat oder im direkten Gespräch.
Wenn man als Gründer:in denkt, bereits genug
kommuniziert zu haben, sollte man die Kom-
munikation noch einmal intensivieren. Um das
gesamte Team abzuholen, gibt es nie ein Zuviel
an Kommunikation.
3. Persönliche Bindung – Idealerweise sollte
man nicht nur im Berufsalltag, sondern auch
privat zusammenkommen und gemeinsame
Erlebnisse schaffen, um als Team zusammen-
zuwachsen.
Wie ist man als Gründer:in ein gutes
Vorbild für die Mitarbeiter:innen?
Es ist wichtig, die eigenen Stärken und
Schwächen zu kennen und diese offen zu
kommunizieren. Ein:e gute:r Gründer:in ist
transparent, erklärt Entscheidungen und
handelt menschlich. Er oder sie fördert eine
37
Kultur, in der nicht die Hierarchie des Ideen-
gebers oder der Ideengeberin zählt, sondern
allein die Qualität der Idee.
Der richtige Umgang mit dem Team
Jedes Unternehmen hat A-Player. Das sind die
treibenden Kräfte, die mit hohem Antrieb
agieren und den Wunsch haben, etwas zu
bewirken. Sie sind oft diejenigen, die mit über-
durchschnittlichem Engagement «den Laden
schmeissen».
Diese Schlüsselpersonen brauchen Anerken-
nung. Sie müssen spüren, dass ihr Einsatz
gesehen und geschätzt wird, denn ihre
Zufriedenheit ist entscheidend für die Moral
und den Erfolg des gesamten Teams.
Statt den Blick nur auf Probleme zu richten, ist
es für Gründer:innen effektiver, denjenigen
Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen, die
konstant gute Arbeit leisten. Nichts schadet
einem Unternehmen mehr, als seine Leistungs-
träger:innen zu verlieren und diejenigen im
38
Team zu behalten, die weniger proaktiv ar-
beiten.
Feedbackkultur
Ein weiteres Kernstück für ein gut funktio-
nierendes Team ist eine ehrliche und kon-
struktive Feedbackkultur. Als Gründer:in ist es
zielführend, häufig positives Feedback zu
geben und den Mitarbeiter:innen für ihre gute
Arbeit zu danken. Das stärkt das Teamgefühl
und motiviert.
An dieser Stelle möchte ich auf zwei Feed-
backmethoden eingehen, die bei uns sehr gut
funktioniert haben.
1. Wig-Wib – Was ist gut, was kann man
besser machen? Diese positiv-konstruktive Art,
Leute abzuholen, führt zu einer besseren
Kommunikationskultur.
2. WWW – Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch.
Hier geht es darum, zuerst das Objektive zu
nennen (etwa: «Du bist jetzt zum dritten Mal zu
39
spät gekommen»), dann zu erklären, was man
subjektiv daraus schlussfolgert («Ich habe das
Gefühl, du nimmst unsere Meetings nicht
ernst») und abschliessend zu nennen, was man
sich stattdessen wünschen würde («Ich
wünsche mir, dass wir die Zeiten für Meetings
einhalten»). Durch die Trennung von Objek-
tivität und Subjektivität können schwierige
Themen einfacher besprochen werden.
Denn wie Reed Hastings und Erin Meyer in
ihrem Buch «No rule rules» beschreiben: Ein
Team, in dem die Mitarbeiter:innen auf
Augenhöhe agieren und mit Leidenschaft
dabei sind, ist unschlagbar. Ein wichtiger
Grundstein dafür ist es, keine negative Fehler-
kultur zu schaffen. Fehler können sogar positiv
konnotiert sein, wenn im gleichen Zug für
diese Verantwortung übernommen wird.
Recruiting und Entlassung
Ein gutes Team kann ein Unternehmen
beflügeln. Eine offene Feedbackkultur, gute
Kommunikation und das Bestreben, aus allen
40
Mitarbeiter:innen das Beste herauszuholen,
sind entscheidend. Und wie Steve Wynn,
Inhaber der Wynn-Hotelkette, sagt: «Wer inner-
halb einer bestimmten Industrie seine Mitar-
beiter:innen langfristig halten kann, wird das
erfolgreichste Unternehmen der Branche
werden.»
Aus diesem Grund sollten Anstellungen gut
überlegt sein. Je niedriger die Mitarbei-
ter:innenfluktuation, desto besser. Ich habe die
Erfahrung gemacht, dass es besser ist, die
Messlatte hoch zu halten, und nur Personen
einzustellen, die kulturell ins Team passen und
die Werte des Unternehmens teilen. Ist das
nicht gegeben, werden diese Personen im
Team schnell zu Störfaktoren und belasten die
Unternehmensdynamik.
Ein anderes Kriterium für die Anstellung ist,
dass eine Person die erforderlichen fachlichen
Fähigkeiten besitzt. Ich fasse das unter
«können, dürfen, wollen» zusammen:
41
● Können – Hat die Person das Skillset auf
der fachlichen Ebene? Wenn nicht, kann die
Firma es ihr beibringen?
● Dürfen – Hat die Person in der Firma die
Möglichkeit, ihr Potenzial auszuschöpfen
oder wird sie zurückgehalten?
● Wollen – Ist die Person intrinsisch von ihrer
Arbeit motiviert? Stimmen die Werte der
Person mit den Unternehmenswerten
überein?
Als First-Time-Founder kann der Austausch mit
erfahrenen Unternehmer:innen helfen, ein
funktionierendes Team aufzubauen und zu
erhalten. Lernen durch Dialog – ein Prinzip, das
gerade im Unternehmertum oftmals zu neuen
Einsichten und Lösungsansätzen führt. Heute
bin ich der Überzeugung, dass ein kleines,
motiviertes und verantwortungsvolles Team oft
effektiver arbeitet, als eine grosse Mannschaft.
Erfolgreiche Start-ups skalieren heute über
Technologie und nicht über die Anzahl der
Mitarbeiter:innen.
42
Anmerkung: Der Grossteil der Inhalte in die-
sem Kapitel basiert auf dem Wissen und den
Erfahrungen von Daniel Kern, dem früheren
Leiter der Personalabteilung von Amorana.
43
Kapitel 6: Domain, Name
und Logo
Wie kommt man zum
Unternehmensnamen?
Wie war das mit der Namensgebung bei
Amorana? Die Idee dazu hatte Lukas, mein Ge-
schäftspartner. Mein Vorschlag wäre «Garden
of Love» gewesen. Ich war wahrscheinlich 2014
nicht unbedingt der beste Ansprechpartner,
als es um das Finden eines kreativen Namens
ging.
Heute aber meine ich zu wissen, worauf es bei
der Namenswahl ankommt. Und ich bin davon
überzeugt, dass der Name wesentlich ist und
mit Bedacht gewählt werden sollte. Deshalb
rate ich dazu, einen einfachen, bedeutungs-
vollen Namen zu wählen, der leicht ausge-
sprochen werden kann.
Ein guter Name setzt sich aus verschiedenen
Elementen zusammen, die dem oder der
Gründer:in etwas bedeuten und kann fanta-
44
sievoll sein. Wichtig ist, dass sich der Name
gut aussprechen und fehlerfrei schreiben
lässt. Ich rate dazu, einen Namen zu wählen,
der Sinn ergibt und nicht generisch wirkt – und
für den eine passende Domain verfügbar ist.
Generische Brands, etwa myprotein.ch, lassen
nur sehr schwer ein langfristiges Branding zu
und sollten besser vermieden werden.
Wie wählt man die richtige Domain?
Bei Domains bin ich überzeugt, dass man nicht
alle haben muss. Für die Schweiz genügt eine
.ch-Domain, für ein internationales (Tech)
Start-up ist .com ausreichend. Spare dir die
Kosten und den Aufwand für unnötiges
Domain-Grabbing.
Zudem können andere Endungen wie .shop
oder .life verwirrend sein oder unseriös wirken.
Persönlich halte ich nicht viel davon und sehe
selten Erfolge bei jungen Unternehmen mit
diesen Domains.
Bei der Domainwahl kann man wie folgt vor-
gehen:
45
1. Einen starken Markennamen als Domain
wählen, mit dem Zusatz .ch oder .com.
2. Sollte die Wunschdomain besetzt sein, ist
es sinnvoll, persönlich in Kontakt mit dem
Domaininhaber oder der Domaininhaberin zu
treten. So erhöht man die Chancen, sie doch
noch zu erwerben. Alternativ kann man Zu-
sätze mit in die Domain einfliessen lassen. Ich
gebe ein Beispiel: Würde ich einen Shop auf-
bauen, wäre meine Domain alanfreishop.com
oder alanfreishop.ch. Sollte ich meine Wunsch-
domain später noch erwerben können, würde
ich sie auf alanfrei.com ändern.
3. Entscheide lokal – .ch in der Schweiz, .de in
Deutschland – und international .com. Falls du
eine internationale Plattform hast, kann auch
unter anderem eine .io-Domain in Betracht
gezogen werden.
4. Personal Brands rücken gerade immer
mehr in den Vordergrund. Für eine Online
Brand in diesem Bereich funktionieren
46
Domains wie vornamenachname.com gut.
Wie erstellt man ein gutes Logo?
Logos sind immer eine Trendfrage. Momentan
gilt:
● Lesbar – Das Logo muss gut lesbar sein.
● Simpel – Gute Logos reduzieren sich heute
meist auf einen Schriftzug oder einfache
Icons.
● Easter Eggs – Easter Egg Logos, wie die von
FedEx oder Amazon, tragen viele versteckte
Botschaften. Das verbreitet Freude beim
Ansehen und vermittelt zusätzliche Qualität.
In meinem Fall verbergen sich im «Alan Frei»
Logo einige Easter Eggs. Und auch mein HEX
Brand Farbcode enthält eines: 112114: 1=A,
12=L, 1=A, 14=N.
Für das Erstellen des Logos rate ich zu Plat-
tformen wie 99Designs oder Upwork. Vielleicht
hat man auch Bekannte, die in diesem Bereich
47
erfahren sind. Für den Anfang muss das Logo
nicht perfekt sein. Bei Bedarf kann es später
immer noch angepasst werden.
Wann sollte man die Corporate
Identity festlegen?
Die Corporate Identity (CI) definiert man am
besten so früh wie möglich. Ein CI-Handbuch
mit Farben und Schriften erleichtert viele
Entscheidungen ebenso wie die interne und
externe Kommunikation. Es bietet eine klare
Linie und verhindert, dass man Zeit mit
wiederholtem Ausprobieren vergeudet. Man
kann es später immer noch anpassen, sollte
das notwendig sein. Unter alanfrei.com/about/ci
findest du meine CI.
48
Kapitel 7: Markenrecht
Wenn man ein Unternehmen aufbaut bzw. eine
Brand konstruiert, kommt schnell das Thema
Markenschutz auf. Ich bin kein Markenexperte,
aber aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es
ist besser, die eigene Marke so früh wie
möglich schützen zu lassen. Warum?
Es gibt im Wesentlichen drei triftige Gründe,
eine Marke schützen zu lassen.
1. Eigenes geistiges Eigentum schützen – Man
will verhindern, dass andere die eigene Marke
stehlen. Stell dir vor, du baust dein Business
auf einer Domain auf, ohne den Markennamen
gesichert zu haben – dann könnte jemand
anderes die Marke schützen und dir dein
gesamtes geistiges Eigentum entziehen. All
die monatelange, vielleicht sogar jahrelange
Arbeit wäre umsonst gewesen.
2. Einkünfte durch Lizenzierung – Wenn du
deine Marke schützt, kannst du zukünftig
Einkünfte über die Lizenzierung der einzelnen
Elemente deiner Marke generieren.
49
3. Markenrecht anderer nicht verletzen – Es
kann passieren, dass du versehentlich das
Markenrecht einer anderen Marke verletzt.
Und zwar dann, wenn du es versäumst, vor
dem Aufbau deiner Marke zu recherchieren, ob
der Markenname bereits vergeben ist.
Konsequenzen einer
Markenrechtsverletzung
Die Marke Nomatic aus den USA stellt
hervorragende Rucksäcke her. Als sie damit
nach Europa expandieren wollte, mussten die
Unternehmenseigentümer:innen feststellen,
dass ihr Markenname dort bereits geschützt
war. Das Vorhaben musste abgebrochen wer-
den, weil es risikoreich ist, ein Unternehmen
ohne die zugehörige Marke fortzuführen.Ich
selbst habe auch einmal unbeabsichtigt gegen
das Markenrecht verstossen. E-Commerce war
ein Trend, Mobile Commerce im Kommen –
also dachte ich, der nächste grosse Trend
würde «WhatsApp Commerce» sein. Ich sicher-
te mir die Domain whatsappcommerce.com.
Doch schon bald flatterten Schreiben des
50
Markenanwalts von WhatsApp ins Haus. Nach
einem kurzen Schlagabtausch entzog mir ein
internationales Schiedsgericht die Domain.
Während in der Schweiz die Gefahr einer
markenrechtlichen Auseinandersetzung über-
schaubar bleibt, wird in Deutschland sehr
konsequent auf die Einhaltung von Marken-
rechten geachtet.
Der optimale Zeitpunkt für den
Markenschutz
Es ist ratsam, sich so früh wie möglich mit dem
Markenrecht auseinanderzusetzen. Eine Marke
sollte geschützt werden, sobald sie konzipiert
ist, besonders, da die Kosten dafür in der
Schweiz nicht übermässig hoch sind.
Konkret würde ich zur Eintragung der Marke
raten, sobald die ersten Produkttests gemacht
sind und ein Geldfluss besteht. Ein Marken-
schutz in der Schweiz ist dann der erste
Schritt, dem Überlegungen zu weiteren Län-
dern folgen können.
51
Verfügt man erst einmal über die Marken-
rechte in einem bestimmten Land, ist es oft
leichter, die entsprechende Marke in einem
anderen Land anzumelden und unter Um-
ständen die Übertragung der URL zu erzwin-
gen. Dadurch werden Domain-Grabbing und
ähnliche Praktiken überflüssig.
Ist der Markenschutz für alle
Geschäftsmodelle sinnvoll?
Die eigene Marke zu schützen, ist nicht für
jedes Geschäft erforderlich, aber häufig
lohnenswerter, als man denkt – und es bewahrt
vor dem Fehltritt, eine Marke aufzubauen, die
bereits geschützt ist.
Eine erste Markenrecherche kann man
unkompliziert auf www.ige.ch durchführen.
Dafür ist kein Anwalt und keine Anwältin
notwendig und das Ganze ist kostenfrei.
52
Was lässt sich bei einer Marke
schützen?
Man kann sowohl den Wortlaut einer Marke als
auch das Logo (die sogenannte Bildmarke)
schützen. Einzelne Marken gehen sogar so
weit, dass sie ganze Slogans oder sogar
Kombinationen aus Logo und Slogan schützen
lassen.
Schweizer Start-ups würde ich empfehlen,
zunächst den Wortlaut der Marke in der
Schweiz ins Markenregister eintragen zu
lassen. Innerhalb eines Zeitraums von sechs
Monaten kann man dann den Schutz auf ganz
Europa ausweiten, sollte das für das
Unternehmen sinnvoll sein.
Was kostet die Eintragung?
Sowohl die Recherche einer Marke als auch
deren Anmeldung kann man selbst erledigen.
Ein Anwalt oder eine Anwältin ist hier nicht
unbedingt nötig. Der Vorgang folgt standar-
disierten rechtlichen Schritten; die Kosten für
53
die Anmeldung der Marke bleiben dadurch
überschaubar. Sie belaufen sich je nach
Geltungsbereich auf einige Hundert Franken:
● Schweiz: 550 Franken
● Europa: ca. 1.500 Franken
● USA: ca. 2.000 Franken
● Weltweit: bis zu 30.000 Franken – die
Eintragung in Ländern, die nicht Teil des
Madrider Abkommens sind, verursacht hohe
Kosten und kann diesen Betrag sogar
überschreiten.
In der Schweiz ist die Eintragung 10 Jahre lang
gültig. Danach kostet eine Verlängerung 700
Franken.
Ein Markenname muss nicht zwingend in
sämtlichen Kategorien geschützt werden.
Allerdings ist es ratsam, für die Wahl der
richtigen Kategorie und für anspruchsvollere
Angelegenheiten, etwa die Patentregistrie-
rung, den Rat eines Anwalts oder einer
Anwältin für Markenrecht einzuholen.
54
Kapitel 8: Wachstum
Es gibt zwei entscheidende Benchmarks,
anhand derer man das Unternehmenswachs-
tum bei Start-ups ausmachen kann:
● Umsatz – Beim Umsatzwachstum fokussiert
man sich darauf, wie der Umsatz von einem
Jahr zum nächsten steigt.
● Kund:innen – Für einige Start-ups ergibt es
Sinn, die Anzahl der Kund:innen bzw. aktiven
Nutzer:innen als Benchmark zu wählen.
Denn Start-ups wie Facebook oder Instagram
machen am Anfang gar keinen Umsatz – sie
vergrössern stattdessen ihre Userbase und
monetarisieren diese später.
Mitarbeiter:innenzahl und Profit sind keine
entscheidenden Benchmarks, um das Wachs-
tum von Start-ups zu beurteilen. Vor allem für
Start-ups, die schnell skalieren wollen, ist der
Profit irrelevant.
Erst in einer späteren Phase werden dann
Profit bzw. EBITDA (Earnings Before Interest,
55
Taxes, Depreciation, and Amortization) zu einer
bedeutenden Grösse.
Wie erzielt man
Unternehmenswachstum?
Der Schlüssel zum Umsatzwachstum liegt im
Kund:innenstamm. Denn Umsatz entsteht
indirekt durch das Gewinnen und die Bindung
von Kund:innen. Nichts ist kostspieliger und
ineffizienter für ein Unternehmen, als gewon-
nene Kund:innen direkt wieder zu verlieren.
Stattdessen muss das Unternehmen an den
Punkt kommen, an dem es treue Kund:innen
hat, die in einem bestimmten Intervall kaufen
oder den Dienst nutzen.
Davon leben grosse Unternehmen wie Apple
oder Nike. Das neueste iPhone zu haben, ist für
viele Menschen zur Gewohnheit geworden.
Sergey Brin, russisch-amerikanischer Unter-
nehmer und Mitbegründer von Google, be-
schreibt dieses Verhalten anhand des «Zahn-
bürstentests». Was man mehrmals täglich
56
(unbewusst) nutzt, ist das, was man wieder und
wieder kauft.
Damit ein Unternehmen wachsen kann, baut es
also auf die Customer Lifetime Value. Für die
Kundenakquise ist es am effektivsten, je nach
Branche die Marketing-Kanäle zu nutzen, die
selbst stark wachsen – heute sind das etwa
TikTok oder LinkedIn. Es wird einige Tests
brauchen, um herauszufinden, über welchen
Marketing-Kanal man am kostengünstigsten
Kund:innen gewinnt. Das nennt sich Growth
Hacking. Die Strategie ist klar: testen,
auswerten, Kund:innen gewinnen. Wichtig ist,
dass Start-ups Marketingaktionen schnell
testen und die richtigen Massnahmen ergrei-
fen, um eine Stammkundschaft aufzubauen.
Ich gebe ein Beispiel:
Als wir mit der Alan Frei Company Newsletter-
Abonnent:innen generieren wollten, haben wir
zuerst hochpreisige Artikel bei 20Minuten als
Marketing-Kanal gewählt. Das war teuer und
ineffektiv. Dann probierten wir es mit organi-
schen Posts auf LinkedIn und erzielten damit
57
hervorragende Ergebnisse.
Nachhaltiges Wachstum vs.
exponentielles Wachstum
Start-ups dürfen nicht zu starr geplant sein.
Für sie ist es daher wenig sinnvoll, nach
langsamem, nachhaltigem Wachstum zu stre-
ben. Exponentielles Wachstum ist hier die
Variante der Wahl. Die magische Formel lautet
meiner Meinung nach:
Exponentielles Wachstum = Kosteneffizienter
Marketing-Kanal + Kund:innenretention
Profitables Wachstum vs.
unprofitables Wachstum
Unternehmen wie Zalando, Amazon, Galaxus
oder auch Amorana haben jahrelang keinen
Gewinn gemacht, weil sie allen Profit in die
Neukundenakquise investierten. Ihr Ziel war
es, eine Basis an treuen Kund:innen zu schaf-
fen, die wieder und wieder bei ihnen kauften.
58
Ihre Strategie: Das Start-up durch Investments
finanzieren, um so viele Kund:innen wie
möglich zu akquirieren. Nach fünf oder sechs
Jahren ist das Unternehmen Teil des Consumer
Minds. Dann stellt man die Gutscheinaktionen
und ähnliche Marketingmassnahmen ein – und
ist sofort profitabel.
Daraus kann man schlussfolgern: Das Unter-
nehmen muss nicht profitabel wachsen. Dafür
braucht es Investor:innen. Und um an die
Finanzierung durch Investor:innen zu gelan-
gen, muss es aufzeigen können, dass starkes
Wachstum vorliegt und Stammkund:innen ge-
wonnen werden, die wieder und wieder kaufen.
Das ist der bedeutende Unterschied zwischen
der Old Economy und der New Economy. Unter-
nehmen holen sich heute Finanzierung, weil sie
einfach und sehr schnell an Kund:innen ge-
langen, die später monetarisiert werden kön-
nen. Sollte es das Unternehmen nicht schaffen,
genügend Kund:innen zu gewinnen, kann es
schnell zu Liquiditätsproblemen kommen.
59
Ist exponentielles Wachstum
gefährlich?
Start-ups sollten am Limit laufen, aber nicht
darüber hinaus schiessen. Wenn man es
versäumt, die Mitarbeiter:innen einzubinden,
kann exponentielles Wachstum zur Überlas-
tung führen und existierende Kund:innen ver-
prellen. Das negative Feedback von Kund:innen
wirkt sich wiederum demotivierend auf die
Mitarbeiter:innen aus.
Um eine Demotivation der Mitarbeiter:innen zu
verhindern, sind folgende Kommunikations-
strategien essenziell:
Strategie #1: Radikale Transparenz – Ehrlich
mit Mitarbeiter:innen teilen, vor welchen
Herausforderungen das Unternehmen gerade
steht.
Strategie #2: Klare Zielsetzung – Mitarbei-
ter:innen sollten zu jedem Zeitpunkt wissen,
was das Unternehmen durch das Wachstum
erzielen will – beispielsweise viele Neu-
kund:innen in einem bestimmten Zeitraum.
60
Strategie #3: Overcommunication (siehe auch
Kapitel 5) – Wenn man als Unternehmer:in
denkt, bereits genug mit den Mitarbeiter:innen
zu kommunizieren, dann verdoppelt oder ver-
dreifacht man die Kommunikation am besten
noch einmal. Informationen gehen schnell
verloren und häufiges Wiederholen kann das
verhindern. Ich habe beobachtet, dass gerade
dieses Wiederholen oft vernachlässigt wird.
Wie geht man das Recruiting in der
Wachstumsphase an?
Wenn ein Unternehmen schnell wächst, kann
die Arbeit den bestehenden Mitarbeiter:innen
über den Kopf wachsen. Dennoch sollte man
die Anstellung neuer Mitarbeiter:innen mit
Sorgfalt und Ruhe angehen. Erfahrungs-
gemäss ist es besser, einen guten Rekru-
tierungsprozess zu schaffen und mit einem
kleinen, gut eingespielten Team zu arbeiten –
auch, wenn das für einige Wochen ein Mehr an
Arbeit bedeutet.
61
Der Erfolg des Unternehmens wird mass-
geblich davon beeinflusst, wie lange die
Mitarbeiter:innen im Unternehmen bleiben.
Erfolgreiche Firmen haben eine niedrige
Mitarbeiter:innenfluktuation, denn wenn ein:e
Mitarbeiter:in geht, dann bedeutet das
verlorenes Know-how und damit finanziellen
Verlust. Nach meiner Erfahrung belaufen sich
die Gesamtkosten für eine Fehlbesetzung auf
bis zu 50.000 Franken. Das berücksichtigt die
Kosten für die Neueinstellung und die Zeit, die
vergeht, bis der:die neue Mitarbeiter:in so
zuverlässig arbeitet wie der:die vorherige
Mitarbeiter:in.
Bei der Mitarbeiter:innensuche rate ich des-
halb zu den folgenden fünf Richtlinien:
1. Den Mut haben, Top-Talente zu suchen,
statt günstige Praktikant:innen einzustellen
2. Mitarbeiter:innen wählen, die intrinsisch
motiviert sind und Eigeninitiative zeigen
3. Den Aufgabenbereich transparent und ehr-
lich kommunizieren
62
4. Die Unternehmensvision klar und deutlich
beschreiben
5. Probetage durchführen, um festzustellen,
ob ein:e Kandidat:in mit der Unternehmens-
kultur übereinstimmt. Wenn ein:e Kandidat:in
nur aufgrund seines oder ihres Wissens in das
Start-up passt, aber von der Arbeitskultur her
nicht, dann besser von der Anstellung
absehen.
Können sich junge Start-ups
Top-Talente leisten?
Start-ups können es sich nicht leisten, keine
Top-Talente einzustellen! Gute Mitarbei-
ter:innen bringen das Unternehmen viel
schneller vorwärts und entlasten die Grün-
der:innen. Die Investition in qualifizierte Mitar-
beiter:innen mit spezifischen Kenntnissen und
kultureller Übereinstimmung lohnt sich immer.
Günstige Praktikant:innen führen stattdessen
häufig dazu, dass das Unternehmen nicht
schnell genug vorankommt. Diese Erfahrung
machten wir bei Amorana wieder und wieder.
63
Abschliessend ist hier noch zu erwähnen:
Kultur schlägt Performance. Wer es schafft, in
seinem Unternehmen ein positives Klima zu
schaffen, in dem die Mitarbeiter:innen ihre
Arbeit mit Freude verrichten und angemessen
motiviert werden, trägt einen massiven Teil
zum Unternehmenswachstum bei.
64
Kapitel 9: Timing & MVP
Timing
Zum Thema Timing lassen sich nur begrenzt
absolute Aussagen machen. Es gibt insofern
kein perfektes Timing zum Gründen eines
Start-ups, als dass man einfach loslegen muss.
Andererseits gibt es bessere und schlechtere
Timings, wenn es darum geht, eine Idee zu
verwirklichen.
Grundsätzlich kann ich sagen: Wenn man den
Drang verspürt, dann sollte man loslegen.
Wenn man darauf wartet, dass die Umstände
perfekt sind, wird man den Schritt zur
Gründung wahrscheinlich nie wagen.
Einflussfaktoren auf das Timing
Für mich persönlich war es definitiv nicht der
richtige Zeitpunkt, als ich Amorana mit-
gründete. Ich hatte kaum Geld zur Seite gelegt
und bereits einige Projekte in den Sand
gesetzt. Gleichzeitig gibt es neben dem
65
persönlichen auch ein geschäftliches Timing.
Ich spreche hier von Trends.
Trends laufen in Wellen. Dabei geht es nicht
darum, eine Idee umzusetzen, bei der es
bereits offensichtlich ist, dass sie ein Trend
wird. Es geht darum, den Trend zu antizipieren.
Bei Amorana hiess das konkret, Sextoys online
zu verkaufen und sie damit von einem Nischen-
in einen Massenmarkt zu bringen. In der Idee
sah zum Zeitpunkt der Gründung kaum jemand
Potenzial.
Doch dann kam «50 Shades of Grey» auf. Wir
hatten die gesteigerte Nachfrage nach Sextoys
antizipiert und ritten die Welle bereits –
während andere Unternehmen erst versuchten,
auf die Welle aufzuspringen.
Kann man Trends vorhersagen?
Ein Muster, das ich sowohl im Privatleben als
auch im Geschäftsleben beobachten konnte,
ist: die Dinge konsolidieren sich und expan-
dieren anschliessend wieder. Dieser Zyklus
66
wiederholt sich über die Zeit und lässt sich auf
das Phänomen von Trends anwenden.
Beispielsweise dominierte Amazon noch bis vor
wenigen Jahren den E-Commerce komplett –
dadurch, dass sie alles konsolidiert hatten.
Jetzt sehen wir, wie beliebt Shopify im E-Com-
merce ist und erleben damit eine Dezen-
tralisierung. Das bedeutet, dass im E-Com-
merce als nächstes wahrscheinlich etwas
kommt, das wieder zentralisiert.
Obwohl Trends einem Unternehmen Momen-
tum geben können, rate ich dazu, nicht einfach
auf einen Trend aufzuspringen, nur um damit
Geld zu verdienen. Vielmehr sollte man
persönlich hinter dem Trend stehen. In anderen
Worten: Das Unternehmen, das man aufbaut,
sollte – wenn möglich – mit den persönlichen
Interessen übereinstimmen.
Wie wichtig ist das Timing für den
Erfolg?
67
Durchhaltevermögen und die richtige Umset-
zung einer Idee sind wichtig. Eine gute Idee
zum richtigen Zeitpunkt ist jedoch magisch.
Das gibt Momentum von Tag eins an. Meiner
Ansicht nach ist es entscheidend, dass junge
Unternehmen mit diesem Momentum arbeiten.
Und gleichzeitig rate ich dazu, nicht direkt die
erste Welle zu reiten, sondern auf eine zweite
zu warten.
Wenn die Menschen bereits ein Grundver-
ständnis für ein Thema haben – nehmen wir als
Beispiel Kryptowährungen – gestaltet sich der
Einstieg wesentlich einfacher. Noch vor einigen
Jahren war Krypto kaum ein Gesprächsthema;
die Marktakzeptanz war gering. Heute ist es
einfach, Projekte im Bereich Blockchain zu
initiieren.
Was tut man gegen Zweifel?
Studien zeigen, dass Menschen extrem
schlecht darin sind, sich die Zukunft vorzu-
68
stellen. Hierzu wurden zwei Gruppen von
Menschen befragt. Gruppe Nummer 1 war nach
einem Unfall querschnittsgelähmt, Gruppe
Nummer 2 hatte im Lotto gewonnen.
Zum Zeitpunkt der ersten Befragung waren die
Lotto-Gewinner:innen überglücklich, die quer-
schnittsgelähmten Teilnehmer:innen sehr un-
glücklich. Nach sieben Jahren hatte sich dieser
Zustand ins Gegenteil verkehrt. Den Menschen
aus Gruppe 1 hatte der Unfall gezeigt, was das
Leben lebenswert macht. Die Leute aus
Gruppe 2 waren indes extrem unglücklich, weil
sie mitunter das Geld oder Freunde und
Familie verloren hatten.
Das Resultat zeigt, dass beide Gruppen ihr
Glücksgefühl davon abhängig machten, wie sie
sich die Zukunft vorstellten. Sie versuchten,
auf Basis der gegenwärtigen Umstände die
nächsten Monate vorherzusagen – und stellten
keine zuverlässige Prognose. Das liegt daran,
dass wir Menschen ein eindimensionales
Verständnis der Dinge haben.
69
Das gilt auch für Unternehmensgründungen.
Wer nicht gründet, weil er oder sie befürchtet,
in einem halben Jahr kein Geld mehr zu haben,
dem möchte ich sagen: Man findet immer
einen Weg. Man kann etwa das Geschäfts-
modell anpassen oder einen Nebenjob auf-
nehmen.
Ein letzter Tipp, wie man mit Zweifeln zur
Unternehmensgründung umgeht, ist, der eige-
nen Intuition zu vertrauen.
MVP (Minimum Viable Product)
Das Minimum Viable Product ist die einfachste
Version eines Produkts, mit der man zu Test-
zwecken an den Markt gehen kann. Dank des
Internets ist ein MVP heute zügig entwickelt.
Nehmen wir an, ich möchte einen Keto-
Kuchen-Lieferservice starten. Dazu erstelle ich
eine einfache Website mit Online-Shop auf
Squarespace und nenne sie ketocakes.ch. Es ist
in Ordnung, die Tests zunächst mit einem
allgemeinen Namen durchzuführen und später
70
auf den tatsächlichen Markennamen zu
wechseln (siehe Kapitel 6). Das Einrichten der
Website und des Online-Shops sollte nicht
länger als ein paar Tage dauern. Anschliessend
suche ich Fotos aus dem Internet, lade sie hoch
und schalte Facebook und Google Ads für
jeweils 100 Franken pro Monat.
Auf diese Weise finde ich heraus, ob Interesse
an meinem Angebot besteht, bevor ich
überhaupt ein physisches Produkt habe. Es
braucht lediglich die grundlegendste Version
einer Idee. Hierbei dient die Website als
Minimal Viable Product.
Sollte jemand einen Kauf tätigen, erstattet
man das Geld mit der Begründung zurück,
dass der Artikel bereits ausverkauft sei und
man auf den nächsten Kauf 15 % Rabatt
bekäme. Diese Methode erlaubt es, die
Marktreaktion effizient und kostengünstig zu
testen.
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In welcher Branche werden MVPs
verwendet?
MVPs werden häufig in der Technologie-
branche verwendet. Ein bekanntes Beispiel ist
Dropbox. Dropbox hat seine Idee zunächst mit
einem Video präsentiert, in dem gezeigt wurde,
wie Daten zwischen verschiedenen Geräten
und der Cloud synchronisiert werden. Das
Video war das MVP, mit dem Dropbox in den
Markt eintrat. Das eigentliche Produkt gab es
zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Dropbox lud dann Zuschauer:innen ein, sich für
weitere Informationen in einen Verteiler ein-
zutragen. Das Unternehmen erhielt tausende
E-Mail-Adressen von Interessent:innen und
nutzte diese frühe Nutzer:innenbasis, um sein
späteres Pricing festzulegen.
Nehmen wir ein weiteres Beispiel. 2009 hatte
ich eine Idee, die ich nie umgesetzt habe. Sie
bestand darin, einen Peer-to-Peer Essens-
lieferdienst zu gründen. Ich plante, Köch:innen
in der Nachbarschaft zu finden, die bereit sind,
täglich Menüs zu verkaufen. Dann wollte ich in
72
Bürogebäuden Flyer verteilen, um für die
Registrierung auf einer Website zu werben.
Anschliessend hätte ich einen Newsletter ver-
sendet und die Menschen zum Bestellen
eingeladen. Wenn keine Bestellungen erfolgt
wären, hätte ich nach dem Grund gefragt und
einen Gutschein angeboten.
Flyer und Website wären meine MVPs ge-
wesen. Sie hätten es mir erlaubt, in Interaktion
mit Interessent:innen zu treten und den
Service frühzeitig zu testen. So hätte ich das
Angebot an die Wünsche der Kund:innen
anpassen und Fehler oder Unstimmigkeiten
schnell korrigieren können.
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Wieso sollte man MVPs nutzen?
Dank Markttests mit MVPs können Start-ups
1. Feststellen, ob Marktinteresse besteht
2. Feedback von Kund:innen sammeln, das
dann in die Entwicklung des Endprodukts
fliesst
Ich habe oft gesehen, dass viele junge
Unternehmer:innen den Fehler machen, das
Produkt hinter verschlossenen Türen zu ent-
wickeln. Ich kenne zahlreiche Gründer:innen,
die eine vollständige App entwickelt und sie
erst dann beworben haben – und von Beginn
an Enttäuschung und Ablehnung von den
Nutzer:innen erfahren haben.
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Was spricht gegen das Testen mit
MVPs?
Es gibt zwei Behauptungen, die ich häufig
höre:
Behauptung #1: «Ein anderes Unternehmen
stiehlt meine Idee, wenn ich damit zu früh auf
den Markt gehe.» – Ich kann darauf Folgendes
erwidern: In den frühen Phasen ist es sehr
unwahrscheinlich, dass jemand die Idee stiehlt;
viele Unternehmer:innen überschätzen dieses
Risiko.
Behauptung #2: «Ich will nicht in rechtliche
Schwierigkeiten geraten, weil ich ein Produkt
verkaufe, das es noch gar nicht gibt.» – Die
Angst vor rechtlichen Konsequenzen ist zu
Beginn irrelevant. Als junges Start-up
interessiert eine Test-Website niemanden. Und
wenn das Unternehmen dann wächst,
kümmern sich Anwält:innen um die rechtlichen
Fragen.
Viel wichtiger, als sich Sorgen darum zu
machen, dass die Idee geklaut oder rechtliche
75
Fehler begangen werden könnten, ist es im
Anfangsstadium, das Feedback von Nut-
zer:innen, Kund:innen oder Interessent:innen
einzuholen und sich auf den Aufbau und die
schnelle Verbesserung des Angebots zu
konzentrieren.
76
Kapitel 10:
Businessmodelle
Es gibt hauptsächlich zwei Arten von Business-
modellen:
B2C (Business-to-Consumer) und B2B (Busi-
ness-to-Business).
Ein bekanntes Unternehmen mit B2B-Ausrich-
tung ist beispielsweise Oracle. Oracle bietet
anderen Firmen eine breite Palette von Soft-
warelösungen zur Verwaltung ihrer Geschäfts-
prozesse an. Den B2C-Modellen möchte ich
mich etwas genauer widmen.
Beliebte B2C-Modelle sind:
● Kauf und Verkauf – Der Handel kann
physisch oder online ablaufen. Amorana ist
ein Beispiel für eine E-Commerce-Firma im
B2C-Bereich.
● Produktion und Verkauf – Einzel- oder
Grosshandel mit eigens produzierten
Gütern.
77
● Abonnements – Hier gibt es verschiedene
Modelle. Eine Mitgliedschaft im Fitness-
studio, ein Zeitungsabo oder eine App zum
Sprachenlernen sind klassische Beispiele.
Aber auch Spotify bietet Abos an.
● Finanzierung durch Werbung – Bleiben wir
bei Spotify. Neben der kostenpflichtigen
Premium-Version im monatlichen Abo gibt
es ausserdem eine werbefinanzierte Gratis-
Option. Wieder andere Unternehmen sind
voll und ganz werbefinanziert. Die Meta-
Plattformen (Facebook, Instagram und
WhatsApp) beispielsweise sind kostenlos.
Nutzer:innen zahlen stattdessen mit ihren
Daten. Bei werbefinanzierten Business-
modellen sind Kund:innen prinzipiell das
Produkt.
● Hybridmodelle – Eine Kombination aus zwei
oder mehreren Einnahmequellen, etwa
E-Commerce und Abonnements. Der E-Com-
merce generiert von Anfang an Cashflow,
während das Abomodell hilft, zu verstehen,
welche Inhalte Kund:innen als wertvoll
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empfinden und wofür sie bereit sind, zu
zahlen. Im Abomodell schwingt immer auch
die Community mit. Das kann man heutzu-
tage hervorragend nutzen.
Welches Businessmodell ist am
einfachsten umzusetzen?
Für den Erfolg eines Geschäftsmodells sind
die richtige Platzierung, das Erreichen einer
grossen Nutzerschaft und die Finanzierung
(sowohl das Ob als auch das Wann),
ausschlaggebend. Meiner Erfahrung nach ist
E-Commerce derzeit eine der einfachsten
Optionen.
E-Commerce – Durch den Verkauf wird hier
von Anfang an Cashflow generiert, mit dem
man Löhne und Marketingausgaben abdecken
kann.
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Zu den schwierigeren Modellen gehören:
Werbebasierte Businessmodelle – Für Start-
ups schwieriger umzusetzen sind werbe-
basierte Businessmodelle. Werbemodelle sind
nur dann erfolgreich, wenn eine grosse Nut-
zer:innenbasis vorhanden ist. Für Nischen-
produkte sind sie daher weniger geeignet.
Abomodelle – Aus Kund:innensicht sind
Abonnements attraktiv, da sie auf den Monat
gerechnet keine grosse Investition erfordern.
Für Unternehmen sind allerdings bedeutende
Anfangsinvestitionen erforderlich, um eine
kritische Masse zu erreichen. Bei Freemium
Abomodellen (wie Spotify) ist die Heraus-
forderung, nicht zahlende Nutzer:innen in
zahlende Abonnent:innen zu konvertieren. Für
Unternehmen, die SaaS-Modelle verkaufen,
lohnt es sich oft nur, wenn ihre Kunden grös-
sere Firmen oder staatliche Institutionen sind.
Haben Start-ups überhaupt eine
Chance gegen die grossen Player?
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Meiner Meinung nach ist es ein Trugschluss zu
glauben, dass die grossen Unternehmen nie
ins Straucheln kommen werden. Sehen wir uns
dazu Yahoo an. In den 2000er Jahren galt das
Unternehmen als unschlagbar, verpasste dann
aber den Anschluss.
Ähnlich verhielt es sich mit Facebook: Hoch im
Kurs von 2014 bis 2016, begann es danach, an
Beliebtheit zu verlieren und erst wieder aufzu-
steigen, nachdem es Instagram und WhatsApp
gekauft hatte. Heute verschiebt sich der Fokus
weiter auf Plattformen wie TikTok. Facebooks
Relevanz nimmt also stetig ab.
Diese Fälle zeigen, dass selbst Marktführer wie
Amazon oder Google nicht für immer an der
Spitze bleiben müssen. Der Markt entwickelt
sich ständig weiter. Ich bin überzeugt, dass
Unternehmen, die sich rechtzeitig anpassen
oder einen Trend aufgreifen, selbst beste-
hende Giganten herausfordern können.
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Schlusswort
Ein Unternehmen zu gründen, erfordert Mut.
Teilst du den Prozess in kleinere Schritte auf,
wird das Risiko überschaubarer und das
Gefühl der Überwältigung schwindet. Alles
beginnt mit einer Idee und dem ersten Schritt,
diese Idee zu verwirklichen.
Lass dich von deiner Vision leiten und baue
Momentum auf. Dieses Momentum führt nicht
selten auf magische Weise zum Durchbruch.
Vielleicht bist du bereits die nächste Person,
die ihre Unternehmer:innenträume Wirklichkeit
werden lässt.
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Stell dir vor, es funktioniert. Wie cool wäre
das?
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