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Pub Rohrblatt24

Das Dokument vergleicht die Entwicklung des deutschen und französischen Fagotts im 19. und 20. Jahrhundert. Es beschreibt wie Klappen zwischen den Systemen ausgetauscht wurden und welche Systeme sich weltweit durchsetzten. Bis ins 20. Jahrhundert war das französische System vorherrschend, bevor sich das deutsche Heckel-System international durchsetzte. Jedoch gab es auch Mischformen und regionale Unterschiede.

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Das Dokument vergleicht die Entwicklung des deutschen und französischen Fagotts im 19. und 20. Jahrhundert. Es beschreibt wie Klappen zwischen den Systemen ausgetauscht wurden und welche Systeme sich weltweit durchsetzten. Bis ins 20. Jahrhundert war das französische System vorherrschend, bevor sich das deutsche Heckel-System international durchsetzte. Jedoch gab es auch Mischformen und regionale Unterschiede.

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Sebastian Werr

‚KLAPPENWANDERUNGEN’ ZWISCHEN DEUTSCHEM UND FRANZÖSISCHEM FAGOTT?


EIN VERGLEICH IHRER ENTWICKLUNGEN IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT

In seiner Urform wurde das heute welt-


weit dominierende Fagott mit Heckel-
System bekanntlich bereits um 1825
von dem Fagottisten Carl Almenräder
(1786–1843) und den Instrumenten-
bauern Carl Friedrich August Jehring
(1798-1837) und dessen Neffen Jo-
hann Adam Heckel (1812–1877) vor-
gestellt. Diese frühen Instrumente unter-
scheiden sich noch in zahlreichen Details
vom modernen Fagott, das vor allem auf
Wilhelm Heckel (1856–1909) zurückgeht;
einige Details wurden aber auch von
konkurrierenden Systemen übernommen.
Hier soll der These nachgegangen wer-
den, dass trotz aller lokalen Eigenheiten
ein fortwährender Austausch zwischen
den Traditionen im Blasinstrumenten-
bau stattfand. Dabei wanderte eine Reihe
von Klappen vom französischen Fagott
(Basson) in das Heckel-System, während
andere wiederum in der Gegenrichtung
übernommen wurden. Um diese Wech-
selbeziehungen nachzuvollziehen, werden
beide Systeme ausführlich verglichen und
es werden Aspekte der Mechanik darge-
stellt, die ursprünglich für das eine System
charakteristisch waren und dann von dem
anderen übernommen wurden.
Auch wenn der Basson heute selbst in
Frankreich auf dem Rückzug ist und sein
Gebrauch sich immer mehr in den Bereich
der historisch informierten Aufführungs-
praxis zu verlagern scheint, war es bis
Fagott um 1900. Abb. aus: Julius Weissenborn, Fagott-Schule, neu bearb. von Carl Schaefer, [Bonn-
weit ins 20. Jahrhundert die weltweit
Bad Godesberg] o.J.
vorherrschende Bauart des Fagotts. Das
Heckel-System konnte sich dagegen auch wurden. Von Deutschland aus verbreitete wenngleich mit dem bis 1980 aktiven Ce-
in Deutschland erst im letzten Drittel des sich das Heckel-Fagott zuerst in Nord- und cil James einer der führenden Bläser dem
19. Jahrhunderts vollständig gegen „Evolu- Osteuropa, während der Basson bis um französischen System verbunden blieb. In
tionsfagotte“ durchsetzen – Instrumente, den Zweiten Weltkrieg im romanischen den USA existierten Fagott und Basson
die von Almenräders Reform kaum be- Sprachraum dominierte; einzelne Musiker lange Zeit nebeneinander, wobei es neben
einflusst waren, sondern Weiterentwick- in italienischen und spanischen Orche- frankophilen Bläsersektionen auch Orche-
lungen des klassischen Fagotts darstellen stern spielten es bis in die 1970er Jahre. In ster wie die New York Philharmonic gab,
und die unter anderem von Wiener Werk- England setzte der Wechsel vom Basson in denen das Fagott Verwendung fand; oft
stätten wie Ziegler oder Stecher gebaut zum Fagott auf breiter Front um 1930 ein,1 wurden beide Bauarten gemeinsam in ei-

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Sebastian Werr

nem Orchester verwendet. Noch viele der Zeugnis der früheren Dominanz des Basson gelte aber, dass das „gleiche Bedürfnis in
ersten in den USA ausgebildeten Musiker auf dem Weltmarkt ist die auf dem nord- Ländern mit gleicher Bildungsstufe zu glei-
lernten anfangs auf dem Basson, der bis in amerikanischen Markt beliebte, u.a. von chen Erfindungen“ führe.4 So erscheint es
die späten 1920er Jahre an der New Yor- der Firma Fox angebotene Ausstattungs- durchaus möglich, dass Almenräders Inno-
ker Juillard School unterrichtet wurde. Der option des äußerlich dem der französi- vation des Metallknies (als Ersatz des Kork-
langjährige Solofagottist des Philadelphia schen Bauart nachempfunden Schallstücks stopfens am Stiefelabguss) durch die – im
Orchestra, Sol Schoenbach, macht für die mit Metallring für professionelle Heckel- Detail allerdings abweichende – Lösung
in diesen Jahren erfolgte Durchsetzung des System-Fagotte; die bestimmt jedoch allein Simiots (1817) angeregt wurde; denkbar
Fagotts in den USA neben dessen generell die Optik – die Fagotte sehen von weitem ist jedoch auch, dass die sich technisch äh-
größerem Klangvolumen die Einführung wie Bassons aus – ohne nennenswerten nelnden Problemlösungen aus identischen
des Tonfilms verantwortlich, denn mit der Einfluss auf den Klang oder die Funktion Fragestellungen resultierten. Ebenso findet
damals zur Verfügung stehenden Aufnah- zu haben.3 sich die dritte Oktavklappe, die sowohl beim
metechnik ließ es sich erheblich besser auf- Heckel- wie dem französischen System
nehmen als der Basson.2 Eine Reihe der aus Wer hat welche Klappe zuerst erst im 20. Jahrhundert üblich wurde, zu-
Europa stammenden Musiker blieb bis zur verwendet? erst bei Fagotten, die keinem der beiden
Pensionierung beim französischen System Systeme zuzuordnen sind (u. a. beim Neu-
wie Raymond Allard (der Onkel von Mau- Angesichts der nur beschränkten Überliefe- kirchner-System).
rice Allard), der bis 1954 die Soloposition rung im Originalzustand erhaltener Instru-
des Boston Symphony Orchestra innehat- mente – vor allem ältere Heckel-Fagotte Hauptlinien der Entwicklung
te. Entsprechend der großen Verbreitung wurden im Laufe der Jahre meist moderni-
des Basson wurden Instrumente außer in siert – und der nicht immer genauen Da- Die Hauptlinien der Entwicklung des Fa-
Frankreich auch in Belgien, Italien, Eng- tierbarkeit lässt sich in einigen Fällen nicht gotts lassen sich jedoch problemlos nach-
land und den USA sowie selbst im deut- exakt feststellen, wer welche Klappe zuerst zeichnen. Anfangs verlief diese, zumindest
schen Sprachraum von exportorientierten verwendet hat. Auch sind Parallelentwick- was das Klappensystem betrifft, in ganz
Firmen wie Kohlert (Graslitz) hergestellt. lungen nicht immer auszuschließen, da aus Europa einheitlich (in der Bohrung unter-
Und auch die Firma Heckel versuchte von akustischen und grifftechnischen Gründen scheiden sich hingegen z. B. Barockfagotte
der Nachfrage zu profitieren, indem sie die Möglichkeiten der Anbringung zusätz- von Eichentopf oder Rottenburgh erheb-
Instrumente anbot, deren Klappensystem licher Klappen begrenzt sind. Im Hinblick lich voneinander). Mit den im 17. Jahrhun-
teilweise dem des Basson angenähert ist, auf die ständigen Klagen der Instrumen- dert vorhandenen Klappen für Kontra-B, D
um darauf ausgebildeten Musikern den tenhersteller, dieser oder jener Konkur- und F – deren Tonlöcher aus akustischen
Umstieg zu erleichtern (da diese Fagotte rent habe eine Erfindung imitiert, kam der Gründen so positioniert sind, dass sie nicht
über Bohrung und damit Klang des nor- Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick im mit den Fingern geschlossen werden konn-
malen Heckel-Fagotts verfügen, sind sie Jahre 1863 zu dem Schluss, dass dies in ten – war das Fagott bereits weitgehend
nicht als Basson zu bezeichnen). Ein spätes Einzelfällen durchaus zutreffe; insgesamt chromatisch spielbar. (Nicht unmöglich,

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'Klappenwanderungen' zwischen deutschem und französischem Fagott

wird. Um 1800 hatte das „Normalfagott“


dann acht Klappen, nämlich „die offene F,
und die geschlossene As oder Gis Klappe;
die tiefe D und B Klappe, die tiefe Es, und
die Fis Klappe, u. auch bey den neuern die
hohe a und c Klappe […]. Die vollständigen
Fagotte sind diese. Fehlt die a und c Klappe,
so sind sie weniger vollständig. Es gibt aber
auch, welchen das Fis, andere, welchen die
Fis und Es Klappe fehlt.“7 Seit der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die hier
von Joseph Fröhlich erwähnten Schleif-
klappen hinzugekommen, die anfangs vor
allem zur Hervorbringung sehr hoher Töne
verwendet wurden. Im ersten Drittel des
19. Jahrhunderts kamen Klappen für B und
cis hinzu, so dass für Wilhelm Schneider im
Jahre 1834 das Fagott mit zehn Klappen
den Normalfall darstellte. Die nachfolgend
besprochenen Verbesserungen waren ihm
bereits bekannt, er kommt jedoch zu dem
Urteil: „In den neuesten Zeiten werden
Fagotte mit noch mehr Klappen gefertigt,
welche aber, ihres hohen Preises wegen,
nicht allgemein sind und werden können.
Almenräder hat jedoch nicht nur den Fa-
gott durch Verlegung der Klappen und
Tonlöcher, in Hinsicht der Gleichmäßigkeit
der Töne, verbessert, sondern bringt diese
wesentlichen Verbesserungen auch an al-
ten Fagotten an.“8

Die Almenräder-Reform

Die erwähnte Almenräder-Reform muss


hier kurz beschrieben werden. In seiner
häufig zitierten Würdigung dieser Verän-
derungen in der Zeitschrift Caecilia geht
Gottfried Weber von der Erkenntnis aus,
dass die Tonlöcher in Blasinstrumenten
vielfach nicht an der Stelle angebracht sind,
an die sie aus akustischen Gründen gehö-
ren. Sie befinden sich teilweise weit höher
als es optimal wäre, was dazu führt, dass sie
Basson um 1900. Abb. aus: Eugène Bourdeau, Grande méthode de basson, Paris o.J.
kleiner ausfallen müssen (ein Tonloch sollte
für Weber den Durchmesser haben wie die
aber nur unsicher hervorzubringen waren spaltete sich die Entwicklung nun erstmals Bohrung). Ein kleinerer Durchmesser hat
Kontra-H und Cis.) Da einige der mit Gabel- auf, während französische Instrumente bis einen ähnlichen Effekt wie das Stopfen
griffen erzeugten Töne hinsichtlich Into- heute die ursprüngliche Variante zeigen, beim Waldhorn: der Ton wird erniedrigt.
nation, Klang und/oder Ansprache aber als die vom linken Daumen geöffnet wurde, Zwar stimme dann die Tonhöhe, die Maß-
problematisch angesehen wurden, kamen führte man – wahrscheinlich geht dies nahme verhindert aber den „klaren, kräfti-
nach und nach weitere Klappen hinzu; zu- auf Heinrich Grenser zurück – um 1800 in gen Klang“9 des so erzeugten Tons. Insbe-
erst gegen 1730 die As-Klappe.5 Die in der Deutschland (wiederum mit Ausnahmen) sondere traf dies für das dritte Griffloch am
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich die noch vorherrschende Lage der Es-Klap- Stiefel zu, das nicht tiefer angebracht wer-
allmählich durchsetzende fünfte Klappe pe auf der Fingerseite ein, wo sie mit dem den konnte, da die Streckmöglichkeit des
war meist6 diejenige für das tiefe Es. Hier kleinen Finger der linken Hand geöffnet Ringfingers begrenzt ist. Almenräder kor-

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Sebastian Werr

rigierte dies, „indem er, statt des bisherigen führte Almenräder ein alternatives As für räder-Reform muss insofern relativiert
viel zu hoch sitzenden und viel zu engen den Daumen ein, was das alte Problem der werden, als er es für die Zeitschrift Caecilia
A-Loches, viel weiter unten – zwar nicht Nichtausführbarkeit schneller Fis-Gis-Ton- verfasste, die vom ersten Hersteller der In-
ein völlig grosses, sondern […] zwei mäs- wechsel löste. Auch die Bassröhre wurde strumente, den Brüdern Schott in Mainz,
sig grosse angebracht hat, über welchen grundlegend umgestaltet. Das Daumenloch herausgegeben wurde – in der Zeitschrift
eine gemeinschaftliche offen stehende wurde mit „einer Deckklappe versehen […], finden sich auch Anzeigen, die für den Kauf
Klappe schwebt, deren Niederdrücken mit welche den Spieler der Sorgfalt überhebt, der Fagotte werben. Julius Weissenborn,
dem rechten Ringfinger die beiden Löcher das Loch jedes Mal durch genaues Auflegen der Autor der noch heute benutzten Fa-
zugleich verschliesst“.10 Der Erfolg dieser des fleischigen Theiles seines Daumens ge- gottschule, äußerte sich dagegen kritisch
Umgestaltung war nach Weber nicht nur nau zu schliessen.“13 Um die volle chroma- über diese Instrumente, denn obgleich
„ein völlig klarer, derber und reiner Klang tische Spielbarkeit auch im tiefen Register „die Vortrefflichkeit dieses Instruments
der sonst immer mangelhaften Töne A und zu erreichen, ergänzte Almenräder Klappen jedermann anerkennen musste, so hatte
a, und auch eine reine Octave A-a“, son- für ,H und Cis. Drei Jahre später veröffent- man bei der Umgestaltung desselben hie
dern auch „eine auf anderen Fagotten nur lichte Weber eine Ergänzung über weitere und da des Guten etwas zuviel getan. Wer
so äusserst selten zu erreichende völlige Verbesserungen, danach hatte Almenräder z. B. an den weichen, zu Herzen sprechen-
Gleichheit der zwischen A und a liegenden die Tonlöcher für D und Es „mehr an ihre den Klang des alten Fagotts gewöhnt war,
Töne“.11 Ähnlich wurde auch die Klappe gehörige Stelle gerückt“, wodurch die C- dem mag zwar der grosse markige Ton des
für B verändert, die bei Fagotten von und Klappe verändert wurde. Eine alternative neuen imponiert haben, aber nicht leicht
nach Grenser nach Ansicht Webers viel zu Fis-Klappe für den kleinen Finger kam am wird es ihm geworden sein, auch mit des-
hoch angebracht war, "weshalb das Ton- Stiefel noch hinzu.14 sen hellem, fast scharfen Klange zu sym-
loch, damit die beabsichtigten Töne nicht phatisieren.“16 Im Laufe der Jahre kamen
zu hoch ausfallen, sehr enge gebohrt wer- Vom modernen Fagott unterscheiden sich etliche Veränderungen hinzu,17 wobei
den [musste], wodurch der Klang an Klar- diese Instrumente mit 16 bzw. 17 Klap- das heutige Fagott im Wesentlichen von
heit, Fülle und Stärke einbüsst“.12 Auch sie pen15 noch erheblich – mit anderen Wor- Wilhelm Heckel stammte, der den väterli-
rückte an eine andere Stelle und erhielt ein ten: es bestand noch Verbesserungsbedarf. chen Betrieb 1877 übernahm und mit der
erheblich vergrößertes Tonloch. Am Stiefel Webers überschwängliches Lob der Almen- 3000er Serie neben Änderungen der Boh-

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'Klappenwanderungen' zwischen deutschem und französischem Fagott

rung – die den von Weissenborn gerügten muss – als 16-klappig. Er verfügte am Flü- lein die Kopplung der Mechanik an den
Klang verbesserten – auch Neuerungen der gel neben den beiden Schleifklappen für a E-Deckel, durch die das Pianoloch in der
Klappenlage einführte: So bekam u. a. der und c’ über Klappen für hoch-es [= e-fis- tiefen Lage automatisch geschlossen wird
E-Deckel die heutige Form und die F-Fis- Triller], cis, es sowie die Pianomechanik, am (dies ist beim Basson nicht notwendig, da
Klappen wurden mittels Durchstechhebel Stiefel für B, F, Gis und Fis, an der Bassröhre der kleine linke Finger hier für die tiefen
gekoppelt. Er verlegte das A-Tonloch noch für D, Es, C, Cis und ,B sowie am Schallstück Töne nicht benötigt wird und auf der Pia-
weiter nach unten und ersetzte die Dop- für ,H.24 Allerdings gehen die beiden Griff- no-Mechanik verbleiben kann.)
pelklappe des alten Heckel-Almenräder- tabellen der Schule für den „basson ordi-
Fagotts durch eine einfache Klappe, die naire“ und den „basson perfectionné“ (für Wechselwirkungen
aber in beide Stiefelbohrungen reichende den Jancourt mitverantwortlich zeichnete)
Tonlöcher deckt.18 darüber hinaus, denn die abgebildeten In- Die Idee einer möglichen Übernahme von
strumente zeigen weiterhin eine Hoch-e- Klappen des Basson am Fagott ist insofern
Basson versus Fagott Klappe. Im späteren 19. Jahrhundert kamen ein nahe liegender Gedanke, als Heckel
noch die Hoch-f-Klappe am Flügel und die wie erwähnt auch Instrumente mit fran-
Während das Almenräder-Fagott sich Triller-Klappe am Stiefel hinzu. zösischen Griffen anbot und daher über
also durch eine tief greifend neu gestal- das Klappensystem bestens orientiert war.
tete Bohrung auszeichnete, blieb diese Unterschiede der beiden Die auch als „Weltsystem“ oder Mucetti-
beim Basson weitgehend unverändert. Systeme System bekannte Bauart Heckels verband
Für Anthony Baines ist er von allen heu- die Klappenlage des Heckel-Systems am
te gebräuchlichen Holzblasinstrumenten Besonders deutlich werden die Unter- Stiefel mit der Ausstattung des Basson am
dasjenige, das sich seit der Zeit Beetho- schiede der beiden Systeme beim Flügel, Flügel. Offensichtlich folgt das Heckel-Sys-
vens am wenigsten verändert hat.19 Daher der beim Basson technisch weit avancier- tem insbesondere mit dem im Laufe des 20.
bewahrte er den Klang des „alten“ Fagotts ter war, denn wie beschrieben, verfügte Jahrhunderts ergänzten e-fis-Triller und
wie auch einige seiner akustischen Män- er (einschließlich Piano-Mechanik) über den hoch-e- und hoch-f-Klappen dem
gel. Die unzureichende Stabilität und Into- 6–825 Klappen. Demgegenüber fanden Vorbild des Basson, wo diese bereits seit
nation verschiedener Töne macht in weit sich auf dem Flügel des Heckel-Systems vielen Jahrzehnten Standard waren. Eine
stärkerem Maße als beim Heckel-System zu dieser Zeit lediglich zwei Schleifklappen Zeitlang bauten Pariser Hersteller ab der
– eher vergleichbar historischen Instru- sowie die cis-Klappe (allesamt für den lin- Mitte des 19. Jahrhunderts Ringklappen an
menten – die Verwendung von vielfach ken Daumen). Im Gegensatz zum Basson den Grifflöchern des Flügels und des Stie-
komplizierten Hilfsgriffen erforderlich. Das fehlte insbesondere die Piano-Mechanik. fesl, die zur Intonationskorrektur einzelner
Geheimnis des Erfolgs des Heckel-Fagotts Zwar ist eine derartige Mechanik bereits Töne Resonanzlöcher öffneten. Erst um
sei: „it makes life easier for the orchestral auf dem Gemälde des Fagottisten Felix 1900 wurden hingegen Ringklappen (wie
player“.20 In seiner Schule betont Maurice Rheiner von Peter Jacob Horemans (1774) der cis-dis-Triller) bei Heckel eingeführt,
Allard ausdrücklich, dass die vollen Griffe zu sehen, aber dies war ohne Folgen ge- wobei die g-Brille (1902), die die Intonation
nur bei längeren Noten und den Anfängen blieben. In Deutschland wurden vereinzelt des sonst zu tiefen g’ korrigiert. Auch wenn
schwieriger Passagen verwendet werden noch bis in die 1930er Jahre Fagotte ohne Ringklappen selbstverständlich von ande-
sollen, sonst aber vereinfachte Technik- jegliche Pianomechanik gebaut (oft wurde ren Blasinstrumenten bekannt waren und
Griffe gebraucht werden sollen.21 Im Ge- diese später nachgerüstet) und das Piano- sie beim Fagott für andere Töne Verwen-
gensatz zum Instrument nach Almenräder, loch wurde direkt am S-Bogen mit einem dung finden als beim Basson, so erscheint
der neben den oben erwähnten Verände- Ventil geschlossen.26 Regelmäßig findet es nahe liegend, das Vorbild hier zu suchen.
rungen auch die Klappen für die tiefsten sich eine Piano-Mechanik dagegen bereits Die französischen Instrumente gingen
Töne neu organisierte und so deren Klang- ab ca. 1840 bei französischen Instrumen- auch in der Anbringung von Rollen voran:
volumen vergrößerte, behielt der Basson ten, bei denen sich nacheinander folgende Finden sich diese am Stiefel des Basson be-
außerdem eine geschlossene Klappe am drei Varianten ausbildeten, die dann meist reits in der Mitte des 19. Jahrhunderts, um
Schallstück, was als eine der Ursachen für gemeinsam zu finden sind: das Hinübergleiten zwischen F und As zu
die Defizite in der tiefen Lage angesehen 1) Öffnen der Schleifklappen (das moderne erleichtern – etwa bei in einem Instrument
werden muss.22 Aus der Not akustische Heckel-System bietet dies inzwischen mit Savarys von 184227 –, so wurden Rollen
Fehler korrigieren zu müssen, verfügte der der so genannten A-Piano-Verbindung an), beim Heckel-System erst im zweiten Drittel
Basson aber bereits in der Mitte des 19. 2) einen Drücker für den kleinen Finger der des 20. Jahrhunderts üblich.
Jahrhunderts im Wesentlichen über das linken Hand (ebenfalls als Extra bei Heckel
heutige Klappensystem. In seiner 1847 er- erhältlich), Aber auch der Basson profitierte vom Fa-
schienenen Schule kennzeichnet Eugène 3) einen Drücker für den Daumen der lin- gott, denn im späten 19. Jahrhundert wur-
Jancourt den zeitgenössischen Basson – als ken Hand. de das dritte Griffloch am Stiefel durch
dessen herausragende Hersteller er Savary In letzterer Form ist sie bekanntlich heute eine Klappe ersetzt. Auch wenn dies we-
jeune, Adler und Buffet-Crampon nennt,23 beim Heckel-System zu finden. Die 1906 sentlich simpler als beim Heckel-Fagott ge-
zu denen noch Triebert ergänzt werden patentierte Innovation Heckels war al- staltet ist (die Klappe bedeckt nur ein einzi-

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Sebastian Werr

ges Tonloch), geht dies wahrscheinlich auf Anmerkungen:


die Ideen Webers und Almenräders zurück. 1 Bekanntlich führte Karl Richter als Leiter des 16 Zitiert nach Gunther Joppig, Zur Entwicklung
In jüngster Zeit kam es zu weiteren Über- Hallé-Orchesters in Manchester das Heckel- des deutschen Fagotts, in: Studia organolo-
nahmen, die als Reaktionen auf das sich Fagott 1899 in England ein, da ihm weder gica. Festschrift für John Henry van der Meer
in Frankreich immer mehr durchsetzende der Stand des englischen Spiels genügte zu seinem fünfundsechzigsten Geburtstag,
noch der Klang des Basson zusagte. Er Tutzing 1987, S. 253–274, hier S. 268.
deutsche Fagott zu sehen sind. Die aktuel- 17 Heckel-Fagotte aus der Mitte des 19. Jahr-
brachte Fagottisten aus Wien mit und lobte
len Basson-Modelle von Buffet-Crampon ein Stipendium zum Studium des Instru- hunderts zeigen gegenüber dem ursprüng-
und Selmer verfügen über eine alternati- ments aus, das der fünfzehnjährige Archie lichen Modell u. a. folgende Veränderungen:
Camden erhielt. Dieser wurde später zu ei- Das Griffloch für den rechten Daumen wurde
ve cis-Klappe für den linken Daumen, wie
nem der profiliertesten englischen Pädago- mit dem so genannten E-Deckel gedeckt,
sie in Deutschland seit ca. 1830 üblich ist, der sich allerdings anfangs an anderer Stelle
gen und bildete zahlreiche Schüler auf dem
während das cis auf französischen Instru- Heckel-System aus. als heute befand. Einführung einer Cis-Klap-
menten traditionell mit dem kleinen Finger 2 William Dietz, A Conversation with Sol Schoen- pe am Stiefel für den linken Zeigefinger und
bach, in: www.idrs.org/publications/DR/ eines zweiten Hebels für B am Stiefel für den
der linken Hand geöffnet wird (als Alter- rechten Daumen, wobei das Tonloch auf die
DR10.3/DR10.3Dietz.html (aufgerufen am
nativgriff verwendet man das Gabel-cis). 20. Februar 2009). andere Seite des Instruments verlegt wurde;
Der Pariser Instrumentenbauer Amaury 3 Freundliche Mitteilung des Instrumentenbau- zugleich wurde die Doppelloch-Klappe auf-
Montac bietet mit dem von seiner Werk- ers Chip Owen der Firma Fox (Elkhart/Indi- gegeben; die Klappen für ,H und ,C werden
ana). miteinander gekoppelt.
statt nachzurüstenden E-Deckel und alter- 4 Eduard Hanslick, Musikalische Instrumente, 18 Weitere Neuerungen waren 1889 die Kaut-
nativer B-Klappe für rechten Daumen (der in: Österreichischer Bericht über die Inter- schukausfütterung des Flügels und der en-
Basson verwendet als zweite Möglichkeit nationale Ausstellung in London 1862, Wien gen Bohrung des Stiefels. 1901 führte He-
den traditionellen Gabelgriff) weitere klas- 1863, S. 430–448, hier S. 440. ckel den Durchstechhebel für die G-Klappe
5 Allerdings gibt es einen früheren Beleg für ein; zuvor war die Mechanik der auf der Dau-
sische Features von Heckel. menseite liegenden, aber auf der Fingerseite
diese Klappe auf einem um 1705 entstan-
denen Prospekt der Werkstatt des Amster- betätigten Klappe außen am Stiefel geführt
damer Instrumentenbauers Coenraad Rijkel. worden.
19 Anthony Baines, Woodwind instruments and
In älteren Texten zur Geschichte des Fa- Siehe: Lyndesay G. Langwill, The Bassoon
and Contrabassoon, London und New York their history, London 1977, S. 153.
gotts ging es meist darum, die „Überlegen- 20 Ebd., S. 155.
1975, S. 35.
heit“ des einen oder anderen Typs zu be- 6 Es gibt (selten) 5-klappige Instrumente, die 21 Maurice Allard, Méthode de Basson, Paris

weisen. Insbesondere Texte von Instrumen- zwar bereits eine Schleifklappe, nicht jedoch 1975, S. 24.
22 Erst in jüngster Zeit gelang es Buffet-Cram-
tenbauern dürfen aber nicht als neutrale die Klappe für Es aufweisen.
7 Joseph Fröhlich, Vollständige Theoretisch- pon und Selmer durch Veränderungen der
historische Abhandlungen missverstanden praktische Musikschule für alle beym Or- Bohrung und die Verlagerung einiger Tonlö-
werden, denn sie waren in erster Linie chester gebräuchliche wichtigere Instru- cher an Bassröhre und Schallstück – diese
Werbeschriften, in denen die Abwertung mente, Bonn o.J., S. 52. liegen nicht mehr wie bisher in einer Reihe
8 Wilhelm Schneider, Historisch-technische Be- (siehe Abbildung) – ein dem Fagott mehr
konkurrierender Hersteller dazu diente, die oder weniger vergleichbares Klangvolumen
schreibung der musicalischen Instrumente
Überlegenheit der eigenen Instrumente ihres Alters, Tonumfangs und Baues, ihrer zu erzeugen.
23 Eugène Jancourt, Méthode théorique et
hervorzuheben. Sie verfälschen überdies Erfinder, Verbesserer, Virtuosen und Schu-
die Geschehnisse nationalistisch, etwa len, nebst einer fasslichen Anweisung zur practique de basson, Paris [1847], S. 1.
24 Ebd., S. 3.
wenn kühn behauptet wird, dass man an- gründlichen Kenntniß und Behandlung der-
25 Die Anzahl der Klappen an den Flügeln älte-
selben, Neiße und Leipzig 1834, S. 25.
nehmen dürfe, dass trotz des italienischen 9 Gottfried Weber, Wesentliche Verbesserun- rer Bassons kann sehr unterschiedlich aus-
Namens „der aus dem Dulcian hervorge- gen des Fagotts, in: Caecilia 2 (1825), S. fallen, da sie die Wünsche des damaligen
gangene Fagott deutscher Werktätigkeit 123–140, hier S. 123. Bestellers wiedergibt.
10 Ebd., S. 126ff. 26 Von Karl Leuschner, dem Solofagottisten der
und deutscher Geistesarbeit entsprun- 11 Ebd., S. 129. Berliner Philharmoniker bis 1955, ist bei-
gen“ sei, „zumal Deutschland im Bau von 12 Ebd., S. 130. spielsweise überliefert, dass er dem zweiten
Blas-Instrumenten im 16. und 17. Jahr- 13 Ebd., S. 132. Fagott Anweisungen gab, wann dieser das
14 Gottfried Weber, C. Almenräder’s weitere Ventil an Leuschners S-Bogen schließen
hundert die Führerrolle innehatte“.28 Wie
Fagott-Verbesserung, in: Caecilia 9 (1828), bzw. öffnen sollte, während er selbst weiter
die oben aufgeführten Beispiele zeigen, spielte. Freundliche Mitteilung von Günter
S. 128f.
ist vielmehr davon auszugehen, dass trotz 15 Im Germanischen Nationalmuseum erhalte- Piesk (Berlin).
27 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum,
aller baulichen Eigenheiten ein steter Aus- ne frühe Instrumente nach Almenräder von
Jehring (GNM, MIJ 20) und Schott (GNM, Inv.-Nr. MIJ 22.
tausch zwischen den verschiedenen Tradi- 28 Wilhelm Heckel, Der Fagott. Kurzgefasste
MIJ 21) verfügen über folgende Ausstattung:
tionen im Blasinstrumentenbau stattfand. Flügel: zwei Schleifklappen, cis. Stiefel: B, Abhandlung über seine historische Ent-
Fis (Daumen) Fis (kleiner Finger), G, F, As- wicklung, seinen Bau und seine Spielweise,
Klappe (Daumen), As (kleiner Finger). Bass- durchgesehen und wesentlich ergänzt von
Der Autor: röhre: D, Es, C, Cis, Kontra-H. Schallstück: Wilhelm Herman Heckel, Leipzig 1931, S.
Kontra-B. Ein Jehring-Fagott im Leipziger 13. Hervorhebungen von Heckel.
PD Dr. Sebastian Werr leitet ein von der Grassi-Museum (Signatur 1396) verfügt zu-
Deutschen Forschungsgemeinschaft sätzlich über eine cis-Klappe am Stiefel, ein
gefördertes Projekt zur Geschichte des weiteres über eine zusätzliche, aber nicht
originale Es-Klappe an der Bassröhre (Sig-
Fagotts im 19. Jahrhundert an der Lud-
natur 3500).
wig-Maximilians-Universität München.

8 rohrblatt · Falkensee · 24 (2009), Heft 1

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