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Die Geschichte handelt von Renate und Erich, die sich nach 15 Jahren auf einem Bahnsteig in Köln unerwartet wiederbegegnen. Sie treffen sich zu einem Gespräch, in dem sie über ihr Leben in der Zwischenzeit berichten. Beide haben beruflichen Erfolg, sind aber nicht verheiratet. Sie verbringen den Tag miteinander, ohne ihre alten Gefühle füreinander offenzulegen. Als Renate mit dem Zug abfährt, bereuen beide, nicht mehr Mut gehabt zu haben.

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Die Geschichte handelt von Renate und Erich, die sich nach 15 Jahren auf einem Bahnsteig in Köln unerwartet wiederbegegnen. Sie treffen sich zu einem Gespräch, in dem sie über ihr Leben in der Zwischenzeit berichten. Beide haben beruflichen Erfolg, sind aber nicht verheiratet. Sie verbringen den Tag miteinander, ohne ihre alten Gefühle füreinander offenzulegen. Als Renate mit dem Zug abfährt, bereuen beide, nicht mehr Mut gehabt zu haben.

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Sie fielen sich unsanft auf dem Bahnsteig 3 a des Kölner Hauptbahnhofs in die Arme
und riefen gleichzeitig: „Du?!“ Es war ein heißer Julivormittag, und Renate wollte in
den D-Zug nach Amsterdam über Aachen. Erich verließ diesen Zug, der von
Hamburg kam. Menschen drängten aus den Wagen auf den Bahnsteig, Menschen
vom Bahnsteig in die Wagen, die beiden aber standen in dem Gewühl, spürten
weder Püffe noch Rempeleien und hörten auch nicht, dass Vorübergehende sich
beschwerten, weil sie ausgerechnet vor den Treppen standen und viele dadurch
gezwungen wurden, um sie herumzugehen. Sie hörten auch nicht, dass der Zug
nach Aachen abfahrbereit war, und es störte Renate nicht, dass er wenige Sekunden
später aus der Halle fuhr.

Die beiden standen stumm, jeder forschte im Gesicht des anderen. Endlich nahm der
Mann die Frau am Arm und führte sie die Treppen hinunter, durch die Sperre, und in
einem Café in der Nähe des Doms tranken sie Tee.

„Nun erzähle, Renate. Wie geht es dir? Mein Gott, als ich dich so plötzlich sah ... du
... ich war richtig erschrocken. Es ist so lange her, aber als du auf dem Bahnsteig fast
auf mich gefallen bist ...“
„Nein“, lachte sie, du auf mich.“
„Da war es mir, als hätte ich dich gestern zum letzten Mal gesehen, so nah warst du
mir. Und dabei ist es so lange her ...“
„Ja“, sagte sie. „Fünfzehn Jahre.“
„Fünfzehn Jahre? Wie du das so genau weißt. Fünfzehn Jahre, das ist ja eine
Ewigkeit.
Erzähle, was machst du jetzt? Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Wo fährst du
hin?“
„Langsam Erich, langsam, du bist noch genauso ungeduldig wie vor fünfzehn Jahren.
Nein, verheiratet bin ich nicht, die Arbeit, weißt du. Wenn man es zu etwas bringen
will, weißt du, da hat man eben keine Zeit für Männer.“
„Und was ist das für Arbeit, die dich von den Männern fernhält?“
Er lachte sie an, sie aber sah aus dem Fenster auf die Tauben. „Ich bin jetzt Leiterin
eines Textilversandhauses hier in Köln, du kannst dir denken, dass man da von mor-
gens bis abends zu tun hat und ...“
„Donnerwetter!“, rief er und klopfte mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Donnerwetter! Ich gratuliere.“
„Ach“, sagte sie und sah ihn an. Sie war rot geworden. Formatted: English (U.S.)
„Du hast es ja weit gebracht, Donnerwetter, alle Achtung. Und jetzt? Fährst du in
Urlaub?“
„Ja, vier Wochen nach Holland. Ich habe es nötig, bin ganz durchgedreht ... Und du,
Erich, was machst du? Erzähle. Du siehst gesund aus.“
Schade, dachte er, wenn sie nicht so eine Bombenstellung hätte, ich würde sie jetzt
fragen, ob sie mich noch haben will. Aber so? Nein, das geht nicht, sie würde mich
auslachen, wie damals.
„Ich?“, sagte er gedehnt und brannte sich eine neue Zigarette an. „Ich ... ich ... Ach
weißt du, ich habe ein bisschen Glück gehabt. Habe hier in Köln zu tun. Habe umge-
sattelt, bin seit vier Jahren Einkaufsleiter einer Hamburger Werft, na ja, so was
Besonderes ist das nun wieder auch nicht.“

„Oh“, sagte sie und sah ihn starr an, und ihr Blick streifte seine großen Hände, aber
sie fand keinen Ring. Sie erinnerte sich, dass sie vor fünfzehn Jahren nach einem
kleinen Streit auseinandergelaufen waren, ohne sich bis heute wiederzusehen. Er
hatte ihr damals nicht genügt, der schmalverdienende und immer ölverschmierte
Schlosser. Er sollte es erst zu etwas bringen, hatte sie ihm damals nachgerufen, viel-
leicht könne man später wieder darüber sprechen. So gedankenlos jung waren sie
damals. Ach ja, die Worte waren im Streit gefallen und trotzdem nicht böse gemeint.
Beide aber fanden danach keine Brücke mehr zueinander. Sie wollten und wollten
doch nicht. Und nun? Nun hatte er es zu etwas gebracht.

„Dann haben wir ja beide Glück gehabt“, sagte sie und dachte, dass er immer noch
gut aussieht. Gewiss, er war älter geworden, aber das steht ihm gut. Schade, wenn
er nicht so eine Bombenstellung hätte, ich würde ihn fragen, ja, ich ihn, ob er noch an
den dummen Streit von damals denkt und ob er mich noch haben will. Ja, ich würde
ihn fragen. Aber jetzt?
„Jetzt habe ich dir einen halben Tag deines Urlaubs gestohlen“, sagte er und wagte
nicht, sie anzusehen.
,,Aber Erich, das ist doch nicht so wichtig, ich fahre mit dem Zug um fünfzehn Uhr.
Aber ich, ich halte dich bestimmt auf, du hast gewiss einen Termin hier.“
„Mach dir keine Sorgen, ich werde vom Hotel abgeholt. Weißt du, meinen Wagen
lasse ich immer zu Hause, wenn ich längere Strecken fahren muss. Bei dem Verkehr
heute, da kommt man nur durchgedreht an.“
„Ja“, sagte sie. „Ganz recht, das mache ich auch immer so.“ Sie sah ihm nun direkt
ins Gesicht und fragte: „Du bist nicht verheiratet? Oder lässt du Frau und Ring zu
Hause?“ Sie lachte etwas zu laut für dieses vornehme Lokal.
„Weißt du“, antwortete er, „das hat seine Schwierigkeiten. Die ich haben will, sind
nicht zu haben oder nicht mehr, und die mich haben wollen, sind nicht der Rede wert.
Zeit müsste man eben haben. Zum Suchen meine ich. Zeit müsste man haben.“ Jetzt
müsste ich ihr sagen, dass ich sie noch immer liebe, dass es nie eine andere Frau
für mich gegeben hat, dass ich sie all die Jahre nicht vergessen konnte. Wie viel?
Fünfzehn Jahre?
Eine lange Zeit. Mein Gott, welch eine lange Zeit. Und jetzt? Ich kann sie doch nicht
mehr fragen, vorbei, jetzt wo sie so eine Stellung hat. Nun ist es zu spät, sie würde
mich auslachen, ich kenne ihr Lachen, ich habe es im Ohr gehabt, all die Jahre.
„Fünfzehn? Kaum zu glauben.“
„Wem sagst du das?“ Sie lächelte. „Entweder die Arbeit oder das andere“, echote er.
Jetzt müsste ich ihm eigentlich sagen, dass er der einzige Mann ist, dem ich blind
folgen würde, wenn er mich darum bäte, dass ich jeden Mann, der mir begegnete,
sofort mit ihm verglich. Ich sollte ihm das sagen. Aber jetzt? Jetzt hat er eine
Bombenstellung, und er würde mich nur auslachen, nicht laut, er würde sagen, dass
... ach ... es ist alles so sinnlos geworden.

Sie aßen in demselben Lokal zu Mittag und tranken anschließend jeder zwei
Kognaks. Sie erzählten sich Geschichten aus ihren Kindertagen und später aus ihren
Schultagen. Dann sprachen sie über ihr Berufsleben, und sie bekamen Respekt
voreinander, als sie erfuhren, wie schwer es der andere gehabt hatte bei seinem
Aufstieg.
„Ja, ja“, sagte sie; „genau wie bei mir“, sagte er.
„Aber jetzt haben wir es geschafft“, sagte er laut und rauchte hastig.
„Ja“, nickte sie. „Jetzt haben wir es geschafft.'“ Hastig trank sie ihr Glas leer.
Sie hat schon ein paar Krähenfüßchen, dachte er. Aber die stehen ihr nicht einmal
schlecht.

Noch einmal bestellte er zwei Schalen Kognak, und sie lachten viel und laut.
Er kann immer noch so herrlich lachen, genau wie früher, als er alle Menschen
einfing mit seiner ansteckenden Heiterkeit. Um seinen Mund sind zwei steile Falten,
trotzdem sieht er wie ein Junge aus, er wird immer wie ein Junge aussehen, und die
zwei steilen Falten stehen ihm nicht einmal schlecht. Vielleicht ist er jetzt ein richtiger
Mann, aber nein, er wird immer ein Junge bleiben.
Kurz vor drei brachte er sie zum Bahnhof.

„Ich brauche den Amsterdamer Zug nicht zu nehmen“, sagte sie. „Ich fahre bis
Aachen und steige dort um. Ich wollte sowieso schon lange einmal das Rathaus
besichtigen.“

Wieder standen sie auf dem Bahnsteig und sahen aneinander vorbei. Mit leeren
Worten versuchten sie die Augen des anderen einzufangen, und wenn sich dann
doch ihre Blicke trafen, erschraken sie und musterten die Bögen der Halle.
Wenn ich jetzt ein Wort sagen würde, dachte er, dann ...
„Ich muss jetzt einsteigen“, sagte sie. „Es war schön, dich wieder einmal zu sehen.
Und dann so unverhofft ...“
„Ja, das war es.“ Er half ihr beim Einsteigen und fragte nach ihrem Gepäck.
„Als Reisegepäck aufgegeben.“
„Natürlich, das ist bequemer“, sagte er.
Wenn er jetzt ein Wort sagen würde, dachte sie, ich stiege sofort wieder aus, sofort.
Sie reichte ihm aus einem Abteil erster Klasse die Hand. „Auf Wiedersehen, Erich
... und weiterhin ... viel Glück.“
Wie schön sie immer noch ist. Warum nur sagt sie kein Wort.
„Danke, Renate. Hoffentlich hast du schönes Wetter.“
„Ach, das ist nicht so wichtig. Hauptsache ist das Faulenzen, das kann man auch bei
Regen ...“
Der Zug ruckte an. Sie winkten nicht, sie sahen sich nur in die Augen, solange dies
möglich war.
Als der Zug aus der Halle gefahren war, ging Renate in einen Wagen zweiter Klasse
und setzte sich dort an ein Fenster. Sie weinte hinter einer ausgebreiteten
Illustrierten.
Wie dumm von mir. Ich hätte ihm sagen sollen, dass ich immer noch die kleine Ver-
käuferin bin. Ja, in einem anderen Laden, mit zweihundert Mark mehr als früher, aber
– ich verkaufe immer noch Herrenoberhemden wie früher, und Socken und
Unterwäsche. Alles für den Herrn. Ich hätte ihm das sagen sollen. Aber dann hätte er
mich ausgelacht, jetzt, wo er ein Herr geworden ist. Nein, das ging doch nicht. Aber
ich hätte wenigstens nach seiner Adresse fragen sollen. Wie dumm von mir, ich war
aufgeregt wie ein kleines Mädchen, und ich habe gelogen, wie ein kleines Mädchen,
das imponieren will. Wie dumm von mir.
Erich verließ den Bahnhof und fuhr mit der Straßenbahn nach Ostheim auf eine
Großbaustelle. Dort meldete er sich beim Bauführer.
„Ich bin der neue Kranführer.“
„Na, sind Sie endlich da? Mensch, wir haben schon gestern auf sie gewartet. Also
dann, der Polier zeigt Ihnen Ihre Bude, dort drüben in den Baracken. Komfortabel ist
es nicht, aber warmes Wasser haben wir trotzdem. Also dann, morgen früh, pünktlich
sieben Uhr.“

Ein Schnellzug fuhr Richtung Deutz. Ob der auch nach Aachen fährt? Ich hätte ihr
sagen sollen, dass ich jetzt Kranführer bin. Ach, Blödsinn, sie hätte mich nur
ausgelacht, sie kann so verletzend lachen. Nein, das ging nicht, jetzt, wo sie eine
Dame geworden ist und eine Bombenstellung hat.

von Max von der Grün aus: Etwas außerhalb der Legalität. München: Luchterhand
Verlag, 1980

Vokabeln
BM NN
abfahrbereit klar til avgang klar til avgang
auslachen le av noen le av nokon
die Baracke brakken brakka
der Bauführer anleggslederen anleggsleiaren
begegnen møte møte
das Berufsleben yrkeslivet yrkeslivet
beschweren klage over klage over
der Blödsinn dumheten dumskapen
die Bude bua, slang: boligen bua, slang: bustaden
damals den gang den gongen
das Donnerwetter tordenværet torevêret
durchgedreht gal galen
der Einkaufsleiter innkjøpssjefen innkjøpssjefen
die Falten rynkene rynkene
faulenzen late seg, drive dank late seg, drive dank
das Gepäck bagasjen bagasjen
das Gewühl vrimmelen vrimmelen
die Heiterkeit munterheten moroa
der Kranführer kranføreren kranføraren
die Maske masken maska
mustern mønstre, inspisere mønstre, inspisere
ölverschmiert skitten av olje skiten av olje
die Rempelei dyttingen dyttinga
schmalverdienend lavtlønnet lågtlønt
der Schnellzug hurtigtoget hurtigtoget
starr stiv stiv
der Streit krangelen krangelen
die Taube duen dua
das Textilversandhaus postordrefirma for klær postordrefirma for klede
vorübergehend forbigående forbigåande
ungeduldig utålmodig utolmodig
unsanft ublid, hardhendt ublid, hardhendt
verletzend sårende sårande
Worum geht’s?
1. Wo treffen sich die beiden Hauptpersonen?
2. Wie ist ihr Verhältnis gewesen?
3. Wie ist heute die Stimmung zwischen den beiden?
4. Warum lügen sie?
5. Wie endet die Kurzgeschichte?

Sag mal was!


Arbeitet zu zweit und spielt die Kurzgeschichte als Rollenspiel.

Schreib mal was!


Schreib ein neues Ende für die beiden.

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