Bodhi
Bodhi
Bodhi
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Der InterSein-Orden
Der Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publika
tionen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Geneh-
migung des Autors.
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Inhaltsverzeichnis
Japanisches Kinderlied...........................................................................................30
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Der Bodhisattva-Weg - eine kleine Einführung
Der Buddha hat in vielen seiner Lehrreden darauf hingewiesen, daß unser
Leiden seine Wurzeln in unseren Gewohnheiten von Verlangen (Gier),
Aversion (Hass) und Unwissenheit hat. Hierbei meint Unwissenheit das
Nicht-Verstehen der Verbundenheit allen Lebens und aller Dinge - und
tatsächlich scheint diese Unwissenheit die tiefste Quelle allen Leidens zu
sein, denn nur, wenn wir uns unverbunden sehen und isoliert fühlen, sind
wir fähig zu jenem blinden Egoismus, der anderen Lebewesen Schmerz und
Leiden zufügt und die Ökosysteme dieser Erde rücksichtslos zerstört.
Ob es sich um die Destruktivität in unseren Familien, in unserer Gesell-
schaft, des internationalen Kapitalismus, oder um jene ungezählten Kriege
handelt - all dies hat ja implizit die hartnäckige Illusion eines isolierten
"Ich" oder "Wir" zur Voraussetzung.
Traditionell gilt im Buddhismus die Vipassanâ-Meditation, häufig auch
Einsichts-Meditation genannt, als der geeignete Weg, um zu einer wirk-
lichen und befreienden Einsicht in das "Nicht-Ich" zu gelangen.
Insbesondere im Mahâyâna-Buddhismus wird aber auch der Weg des
Dienens, des Mitgefühls und der "Selbst-losen" Liebe als ein Weg des Er-
wachens zur Wirklichkeit unserer innigen Verbundenheit betont:
im Üben von selbstlosem Denken, Reden und Handeln, überschreiten wir
manchmal viel müheloser die Grenzen unserer egoistischen Selbst-Be-
zogenheit als in so manch langem Rückzug zur Meditation. Auch kann uns
der Weg des mitfühlenden und weisen Handelns auf eine sehr schöne und
konstruktive Weise mit Menschen auf anderen geistigen und religiösen We-
gen verbinden und so zum Frieden in dieser Welt beitragen.
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und das Seine zu suchen, der wird durch diese Liebe zu einem Wesen
befähigt, alle Wesen zu lieben und Bodhicitta in sich zu erzeugen, be-
ziehungsweise es durchbrechen zu lassen. Dann werden seine Lippen
vielleicht ähnliche Worte finden, wie sie einst Shântideva fand:
Als ein Beispiel seien weiter unten die Vierzehn Übungswege der
Achtsamkeit des buddhistischen Ordens InterSein (InterBeing, Tiêp
Hiên) widergegeben. Dieser Orden wurde 1964 während des Vietnam-
krieges von dem vietnamesischen Mönch, Dichter und Friedensaktivisten
Thich Nhat Hanh in Vietnam gegründet.
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"Wenn ich gut zu jemandem bin, dann wird er oder sie Güte erlernen und
daraufhin auch gut zu anderen sein. Wenn ich nicht gut zu jemandem bin,
dann wird er oder sie Hass und Ärger in sich nähren und dies auch an an -
dere weitergeben. Wenn die Welt nicht gut ist, dann muss ich meine Be-
mühungen verstärken, selbst gut zu sein.
Sich um andere zu kümmern ist dasselbe, wie sich um sich selbst zu küm-
mern. Wenn ich andere respektiere und ihnen diene, diene ich allen
Buddhas überall auf der Welt. Dies wird Großes Mitgefühl genannt.
Mitgefühl ist ein glücklicher Zustand des Geistes.
Wenn wir uns selbst durch Achtsamkeit schützen, dann schützen wir auch
andere. Wenn wir andere Lebewesen durch mitfühlendes Handeln schützen,
dann schützen wir auch uns selbst."
Der Erhabene sprach zu den Mönchen: "Befreit bin ich, ihr Mönche, von
allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch menschlichen.
Befreit seid ihr, ihr Mönche, von allen Fesseln, sowohl göttlichen als auch
menschlichen.
Geht, ihr Mönche, in die Welt, vielen Wesen zum Wohle, vielen Wesen zum
Glücke, aus Mitgefühl mit der Welt, zum Nutzen, Wohl und Glück von
Göttern und Menschen.
Mögen nicht zwei den selben Weg gehen. Verkündet, ihr Mönche, die
Lehre, die am Anfang gute, in der Mitte gute, am Ende gute, die sinnvolle,
die wortgetreue, predigt den vollständigen, völlig geläuterten Reinheitswan-
del.
Es gibt Wesen mit wenig Staub auf den Augen, die werden die Lehre ver-
stehen; würden sie die Lehre nicht hören, gingen sie wieder abwärts."
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Schutz durch Rechte Achtsamkeit (Samyutta Nikâya 47,19)
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Die Bodhisattva-Gelübde im Chan / Zen
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Die Bodhisattva-Gelübde im Mahâyâna
(Shântideva: Bodhicaryâvatâra, aus Kapitel III )
Möge ich den Schutzlosen ein Beschützer sein, ein Führer den Reisenden,
denen die zum anderen Ufer wollen, ein Boot, ein Damm, eine Brücke,
eine Lampe für die, die eine Lampe brauchen, ein Bett für die, die ein Bett
brauchen, ein Diener für alle Lebewesen, die einen Diener brauchen.
Möge ich den Lebewesen ein Wunschjuwel sein, ein Glückskrug, eine
Zauberformel, ein Wunderheilkraut, ein Wunschbaum und eine Wunschkuh.
So wie die Erde und die drei anderen Elemente, zusammen mit dem Raum, alle
Wesen beständig nähren und stützen, möge auch ich zu einer solchen Quelle der
Nahrung und Stütze für alle Wesen werden, die den Raum ausfüllen, solange noch
nicht alle Wesen den Frieden erlangt haben.
Wenn die Buddhas der früheren Zeiten sich dem Bodhicitta, dem Herz-Geist der
Erleuchtung, verpflichteten, beschritten sie stufenweise den Pfad der Bodhisattva-
Praxis.
So verpflichte auch ich mich dem Bodhicitta zum Wohle aller Wesen
und werde stufenweise den Pfad der Bodhisattva-Praxis beschreiten.
Heute ist meine Geburt fruchtbar geworden; meine Geburt als Mensch hat eine
Berechtigung erhalten. Heute wurde ich in Buddhas Familie geboren.
Jetzt bin ich ein Kind Buddhas. Jetzt bin ich entschlossen, Handlungen
auszuführen, die meiner Familie würdig sind. Ich werde die Reinheit dieser
fehlerlosen, edlen Familie nicht beschmutzen.
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Die Vierzehn Übungswege der Achtsamkeit des Ordens InterSein
Der InterSein-Orden betrachtet den Geist von Weisheit und Mitgefühl für
wichtiger als irgendeine spezifische buddhistische Institution oder Tradi-
tion. Im Jahr 2001 gehörten dem InterSein-Orden weltweit etwa 500 Mit-
glieder an, die in 12 Ländern lebten und das Buddha-Dharma praktizierten,
davon etwa 50 im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich,
Schweiz). Bis ins Jahr 2020 hat sich die Zahl der deutschsprachigen
Ordens-Mitglieder etwa verdreifacht, einige davon Mönche und Nonnen, in
der Mehrzahl aber Laien.
Alle Mitglieder des Ordens haben sich verpflichtet, die 'Vierzehn Übungs-
wege der Achtsamkeit' in ihrem Alltag beständig zu praktizieren und so bei
sich selbst, in der Familie und der Gesellschaft den Wandel hin zu mehr
Verständnis und Mitgefühl zu fördern.
Für eine weiterführende Lektüre siehe:
EinsSein, Thich Nhat Hanh, Theseus Verlag, 1991, Berlin.
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es uns ermöglichen, durch tiefes Schauen Verstehen und Mitgefühl
zu entwickeln. Sie sind keine Dogmen, für die gekämpft, getötet oder
gestorben werden sollte.
2. Im Bewußtsein des Leides, das durch Anhaften an Ansichten und
falschen Wahrnehmungen entsteht, sind wir entschlossen, Engstir-
nigkeit zu vermeiden und uns nicht an unsere gegenwärtigen An-
sichten zu binden. Wir wollen das Nicht-Anhaften an Ansichten
üben, um für die Einsichten und Erfahrungen anderer offen zu sein.
Wir sind uns bewußt, daß unser derzeitiges Wissen keine unver-
änderliche, absolute Wahrheit ist. Da sich Wahrheit nur im Leben
selbst findet, wollen wir in jedem Augenblick das Leben in uns und
um uns herum achtsam wahrnehmen und bereit sein, ein Leben lang
zu lernen.
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6. Im Bewußtsein des Leides, das durch Hass und Ärger entsteht, sind
wir entschlossen, die Energie des aufsteigenden Ärgers achtsam
wahrzunehmen, um seine in den Tiefen unseres Bewußtseins liegen-
den Samen zu erkennen und zu verwandeln. Wenn Ärger in uns auf-
kommt, wollen wir nichts tun oder sagen, sondern achtsames Atmen
und achtsames Gehen praktizieren und ihn annehmen, ihn mit unse-
rer Achtsamkeit umarmen und tief in ihn hineinschauen. Wir wollen
lernen, diejenigen, die wir für die Verursacher unseres Ärgers halten,
mit mitfühlenden Augen zu sehen.
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beim Namen zu nennen, selbst dann, wenn wir dadurch unsere
eigene Sicherheit gefährden.
10.Im Bewußtsein, daß die Übung des Verstehens und Mitfühlens Sinn
und Ziel einer Sangha ist, sind wir entschlossen, die Gemeinschaft
weder zum Zwecke persönlichen Vorteils oder Gewinns zu benutzen,
noch sie in ein politisches Instrument zu verwandeln. Eine spirituelle
Gemeinschaft sollte jedoch deutlich Stellung beziehen gegen Unter-
drückung und Unrecht und sollte bemüht sein, entsprechende Zu-
stände zu verändern, ohne sich in parteiliche Konflikte verstricken zu
lassen.
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14.(Für Männer und Frauen im Weltleben):
Im Bewußtsein, daß sexuelle Beziehungen, die durch Begierde
ausgelöst werden, das Gefühl der Einsamkeit nicht zum Schwinden
bringen können, sondern noch mehr Leiden, Frustration und Ein-
samkeit hervorrufen, sind wir entschlossen, ohne gegenseitiges Ver-
stehen, ohne Liebe und ohne eine langfristige und verpflichtende
Bindung keine sexuelle Beziehung einzugehen. Wir sind uns bewußt,
daß sexuelle Beziehungen die Ursache für zukünftiges Leid sein kön-
nen. Wir wissen, daß wir unsere eigenen und die Rechte und Ver-
pflichtungen anderer respektieren müssen, wenn wir unser eigenes
und das Glück anderer bewahren wollen. Wir wollen alles tun, was in
unserer Macht steht, um Kinder vor sexuellem Mißbrauch zu schüt-
zen und um zu verhindern, daß Paare und Familien durch sexuelles
Fehlverhalten entzweit werden. Wir wollen unseren Körper rück-
sichtsvoll behandeln und unsere Lebensenergien (die sexuelle, den
Atem, den Geist) der Verwirklichung unseres Bodhisattva-Ideals
widmen. Wir wollen uns der Verantwortung voll bewußt sein, neues
Leben in die Welt zu setzen, und wir wollen die Welt, in die wir neue
Wesen setzen, zum Gegenstand unserer Meditation machen.
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Die Gelöbnisse der Bodhisattvas (Brahmajala-Sutra)
Das Brahmajala-Sutra (skrt.) ist auch unter den Namen The Sutra of
Brahma's Net, Fan-wang-jing (chin.), Bommô-kyô (jap.) bekannt.
Der folgende Textauszug ist entnommen aus Grosser Weg - Texte des Zen,
Dieter Bünker, Deutsche Buddhistische Union, München, 1989.
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An diesem Tag der Ordination will ich Euch den großen Schatz der
Gelöbnisse des Bodhisattva geben. Hier im wesentlichen, was das
einleitende Gedicht des Brahmajala-Sutra (skrt.) sagt:
Die Gelöbnisse bewahren bedeutet, Körper und Rede zu läutern und sich
den Geist der rechten Konzentration anzueignen. Viel zuhören erschafft die
wahre Weisheit. Aus diesem Grund sind die Gelöbnisse die tiefe Wurzel.
Die Gelöbnisse sind die Schatzkammer des wunderbaren Dharma und der
die Welt übersteigende Schatz. Sie sind der große Lastkahn oder die be-
scheidene Barke, mit denen man den Ozean des Lebens und des Todes
überquert.
Die Gelöbnisse sind der See der Reinheit und der Frische, der die bren-
nenden Schmerzen wäscht und badet. Sie sind das Schwert der Verwegen-
heit, das die verderblichen Gifte der Boshaftigkeit neutralisiert.
Die Gelöbnisse sind der letzte Begleiter am Ende, der hilft, die heim-
tückischen Fallen auf dem Weg zu überwinden. Sie sind das Tor zum wohl-
schmeckenden Nektar, woran alle Weisen sich frei vergnügen.
Die Gelöbnisse sind die Wassergräben der Dharmafestung, die beim Auf-
stand der Illusionen den Zugang versperren. Sie sind ein starker und tapfe-
rer General, der die Armeen der Dämonen vernichtet.
Die Gelöbnisse sind das Kleinod der Freiheit, das den Menschen mit dem
unschätzbaren Schatz versieht. Sie sind die Höhen der Warte, von wo aus
man vergnügt in allen Samadhis spielt.
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Die Gelöbnisse zu bewahren bedeutet, die Erde zu ebnen, auf der sich die
Bleibe des Zen Samadhi erheben soll, und das Licht der grenzenlosen Weis-
heit erzeugen zu können und davon das strahlende Leuchten zu erhalten.
Die erhabene Macht der Samadhi Weisheit zu erlangen, die Myriaden
Handlungen in ihrer Fülle zu vollbringen, und den Weg des Buddha zu
vollenden, die Wurzel von alledem sind die Gelöbnisse.
Daher weiser Mensch, behüte die Gelöbnisse mit einem festen und
beständigen Geist. Höre auf, dein Leben zu vergeuden und gib acht, sie
nicht zu brechen.
Trägst du auch nur das winzigst kleine Vergehen in dir, so muss dein Geist
darauf mit Schrecken und Furcht antworten. Wenn du einen Fehler begehst,
so bereue ihn aufrichtig und fasse den Entschluss, ihn nie mehr zu begehen.
Wird der Geist wie ein gallopierendes Pferd auf den schlechten Weg ge-
führt, wird er, wild gemacht, für immer unbezähmbar bleiben. Wenn du je-
doch nicht von den vom Buddha gegebenen Gelöbnissen abläßt, kannst du
die Zügel souverän unter Kontrolle halten.
Buddha selbst hat die Gelöbnisse gelehrt. Der tugendhafte Mensch kann da-
ran glauben und sie nehmen. Ein solcher Mensch besteigt ein folgsames
Pferd, und erkann die Armeen der Illusionen vernichten.
Der Mensch muss die Gelöbnisse achten und schützen, so wie die Kuh ih-
ren Schwanz sehr schätzt. Man muss seinen Geist verankern und ihn nicht
irreleiten, wie den Affen, der fest angekettet ist.
Ohne diese unabweisliche Lehre des Buddha anzunehmen und ohne die
Gelöbnisse zu schätzen und sich an ihnen zu freuen, kann man sein
Reitpferd nicht lenken und wird im Kampf von Leben und Tod scheitern.
Wer sich unablässig Tag und Nacht mit Sorgfalt bemüht, und sich inbrünstig
nach der ursprünglichen Weisheit sehnt, der befindet sich im Dharma des
Buddha und kann das ewige Leben der Lauterkeit und Klarheit erlangen.
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Englische übertragen und veröffentlicht in Buddhist Writings, Rev. H.
Nearman, Shasta Abbey Press, 1994/1998, Mt. Shasta, California, USA.
Die deutsche Übertragung, die Kommentare und die Interpretationen (insb.
der 48 geringeren, ergänzenden Gelübde) stammt von M.B. Schiekel (Ulm,
2002).
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Die 10 grundlegenden Gelübde der Bodhisattvas
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Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr sexuellen Miß-
brauch begehen, vorsätzlich jemand anderen dazu bewegen, andere
dazu ermutigen, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen
Verhalten beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung,
die den Ausschluß verdient.
Bitte begebt euch nicht willentlich und wissentlich in unheilsame
sexuelle Aktivitäten. Solltet ihr gierig und lüstern solch unheilsame
Aktivitäten mit einem Menschen, einem Tier, einem Deva, einem
Toten oder einem Geist ausüben, so begeht ihr eine schwerwiegende
Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
Als Bodhisattvas kultiviert ein Herz voller Respekt und Hingabe, um
alle fühlenden Wesen zu retten, sie an das Andere Ufer zu geleiten
und um die Menschheit zu läutern.
Wenn du im Gegensatz dazu absichtlich jemanden zu sexuellem
Mißbrauch bewegst oder anstiftest - einschließlich deiner Mutter,
Tochter, Schwester, oder einer anderen engen Verwandten, oder gar
einem Tier - und auf eine zügellose Weise handelst, die deinen
Mangel an Wohlwollen und Mitgefühl offenbart, so bist du ein
Bodhisattva, der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den
Ausschluß verdient.
Kommentar:
◦ dieses Gelübde richtet sich an Laien, da buddhistische Mönche
und Nonnen ja gemäß den Vinaya-Regeln auf jegliche Sexualität
verzichten;
◦ was hier mit den Begriffen 'sexueller Mißbrauch' oder
'unheilsame sexuelle Aktivitäten' übertragen wurde, heißt in den
alten buddhistischen Schriften oft 'zügellose Gier in Sinnes-
dingen'; gemeint sind Aktivitäten, die ein anderes Lebewesen zu
einem Objekt der Lust herabwürdigen, anstatt diesem Wesen mit
Aufrichtigkeit, Liebe und Verständnis zu begegnen).
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Wenn du im Gegensatz dazu falsche Worte, falsche Gedanken, oder
falsche Handlungen in anderen aufwühlst, so bist du ein Bodhisattva,
der eine schwerwiegende Verfehlung begeht, die den Ausschluß ver-
dient.
Kommentar:
◦ dies beinhaltet auch den 'Wein der Illusion', aber nicht den
legitimen medizinischen Gebrauch von Drogen;
◦ zum persönlichen Gebrauch von Rauschmitteln siehe das zweite
der 48 geringeren, ergänzenden Gelübde.
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Wenn du im Gegensatz dazu als ein Bodhisattva selbst bösen Klatsch
verbreitest und abschätzig über Handlungen von Menschen im
Buddhadharma redest, die im Gegensatz zu den Gelübden zu stehen
scheinen, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung, die den
Ausschluß verdient.
Kommentar:
◦ die Intention dieses Gelübdes ist es, unheilsame Sprache,
Disharmonie in der Sangha und den Verlust von Vertrauen in
Buddha, Dharma und Sangha zu vermeiden;
◦ keinesfalls sollte dieses Gelübde als Vorwand benutzt werden, um
destruktive Verhaltensweisen, wie sexuellen Mißbrauch,
Mißbrauch von Macht und Geld oder kriminelle Handlungen zu
ignorieren oder zuzudecken. Der Schaden und Vertrauensverlust
durch das Fortwirken solch unheilsamer Handlungen im Ver-
borgenen ist ja regelmäßig weitaus gravierender, als eine kurz-
fristige Irritation der Sangha beim Bemühen um Wahrhaftigkeit
und Reinigung;
◦ es ist also bei der Anwendung dieses Gelübdes stets auch das
Gelübde Nr. 4 "Nicht lügen, sondern wahrhaftig und konstruktiv
reden" zu berücksichtigen.
8. Nicht geizig sein mit materiellen Mitteln oder mit dem Dharma,
sondern Großzügigkeit üben.
Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr habgierig und
geizig sein, Habgier und Geiz bei anderen Menschen ermutigen oder
fördern, oder euch auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten
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beteiligen, so begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den
Ausschluß verdient.
Wenn ihr als Bodhisattvas einem armen und mittellosen Menschen
begegnet, der zum Betteln gezwungen ist, so findet bitte in Über-
einstimmung mit unseren spirituellen Vorfahren weise und ange-
messene Wege, um diesen Menschen mit dem zu versorgen, was er
oder sie benötigt.
Wenn du im Gegensatz dazu als ein Bodhisattva und aufgrund deines
Geizes und deiner Geringschätzung eines bedürftigen Menschen
nicht bereit bist, selbst eine kleine Münze, eine Nadel oder einen
Grashalm zu geben, so begehst du eine schwerwiegende Verfehlung,
die den Ausschluß verdient.
Auch wenn du nicht bereit bist, einem Menschen, der das Dharma
sucht, einen Satz einer Lehrrede (sutra), einen Vers, oder ein win-
ziges Stück des Dharma anzubieten, sondern stattdessen diese Person
schmähst, beleidigst oder beschimpfst, so begehst du eine schwer-
wiegende Verfehlung, die den Ausschluß verdient.
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Ihr Schüler und Schülerinnen des Buddha, solltet ihr schlecht von
den Drei Juwelen sprechen oder diese verleumden, andere dazu er-
mutigen, vorsätzlich solch niederträchtiger Rede zuhören oder euch
auf irgendeine Weise an einem solchen Verhalten beteiligen, so
begeht ihr eine schwerwiegende Verfehlung, die den Ausschluß
verdient.
Wenn Bodhisattvas hören, wie ein Nicht-Buddhist aus Unwissenheit,
oder irgendeine beliebige Person aus Bosheit, auch nur ein einziges
Wort gegen die Buddhas äußert, so schneidet dies in ihr Herz, als sei
es dreihundert Mal von einem Schwert durchbohrt worden.Wieviel
schlimmer ist es da, wenn du selbst, anstatt Vertrauen, Respekt und
Hingabe zu entwickeln, bösartige Worte aus deinem Mund kommen
läßt, oder dich gemein machst mit Menschen, die böse handeln oder
aus ihrer spirituell verdrehten Sichtweisen heraus boshaft reden.
Soch ein Bodhisattva begeht eine schwerwiegende Verfehlung, die
den Ausschluß verdient.
Ihr, die ihr euch in der günstigen Situation befindet, euch in den verschiedensten
Arten von Güte üben zu können, bitte folgt diesen zehn Gelübden und handelt
auch nicht auf die allergeringste Weise gegen ein einziges dieser Gelübde,
wodurch ihr auch alle anderen Gelübde aufgeben würdet!
Wenn ihr im Widerspruch zu diesen Gelübden handelt, so werdet ihr nicht in der
Lage sein, in euch den Erleuchtungsgeist (bodhicitta) zu kultivieren; ihr werdet
euren Rang als ein Weltenherrscher (cakravartin), als ein universeller spiritueller
Lehrer, der das Rad der Lehre (dharma) in Bewegung setzt, als ein Mönch oder
eine Nonne, verlieren. Ihr wandert hinweg von den Zehn Entscheidungen, den
Zehn Nährenden Geisteshaltungen, den Zehn Versprechen und den Zehn Stufen
der Bodhisattvas. In Kürze, ihr verliert die fortwährend wunderbaren Früchte
eurer Buddha-Natur und fallt mit der Wiedergeburt in die drei niedrigen
Daseinszustände, wo ihr für zwei bis drei Kalpas nicht in der Lage seid, die
Namen von Vater und Mutter zu hören, ganz zu schweigen von den Drei Juwelen
(Buddha, Dharma, Sangha).
Seid daher bitte sehr achtsam, nicht ein einziges Gelübde zu verletzen.
Übt und praktiziert die Zehn Gelübde, welche alle Bodhisattvas der Ver-
gangenheit, Gegenwart und Zukunft praktiziert haben, praktizieren und prak-
tizieren werden. Haltet mit einem respektvollen Herzen an diesen Gelübden fest,
da dann die achtzigtausend Formen eines ehrwürdigen Verhaltens im Gehen,
Stehen, Sitzen und Liegen strahlend in eurem Leben aufscheinen werden.
Der Buddha (Vairochana) sagte dann zu den Bodhisattvas: "Jetzt, nachdem die
Zehn Gelübde, die zur Befreiung führen, erklärt wurden, werde ich noch die
achtundvierzig geringeren, ergänzenden Gelübde darlegen."
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Die 48 geringeren, ergänzenden Gelübde der Bodhisattvas
3. Kein Fleisch essen - und zwar aus Mitgefühl mit den lebenden Wesen.
(Ausnahme: aus medizinischen Gründen, oder in Situationen, in denen
andere Nahrung nicht zur Verfügung steht).
7. Nicht nachlässig sein in Bezug auf das Hören von Dharmavorträgen und
Meditationsanleitungen.
9. Nicht die Pflege und Fürsorge für Kranke und Hilfsbedürftige ver-
nachlässigen. Unter den 8 Feldern des Verdienstes gilt in diesem Sutra die
Pflege von Kranken als die bedeutendste Handlung.
(Die 8 Felder des Verdienstes (puññakkhetta) sind es, einem Buddha, einem
Arahant, einem Dharma-Meister, einem Vinaya-Meister, einem Mönch /
einer Nonne, Vater, Mutter, einem kranken Menschen zu dienen.)
11. Nicht als militärischer Berater oder Abgesandter dienen, oder sich gar in
Revolten verstricken.
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12. Nicht vom Leiden anderer Lebewesen profitieren, oder andere Men-
schen in solchem Tun unterstützen.
13. Nicht andere Menschen beschimpfen, verleumden oder in peinliche Si-
tuationen bringen.
15. Keine Lehren darlegen, die mit dem Mitgefühl und der Weisheit des
Bodhisattva-Weges in Widerspruch stehen.
18. Nicht das Dharma lehren oder Gelübde übertragen, ohne diese tief zu
verstehen.
19. Nicht aus Ärger oder Streitsucht heraus reden und kritisieren.
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24. Nicht versäumen, sich voller Hingabe um die Einsicht und Verwirk-
lichung der Buddha-Natur zu bemühen, anstatt sich in weltlichen Dingen zu
verlieren.
25. Nicht die Sangha auf ungeeignete Weise, d.h. ohne Mitgefühl und
Weisheit leiten, so daß nicht Streit und Disharmonie entstehen und sich
ausbreiten, oder mit dem Eigentum der Sangha unachtsam umgegangen
wird.
29. Nicht auf ungeeignete Weise den Lebensunterhalt verdienen, z.B. durch
Prostitution, Verführung, Bestechung, Überredung, Druck, Wahrsagerei,
Magie, Falknerei, Giftmischerei.
30. Keinen schlechten Einfluß auf die Laien ausüben, z.B. indem unethi-
sches Verhalten mit Leerheit entschuldigt wird.
31. Nicht versäumen, Dinge, die den Drei Juwelen entwendet wurden, (z.B.
gestohlene Schriften, Bilder, Statuen, etc.) diesen wieder zuzuführen und al-
les zu versuchen, um in Unfreiheit oder Sklaverei lebende buddhistische
Praktizierende zu befreien - natürlich nur mit gewaltlosen und geeigneten
Mitteln im Einklang mit den buddhistischen Lehren.
32. Keine fühlenden Wesen verletzten - auch nicht auf indirekte Weisen,
wie z.B. durch Waffenhandel, Tierhaltung, Tierhandel, wirtschaftlichen Be-
trug und Machtmißbrauch.
34. Nicht vom Weg der Weisheit abirren, sondern achtsam Bodhicitta (den
Herz-Geist der Erleuchtung) und die Gelübde kultivieren.
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35. Nicht versäumen, ernsthafte Entschlüsse zum Praktizieren des Weges zu
fassen und durchzuführen.
39. Nicht versäumen, sich für das eigene Wohl und das Wohl der Anderen
zu engagieren, z.B. durch die Gründung und Unterstützung von Klöstern
und Meditationszentren, durch Rezitationen, Vorträge und Erklärungen der
Mâhâyana-Schriften, etc.
44. Nicht den Sutren und Gelübden des Bodhisattva-Weges die Dankbarkeit
und den Respekt versagen, sondern diese Schriften erhalten, lesen, rezi-
tieren, verwirklichen und weitergeben.
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45. Nicht versäumen Bodhicitta (den Herz-Geist der Erleuchtung) zu kulti-
vieren, jene Geisteshaltung, die allen Wesen, denen wir begegnen, Mitge-
fühl und Verständnis entgegenbringt und bereit ist, ihnen zu helfen, ihre
Buddha-Natur zu entdecken und sich vom Leiden zu befreien.
46. Nicht das kostbare Dharma in einer respektlosen Umgebung oder auf
eine respektlose Weise (z.B. in Widerspruch zu den Gelübden) darlegen.
47. Keine Gesetze fördern oder erlassen, die die freie Ausübung des Dhar-
ma behindern.
48. Keine Handlungen begehen, die versuchen die befreienden Lehren der
Buddhas und den Bodhisattva-Weg herabzusetzen oder zu zerstören.
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Japanisches Kinderlied
Der folgende Textauszug ist entnommen dem Heft zum Gedenken an Taisen
Deshimaru Rôshi (1914-1982) mit dem Titel Bodhidharma, S. 4, zusam-
mengestellt von Dieter Bünker, Internationale Zen Assoziation, Paris, 1982.
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