Ulrich Welsch-Lehrbuch Histologie (2010)
Ulrich Welsch-Lehrbuch Histologie (2010)
Ulrich Welsch-Lehrbuch Histologie (2010)
Lehrbuch Histologie
Unter M~arbeit von Thomas Deller
Welsch
Lehrbuch Histologie
Unter Mitarbeit von Thomas Deller
3. Auflage
ELSEVIER
URBAN & FISCHER URBAN & FISCHER München
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
Das Werk einschließlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber-
rechtsgesetzes ist ehnc Zustimmung des Verlages unzulässigund strafbar. Das gilt insbesendere fUr Vcrviclf<Utigungen,Obersetztmgen,
Mikreverfilmungen ttnd die Einspeicherung und Verarbeitung in elek"trenischen Systemen.
Um den Textfluss nicht zu stiircn, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Ferro gewählt.
Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen ttnd Männer gemeint.
Plamtng und Lel..terat: Dr. med. Helmar Weiss, Dr. Katja Weimann, Dr. Andrea Bcilmann, Dr. med. C.nstance Spring
Redak"tien: Martin Kertenhaus, Jllertissen
Herstellttng: Peter Sutterlitte
Satz: Kescl, Krugzell
Druck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg
Zeichnungen: Stefan Elsberger, Planegg und Abbildungsverzeichnis der Grafiken
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-lßm
Titelfetegrafie: Präparat Pref. Dr. med. Dr. rcr. nat. Ulrich Welsch
ISBN !178-3-437-44431-!l
vVissenschaft ist erstens etwas Unabgcschlossenes, es Als Lehrbuchautor steht man oft zwischen zwei Polen,
kommt in ihr auf das Suchen und Finden neuer Wahr- einmal möchte man ftir Verständnis und Diagnostik Wich-
heit und Erkenntnis an, auf Forschung also -Wissen- tiges bewahren und möglichst sogar noch etwas "abrunden"
schaft ist zweitens ein Ganzes, jedem Fach ist die Refle- und ausweiten, ztun anderen sieht man sich einer Flut neuer
xion auf das Ganze der Welt und des Lebens, aufSinn und oft außerordentlich interessanter BefLmde und Spekula-
und Synthese, auf Philosophie und klassische Htunani- tionen gegenüber, die man gerne den Studierenden vermit-
tät zugeordnet. teln m öchte, tun sie ftir die wissenschaftlichen Grundlagen
Thomas Nipperdey (1927 -1992) der Medizin zu begeistern. Gedämpft wird die Begeistenmg
für Bewährtesund Neues aber immer mehr durch die Ver-
Die vorliegende 3. Aullage des Buches zeigt schon auf den kürzung und "Verschulung" des Unterrich ts, die einen
ersten Blick auffallende Veränderungen: Der Text der 18 großen Zeitdruck aufbauen und die oft schon die Grenzen
Kapitel wurde neu gegliedert, womit der Zugang zu den In- dessen erreichen, was mit akademischem Unterricht an
halten und das schnellere Erfassen erleichtert werden sollen. einer Universität noch vereinbar ist. Oft liegen die realen
Manche Textpassagen wurden gekürzt Lmd die klinischen Verhältnisse schon jenseits der Idee der Universität. Wir
Hinweise auf ein angemessenes Maß beschränkt. Pür jedes sind in diesem Zusammenhang dem Verlag und den uns be-
Kapitel gibt es eine Lernhilfe, die Sie im Internet finden. treuenden V erlagsrnitarbeitern dankbar, dass wir hier nicht
Eine weitere wichtige Verändenmg betrifft die Neugestal- ein weiteres "Kurzlehrbuch" abgeben mussten.
tung fast aller Zeichnungen. Ein Teil dieser Zeichnungen Für die 3. Auflage des "Lehrbuchs Histologie" konnte
wurde korrigiert und der weitaus gröfkre Teil wurde völlig Herr Prof. Dr. med. Thomas Deller von der Goethe-Univer-
neu konzipiert, wobei es uns darauf ankam, schematisch sität Frankfurt am Main als Mitautor gewonnen werden. Er
und einfach das Zusammenspiel von Morphologie Lmd übernahm nicht nur die Bearbeitung und Aktualisierung der
Funktion ztun Ausdruck zu bringen Lmd das Wesentliche Kapitel N ervengewebe und Nervensystern, sondern brachte
einer Struktur deutlich zu machen. auch seine Kenntnisse aktueller didaktischer Konzepte in
Die sehr konstruktiven Zuschriften von Studierenden alle anderen Kapiteln des Lehrbuchs ein.
und auch einiger Kollegen waren Anlass flir das Auswech- Im Kern bleibt die Morphologie Basis dieses Buches Lmd
seln vieler licht- und elektronenmikroskopischer Abbildun- wir hoffen, dass allen Studierenden die fLmdarnentale Be-
gen. Speziell hinsichtlich der elektronenmikroskopischen deutLmg der Morphologie ftir Medizin und Naturwissen-
Abbildungen haben wir uns schweren Herzens zu folgen- schaft deutlich wird. Sie hat zudem den Vorteil anschaulich
dem Vorgehen entschlossen: von vielen dieser Bilder finden zu sein, was angehenden Ärztinnen und Ärzten unserer Er-
sich im. Text nur kleine Stellvertreter, das ganze Bild liegt in fahrung nach sehr cntgegenkonunt.
voller Größe in elektronischer Form vor und kann leicht
sichtbar gemacht werden. Der Grund für dieses Vorgehen München Lmd Frankfurt am Main,
war, Platz zu sparen und den Umfang des Buches nicht an- September 2010
wachsen zu lassen. Ulrich W clsch, Thomas Dellcr
Vorwort zur 1. Auflage
"Wissenschaft ist als Erkenntnis verschwunden, geben als in anderen Medien. Damit wird sicherlich bei
wenn sie in Resultaten erstarrt." manchem Studenten bzw. bei mancher Studentin ein Geflihl
Karl Jaspers (1883 -1969) ftir die Ästhetik biologischer Strukturen geweckt.
Das vorliegende Lehrbuch der Zytologie, Histologie und
Ziel des Medizinstudiwns ist die Ausbildung zum Arzt, und mikroskopischen Anatomie des Menschen hat das Ziel, das
es gibt kaum einen Beruf, der mehr Verantwortungs- und Verständnis ftir Struktur und Punktion normaler, d.h. ge-
Pflichtbewusstsein erfordert als der des Arztes, aber auch sunder, Zellen, Gewebe und Org-ane zu fordern und entspre-
kamn einen, der mehr Chancen zur Entfaltung bester chendes Wissen zu vermitteln. Oft unterschätzen Medizin-
menschlicher Fähigkeiten bietet. Oie Bemühungen des Arz- studenten und Mediziner die Kenntnis und den Eigenwert
tes, dem Kranken zu helfen, erfordern technisches Geschick, des Gesunden, da sie gleich Kranke behandeln und heilen
wissenschaftliche Kenntnisse und menschliches Verständnis. wollen. Krankheiten lassen sich aber nur im Hinblick auf
Wissenschaft und Menschlichkeit sind die wesentlichen das Gestmde definieren.
Wurzeln des ärztlichen Berufs. Ethische Gnmdsätzc kom- Es ist dttrchaus miilisam und zeitaufwendig, das Gesunde
men nicht aus der MediZln selbst, sondern aus anderen, oft zu studieren und zu verstehen. Man sollte jedoch nicht aus
einander widersprechenden Bereichen. Es wäre schön, wenn zeitbedingten Motiven heraus die Lehre des Gesunden auf
das Studium das Gewissen fi.lr Menschlichkeit und Ver- eine Einführtmgsstunde für klinische Veranstaltungen zu-
pflichtung zu echter Wissenschaftlichkeit weckte und dauer- rückdrängen. Erfolgreiche Medizin beruht auf einer soliden
haft wach hielte. theoretischen Gnmdlagenausbildung in Hinsicht auf Anato-
Es gibt nicht nur einen Weg in dieWeltder Wissenschaft, mie, Physiologie und Biochemie einschließlich der Mole-
und dementsprechend gibt es heute eine ganze Reihe ver- kularbiologie. Dieses Grundlagenwissen ermöglicht es dem
schiedener Lehrmittel. Unter diesen nimmt das klassische Arzt auch nach dem Studium, neue Erkenntnisse und Än-
Lehrbuch einen herausgehobenen Platz ein, da es nicht nur derungen von lherapickonzcpten einzuordnen und nachzu-
Tatsachen, Ideen und Konzepte vermittelt, sondern immer vollziehen.
auch Grenzen und Unvollständigkeit des "Wissens deutlich Kurzsichtig und den Interessen und Bedürfnissen des
machen kann. Es hat praktische Größe und kann überall hin tätigen Arztes zuwiderlaufend sind die Bestrebungen, die
mitgenommen werden. Das Lehrbuch ist jederzeit zur Hand Morphologie im Medizinstudium ständig weiter zurückzu-
und vert:r'cigt Anstreichtmgen und Notizen. Es scheint dem drängen. Form und Funktion muss man in1 engen Zusam-
Intellekt des modernen Menschen, dem im Rahmen des menhang betrachten . .,Alle Punktionen haben ohne Bezug
neuronalen Netzwerks ftir die Sprache auch ein zerebrales zur Struktur etwas Geisterhaftes, Form ohne Funktion ist
Lesezen trwn zttr VerfUgung steht, besonders angemessen zu dagegen etwas Totes" (Vogel und Wainright, 1969).
sein. Schließlich lassen sich heute Fotos mikroskopischer
Präparate in einem Buch in viel besserer Qualität wieder- München, Herbst 2002 Ulrich Welsch
Danksagung
Auch bei der Bearbeitung dieser 3. Auflage erfuhren wir Viele Anregungen, Verbesserungsvorschläge und Hin-
vielfältige Hilfe, wobei sowohl der Wissensschatz der älteren weise auf Fehler oder Widersprüche kamen - meist per
Literatur als auch das Wissen unserer Lehrer und vieler Kol- eMail - von Studentinnen und Studenten aus verschiedenen
legen Erwähnung finden muss. Universitäten des ganzen Landes; der intensivste direkte Ge-
Konkret haben in München folgende Mitarbeiterinnen dankenaustausch mit Studenten fand naturgemäß in Mfm-
des Lehrstuhls IT geholfen: Frau Sabine Tost, Frau Claurua chen statt, oft direkt im Anschluss an Vorlesungoder Kttrse.
Köhler, Prau Astrid Sulz, Frau Ursula Fazekas und Frau Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Stefan Elsberger,
Beate Asehauer haben unermüdlich ausgezeichnete hlsto- der in exzellenter Qualität die vielen neuen Zeichnungen
logische und clektronenrnikroskopische Präparate herge- anfertigte, wobei er auch unvollkommene Entwürfe ganz
stellt. Frau Pia Unterherger hat mü Geduld, Intelligenz tmd hervorragend ttrnsetztc und auch nicht die Geduld verlor,
Phantasie dem Text in Zusammenarbeitmüdem Verlag die wenn eine Zeichnung dreimal umgearbeitet werden musste.
vorgesehene Form gegeben. Frau Andrea Asikoglu half bei Die Zusammenarbeit mit dem Elsevier Urban und Fischer
der redaktionellen Bearbeitung. Herr Prof. Heinz Künzle, Verlag gestaltete sich wieder sehr vernünftig, effektiv tmd
Herr Prof. Helmut Bartcis und Prof. Thomas Heinzcller ha- harmonisch. Dies gilt in besonderem MaHe für Frau Dr.
ben in sehr entgegenkommender Weise wertvolles Material Constance Spring, Herrn Martin Kartenhaus, Prau Dr. And-
oder Präparate zu Verfügung gestellt. In Frankfurt danken rea Beilmann tmd Herrn Pctcr Sutterlittc, die an der Neu-
wir Dr. Stcphan Schwarzachcr, Dr. Domenico Dcl Turco, gestaltung des Buches in besonderer Weise beteiligt waren.
Dr. Andrcas Vlachos, Dr. Mario Vuksic Qetzt Universität Dank geblü1rt auch Prau Dr. Dorothca H ennessen und
Zagreb, Kroatien), Prof. Dr. Christian Schultz Qetzt Univer- Herrn Alexander Gattnarzik für ihre langjährige Unterstüt-
sität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim) tmd zung.
Frau Anke Biczysko für die Überlasstmg von licht- tmd
elektronenmikroskopischem Bildmaterial. Bei H errn Dr. München und Prankfttrt am Main,
Schwarzacher bedanken wir uns darüber hlnaus für seine September 2010
wertvolle und sorgfältige Durchsicht der Kapitel Nettra- Ulrich Welsch, Thomas Deller
anatomie tmd Nervensystem.
Benutzerhinweise
zu den online-Extras
1.5.1
Interpretation histologischer
Schnittpräparate .................. .
Aussage histologischer Schnitte ....... .
9
9
Gewebe 71 I
1.5.2 Grundregeln zur Diagnosestellung ...... . 9
3.1 Epithelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
3.1.1 Allgemeine Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . 72
3.1.2 Oberflächenepithelien . . . . . . . . . . . . . . . 74
lll~_ze_u_
e _________________
13~J 3.1.3
3.1.4
Drüsenepithelien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sinnesepithelien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
89
3.2 Bindegewebe ...................... 90
2.1 Zellmembran 17 3.2.1 Bindegewebsentwicklung, Mesenchym . . . . 90
2.1.1 Allgemeine Charakteristika ........... . 17 3.2.2 Grundzüge des Bindegewebsaufbaus . . . . . 91
2.1.2 Lipiddoppelschicht ................. . 18 3.2.3 Bindegewebszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
2.1.3 Membranproteine .................. . 18 3.2.4 Extrazelluläre Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . 98
2.1.4 Glykokalyx, Zuckerketten ............. . 19 3.2.5 Lockeres Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . 104
2.1.5 Differenzierungen der Zelloberfläche .... . 20 3.2.6 Straffes Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . . 104
2.1.6 Endozytose ............ .......... . 23 3.2.7 Retikuläres Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . 104
2.1.7 Zelladhäsionsmoleküle und Zellkontakte .. . 25 3.2.8 Gallertiges Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . 105
2.2 Zellkern (Nukleus) .............. .. . 33 3.2.9 Spinezelluläres Bindegewebe. . . . . . . . . . . 105
2.2.1 Kernhülle ................ . . . . ... . 33 3.2.10 Sonderformen des Bindegewebes . . . . . . . . 105
2.2.2 Chromatin .................... ... . 35 3.2.11 Knorpelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.2.3 Nukleolus ...................... . . 38 3.2.12 Knochengewebe .................... 108
2.2.4 Kernmatrix ...................... . 39 3.2.13 Fettgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
2.3 Zytosol ........................ . . 39 3.3 Muskelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.4 Zellorganellen ................... . 39 3.3.1 Glatte Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.4.1 Ribosomen ...................... . 39 3.3.2 Skelettmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
2.4.2 Endoplasmatisches Retikulum (ER) ..... . 40 3.3.3 Herzmuskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
2.4.3 Golgi-Apparat .................... . 43 3.4 Ne~engewebe .................... 139
2.4.4 Lysosomen - Endesomen ............ . 45 3.4.1 Allgemeine Neuroanatomie . . . . . . . . . . . . 139
2.4.5 Proteasomen ..................... . 47 3.4.2 Zelltypen im Nervengewebe . . . . . . . . . . . 141
2.4.6 Multivesikuläre Körper .............. . 47 3.4.3 Gliascheiden der Nervenzellfortsätze,
2.4.7 Anulierte Lamellen ................. . 48 Axonscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 7
2.4.8 Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.4.4 Periphere Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
2.4.9 Mitochondrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3.4.5 Synapsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
2.4.10 Metanosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4.6 Vegetatives Nervensystem . . . . . . . . . . . . 173
2.5 Zelleinschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.4.7 Hirn- und Rückenmarkshäute . . . . . . . . . . 175
2.5.1 Glykogenpartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Inhaltsverzeichnis IX
·~ Endokrine Organe
13.2 Männliche Geschlechtsorgane ..... 0 .. 0
13.201 Hoden .............. 0 . 0 .... 0 . 0 . . .
406
406
130202 Samenwege, akzessorische
11.1 Organe und Zellen des endokrinen Geschlechtsdrüsen .......... 0 ... 0 . . . 414
Systems ............ 0 ... 0 ..... 0 . . 347 130203 Penis ................. 0 ..... 0 .. 0 . 421
11.2 Hormone - Aufgaben und Wirkung . . . . . 348 13.3 Weibliche Geschlechtsorgane ...... 0 . . 424
11o2.1 Endokrine, parakrine und autokrine 13.3o1 Reproduktionsbiologische
Signalgebung ............... . . ... 0 . 348 Entwicklungsphasen der Frau. . . . . . . . . . . 424
11.202 Chemie der Hormone ... . ...... 0 ... . 0 349 13.3.2 Ovar (Eierstock) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
11.2.3 Hormonspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 13o3o3 Tuba uterina (Eileiter) ....... 0 . . . . . . . 433
11o2o4 Hormonfreisetzung ..... 0 . . . . . . . . . . . . 350 13o3o4 Uterus (Gebärmutter) ........ 0 ... 0 .. 0 434
11o2o5 Hormontransport ........ 0 .. 0 .. 0 .. 0 . 350 13o3o5 Vagina (Scheide) ........... 0 ... 0 .. 0 440
11o2o6 Hormonabbau ................ 0 .. 0 . 350 13o3o6 Äußere weibliche Geschlechtsorgane ... 0 . 440
11o2o 7 Hormonrezeptoren ......... 0 ..... 0 . . 350
11o2o8 Regulation der Hormonbildung . 0 . 0 . 0 . . . 353
1 1..3 Hypothalamus-Hypophysen-System . . . . 353
11.3o1 Hypothalamus .......... 0 .. 0 .. 0 .. 0 .
11o3o2 Hypophyse ........ 0. 0 ........ 0. 0.
11.4
11.5
Epiphyse • Pinealorgan .. 0 . 0 . 0 . . . . . .
Schilddrüse .................. 0 ... 0
353
355
361
363
•
14.1
14.2
Befruchtung, Implantation, Plazenta 443
Befrucht ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von der Befruchtung zur Implantation .
443
444
11o5o1 Schilddrüsenfollikel ...... 0 . 0 ...... 0 . 363 0
·~ Harnorgane
Haut
12.1 Niere ................. 0 ...... 0 . . 383
12o1o1 Allgemeine Strukturmerkmale ......... 0 384 16.1 Epidermis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
12o1o2 Nephrone und Sammetrohre .. 0 ...... 0 0 386 16.1.1 Keratinozyten ................ 0 . . . . 466
12o1o3 InterstltlUm ............. 0 ........ 0 396 160102 Weitere Zelltypen der Epidermis . 0 .... 0 . 471
12o1.4 Juxtaglomerulärer Apparat (JGA) . 0 . . . . . . 397 16.2 Dermis .................. 0 . 0 . . . . . 474
12o1.5 Harnbildung ........ 0 .. 0 ....... 0 . . 398 160201 Stratum papillare ....... 0 .. 0 .... 0 .. 0 474
12.2 Ableitende Harnwege ......... 0 . . . . . 399 160202 Stratum reticulare ...... 0 .. 0 ....... 0 474
12o2o1 Wandaufbau ............. o .. o ..... 399 1602.3 Gefäße 0 .•....•........ 0 . 0 . 0 . . . . . 474
Inhaltsverzeichnis XI
16.3 Subkutis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47S 17.5 Sinneskörperchen, freie Nerven-
16.4 Hau~rüsen ....................... 47S endigungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S23
16.4.1 Ekkrine Schweißdrüsen . . . . . . . . . . . . . . . 47S 17 .S.1 Komponenten der Sinneskörperehen. . . . . . S23
16.4.2 Apokrine Duftdrüsen. . . . . . . . . . . . . . . . . 476 17.S.2 Typen von Sinneskörperehen ........... S23
16.4.3 Holokrine Talgdrüsen . . . . . . . . . . . . . . . . 4 77
16.5 Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
16.S.1
16.S.2
16.6
Aufbau der Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wachstum der Haare. . . . . . . . . . . . . . . . .
Nägel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
478
480
483
111 Nervensystem 5311
1.1 r..".,. ... ·u von Zellen und Geweben in den einzelnen Organen. Sie
wird daher auch " Organhistologie" oder spez.ielle Histo-
Zellenlehre Die Zellenlehre erforscht alle Strukturen und logie genannt, da sie das Wissen aus Zellenlehre lmd Histo-
Funktionen der Zelle. Die Strukturen der Zelle lassen sieb logie voraussetzt lmd auf die Organe anwendet. Es geht ihr
mit Mikroskopen untersuchen, die Zellfunktionen mit mn das Verständnis der Organfunktionen lmter konkreter
biochemischen, molekularbiologischen, immunhistocbe- Berücksichtigung der licht- und elektronenmikroskopischen
mischen und zytochemischen Methoden. Die Zellenlehre morphologischen Gegebenheiten.
wird auch Zytologie oder heute meist Zellbiologie genannt.
Sie ist ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis aller Ge-
webe- und Organfunktionen. 1.2 Mikroskope
1.2.1 Lichtnikr:~ l·o "e
Klinik Der Begriff Zytologie wird in der Klinik für die Diag-
nostik von Zellabstrichen oder anders gewonnenen Einzel· Im 17. Jahrhlllldcrt wurde das Lichtmikroskop erfi.mden
zellpräparatcn gebraucht. (Antoni van Lccuwenhoek, 1632 - 1723) lmd seither ständig
weiterentwickelt. Es erlaubt eine bis 1000-fache V ergröße·
Histologie Histologie ist im strengen Sinne die Lehre von rung lmd ist das wichtigste Gerät im histologischen Unter·
den Geweben. Die Gewebe entsprechen einer mittleren Or- riebt, in der klinischen lmd pathologischen Diagnostik und
ganisationscbcne des Körpers und sind "Verbände gleich- in der zellbiologischen Porschlmg. Es arbeitet mit einer elek -
artig diflcrcnz.ierter Zellen und ihrer Abkömmlinge, der trischen Lichtquelle, die das Präparat von unten durch-
extrazellulären Substanzen" (W. Bargrnann, 1906 - 1976), strahlt (Durcblidttmiltroskopie). Im Unterricht tauchen zu-
die sieb nach bestimmten Kriterien einteilen lassen. Heute nehmend auch schon digitalisierte Präparate auf.
werden 4 Grundgewebe unterschieden: Epithel-, Binde-
(einscbließlich Stütz-), Muskel- und Nervengewebe. Diese Aufba u Ein Lichtmikroskop besteht im Wesentlichen aus
Einteilung geht auf Albert v. Kölliker (1817 -1905) zurück. einer im Mikroskopfuß eingebauten Lichtquelle, deren
Alle Organe bestehen aus jeweils eigenen Varianten der Liebt von tmtcn durch die Linsensysteme des Mikroskops
4 Grundgewebe. Durch moderne zellbiologische und ent- und durch das Präparat hindurchstrahlt, einem Konden-
wicklungsgeschichtliche Kenntnisse sind die Grenzen zwi- sorlinsensystcm, einem Mikroskoptiscb, auf dem das histo-
schen diesen Geweben fließend: Myofibroblasten besitzen logische Präparat zu liegen kommt, Objektiven (gebräuch-
z. B. Merkmale sowohl der Fibroblasten (Bindegewebs- liche Vergrößerllllgen sind 4·, 10-, 20- tmd 40-fach) lllld
zellen) als auch der glatten Muskelzellen, quergestreifte einem oder (besser) 2 Okularen (oberster Teil des Mikro-
Skelettmuskelzellen können bei manchen wirbellosen Tie- skops, in den man hineinschaut, Vergrößerung meist 10-
ren Epithelzellen sein, N ervengewebe besitzt spez.ifische facb). Blendensysteme erhöhen die Klarheit des Präparats.
Übereinstimmungen mit Epithelgewebe.
Vergrößerung Das von den Objektiven erzeugte vergrö-
Mikroskopische Anat omie Die mikroskopische Anato- ßerte Bild wird durch das Okular noch einmal vergrößert.
mie befasst sich mit der jeweils spez.ifiscben Ausformung Die Gesarntvergrößerm1g, mit der ein Präparat betrachtet
2 1 Begriffe und Methodik
Phasenkontrast- lebende (oft ungefärbte) Zellen • verstärkt den Kontrast von zellulären Strukturen, die im
mikroskop (Zellkultur, lebende Protozoen) normalen Durchlichtmikroskop kaum erkennbar sind
• das Objekt (Präparat) wirkt als Zerteiler des Lichtstrahls
zur Ergänzung interferenzfähiger Wellenzüge des Lichts
Interferenzmikroskop lebende Zellen, auch immunhisto- • Teilung des Lichtstrahls vor Eintritt in das Präparat
(nach Nomarski) chemische Präparate mit gefärbten durch spezifische optomechanische Einrichtungen
Einzelzellen und ungefärbter Umge-
bung
Ruoreszenzmikroskop Zellstrukturen mit Eigenfluoreszenz • besonders effektiv ist die Auflicht-(Epi-)Fluoreszenz-
oder nach Bindung von Fluoro- mikroskopie, bei der die Erregerstrahlung von oben auf
ehromen das Objekt trifft
• Fluoreszenzbild kann rasch verblassen
Polarisationsmikroskop streng geordnete Strukturen, • hochgeordnete Strukturen verhalten sich im polarisier-
z. B. parallel angeordnete Kollagen- ten Licht doppelbrechend (anisotrop); sie leuchten hell
fibrillen oder Pakete parallel ver- auf, wenn sie zwischen 2 gekreuzten Polarisationsfiltern
laufender Myosinfilamente in den diagonal verlaufen
A-Banden der Skelett- und Herz- • ungerichtet angeordnete Strukturkomponenten verhalten
muskulatur sich einfach brechend (isotrop) und bleiben im Polarisa-
tionsmikroskop immer dunkel
Videomikroskop lebende Zellen (z. B. Wanderung • hochauflösende Videokamera, ggf. elektronische Mani-
kleinster Partikel in der Zelle) pulation des entstehenden Bildes
• .,video-enhanced differential interference contrast"
(VE-Dic): Verstärkung schwacher und kleiner Licht-
erscheinungen (Signale)
konfokales laser- dicke Präparate, Nachweis subzellu- • Rasterung des Präparats mit einem Laserstrahl
scanning-Mikroskop lärer Proteinverteilungen und Stoff- (meist Krypton-Argon-Laser)
wechselmetabotiten, zeitaufgelöste • Zerlegung des Bildes in Einzelebenen und Synthese zu
Beobachtungen (z. B. die dynami- einem dreidimensionalen Bild
sche Verteilung des Zytoskeletts bei
der Phagozytose)
werden kann, ergibt sich aus dem Produkt aus Objektiv- Elektronenmikroskop ist im Prinzip ähnlich. Statt Glas-
und Okularvergrößenmg (z. B. ergibt eine 4-fache Vergrö- linsen werden im TEM sog. Elektronenlinsen verwendet.
ßenmg des Objektivs w1d eine 10-fache Vergrößerung des Elektronenquelle ist eine Katl10de, der Elektronenstrahl
Okulars eine 40-fache Gesamtvergrößerung). wird durch Hochspanmmg beschleunigt w1d verläuft
im Hochvakuum. Das Bild wird durch eine binokulare
Typen Spezielle Mikroskope werden in der Porschtmg Lupe auf einem fluo reszierenden Leuchtschirm betrach-
eingesetzt (Tab. 1.1 ): tet. Mit dem TEM können aufwendig hergestellte kleine
(1- 3 mm2 ), sehr diinne (30 - 80 nm) Gewebeschnitte
• (Ultradiirmschnitte, Drtnnschnittc) analysiert werden,
1.2.2 Ele r:ron :nnrikro op1e praktisch in Fortsetzung der Lichtrnikroskopie. Das TEM
Das Elektronenmikroskop wurde in den 30er Jahren des erlaubt auch die Analyse der hauchdiinnen Abdrucke
20. Jahrhunderts entwickelt und erweiterte die optische Auf- (Replicae), die im Rahmen der Gcfrierbruchmefuode her-
lösung erheblich. gestellt werden.
• Das Rasterelektronenmikroskop (Raster-EM) arbeitet
Vergrößerung In der Routinepraxis sind weit iiber ohne abbildCllde Linsen. Ein Präparat wird mit einem
100000-fache V ergrößemngen möglich. gebündelten Elektronenstrahl zcilenf6nnig abgetastet (ge-
rastert). Der Bildentstehung dienen Rückstreuelektronen
Typen Es lassen sich folgende Typen des Elektronen- (Sekundärelektron en). Detekto r ist ein Szintillatorscheib-
mikroskops tmterscheiden: chen. Die Lichtsignale dieses Scheibchens werden dttrch
• Beim Transmissionselektronenmilroskop (TEM) werden Photomultiplier verstärkt lll1d in elektrische Signale rück-
statt des sichtbaren Lichts mit seiner naturgegebenen verwandelt. Das Bild im Raster-EM, das wieder auf einem
Wellenlänge Elektrot1enstrahlen benutzt, deren Wellen- Leuchtschirm betrachtet wird, entsteht sukzedan iiber ei-
länge viel kiirzcr ist. Der Strahlengang in Licht- und nen Zeilenraster. Im Raster-EM werden natürliche (oder
1.3 Präparate für die Mikroskopie 3
• Fixieren
Tab. 1. 2 Größenordnunge n verschiedener Zellen
• Einbetten
und Zellbestandteile (Beispiele) .
• Anfertigen der Schnitte
• Fcirben.
Zelle/ Ze llbestandtel le Größe
entnommenes
GewebsstOck Alkoholreihe aufsteigender
Konzentration
fOr Fixierung
zugeschnittene
GewebsstOcke Färben der Schnitte
fertiger
Paraffinblock
Abb. 1. 1 Präparatherstellung. Erforderliche Präparationsschritte, um von frisch entnommenem Gewebe einen gefärbten
und für die lichtmikroskopische Untersuchung geeigneten histologischen Schnitt (Dicke: 5-8 J.lm) zu erhalten. (Nach (1])
Abb. 1.2 Hämatoxylin-Eosin-Färbung. Hämatoxylin färbt Abb. 1.3 Masson-Trichrom-Fä rbung, ähnlich der Azan-
Zellkerne und Zytoplasmaanteile, die reich an rauem endo- Färbung (Abb. 1.8). Kollagenfasern des Bindegewebes (1)
plasmatischem Retikulum sind, blau-violett. Eosin färbt tiefblau, zelluläre Bestandteile in verschiedenen Rottönen;
andere Zytoplasmaanteile sowie viele faserige extrazelluläre 2 apokrine Duftdrüsen; 3 holokrine Talgdrüsen. Hautdrüsen
Komponenten rot; 1 apokrine Duftdrüsen; 2 holokrine einer Antilope (Aepyceros melampus); Vergr. 250-fach.
Talgdrüsen; 3 Bindegewebe. Hautdrüsen einer Antilope
(Aepyceros melampus); Vergr. 250-fach.
6 1 Begriffe und Methodik
3
•
Abb. 1.4 Goldner-Färbung, gebräuchliche Trichrom- Abb. 1.5 Elastika-Färbung (Orcein), selektive Darstellung
Färbung, die l<oUagenfasern im Bindegewebe (1) türkisgrün elastischer Membranen und Fasern(~); 1 Gefäßlumen;
und zelluläre Anteile rotviolett bis rotbraun anfarbt; 2 Elastica interna, besteht aus kräftiger, gewellt verlaufen-
2 Schleimhaut(= Mukosa); 3 Brunner-Drüsen in der Sub- der elastischer Membran; 3 Media; 4 Adventitia. Muskuläre
mukosa. Duodenum einer Katze; Vergr. 200-fach. Arterie, Mensch; Vergr. 400-fach.
H. E., Hämatoxylin-Eosin blauviolett rot ribosomen- und Rot; Typ-I-Fasern ungefärbt bis rosa
(Abb. 1.2) RER-reiche Regionen werden kräftig ge-
blauviolett färbt, Typ-III-Fasern
schwach und zart
Masson-Trichrom-Färbung leuchtend rot blass-rosarot bis blau ungefärbt (nur in größe-
(Abb. 1.3) schwach bläulich ren Mengen wie bei elas-
tischen Membranen und
Bändern: rot bis rotblau)
Azan-Färbung, Azokarminf ähnlich der Masson-Trichrom-Färbung
Anilinblau/Orange G
(Abb. 3.1.2 bisAbb. 3.1.9)
Elastika-Färbung, schwarzviolett
Resorcin-Fuchsin oder (Resorcin-Fuchsin),
Orcein (Abb. 1.5) rotbraun (Orcein)
van Gieson, Eisenhäma- blauschwarz gelb bis heUbräunlich rot nicht speziell gefärbt
toxylin/Pi kri nsäurejSäure- (nur in starken Verdich-
fuchsin tungen wie elastischen
Membranen und Bän-
dern: gelb)
Trichrom-Färbung nach braunschwarz ziegelrot bis bräunlich grün oft nicht spezieU
Goldner, Eisenhämatoxy- gefärbt, zum Teil
lin/Azoph toxinfliehtgrün grünlich bis hellrot
(Abb. 1.4)
seinerseits mit einem Enzym (ofi Peroxidase) markiert ist. 1.3.6 Leb nd "o <e
Das Enzym wird dann mit klassischen enzymhistochemi-
schen Methoden nachgewiesen. Auch lebende Zellen und Gewebe können mit dem Mi-
kroskop untersucht werden: Phasenkontrast- und Inter-
In -situ- Hybridisierung Bei der In-situ-Hybridisierung ferenzmikroskopie verstärken den Kontrast der lebendigen
können Nukleinsäuren im histologischen Schnitt durch Zellstrukturen (Abb. 1.10), der sonst im Routine-Durch-
komplementäre Proben (Oligonukleotide von RNA oder lichtnlikroskop sehr schwach ist. Dur ch farb- oder fluores-
DNA, die radioaktiv oder nicht radioaktiv markiert sind) zenzfarbstoffmarkierte Substanzen ist es so u. a. möglich,
lokalisiert werden. Damit lassen sich im Schnitt spezifische eine Endozytose oder die Umstrukturienmg von Zellfort-
DNA- oder RNA-Sequenzen nachweisen. Die Methode sätzen zu verfolgen. Varianten der Lebendmikroskopie sind
kann auch an Chromosomen, an Zellausstrichen oder an z. B. der Einsatz von ultraviolettem Licht, Polarisationsmi-
Ganzkörperpräparaten kleiner Tiere durchgeführt werden. kroskopie und Dunkelfeldrnikroskopie.
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Abb. 1.9 Schnittdefekt.
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Abb. 1.11 Ultrastruktur einer Zelle im Transmissionselektronenmikroskop. Leberepithelzelle der Ratte mit großem Zell-
kern (1) und typischen Zellorganellen. 2 raues endoplasmatisches Retikulum; 3 glattes endoplasmatisches Retikulum; 4 Gol-
gi-Apparat; 5 Mitochondrien; 6 Lysosomen. Als EinschWsse enthält diese Zelle viel Glykogen (7). An der Oberfläche zum Gal-
lenkanälchen (8) bildet die Zelle Mikrovilli aus. ? Nukleolus. Vergr. 12 000-fach.
1.5 Interpretation histologischer Schnittpräparate 11
Myoepithelzellen in den Azini. Die Langerhans-Inseln sind hohe Auflösung und auch einige Erfahrw1g - vielleichter
selten und fehlen auf manchen Schnitten; denkt m<Ul nun ist es, bei niedriger Auflöstmg nachzuweisen, dass keine
an die zentroazinären Zellen, benötigt man eine relativ Streifenstücke vorhanden sind.
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Abb. 1.13 Interpretation von Schnittbildern. Quer- und Längsschnitte durch ein gekrümmtes (a) oder gerades Rohr (b)
bzw. durch ein Hühnerei (c) erlauben - für sich allein genommen - weder einen Rückschluss auf die räumliche Gestalt noch
auf die Zusammensetzung des jeweils vorliegenden Gebildes. (Nach (6))
KAPITEL
Zelle
2.1 Zellmembran .................... . 17 2.4.9 Mitochondrien .................... . 49
2.1.1 Charakteristika ................... . 17 2. 4.10 Melanosomen .. 51
2.1.2 Lipiddoppelschicht ................ . 18
2.1.3 Membranproteine .................. . 18 2.5 Zelleinschlüsse .................. . 52
2.1.4 Glykokalyx, Zuckerketten ............. . 19 2.5.1 Glykogenpartikel .................. . 52
2.1.5 Differenzierungen der Zelloberfläche .... . 20 2.5.2 Intrazelluläre Fetttropfen ............ . 52
2.1.6 En dozytose . . . ................... . 23 2.5.3 KristalUne Einschlüsse ............ . . . 53
2.1.7 Zelladhäsionsmoleküle und Zellkontakte . . 25 2.5.4 Pigmentierte Zellstrukturen .......... . 53
2.3 Zytosol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.7 Zellzyklus und Stammzellen . . . . . . . . . . 59
2.7.1 Zellzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
2.4 Zellorganellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.7.2 Stammzellen und Tochterzellen . . . . . . . . . 65
2.4.1 Ribosomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.4.2 Endoplasmatisches Retikulum (ER) . . . . . . 40
2.4.3 Golgi-Apparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.8 Meiose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
2.4.4 Lysosomen - Endesomen . . . . . . . . . . . . . 45
2.4.5 Proteasomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.9 Allgemeine Anpassungen von Zellen,
2.4.6 Multivesikuläre Körper . . . . . . . . . . . . . . . 47 Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.4.7 Anulierte Lamellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.9.1 Zellanpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.4.8 Peroxisomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.9.2 Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Zellen sind die Gnmdbausteine aller Gewebe und Organe als Einzelindividuen oder in nur locker strukturierten Ver-
des Menschen und aller anderen Organismen. Die ersten bänden. Sie vermehren sich durch Zellteilung. Sie können
Zellen entstanden vor ca. 3,5 Milliarden Jahren und waren bemerkemwerterweise ganze Pakete von Genen - oft mit
kleine, oft nur wenige Mikrometer große prokaryotische Virulenzgenen - abgeben und/oder aufnehmen (horizon-
Zellen, die schon eine Zellmembran, aber noch keinen Kern taler Gentransfer).
tmd keine intri:lZCllulären Membransysteme besaßen. Bei-
spiele ftir solche Zellen bieten die Archäen und Eubakterien, Zellwand Ein wichtiges Merkmal der Bakterien ist ihre
die noch heute sehr erfolgreich existieren. Vor ca. 1,5 Milliar- feste Zellwand. Sie liegt außerhalb der Zellmembran, ist
den Jahren entstanden aus prokaryotischen eukaryotische meist komplex gebaut und schlitzt die hyperosmol.are Zelle
Zellen (Euzyten), zu denen auch die Zellen des Menschen vor dem Zerplatzen. Mit ihrer Hilfe lassen sich im Großen
zählen. und Ganzen 2 Typen von Bakterien unterscheiden: gram-
positive und gramnegative Bakterien (benannt nach H. C.
Gram, 1853-1938, einem dänischen Arzt tmd Bakterio-
Prokaryotische Zellen logen):
Charakteristika Prokaryoten, wie z. B. die Bakterien, sind • Grampositive Bakterien (z. B. Streptokokken, Staphyle·
i.A. kleine, einzellige Organismen. Der Zelltyp, aus dem sie kokken) haben eine relativ dicke Zellwand (20-80 nm),
aufgebaut sind, wird prokaryotische Zelle oder Protozyte die aus vernetzten Peptidoglykanen (= Mureinschicht)
genannt. Die prokaryotischen Zellen sind i. A. viel kleiner besteht und außen eine Teichoin-Säurekomponente tra-
als eukaryotische Zellen, sie sind oft nur 1 -2 flm, manch- gen kann. Zwischen der Zellwand und der Zellmembran
mal aber auch über 10 fUn lang. Ihre Gestalt ist rundlich, befindet sich ein sehr schmaler periplasmatischer Spalt-
oval, stäbchen- oder spiralförmig (Abb. 2.1). Sie leben meist raum, der das Periplasma enthält. Ganz außen ist bei
14 2 Zelle
a b c
Abb. 2.1 Verschiedene Techni ken, Bakterien darzustellen. a: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Helicobacter
pyiDri, Vergr. 14 000-fach. b: Ziehl-Neelsen-Färbung von Mycobacterium tuberculosis (rote Stäbchen), dem Erreger der Lungen-
tuberkulose, Lunge Mensch, Vergr. 1000-fach. c: Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme von Actinomyces viscosus,
Zahnbelag Mensch, Vergr. 52 000-fach.
2 Zelle 15
Eukaryotische Zellen skelett (Abb. 2.2). Eukaryote Zellen kommen bei Pflanzen,
Pilzen und Tieren vor. Der Körper des erwachsenen Men-
Eltkaryotische Zellen sind viel größer als prokaryotische schen besteht aus insgesamt ca. 10 13 Zellen. Größe, Binnen-
Zellen und besitzen eine Zellmembran, einen Kern, der die struktur, Kernmorphologie und Gestalt der mehr als 200
DNA enthält, und das Zytoplasma. Das Zytoplasma besteht Zelltypen varüeren erheblich (Abb. 2.3, Abb. 2.4, Abb. 2.5,
aus Zytosol, hochdifferenzierten Membransystemen, die die Abb. 2.6), was im Allgemeinen gut mit der jeweiligen Funk-
Zellorganellen aufbauen, Zelleinschlüssen und dem Zyto- tion korreliert werden kann.
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12
22
17
Abb. 2.2 Eukaryotische Zelle. Kern, wichtigste Organellen und typische Oberflächendifferenzierungen einer eukaryotischen
Epithelzelle. Einige der Zellbestandteile, die im Schnittpräparat zweidimensional erscheinen, sind zum besseren Verständnis
dreidimensional und vergrößert herausgezeichnet. 1 Kern mit Hetero- (dunkel) und Euchromatin (heller) sowie Nukleolus;
2 Golgi-Apparat; 3 Mikrovilli (mit Glykokalix); 4 Sekretgranulum (mit Exozytose); 5 Zentriolen; 6 Kinozilie; 7 Zonula occlu-
dens; 8 terminales Netz mit Zonula adhaerens; 9 Lysosom; 10 glattes endoplasmatisches Retikulum (glattes ER); 11 Per-
oxisom; 12 Gap Junction (Nexus); 13 clathrinbedeckte Endozytosefigur; 14 Desmosom; 15 Glykogen; 16 InterzeUulärspalt;
17 Einfaltung des basalen Labyrinths; 18 Lamina densa der Basallamina; 19 Polysomen; 20 Hemidesmosom; 21 MikrotubuLi
und Keratinfilamente; 22 Mitochondrium; 23 raues endoplasmatisches Retikulum (raues ER); 24 multivesikulärer Körper.
(Aus [1])
16 2 Zelle
4
• Abb. 2.5 Resorbierendes Darmepithel des Menschen.
Das Epithel besteht aus einer Schicht prismatischer Zellen
mit länglichem Kern und Bürstensaum ( ~ ); zwischen diesen
Zellen kommen einzelne Becherzellen (helles "schaumiges"
Zytoplasma) vor. In das Epithel sind einige Lymphozyten
(rundliche, kräftig dunkel violett gefarbte Kerne) eingewan-
dert. L. P.: Lamina propria, die Bindegewebsschicht unter
dem Epithel mit einem bunten Gemisch verschiedener Zell-
typen. Färbung: H. E.; Vergr. 500-fach .
..
Abb. 2.4 Blutzellen des Menschen im Ausstrichpräparat
1 Erythrozyten; 2 neutrophiler Granulozyt; 3 Monozyt;
1
....
4 Thrombozyt. Färbung: nach Pappenheim; Vergr. 1250-fach. •
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Abb. 2.6 Glatte Muskelzellen, Uterus, Mensch.
Oben: längs geschnitten (1 längliche, zigarrenförmige
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Kerne), unten: quer oder schräg angeschnitten (2 kleine,
unterschiedlich große, rundliche Kernanschnitte).
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Das Erscheinungsbild der Kerne der gLatten Muskelzellen
wechselt in Korrelation mit der Anschnittrichtung. ~ Mast-
zelle. Plastikschnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 600-fach.
•
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2.1 Zellmembran 17
2.1 Zellmembran
----------------------------------- ZurOrientierung -----------------------------------
Eine eukaryotische Zelle wird von einer Zellmembran ZelladhäsionsmolekiUe aneinander (z. B. durch Cadhe-
(Plasmamembran) gegen ihre Umgebung abgegrenzt. eine) tmd an der Bindegewebsmatrix (v.a. durch lnteg-
Proteine in der Membran bilden Ionenkanäle, Transpor- eine). Spenelle Zellkontakte sind Adhärenskontakte, Ne-
tee, Membranpumpen, Rezeptorproteine und Zelladhä- XtlS und Zonulae occludentes.
sionsproteine; Membranlipide bilden eine flexible Doppel- Die Zellmembran vennittelt über Transportstrukturen
schiebt. Außen wird die Membran von einer Glykokalix Kontakt und AllStattSch zwischen dem Zytoplasma einer
bedeckt. Mit dem Wllnittelbar angrenzenden Zytoplasma Zelle und ihrer Umwelt. Sie ist selektiv permeabel und ent-
bildet die Zellmembran Kinonlien, primäre Zilien, Mikro- hält Erkenmmgsstrukturen für Signale aus der Umgebung
villi, Mikroplicae, Invaginationen tmd verschiedene Endo- sowie Strukturen für die Signalleittmg. Lösliche Stoffe,
zytosebläschen. Partikel, Bakterien und Flüssigkeit können in die Zellen
Zellen haften mittels der in der Membran verankerten aufgenommen, durch- und wieder ausgeschleust werden.
2.1.1 Charakteristika
Bausteine Plasmamembranen (Biomembranen) sind ca.
10 nm dick tmd bestehen typischerweise zu 45% aus Lipi-
den, zu 45% aus Proteinen und zu 10% aus Kohlenhydra-
ten. Die Lipide sind als Phospholipiddoppelschicht ange- c
ordnet, hydrophile Anteile der Phospholipide liegen innen Abb. 2.8 Zellmembran
tmd außen, hydrophobe Anteile liegen zentral in der Mem- Gefrierbruchpräparate.
bran (Abb. 2.7).
.: Extrazellulärraum :'
- • Zucker1<etten
Phosphatidyl- Glykolipid
cholin Sphingomyelln \
' .• Cholesterin
•
•••
•
I I I Äußeres Blatt
Abb. 2.9 Zellmembran (Dünnschnittpräparate) in einer
EM-Aufnahme. Bei den Gefrierbruchpräparaten (Abb 2.8)
wird die Membran in ihrer hydrophoben Mitte in ein äußeres
(externes) und ein inneres (protoplasmatisches) Blatt ge-
I
teilt, deren Innenansichten freigelegt werden. a: Apikale
Inneres Blatt Membran mit Mikrovilli einer Sammetrohrzelle (Niere,
Mensch). Oie Membran ist mit einem dichten feinfädigen Be-
satz aus extrazellulären Domänen von Glykoproteinen, Glyko-
. ·.
Phosphatidyl- Phosphatidyl-
lipiden oder Oberflächenmuzinen mit Oligosaccharidketten
inositol ethanolamin versehen, die Teil von Glykoproteinen sind (Glykokalyx, -+).
• Vergr. 37 000-fach. b: Apikale Zellmembran (zwischen
Phosphatidyl-
serin
•
:i~i;~;~li~iä~~~-;;,-:
•
den .... ) einer Epithelzelle des Harnleiters des Menschen.
~------------------ Innere und äußere Membranhälfte sind als dunkle Linie
Abb. 2.7 Phospholipide, Glykolipide und Cholesterin erkennbar, dazwischen hydrophobe helle Region im Inneren
in der Zellmembran. der Membran. Vergr. 168000-fach.
18 2 Zelle
meisten Einzelkomponenten sind lateral beweglich ("fluid- Membranlipide dttrch nicht kovalente Bindtmgen. Choles-
mosaic modeJ«). Das Ausmaß der Pluidität hängt von der terin ist wesentlich für die Membranfluidität Bei 37 °C
Temperatur und der Lipidzusammensetzung ab. Die Zell- verhindert es eine zu hohe tmd bei niedrigen Temperaturen
membran vermittelt über Transportstrukturen Kontakt eine zu niedrige Fluidität.
und Austausch zwischen dem Zytoplasma einer Zelle tmd Die Lipiddoppelschicht ist undurchlässig fiir Wasser
ihrer Umwelt. Sie ist selektiv permeabel und enthält Erken- tmd wasserlösliche Stoffe. Im Gegensatz dazu können Oz.
nungsstrukturen für Signale aus der Umgebung sowie C02 und eine Reihe kleinerer lipidlöslicher Substanzen
Strukturen fur die Signalleitung. Lösliche Stoffe, Partikel, leicht durch die Lipiddoppelschicht hindurchdifllindie-
Bakterien und Flüssigkeit können in die Zellen aufgenom- ren.
men, durch- und wieder ausgeschleust werden.
Biomembranen kommen aber auch im Zytoplasma vor 2.1.3 Membranproteine
und begrenzen dort die typischen Zeiiorganellen. Sie sind so
am Aufbau vieler unterschiedlicher Kompartimente (funk- Membranproteine sind für die meisten spezifischen Funk-
tionell und strukturell charakterisierter Rättme in der Zelle) tionen der Membran verantwortlich (Abb. 2.10):
im Zytoplasma beteiligt. Wie die Zellmembran sind die
intrazellulären Membransysteme Barrieren, besitzen aber Integrale Membranproteine Integrale Membranprote-
auch Strukturen des Stoffi.ransports, der Signalerkenmmg ine sind fest in die Lipiddoppelschicht eingebaut, die
tmd der Signalverarbeitung. meisten von ihnen sind Transmembranproteine. Diese
erstrecken sich iiber beide Lipidschichten w1d besitzen
Membranfluss Membranbegrenzte Organellen können hydrophile Anteile sowohl an der AuBen- als auch an der
iiber zwischengeschaltete Vesikel miteinander in Kontakt Innenseite der Membran. Die meisten Transmembran-
treten. Intrazelluläre membranbegrenzte Vesikel (z. B. Se- proteine durchqueren die Membran mit einer oder mehre-
kretionsgranula) können mit der Zellmembran verschmel- ren a-Helices. Sie haben vielfaltige Punktionen.
zen. Die Dynamik zwischen verschiedenen Organellen
tmd ihren Membranen und zwischen Organellen und Zell- Periphere Membranproteine Periphere Membranprote-
membran wird auch durch den Begriff Membranfluss ge- ine sind der Membran außen oder innen angelagert. Die
kennzeichnet. innen liegenden Proteine verankern die Transmembran-
proteine am Zytoskelett.
2.1.2 Lipiddoppelschicht Lipidankerproteine Eine eigene Proteingruppe sind die
Die Lipiddoppelschicht der Membran besteht im Wesent- Lipidankerproteine, die der Membran außen tmd innen an-
lichen aus Phospholipiden, aber auch aus Cholesterin und liegen können und iiber Lipidketten in ihr verankert sind.
Glykolipiden (Abb. 2.7). Zusammengehalten werden die Zu ihnen gehören z. B. die G-Proteine.
Lipid-
doppel-
Schicht
innen
• ••
- angelagertes
Protein rassförmiges Protein mit einer
Protein Transmembran-a-Helix
Protein mit einer Protein, das im und außen
Transmembran-a-Helix zytoptasmatischen angelagertem Protein
(single pass protein) Blatt der Membran Protein, das nur
und Lipidanker verankert ist über einen Lipidanker
mit der Membran
verbunden ist
Abb. 2.10 Verschiedene Typen peripherer und integraler Proteine in der Zellmembran.
2.1 Zellmembran 19
Zelladhäsionsmoleküle
Klinik Bei einem genetisch bedingten Defekt des Proteins
4.1 oder der ihm angelagerten Proteine a-Ankyrin bv.v. Zelladhäsionsproteine (adhäsive Proteine, "cell adhesion
Spcktrin haben die Erythrozyten keine bikonkave Form, molecules", CAMs) sind Transmembranprotcine, die Zellen
sondern eine mehr oder weniger kugelige (Kugelzellen, mit ihren Nachbarzellen oder mit der umgebenden Matrix
Sphärozyten) oder elliptische Gestalt (Eiliptozytose). Folge verbinden (Abb. 2.17, Abb. 2.19). Sie sind Bestandteile von
ist eine Anämie (Kap. 4.1). Zellkontakten, können aber auch attßcrhalb von ihnen
vorkommen. Beispiele sind Cadherine, deren Funktion cal-
dumabhängig ist, lntcgrine und Adhäsionsmolckiile der
Ionenkanäle Immunglobulinsuperfamilie.
Proteine mit mehreren a -Helices können tunnelförmige
Gebilde mit hydrophilem Lumen - Ionenkanäle- aufbauen. Aquaporine
Diese Kanäle lassen Ionen (Na•, K>, Ca 2>, CI- u.a.) sehr
schnell durch die Membran passieren und sind dabei teil- Aquaporine sind Kanalproteine in der Membran verschie-
weise hochselcktiv. Sie sind nicht ständig offen: dener Zell typen, z. B. in Epithelzellen (u. a. Samrnelrohre des
• Ligandengesteuerte Ionenkanäle öffnen sich nach Bin- Nierenmarks, Abb. 2.11, Endothelzellen), Muskelzellen tmd
dung eines Signalmolekiils. Astrozyten. Sie sind primär Monomere, lagern sich aber
• Spannungsgesteuerte Ionenkanäle öffnen sich bei Ände- wohl immer zu Tetrameren zusammen. Aquaporine trans-
rung des elektrischen Potenzials der Membran. portieren Wasser: Etwa 3 x 109 Wassermolekülekönnen pro
• Ionenkanäle in der Membran vo n Sinneszellen können Sekunde den Kanal passieren. Aquaporine werden durch
sich durch mechanische Stellungsänderungen der Sinnes- HgC12 spezifisch gehemmt.
haare öffnen und schließen.
Transporter (Transportproteine, Carrierproteine)
Klinik Bei der zystischen Fibrose (Mukoviszidose) ist ein
großes, komplex geba utes Transmembranprotein defekt. Diese Transmembranproteine befördern kleine hydrophile
Dieses CFTR-Protein, das in der Zellmembran vieler Epi- Molekiile (z.B. Zucker, Aminosäuren) "bergab", also von ei-
ner höheren zu einer niedrigeren Konzentration (Abb. 2.11).
thelien enthalten ist, bildet normalerweise einen Chlorid-
Der Transport erfordert keine Energie, weshalb man von
kanal und reguliert andere Ionenkanäle. Sein Defekt verur-
sacht je nach Organ tmterschicdliche Symptome: chronische passivem Membrantransport spricht. Stoffe können allein
Atemwegserkrankungen mit zähem, sekundär eitrigem (Uniport) oder zu zweit (Co-Transport) transportiert wer-
den. Werden 2 Stoffe in der gleichen Richtung transportiert,
Schleim, Insuffizienz des exokrinen Pankreas, intestinale
und urogenitale Funktionsstörungen, gestörte Schweiß- spricht man von Symport, beim Transport in entgegen-
drüsenfunktion. gesetzter Richttmg von Antiport. Bcinn Co-Transport folgt
ein Partner "bergab" einem Gradienten, den die Zelle an an-
derer Stelle mit einer Pumpe aufrecht erhält. Die Energie,
die in diesem Gradienten steckt, dient dazu, den anderen
Na·· Na•· Partner .,bergauf' zu befördern (sekundärer aktiver Trans-
Kanal Trans- Na' port) .
•
T~ghl jund10n Na' \ porter
•• - - H:zO Na'
•• •• ••
•• ••
•• ••
Membranpumpen
••• Membranpumpen sind wie Transporter Transmembranpro-
teine, transportieren Ionen aber "bergauf', also gegen einen
Konzentrationsgradienten. Dieser Transport verbraucht
Energie (sog. primär aktiver Transport), dle durch Hydroly-
se von ATP entsteht. Da die Membranpumpen das ATP
'
N • 'Aqua·
selbst spalten, sind sie nicht nur Pumpen, sondern auch En-
ponn zyme tmd werden deshalbauch T ransport-ATPasen genannt
(Abb. 2.11). Ein Beispiel ist die Na•-K•-ATPase, die ubiqui-
tär verbreitet und Motor ft"t.r viele Transportvorgänge ist.
Rezeptorproteine
Rezeptorproteine binden ein spezifisches extrazelluläres
•• SignalmolekiU, z. B. ein Hormon, das eine bestimmte zellu-
läre Reaktion auslöst. Manche dieser RczcptormolckiUe sind
"' IaMina
~sal· an G-Proteine gekoppelt. Der Wirkstoff, der an den Rezep-
tor bindet, wird Ligand genannt.
Abb. 2.11 Verschiedene Transmembranproteine in Zellen
eines transportierenden Epithels. Basolateral pumpt die
Na•-K•-ATPase gegen einen Gradienten Na• aus der Zelle 2.1.4 Glykokalyx, Zuckerketten
heraus und K• in die Zelle hinein. Aquaporine sind Wasser· Viele Membranproteine tragen Oligosaccharidketten, die
kanäle. Apikal befinden sich Ionenkanäle oder Transport- mehr oder weniger weit in den Extrazellulärraum ragen
proteine, durch die Ionen in die Zelle einströmen können. (Abb. 2.8d) ttnd die Zelle insgesamt dicht mit Zuckerkom-
20 2 Zelle
ponenten bedecken. An der apikalen Membran von Epithel- ist ca. 50 ~tm lang. Pro cm2 Oberfläche menschlicher Bron-
zellen ist die Glykokal>'X besonders hoch, auf Endothelzellen chien stehen ca. 109 Kinozilien. Sie gehören vermutlich zur
kann sie sogar höher als die Zelle selbst sein. Die Zucker- Grundausstattung der eukaryoten Zelle.
ketten gehen von Glykoproteinen, Glykolipiden oder Pro-
teoglykanen (Muzinen) der Zellmembran aus. Vorkommen Epithel der Atemwege, Epithel der Tuba uteri-
Die Funktionen der Glykokal}'X sind vielfältig: na, Epithel der Ductuli efferentes (Nebenhoden), Ependym,
• Die Oligosaccharidketten schüt:2en die Zelloberfläche und Spermien.
machen sie für viele spezifische Zell-Zell-Interaktionen
besonders geeignet. Das ist z. B. bei der Lymphozyten- Funktion Einzellern und Spermien dienen Kinozilien als
rezirkulation (Kap. 4.2.2) und dem Anhaften von Leuko- Fortbewegungsorgan, an der Oberfläche von Epithelien be-
zyten am Endothel von Venolen bei Entzündungen wich- wegen sie Flüssigkeits- oder Schleim filme. Der Bewegungs-
tig. ablauf einer typischen Zilie dauert ca. 0,1 - 0,2 sundbesteht
• An der Oberfläche der Dünndannepithelzellen bindet die aus einem kraftvollen Vorwärtsschlag in gestrecktem Zu-
Glykokalyx Wasser und erleichtert damit die Resorption stand, der die Flüssigkeit bewegt, und einem Rückwärts-
der Nährstoffe. schlag, bei dem sich die Zilie krümmt und in die Ausgangs-
• Manche Zuckergruppen dienen als Anhefttmgspunkt für position zurückkehrt.
sog. zuckerbindende Proteine (Lektine). Zu ihnen zählen
z. B. dieSelcktine (Kap. 2. 1.7). Axonema Im Inneren der Zllien befindet sich ein regel-
halt angeordnetes System von Mikrotubuli mit assoziierten
Proteinen, das insgesamt als Axo nema be1..cichnet wird:
2.1.5 Differenzierungen der Zelloberfläche • Die Mikrotubuli (Kap. 2.6.1) bllden in der Peripherie ei-
Die Zellmembran ist an der Bildung folgender Oberflächen- nen Ring aus 9 Doppeltubuli tmd im Zentrum ein Paar
differenzierungen beteiligt: Kinozilien, Mikrovilli, Stereo- von Einzcltubuli. Diese universell verbreitete Anordnung
zilien, Mikroplicae, Invaginationen und Caveolae. wird 9 1 2-Muster genannt (Abb. 2.12c). Die eng ver-
btmdenen peripheren Doppcltubuli bestehen aus einem
vollständigen A-Tubulus, der aus 13 Untereinheiten auf-
Kinozilien gebaut ist, und einem unvollständigen B-Tubulus, der
Kinozilien (ZiHen) sind bewegliche, feine, haarfonnige Zell- halbmondformig am A-Tubulus befestigt ist tmd aus
fortsätze (Abb. 2.12a). Beim Menschen sind sie meist ca. 11 Untereinheiten besteht. Die 2 getrennten zentralen
5 ~tm lang; der Spennienschwanz, ein spezielles Kinozilium, Mlkrotubuli sind jeweils vollständig (Abb. 2.13). Zilien
a b c
Abb. 2.12 Kinozilien (Flimmerhaare). a: Längsschnitt von Kinozilien auf dem Apex einer Epithelzelle der Tubauterinades
Menschen. An den Basalkörpern (.... ) befinden sich feine Wurzelstrukturen, die der Verankerung dienen. Vergr. 15 285-fach.
(Aus (1]). b: Querschnitt durch in unterschiedlicher Höhe angeschnittene Basalkörper (~)in einer Flimmerzelle eines
Bronchiolus des Menschen. Vergr. 39000-fach. c: Im Querschnitt lassen die Kinozilien (Bronchus, Mensch) die ..9+ 2"-Struktur
erkennen; * atypische Riesenzilie mit 3 zum Teil unvollständigen Mikrotubulussätzen, links unten: Mikrovilli. Vergr. 35000-
fach.
2.1 Zellmembran 21
können auch Rezeptorstrukturen sein; so ist z.B. das Verankeru ng und Ents tehung Jede Zilie ist in einem
Außenglied der Lichtsinnes1.cllen ein modifiziertes Zili- Basalkörper (Kinetosom) verankert, aus dem ihre Mikro-
um. Solchen Sinneszilien fehlen oft die 2 zentralen Mikro- tubuli ausgewachsen sind (Abb. 2.12 a, b). Die Basalkörper
tubuli (9 + 0-Muster). sind zylinderförmig und bestehen aus 9 Dreiergruppen
• An den Doppeltubuli finden sich verschiedene assozüerte (Tripletts) kurzer, peripherer Mikrotubttli; Zent:raltubttli
Proteine, die (1) den peripheren Ring insgesamt zusam- fehlen. Bei der Entstehtmg und Regeneration von Zilien
menhalten (Ncxin), (2) die Kraft flir die Zilienbewegtmg wachsen die Doppcltubuli von 2 der 3 Tubuli der TripJetts
erzeugen und (3) die Porm der Bewegung kontrollieren. aus. An der Basis der Kinetosomen setzen quergestreifte
Das wichtigste dieser assoziierten Proteine ist das ziliäre Wurzelbündel (Ccntrinfilamente) an (Abb. 2.13). Sie sind
Dynein, das regelmäßig entlang den Doppeltubuli vor- beim Menschen ktliZ oder fehlen; bei anderen Säugern kön-
kommt. Dieser große Proteinkomplex (ca. 2000000 D) nen sie weit ins Zytoplasma 7.ieben. Seidieb befindet sich
aus ca. 10 Polypeptidketten ist mit seinem Schwanz im am Kinetosom ein rnikrotubulusorganisierendes Zentrum
A-Tubulus verankert, während sich sein Kopf reversibel (Abb. 2.13).
mit dem B-Tubulus verbindet, der im Uhrzeigersinn am
nächsten liegt. Am Dyneinkopf ist dabei ATP gebtmden,
das hydrolysiert wird. Dadurch bewegt sich der Kopf zum Klinik Bei angeborenen Ziliendefekten (Syndrome der im-
Minusende des benachbarten Doppeltubulus und würde mobilen [immotilen] Zilien ) können die Zilien ihre Funk-
damit bewirken, dass die benachbarten Doppeltubuli an- tionen nur tmvollkommen erfiillen. Am häufigsten wirkt
einander vorbeigleiten. Weil diese aber über das Nexin sich dies in den Atemwegen aus: Schleim kann nicht voll-
mechanisch fest verbunden sind, wird aus der Gleitbe- ständig abtransportiert werden, und es entstehen bereits im
wegung eine Beugtmg des Axonemas. Im fixierten elek- Kindesalter chronische Entziind ungen.
tronenmikroskopischen Präparat ist die Existenz des
Dyneins in Porm der Dynein-Ärmchen erkennbar.
I
I
Dynei'l8Jme I
ilnere Scheide ---------+'
m~Speichen
=~ken=------
BasaJplatte ----·--· _ ·- ____., ..,
I
I
Mlkrotubulustriplett - - - - - rt.--""-......."
Mlkrotubulustrlplett
MikrotWuli ----<-
I
Nexinl
Zentralzylinder
Abb. 2.13 Ultrastruktu r einer Kinozilie. MTOC: mikrotubulusorganisierendes Zentrum. (Aus [3])
22 2 Zelle
Primäre Zilien in genau abgcstttfter Art tmd Weise (Kap. 17. 1.2). Sie sind
ca. 10-50 11m lang tmd 0,2 1un dick, wobei ihre Basis schlan-
Zellen, die keine Kinozilien ausbilden, können eine primäre ker ist als ilir Schaft. Sie sind durch feine Filamente, sog. Tip-
Zilie besitzen. Sie sind fingerformige Ausstülpungen der Links, miteinander verbunden.
Zelloberflächc, unbeweglich und nur wenige ~un lang. Pri- Dtrrch einen mechanischen Reiz können sie an ilirer
märe Zilien enthalten viele Mikrotubuli, aber kein Dynein. schlanken Basis hin- und herbewegt werden. So werden sie
Ihr Kennzeichen sind oft Proteine mit Rezeptorfunktion - aus der senkrechten Stellung abgelenkt, was für die Erre-
auf den Tubuluszellen der Niere sind sie z. B. Sensoren gtmg der Sinneszellen wesentlich ist.
des Harnflusses. Primäre Zilien kommen auf Epithelzellen,
Neuronen und vielen Bindegewebszellen (Knorpel- und
Knochenzcllcn, Fibroblasten) vor. Mikroplicae
Mikroplicae sind schmale Auffaltungen der Zellmembran.
Klini k Spezielle primäre Zilien, die in der Embryonalzeit Sie können apikal auf Epithelzellen oder seitlich zwischen
die Recbts-links-Asymmetrien des Körpers festlegen, besit- Epithelzellen ("V erzahnungen") ausgebildet sein. Die api-
zen Dynein und sind beweglich. Beim Kartagen er-Syn- kalen Ausfalttmgen sind gleichmäßig schmal, die seitlichen
drom fehlt diesen Zilien das Dynein. Das Syndrom ist durch Falten meist plumper tmd unterschiedlich dick.
tmbewegliche Spermien, häufige Lungeninfektionen tmd in
50~ durch untypische (vertauschte) Lage der inneren Orga- Vorkommen Auf der Oberfläche der apikalen Epithelzellen
ne gekennzeichnet, so liegt das Herz bei diesen Menschen der Stimmfalten im Kehlkopf, auf den obersten Epidermis-
oft rechts. zellen von Fischen. Seitlich z. B. zwischen Epithelzellen der
Ziliarzotten (Auge) oder zwischen Epithelzellen von Nieren-
MikroviLLi tubuli.
Mikrovilli (Abb. 2.14) vergrößern die Oberfläche der Zellen
tmd erleichtern damit Resorption tmd Ionentransport Sie
sind je nach Zelltyp ca. 1-2 ~lang und 0,08 1rm dick. Sie
werden innen von einem Biindel aus 20 -30 Aktinfilamen-
ten stabilisiert, die tmtereinander durch Villin und Fimbrin
verbunden tmd an der Zellmembran über Myosin I tmd Cal-
modulin befestigt sind (Abb. 2. 15). Mikrovilli sind im t er-
minalen Netz (Spcktrin, Myosin II und Intermediärfila-
mente) verankert und tragen speziell an ihrer Spitze eine gut
ausgeprägte Glykokalyx. Sehr dicht stehende Mikrovilli (ca.
3000 pro Zelle im Oiinndarmepithel) bilden einen Bürsten -
saum, der besonders gut im resorbierenden Darmepithel
(Abb. 2.5, Abb. 2.14, Abb. 10.52) und in den proximalen
Nierentubuli ausgebildet ist.
Stereozilien auf SinneszeLLen des Innenohrs Abb. 2.14 Mikrovilli der resorbierenden Epithelzellen
Stereozilien auf Sinneszellen des Innenohrs (Sinneshaare) im Ileum (Mensch). a: Längsschnitt. Im Zentrum der Mikro-
sind kräftige und steife Mikrovilli, die einige 100 besonders villi verlaufen feine, streng parallel angeordnete Aktinfila-
dicht gepackte Aktinfilamente enthalten. Ihre Anordnung mente (1), die in das apikale Zytoplasma einstrahlen. (2)
auf den Sinneszellen ist gcnau festgelegt, illre Länge variiert Glykokalyx der Mikrovilli. b: Querschnitt. Vergr. 68000-fach.
2.1 Zellmembran 23
Glykokalyx - -
Aktin------
- - - MikroviiJus
Myosin I, ----
Calmodulin -- Aktinfilamente
Rmbrin - --
Viitin -----
o xx::~x
'
(Spektrin, Myosin II und in der Tiefe
Intermediärfilamente) verankert ist. terminelas- ~
Oie Aktinfilamente sind miteinander Netz :
und mit der Membran der Mikrovi lli
verbunden. Die Zonula adhaerens be-
steht auf der Zytoplasmatischen Seite
aus verschiedenen Proteinen und ''
einem gut ausgeprägten Bündel aus Mikrotubuli - Spektrtn -- Desmosern
Aktinfilamenten. Mit dem Desmosom
-- · Ankyrin
stehen Intermediärfilamente ( Kera-
tine) in Kontakt.
Zellmembran
'
frOhes c!
"0
Endosom
"
''
Golgi-Apparat
Abb. 2.17 Pinozytose, Phagozytose, Autophagie. Makromoleküle werden durch Pinozytose, eine verbreitete Form der
Endozytose, aus dem Extrazellulärraum aufgenommen. Die entstehenden Bläschen verschmelzen mit den frühen Endosomen
(Kap. 2.4.4) und diese wiederum mit Transportvesikeln aus dem Golgi-Apparat, die Lysosomale Enzyme (saure Hydrolasen) ent-
halten. Dadurch entstehen graduell späte Endosomen. In ihnen bauen die lysosomalen Enzyme die Makromoleküle ab, die spä-
ten Endosomen werden so zu Lysosomen. Aus den frühen Endosomen können sich Vesikel ab knospen, die zur Zellmembran
zurückwandern (Kap. 2.4.4). Bakterien, Zellfragmente und Fremdkörperwerden von Makrophagen und Granulozyten durch Ein-
stülpung der Zellmembran aufgenommen (Phagozytose, rechte Bildhälfte). Intrazellulär schUeßt sich die Einstülpung zum
Phagosom. Sie nimmt Lysosomale Enzyme auf und entwickelt sich mit fortschreitendem Abbau der Partikel zu einem Lysosom.
Der Abbau überalterter oder geschädigter Zellorganellen (Autophagie) beginnt mit der Umhüllung des Organells durch Membra-
nen des endoplasmatischen Retikulums (ER, unten). Mit diesem Komplex, dem Autophagosom, verschmelzen späte Endosomen.
Mit fortschreitendem Abbau der Organellen entstehen Lysosomen. (Aus (1])
2.1 Zeltmembran 25
und t-SNARE lagern sich zusammen, wobei GTP-bindende
c Proteine der Rah-Familie diese Verbindung regulieren. Alle
Abb. 2.18 Clathrin- SNARE-Proteine verdrillen sich, pressen das Vesikel an die
bedeckte und andere Zielmembran, die Membranen verschmelzen und es ent-
Endozytosevesikel. steht eine Öffnung.
Fusion von Vesikeln mit Zielmembranen Werm Vesikel Funktionen Cadhcrine haben adhäsive Punktionen, kön-
mit anderen Membranen verschmelzen, lagern sich Re- nen Signale ins Zellinnere übertragen - und damit Zell-
zeptorproteine (SNARE = "soluble N-ethylmaleimide sen- funktionen auslösen -, bilden Zellkontakte (Desmosomen,
sitive attachment protein receptor") zusammen, die auf Zonulae adhaerentes, Abb. 2.19) und sind an vielen anderen
der Vesikelmembran (v-SNARE) und auf der Zielmembran Funktionen, z. B. der Zell- und Organdifferenzierung, be-
(t-SNARE) vorhanden sind. Dies ist besonders gut bei syn- teiligt.
aptischen Vesikeln und Sekretgranula untersucht: Nähert
sich das Vesikel der Zielmembran, strömt zunächst Cal- Formen Bei den Cadhcrinen werden unterschieden:
citun über spannungsabhängige Calciumkanäle ins Zyto- • klassische Cadherine mit
plasma ein. An der Andockstclle werden daraufhin Aktin, - E-Cadherinen (Adhärens-Junktionen)
Piektin und andere Zytoskelettkomponenten, die an der - N-Cadherinen (Neurone, Skelett- und Herzmuskel-
Innenseite der Zielmembran liegen, beseitigt. v-SNARE zellen, Linsenfascrn, Fibrozyten)
26 2 Zelle
~sehen
benachbarten
Zellen
/ 1nterzelklläre{
Kommunikation
Akt1n
'
Zell-Matrix·{
Verbindung
' '
' ''
fokaler
Kontakt
''
Laminin
ln'tegrine Lamina Lamina
lucida densa Abb. 2.19 Zellkontakte und
Hemldesmosom
Basallamina Zelladhäsionsmoleküle.
- P-Cadherinen (Plazenta, Brustdrüse, Epidermis) • Intrazellulär sind sie über Verbindungsproteine (Vincu-
- VE-Cadhcrinen (Endothelzcllen) lin, a-Aktinin, Talin) mit Aktin oder Keratinen, also mit
• nicht klassische Cadherine mit dem Zytoskelett, verbunden.
- Dcsmocollin (Dcsmosomen) • Extrazelluläre Bindungspartner sind Laminin und Fibro-
- Desmaglein (Desmosomen) nectin, die beide ihrerseits mit verschiedenen Kollagen-
- zahlreichen weiteren Formen, 1.. B. in Neuronen, Innen- typen (z.B. Typ- IV -Kollagen), Hcparansulfat-Proteogly-
ohr, Herz, Nierenglomeruli. kanen und Entaktinen (Nidogenen) interagieren.
Die klassischen Cadherine sind relativ eng miteinander ver- Funktionen Diese vielseitigen Moleküle sind entschei-
wandt. Sie sind meist intrazellulär i.iber Catenine mit Aktin dend am Kontakt zwischen Zelle und interzellulärer Matrix
verknüpft. Die nicht klassischen Cadherine sind nicht enger beteiligt (Abb. 2.19). Intcgrine können:
miteinander verwandt w1d haben nicht alle adhäsive Funk- • auf intrazelluläre Signale reagieren und ihre Verbindung
tionen, einige - wie 1.. B. das T -Cadherin - dienen wohl nur mit der Matrix ändern ("inside-out signaling")
der Signalübcrmittlung. Wenn sich Epithelzellen in nicht • auf extrazelluläre Reize hin intra7.elluläre Signalwege in-
epitheliale (mcsenchymale) Zellen wnwandeln, dann sind duzieren
an solchen, zwn Teil auch malignen Prozessen E-Cadherine • zwischen einem aktiven und einem inaktiven Zustand
Ul1d Proteine wie Twist beteiligt. hin- tmd herwechseln. Im aktiven Zustand bilden sie sehr
schnell molekulare Verbindungen, im inaktiven Zustand
Selektine bauen sie gar keine Verbindungen auf. Diese Fähigkeit
spielt eine Rolle, wenn Zellen entlang einer Basallamina
Bindung Sclektine verbinden sich mit zuckerhaltigen Er- oder Makrophagen durch die Bindegewebsmatrix wan-
kennungsdomänen anderer Membranproteine oder -Iipide dern.
(sind somit Lektine).
ADAM- Proteine Die integrinvermittelte Verbindung von
Funktionen Wenn Leukozyten aus Gef<if~en auswandern
tmd dazu an Endothelzellen binden, stellen Selektine den Zellen Ul1d interzellulärer Matrix kann durch ADAM-
Proteine gelöst bzw. rttckgängig gemacht werden. ADAM
ersten Kontakt zwischen Leukozyten tmd Endothel her.
stellt für "a disintegrin and metalloprotease" (ein Disinteg-
Diese Bindtmg ist noch schwach tmd reversibel tmd wird
rin Ul1d eine Metalloprotc-.:tse). Diese ADAM-Proteine ha-
schließlich durch Integrine verfestigt.
ben extra- und intrazelluläre Domänen. Die extrazelluläre
Fo rmen Bei den Selektinen werden tmterschieden: Domäne setzt sich aus verschiedenen Komponenten zu-
• P-Selektine auf Blutplättchen und aktivierten Endothelien sammen, v. a. der Disintcgrin- und der Metalloproteasen-
• E-Selektine auf aktivierten Endothelien Komponente:
• L-Selektine auf Leukozyten. • Die Disintcgrin-Komponente bindet an Integrin und
kann die Verbindung zwischen Intcgrin und extrazellu-
lärer Matrix unterbrechen.
Integrine • Die Metalleproteasen-Komponente baut Bestandteile der
Aufbau und Bindung Als Heterodimere bestehen Integ- Matrix ab und macht so Zellwanderung möglich.
rine aus 2 verschiedenen Untereinheiten (a tmd ß, Abb .
2.20) Ul1d binden sowohl an intra- als auch an extrazelluläre Das Zusammenspiel von Integrinen und ADAM-Proteinen
Proteine: spielt z. B. bei Zellwanderungen in der Embryonalzeit, bei
2.1 Zellmembran 27
fi~t;~~~~i~iä;r~~-~-j Zellkontakte
~------------ --- -- -
Aktin Zellkontakte (Zelljunktionen, Junktionen) sind strukturell
lllld ftmktionell charakterisiert (Abb. 2.19, Abb. 2.21). Struk-
V111culin turell sind sie entweder Zonulae oder Maculae: Zonulae
• sind gürtelförmig entlang der gesamten ZeHmembran aus-
gebildet, Maculae sind punktförmige Gebilde. Funktionell
-- - a-Aklinin lassen sich bei Säugetieren lllld Mensch 4 große Gruppen
von Zellkontakten unterscheiden:
• Adhäsionskontakte: Der Zellkontakt verbindet die Zelle
mit der Nachbarzelle oder verankert sie in der extrazellu-
lären Matrix. Beispiele sind die Zonula adhaerens, die
Desmosomen und die Hemidcsmosomen.
• Kommunikationskontakte: Der Zellkontakt leitet chemi-
sche oder elektrische Signale zur Nachbarzelle. Beispiele
•• a.-- --ll
s Disulfid-
sind Nexus (Gap Jtmction) und elektrische Synapsen .
• Verschlusskontakte (Barrierekont.al'te): Der Zellkontakt
verschließt (versiegelt) den Interzellulärraum zwischen
brOcke benachbarten Epithelzcllen. Ein Beispiel ist die Zonula
ocdudens (Tight Jtmction).
• Signalübermittelnde Kontakte: Dazu gehören z.B. die
Bindungs-
stellen chemischen Synapsen im Nervensystem oder die immu-
für bivalente nologischen Synapsen des Imm unsystems. Aber auch
Kationen die anderen Zellkontakte könn en eine Punktion bei der
,'
~~f
Übermittlllllg von Signalen haben.
,-"'
'
Adhäsionskontakte
Laminin Adhäsionskontakte (V erankenmgsjunktionen) sind mecha-
' '' nische Verbindungen. Hierzu zählen vor allem Zonulae
'
•' adhaerentes, Punktdesmosomen, fokale Kontakte, Desmo-
Fibronektin
somenlllld Hemidesmosomen (Abb. 2.21a-d). Diese Kon-
~------------- ---- ·
.
: Extrazellulärraum :
'
takte sind in den Epithelien besonders gut ausgebildet.
Wenn Adhäsionskontakte benachbarte Zellen verbinden,
geschieht dies mithilfe der Cadherine (mit ihrer "Druck-
Abb. 2.20 Integrine. Diese Transmembranproteine sind knopf'-Verbindung, s. o.). Ist die Zelle in der cxtrazcllulären
Heterodimere und binden gleichzeitig an intra- und extra-
Matrix verankert, dienen lntegrine als Adhäsionsmoleküle.
zelluläre Proteine. Der Zytoplasmatische Anteil des jeweiligen Proteins ist in
einer Matte (Anheftungsplaque, Plaque) intrazellulärer An-
h eftungsproteine (Plaqucprotelne) verankert, in denen auch
der Befruch tung, Angiogenese, Herzcntwickltmg, Neuro- die Filamente des Zytoskeletts befestigt sind (Abb. 2.21, Abb.
genese und auch bei der Kar7Jnomentstehtmg und -ausbrei- 2.22). Die Zytoplasmatischen Filamente sind wesentliche
tung eine wichtige Rolle. Komponenten dieser Zellkontakte. Oie Kontaktstruktur be-
steht also aus Adhäsionsmolekül, Plaqueproteinen tmd einer
Zelladhäsionsmoleküle der Immunglobulin- Zytoskelettkomponente.
Es lassen sich 2 Gruppen solcher mechanischen Kontakte
Superfamilie unterscheiden:
Aufbau Zelladhäsionsproteine mit extrazellulären irn- • Kontakte, in deren Anhefttmgsplaquc Aktinfilamente
mtmglobulinähnlichen Domänen. verankert sind
• Kontakte, in deren Anheftungsplaques intermediäre Fi-
Funktionen Diese Adhäsionsmoleküle vermitteln calc- lamente (Keratinfilamcntc) vera.nkert sind.
iumunabhängig den Kontaktzwischen Zellen.
Adhäsionskontakte mit Aktinfilamenten in der Plaque
Formen Man tmterscheidet insbesondere: Hierzu zählen Zonula adhaerens, Punktdcsmosomen lllld
• vaskuläre Zelladhäsionsmoleküle (VCAMs = interzellu- Fokalkontakte (Tab. 2.1):
läre Zelladhäsionsmoleklile = ICAMs), die sich auf Endo- • In der 0,1 -0,5 j.Ull breiten gürtel.förmigen Zonula adhae-
thelzellen finden und die Integrine auf Leukozyten binden rens bleibt der Interzellulärspalt ca. 20-40 nm weit (Abb.
• neurale Zelladhäsionsmoleküle (NCAMs), die von den 2.21a). Auf der zytoplasmatischen Seite liegen Plaque-
meisten Nervenzellen, aber auch anderen Zellen cxpri- proteine und ein Bündel von Aktinfilamenten (Abb. 2.22),
miert werden. Sie binden (homophil) an gleichartige zwischen denen auch Myosin-li-Moleküle vorkommen.
NCAMs auf benachbarten Zellen. Sie kommen oft neben Das Aktinbündel verläuft parallel zur Zellmembran ring-
den fest verbindenden Cadhcrinen auf der gleichen Zelle förmig um die ganze Zelle. Mithilfe dieses Zellkontaktes
vor lllld spielen eine besondere Rolle bei Entwicklllllg lllld können die aktinabhängigen BewegMgsvorgänge in be-
Wundheil ung. nachbarten Zellen koordiniert werden, was bei Kontrak-
28 2 Zelle
2.1 Zeltmembran 29
~ Abb. 2.21 Zellkontakte in EM-Aufnahmen (a, b, d, e; aus [1]) und Gefrierbruchpräparat (c, f; Präparate Prof. Dr. med.
Helmut Bartels, München). a: Haftkomplex (Schlussleistenkomplex) zwischen 2 Deckzellen im Epithel des Harnleiters des Men-
schen. Dieser Komplex besteht aus einer zuoberst liegenden Zonula occludens (1), einer darunter gelegenen Zonula ad haerens
(2) und an unterster Stelle Desmosomen (3). Vergr. 36500-fach. b: Desmosomen (Maculae adhaerentes), Epidermis, Mensch;
im Interzellulärraum strukturiertes Material (besteht vor allem aus Cadherinen ); der Zellmembran sind auf der zytoplasmati-
schen Seite Anheftungsproteine angelagert, in denen Keratinfilamente verankert sind. Vergr. 92 000-fach. c: Membran von
Chordazellen eines Neunauges (Lampetra fluviatilis), freigelegte protoplasmatische Membran. -+ Desmosomen, ~ Nexus. Vergr.
48000-fach. d: Hemidesmosomen an der basalen Zellmembran der Basalzellen in der Epidermis des Menschen. In die Membran-
verdichtungen der Hemidesmosomen strahlen Keratinfilamentbündel (1) ein. Zwischen basaler Zellmembran und Lamina densa
der Basallamina (2) befindet sich im Bereich der Hemidesmosomen der Epidermis elektronendichtes Material (-+). Vergr.
36600-fach. e: Zonula occludens (Tight Junction) zwischen 2 Kolonepithelzellen des Menschen. Die äußeren Blätter der Zell-
membran verschmelzen in Form von anastomosierenden leisten (im Schnittpräparat oft schwer zu erkennen) und versiegeln
den Interzellulärraum. Vergr. 115000-fach. f: Im Gefrierbruchpräparat tritt das netzartige Leistenmuster der Zonula occludens
in der Zellmembran deutlich hervor. Anordnung und Ausdehnung der Leistensysteme bestimmen die funktionellen Eigenschaf-
ten- v. a. die Durchlässigkeit- der Zonula occludens. Trachealepithel, Mensch. Vergr. 32 000-fach.
tion des Aktinbündels auch zu Verfestigtmg flihren kann. • Punktdesmosomen sind punktförmige Kontakte zwi-
Im Lichtmikroskop entspricht vor allem das Schluss- schen benachbarten Zellen. Sie sind weit verbreitet und
leistennetz diesem Ko ntaktgürtel, was z.B. in Flachschnit- kommen sogar in Synapsen vor.
ten durch das Darm- oder Gallenblasenepithel gut zu er- • Fokalkontakte sind ptmkt- oder strcifenförmige Kontak-
kennen ist. te zwischen Zellen und interzellulärer Matrix. Diese Zell-
Matrix-Kontakte kommen u.a. in der Membran von
Herz- tmd Skelettmuskelzellen und von Endothelzellen
der Arterien vor. In Zellen wie Pibrozyten können sie
Zellmembran -~:: -- Interzellulärraum kurzfristig auf- tmd abgebaut werden.
Plaque- Adhäsionskontakte mit i ntermediären Filamenten in
Proteine Akti n
•• •• der Plaque Hierher gehören die typischen Desmosomen
(Maculae adhaerentes) und Hemidesmosomen (Tab. 2.1):
• Desmosomen sind 0,1-0,5 ~ groß, ihr Interzellulär-
spalt ist 20-40 nm weit. Sie kommen vor allem in Epi-
thelien (Abb. 2.21a), aber auch anderswo, z.B. zwischen
Herzmuskelzellen und den Zellen der Arachnoidea vor.
Die Plaqueproteine sind reich entwickelt (Abb. 2.2l b,
• Abb. 2.23) und verankern intermediäre Filamente, in
'• ., .•- -a- Catelln
.
'' : : Vinculin Epithelien also Keratine. Die intermediären Filamente als
.
E-Cadhenn'
~ ~ a·Actinin wesentliche Stützkomponente des Zytoskeletts sind in
': ''- - ~-Cateni n benachbarten Zellen über die Desmosomen verbunden
'•-- p-120-Protein und fangen Scherkräfte und andere Belastungen, die auf
das gesamte Epithel einwirken, ab.
• Ähnlich verhalten sich die He midesmosomen, die die
Abb. 2.22 Zonula adhaerens. Epithelzellen an der Basallamina befestigen (Abb. 2.19,
Abb. 2.2l d, Abb. 2.24). Zu den Plaqueproteinen zählen
''
' ..
••
••
••'
' '
Lalrina densa
·
= --- - ·Kollagen IV
''
'
Desmocollin .
• ' '- - Desmoplakin
'
\ :--Plakophilin \:::::::::;~;..J~~~~=--Kollagen 1, 111
•
Desmogle in Plakoglobin ' , Ankerfibrillen
(Kollagen VII)
Abb. 2.23 Desmosom mit molekularen Komponenten. Abb. 2.24 Hemidesmosom.
30 2 Zelle
••
-
,.
• - J
.........
.\ -
\
\
a b
Abb. 2.25 Nexus (Gap Junction). a: Im Gefrierbruchpräparat besteht die Gap Junction aus einem Feld sehr dicht gelager-
ter gleich großer Membranpartikel in der Zellmembran, die den Connexonen entsprechen. In den anderen Membranarealen
locker verteilte MembranpartikeL Es sind 2 Nexus in der Membran einer Herzmuskelzelle einer fetalen Ratte zu erkennen.
Vergr. 80 OOO·fach. (Gefrierbruchpräparat Prof. Dr. med. Helmut Bartels, München). b: Immunhistochemischer Nachweis des
Connexins 43 in den Nexus der Glanzstreifen in der Herzmuskulatur ( ~ ); Vergr. 450-fach.
Verschlussleisten Besonderheiten
Haftkamp lexe Haftkomplexe (Schlussleistenkomplexe,
junktionale Komplexe) liegen in Epithelien und bestehen
von apikal nach basal immer aus Zonula occludens, Zonula
adhaercns und Dcsmosom. Pür diese konstante Anordnung
sind u. a. verschiedene Gerüstproteine verantwortlich. Die-
sen Gerüstproteinen sind ftmktionell die Plaqueproteine
, ---- zytoplasmatisches der Zonula adhaerens, und damit die ganze Zonula adhae-
Blatt der rens, eng verbtmden. So wird u. a. die Zonula occludens an
Zellmembran ihrem Platz gehalten. Antikörper gegen Cadherine schrän-
'-- äußeres Blatt der
Zellmembran ken nicht nur die Bildung der Zonula adhaerens, sondern
auch der Zonula occludens ein.
Abb. 2. 28 Zonula occludens (Tight Junction) im drei·
dimensionalen Schema. Die Zonula occludens ist durch ana- Vorübergehend bestehende Kontakte Leukozyten bau-
stomosierende Verschlussleisten gekennzeichnet, die aus en oft mithilfe von L-Selektin oder Integrinen (Kap. 2.1.7)
speziellen Membranproteinen aufgebaut sind. vorübergehend bestehende Kontakte zu anderen Zellen attf.
2.2 Zellkern (Nukleus) 33
Auffälligste Struktur einer eukaryotischen Zelle ist der Zell- Bestandteile Kernhiillen bestehen aus einer äußeren und
kern. Typischerweise hat jede Zelle einen Kern; sekundär einer inneren Kernmembr.m, zwischen denen sich die ca.
geht er in den ausdifferenzierten Erythrozyten verloren. Sel- 20 nm weite Perinuklearz.isterne befindet (Abb. 233):
ten sind Zellen mehrkernig (z. B. Osteoklasten und Skelett- • Die äußer e Kern membran trägt oft Ribosomen.
muskelzellen). Der Kern nimmt ca. 1 5~ des Zellvolwnens • Der inn eren Kern membran liegt innen die Kernlamina
ein. Die Gestalt w1d Struktur des Kerns sind für jeden Zelltyp (Lamina nuclearis) an. Sie ist eine 30-100 nm dicke
kennzeichnend, und es ist daher sehr oft die Kernmorpho- Schicht aus Intermediärfilamenten (den Kernlaminen,
logie, die die Diagnose eines Zelltyps ermöglicht (Abb. 2.3, Kap. 2.6.3). Die innere Kernmembran ist außerdem mit
Abb. 2.4, Abb. 2.29, Abb. 2.30). Auch ftmktionelle Kernpha- dem Chromatin verbunden.
senlassen sich gut sichtbar machen (Abb. 2.31, Abb. 2.32).
Kernporen Die Kernhülle enthält typischerweise 1000 bis
4000 Kernporen (Kernporenkomplcxe, Abb. 2.34, Abb.
2.2.1 Kernhülle 2.35); bei wenig stoffwechselaktiven Zellen deutlich weni-
Die Kernhülle ist ein spezieller Abschnitt des rauen endo- ger. Die oktogonalen Poren setzen sich aus mehreren Ko-
plasmatischen Retikulums (RER), der mit dem RER im Zy- pien von ca. 30 Proteinen zusammen, den Nucleoporinen.
toplasma in Verbindung stehen kann. Sie bestehen aus folgenden Komponenten (Abb. 2.35):
~
Abb. 2.30 Zellkerne.
Abb. 2.29 Kernmorphologie in einem Ausschnitt aus der Abb. 2.31 Proliferierend e Zell kerne reagieren mit dem
inneren Wand der Harnblase (Mensch). Von der Basis bis zur *),
Ki-67 ·Antikörper ( Braunfarbung). Apokrine Duftdrüsen (
Oberfläche des Epithels (1) werden die Kerne der ganz dicht Achselhöhle, Mensch. Vergr. 450-fach.
beieinanderliegenden Epithelzellen größer und verändern
ihre Forn1. Die durch die Bindegewebsmatrix (2) getrennten
Fibrozyten des Bindegewebes haben dagegen kleinere,
flache, dunklere Kerne (-+). Plastikschnitt; Färbung: H. E.;
Vergr. 500· fach.
34 2 Zelle
....
•
••..
••
..
••
• ..
'• .. •• -
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111
•
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*
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•
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•......• ••
• ·, Metaphasen Chromosom
1400-~ ~.;---- (zwei Chromatiden)
nm ••
·-- .~
• •
••
..
.,~ '"
••
..
,." "
•
•
• ---------kondensierte Chromatinfibrille
700-i
nm :
' .....
•••
•••
•• •
•• •
••
300-i
nm ____________ .....• aufgelockerte
-
Chromatinfibrille
•• .•••
__ ....·· ··.
•• •
••
••• Abb. 2.36 Aufbau des Chromatins
•• ••
.. -- •• • und seine Veränderungen bei - von
unten nach oben - zunehmender
Kondensierung vor der Zellteilung.
•
•
Oie ONA-Ooppelhelix (unten) verläuft
30-~ entweder frei (Linker-ONA) oder ist in
nm: regelmäßigen Abständen um Histon-
•
Oktamere gewickelt. ONA und Histon-
....... Oktamere bilden die Nukleosomen. So
Hi ston-Oktamer--, entsteht eine ChromatinfibriUe, in der
"--Nukleosom die Nukleosomen wie Perlen in einer
DNJ;>. '
•
Perlenkette liegen .
•
• Oie Chromatinfibrille kann kondensiert
••• werden - in zunehmender Packungs-
~. 11 perlenkettenförmige dichte -, bis sie als Chromosomen
nm Chromatinfibrille (oben) sichtbar werden. Vor der Zell-
... __ ,
• • teilung verknüpfen Condensine
~ (Proteine) schleifenförmige GebiWe,
•' '• • •• sodass die Chromatinfibrillen stark
•• •
,. •• •• • -...... • •• kondensiert sind. Im Interphasekern
sind die Chromatinfibrillen wenig kon-
,- ....
2 nm -~ - · ·· ···· ··-· DNA-Doppelhelix
densiert und bilden weit auseinander-
.!. ..... liegende Schleifen .
ligt sind, small nuclear RNAs (snRNAs), die u. a. am Spli- Im histologischen Präparat ist die Trennung in Eu- tmd
cing der prä-mRNA beteiligt sind, tmd small nucleolar Heterochromatin immer sehr klar erkennbar. Molekular ist
RNA (snoRNA), die rRNA modifiziert. die Trennung wohl weniger scharf. Das morphologische
• Kondensiertes Chromatin (Abb. 2.38) wird Hetero- Muster, das Eu- und Heterochromatin in einem Kern bilden
chromatin genannt; es kann bis zu 90% des Gesamt- (Chromatinmuster), ist für die einzelnen Zelltypen recht
chromatins ausmachen. Die DNA des Heterochromatins konstant tmd typisch und ist ein sehr wichtiges diagnos-
wird nicht transkribiert. Die Nukleosomen sind be- tisches Kriterium für das Erkennen eines Zelltyps.
sonders dicht gepackt, und hier treten auch besondere
Proteine auf, die das Heterochromatin formen und er- Barr-Körperchen Bei der Frau wird in den somatischen
heuten. Zellen eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert, wäh-
rend in der Keimzelllinie (Oozyten) beide aktiv bleiben.
Welches der X-Chromosomen inaktiviert wird, bleibt dem
2.2 Zellkern (Nukleus) 37
Wieder-
herstellung
der Standard-
Nukleosomen
i Anheftung
DNA-bindender
Proteine
r ()~
U <:?
Chromosomen
Zufall überlassen. Das inaktive X-Chromosom ist in vie- Die Chromatinfibrillen sind auf die Chromosomen verteilt,
len Zellen als Ban-Körperehen an der inneren Kernmem- die man aber nur während der Mitose bzw. Meiose erken-
bran sichtbar, am Kern der NeutraphiJen als Trommel- nen kann.
schlägel.
38 2 Zelle
Der rRNA lagern sich im Nukleolus die Proteine der Ribo- deren RNA-Typen und Bildung anderer RNA-Protein-
somen an, die im Zytosol synthetisiert tmd in den Kern im- Komplexe.
portiert werden. Es entstehen hier somit auch die 2 Unter-
einheiten der Ribosomen:
• Mit dem 18S-rRNA-Moleküllagern sich ca. 30 Proteine
2.2.4 Kernmatrix
im Nukleolus Zltr kleinen ribosomalen Untereinheit (40S) Es gibt im Kern- außer Chromatin und Nukleolus- Regio-
zusammen. nen mit tmterschicdlichen biologischen Eigenschaften, die
• Mit den 5.8S-, 28S- und SS-rRNA-Molekülen lagern sich vermutlich dynamischen Charakter haben tmd in bestimm-
ca. 50 Proteine im Nukleolus zur großen ribosomalen ten Situationen auf- und abgebaut werden können. An der
Untereinheit (60S) zusammen. Entstehung solcher poröser und gelartiger Regionen sind
vermutlich Proteine und besondere RNA-Molekille beteiligt.
Die 2 ribosomalen Untereinheiten verlassen getrennt den So können sich z.B. in eigenen Kernregionen aktive Gene
Kern und lagern sich erst im Zytoplasma zwn Ribosom zu- verschiedener Chromosomen konzentrieren, tmd in ande-
sammen. ren Regionen sammeln sich inaktive Gene. Außerdem gibt
es im Kern Strukturen, z.B. die Cajal-Körperchen, in denen
Funktion Im Nukleolus werden die rRNA-Gene dmch spezifische Molekülkomplexe aus Proteinen und nicht ko-
die RNA-Polymerase I transkribiert. Je größer der Nuk- dierenden RNA-Fonnen gespeichert und neu formiert wer-
leolus ist, desto mehr Ribosomen gibt es tmd desto inten- den, die eine Rolle beim RNA-Prozcssieren und bei der
siver ist die Proteinsynthese. Der Nukleolus hat darüber Genexpression spielen. Ob es ein eigenes Kerngerüst gibt,
hinaus zusätzliche Punktionen, v. a. die Produktion der an- das z.B. die Chromosomen positioniert, ist sehr wnstritten.
2.3 Zytosol
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Das Zytosol ist die wässrige Grundsubstanz einer Zelle, in Viele Prozesse im Intermediärstoffwechsel finden im Zy-
die alle Organellen und das Zytoskelett eingebettet sind. tosol statt.
Das Zytosol ist die flüssige zelluläre Grundsubstanz des Zy- abbaus. In ihm finden die Prozesse des Intermediärstoff-
toplasmas, in die Zytoskelett, Organellen und Einschlüsse wechsels statt. Das Zytosol ist ein wichtiger Verkehrsraum
eingebettet sind. Das Zytosol ist ein wässriges Medium, das z.B. fiir Ionenströmc, den Austausch von Stoffen zwischen
tunso visköser ist, je mehr das in ihm liegende Aktin ver- den Organellen oder den Transport von Vesikeln. Sein pH-
netzt ist. Es macht rund 50% des Zellvolwnens aus. Es ist Wert beträgt 7,2. Dieser pH-Wert des Zytosols wird dmch
Ort der Proteinsynthese und zum Teil auch des ProteiD- Pwnpen in der Zellmembran aufrechterhalten.
2.4 Zellorganellen
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Die Zellorganellen sind überwiegend membranbegrenzte • die multivesikulären Körper
Struktttren im Zytoplasma mit jeweils spezifischen Funk- • die Peroxisomen
tionen. Sie sind erst im Elektronenmikroskop klar analy- • die Mitochondrien
sierbar. Zu ihnen zählen: • die Melanosomen.
• das raue tmd das glatte endoplasmatische Retikulum
• der Golgi-Apparat Nicht von einer Membran begrenzte Organellen sind z.B.
• die Lysosomen Ribosomen, Zentriolen tmd Kinozilien.
Die Synthese der letztgenannten Proteine beginnt an einem Proteinsynthese und Transport ins RER Für Proteine,
freien Ribosom mit der Bildung eines Signalpeptids, das an die am RER synthetisiert werden sollen, wird zunächst ein
ein Signalerkennungspartikel (SRP) bindet. Das SRP leitet an freien Ribosomen erstelltes Signalpeptid gebildet, das
das wachsende Protein mlt dem Ribosom zur Membran des an ein Signalerkennungspartikel (SRP) bindet. Das SRP di-
ER. Dort heftet sich das Ribosom, vermittelt durch den SRP- rigiert die beteiligten Ribosomen ans RER und befestigt sie
Rezcptor, an und synthetisiert hier das restliche Protein. dort. Die dann fertiggestellten Proteine werden über spezi-
fische, von einem Multiproteinkomplex aufgebaute hydro-
Polyribosomen Ribosomen sind stets mit mRNA ver- phile Porenstrukturen (Translokatoren) der RER-Memb-
bunden. Sind dabei mehrere Ribosomen mit einer mRNA ran in das Lwnen des RER transportiert. Die genauen
verknüpft, werden diese Ribosomengruppen (egal, ob im Transportmechanismen sind so vielfaltig wie die Proteine,
Zytoplasma liegend oder an der ER-Membran angeheftet) ihre Struktur und ihre Bestimmung. Wenn das Protein
Polyribosomen (Polysomen) genannt (Abb. 2.40). schon während des Translationsvorgangs am Ribosom in
das RER-Lumen verbracht wird, spricht man von co-trans-
Jationaler Trcmslokation. Im Falle anderer Proteine geben
2.4.2 Endoplasmatisches Retikulum (ER) freie Ribosomen ihr fertiges Protein ztmächst ins Zytoplas-
Das ER ist ein in den einzelnen Zelltypen verschiedenartig ma ab, von wo es dann mittels seiner Signalsequenz durch
angeordnetes System von membranbegrenzten Zisternen besondere Translokatoren ins Lumen des RER transportiert
oder Schläuchen im Zytoplasma (Abb. 2.41). Wenn das ER wird: posttranslationale Translokation. Zukünftige Trans-
attßcn mit Ribosomen besetzt ist, wird es ribosomenbesetz- membranproteine werden nicht in das Lumen abgegeben,
tes oder raues ER (RER) genannt; fehlen ihm Ribosomen, sandem bleiben in der ER-Membran und werden in Form
heißt es glattes ER (GER). Das raue endoplasmatische Re- kleiner, abgeschnürter Vesikel - nach Passage durch den
tikulum spielt eine wesentliche Rolle bei der Protein- und Golgi-Apparat - in die Zellmembran oder die Membran
Lipidsynthesc; hier entstehen auch die Lipide und fast alle von Organellen inkorporiert.
Transmembranproteine der Organellen und der Zellmem-
bran. Modifizierung Im RER-Lumen wird das Signalpeptid von
einer Signalpeptidase abgespalten. Anschließend sind eini-
ge Modifikationsreaktionen möglich:
2.4 Zellorganellen 41
• Disulfidbindungen werden gebildet teasomen abgebaut - oder sie werden zwar zunächst in den
• Proteine werden unter Mithilfe von Palttmgskatalysato- Golgi-Apparat transportiert, von hier aber in das RER-Lu-
ren (Chaperon-Proteinen) korrekt gefaltet men zurückgeschickt.
• Proteintmtereinheiten werden zu größeren Komplexen
zusammengefügt
• die Glykosylierung der Proteine beginnt Erscheinungsbild
• Proteine können bereits im Lmnen des RER wieder ge- Das RER ist in den einzelnen Zellformen tmterschiedlich
spalten werden. entwickelt (Abb. 2.41, Abb. 2.42). In Drüsenzellen, die Ei-
weiße synthetisieren, fiillen dicht gelagerte RER-Zisternen
Glykosylierung tmd Spalttmg finden noch verstärkt im Gol- oft die ganze basale Zellhälfte (lichtmikroskopisch: baso-
gi-Apparat statt. philes Ergastoplasma) aus, so z. B. im exokrinen Pankre-as
(Abb. 2.43) oder in der laktierenden Milchdrüse. In vielen
Prüfung Dann wird geprüft, ob das Protein korrekt ge- großen Nervenzellen bildet das RER mehrere größere
faltet ist und die Untereinheiten richtig zusammengelagert Membranstapel, die Nissl-Substanz genannt werden (Abb.
sind. Ist dies nicht der Pali, werden die Proteine zurück- 2.44) - benannt nach dem Heidelberger tmd Münchner
gehalten (als Aggregate oder an andere Komponenten ge- Neurologen und Psychiater Pranz Nissl, 1860-1919.
bunden) oder ins Zytosol zurücktransportiert und in Pro-
\ .,
Erscheinungsbild sikel aus dem RER auf. Dieser cis-Seite liegt die - oft kon-
kave - trans-Seite gegenüber, wo das modifizierte Protein
Das GER steht oft in kontinuierlicher Verbindung mit dem in Vesikel oder Sekretionsgranula verpackt wird. Die trans-
RER, kann aber auch unabhängig von ihm auftreten. Es bil- Seite ist oft besonders stark in Zisternen und Lmterschied-
det meist tubuläre Strukturen (Abb. 2.45), die in einzelnen lich große Vesikelstrukturen aufgegliedert und wird auch
Zellen, z.B. den Stcroidhormon bildenden Zellen, das Zyto- Trans-Golgi-Netzwerk (TGN) genannt. Ist die cis-Seite
plasma weitgehend ausfullen können. Hier sind Lipid- komplex strukturiert, spricht man vom Cis-Golgi-Netz-
tropfen, die das Ausgangsmaterial der Cholesterinsynthese werk (CGN). In der Mitte zwischen den beiden Seiten
enthalten, oft von vielen Lagen des GER umgeben. liegen mediale Zisternen. Der gesamte polare Aufbau des
Golgi-Apparats wir d von Mikrotubuli Lmd einem dynami-
Vorkommen Das GER kommt in größerem Umfang in ste- schen Gerüst von Matrixproteinen aufrechterhalten.
roidproduzierenden Zellen, in Skelett- und Herzmuskel-
zellen und in variabler Ausbildung in Leberzellen vor. Stofftransport Vom Golgi-Apparat aufgenommene Pro-
teine werden schrittweise von der cis- zur trans-Seite um-
gebaut und modifiziert (prozessiert). Zum Stoffiransport
2.4.3 Golgi-Apparat durch den Golgi-Apparat existieren 2 Hypothesen:
Proteine, die im RER gebildet wurden, wandern mithilfe von • Die Zisternen sind weitgehend stationäre Strukturen.
Transportvesikeill zum Golgi-Apparat (nach Camillo Golgi Stofre werden mittels lateral abgeschnürter Vesikel trans-
[1843-1926, Pathologe, Pavia, 1906 Nobelpreis für Medi- portiert (Abb. 2.47a).
zin] benannt), einem spezifischen Membrankomplex jeder • Die Zisternen selbst wandern von der cis- zur trans-Seite
Zelle. Im Golgi-Apparat werden die Proteine strukturell und werden auf der cis-Seile aus Vesikeln des RER stän-
modifiziert, d. h. phosphoryliert, sulfatiert, glykosyliert (oder dig neu gebildet (Abb. 2.47b).
in ihrer Glykosylienmg verändert) und nach Zielorten sor-
tiert. Sicher ist, dass lateral am Golgi-Apparat zu findende Vesikel
Stofl"e von der trans- zur cis-Seile zurücktransportieren. Zu
Aufbau Der Golgi-Apparat besteht aus einem Stapel diesen Stoffen gehören z.B. Enzyme, die benötigt werden,
membranbegrenzter Zisternen (Abb. 2.46) Lmd diesen um die aus dem RER kommenden Proteine zu modifizieren.
funktionell zugeordneten kleinen Vesikeln. Eine Seite des Es können sogar Proteine aus dem RER, die bis zur trans-
Membranstapels ist oft konvex gewölbt und nimmt die Ve- Seite gelangt sind, zum RER zurücktransportiert werden.
Abb. 2.45 Glattes endopla.s matisches Reti kulum. Abb. 2.46 Golgi-Apparat (*) mit cis- (1) und trans-
Das GER ist in einer Leydig-Zelle im Hoden des Menschen Seite (2); IJJ> glatte Vesikel; ~ Stachelsaumbläschen;
reich entwickelt, die dicht gelagerten Schläuche des GER (1) 3 Zellkern. Epithelzelle des Nebenhodens des Menschen.
sind quer, schräg und Längs angeschnitten. 2 tubuläre Vergr. 36 610-fach.
Mitochondrien; 3 Zellkern. Vergr. 35 700-fach.
44 2 Zelle
a b
Abb. 2.47 Stofftransport im Golgi-Apparat. a: Vesikuläres TransportmodelL b: Modell der Zisternenreifung. RER: raues
endoplasmatisches Retikulum; CGN: Cis-Golgi-Netzwerk; TGN: Trans-Golgi-Netzwerk; rote Pfeile: Wanderungsrichtung von cis
nach trans; blaue Pfeile: Wanderungsrichtung von trans nach cis. (Modifiziert nach (12))
a b
Abb. 2.48 Golgi-Apparat und Sekretionsgranula. a: Golgi-Apparat (1) und Sekretionsgranula (2); 3 Anschnitte durch den
Golgi-Apparat. Aus dem Golgi-Apparat gehen die Sekretionsgranula (2) hervor, deren Inhalt sich außerhalb des Golgi-Apparats
noch verdichten kann. 3 Zellkern; 4 Mitochondrium. Seröse Drüsenzelle der Bronchialdrüsen des Menschen; Vergr. 15 300-fach.
b: Golgi-Apparat (1) und große Sekretionsgranula (2). Becherzelle aus dem Darm einer Maus (Präparat Dr. Tim Nebelsiek,
München); Vergr. 11500-fach.
En Beispiel flir die spezifische Ftmktion des Golgi-Appa- Vorkommen Golgi-Apparate sind in Drüsenzellen beson-
rats ist die Phosphorylienmg eines Mannoserests in Glyko- ders groß, sie verpacken die Sekrete in Granula (Abb. 2.48).
proteinen arn C6-Atom zu Mannose-6-Phosphat, die die In manchen Zellen, z.B. den mullipolaren Neuronen im
Glykoproteine flir den Zielort "Lysosom" markiert In der Vorderhorn des Rückenmarks, treten mehrere Golgi -A ppa-
trans-Region binden die so markierten Proteine an Manno- rate auf (Abb. 2.49), die dann manchmal als Diktyosornen
se-6-Phosphat-Rezeptoren und werden in Vesikel aufge- bezeichnet werden.
nommen, die sie zu Endosomen (Kap. 2.4.4) transportieren.
2.4 Zellorganellen 45
plasma verlagern, wo sie fiir Syntheseprozesse wiederver- Merke Im Prinzip werden frühe Endesomen graduell zu
wendet werden können. Dies betrifft z. B. Aminosäuren typischen Lysosomen umgewandelt, was sich im Begriff
und Zucker. Die Proteine der Lysosomenmembran sind in "Endosomen-Lysosomen -System" widerspiegelt.
hohem Maße glykosyliert, was sie gegen Angriffe der Hy-
drolasen im LLUnen schützt.
Funktionen
Transport der sauren Hydrolasen zu den Endosomen
Die lysosomalen Enzyme werden im RER synthetisiert und Abbau von Makromolekülen Hauptfunktion der Lyso-
gelangen in den Golgi-Apparat, wo ihre Mannosereste somen ist der Abbau von Makromolekülen, die durch re-
phosphoryliert werden. Die so entstandenen Mannose-6- zeptorvennittelte Endozytose in die Zelle gelangt sind (Abb.
Phosphat (M6P)-Gruppen werden im Trans-Golgi-Netz- 2.17, Abb. 251). Diese Makromoleküle werden mitsamt
werk von einem M6P-Re1..cptorprotein erkannt. Dieses dem Zelhnembranrezcptor, der die Endozytose vennittelt
Protein hilft, die Hydrolasen zu sortieren und in Transport- hat, in Endozytosevesikeln in die Zelle aufgenommen. Die
vesikel zu verpacken, die sich vom Trans-Golgi-Netzwerk Endozytosevesikel geben ihren Inhalt an frühe Endesomen
ablösen. Die Vesikel werden öfter auch primäre Lysosomen (pH 6,5) ab, die sich zu späten Endosomen- und Lyso-
genannt, sind clathrinbedeckt und wandern i. A. zu frühen somen weiterentwickeln können. Der Inhalt typischer
Endosomen, wo sie ihren Inhalt, die Hydrolasen, abliefern. Lysosomen ist heterogen (Abb. 2.50b; daher auch "Hetero-
Die Vesikel wandern mit dem M6P-Rezeptor zurück zum lysosomen "), weil sie nicht weiter verdaubare Reste enthal-
Trans-Golgi-Netzwerk und der Kreislaufbeginnt von vorn. ten, und ihr pH liegt bei ca. 5. Endpunkt der Entwicklung
Der Rezeptor wird bei diesem Hin- und Rücktransport im - sind Residualkörper (Telolysosomen). Diese haben häufig
mer wieder verwendet. eine im Lichtmikroskop gut erkennbare bräun liche Eigen-
pigmentierung und enthalten Lipide, die oft nur Lmvoll-
ständig abgebaut werden können (Abb. 2.SOC, Abb. 2.65).
Endosomen Deshalb heißen Residualkörper auch Lipofuszinkörner (lat.
Endesomen sind vesikuläre Organellen, die in enger fi.mk- fi.tscus = schwarzbraun).
tioneller BeziehLmg zu den Lysosomen stehen. Sie ver-
schmelzen mit Transportvesikeln lysosomaler Enzyme Lmd Stoffwechsel In Lysosomen der Schilddrüsenepithel-
besitzen den Marmose-6-Phosphat-Rezcptor (M6P-Rezep- zellen werden die Schilddrüsenhormone T 3 und T 4 aus dem
tor). Speicherprotein lhyreoglobulin freigesetzt. In den proxi-
malen Nierentubuli nehmen die Lysosomen die kleinen
Frühe Endosomen Die frühen Endesomen entwickeln Proteine (z.B. Kappa-Ketten der Immunglobuline) auf, die
schon einen leicht sauren pH-Wert (6,5-6}, ihre Hydrola- im Glomerulus filtriert und von den Tubulusepithelzellen
sen sind aber zu erheblichem Anteil noch inaktiv. Sie diffe- mittels Endozytose in d ie Zelle rückresorbiert wurden. Sol-
renzieren sich, nachdem sie die Hydrolasen aus dem Golgi- che Proteine werden abgebaut und die resultierenden Ami-
Apparat empfangen haben und ProtonenpLUnpen in ihrer nosäuren dem Organismus wieder zur Verfügung gestellt.
Membran aktiv werden, innerhalb von 10-15 Minuten zu
späten Endosomen. Manche Komponenten, die in die frü- Phagozytose In Lysosomen können auch ganze Zellen
hen Endosomen aufgenommen werden, z.B. viele der oder Krankheitserreger, z.B. Bakterien, abgebaut werden.
Membranrezeptoren, an die abzubauende Stolle gebunden Makrophagen besitzen dementsprechend ein hochentwik-
waren, werden mit Vesikeln, die von der Membran der frü- keltes Lysosomensystem. Das Bakterium wird durch Pha-
hen Endosomen abknospen, wieder zurück an die Zellober- gozytose in ein sog. Phagosom aufgenommen, das, sobald
fläche transportiert und nicht in späten Endesomen oder es im Zytoplasma liegt, Iysosomale Enzyme aufnimmt und
Lysosomen abgebaut. Der mild-saure Inhalt der frühen En- sich tnit fortschreitendem Abbau des BakteriLUns zu einem
dosomen fördert die Lösung der Liganden vom Rezeptor. Lysosom entwickelt (Abb. 2. 17}. Die Ph agozytose wird da-
durch erleichtert, dass die Bakterien mit An tikörpern Lmd
Multivesikuläre Körper Auf dem Weg vom frühen ZLUn Komplement bedeckt sind. Pür das Abtöten der aufgenom-
späten Endosom entsteht ein eigentümliches und noch menen Bakterien wesentlich ist der sog. respiratory burst
nicht voll verstandenes ZwischenstadiLUn, der multivesiku - (oxidative hurst). Der rcspiratory hurst ist durch die explo-
läre Körper (Kap. 2.4.6). sionsartige Frcisetzung von Sauerstoffradikalen (0;, H2 0 2,
·OH, HOCI} gekennzeichnet, bei deren EntstehLmg die
Späte Endosomen In den späten Endosomen liegt der nicht mitochondrialc NADPH-Oxidase die wesentliche
pH-Wert bei 5-6 und es sind schon Abbauprodukte er- Rolle spielt.
kennbar. Aber auch in ihnen sind die Hydrolasen zwn Teil
noch inaktiv. Die M6P-Gruppe der Hydrolasen verliert im Autophagie Lysosomen können auch im Rahmen von
sauren pH der (späten) Endosomen ihren Phosphatanteil. Umbauten in einer Zelle Organellen oder ganze Zytoplas-
Späte Endosomen entwickeln sich zu typischen ausgereiften maanteile abbauen, z.B. Herrnengranula in den Prolactin-
Lysosomen (Abb. 2.50b, c) oder verschmelzen mit schon zellen des Hypophysenvorderlappens, werm akut abgestillt
existierenden typischen Lysosomen zu Gebilden, die auch wird. Auch beim Umbau von Drüsen, z. B. der Milchdr üse
Endelysosomen genannt werden. In ihnen werden z. B. nach der Laktation, sind Lysosomen zentral beteiligt.
aufgenommene Makromoleküle vollständig abgebaut. Ein Es gibt auch Lysosomen, die ihren Inhalt nach außen ab-
eigenes clathrinbedecktcs Vesikelsystem transportiert Iyso- geben können, was für unverdauliche Reste aber nur selten
somale Membranproteine vom Trans-Golgi-Netzwerk zu geschieht. Die sekretorische Abg-dbe des Inhalts ist aber in
den schon ausgereiften Lysosomen. den lysosomenverwandten Melanosomen die Regel.
2.4 Zellorganellen 47
- - - - - Zellmembran
spätes
Endosom
,---
0
--- Exozytose
I I regulierte Sekretion
I
Cis-Golgl-
Abb. 2.51 An Biosynthese, Sekretion sowie Endozytose beteiligte intrazelluläre Kompartimente. Die verschiedenen
Kompartimente kommunizieren über Transportvesikel. Die Wege der Biosynthese und Sekretion sind durch rote pfeile
markiert; hier werden Proteinmoleküle vom RER über den Golgi-Apparat in Vesikeln bzw. Granula zur Zelloberfläche transpor-
tiert oder in Transportvesikel verpackt (lysosomale Enzyme). Die zur Zelloberfläche wandemden Proteine werden in die Zell-
membran eingebaut oder per Exozytose freigesetzt. Eine kontinuierliche Sekretion ohne auslösendes Signal wird dabei als
konstitutive Sekretion, eine durch ein Exozytosesignal ausgelöste Sekretion als regulierte Sekretion bezeichnet. Endozytose-
vesikel (obere Bildhälfte) mit den aus dem Extrazellulärraum aufgenommenen Makromolekülen und ihrem Zellmembranrezep-
tor schnüren sich von der Zellmembran ab und verschmelzen mit frühen Endosomen (pH 6,5 ). Diese verschmelzen auch mit
den Transportvesikeln lysosomaler Enzyme und wandeln sich langsam um zu späten Endosomen (Endolysosomen ), in denen
ein pH-Wert von5 - 6 herrscht. Der eigentliche Abbau der aufgenommenen Makromoleküle beginnt in den späten Endosomen.
Mit fortschreitendem Abbau entwickeln sich späte Endosomen zu typischen Lysosomen, deren Inhalt heterogen ist und deren
pH bei ca. 5 liegt oder sie verschmelzen mit schon existierenden Lysosomen . Zwischen den einzelnen Kompartimenten gibt
es auch Rücktransportvorgänge (blaue Pfeile). (Aus [1])
tmd im Lumen flottierende V esikel bildet. Die Membnu1 2.4. 7 Anulierte Lamellen
dieser V esikel enthält z. B. Rezeptoren von Liganden oder
fest verbundene Ligand-Rezeptor-Komplexe, die abgebaut Anulierte Lamellen sind seltene Organellen, die z.B. in sich
werden sollen. Nur wenn die abzubauenden Moleküle in schnell teilenden Zellen, wie frül1en Stadien der Keimzellen
die Membran solcher Vesikel eingebaut sind, können sie tmd manchen Krebszellen, auftreten. Es hcmdelt sich tun
von den sauren Hydrolasen der späten Endosomen bzw. Stapel parallel angeordneter, flacher membranbegrenzter
Lysosomen vollständig zerlegt werden. Zisternen, in deren Verlauf Poren auftreten (Abb. 13.45).
Dies erinnert an die Kernhülle mit iliren Poren, und es gibt
Funktionen Multivesikuläre Körper sind wahrscheinlich die Vermuttmg, dass solche anulierten Membranen Vorstu-
Transportstrukturen, die zwischen frühen tmd späten En- fen von KernhiUlen oder Speicherorte von RNA sind.
dosomen vermitteln und somit im weiteren Sinn zum lyso-
somalen System gehören (s.o.). Im Einzelnen ist illre Ftmk- 2.4.8 Peroxisomen
tion noch nicht gut bekannt. Sie können mit einem schon
existierenden späten Endosom fusionieren oder sich in ein Aufbau
solches umwandeln. Aus den multivesikulären Körpern
Peroxisomen sind membranbegrenzte, oftkugelfOrmige Or-
können sich aber auch noch Vesikel nach außen abschnü-
ganellen. Sie entstehen primär durch einen Abschnürungs-
ren, die zur Zellmembran zurückwandern.
prozess aus dem ER. Dabei bilden sich zuerst noch tmreife
(Vorläufer-)Vesikel, die weiter ausreifen oder mit schon
Vorkommen Es gibt Zellen, in denen sie regelmäßig tmd
existierenden ausgereiften Peroxisomen verschmelzen kön-
recht zahlreich vorkommen, z.B. in Hepatozyten und den
nen. Peroxisomen können sich vermutlich in 2 Tochter-
Epithelzellen des Ductus epididymidis. In Pneumozyten II
peroxisomen teilen. Im Transmissionselektronenmikro-
gehen aus ihnen offensichtlich die Lamellenkörper her-
skop haben Peroxisomen einen feingranul.ären homogenen
vor.
Inhalt (Abb. 2.53), in den bei manchen Säugetieren, aber
nicht bei Mensch und Tierprimaten eine scharf begrenzte
Vorkommen Vereinzelt in wohl allen Zellen, zahlreich in kristalline Struktur eingelagert ist, die aus Uratoxidase be-
Hepatozyten (Leberzellen), Epithelzellen des Ductus epidi- steht.
dymidis tmd Pnetrmozyten II.
Funktionen
Klinik Einzelne Krankheitsbilder, z.B. das autosomal-rezes-
Oxidati on Pcroxisomen enthalten oxidative Enzyme, sive Zellweger-Syndrom, sind dadurch gekennzeichnet, dass
Oxidasen, die z. B. Pettsäuren abbauen. In der Leber sind funktionsfähige Peroxisomen fehlen. Langkettige Fettsäuren
Peroxisomen besonders an der ß-Oxidation der Fettsäuren akkumulieren im Gewebe, was zu verschiedenen neurologi-
beteiligt (diese ß-Oxidation erfolgt bei Säugetieren sowohl schen Symptomen tmd frühem Tod in der Kindheit führt.
in Mitochondrien als auch in Peroxisomen). In Peroxi-
somen findet auch die a -Oxidation der ungeradzahligen
2.4.9 Mitochondrien
Fettsäuren statt. Viele der Oxidationsprozesse fiihren zur
Bildung von H 10 1 . Dieses giftige Produkt wird durch per- Mitochondrien versorgen die Zelle mit Energie. Sie be-
oxisomalc Katalase beseitigt. Die En tgiftungvon Alkohol ist herbergen die Enzymsysteme fli.r die oxidative Phospho-
oft an diese Katalaseaktivität gekoppelt. rylienmg, die zur Bildung von ATP fiihrt. ATP ist die
Energiequelle fli.r zahllose Prozesse i.n der Zelle. In stammes-
Merke Pcroxisomen sind Organellen, die mit moleku- geschichtlicher Hinsicht handelt es sich bei diesen serniauto-
larem Saucrstoff organische Molekille oxidieren. Sie besit· nomen Organellen (mit eigener ringf6rmiger DNA und
zen außerdem Enzyme, die H 10 1 auf- oder abbauen. eigener RNA) wn ehemalige aerobe Prokaryoten, die als
Symbionten in die eukaryotische Zelle aufgenommen wur-
den (Endosymbionten-Theo rie).
Lipidst offwechs el Bei der Oxidation von Fettsäuren in Mitochondrien sind sehr dynamische Strukturen, die sich
Peroxisomen entstehen Acetylgruppen, die in das Zytosol ständig lebhaft bewegen, ihre Gestalt verändern, sich teilen
gelangen und hier z. B. fi.ir die Synthese von Cholesterin tmd miteinander verschmelzen können. Die Bewegungen
verwendet werden. Peroxisomen sind aber auch an der Syn- lassen sich mithilfe von Vi talfachstoffen wie 1- B. Jan us-Griin
these komplexer Lipide beteiligt, z. B. der Plasmalogene sichtbar machen. Dynaminverwandte Proteine tmd vermut-
(Phospholipide) in der Myelinscheide tmd in den Talg- lich auch Aktin spielen eine Rolle bei der Teilung, die wohl
drüsen. im Bereich der Innenmembran beginnt. Dynamin ist eine
GTPase, die auch bei der Abschnünmg von Endozytose-
Synthese peroxisomaler Proteine Die Proteine in den vesikeln - z. B. aus der Zellmembran tmd aus der Memb ran
Peroxisomen werden an zytosolischen Ribosomen syntheti- von Trans-Golgi-Zistemen -mitwirkt. Abgestorbene Mito -
siert. Sie besitzen eine Signalsequenz, die sie fi.ir den Trans- chondrien werden mittels Autophagie abgebaut.
port in die Peroxisomen kennzeichnet. Gut 20 Proteine, die Mitochondrien spielen auch eine Rolle bei der Apoptose
Peroxinc, sind am Transport in die Peroxisomen beteiligt. (Kap. 2.2.2): Das Protein Bax veranlasst Cytochrom c, ein
Die Membran der Peroxiso men besitzt einen Translokator essenzielles mitochondriales Enzym, aus den Mitochond-
aus mindestens 6 solchen PeroxiDen. rien in das Zytoplasma überzutreten, wo es Proteasen akti-
viert, die zwn Zelltod ftihren.
Vorkommen
Peroxisomen p-assen sich schnell an unterschiedliche physio- Aufbau
logische Bedingungen an, ihr Enzymgehalt variiert je nach Gestalt und Größe der Mitochondrien in einer Zelle und in
Zelltyp. Sie sind besonders zahlreich in der Leber, wo sie an verschiedenen Zelltypen sind recht variabel. Die Organellen
einer Reihe von Stoffwechselprozessen beteiligt sind. In der besitzen aber kermzcichnenderweise 2 begrenzende Mem-
Leber und den Nierentubuli bauen sie eine ganze Reihe von branen, eine glatte Außenmembran und eine Innenmem-
giftigen Substanzen ab, die in das Blut eingedrungen sind. bran. Zwischen ihnen liegt der intermembranäse Ramn
(Abb. 2.54):
Vorkommen Alle Zellen, besonders zahlreich in der Leber, • Die Innenmembran bildetleistcnförmige Palten (Cristae)
den proximalen Nierentubuli tmd in den Talgdrüsen der oder röhrenf6rrnige AusstlilpLU1gen (Tubuli), die in das
Haut Innere der Organellen vorspringen. Dementsprechend
·, Granule
mitochondrialla
(Malrixgranula)
a b c
Abb. 2.56 Weitere Mitochondrienformen. a: Kleine abgerundete Mitochondrien mit wenigen Cristae und gut entwickelter
Matrix in einem Hepatozyten der Ratte. Vergr. 35 700-fach. b: Rundliche Mitochondrien vom Tubulus-Typ in einer Zelle der
Zona reticularis in der Nebennierenrinde des Menschen, die Innenmembran bildet nicht nur Tubuli, sondern auch kleine sack-
förmige Strukturen. Vergr. 47 000-fach. c: Mitochondrien in einer Skelettmuskelzelle, die sehr gut erkennbare Matrixgranula
(dunkle Punkte) enthalten. Zungenmuskulatur Ratte, Vergr. 22000-fach.
2.4 Zellorganellen 51
intermembranäsen Rawn w1d Zytosol) Wld einen Span- 2. 4. 10 Metanosomen
nungsgradienten zur Folge. Zusammen entsteht ein elek-
tr ochemischer Prot onen gradient. Die Protonen fließen Aufbau Melanosomen sind eiförmige, ca. 1 ~un große,
diesem Gradienten entsprechend durch einen Protonen- membranbegrenzte Organellen (Abb. 2.57, Abb. 2.58). Sie
kanal in der Innenmembran in die Matrix zurück Dieser sind mitLysosomenverwandt (saurer pH-Wert, Iysosomale
Kanal ist Teil eines großen Proteinkomplexes Wld wird Enzyme). Melanosomen machen einen kennzeichnenden
auch F. -Untereinheit genannt. Ein weiterer wesentlicher Diflerenzierungsprozess durch Wld besitzen als ausgereifte
Teil des Komplexes ist die ATP-Synthase, die ein köpf- Organellen ein filamentäres GrWldgerüst und eine aktive
chenartiges Gebilde innen an der Innenmembran bildet, Tyrosinase.
das auch P 1-Untereinheit oder Elemen tarpart ikel genannt
Funktion Die Tyrosinase spielt eine wesentliche Rolle bei
wird. Beim Strom der Protonen durch die ATP-Syntbase
der Synthese des Mela.n ins, des photoprotektiven braunen
entstehtATPaus ADP und anorganischem Phosphat. Wei-
Pigments der Melanosomen. Melanin liegt in 2 Formen vor:
tere Komponenten des Komplexes sind ein Rotor, ein ro -
Eumelanin (dtmkelbraun) und Phäomelanin (rötlich).
tierender Stiel und ein Arm, der die ATP-Syntbasehält. Die
Letzteres ist in roten Haaren tmd Sommersprossen domi-
ATP-Syntbase gibt es auch in der Membran von Bakterien
nant.
und in den Chloroplasten der Pflanzen.
Außenmembran Durch die Porine gelangen kleine Mole- Vorkommen Melanosomen kommen primär nur in be-
klile in den intermembranäsen Raum, den Import von Pro- stimmten Neuronen, im Pigmentepithel der Retina tmd in
teinen in die Matrix libernehmen die Translokasen. Melanozyten (Abb. 16.10) vor. Aus den Mela11ozyten der
Epidermis wird ihr Inhalt in die Keratinozyten übertragen .
Matrix Die Matrix enthält verschiedene Enzyme Wld En-
zymkomplexe. Hier finden die ersten Schritte der Hämo- Klinik Es gibt verschiedene Stönmgen Wld Defekte derEn-
globinsynthese statt, hier befinden sieb die Enzyme des zyme, die an der Melaninsynthese beteiligt sind. Das kann
Citratzyklus, der ß-Oxidation der Fettsäuren u. v. a. Die zu verschiedenen Formen der Minderpigmentienmg bis bin
Matrix ist auch Pufterrawn für Calcium. zu völligem Albinismus führen. Neben angeborenen gibt es
auch erworbene Formen der Unter- oder auch Übcrpigmen-
Mitochondriales Genom tierung.
•
• •
Vorkommen Alle Zellen, besonders mitochondrienreich
sind die Belegzellen des Magens, die Epithelzellen der N ie- •
.. ""'•. r
~
2.5 Zelleinschlüsse
----------------------------------- ZurOrientierung -----------------------------------
Zelleinschlüssc (paraplasmatische Einschlüsse, Paraplas- die eine Eigenfärbung (Pigmentierung) aufweisen. Wich-
ma) sind metabolisch weitgehend inaktive Strukturen, die tige Beispiele sind Glykogenpartikel und Fetttropfen. Da-
ohne eine Membranbegrenzung ins Zytoplasma einge- gegen sind Organellen wie Golgi-Apparat, Lysosomen
lagert sind. Bei ihnen handelt es sich um gespeicherte oder Permcisomen metabolisch aktiv und haben spezifi-
Nährstoffe., inaktive Nebenprodukte des Stoffwechsels sehe wesentliche (essenzielle) Funktionen.
oder Ansammlungen von endo- oder exogenen Stoffen,
Abb. 2.59 Intrazelluläres Glykogen in Form granulärer Abb. 2.60 Glykogenpartl kel als • -Partikel (~) in einer
bis kleinscholliger Partikel (hier rot gefärbt). Deciduazellen, EM-Aufnahme einer Leberzelle des Menschen. 1 Peroxisom;
Uterus einer schwangeren Frau. Färbung: Best-Glykogen- 2 glattes ER; 3 raues ER; 4 matrixreiches Mitochondrium.
färbung; Vergr. 600-fach. Vergr. 50 000-fach.
2.5 Zelleinschlüsse 53
Lipofuszingranula
Abb. 2.61 Kleine Lipideinschlüsse (helle Punkte) in den In Zellen mit langer Lebenszei t (Herzmuskelzellen, Nerven-
Steroidhormon bildenden Epithelzellen der Nebennierenrinde zellen) treten öfter Lipofuszingranula auf, die Endstadien
des Menschen. Das Fett ist aus den Zellen präparations- von Lysosomen entsprechen, also Zellorganellen sind (Abb.
bedingt herausgelöst, die verbleibenden Vakuolen verleihen 2.50, Abb. 2.65).
dem Zytoplasma ein "schaumiges" Aussehen. Plastikschnitt.
Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. Hämosiderin
Abbauprodukte des Hämoglobins, insbesondere Hämoside-
rin, werden auch in Lysosomen akkumuliert und verleihen
den Zellen, in denen sie vorkommen, eine gelbbratme Ei-
genfarbe (Milzmakrophagen, Abb. 2.66; oft Kupfl"er-Zellen).
Bei Eisenüberschuss, z.B. nach Blutungen oder Stönmgen
des Eisenstoffivechscls, kann Hämosiderin auch in vielen
anderen Organen, z. B. Pankreas, Herz, Synovialmembranen
und der Hypophyse, auftreten.
c
Abb. 2.62 Zahlreiche hell erscheinende Lipideinschlüsse Abb. 2.64 Kristalline
(1) in einer EM-Aufnahme von Talgdrüsenepithelzellen des Einschlüsse.
Menschen. 2 Zellkern. Vergr. 2840-fach . (Aus (1))
Abb. 2.63 Krankhafte Einlagerungvon Lipidtropfen in Abb. 2.65 Große Ansammlungen von gelbbraunen
Leberzellen des Menschen bei toxisch-nutritivem (oft alkohol- Lipofuszingranula (~) in Spinalganglienzellen (Mensch).
bedingtem) Leberschaden. Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach. Färbung: Azan; Vergr. 450-fach.
(Aus (1))
54 2 Zelle
Kohlenstaub Viruspartikel
Die Ablagerung von Kohlenstaub findet sich normalerweise Zum Teil entsprechen Einschlusskörper auch Ansammlun-
auch in Lysosomen von Makrophagen, speziell in der Lunge gen von Viruspartikeln (Abb. 2.68).
und in Lymphknoten (Abb. 2.67).
Abb. 2.66 Makrophagen in der Milz des Menschen. Abb. 2.67 Zahlreiche mit Rußpartikeln beladene Makro-
Die Zellen enthalten eisenreiches Hämosiderin (blau gefarbt phagen in einem Ausschnitt aus dem Mark eines Hiluslymph-
durch Eisennachweis mit BerHner Blau), ein Pigment, das knotens (Lunge, Mensch). Die Betadung des Lymphknotens
vom Hämoglobinabbau herrührt. Die Makrophagen sind mit schwarzen Rußpartikeln wird Anthrakose (anthrax =
weitgehend auf die rote Pulpa beschränkt. Färbung: Berliner Kohle) genannt. Färbung: Azan; Vergr. 380-fach.
Blau, Kernfärbung mit Kernechtrot; Vergr. 260-fach.
2.6 Zytoskelett
_____________________________________ ZurOrtentierung -------------------------------------
Das Zytoskelett gibt der Zelle ihre Porm und baut in ihr aus Tausenden identischer Proteinmoleküle aufgebaut
Stützstrukturen auf, die in vielen Zellen dynamisch verän- sind, in die sie auch leicht wieder zerfallen (dissoziieren)
derbar sind. Es besteht im Wes entliehen aus Mikrotubuli, können. Es besteht jeweils ein bestimmtes, dem Bedarf
Aktin- und Intermediärfilamenten, aber auch aus Myosin- einer Zelle angepasstes Gleichgewicht zwischen polymeri-
filamenten, die an BewegLmgsprozcssen in vielen Zellen siertem und dissoziiertem Zustand, der von Begleitpro-
beteiligt, aber am höchsten in Muskelzellen differenziert teinen reguliert wird. Auch im polymerisierten Zustand ist
sind. Die Strukturen des Zytoskeletts sind Polymere, die ihre Punktion von Bcglcitproteinen abhängig.
2.6.1 Mikrotubuli und Zentriolen messer 15 nm. Ähnlich wie die Aktinfilamente (Kap. 2.6.2)
sind sie polar aufgebaut und stehen im Gleichgewicht mit
Mikrotubuli freien globulären Untereinheiten im Zytoplasma. Diese glo-
Mikrotubuli sind röhrenf6nnige Elemente des Zytoskeletts bulären Untereinheiten sind a - und ~-Tubulin, die Dimere
(Abb. 2.69). Sie sind ubiquitär verbreitet und wichtig flir bilden (Abb. 2.69). In jedem Mikra tuhuJus bilden die Un-
Stiitzflmktion und Bewegungen. In Kinozilien und Spermi- tereinheiten lange Ketten, Protofilamente, von denen sich
enschwänzen sind sie die wesentlichen Komponenten. Da- 13 zu einem Mikrotubulus zusammenlagern. Mikrotubuli
bei sind Mikrotubuli nicht permanent vorhanden, sondern besitzen ein dynamisches Plus-Ende, das rasch wachsen
haben nur eine Halbwertszeit von ca. 10 m.in. und abgebaut werden kann und in der Zellperipherie liegt,
und ein Minus-Ende, das in Zentriolennähe liegt, nur lang-
Aufbau Mikrotubuli können mehrere fllTI lang werden, sam verlängert oder verkürzt wird und Untereinheiten ver-
ihr Außendurchmesser beträgt 20-25 nm, ihr Innendurch- lieren würde, wenn es nicht durch ein besonders struktu-
2.6 Zytoskelett 55
a b
Abb. 2.69 Mikrotubuli und Zentriolen. a: Mikrotubuli ( ~ ) in einem Fibroblasten (HeiL, Meerschweinchen). 1 Zellkern;
2 Golgi-Apparat~ Zentriol mi t assoziiertem dichtem MateriaL Vergr. 36600-fach . b: Zentriolen in Längsrichtung(~ ) in
einem Fibroblasten der Dermis, Vergr. 30000-fach.
ß- Tubulin-- - - -tYI:,
a-Tubulin- ---"CY"
'GTP
& c:fc1'if
~~ <:1 25nmim
Plus-Ende __ _.
(
-- _. Lumen--- -
-.. -~---
Durchmesser
(schnell wachsend) ---- ~~~
(
(
riertes Zellareal, das Zentrosom , stabilisiert werden würde Funktion Der dynamische Auf- ttnd Abbau der Mikro-
(Abb. 2.70). Das Zentrosom besteht aus einer Matrix, die tubuli spielt eine wichtige Rolle bei der Morphogenese der
die Funktion eines Mikrotubulus organisierenden Zen- Zellen. Mikrotubuli sind außerdem die wesentlichen Kom -
trums (MTOC) hat, tmd einem Zentriolenpaar. Es liegt in ponenten des Spindclapparats, der bei der Zellteilung auf-
vielen Zellen in Kernnähe, ungefähr in der Mitte der Zelle gebaut wird (Abb. 2.7la}. Während des T eiltmgsvorgangs
(Abb. 2.69). In Epithelzellen befindet sich das MTOC im strahlen Mikrotubuli von den 2 Zentriolenpaaren aus, die
apikalen Zytoplasma. Von den Zentriolen strahlen Hun- sich an den gegenüberliegenden Zellpolen gebildet haben
derte von tmterschiedlich langen Mikrotubuli in alle Rich- (s. u.). Mikrotubuli sind außerdem Leitschienen für Trans-
ttmgen aus; sie können an ihren Plus-Enden wachsen, aber portprozesse in Zellen (Abb. 2.72).
hier auch nach einer funktionellen Umstimmung Unter-
einheiten verlieren tmd sich so verkürzen. Beim Wachs-
Zentriolen
ttun werden GTP enthaltende Tubulinmolekille dem freien
Ende zugcfugt. Nach Polymer isation und Wachstum erfolgt Aufba u Zentriolen sind paarige Strukturen in den meis-
die Hydrolyse des GTP am ~- Tubulin, wodurch die Verbin- ten Zellen. Sie sind 0,3-0,6 11m lange Zylinder mit einem
dung der Untereinheiten geschwächt wird, was schließlich Durchmesser von ca. 0,2 1-lln, die rechtwinklig zueinander
zu Depolymcrisierung fUhrt. Mikrotubulusassoziierte Pro- stehen (Abb. 2.69b). Ihre Wand besteht aus 9leicht gegen-
teine (MAPs) wirken dem Zerfall entgegen, das freie Ende einander versetzten Einheiten, von denen jede aus 3 k urzen
kann auch durch Capping-Protcinc stabilisiert werden. Mikrotubuli (Tripletts) besteht.
56 2 Zelle
Membranen,
Nouron Vorstufen der synaptischen Vesikel,
• Organellen u. a.
'' Rezeptor fOr
•'
• Mikrotubukls den freigesetzten
'' an tarograder Transmitter
Axon
Kinesin •• Transport ''
• • ••
b
-..-~-·-
retrograder
'' .
zytoplasmatisches \
Transport Dynein \
•
autophagische Vakuole,
Viren, Organellen u.a.
Golgi-Apparat
RER
Abb. 2. 72 Axonaler Transport. Wesentliche Motorproteine für den bidirektionalen Transport von Organellen entlang den
Mikrotubuli in einem Axon sind Kinesin und Dynein.
2.6 Zytoskelett 57
I
:
I
, ,
0
,
•
' • •
'
Abb. 2.76 Immunhistochemischer Nachweis des Vimen-
tins (Rotfärbung) in hyalinen Knorpelzellen (Bronchus,
• Mensch). Vergr. 260-fach .
Gliafilamente
In Astrozyten bestehen Gliafilamente (Abb. 2.74a) aus dem
sauren Gliafibrillenprotein ("gliafibrillar addic protein",
Abb. 2.75 Immunhist ochemischer Nachweis von Zyto-
GFAP), das auch in Schwann-Zellen des peripheren vegeta-
keratin 7 (CK7, Braunfärbung) in den Epithelzellen der
tiven Nervensystems vorkommt. In markscheidenbildenden
Drüsenläppchen der nicht laktierenden Milchdrüse (Mensch).
Schwaon-Zellen bestehen die Filamente aus Vimentin.
Vergr. 140-fach.
2.6.4 Myosin
D em Zytoskclett lässt sich auch das Myosin zuordnen, das
in Muskelzellen ca. 15 nm dicke Filamente bildet. Es existie-
ren verschiedene molekulare Ponnen des Myosins, die zu-
sammen die Superfamilie der Myosine bilden. Als Mono-
mere besitzen Myosinmolekille 3 Abschnitte: Kopf, Hals
und Schwanz (s. a. Kap. 3.3.1).
• Myosin I korrunt in allen Zellen vor. Es liegtim Gegensatz
zu Myosin II (s. u.) ausschließlich als Monomer vor. Myo-
sin I hat eine membrdnbindende Domäne tmd ist an der
Formgebung der Zelloberfläche und der Organisation des
Zellionern beteiligt. In den Mikrovilli ist das zentrd!e
Aktinfilamentbündel über Myosin I an der Membran be-
festigt.
• Isoformen des Myosins II treten im Zytoplasma vieler
Zelltypen auf, in denen sie meistens an Bewegungs-
vorgängen beteiligt sind. Eine wesentliche Rolle spielt
Myosin II in Muskelzcllen. Es bildet immer pohu gebaute
filamentäre Aggregate, in denen sich die Kopfregionen
gegenüberliegen Qeder Kopf hat eine aktinbindende und
eine ATPase-Domäne). Die Schwan1..regionen sind mn-
einander gewickelt und bilden eine stabf<irmige Struktur.
Abb. 2.77 Immunhist ochemischer Nachweis von Neuro- • Myosin V ist ein Protein, das z. B. die Melanosomen in
filamenten (Braunfarbung) in den Nervenzellfortsätzen den Dendriten der Melanozyten entlang Aktinfilamenten
zweierperipherer Nerven(* )· Haut des Menschen. Vergr. trdnsportiert (Kap. 2.6.2). Seltene Myosine treten z.B. in
260-fach. den Haarzellen des Innenohrs auf (Kap. 17.1.3).
@ Zelle mit
normalem (einfachem)
DNA-Gehalt
'
@)
''G 1-Phase
Synthese-Phase (Prä-Synthese-Phase)
(DNA-Synthese) Abb. 2.78 Zellzyklus (Schema).
Einzelheiten siehe Text.
Thr-14 MPF-Inaktivierung
•
Tyr-15-
Gz-Kontroll-
punkt
Proteasom,
Abb. 2. 79 Regulation des Zellzyklus. ist an der
Cyclinabhängige Kinasen, Cycline und an- Eliminierung
der Cyclin-B-
dere Proteine spielen wesentliche Rollen Fragmente
bei Kontrolle und Regulation des Zell- beteiligt
zyklus. Der Komplex aus Cyclin B und Cdkl
wird MPF (M-Phase-Promoting-Factor)
genannt Tyr - Tyrosin, Thr • Threonin, ® CycllnE
Cdk = cyclinabhängige Proteinkinase. Cyclin A
-
a b
c d
e f
g h
2.7 Zellzyklus und Stammzellen 63
~ Abb. 2.80 Chromosomen und Chromatin im Lichtmikroskopischen Präparat. a: Das sog. Sexchromatin (-+) entspricht
einem der beiden X-Chromosomen der Frau, Es bleibt auch in der Interphase kondensiert, ist also Heterochromatin. Zu seiner
färbensehen Darstellung werden Abstriche z. B. von der Wangenschleimhaut auf Objektträgern angefertigt und mit einem
Farbstoff behandelt, der die DNA spezifisch erfasst (z. B. Thionin oder das leukofuchsin der Feulgen-Reaktion). Das Sexchro-
matin ist dann als diskretes, stärker gefärbtes Körperehen meist dicht an der Kernmembran erkennbar. Vergr. 960-fach. (Aus
[2]) b- h: Verschiedene Stadien der Karyokinese (= Kernteilung) mit entsprechenden Mitosestadien aus der Wurzelspitze ei-
nes Bohnenkeimlings (Vicia faba). (Aus [1 ]). b: Mehrere dicht beieinanderliegende Zellen mit Kernen in unterschiedlichen
Phasen der Mitose. In der oberen Zellreihe Liegen rechts neben einer beginnenden Telophase(-+, vgl. Bild h) sowie Links ne-
ben einer späten Metaphase (vgL dazu Bild e) je 2 Zellen, die nur halb so groß wie die übrigen sind. Sie sind die beiden aus
einer vollständig abgelaufenen Mitose hervorgegangenen Tochterzellen. Färbung: Eisenhämatoxylin; Vergr. 500-fach. c: Am
unteren Bildrand 2 noch frühe Prophasen mit deutlich erkennbarem Nukleolus (-+ ), darüber eine Metaphase in Aufsicht.
d: Von der Seite gesehene Metaphase mit Einstellung der Chromosomen in der Äquatorialebene des Zellleibes (in Aufsicht
ergäbe sich das Bild des sog. Monasters, vgl. Bild c. Die "Fasern"(= Mikrotubuli) der deutlichen Mitosespindel verbinden die
Kinetachore (liegen am Zentromer) der Chromosomen mit den an die Zellpole gewanderten Zentriolen (hier nicht vorhanden,
da Zellen höherer Pflanzen keine Zentriolen besitzen). e: Späte Metaphase, von schräg seitlich gesehen und daher kein idea-
les Bild eines Monasters bietend. Vor allem bei der rechten unteren Teilungsfigur beginnen sich die beiden aus einem Chro-
mosom durch identische Reduplikation hervorgegangenen Tochterchromatiden schon zu trennen (-+).Sie sind die definitiven
Chromosomen der späteren Tochterzellen. f: Frühe Anaphase mit "Diaster" (Tochterstern). AUe Chromosomen sind in ihre
Chromatiden gespalten und diese mit ihrem Scheitel schon eine Strecke weit polwärts gezogen. g: Spätere Anaphase mit
einer gerade erkennbaren und zwischen den Zellpolen verlaufenden ZentralspindeL h: Beginnende Telophase mit zunehmen-
der Verklumpung der Chromosomen zu einer homogenen, stark färbbaren basophilen Masse: Oie Zentralspindel ist noch gut
erkennbar. Färbungen e - h: Eisenhämatoxylin; Vergr. e- h: 1250-fach.
Telophase Zytokinese
Abb. 2.81 Stadien der Mitose. In der Mitose
wird der verdoppelte Chromosomensatz auf 2 Toch-
terzellen verteilt. G· und S-Phasen sind Phasen des
Zellzyklus, wobei die DNA-Synthese während der
S-Phase (S = Synthese) stattfindet. 1 Nukleolus an
Organisator-Region eines Chromosoms; 2 Kernhülle;
3 Zentrosom mit sich verdoppelnden Zentriolen-
paaren und ausstrahlenden Mikrotubuli; 4 verdop-
pelte DNA; es entstehen .,Doppelchromosomen", die
am Zentromer verbunden bleiben. Die beiden iden-
tischen Hälften der .,Doppelchromosomen" heißen
Chromatiden (Schwesterchromatiden); 5 konden-
sierte Chromatiden mit Zentromer (+ Kinetochor);
6 kontraktiler Schnürring; 7 Zytoplasmabrücke mit
Mittelkörper. (Aus [3])
64 2 Zelle
Kinetochor- Schwesterchromatiden interpolare
mikrotubuli (repliZiertes Chromosom) Mikrotubuli
' •, ''
'-..:.--~......"""'=~ '' ,
' , '
, '
,' ''
'
a
__;.;_--,"~"!·-~---· . .~)
:_ Abb. 2.84 Mitosefiguren.
~~=-ii~Jo===
-= ~
-----:·i--~------~)
+ ..
+ ..
I
promoting complex" = APC) genannt wird. Dieser Kom-
plex inaktiviert Cyclin B und damit die zugehörige CdK.
Gleichzeitig aktiviert er ein proteolytisches Enzym, die Se-
••
parase, die die Cohesine zwischen den Chromatiden spaltet.
Die Schwesterchromatiden werden getrennt und können
,
Astral- Motorproteine Kinetachor Zentrosom mm zu jeweils dem Spindelpol wandern, dem ihr Kineta-
mikrotubuli chor zugewandt ist. Die auseinanderweichenden Chroma-
Abb. 2.82 Mitoseapparat. Er besteht aus dem Zentrosom tiden werden jetzt wieder Chromosomen genannt. Jedes
Chromosom wird mit einer Geschwindigkeit von tmgefahr
und der TeilungsspindeL Das Zentrosom setzt sich aus Zen-
triolen, MTOC und Astralmikrotubuli (verankern das Zentro- 1 fLm pro Minute zu seinem zugehörigen Spindelpol ge-
zogen. Die Bewegtmg besteht aus 2 Komponenten, jedoch
som an der Zellmembran) zusammen. Die Teilungsspindel
sind die Vorstelhmgen zum Bewegungsmechanismus zum
besteht aus Kinetochormikrotubuli (setzen mit ihrem Plus-
Teil noch hypothetisch:
Ende an den Kinetachoren an) und (inter-)polaren Mikro-
• In der Anaphase A verkürzen sich die Kinetochormikro-
tubuH (sind nicht an den Chromosomen befestigt).
tubuli und ziehen die Chromosomen zum SpindelpoL Die
Anaphase A beruht wahrscheinlich auf der Tätigkeit von
Proteinen, die <ill den Kinetachoren tätig sind tmd deren
Aktivität vom Abbau der Mikrotubuli begleitet wird,
ohne dass der fi.mktionelle Zusammenhalt zwischen Ki-
netochor tmd Mikrotubuli verloren geht.
• In der Anaphase B verlängern sich die polaren Mikro-
tubuli und schieben somit die Spindelpole auseinander.
Das ist möglich, weil sich die (inter)polaren Mikrotubuli
an ihren freien Plus-Enden überlappen (Abb. 2.82). Dort
setzen multimere Motorproteine der Kinesinfamilie an
und schieben die Mikrotubuli auseinander. Zusätzlich
treten Dynein-Motorproteine in Aktion, die sich einer-
seits innen an der Zellmembran anheften und anderer-
seits mit den Astralmikrotubuli, die vom Spindelpol nach
außen zeigen, in Kontakt treten tmd die Spindelpole aus-
einanderziehen.
Zellteilung (Zytok;nese)
Abb. 2.83 Mitosefiguren (-+) in einem histologischen Im Anschluss an die Kernteilung teilt sich die Zelle. Bereits
Routinepräparat. Nachweis in 2 Kolonkrypten, Kolon, in der Anaphase entsteht eine um die Mitte der Zelle henun-
Mensch. Färbung: H. E.; Vergr. 500-fach. lattfende Furche, die im Allgemeinen rechtwinklig zur Ach-
2.7 Zellzyklus und Stammzelle n 65
se der Spindel verläuft. Die Lage der T cihmgscbene wird von solcher Forschungsansätze ist die Gewinnung von Zellen,
den Astraltubuli bestimmt. Auf der Innenseite der Furche, die Gewebe neu aufbauen können, die infolge von Krank-
im Zytoplasma, befindet sich ein Ring aus den kontraktilen heiten zugrunde gegangen sind.
Proteinen Aktin und Myosin ll, der die Kraft für die Fur-
chenbildung entwickelt. Diese Purehe vertieft sich zuneh- Pluripotente Stammzellen Während der weiteren Früh-
mend, bis sie auf die zentral liegenden Reste der polaren entwicklung engt sich die Entwicklungspotenz der friihen
Mikrotubuli (zwischen den 2 neuen Kernen) stößt. Diese Embryonalzellen zunehmend ein, es entstehen z. B. Zellen,
restlichen Pakete an Mikrotubuli heißen Mittelkörper oder die die Stammzellen für alle Blutzellen (hämatopoietische
Flcmming-Körper (VValthcr Flemming, 1843-1905, Prag, Starnmzcllc) oder für alle neuronalen Zellen (neuronale
Kiel, Zytologe, Entdecker der Mitose). Die Mittelkörper Starnmzclle) sind. Solche Zellen mit zwar eingeschränkten,
werden kurze Zeit später ausgestoßen, sodass sich die ur- aber immer noch relativ weiten Entwicklungsmöglich-
sprüngliche Mutterzelle endgültig in 2 Tochterzellen teilen keiten werden pluripotente Stammzellen genannt. Auch
kann. beim Erwachsenen existieren noch pluripotente Starnmzcl-
len; es sind insbesondere die Stammzellen der Härnato-
poiese (Blutzellbildung). Im Experiment können solche
2.7.2 Stammzellen und Tochterzellen hämatopoietischen Stammzellen dazu gebracht werden,
auch andere Zellen als Blutzellen zu bilden, z.B. Muskelzel-
Definition len. Daher besteht an solchen Zellen großes medizinisches
Stammzellen sind undifrerenzierte Zellen, die sich regelmä- Interesse.
ßig teilen. Stammzellen bilden Tochterzellen, die entweder
neue Stammzellen werden oder sich ausdifrerenzieren (Abb. Adulte Stammzellen Hierw1ter versteht man Zellen in
2.85). Stammzellen tmterscheiden sich von differenzierten den Organen des erwachsenen Organismus, von denen
Zellen durch unterschiedliche Gencxpressionsmuster, wobei ständig Ersatz verbrauchter Zellen ausgeht. Solche Stamm-
eine groHe Zahl von Paktoren (Hormone, Matrixfaktoren, zellen ersetzen die ein oder zwei Zelltypen, die die ausdif-
Oxidation, Strahhmg u. v.a.) mit dem jeweiligen zellspezifi- ferenzierte Gewebestruktur kennzeichnen, in der diese
schen Gencxpressionsprograrnm interagieren kann. Stammzellen vorkommen. In der Epidermis gibt es z. B.
unipotente Stammzcllen, von denen die Regeneration der
ständig an der Oberfläche abschilfernden toten Keratino-
Stammzelltypen zyten ausgeht. In den Krypten der Dünndarmepithelzellen
Embryonale Stammzellen Unter diesem Begrifr versteht sitzen die Starnmzcllen, die das Zottenepithel, das einen ra-
man (bei Säugetier und Mensch) insbesondere die Zellen schen Zellwnsatz hat, regenerieren. In manchen Epithelien
der inneren Zellmasse, dem Embryoblasten, die noch ein ist die Regenerdtionskraft geringer, kann aber z. B. bei Ver-
sehr breites EntwicklungsspektrLLm besitzen. Aus diesem letzungen beschleunigt werden. Nach Verletzungen kann es
kleinen Zellhaufen entwickelt sich der Embryo (Abb. 2.86), auch in Muskel- und Nervengewebe zu regenerntiven Pro-
während sich aus den Zellen der Blastozystenwand der Tro- zessen kommen, wo sonst Regeneration nur selten vor-
phoblast entwickelt. Mit embryonalen Stammzcllen, spe- kommt. Im Skelettmuskelgewebe gibt es eigene, meist ru-
ziell denen des Embryoblasten, wird experimentell im hende Starnmzcllen, die Satellitenzellen (Kap. 3.3.1).
Rahmen des sog. thenlpeutischcn Klonens gearbeitet. Ziel
'
Stammzelle
verschiedene
Entwicklungswege
©
Abb. 2.85 Stamm- und Vortäuferzellen. Stammzellen
Proliferation Vorlauferzelle
©
bilden zwei Tochterzellen, von denen die eine wieder eine
Stammzelle wird, und die andere in einen Differenzierungs-
weg eintritt, zu dem auch Vorläuferzellen gehören. Diese
können sich noch mehrfach teilen, terminal differenzierte
Zellen teilen sich nicht mehr.
66 2 Zelle
Fettzelle
Neuron
Innere Zellmasse
{Embryoblast)
• Retinsäure
•••
• Trophoblast
-~~·- •' •
Makrophagenkoloni&- Interleukin 3,
stimulierender Faktor Interleukin 1
ln Kuhur gehaHene
Zellen der Makrophage
Früher Embryo inneren Zellmasse Dibutyryl-cAMP·
(Biastozyste) (embryonale Retinsäure
Stammzellen)
Glatte Muskelzelle
Fibroblasten- Fibroblasten-
Fibroblasten- Wachstumsfaktor 2, Wachstumsfaktor 2,
Wachstums- Epidermaler Wachstumsfaktor aus
faktor Wachstumsfaktor Blutplättchen (PDGF)
Otigodendrozyten
und
Astrozyten
Abb. 2.86 Entwicklung verschiedener differenzierter Zellen aus embryonalen Stammzelten der Maus in Zettkultur.
Verschiedene Faktoren spielen bei der Differenzierung eine Rolle.
2.8 Meiose
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Während der Meiose, d ie nur in den Keimzellen abläuft, ein diploider Orgelnismus entsteh t. Während des ersten
wird der doppelte Chromosomensatz, wie er in den nor- Teilungsschritts der Meiose kommt es zur Trennung der
malen Körperzellen vo rliegt, in 2 Schritten reduziert; aus homologen Chromosomen und zur Rekombination des
diploiden Zellen werden haploide Zellen. Dieser Prozess Erbgutes, was in evolutionärer H insich t die Möglichkeit
ist notwendig, damit bei einer Befruchtung einer haplo- zur Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen
iden Eizelle dw·ch ein haplo ides Spermium wieder (nur) schafft.
®
homologo
Chromosomen - - - Kemmembran
_ __ vätel1iches
mOttertiches _ --Kernmatrix Chromosom
Chromosom
Replikation des DNA·GehaHes
,edes Chromosoms DNA-Replikation
Entstehung von 2 Chromatiden ---------- --- Entstehung von
in jedem Chromosom 4 Chromatiden
(Verdopplung der Chromosomen)
Abb. 2.87 Meiose und Mitose im Vergleich. Nur jeweils eines der 23 mütterlichen und 23 väterlichen Chromosomen ist
dargestellt. Die diploide Mutterzelle besitzt insgesamt 46 Chromosomen. Bei Meiose und Mitose ist der erste Schritt die DNA-
Replikation, d. h., aus den mütterlichen und väterlichen Chromosomen entstehen Chromosomen mit je 2 Chromatiden, also
bei den zwei homologen Chromosomen insgesamt 4 Chromatiden. Bei der Mitose wird dieser verdoppelte Chromosomensatz
nachfolgend wieder gleichartig auf die Tochterzellen verteilt, d. h., die Schwesterchromatiden aller Chromosomen werden
getrennt. In der Meiose lagern sich zuerst die homologen Chromosomen zu Paaren zusammen, wobei Austauschvorgänge
innerhalb dieser Homologenpaare stattfinden (Crossing over), danach werden die homologen Chromosomen, die je aus
2 Chromatiden bestehen, getrennt. Am Ende der 1. Reifeteilung der Meiose besitztjede Tochterzelle daher nur den halben
Chromosomensatz (also insgesamt nur 23 Chromosomen). In der 2. Reifeteilung (ohne S·Phase) der Meiose werden die
2 Schwesterchromatiden der Chromosomen getrennt (analog zur Mitose).
schiedlich kombiniert sind. Die VerschmelzLmg eines hap- gibt es 223 verschiedene Chromosomenkombinationen, die
loiden weiblichen und eines haploiden männlichen Game- in einer Keimzelle auftreten können. Die Wahrscheinlich-
ten bei der Befruchtung fUhrt zur Entstehung eines neuen keit, dass ein Elternpaar 2 Nachkommen mit identischer
Organismus mit 46 Chromosomen (diploide Chromoso- Chromosomenausstattung hervorbringt, ist l zu 223 oder
menzahl). l zu 8,4 Millionen (außer im Falle monozygoter Zwillinge).
Die enorme genetische Verschiedenheit der einzelnen
Genetische Vielfalt Die zufällige Verteilung der Chro- Menschen wird zusätzlich noch durch das Phänomen der
mosomen auf die Keimzellen (Spcrmatowen, Eizelle) bei genetischen Rekombination gesteigert, die durch Aus-
der Meiose schafft. eine unendliche Vielfalt unter den Geno- tausch von DNA zwischen den homologen Chromosomen
typen der Nachkommen. Für alle 23 Chromosomenpaare gekennzeichnet ist
68 2 Zelle
Abb. 2.88 Apoptotischer Zellkern (kräftig braun gefärbt, Abb. 2.89 Apoptotische, zerfallende Zellkerne (-+)
-+) im Epithel der laktierenden Milchdrüse des Afrikanischen in den ausgereiften Zellen einer Talgdrüse des Menschen.
Elefanten (Loxodonta africana). TUNEL-Reaktion; Vergr. 460- Färbung: H. E.; Vergr. 500-fach.
fach.
D
Abb. 2.90 Experimentell
erzeugte apoptotische
Zelten im Kryptenepithel
des Dünndarms.
Serin-
proteasen
2$
Perforln- , \ : ) (aktiviert)
,
... .~
'' .-"kanal • , . •" •• Zyto-
zytotOXISCher
.• • Bid • ·~ · •• • chromC
-'~~---
T-lympllozyt
Zielzelle - - '
-:·: / ~ Kaspa•en-
(z. B. virusbefallen) M~o- ....-k.Skado apopt~tische
chon- -+Apopto•• Zielzelle
a drium
'
apoptotische
Zielzelle
•
inaktive
~ -t;--- -- .... ~
9
'
Kll•paoen \
Prokaspase 8 • kask.ade \
Zielzelle
+ zusammengelagerte
(z.B. virusbefallen) inaktive_ ./ ~' : AI>OP"""' aktivierte Kaspase 8
Prokaspase 8 0
' •
Fragmentierung der
Kamlamina und
b Chromatinfragmentierung
Abb. 2.91 Wege zur Apoptose (programmierter ZeUtod). Verschiedene molekulare Wege können zur Apoptose führen.
a: Eine virusbefallene Zielzelle wird von einem zytotoxischen T-Lymphozyten angegriffen, der Perfarinmoleküle (bilden einen
Kanal in der Membran der ZielzeUe) und Proteasen freigesetzt, die in die Zielzelle eindringen. Hier aktivieren sie das Protein
Bid, das zur Freisetzung von Cytochrom C aus Mitochondrien beiträgt. Cytochrom C aktiviert die Kaspasenkaskade, die zur Apo-
ptase führt.
b: Eine virusbefallene Zielzelle exprimiert einen Todesrezeptor an ihrer Oberfläche (Fas), der durch Bindung des Fas-Liganden
an der Oberfläche eines zytotoxischen T-Lymphozyten aktiviert wird. Daraufhin wird die Kaspasenkaskade in Gang gesetzt, die
zur Apoptose führt.
~ 02 Lernhinweise zu Kapitel 2
KAPITEL
Gewebe
3.1 Epithelgewebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.2.12 Knochengewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
3.1.1 Allgemeine Kennzeichen . . .. ..... .. .. . 72 3.2.13 Fettgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
3.1.2 Oberflächenepithelien . . . . .. ..... .. .. . 74
3.1.3 Drüsenepithelien . . . . . . . .. ..... .. .. . 81 3.3 Muskelgewebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
3.1.4 Sinnesepithelien . . . . . . . . .. ..... .. .. . 89 3.3.1 Glatte Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
3.3.2 Skelettmuskulatur ................... 127
3.2 Bindegewebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.3.3 Herzm uskulatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13S
3.2.1 Bindegewebsentwicklung, Mesenchym . . . . 90
3.2.2 Grundzüge des Bindegewebsaufbaus . . . . . . 91 3.4 Nervengewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
3.2.3 Bindegewebszellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.4.1 Allgemeine Neuroanatomie . . . . . . . . . . . . 139
3.2.4 Extrazelluläre Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.4.2 Zelltypen im Nervengewebe ............ 141
3.2.5 Lockeres Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.4.3 Gliascheiden der Nervenzellfortsätze,
3.2.6 Straffes Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Axonscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1s7
3.2.7 Retikuläres Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . 104 3.4.4 Periphere Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
3.2.8 Gallertiges Bindegewebe . . . . . . . . . . . . . . lOS 3.4.5 Synapsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16S
3.2.9 Spinazelluläres Bindegewebe . . . . . . . . . . . lOS 3.4.6 Vegetatives Nervensystem . . . . . . . . . . . . . 17 3
3.2.10 Sonderformen des Bindegewebes . . . . . . . . l OS 3.4.7 Hirn- und Rückenmarkshäute ........... 17S
3.2.11 Knorpelgewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lOS
Die Gewebe sind das Bawnaterial des Körpers. Nach der • Muskelgewebe (Kap. 3.3)
Definition von Wolfgang Bargmann (1906 - 1976) sind • Nervengewebe (Kap. 3.4).
Gewebe "Verbände gleichartig oder ähnlich differenzier-
ter Zellen samt deren Abkömmlingen, den Extrazellularsub- Mittlerweile entspricht diese B nteilung nicht mehr in jeder
stanzen". Struktur und Funktion dieser Zellverbände er- Hinsicht dem Stand der Forschung. So gibt es manche Über-
forscht die Histologie (Gewebelehre im strengen Sinn). Seit einstimmungen zwischen Binde- und Muskelgewebe; auBer-
gut 100 Jahren unterscheidet man nach Albert v. Kölliker dem hat sich gezeigt, dass das Nervengewebe in den Grund-
(1817 -1905) 4 Grundgewebe, die sämtliche Organe des zügen seines Aufbaus mitdem Epithelgewebe übereinstimmt
Körpers in jeweils spezifischer Ausformung aufbauen: tmd dass bei vielen Tieren Muskelzellen Epithelzellen sind.
Da sich aber die traditionelle Einteilung in 4 Grundgewebe
• Epithelgewebe (Kap. 3.1) bis heute als praktisch gut brauchbar erwiesen und als didak-
• Bindegewebe, einschlieBIJch Stütz- (= Knorpelund Kno- tisches Konzept bewährt hat, dient sie auch in diesem Buch
chen) und Fettgewebe (Kap. 3.2) als Grundlage.
72 3 Gewebe
3.1 Epithelgewebe
----------------------------------- ZurOrientierung -----------------------------------
Epithelgewebe besteht aus Verbänden dicht gelagerter Zel- Basallamina, die aus Kollagen vom Typ IV, Larninin und
Jen, die Schichten aufbauen. Häufig bedecken Epithelien Proteoglykanen aufgebaut ist und die Epithel und Binde-
äußere und innere Oberflächen oder sie kleiden Hohlorga- gewebe verbindet.
ne aus und werden dann Oberflächen- oder Deckepithe- In den Drüsenepithelien steht die Sekretion von Pro-
lien genannt. Die Epithelzellen sind über verschiedene dukten durch Epithelzellen im Vordergrund. Exokrine
Zellkontakte verknüpft. unter denen Desmosomen und Drüsen und endokrine Organe bestehen aus Drüsen-
Zonulae adhaerentcs dem mechanischen Zusammenhalt epithelzellen. Der typische Sekretionsmodus dieser Epi-
dienen und Zonulae occludentes flir die Barrierefunktion thelien ist die Exozytose. Speziell bei den Hautdrüsen wer-
der Epithelien verantwortlich sind. Die Intermediärfila- den die Begriffe ekkrine, apokrine und holokrine Sekretion
mente der Epithelien bestehen aus Keratinen. Epithel- verwendet.
zcllen sind polar strukturiert, mit einem Apex, der an die Sinnesepithelien, z. B. im Innenohr, beherbergen Spezi-
Oberfläche grenzt, und einer Basis, die an das Bindege- fische Sinneszellen.
webe grenzt. Die later.ilen Zellbereiche ähneln weitgehend Die typischen Leistungen der verschiedenen Organe
der basalen Zellregion {"basolaterale Domäne"). Unmit- werden zumeist von Epithelien erbracht, sie bilden das
telbar un ter einem Epithel befindet sich eine extrazelluläre sog. Organparenchym.
3.1.1 Allgemeine Kennzeichen und in der Epidermis. In stabilen Epithelien, z. B. den Nie-
ren- und Leberepithelien, werden die Zellen normalerweise
Zellen langsam, bei Verletzungen aber schneller ersetzt.
Polarer Aufbau Epithelien (Abb. 3. 1.1, Abb. 3.1.2) sind
geschlossene Zellverbände. Sie können Flächen bedecken, Parenchym und St roma In den meisten Organen sind
Röhren, Schläuche, Zellplatten und Knäuel bilden. Der Epithelzellen die spezifischen Träger der jeweiligen Organ-
Interzellulärraum zwischen den Epithelzellen ist auf ganz funktion, z.B. in Lunge, Leber, Pankreas und Niere. Diese
schmale, ca. 20 nm weite Spalträume, die im Lichtmikro- Epithelien werden das Parenchym dieser Organe genannt,
skop LA. nicht erkennbar sind, beschränkt. Die benach- während das gefäß- und nervenführende Bindegewebe in
barten Epithelzellen sind durch Lmterschiedliche, klar defi- den entsprechenden Organen das Stro ma bildet.
nierte Zellkontakte verbunden (Kap. 2. 1.7). Die einzelne
Epithelzelle ist ebenso wie der epitheliale Gesamtverband, Merke Epithelien: geschlossene Zellverbände, polarer
das Epithel, primär polar gebaut, d. h., die Zelle bildet ei- Aufbau.
nen apikalen (oberen) Pol und e.inen basalen (unteren) Pol.
Der apikale Pol grenzt an die Oberfläche, z.B. an die Lich-
tung eines Gang- oder Hohlraumsystems, während der ba-
sale Pol an das Bindegewebe grenzt, das unter dem Epithel
liegt. Alle Strukturen und Funktionen des apikalen Pols
werden auch unter dem Begriff "apikale Domäne" zusam-
mengefasst. Dieser apikalen Domäne wird die "basolaterale
Domäne" gegenübergestellt, da die Eigenschaften der late-
ralen (seitlichen) Zellmembran weitgehend mit denen der
basalen Zellmembran überei nstimmen. Die Grenze zwi-
schen apikaler Lmd basolateraler Domäne ist die Region der
Zonula occludens.
,
,,
Desmosom
Ankerfilamente
Hemidesmosom
,, Laminin
~r . '"----------· I
Laminarara I
I
~ --- Basallamina
Lamina densa I
I
(Kollagen IV) I
I
----1I
I
·--- Mikrofibrillen --- • I
i Lamina
r---
I
I
flbroreticularis
I
I
I
I
I
.......
I
Ll...I.J._"~V;:
eranken.ngsplaq~
(Kollagen IV)
Abb. 3.1.2 Epithe l mit Epithelzellen, epithelialer Basallamina und subepithelialem Bindegewebe mit einigen der zahlrei-
chen makromolekularen Komponenten (Schema). Die Basallamina und die weniger scharf begrenzte Lamina fibroreticularis
(extrazelluläre Bindegewebskomponenten unmittelbar unter der Basallamina) bilden die lichtmikroskopisch sichtbare Basal-
membran. Mikrofibrillen aus Fibrillin treten allein - z. B. als Komponente der Lamina fibroreticularis - oder als Bestandteil
von elastischen Fasern auf (Abb. 3.2.19). Ein anderer Mikrofibrillentyp besteht aus Kollagen vom Typ VI. (Aus (1])
74 3 Gewebe
mit Laminin, sondern auch mit Typ-IV -Kollagen verbun- eine gemeinsame Linie, die Basalmembran genannt wird.
den, sodass insgesamt ein komplexer molekularer Filz Basalmembran ist also ein Begriff der Lichtrnikroskopie.
entsteht. Perlecan enthält Heparansulfat, trägt also nega- Die Basalmembran kann mithilfe der PAS-Reaktion (Per-
tive elektrische Ladungen. jodsäure-Schiff-Reaktion, Abb. 1.6) sichtbar gemacht wer-
den. Eine besonders dicke Basalmembran, z. B. tmter dem
Im transmissionselektronenmikroskopischen Präparat sind Epithel der Atemwege, wird oft "Glashaut" genannt
die Lamina rara (Lamina lucida) tmd die Lamina densa zu
unterscheiden: Merke
• Lamina densa: Sie enthält Typ-IV -Kollagen, Laminin, • Basallamina: vom Epithel gebildete, im Elektronen-
Nidogen und Perlecan. Das Kollagen vom Typ IV bildet mikroskop erkennbare Schicht, besteht aus Laminarara
die mechanisch wichtige Komponente dieses Molekül- und Lamina densa
teppichs. • Basalmembran: lichtmikroskopische "Zusammenfas-
• Lamina rara: Sie besteht v.a. aus Teilen des Laminin- sung" von Basallamina lll1d bereits zw11 Bindegewebe
moleküls, Integrinen lll1d Kollagen Typ XVII. gehöriger Lamina fibroreticularis.
D
Abb. 3.1.5 Einschichtiges
Plattenepithel.
Plattenepithelien
Kennzeichnend fii.r Plattenepithelien sind flache Epithel-
zellen, die breiter sind als hoch. Plattenepithelien können
ein- oder mehrschichtig sein (Tab. 3.1.1).
Einschichtige Plattenepithelien
Einschichtige Plattenepithelien bestehen aus nur einer dii.n-
nen Schicht flacher Epithelzellen, von denen im histologi-
schen Präparat oft nur der flache Kern erkennbar ist (Abb. Abb. 3.1.6 Mehrschichtiges unverhorntes Platten-
3.1.4, Abb. 3.1.5). Funktionell wichtigster Zellkontakt ist epithel. 1 Lumen; Pfeile: ins Epithel eingedrungene
eine oft eher zarte Zonula occludens mit 2- 3 versiegelnden Lymphozyten; 2 subepitheliales Bindegewebe. Analkanal,
Leisten. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 260-fach.
Abb. 3.1.7 Mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel. Abb. 3.1.8 Mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel,
1 Stratum basale; 2 Stratum spinosum; 3 Stratum granu- höhere Vergrößerung. 1 Stratum spinosum (zum Teil enthal-
*
losum; 4 Stratum corneum; subepitheliales Bindegewebe. ten die Keratinozyten Pigmentgranula); 2 Stratum granulo-
Handfläche, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 160-fach. sum; 3 Stratum corneum. Handfläche, Mensch; Färbung:
H. E.; Vergr. 500-fach.
3.1 Epi t helgewebe 71
Mehrschichtige Plattenepithelien
Plattenepithelien können auch mehrschichtig sein, in ihnen
ist nur die oberste Zellschicht aus Plattenepithelzellen auf-
gebaut, die tieferen Zellen sind kubisch, niedrig prismatisch
oder polygonal. Man unterscheidet mehrschichtige tmver-
hornte tmd mehrschich tige verhornte Plattenepithelien.
Kubische Epithelien
Die kubischen Epithelien sind im Körper des Menschen
meistens einschichtig (Tab. 3.1.1). Längs- und Breitendurch-
messer der einzelnen Epithelzellen sind annähernd gleich.
Die Zellen sind über verschiedene Zellkontakte (Zonula
occludens, Zonula adhaerens, Nexus und Desmosomen)
verknüpft. Der Zellkern ist im Anschnitt rundlich (Abb.
3.1.9).
Prismatische Epithelien
Keratohyalingranula Stratum granu.losum; sie fehlt im
mehrschichtigen unverhornten Plattenepithel.
Kennzeichen
Die prismatischen Epithelien bestehen aus hohen Zellen -
Stratum lucidum Das Stratw11 luddwn ist eine Ober- sie sind also länger als breit (Abb. 3. 1.10, Abb. 3.1.11). Sie
gangsschicht zwischen Stratmn granuloswn tmd Stratum heißen auch Zylinderepithelien und sind meistens ein-
corneum. Der Obergang von den noch lebenden Zellen des schichtig (Tab. 3.1.1). Der Zellkern der prismatischen Epi-
Stratum granulosum zu den toten Zellen des Stratum cor- thclzcllen ist längsoval. Die Zellen sind über verschiedene
newn erfolgt sehr rasch, ohne dass der abgebaute Kern und Zellkontakte verknüpft (Zo nula occludens, Zonula adhae-
die ebenfalls aufgelösten Organellen Spuren hinterlassen. rens, Nexus und Dcsmosomen). Sie besitzen oft kennzeich-
Am Untergang von Kern und Organellen sind Apoptose- nende apikale Differenzierungen wie Bürstensäm11e oder Ki-
mechanismen beteiligt. Diese Schicht ist nur in der Leisten- nozilien (Abb. 2.12, Abb. 2.14 ). In prismatischen Epithelien
haut erkennbar. kommen oft verschiedene Zelltypen vor.
3.1 Epithelgewebe 79
Abb. 3.1.13 Zweireihiges prismatisches Epithel mit Abb. 3.1.14 Mehrreihiges prismatisches Epithel mit
*
Stereozilien. 1 Lumen des Gangs; Kerne der prismati- Kinozilien und Becherzellen. Die ausgereiften prismatischen
Zellen (Flimmerzellen, 1) tragen Kinozilien, die Basalkörpern
schen ausdifferenzierten Epithelzellen; ? Basalzellen;
..,. Stereozilien; 2 subepitheliales Bindegewebe. Den Stereo- *
entspringen. Becherzellen; ? Basalzellen; ..,. nachwach-
zilien sind einzelne Spermien (kleine ovale Punkte) ange- sende intermediäre Zelle; 2 subepitheliales Bindegewebe;
lagert. Nebenhodengang, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 3 Lumen. Respiratorisches Epithel der Trachea, Rhesusaffe;
500-fach. Plastikschnitt; Färbung H. E.; Vergr. 500-fach.
Vorkommen Sonderformen
• Einschichtige prismatische Epithelien: Schleimhaut von Mehrreihige Epithelien In mehrreihigen Epithelien tre-
Magen, Dünndarm, Dickdarm, Gallenblase, Tuba uterina ten unterschiedlich große Zellen auf, die alle der Basal-
und Uterus, einige größere Drüsenausführungsgänge, pe- lamina aufsitzen, aber nur zw11 Teil die Epitheloberfläche
riphere Atemwege, große Sammelrohre, oft Ependym. erreichen (Abb. 3.1.3d). Es entsteht der Eindruck, dass im
• Mehrschichtige prismatische Epithelien (selten): mittlere Epithel mindestens 2, meistens aber mehr Reihen von Zell-
Abschnitte der Harnröhre (Urethra, Abb. 3.1.12), im kernen übereinanderliegen. Die oberste Kernreihe gehört
FornLx der Konjunktiva. zu prismatischen ausgereiften Zellen, die von der Epithel-
a b
Abb. 3.1.15 Übergangsepithel. a: Ungedehntes Übergangsepithel im Nierenbecken. 1 basale Epithelzellschicht,
2 apikale Epithelzellschicht Mensch; Färbung: Azan, Vergr. 450-fach. b: Apex einer Deckzelle des Übergangsepithels mit
apikalen Reservevesikeln (? ) in einer EM-Aufnahme. Ratte; Vergr. 18 000-fach.
80 3 Gewebe
a b
Abb. 3.1.16 Übergangsepithel in verschiedenen Dehmmgszuständen (Harnblase, Tenrek [Echinops telfairi]).
*
a: Ungedehntes Epithel (1); zweikernige Deckzelle; 2 subepitheliales Bindegewebe. Färbung: Azan; Vergr. 450-fach.
(Präparat Prof. Or. H. Künzle, München) b: Gedehntes Epithel (1) und subepitheliales Bindegewebe (2).
Färbung: Masson-Trichrom; Vergr. 500-fach. (Präparat Prof. Dr. H. Künzle, München)
basis bis an die Oberfläche des Epithels reichen. Die mitt- ("diskoide") Vesikel (Abb. 3.1.15b), deren Membran auch
leren Kernreihen gehören zu nachwachsenden, noch nicht Plaques enthält. Diese Vesikel bilden eine Membranreserve
ausdifferenzierten Zellen. Die Kernreihe an der Basis des für die apikale Zellmembran: Bei DehnLmg wandern sie an
Epithels gehört zu kleinen Basalzellen, die vor allem der Re- die apikale Oberfläche Lmd werden in die Apikalmembran
generation dienen. eingefiigt; bei nachlassender Dehn ung werden apikale
Membranareale mittels eines speziellen Endoeytoseprozes-
ses ins Zytoplasma zurückverlagert Eine auffällige Erschei-
Vorkommen
mmg ist, dass die basalen Zellen diploid, die mittleren tetra-
• Zweireihiges Epithel des Nebenhodengangs (Abb. 3.1.13):
ploid und die apikalen Deckzellen oktoploid sind. Apikal
Basal befinden sich kleine rundliche bis ovale Ersatz-
sind die Deckzellen durch Zonulae occludentes, Zonula
zellen, die Masse der Zellen ist prismatisch und erstreckt
adhaerentes und Dcsmosomen verbunden. Die tiefen Zel-
sich von der Basallamlna bis zur Lichtung des Gangs.
len sind über Dcsmosomen verknüpf\ Nexus kommen ver-
• Mehrreihiges Epithel der Atemwege (respiratorisches
Epithel, Abb. 3.1.14): In diesem Epithel sind die hohen einzelt vor.
ausgereiften Zellen Flimmerepithel- und Becherzellen.
Tab. 3.1. 2 Körperregionen mit unterschiedlichen Epithelien an der Oberfläche. (Aus [1]}
Becherzellen Einzelne exokrine Drüsenzellen im Epithel lieh über Exozytose abgegeben, kann aber aufverschiedene
von Diinn- und Dickdarm sowie der Atemwege nennt man \Veise stimuliert werden. Im Danu werden diese Zellen nur
Becherzellen. Sie besitzen die Gestalt eines Kelchs oder Gla- 4-5 Tage alt. Zerrissene apikale Zellmembranen und große
ses mit schmalem Fuß Lmd produzieren vor allem Schleim intrazelluläre Schleimmassen sind ebenso präparationsbe-
(Abb. 3.1.19). In der schmaleren Basis der Zellen liegen der dingte Artefakte wie die bauchige Gestalt der oberen Zell-
relativ dLmkle Zellkern, das raue endoplasmatische Retiku- anteile, die nach der Gewebeentnahme durch Wasserein-
lum und der recht große Golgi-Apparat (Abb. 2.48b). Der strom anschwellen, weil Membranpumpen ausgefallen sind.
bauchige mittlere und obere Teil der Zelle ist von mem-
branbegrenzten Schleimgranula ausgeftillt, die sich mit der
PAS-Reaktion rotviolett anfärben lassen (Abb. 3.1.20), im Vorkommen Becherzellen in Dünn- und Dickdarm sowie
H.E.-Pr'.iparat aber relativ blass bleiben oder zart graublaue Atemwegen; mehrzellige endoepitheliale Drüsen: Nasen-
Färbung armehmen. Das Sekret wird meistens kontinuier- schleimhaut.
3.1 Epithelgewebe 83
Klassifikation nach der Gestalt
der Drüsenendstücke
Die Sekret bildenden Anteile vielzelliger Drüsen bilden un-
terschiedliche Formationen, die Drüsenendstücke (End-
kammern) heißen und in unterschiedlich ausgestaltete Drü-
sengänge übergehen. Die Endstücke bilden das Sekret, die
Gänge leiten das Sekret ab und können es noch modifizieren
(z.B. Elektrolyte entziehen). In geringem Maße können die
Gänge auch sekretorisch tätig sein (s.a. Kap.IO, Kap.IS).
Folgende Formen der Endstiicke werden unterschieden
(Abb. 3.1.21):
• azinöse (beerenfönnige, Abb. 3.1.22),
• alveoläre (säckchenfönuige, Abb. 3.1.23),
• tubulöse (tubuläre, röhrchenförmige, Abb. 3.1.24).
Abb. 3.1.19 Becherzellen als Beispiel für einzellige, Abb. 3.1.20 Becherzellen. Oie dicht gelagerten Schleim-
intraepithelial gelegene Drüsen. Bei der H. E.-Färbung bleibt granula in den Becherzellen sind mit der PAS-Reaktion pur-
das schleimhaltige Sekret(*) der Becherzelle oft ungefärbt. purrot gefärbt(~); 1 Oarrnlumen; 2 Darmzotte. Epithel des
Oie Kerne der Becherzellen sind zumeist dunkel (~)- Bei Dünndarms, Mensch; Vergr. 120-fach.
den resorbierenden Zellen des Epithels ist der Bürstensaum
deutlich zu erkennen. Epithel des Kolons, Mensch; Färbung:
H. E.; Vergr. 600-fach.
84 3 Gewebe
Verbreitet treten basal im Epithel der Endstücke glatte Myo- Ausführungsgang münden, spricht man von verästelten
epithelzellen auf, die oft vielfaltig verzweigt sind (Korbzel- bzw. venweigten Drüsen. Hierzu zählen z. B. die Brunner-
len). Drüsen in der Submukosa des Zwölffingerdarms (Abb.
3.1.33); man rechnet ihnen aber oft auch die Magendrüsen
(Abb. 3.1.25) und die Endometriumsdrüsen zu, obwohl
Klassifikation nach der Struktur der Drüsengänge diese keinen eigenen Gang besitzen. Eine zusammengesetzte
Drüsen, deren Endstücke die Oberfläche unmittelbar (also Drüse besitzt ein mehrfach aufgeteiltes Gangsystem (Abb.
ohne Gang. z. B. Kolonkrypten) oder mit einem unverzweig- 3.1.2lh ).
ten Gang (z.B. Schweißdrüsen) erreichen, nennt man ein-
fache Drüsen (= cxoepitheliale Einzeldrüsen). Solche ein-
Klassifikation nach dem Sekretionsmodus
fachen Drüsen sind beim Menschen meistens tubulöse
Drüsen, d.h., ihr Endstück ist tubulös (Abb. 3.1.2l d, Abb. Nach dem Mechanismus der Sekretabgabe (Abb. 3.1.26)
3.1.24). W cnn mehrere Drüsenendstücke in einen einfachen werden Drüsen bzw. Drüsenzellen unterschieden in:
.---Gangsystem---. Oberflächenepithel
I I • •
'
'
b d e
•
' .
Myoap!thel-
zelle
f g h
seröser
Azinus
Myoepithelzellen
I
I'
•
.............. ,''
Abb. 3.1.21 Exokrine Drüsentypen. a -c: Verschiedene Endstücktypen (Endstücke violett, Gänge gelb).
a: Azinus. b: Alveolus. c: Alveolus, dessen Lichtung mit Drüsenepithelzellen gefüllt ist (Talgdrüse). d- h: Verschiedene
exokrine Drüsentypen. d: Einfache tubulöse Drüse ohne eigenen Gangabschnitt (z. B. Kolonkrypten). e: Verzweigte tubulöse
Drüse ohne eigenen Gangabschnitt (z. B. Pylorusdrüsen). f: Einfache tubulöse Drüse mit eigenem Gangabschnitt (ekkrine
Schweißdrüsen). g: Verzweigte alveoläre Drüse mit eigenem Gangabschnitt (Talgdrüse). h: Zusammengesetzte gemischt
tubuloazinöse Drüse. In einer zusammengesetzten Drüse ist das Gangsystem verzweigt; links: Drüsenanteil mit Azini; rechts:
Drüsenanteil mit Tubuli; dem Ende des rechten Tubulus sitzt ein v.-Ebner-Halbmond (umgeformter Azinus) auf. Die Azini
sind serös, die Tubuli mukös.
3.1 Epithelgewebe 85
.
1
Abb. 3.1.23 Alveoläre Endstücke (1). Das Lumen ist weit Abb. 3.1.2S Venweigte tubulöse Drüsen ohne eigenen
und der Zellapex der Drüsenzellen vorgewölbt (~ ). Der Apex Gangabschnitt (1 ). Die geknäuelten Drüsenschläuche neh-
enthält einen Fetttropfen (apokrine Sekretion). Laktierende men den unteren Teil der Schleimhaut ein, sie sind vielfach
Milchdrüse, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 250-fach. quer oder schräg angeschnitten. Der obere Teil der Schleim-
haut wird von den tiefen Foveolae gastricae (2) eingenom-
men. Diese für das ganze Oberflächenepithel des Magens
typischen Foveolae sind mit hochprismatischen Drüsenzellen
ausgekleidet und entsprechen nicht einem eigenen Gang-
abschnitt. Pars pylorica des Magens, Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 100-fach. (Aus (1))
86 3 Gewebe
•••Exozytose
a c
8 ~ • ·--- -Se kretionsgranula
~@ •
• • ~ -··· GoIg~-Apparat
"
8
~'
~~e~~ ···AER
b
0
0
~schnürter Zellapex
mit Sekret (Milchfettkugel)
··· ·AER
• merokrine Drüsen(zcllen)
Merke Merokrin = per Exozytose. Merokrine Sekretion
• apokrine Drlisen(zcllen) mittels Exozytose ist die häufigste Porm der Sekretabgabe
• holokrine Drüsen(zcllen). in exokrinen tmd endokrinen Drüsenzcllen.
Merokrine Drüsenzellen In merokrinen Drüsenzellen
wird das Sekret im Golgi-Apparat in membranbegrenzte Ekkrine Sekretion Der Begriff "ekkrin" bleibt oft etwas
Granula (Sekr etgranula) verpackt (Abb. 3.1.27) tmd mittels diffus. Meistens wird er in Zusammenhang mit den typi-
Exozytose nach außen abgegeben. Bei der Exozytose ver- schen Schwei&trlisen gebraucht, deren Epithelzellen NaCl
schmelzen die Membran des Granulums und die Zellmem- tmd \Nasser durch die apikale Membran transportieren.
bran. D abei öffnet sich das G ranulum und der Inhalt tritt Vergleichbare (nicht cxozytotische) sekretorische Prozesse
in das Drüsenlumen über. Die Signalsequenz des sekretori- finden sich in vielen Epithelzcllen.
schen Peptids führt zu seiner Ve.r packung in Granula,
Calciumanstieg führt zu " A.ndocken" und Verschmelztmg Apokrine Drüsenzellen Die vor allem in funktioneller
der Membranen des Granulums und der Zelle. Als Folge Hinsicht n och man che Rätsel aufgebenden apokrinen Drü-
der Fusion öffnet sich das Granulum. Man unterscheidet senzellen durchlaufen zyklische Verändenmgen der Zell-
eine kon stitutive (= konti nu ierliche) Sekretion, bei der gestalt. In einer Phase, die als sekretorisch besonders aktiv
ein Sekret kontinuierlich und ohne auslösendes Signal per angesehen wird, bilden sie eine apikale (organellfreie)
Exozytose abgegeben wird, von einer regulierten Sekretion , Vorwölbung (Abb. 3.1.28)o in der sich bestimmte Stoffe,
bei der das Sekret erst auf ein Exozytosesignal freigesetzt darunter Lipide und Proteine, ansammeln (Abb. 3.1.26).
wird. Diese Vorwölbtmg schnürt sich dann wohl mithilfe kon-
3.1 Epithelgewebe 87
•
ea Abb. 3.1.27
klar.
a b
Abb. 3.1.28 Apokrine Drüsen (Duftdrüsen) in der Achselhöhle. a: Die Drüsenzellen zeigen apikale Protrusionen, die
zum Teil dabei sind, abgeschnürt zu werden. Färbung Azan, Vergr. 250-fach. b: Drüsenepithel in 2 weitlumig tubulösen End-
stücken. Die apikalen apokrinen Zellkuppen (~) besitzen eine schmale organellfreie apikale Zone, unter der sich oft Lipofus-
zingranula mit bräunlicher Eigenfärbung finden . ..,. Myoepithelzellen (schlanke, kräftig rot gefärbte Zellen mit kleinem längli-
chem [im Querschnitt rundlichem] dunklem Kern). Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach.
88 3 Gewebe
3.2 Bindegewebe
___________________________________ ZurOrientierung -----------------------------------
Im Bindegewebe bilden die Zellen keine geschlossenen glykane, die Wasser binden und somit Diffusionsräume
Verbände wie im Epithel, sondern sind durch die extra- schaffen. Bindegewebe, bei denen die Stütz- und Skelett-
zelluläre Substanz mehr oder weniger weit voneinander funktion ganz im Vordergrund stehen, sind Knorpel- und
getrennt. Die extrazelluläre Substanz wird auch Matrix Knochengewebe. Im Knochengewebe verkalkt die Extra-
(Bindegewebsmatrix) genannt. Sie füllt den Raum zwi- zellulärsubstanz.
sehen den Zellen, kann unterschiedlich zusammengesetzt Sog. mobile (freie) Zellen des Bindegewebes besiedeln
sein und bestimmt die Funktion und Eigenschaften der in wechselnder Zahl das Bindegewebe und haben ver-
Bindegewebe. Die Matrix wird von den ortsständigen Bin- schicdene Funktionen, insbesondere bei der Abwehr von
degcwebszcllen, v. a. den Fibrozyten und veJWandten Zel- Krankheitserregern. Zu ihnen 1-ählen z. B. Mastzcllen,
Jen, produziert. Die wichtigsten extrazellulären Substanzen Makrophagen und Lymphozyten. Im Bindegewebe spielt
sind verschiedene Fasertypen, v. a. Kollagen- und elasti- sich die Entzlindungsrcaktion ab. Bindegewebe bildet das
sehe Fasern, die eine Gerüstfunktion haben, tmd Proteo- Stroma der Organe.
Die vielfaltigen Erscheinungsformen der Gewebetypen, die • Knorpelgewebe (ein Stützgewebe, Kap. 3.2.11)
heute insgesamt als Bindegewebe zusammengefasst werden, • Knochengewebe (ein Stützgewebe, Kap. 3.2.12)
und eine unterschiedlich gehandhabte Nomenklatur er- • Fettgewebe (Kap. 3.2.13).
schweren das Verständnis für Struktur tmd Funktion des
Bindegewebes. Es besteht auch keine einheitliche Auflas-
3.2.1 Bindegewebsentwicklung, Mesenchym
sung darüber, welche Gewebeformen dem Bindegewebe
zttzurechnen sind (Abb. 3.2.1). Manche Autoren z. B. zäh- Die verschiedenen Bindegewebsformen tmd auch die Mus-
len aus entwicklungsgeschichtlichen und zellbiologischen kulatur entwickeln sich aus dem sog. Mesenchym, das oft
Gründen die gesamte Muskulatur hinzu, manche nur die auch embryonales Bindegewebe genannt wird. Dieses zarte,
glatte Muskulatur. Zum Teil werden Fettgewebe und Blut als zell- und matrixreiche Gewebe (Abb. 3.2.2) ist ein morpho-
eigene Grundgewebe gefUhrt. Es hat sich in der Medizin als logisch kaum differenziertes embryonales Gewebe, das über-
praktikabel eJWiesen, folgende Gewebetypen zum Binde- wiegend mesodermalen Ursprungs ist, aber zu beträchtli-
gewebe zu zählen: chem Anteil auch aus der Neuralleiste stammt. Interessant
• lockeres (kollagen faseriges) Bindegewebe (Kap. 3.2.5) ist, dass die ganz frühen mesodermalen Strukturen, aus de-
• straffes Bindegewebe (Kap. 3.2.6) nen das Mesenchym hervorgeht, primär epithelial organi-
• retikuläres Bindegewebe (Kap. 3.2.7) siert sind, das trifft. z.B. weitgehend flir die Somitcn (Urseg-
• gallertiges Bindegewebe (Kap. 3.2.8) mente der Embryonalentwicklung) zu.
• spinozclluläres Bindegewebe (Kap. 3.2.9)
3.2 Bindegewebe 91
Knochenzelle Knorpelzellen
(OsteoblasVOsteozyt) (Chondl'ozyt)
Fibroblast
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Bindegewebe in allen Richtungen des Raums ziemlich stark Diese Verbindung ist relativ schwach; sie entsteht leicht
verzweigt. Diese Verzweigungen sind veränderlich. Der und kann sich auch wieder leicht lösen. Die Fibrozyten
Zellkern der Fibrozyten ist meistens länglich (Abb. 3.2.4) können mithilfe ihrer Zytoskelettelemente, speziell des
lmd relativ heterochromatinreich (dunkel). Zellorg-anellen Aktins, die Ausrichtung von Matrixkomponenten, z.B. der
sind in aktiven Zellen reich entwickelt (z.B. viel RER in Kollagenfibrillen oder fibrillärer Pibronectinaggregate, be-
Zellen, die viel Kollagen, Elastin, Pibrillin oder Proteogly- einflussen.
kane bilden), in eher ruhenden Zellen dagegen nur mäßig.
Vom Golgi-Apparat wandern Vesikel zur Zelloberfläche Klinik Pathologische Überaktivität von Fibrozyten, z.B. im
(Sekretion der Matrixkomponenten). Das Zytoskelett ist Rahmen chronischer entzündlicher Prozesse, führt zu Kol-
hoch differenziert. Aktin und assoziierte Proteine sind in lagenvermehrung (Pibrose, Sklerose) und damit zu Punk-
der Zellperipherie konzentriert, Myosin-li ist ebenfalls tionseinbußen von Geweben lmd Org-anen.
nachgewiesen. Diese Proteine ermöglichen den Fibrozyten,
sich mit einer Geschwindigkeit von 1 ~un/min fortzube-
wegen. Sie sind über ihre membranständigen Integrine
mit Matrixkomponenten wie dem Fibronectin verbunden.
94 3 Gewebe
• Mastzellen
• Melanozyten.
•
1
' Makrophagen
Makrophagen sind "Fresszellen", die auch im gesunden Or-
ganismus weit verbreitet vorkommen. Im H.E.-Routinepr'J.-
parat sind sie nicht leicht zu erkennen. Sie sind im Bindege-
webe, in der Leibeshöhle (Peritonealmakrophagen), in den
Lungenalveolen (Alveolarmakrophagen) und häufig in lym-
phatischen Organen und in der Darmschleimhaut zu finden.
Abb. 3.2.4 Fibrozyten(~) im lockeren Bindegewebe. Funktion Makrophagen leiten sich von Monozyten her
1 Arteriolen; 2 Venole. Harnblase, Mensch; Plastikschnitt; und sind darauf spezialisiert, Reste abgestorbener Zellen,
Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. gealterte Matrix, Premdkörper, antikörperbedeckte Bakte-
rien, Tumorzellen u. v. a. zu phagozytieren. Dabei spielt ihr
hoch entwickeltes System an Lysosomen und verwandten
Strukturen eine wesentliche Rolle (Kap. 2.4.4). Makropha-
gen haben aber viele weitere Punktionen im Rahmen von
Immun- und Abwehrprozessen. Eine ganze Reihe von se-
kretorisch abgegebenen Produkten bewirkt pro- und anti-
entzündliche Effekte und reguliert andere Zellen.
c
Abb. 3.2.6 Makrophage.
Mastzellen
Mastzellen entstehen im Knochenmark und haben mit den
basophilen Granulozyten eine gemeinsame Vorläuferzelle.
Sie finden sich als ausgereifte ZeiJen verbreitet in Haut und
Schleimhäuten (Atemwege, Darm) und im tieferen Binde-
Abb. 3.2.8 Plasmazellen (-+). Typisch ist der exzentrisch gewebe oft in der Nähe von Blutgefäßen. Thr Weg aus dem
gelegene rundliche Kern mit der "Radspeichenstruktur'' des Knochenmark über das Blut ins Gewebe Ltnd ihre Ausdiffe-
Chromatingerüsts: Peripher und im Zentrum des Kerns liegen renzienmg bieten noch offene Pragen.
mehrere grobe Heterochromatinschollen. Lamina propria des
Kolons, Mensch; Semidünnschnitt; Färbung: Toluidinblau; Charakteristika MastzeHen sind groß, oft oval oder abge-
Vergr. 600-fach. rundet (Abb. 3.2.10), können aber auch lang gestreckt sein.
Der nmdliche Kern besitzt ein feines Heterochromatin-
muster. Im Zytoplasma kommen die kennzeichnenden
basophilen Granula vor (Abb. 3.2.11). Aufgnmd ihres
Gehalts an Polyanionen wie Heparin lassen sie sich mit Al-
zianblau spezifisch anfärben. Mit Parbstoffen wie dem tief-
blauen Toluidinblau färben sie sich metachromatisch, d.h.
~ in diesem Fall purpurviolett
Abb. 3.2.9 Ultrastruktur
einer Pla.smazelle. Phänotypen und Funktion Vermutlich gibt es beim
Menschen verschiedene Phänotypen der Mastzellen. In
der Schleimhaut (Mukosa) der Lunge, des Darms und der
verschiedenen Klassen an. Sie sind glykosylierte Proteine, ableitenden Harnwege existieren Mastzellen ("mukosale"
die aus 2 leichten und 2 schweren Ketten bestehen Mastzellen), die Tryptase bilden. Tryptase ist eine Protease
(Kap. 6.2.1). Reife Plasmazellen sezernieren bis zu 2000 mit verschiedenartigen Punktionen, z. B. ist sie auch am
Antikörper pro Sekunde. Oie Lebensdauer der Plasmazel- Umbau der Bindegewebsmatrix beteiligt. Dagegen produ-
-
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, ...
•
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- "'• • • ..
a b
Abb. 3.2.10 Mastzellen. a: Plastikschnitt Submukosa des Jejunums, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. b: Die unter-
schiedliche Gestalt der Mastzellen (-+)deutet auf Wanderbewegungen hin (Dermis, Allergiker). Färbung: Giemsa, Vergr. 450-
fach.
'
a b
Abb. 3.2.11 Mastzellen in EM-Aufnahmen a: Mastzellen mit unregelmäßig gestalteten Zellfortsätzen und dicht gepackten
Granula in ihrem Zytoplasma. Bindegewebe des Harnleiters, Mensch; Vergr. 9200-fach. (Aus [1]). b: Mastzellengranula,
höhere Vergrößerung. Kennzeichnend ist die heteromorphe Struktur vieler Granula mit zylindrischen, eng aufgerollt erschei-
nenden Membranfiguren ("Schriftrollenfiguren") sowie feinpartikulären Anteilen. Andere Granula besitzen eine dichte Matrix,
zum Teil mit zentraler Aufhellung, in der lineare Strukturen auftreten. Vergr. 90300-fach. (Aus [1])
98 3 Gewebe
Mechanisches Verhalten zugfest, nur um ca. S'Yo um 150"/o reversibel dehnbar ähnlich dem der Kollagen-
dehnbar fasern aus Typ-I-Kollagen
100 3 Gewebe
sich aus 3 jeweils helikalen o.-Polypcptid-Ketten aufbauen.
Eine o.-Kettc besteht aus jeweils ca. 1000 Aminosäuren, von
denen jede dritte Glycin ist und in denen Prolin und Hy-
droxyprolin oft vorkommen. Die 3 o.- Ketten bilden- durch
Wasserstoffbindungen zusammengehalten - eine Super-
Tripelhelix.
a b c
Abb. 3.2.13 Kollagenfibrillen in EM-Aufnahmen. a: Grobe Kollagenfasern (* , rasterelektronisches Präparat). Es ist erkenn-
bar, dass die Fasern aus Fibrillen aufgebaut sind. Bauchhaut Ratte; Vergr. 6500-fach. b: Die Kollagenfibrillen vom Typ I wei-
sen eine kennzeichnende periodisch gegliederte Querstreifung auf (D-Periode von ca. 67 nm), die auf die regelhafte Anord-
nung der Kollagenmoleküle in der Fibrille zurückgeht Mamma, Mensch; Vergr. 46 700-fach. c: Kollagenfibrillen mit deutlich
erkennbarer Periodik der Querstreifung. Haarstern, Antedon biftda, Vergr. 120 000-fach. (Präparat Dr. med. Dr. jur. R. Erlinger)
3.2 Bindegewebe 101
• Typ IV: Dieses nicht fibrilläre Kollagen enthält tripelheli- ne fibrilläre Kollagene in einer Pibrille polymerisieren. Re-
kale und globuläre Domänen im Moleki.ü. Es baut in der gelmäßig finden sich an der Oberfläche der Fibrillen Pro-
Basallamina ein komplexes zweidimensionales Netzwerk teoglykanc, v.a. Dccoran (s.o.). Außerdem lagern sich den
auf (Abb. 3.1.2), das Epithel- und Muskelzellen mit der fibrillären Kollagentypen einige der nicht fibrillären Kolla-
extrazellulären Matrix verbindet und im Nier englomeru- gene an (z. B. Typ IX am fibrillären Typ li oder Typ XII am
lus eine funktionell sehr wichtige PUterstruktur bildet. fibrillären Typ I), bcc.i nflussen ihr Dickenwachsttun tmd
• Typ V: Typ V ist ein fibrilläres Kollagen und oft Bestand- verhindern, dass sie miteinander verschmelzen. Abgebaut
teil von Typ-I-Fibrillen. werden die Fibrillen v. a. durch Kollagenasen von Leuko -
• Typ VI: bildet eigene Mikrofibrillen. zyten, Fibrozyten, synovialen B-Zellen und verwandten
• Typ VII: bildet Ankerfibrillen. Zellen.
• Typ VIII: in der Desyemet-Membran.
• Typ X: in der Matrix des hypertrophen Knorpels. Klini k Kollagene können verstärkt abgebaut und zu wenig
• Typ XI: in Typ-li-Fibrillen. oder zu viel synthetisiert werden:
• vermellrter Abbau: während Hungerperioden, Immobi-
Vorkommen lisation, rhemnatoider Arthritis oder bei langen Aufent-
• T}'P I: Haut, Ligamente, Sehnen, Knochen, Dentin, Kor- halten in der Schwerelosigkeit
nea, Sklera, Faszien, Anulus fibrosus der Zwischenwirbel- • gchenlffitc Synthese: bei 1herapie mit hohen Cortison-
scheibe, Organkapscln, Organstroma der meisten Orga- gaben über einen längeren Zeitraum
ne, Duramater • vermehrte Synthese: bei Wundheilung (Typ-I-Kollagen,
• T}'P II: Knorpelund Nucleus pulposus der Zwischenwir- Narbenbildtmg), bei Leberzirrhose, Lungenfibrose, Athe-
belscheibe, Glaskörper rosklerose und Nephrosklerose (die Begrifre Sklerose tmd
• T}'P III: lymphatische Organe, in der Wand von Gefäßen, Fibrosc bczicllen sich generell auf das vermehrte Typ-I-
in der Darmschleimh aut, im Disse-Ratml, an der Ober- Kollagen).
fläche von Fettzellen und Muskclzellen, in der Laminafib-
rorcticularis (kommt ofi gemeinsam mit Typ-I-Kollagen Auch die falsche Zusammensetzung von Kollagenen ist
vor, ztun Teil sogar in einer Pibrille) möglich. Bei der Osteogenesis imperfecta (reduzierte Kno-
• T}'P IV: Basallamina. cbenmasse, brüchige Knochen u.a.) ist eins der 2 Gene, die
für Typ-I-Prokollagen kodieren, mutiert. Beim Ehlers-Dan-
Kollage nfibri llen Die wichtigsten Schritte der Kollagen- los-Syndrom (byperelastische Haut, überdellnbare Gelenke)
synthese und der Fibrillenbildung sind in Abbildung 3.2.14 gibt es Subtypen mit Mutationen in dem Gen, das die a 1(V)-
gezeigt. Der Umsatz (Neubildung. Wachstum und Abbau) Kette des Typ-V-Kollagens codiert. Andere Subtypen haben
von Kollagenfibrillen (Abb. 3.2.13) ist bei Erwachsenen Defekte in anderen Kollagenen. Bei der Chondrodysplasie
langsam - außer im Knochen, in dem Kollagenfibrillen (Zwergwuchs, abnorme Körperproportionen) liegen vererb-
beim ständigen Umba u auch mit ab- tmd neu aufgebaut liebe Defekte des Typ-H-Kollagens und anderer Knorpel-
werden -, bei Kindern und Jugendlichen während des komponenten vor.
Wachstums höher. Bei der Neubildung können verschiede-
Abspaltung von
..
, ,' Propeptiden
''
'
••••••• -- •• Tropokollagen
Abb. 3.2. 14 Kollagensekretion und
Entstehung der Kollagenfib rillen. Das Pro-
kollagen wird intrazellulär im Fibrozyten auf-
gebaut. Extrazellulär werden dem Prokollagen
die Propeptide abgespalten, es entsteht Tropo-
koUagen (Kollagen, Kollagenmonomer), das
sich in einem Polymerisationsprozess zu Kolla-
genfibrillen zusammenlagert. Einige Hydro-
xylysinreste sind glykosyliert. ..::::E55:=i::::::;::::::::;~j. -- --Kollagenfibrille
102 3 Gewebe
Abb. 3.2.15 Faserbildende Retikulumzellen. In den Abb. 3.2.16 Retikuläre Fasern. Die retikulären Fasern
Marksinus (* ) erkennt man deutlich die sternförmig ver- (schwarz, ~) sind verzweigt und vernetzt Sie bestehen aus
zweigten faserbildenden Retikulumzellen (~),deren dünne Typ-III-Koll.agen und ziehen durch das Lumen des Randsinus
Fortsätze zarte retikuläre Fasern (- Retikulin-, Gitterfasern) (1) hindurch bis in die Kapsel (2) hinein. Diese besteht ganz
umscheiden. Die vielen kugeligen, kräftig schwarz-blau überwiegend aus typischen (hier bräunlich gefärbten)
gefärbten Zellkerne gehören zu Lymphozyten. 1 Markstränge Kollagenfasern ( Kollagentyp I). Rinde eines Lymphknotens,
mit Plasmazellen und Lymphozyten. Mark eines Lymph- Mensch; Färbung: Versilberung nach Bielschowsky; Vergr.
knotens, Makak; Färbung: H. E.; Vergr. 460-fach. 240-fach.
a b
Abb. 3.2.17 Elastische und kollagene Fasern. a: Elastische Fasern, zu einem flachen Netz verknüpft Häutchenpräparat,
Mesenterium, Mensch; Färbung Resorcinfuchsin, Vergr. 250-fach. b: Kollagene und elastische Fasern. Die kräftig rotbraun
gefärbten, breiten Kollagenfasern werden in allen Richtungen des Ra ums von schwärzlich gefärbten elastischen Fasernetzen
durchquert. Dermis, Mensch; Färbung: Elastika - van-Gieson-Färbung, keine Kerngegenfärbung; Vergr. 450-fach.
3.2 Bindegewebe 103
0
Abb. 3.2.19
Ela.s tische Fa.sem.
Molekulare Komponenten
Elastische Fasern enthalten 2 molekulare Komponenten,
Fibrillin und Elastin.
1l
sog. Mikrofibrillcn, die aus Pibrillin und den mikrofibrillen-
assoziierten Glykoproteinen (MAGPs) bestehen. Diese Dehnung Entspannung
Mikrofibrillen werden von Pibrozyten und glatten Muskel-
Einzelnes Elastinmolekül
zellen synthetisiert und bilden ein nicht elastisches Gerüst, Quervert>1ndung
in das hinein das kennzeichnende Protein der elastischen '
Fasern, das Elastin, abgelagert wird. Das Verhalten der Mi-
'
-r-...._;::x
krofibrillen während der Dehnung der elastischen Fasern
bietet noch offene Fragen. Während des Wachstums der
~~ ---~:z;:::::=;::~
elastischen Pasern werden die Mikrofibrillen nach außen
verlagert. In der Entwicklung erscheinen die Mikrofibrillen
vor dem Elastin. Mikrofibrillen können auch für sich allein Abb. 3. 2.20 Elastin, hypothetisches Modell. Elastin-
vorkommen, z. B. an der Oberfläche glatter Muskelzellen, in moleküle sind quer verbunden, die Moleküle nehmen
den Linsenfasern und in der Lamina fibroreticularis der geknäuelte Konformation an, wen n die Dehnung nachlässt,
Basalmembran. Reine Mikrofibrillenbündel werden auch was zur Verkürzung der Fasern führt. (Modifiziert nach [12])
104 3 Gewebe
•
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\ ' .....
/' • , * Abb. 3.2.21 Lockeres
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... .. '
-· /: '
I
Bindegewebe mit zah !reichen
Fibrozyten (~) und gewellt
verlaufenden lockeren Kolla-
genfaserbündeln ( *). 1 Arte-
riole; 2 kleines Ganglion des
"' Meissn er-Plexus. Submukosa
des Jejunums, Mensch; Fär-
bung: H. E.; Vergr. 250-fach.
Abb. 3.2.23 St raffes parallelfaseriges Bindegewebe. Abb. 3.2.24 Gallertiges Bindegewebe. Die Fibroblasten
Von den Sehnenzellen si nd nur die flachen Kerne(~) (rötlich) treten zugunsten der Interzellularsubstanz in den
erkennbar. Der leicht gewellte Verlauf der Fasern ist sehr Hintergrund. Die Interzellularsubstanz besteht aus der Grund-
charakteristisch. Längsschnitt einer Sehne, Mensch; substanz (u. a. Hyaluronsäure, Proteoglykane, verschiedene
Färbung: H. E.; Vergr. 95-fach. Glykoproteine, ungefärbt) und den geformten Elementen
(Kollagenfasern, zum Teil stark gewellt, blau gefarbt). Whar-
ton-Sulze der Nabelschnur, Mensch; Färbung: Azan; Vergr.
380-fach.
oft sternf<irmigen Pibrozyten dieses Gewebes werden auch mationen bilden (Abb. 3.2.25) und zum Teil n och an Mes-
fibroblasti sche Retikulumzellen oder einfach Retikulum- enchymzellen erinnern. Die extrazelluläre Substanz ist auf
zellen genannt (Abb. 3.2.15). Sie bilden einen dreidimensio- relativ schmale Räume zwischen den Pibrozyten beschränkt
nalen netzartigen Verband und produzieren Kollagenfasern und enthält nur wenig Kollagenfasern vom Typ III (Abb.
aus Typ-III-Kollagen (retikuläre Fasern). Die retikulären Fa- 3.2.26). Zum Teil wird auch das Bindegewebe der Uterus-
sern werden von scheidenartigen Portsätzen der fibroblas- schleimhaut, das Endometrium, hierzu gezählt.
tischen Retikulumzellen wuhiült, wobei Pibronectin die
Verbindung vermittelt. Die Kerne der Retikulumzellen sind Vorkommen Ovar (Kortex) und Uterusschleimhaut (Endo-
relativ groß, oval und weisen einen deutlichen N ukleolus metrium). Die zahlreichen Besonderheiten des Endometri-
auf. In den Lücken zwischen den Retikulumzellen sind vor- wus (z.B. zyklische Veränderungen, Dcciduabildung in der
wiegend Lymphozyten, aber auch andere Zellen, wie z.B. Schwangerschaft) Hiliren nicht selten dazu, dass es als eige-
Makrophagen und antigenpräsentierende Zellen, angesie- n er Bindegewebstyp geftihrt wird.
delt. Hier existiert eine spezielle Mikroökologie fU.r die
Differenzierung und Vermehrung der Lymphozyten. Fibro-
blastische Retikulumzellen können auffallend viel Aktin ent- 3.2.10 Sonderformen des Bindegewebes
halten, z. B. in der Milz. Sehr faserarme Bindegewebe sind die Gewebe des Glaskör-
pers tmd des Nucleus pu.lposus (in der Zwischenwirbel-
Vorkommen Lymphknoten {Abb. 3.2.16), Milz, Tonsillen, scheibe). Als zcll- und faserfreies Bindegewebe lässt sich die
Peycr-Plaqucs, Knochenmark. Gelenkflüssigkeit ansehen. Auch das Blut wi rd manchmal
als flüssiges Bindegewebe bezeichnet.
3.2.8 Gallert;ges Bindegewebe
Das gallertige Bindegewebe kennzeichnet die Nabelschnur
3.2.11 Knorpelgewebe
und enthält verzweigte Fibrozyten, die noch an Mesenchym- Das Knorpelgewebe ist ein spezielles Bindegewebe mit
zellen (s. a. Kap. 3.2.1) erinnern. Sie scheiden die umfangrei- Stützfunktion , dessen Eigenschaften von den Komponen-
che hyaluronsäure- und wasserreich e Grundsubstanz tmd ten der Matrix bestimmt werden. Knorpel ist fest, druckelas-
einzelne Kollagenfasern ab (Wharton-Sulze, Abb. 3.2.24) . tisch verformbar und schneidbar. Während der Entstehung
Auch die Zahnpulpa enthält ein Bindegewebe, das dem gal- und des Wachstums des Skeletts spielt der Knorpel eine
lertigen Bindegewebe ähnelt, aber zellreicher ist. wichtige Rolle, denn in der Embryonalentwicklung werden
die meisten Skelettelemente zunächst knorpelig angelegt.
Knorpelgewebe entsteht aus dem Mesenchym. Ausgereifter
Vorkommen Nabelschnur, Pulpa der Zähne, Hahnenkamm
und auffallende Sexualhaut mancher Tierpri.rnaten. Knorpel enthält meist keine Blutgefäße (Ausnahme z.B.
Kehlkopfknorpel) und nie Nerven. Sein zu erheblichem Teil
anaerober Stofuvcchscl weist Besonderheiten auf, seine Zel-
3.2.9 Spinazelluläres Bindegewebe len werden mittels Diffusion versorgt.
Das spinozelluläre Bindegewebe ist das typische Bindege-
webe des Ovars. Dies enthält in seiner Rinde dicht gelagerte Vorkommen Beim Erwachsenen Atemwege, Ohrmuschel,
Fibrozyten mit hellen Kernen, die "fischzugähnliche" For- Rippenknorpel, GelenkknorpeL
106 3 Gewebe
c
Abb. 3.2.26 Spinozellu-
läres Bindegewebe.
Knorpelstruktur
Chondrone Typisch ist, dass die Knorpelzellen in kleinen
Gruppen beicinanderliegen, die durch eine oder zwei mi-
totische Teilungen aus einer Mutterzelle entstanden sind
(isogene Zellgruppe). Die Matrix in der unmittelbaren Um-
gebung der Knorpelzellen enthält intensiv sulfatiertc Glu-
cosaminoglykane und wird Knorpelhof genannt. Dieser
Hof färbt sich im H. E.-Präparat intensiv blauviolett an
Abb. 3.2.25 Splnozelluläres Bindegewebe. Die Kerne der (Abb. 3.2.28). Knorpelzellgruppe und Hofbilden ein Knor-
zahlreichen Fibrozyten si nd weinrot gefarbt, die spärlichen pelterritorium (Chondron). Die Matrix zwischen den T er-
Kollagenfasern blaugrün. Rinde des Ovars, Mensch; Färbung: ritorien wird Interterritorium genannt. Sie enthält keine
Goldner; Vergr. 250-fach. Zellen und ist blass gefärbt.
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Insbesondere die Keratan- und Chondroitinsulfatketten des Abb. 3.2.27 Chondrozyt. Oie Oberfläche bildet zahlreiche
Aggrecans binden Wasser, eine wesentliche Voraussetzung unregelmäßig geformte Mikrovilli (? ), die in die Matrix (1)
für die kennzeichnende elastische Festigkeit des Knorpels. hineinragen. Im Zytoplasma sind die Zellorganellen gut entwi-
Hyaluronsäure und zahlreiche mit ihr verbundene Aggre- ckelt (Golgi-Apparat, Zentriol, Mitochondrien, RER), daneben
canmolekille bilden einen riesigen Molekiilkomplex, der sind aber auch in reichem Maße Glykogen(* ) und oft Lipid-
3-4 rrun groß sein kann. Diese Aggregate machen den tropfen vorhanden. Oie Matrix enthält feine Kollagenfibrillen
größten Anteil des Knorpels aus und geben ihm seine typi· vom Typ ll, kleine dichte Verkalkungsherde und Proteoglyka-
sehe Konsistenz. Auf sie geht auch die Formstabilität des ne, deren Glucosaminoglykan vor allem Chondroitinsulfat ist
Knorpels zuriick. Dieses einzigartige Material kann in Form Unmittelbar an der Oberfläche der Zellen (; perizellulär) fin-
des Gelenkknorpels das ganze Körpergewicht tragen. Ein den sich feine Fibrillen, die aus seltenen Kollagenen bestehen
wichtiges Bindeglied zwischen Matrix und Knorpelzellen ist und die Zellen vor mechanischem Druck schützen. Hyaliner
das Chondronectin in der Membran der Knorpelzellen, ein Bronchialknorpel, Mensch; Vergr. 7830-fach. (Aus (1])
3.2 Bindegewebe 107
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Lakunen Die Knorpclzcllen liegen in einer Lakune (Knor-
pelzellböhle) der Matrix, deren Wand, also die unmittel-
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bare Umgebung der Koorpelzclle, auch Knorpelkapsel ge- •• • •
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besondere Schutzfunktion der Knorpelzellen gegen Druck Abb. 3. 2. 29 Fetaler Knorpel mit dicht gelagerten, einzeln
und Zug zukommt. Im histologischen Präparat sind die
Knorpelzellen in ihrer Lakune oft artifiziell geschrumpft.
oder paarweise liegenden Chondrozyten. Perichondrium *
mit Blutgefaßen. Fetales Extremitätenskelett, Mensch; Fär-
bung: H. E.; Vergr. 240-fach.
Merke
• Chondrone = Territorien = Knorpelzellgruppen +
Knorpelhof
• Lakunen = Knorpelzellhöhlen mit einzelnen Knorpel- Hyaliner Knorpel
zellen
Der hyaline Knorpel ist der verbreitetste Knorpeltyp beim
Erwachsenen. Er ist glasig, in dünnen Scheiben durchschei-
Perichondrium Ein Knorpels tück wird von unscharf nend (gr. hyalos = Glas) und von weiß-bläulicher Färbung.
b egrenztem Bindegewebe, dem Perichondrium, umgeben Im mikroskopischen Präparat zeigt er die typische Gliede-
(s.a. Abb. 3.2.30). Dies ist am Rande des Knorpels zellrei- rung in Territorien und Interterritorien (Abb. 3.2.30). Die
cher (Stratmn cellulare) als weiter entfernt (Stratum fibro- Territorien bestehen je nach Anschnitt aus 2 - 6 Knorpel-
surn). In der Zone, die an das Perichondrimn grenzt, ist der zellen, die in eine stark basophile, territoriale Matrix einge-
Knorpel noch nich t in Chondrone gegliedert. Vom Peri- bettet sind. Die Kollagenfibrillen sind im Lichtmikroskop
chondrium kann in beschränktem Umfang Knorpelregene- nicht sichtbar, da sie einen ähnlichen Brechtmgsindex wie
ration ausgehen. Insgesamt ist die Regenerationskraft des die Grundsubstanz besitzen (sie sind " maskiert"). Im Elek-
Knorpels beim Erwachsenen schlecht. tronenmikroskop sind sie jedoch als einzeln e 15-45 nm
dicke Typ-li-Kollagenfibrillen gut erkennbar. Im Gelenk-
knorpel verlaufen solche Fibrillen parallel zur Oberfläche
Knorpelwachstum und bilden arkadenförm.ige, in die Tiefe ziehende Struk-
Zu unterscheiden sind: turen (s. a. Kap. 7).
• interstitielles oder intussus1..eptionelles Wachstum
• appositionelles Wachstum.
Vorkommen Atemwege, Teile des Nasenskeletts, Ansatz
der Rippen, am Brustbein und auf den Gelenkflächen.
Wenn Chondroblasten im lnnern der Matrix Komponenten
und Grundsubstanz der Matrix bilden, spricht man von in-
terstitiellem Wachstum. Wenn der Knorpel vom Rand her Klinik Im Alter zeigt hyaliner Knorpel oft degenerative
neu gebildet wird, wächst er appositionell. Veränderungen: Der Wassergehalt nimmt ab, Proteogly-
kane verändern sich, Kollagenfibrillen werden demaskiert
("Asbestfasenmg"), V erkalktmgen entstehen und Zellen ge-
Knorpeltypen hen unter. Osteoarthritis ist die häufigste Erkrankung des
Es lassen sich 4 Knorpelformen unterscheiden: Gelenkknorpels (Kap. 7.1), sie kann schmerzhalt sein tmd in
• fetaler Knorpel zahlreichen verschiedenen Porm en auftreten.
• hyaliner Knorpel
• elastischer Knorpel Elastischer Knorpel
• Faserknorpel
Der elastische Knorpel kommt in der Ohrmuschel, der Tuba
auditiva, der Epiglottis, lokal im Kehlkopf und in kleinen
Fetaler Knorpel Bronchialknorpeln vor. Er hat leicht gelbliche Farbe tmd ist
Die zahlreichen spindelförm.igen, rundlichen oder auch elastisch. Grundsätzlich ist er wie hyaliner Knorpel aufge-
sternförmigen Knorpelzellen sind gleichmäßig in der Matrix baut, besitzt aber zusätzlich elastische Fasernetze, die
verteilt. Chondrone sind noch keine nachzuweisen (Abb. Chondrone umspinnen, durch die interterritoriale Matrix
3.2.29). Fetaler Knorpel kan n Blutgefäße enthalten. verlaufen (Abb. 3.2.31) und mit elastischen Fasern im Peri-
chondr.imn in Verbindung stehen. Die Chondrone sind oft
kleiner als im hyalinen Knorpel, und die Knorpelzellen sind
oft in einer Reihe angeordnet
108 3 Gewebe
brillen. Das Apatit tritt auch in kleinen Vesikeln auf, die sich
von Osteoblastenfortsätzen abschnüren (Matrixvesikel)
tmd aus denen es freigesetzt wird. Beide Mineralisierungs-
mechanismen (Kristallisationskeime am Kollagen tmd in
Matrixvesikeln) kommen zusammen vor. Welche Paktoren
in vivo die Mineralisierung in Gang setzen, ist bisher nur
.~
unvollkommen bekannt. Vermutlich spielen die Knochen-
proteine Osteocalcin, Osteonectin und Osteopontin sowie
die alkalische Phosphatase der Osteoblasten eine Rolle bei
., *
* der Entstehung der Apatitkristalle.
Stammzellen und entwickeln sich schrittweise zu ausgereif- die Osteoklasten ttnd machen so den Weg ztrrn Abbau der
ten Osteeblastcn. Verschiedene Pakteren, z.B. knechen- verkalkten Matrix frei.
merphegenetische Pre tcine, Parathe rme n und Vitamin D
steuern diese Entwicklungsreihe. Osteeblastenverläuferzel- Lebensdauer Osteoblasten entwickeln sich zu Osteozy-
len finden sich auch ne ch bei Erwachsenen und sind als ten, treten in einen Ruhezustand ein (endostale Saum-
schmale, hellkernige Zellen im Endest ttnd Perlest lekali- zellen = Knochendeckzellen = .,bone-lining cells") oder
siert. Bei Frakturen ki nneo sie aktiviert werden ttnd teilen gehen per Apoptose zugrunde. Sie werden nach dem 20. Le-
sich. bensjahr deutlich seltener, ab einem Alter von 45 Jahren
liegt ihre Zahl meistens unter 3- 5~ der Zellen, die die
Knochenoberfläche bedecken.
Osteoblasten
Charakteristika Osteoblasten (Abb. 3.2.34, Abb. 3.2.35,
Osteozyten
Abb. 3.2.36, Abb. 3.2.37) sind die basophilen knochenbil-
denden Zellen wachsender und ausgereifter Knochen. Bei Charakteristika Osteozyten (Abb. 3.2.34, Abb. 3.2.38)
aktivem Wachstum liegen sie in epithelähnlicher Anord- sind in die Knochenmatrix eingemauerte, morphologisch
mtng auf der Matrixoberfläche ttnd besitzen kubische oder veränderte, terminal ausdilferenzierte Osteoblasten. Sie sind
sogar prismatische Form. Es sind aktiv sezernierende Zellen stark verzweigt. Ihr Zellkörper liegt in kleinen Lakunen der
mit großem, hellem Kern, reich entwickeltem RER, vielen Knochenmatrix, die Portsätze Hegen in feinen Kanälen
freien Ribosomen und großem Golgi-Apparat. Osteoblas- (Canaliculi), an ihrer Oberfläche befindet sich ein schmaler
ten sind über Nexus verbunden. Ihre Membran ist reich Satun unverkalkter Matrix (perizcllulärer Raum). Über die
an alkalischer Phosphatase, d ie eine wichtige Rolle bei der Portsätze stehen benachbarte OsteoZyten miteinander in
Mineralisienmg spielt. Neben der Sekretion von Kollagen, Verbindttng; an Kontaktstellen bilden die Fortsätze Gap
Proteoglykanen, Osteocalcin, Osteopontin, Osteonectin htnctions aus. Zellorganellen (RER, Golgi-Apparat, Mito-
und anderen Proteinen produzieren sie para- und autokrin chondrien ttnd Ribosomen) sind in den Osteozyten trrnso
auch Wachstumsfaktoren ttnd haben Rezeptoren ffrr eine geringer entwickelt, je weiter sie von den Osteoblasten der
Reihe von Hormonen, Zytokinen und Vitamin D3• Oberfläche entfernt sind. Öfter enthalten sie Glykogenpar ti-
kel.
Funktion Osteoblasten bilden die Knochenmatrix. Die
Initial von ihnen abgeschiedene Matrix ist dabei noch nicht Funktion Die Pttnktionsfahigkeit der verkalkten Matrix
verkalkt und wird Osteoid genannt (Abb. 3.2.34). Beim hängt von den Osteozyten ab. Sie werden als Mechanosen-
wachsenden Knochen kommt Osteoid praktisch überall an soren angesehen, die den Osteoblasten der Knochenober-
der Oberfläche von Knochengewebe vor. Beim Erwach- fläche Signale zusenden.
senen sind wahrscheinlich nur 10 - 15~ der Knochenober-
fläche von Osteoid bedeckt. Osteoblasten spielen auch eine Lebensdauer Osteozyten sind aufNährstotre aus den Ge-
Rolle beim Knochenabbau, denn sie besitzen als einzige fäßen im Havers-Kanal angewiesen. Bei intakter Gefäß-
Knochenzellen Rezeptoren für Parathormon (Abb. 3.2.37), versorgttng leben sie jahrelang. Der Stoffiransport in den
das die Knochenresorption einleitet. Nach Parathormon- Canaliculi erfolgt durch passive Diffusion, er findet zum
bindttng bilden die Osteoblasten Zytokine und andere Fak- großen Teil im perlzellulären Raum, aber auch durch die
toren, die die Osteoklasten stimulieren. Sie aktivieren also Zellen hindurch statt.
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Abb . 3.2.34 Knochen-
zellen in der frühen Phase
der direkten Knochenbil-
dung. Knochenbälkchen (* )
mit aktiven Osteoblasten (1)
und wenig aktiven Osteo-
- blasten (2). 3 Osteozyten;
-+ Osteoidsaum; 4 dünnwan-
dige venöse Gefäße. Unter-
. • kiefer, Mensch; Färbung:
H. E.; Vergr. 250-fach.
3.2 Bindegewebe 111
Wachslumshormon
•
--- ---Osteoid
, Versiegelu~szone
Rezeplor fUr
Insulinahnlichen Lebe~ \ ,_ ~ r .. Adenohypophyse
""' Go~._ ,.----------------.
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: Knocheng-be :
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WachstlJmsfaklor
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.IGF-1
Rezeptor rur TGF-jl
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gap-junction Rezeptortor ..........
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Rezeptor tor
basoc f•broblast •
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Endozytose-
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alkallsehe .. (Nexus)
Phosphatase
unver1<alkles
OSteoid
Typ-I-Kollagen-----·-
ver1<alkle
•• Matrix
•
Fortsatz das Osteoblasten
Im Osteoid, wn dem sich
Blasehen mK Apatl!-Krlstallen
abschnOren
''
·~·Veslkel Abb. 3.2.37 Osteoblast (Schema) mit Rezeptoren und
und
Granula Einbindung in den KnochenstoffwechseL
Osteoklasten
Charakteristi ka Osteoidasten (Abb. 3.2.35, Abb. 3.2.39,
Abb. 3.2.40) sind im H E-Präparat rötlich-violette, bis ca.
150 fUll große mehr- bis vielkernige Zellen. Ihre bis zu
SO Kerne liegen (wie in den Osteoblasten) auf der der Mat- c
rix abgewandtcn Seite der Zellen. Das wnfangreiche Zyto- Abb. 3.2.38 Osteozyt in
plasma enthält reich entwickelte Organellen, darunter meh- einer EM-Aufnahme.
112 3 Gewebe
Zellkern
' Rezeptoren für
CaJcitonin- Mito~ondrien '' Faktoren der Osteoblasten
Rezeptor ''
''
'
kernigen Synzytien, den ausgereiften Osteoklasten, ver- Spongiöser Knochen Spongiöser Knochen (Substantia
schmelzen. Die DifferenzJenmg der Vorläuferzellen in spongiosa = trabekulärer Knochen) findet sich als dreidi -
Richtung Ostecklasten wird u.a. von Vitamin D3, dem mensionales System feiner, sich verzweigender Knochen-
RANK-Liganden sowie Interleukin 1 und 6 beeinflusst. bälkchen (Trabekel) im Innern eines Skelettknochens. Zwi-
Ostecklasten sind Zellen, die Lmterschiedliche Aktivitäts- schen den Bälkchen finden sich weite Rätune für Blut
phasen aufweisen können. In der Zellkultur können sich bildendes Gewebe oder Fettgewebe, die Trabekel selbst ent-
aktive tmd inaktive Phasen mehrfach abwechseln. Über das halten keine Blutgefäße (Abb. 3.2.42, Abb. 3.2.43). Die Tra-
Lebensende der Ostecklasten ist noch nicht viel bckarmt. bekel richten sich parallel zur größten Druck- (V\'"irbelkör-
Vermutlich gehen sie wie Makrophagen durch Apoptose per) oder Biegebeanspruchung (proximales Pemurende)
zugrunde. aus, wobei große mechanische Robusthei l mit sparsamem
Materialgebrauch und geringem Gewicht kombiniert wird.
Knochenstruktur
Merke Knochen ist sehr zug- und druckfest, verträgt Bie-
Makroskopische Struktur ge- und Torsionsbeanspruchung und hat eine effiziente
Leichtbauweise. Sein Stoffumsatz ist bemerkenswert, er ist
Mit bloßem Auge lassen sich 2 Typen des Knochengewebes reich durchblutet und wird ständig umgebaut. V erletztm-
Lmterscheiden, die ohne scharfe Grenze ineinander über- gen heilen (gut behandelt) leicht.
gehen:
• kompakter Knochen
• spongiöser Knochen. Klini k J\ls Osteopenie wi rd ganz. allgemein die Verringe-
rung der Knochenmasse be?-elchnet. Sie kann den organi -
Kompakter Knochen Kompakter Knochen (Substantia schen wie anorganischen Anteil des Knochens gleicher-
corticalis oder compacta) erscheint als solide, feste Masse maßen betreffen oder einen der beiden Anteile bevo rzugen.
tmd ist in der Peripherie der einzelnen Knochen des Ske- Ab etwa dem 40. Lebensjahr geht die Knochenmasse (anor-
letts zu finden, z.B. außen in den Röhrenknochen der Ex- ganisch tmd organisch gleichermaßen) langsam zur ück.
tremitäten. Er ist reich mit Blutgeraßen versehen. Prauen verlieren bis zu 60% des spongiösen tmd bis zu 40%
des kortikalen Knochens, Männ er bis zu 40~ des spongiö-
sen und bis zu 25~ des kortikalen Knochens. Geht der Kno-
chenschwund noch über die dem Alter, der Größe tmd dem
Geschlecht entsprechenden Werte hinaus, spricht man von
Osteoporose. Sie ist bei Frauen nach der Menopause beson-
ders häufig und kann zu Wirbel- und Extremitätenfrakturen
führen. Dagegen ist bei einer Osteomalazie (Knochenen.vei-
chung, bei Kindern: Rachitis) der anorganische Anteil auf
Werte bis zu 35% vermindert; Gründe können Vitamin-D-
Mangel oder ein Mangel an Calcium tmd Phosphat in der
Nahrung sein.
Einzelne Lamelle
der äußeren -----------------
Gene rallamellen
Osteon mit
Speziallamellen
•
Venöses Blut fließt aus der Substantia compacta in die Sinus
-.._- •
des Knochenmarks, aus denen größere Venen entstehen,
die zusammen mit oder getrennt von den Aa. nutriciae
durch die Corticalis ziehen. Die Gefäße der Substantia com-
pacta stehen auch in Verbindung zu Gefäßnetzen des Peri-
~
- •
osts.
*,
Havers-Kanal ( Längsschnitt) im ungefcirb-
dlmg = Ersat:zknochenbildung), indem sich Mesenchym- ten Knochenschliff. Durch Doppelbrechung erscheinen die
zellen zuerst zu Chandrohlasten differenzieren, Knorpel Lakunen (Knochenhöhlchen) und die von ihnen ausgehen-
bilden und dieser dann abgebaut lmd durch Knochenge- den, radiär zum Havers-Kanal verlaufenden Knochenkanäl-
webe ersetzt wird. chen schwarz. Fingerphalanx, Mensch; Vergr. 100-fach.
116 3 Gewebe
-fetaler Knorpel
Perichondrium
Perichondrale Ossifikation
Knochenmanschette Um die Mitte des knorpeligen
Schafts (Diaphyse) des Skelettstücks bildet sich eine Kno-
chenmanschette (Abb. 3.2.5 1). Diese Manschette entsteht
streng genommen a~tßerhalb des Knorpelstücks und ist da-
her eine desmale bzw. direkte Form der Verknöcherung. Sie
wächst in die Länge und stützt das abzubauende Knorpel- Abb. 3.2.51 Chondrale Os.sifikation, frühes Stadium.
stück von außen. l m histologischen Aulbau ähnelt die Kno- Perichondral ist eine dünn e Knochenmanschette entstanden.
chenmanschette dem Geflechtknochen. Im Innem der Diaphyse entsteht Blasenknorpel, und die
Matrix verkalkt hier. Fingerphalanx, Fetus Mens III, Mensch;
Blasenknorpel Das von der Knochenmanschette umge- Vergr. 80-fach. (Aus [1))
bene Knorpelgewebe verii.ndert sich, indem die Zellen groß
und mitochondrienreich ("hypertroph") werden. Es ent-
steht der sog. BlasenknorpeL Die Blasenknorpelzellen sto-
ßen die Verkalkung der Matrix in ihrer Umgebung an, und
in der Folge gehen die Blasenknorpelzellen zugrunde. Es Knorpel-Knochen-Grenze Im verknöchernden Skelett-
dringen dann Blutgefaße in den verkalkten Blasenknorpel stück lässt die Knorpel -Knochen-Grenze zwischen den
vor, womit der Prozess der enchondralen Ossifikation ein- noch knorpeligen Enden zum knöchernen Schaft hin einen
geleitet wird. regelhaften Autbau (Abb. 3.2.53, Abb. 3.2.54) erkennen:
• Fetaler Knorpel: Das zukl'tnft.ige knöcherne Skelettele-
Enchondrale Ossifl kation ment wird ja zuerst knorpelig angelegt. Dieser fetale
Diaphyse Mit den GefaBen wandern einerseits Zellen in Knorpel bleibt an den Epiphysen, den Endabschnitten des
den Blasenknorpel ein, die zu mehrkernigen Chondroklas- Skelettstücks, am längsten erhalten.
ten (ähneln Osteoklasten) verschmelzen, verkalkte Matrix • Säulen.knorpel: In Richtung auf die Verknöchenmgszone
abbauen und Hohlräume schaffen, die dann von Gefaßen folgt dann der Säulenknorpcl, in dem die Knorpelzellen
und Mesenchym besiedelt werden (Abb. 3.2.52). Anderer- proliferieren lmd sich in Reihen (Säulen) anordnen; diese
seits wandern auch Osteoprogenitorrellen in den Blasen- Knorpelzellen sind oft etwas abgellacht.
knorpel, die sich zu Osteoblasten differenzieren. Diese bil- • Blasen.knorpel: Er folgt dem Säulenknorpel und enthält
den in der freigelegten Knorpelhöhle und zum Teil auch auf groBe mitochondrienreiche ("hypertrophe") Zellen, in
Bälkchen oder Lamellen des verkalkten Knorpels eine Ta- deren Umgebung die Knorpelmatrix verkalkt.
pete und scheiden Osteoid ab, das dann verkalkt. Die Höh- • Eröffnungszone: Sie ist die Front zur Zone der Knochen-
len werden so mit Geflechtknochen ausgefüllt, in dem dann bildung. Hier gehen Knorpelzellen zugrunde und werden
auch bald Osteozyten zu erkennen sind. Die Knochenbälk- durch Chondroklasten abgebaut, während Osteoblasten
chen können zuerst noch Reste des verkalkten Knorpels die Knorpelhöhlen und die spießartig dazwischenliegen-
enthalten und verwachsen mit der perichondralen Kno- de verkalkte Knorpelmatrix besiedeln und mit der Ab-
chenmanschette. Von der Mitte des Schafts her breiten sich scheidung von Knochenmatrix beginnen.
die Knorpel -Knochen-Grenzen in Richtung der beiden • Zone mit Knochenbälkchen: Diese Zone ist sehr gefaß-
Enden des Skelettstücks aus. reich, die Knochenbälkchen enthalten oft noch Reste
verkalkter Knorpelmatrix, aber auch schon die ersten
118 3 Gewebe
,. Epiphysen-
knorpel
(fetaler Knorpel)
.'
.,
Säulenknorpel
Perichondrium
~
Abb. 3.2.54 Chondrale
Ostecklasten als Zeichen flir die sofort beginnenden Um- Ossifikation.
bauvorgänge.
Wenn diese Knorpelfuge verknöchert, was an den einzel- dem Knochengewebe und dem ruhenden Knorpelgewebe
nen Knochen zu unterschiedlich en Zeiten geschieh t, ist finden sich sehr viele Blutgefäße, die die gesamte Epiphy-
kein Wachstlun mehr möglich. Die Epiphysenfugen b e- senfuge versorgen.
stehen (ähnlich wie an der Knorpel-Knochen-Grenze zu • 2. Zone, p roliferierende Chondrozyten: Die Chondro-
Beginn der enchondralen Ossifikation) aus 4 Zonen, die zyten dieser Zone ersetzen die Knorpelzcllen, die an der
von der Epiphyse zur Diaphyse aufeinander folgen diaphysären Seite der WachstlmlSfuge verloren gehen.
und ohne scharfe Grenze ineinander übergehen (Abb. Die Chon drozytcn bilden im Schnittpräparat oft charak-
3.25 5). teristische Reihen (Säulen; Abb. 3.2..55).
• l. Zone, ruhender Knorpel: Sie liegt an der Grenze zum • 3. Zon e., ausdifferenzierte (hypertrophe) Knorpelzellen:
Knochengewebe der Epiphyse. Hier findet kein Wachs- Die Chondrozyten dieser Zone sind groß und abgerundet
tlun statt, vielmehr dient der Knorpel dieser Zone vor al- und enthalten u. a. raues ER, Mitochondrien, Glykogen
lem dazu, das gesamte Knorpelgewebe der Epiphysenfuge und Lipideinschlüsse sowie einen hellen, kugeligen Kern.
an der knöchernen Epiphyse zu verankern. Zwischen Dieser Knorpelzclltyp bildet in großen Mengen alkalische
Phosphatase, ein Enzym, das die Verkalkung der Matrix
fördert.
• 4. Zon e, verkalkter Knorpel: Die Knorpelzellen sind hier
zunächst noch intakt, gehen aber an der urmuttclbaren
1 Grenze zur knöchernen Diaphyse zugrunde. In die La-
kunen, die durch die absterb enden Ch ondrozyten entste-
h en, wachsen zahlreiche, relativ weite Blutkapillaren ein.
Die Verknöcherung erfolgt nur aufverkalktem Knorpel,
der oft schlanke Septen bildet, auf denen sich Osteoblas-
ten cmsiedeln. An den freien Enden der entstehenden
Knochenbälkchen tinden sich neben Osteoblasten auch
oft schon Ostcoklasten. In den Randregionen der diaphy-
sären Seite der Wachstumsfuge geht das neu entstehende
Knochengewebe in die Kornpakt-a des Diaphysenschafts
über, die aus Osteonen aufgebaut ist.
Merke
• Diaphyse: Mitte des Skelettstücks
• Epiphyse: freies Ende des Skelettstücks
• Metaphyse: Übergangszone zwischen Epi- lmd Dia-
physe.
baut. Die Gefaßc der Adventitia versorgen das Knochen· BMU Der Umbau wird von einer gut organisierten Grup-
gewebe. pe von Osteoblasten tmd Osteoklasten ausgefiihrt, der
• Fibroelastika (Stratwn fibrosum): Sie ist die mittlere, "basic multicellular ttnit" (BMU). Im kompakten Knochen
straff gebaute Schicht, deren Kollagenfasern und elasti· bohren die Osteoklasten der BMU, ohne dass existierende
sehe Fasern valWiegend längs ausgerichtet sind. Ein Teil Osteone ausgespart werden, einen Ttmnel ins Knochenge-
der Kollagenfasern strahlt in die Kompaktades Knochens webe. Sie bilden eine Art Bohrkopf tmd können an einem
ein (Sharpey-Fasern), die eine feste Verbindungzwischen Tag ca. 50 11m voranschreiten. Im spongiösen = trabekulä-
Periost und Knochen schaffen. Die Sharpey-Fasern ver- ren Knochen dringen die Ostecklasten nicht in den Kno-
kalken oft. chen ein, sondern bleiben an der Oberfläche und bewegen
• Kambiumschicht (Stratwn osteogenicum). In dieser in- sich hier langsam vorwärts.
neren, relativ zellreichen Schicht kommen insbesondere
mesenchymale Knochenstammzellen und Osteoblasten- Osteone Beim Aufbau eines neuen Osteons schreitet die
vorläuferzellen vor. Letztere wandeln sich in reife Osteo- Osteoklastengruppe voraus (Abb. 3.2.56). Die freigelegte
blasten um, die für das appositionelle Dickenwachstrun und exkavierte Oberfläche wird von matrixbildenden Os-
verantwortlich sind. teoblasten besiedelt, erst einer Schicht, dann der nächsten,
usw. Zwischen den Lamellen befindet sich dann eine Lage
Beim ausgereiften Knochen des Erwachsenen ist das Periost von Osteozyten. So entstehen mehrere neue Lamellen, die
schmaler und zcllärmer, die Kambitunschicht ist oft nur den Tunnel auskleiden und im Laufe mehrerer Monate
schwer abzugrenzen un d enthält nur noch wenige Osteo- ein neues Osteon aufbauen. I n den neuen Havers-Kanal
blastenvorläuferzellen. Aber auch das ausdifferenzierte Peri- wandern sofort Blutgefal3e tmd Bindegewebe ein. Erodierte
ost ist blut- und lymphgefaßreich und enthält viele Nerven- Osteone sterben meist ab und bleiben als Schaltlamellen er-
fasern. Es ist bekanntlich sehr schmerzempfindlich. kennbar. Insgesamt ergibt sich so das Bild des typischen
histologischen Präparats mit intakten Osteonen und dazwi-
Endost Endost besteht aus flachen Knochendeckzellen schen liegenden Schaltlamellen.
(endostale Satunzcllen, ruh ende Osteoblasten). Diese Zellen
liegen dem Knochengewebe an und können mitunter 2 Trabekel Auch attf den Trabekeln der Spongiosa wird die
oder 3 Schichten bilden. Im Bindegewebe tmter diesen freigelegte und zu einer Grube vertieften Oberfläche (H ow-
flachen Zellen befinden sich mesenchymale Stammzellen, ship-Lakune) mit einer oder mehr von Osteoblasten gebil-
Osteoblastenvorläuferzellen und wohl auch Vorst ufen von deten Lamellen bedeckt. Zuerst wird immer Osteoid gebil-
Osteoklasten. Im Endost können Lücken auftreten, die det. Wenn das ausmineralisiert ist, flachen die Osteoblasten
Platz fi.ir Osteoklasten scha.ffen. Nur ca. 5~ des Endosts be- an der Oberfläche des Trabekels ab und werden zu den
stehen aus aktiven Osteoblasten und Osteoklasten. Endost ruhenden Knochendeckzellen des Endosts.
kleidet auch die Havers-Kanäle aus tmd kann, z. B. bei Frak-
turen, schnell aktiviert werden.
Frakturheilung
Knochen bietet als dynamisches, ständig im Umbau begrif-
Knochenumbau ("bone remodeling") fenes und reich durchblutetes Gewebe gute Voraussetzun-
Knochen wird das ganze Leben lang ständig umgebaut. Pro gen für die H eilung von Knochenbrüchen (Frakturen). Die
Jahr werden ca. 18~ des gesamten Skelettcaldurns runge- Art dieser Heilung hängt von der Stellung der Frakturenden
setzt. Auslöser des Umbaus sind (auch geringfügige) Ände- und von der mechanischen Stabilität des gebrochenen Kno-
mngen der Belasttmg, die von den Osteozyten wahrgenom- chens ab.
men werden .
Spongiosa Kompakta
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/~~:=~ •• .. - - - - - - - -
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Erosionstunnel - -
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Abb. 3.2.56 Knochenumbau in der Abfolge Osteoklastenzone (1), Umkehrzone, hier beseitigen Makrophagen die von
Osteaktasten abgeräumte Matrix (2) und Osteoblastenzone (3). a: Erosionslakune am Spongiosatrabekel. b: Erosionstunnel in
der Kompakta. (Aus (3])
3.2 Bindegewebe 121
~ Zytokine
aufbaut Makrophagen sind an der Abräurnung eventuell
anfallender kleiner abgestorbener Bezirke beteiligt.
PAI-1
Angiotensinogen ß - TNF-a
Substrate
spalt vor, der von einer Blutung (Frakturhärnatom) ausge- Enzyme \ - Freie Fellsäuren
füllt ist, wird dieser Bluterguss in 1- 2 Wochen durch ein - Aromalase Adrenalin - Glyzerin
zcll- und kapillarreiches Reparationsgewebe (Granulations- -11 ~-HS0-1
gewebe) mit vielen Makrophagen und Fibroblasten ersetzt Abb. 3. 2.S7 Regulierung der Fettzellen. Leptin beein-
(Bindegewebskallus). Bei stabilen Verhältnissen entsteht flusst über den Hypothalamus u. a. Appetit, Thermogenese,
daraus desmaler Knochen, der dann später in Lamellen- neuroendokri ne Funktionen, das Immunsystem und Langer-
knochen mngebaut wird. Bei instabilen Verhältnissen ent-
hans-Inseln. Adiponectin erhöht die Insulinsensitivität un d
steht zwischen den Bruchenden faserreiches Binde- und intensiviert die Lipidoxidation. Resistin kann I ns uli nresis-
Knorpelgewebe, oft sterben auch gröBere Bezirke des Frak-
tenz induzieren. Zytoki ne wie Tumornekrosefaktor-lt (TNFa)
turendes ab. Nach 4-6 Wochen wird ein solcher Knorpel-
und Interleukin-6 (IL-6) beeinflussen andere Zellen, insbe-
kallus dann aber oft kn öchern umgewandelt. Die Bruchzo-
sondere Zellen des Immunsystems. Die llß-Hydroxysteroid-
ne bleibt jedoch infolge der intensiven Umbauten längere
dehydrogenase-1 (llß-HSD-1} wandelt Cortison in Cortisol
Zeit mechanisch geschwächt. Bei starker Instabilität kann
um. Glucagon, Cortisol und Adrenalin fördern, Insulin hemmt
die knöcherne Oberbrlickung unterbleiben, tmd die Frak-
den Fettabbau (Lipolyse). PAI-1: Plasminogenaktivator-I nhi-
turenden werden nur durch straffes Bindegewebe verbun-
bitor. (Modifiziert nach [13]}
den (Pseudarthrose).
3.2.13 Fettgewebe
Fettgewebe ist eine besondere Form des Bindegewebes, das tische und kulturelle Faktoren. Ein besonders wichtiger
darauf spezialisiert ist, energiereiche Triglyceride zu spei- Regulator der Aufnahme und Abg-abe energiereicher Ver-
chern. bindungen im Fettgewebe ist das Leptin, das von den Pett-
zellen selbst gebildet wird. Es wirkt v.a. im Hypothalamus
und beeinflusst den Appetit. In Form einer neg-ativen Rück-
Funktion und Regulierung kopplung fördert es die Nahrungsaufna.h me bei Hunger
Energiespeicherung Bei fast allen Tieren variiert in un- oder hemmt sie bei reichem Nahrungsangebot Unter phy-
berechenbarer Weise die zur Verftigtmg stehende Nah- siologischen Bedingtmgen besteht eine Korrelation zwi-
rungsmenge. Dies gilt primär auch für den Menschen. Es ist schen der Größe der Fettzellen tmd der Menge an sezer-
daher sinnvoll, dass es im Körper Zellen gibt, die über- niertem Leptin, je größer die Pett1..cllen sind, desto mehr
schüssige energiereiche Verbindungen, wenn sie denn ein- Lepti.n bilden sie, was zu verminderter Nahrungsaufnahme
mal anfallen, fiir Zeiten speichern können, in denen wenig führt. Bei experimenteller Ausschaltung des Lepti.ngens
oder keine Nahrung zur Verfligung steht. Diese Aufg-abe oder des Leptinrezeptors fehlt ein Signal zur Hemmung der
übernehmen die Fettzellen. Sie speichern Energie - die Nahrungsaufnahme tmd entsprechende Mäuse werden ex-
hauptsächlich aus Glucose und Fettsäuren verschiedener trem fett. Sehr selten gibt es auch beim Menschen Mutatio-
Quellen stammt - in Forrn von T riglyceriden. Sie entlassen nen des Leptingcns, was ähnlich e Polgen hat.
die gespeicherte Energie in Form von freien Fettsäuren.
Entstehung der Fettzellen
Regulierung Die Menge an Fettgewebe tmd seine anatomi-
sche Verteilung werden auf sehr komplexe Weise regtillert Fettzellen entstehen unter normalen Bedingungen aus fibro-
Das Valurnen einer Fettzelle karm sich ttm den Paktor 1000 blastischen Vorläuferzellen (Abb. 3.2.58). Vermutlich gibt
ändern. Bei der Zu- und Abnahme des Fettgewebsvolu- es auch beim Erwachsenen unter den Fibrozyten überall
mens ist es wahrscheinlich so, dass sich Fettzellen innerhalb einzelne besondere Zellen, die sich w Fettzellen entwickeln
eines normalen Schwankungsrahmens nicht vermehren, können. Sobald erkennbar ist, dass sich eine fibrozytische
sondern dass lediglich ihr Gehalt an Triglyceriden (u. U. Zelle auf dem Differenzienmgsweg Zttr Fettzelle (= Adi-
wiederholt) zu- und abnimmt. Im Pali ausgcpr'agter Fett- pozyt) befindet, wird sie auch Präadipozyt genarmt. Frühe
sucht nimmt jedoch die Zahl der Fettzellen zu, wobei v.a. Stadien auf dem Weg der Pettzcllentwicklung können sich
Wachsturnshormon und IGP-1 {insulinähnlicher Wachs- mitotisch teilen, ausdifferenzierte Fettzellen dagegen nicht.
turnsfaktor 1) eine Rolle spielen. Zahlreiche endokrine und Bei der Differenzierung zur Fettzelle spielen genregulato-
neuronale Faktoren wirken auf die Fettzellen ein, und auch rische Proteine eine essenzielle Rolle, z. B. Angehörige der
die Fettzellen selbst geben verschiedene regulatorische Fak- PP AR-Familie (PPAR = .,peroxisome proliferator activated
toren ab (Abb. 3.2.57). All diese Faktoren sind an der Re- receptor"). Fettzellen entwickeln eine eigene Enzymaus-
gulation des Körpergewichts beteiligt, dazu kommen gene- stattung fiir den Import energiereicher Verbindungen und
122 3 Gewebe
für den Abbau der gespeicherten Triglyceride (für Letzteres Zellen Braune Fettzellen (Abb. 3.2.60) entstehen aus
eigene Lipasen). Das gespeicherte Fett ist einem kontinuier- mesenchymalen Fibrozyten über eigene zytoplasmareiche
lichen Umsatz unterworfen, es hat eine Halbwertszeit von Vorstufen. Siewerden von einer Basallamina tm1geben und
8 Tagen. sind kleiner als die weißen Fett7..cllen. Ihr rundlicher Kern
liegt oft exzentrisch, aber nicht am Rande der Zellen. Das
voltuniDöse Zytoplasma besitzt, neben den unterschiedlich
Formen des Fettgewebes großen Fetteinschlüssen, dicht gepackt rundliche Mito-
Es gibt 2 Formen des Fettgewebes: chondrien. Andere Zellorganellen sind deutlich seltener,
• braunes Fettgewebe (plurivakuoläres Fettgewebe) vor allem ist katun raues ER zu finden.
• weißes Fettgewebe (univakuoläres Fettgewebe).
Funktion Die besondere Aufgabe des braunen Fettgewe-
bes ist, ·wärme zu bilden. Wärme entsteht bei der Fettsäure-
Braunes Fettgewebe oxidation in den zahlreichen Mitochondrien (Abb. 3.2.60).
Gewebe Braunes Fettgewebe bildet läppchenförmige Die innere Mitochondrienmembran besitzt das Protein
Strukturen und wird auch plurivakuoläres Fettgewebe ge- 1hermogenin, einen Protonentransporter, der die Punktion
nannt, da seine Zellen auch in ausdifferenzierter Form stets eines Entkopplers der oxidativen Phosphorylienmg hat. Es
mehrere Petteinschlüsse enthalten (Abb. 3.2..59). Die bräun- bewirkt, dass die Energie der protonenmotorischen Kraft
liche Farbe ist mit bloßem Auge zu erkennen und beruht in Wärme umgewandelt wird. Braunes Fettgewebe ist reich
auf einem hohen Gehalt an Zytochromen und auf der rei- sympathisch innerviert. Das aus den sympathischen Endi-
chen Gefaßversorgung. gungen freigesetzte Noradrenalin stößt den enzymati-
schen Abbau der Triglyceride an, und als Folge entsteht
Wärme. Diese Art der Wärmebildung e.rfolgt ohne Muskel-
zittern.
Weißes Fettgewebe
Gewebe Weißes Fettgewebe (Abb. 3.2.61) wird auch als
W1ivakuolärcs Fettgewebe bezeichnet. Es ist weißlich oder
bei karotinoideeieher Nahrung (Karotten) auch gelblich.
Die Fettzellen liegen dicht aneinander, was im Schnitt-
präparat oft zu hexagonaler Konfiguration der Einzelzellen
führt. Eine Gruppe von Fettzellen wird jeweils durch Bin-
degewebsfasern zusammengehalten ("Kissenpolsterung"),
was ihre Ftmktion als Polsterungselemente verbessert (Abb.
Abb. 3.2.59 Braunes (plurivakuoläres) Fettgewebe (1), 3.2.62b). Die Architektur dieses Bindegewebsgerüstes ist bei
in Läppchen gegliedert. 2 Bindegewebsseptum. Rhesusaffe; Märmern tmd Prauen verschieden (bei Frauen sind die
Färbung: Goldner; Vergr. 250-fach. "Kissen" größer, daher kann bei ihnen die sog. "Orangen-
3.2 Bindegewebe 123
a c
Abb. 3.2.60 Braune Abb. 3.2.62 Weiße Fett-
(plurivakuoläre) Fettzellen. zellen in EM-Aufnahrnen.
c
Abb. 3.2.63 Weiße Fett-
zellen im Bindegewebe.
3.3 Muskelgewebe
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Fast alle Zellen besitzen die Eigenschaft der Kontraktilität, Diese Einteilung gibt nicht wieder, dass es funktionelle
aber in Muskelzellen (Myozyten) steht diese Eigenschaft und morphologische Übereinstimmungen zwischen glat-
im Vordergrund aller Zellleistungen, und die gesamte ter tmd Herzmuskulatur einerseits und viele ganz eigen-
Struktur der Muskelzellen ist auf diese Ptmktion hin aus- ständige Merkmale der Herzmuskulatur andererseits gibt.
gerichtet. In Muskelzellen wird chemische Energie in me- Der kontraktile Apparat baut sich in allen Muskelzellen
chanische Arbeit tungewandelt, was Grundlage für Herz- aus filamentärem Aktin tmd Myosin II sowie weiteren
schlag, Darmperistaltik, die Bewegung der Extremitäten Proteinen auf. In quergestrei.ften Muskelzellen bilden
tmd viele andere Vorgänge ist. Die gesamte Muskulatur diese Proteine in hochgeordneter Weise Myofibrillen, die
macht bis zu 40~ des Körpergewichts aus. Es lassen sich aus vielen gleichartig aufgebauten Sarkomeren bestehen,
verschiedene formen des Muskelgewebes unterscheiden was die Ursache des Phänomens der Querstreiftmg ist. In
(Tab. 3.3.1): glatten Muskelzellen bilden die kontraktilen Filamente
• glattes Muskelgewebe (glatte Muskulatur) weniger regelmäßig aufgebaute Struktttren, denen die
- glatte Muskulatur der Eingeweide Querstreifung fehlt und deren Ordnungsprinzip noch
- Myoepithclzcllen nicht voll verstanden ist. Das Zusammenspiel von Aktin
• quergestreiftes Muskelgewebe tmd dem Motorprotein Myosin Il fUhrt zur reversiblen
- Herzmuskelgewebe (Herzmuskulatttr) Verkürzung (Kontraktion) aller Muskelzellen.
- Skelettmuskelgewebe (Skelettmuskulatur)
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126 3 Gewebe
c
c Abb. 3.3.3 Kontraktiler
Abb. 3.3.2 Glatte Muskel- Apparat der glatten
zelle. Muskelzelle.
Pumpen und spielen vermutlich eine Rolle bei der Kopp- Vimentin), die auch in die Dense Bodies und Anheftungs-
lung von stimulierendem Signal und Kontraktion. Über die plaques einstrahlen und robuste Stützstrukturen für Zelle
Basallamina (Abb. 3.3.3) sind die Zellen im Bindegewebe und kontraktilen Apparat aufbauen.
verankert. Wichtig ist die Verknüpfung der glatten Muskel-
zellen mit den retikulären Kollagenfasern und Mikrofi-
brillen elastischer Fasern, mit denen sie in funktionellem AktinliliilmE~n te
Zusammenspiel stehen. In manchen Regionen (Mamille,
Haarbalgmuskeln) sind die glatten Muskelzellen mit klei-
Myosinfilament-,,
nen elastischen Sehnen verbunden. Auch untereinander
sind glatte Muskelzellen in mechanischer Hinsicht primär ------ Basallamina
Anheftungs-
durch die extrazelluläre Matrix - einschließlich der Basalla- plaque ------ -..rr· ..,,
mina - verbunden. In Gefclßwänden sind sie mit den elas-
tischen Lamellen verknlipft. Funktionell können sie durch
Gap Jtmctions elektromechanisch gekoppelt sein.
Skelettmuskelzelle
von feinen Bindegewebsfasern umsponnen, die auch be- Die Baueinheiten der Skelettmuskulatur sind die zum Teil
nachbarte Muskelfasern verbinden und insgesamt das En- zentinleterlangen und ca. 40- 100 (seltener bis 500) f11U
domysium, das zarte retikuläre Bindegewebe innerhalb dicken Muskelzellen (Muskelfasern). Eine solche Muskel-
eines Primärbi.tndels, aufbauen (Abb. 3.3.6a). Das Primär- zelle ist eine ungewöhnlich lange, vielkernige Zelle, die im
bündel wird von einer feinen Bindegewebsschicht wnhüllt, Laufe der Entwicklung durch Verschmelzung aus einker-
dem Perimysium intemum, das die Verschieblichkeit der nigen Vorläuferzellen, den Myoblasten, entsteht.
Prin1ärbündcl gegeneinander ermöglicht.
Zytoplasma und Filamente: Querstreifung
Sekundärbündel Gruppen von Primärbündeln bilden
sog. Sekundärbündel (Pieischfasern), die vom Perimysium Querstreifung Das aufrallcndste Merkmal einer Skelett-
externum umhiillt werden. Dieses kann schmale oder breite muskelzelle ist die Querstreiftmg (Abb. 3.3.7). Träger dieser
Septen bilden, in denen Blutgefiiße und Nerven ins Innere Querstreifung sind H undertc, dicht aneinandergelagerte,
des Muskels vordringen. 0,5-1 l'm dicke Myofibrillen, deren Querstreifung auf glei-
cher Höhe liegt, sodass die ganze Muskelfaser quergestreift
Gesamtmuskel Die Sekundärbündel bilden den Gesamt- erscheint (Abb. 3.3.7, Abb. 3.3.9). Im Querschnitt durch eine
muskel, der vom sog. Epimysittm umgeben wird, dem sich Skelettmuskelzelle sind die Pibrillen auf einem lichtmikros-
nach außen hin noch die derbe Paszie anschließt, die den kopischen Präparat oft als feine Punkte erkennbar (Abb.
Muskel verschieblieh in die Umgebung einbaut und teil- 3.3.8). Diese Punkte können Gruppen bilden tmd sind durch
weise Punktion als Urspmngsregion des Muskels haben fibrillenfreie netzförmige Bahnen getrennt (Cohnheinl-
kann. Pelderung, in gewissem Maße ein präparationsbedingtes Ar-
tefakt, weil durch eine nicht optimale Pixierung die Abstän-
Kapillarisierung Die Nerven und Blutgefaße dringen an de zwischen den Myofibrillen künstlich erweitert sind).
bestimmten Stellen (Areae nervovasculosae) in einen Mus-
kel ein, verzweigen sich und dringen über das Perirnysium Merke Muskelfibrille = Myofibrille = längs verlaufendes
extern um in die Tiefe. Im Endomysium liegt ein reich ent- kontraktiles Element der Muskelzelle (aufgebaut aus
wickeltes Kapillarnetz um die einzelnen Muskelfasern vor Aktin und Myosin li mit ihren assoziierten Proteinen).
(Abb. 3.3.6b). Die Kapillaren bilden Schlingen, die An-
passungen an die unterschiedlichen Längenzustände des
Zytoplasma Das Zytoplasma wird in den Skelettmuskel-
Muskels erlauben.
zellen auch Sarkoplasma genannt. Es farbt sich in der H. E.-
a b
Abb. 3.3. 7 Querstreifung der Skelettmuskulatur im Längsschnitt. a: Skelettmuskulatur im H. E. -gefärbten Längsschnitt;
A-Bande (rot) und I-Bande (hell) sind gut zu unterscheiden; in der I-Bande ist vielfach eine feine Linie, der Z-Streifen,
erkennbar, der Abschnitt zwischen 2 Z-Streifen wird Sarkomer genannt Mensch; Paraffinschnitt Färbung H. E., Vergr. 1000-
fach. b: Die Querstreifung von Skelettmuskelzellen tritt durch die Eisenhämatoxylinfärbung besonders deutlich hervor. Schon
bei niedriger Auflösung lassen sich dunkle A- und heUe I-Banden klar unterscheiden. Skelettmuskel, Mensch; Färbung: Eisen-
hämatoxylin; Vergr. 140-fach.
3. 3 Muskelgewebe 129
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Abb. 3.3.8 Skelett- Abb. 3.3.9 Myofibrillen
muskulatur. und Zellorganellen.
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die brätmliche Pärbtmg der Skelettmuskulatur verantwort-
lich. Als Sauerstoffspeicher ist es bei tauchenden Vögeln
und Säugern in besonders reichem Maße vorhanden. Dystro-
glykan- 1!!l!~-1ß~lfiiT~=-=!:f'fll!!!!!!!!!!! Zell-
komplex ~ F membran
Zellkerne Desmin···
In der Zellperipherie liegen Hunderte von länglichen Zell-
· F·Aktln
kernen (ca. 40 pro mm Zelllänge). Sie sind relativ klein
(Längsdurchmesser ca. 8-10 ~m1), oval und etwas abgeflacht
(Abb. 3.3.8). Sie besitzen ein feines Chromatinmuster tmd
enthalten einen deutlichen Nukleolus.
Zellorganellen, Zelleinschlüsse
In der Nähe des Zellkerns finden sich i. A. viele Zellorga-
nellen. Mitochondrien rnit dicht gestellten Cristae lagern Abb. 3.3.10 Strukturproteine der Skelettmuskelzelle,
sich in Reihen parallel zu den Myofibrillen und können in die die Lage der Myofibrillen stabilisieren.
der Nähe der Zellmembran große Ansammlungen bilden
(Abb. 3..3.9). Kleine Golgi-Apparate treten in Vielzahl in
Kernnähe auf. Ribosomen sind zahlreich. H och entwickelt Basallamina Wie alle anderen Muskelzellen sind auch die
ist das glatte ER, während das RER eher gering entwickelt
Skelettmuskelzellen von einer Basallamina umgeben, die
ist. Lysosomen sind in tmterschiedlicher Zahl anzutreffen
den Einbau dieser Zellen ins Bindegewebe vermittelt.
(Abb. 2.50a). Glykogen kommt im gesamten Zytoplasma
vor. Fetttropfen können in Kernnähe und zwischen den
Myofibrillen auftreten. KLinik Es gibt mehrere angeborene Defekte der Membran-
proteine der Skelettmuskelzcllcn. So fehlt z. B. bei der erb-
lichen Duchenne-Muskeldystrophie das Dystrophin. Diese
Basallamina und Zellmembran Muskelschwäche flihrt dazu, dass betrotlcne Kinder bereits
Zellmembran Die Zellmembran (Sarkolemm) wird durch im Alter von 10 - 12 Jal1ren nicht mehr gehen können. Mus-
verschiedene beso ndere Proteinkomplexe stabilisiert, so- kelgewebe wird dttrch Fett- tmd Bindegewebe ersetzt. Diese
dass der mechanische Stress, der vom ständigen Wechsel Kranki1eit führtztm1 Tod.
zwischen Kontraktion und Entspann ung ausgeht, ohne
Schädigung der Membran auf das Endomysitun tmd letzt- Satellitenzellen
lich die Sehnen üb ertragen werden kann. Solche proteinrei-
che Abschnitte der Zellmembran (Abb. 3.3.10) laufen in Skelettmuskulatm regeneriert generell schlecht, stark ge-
Höhe der Z-Scheiben ringförmig tun die ganze Z elle tmd schädigtes Muskelgewebe stirbt meist ab tmd wird dttrch
werden Costamere genannt. An diesen Costameren kom- bindegewebiges Narbengewebe ersetzt. Dies bringt zwangs-
men u.a. Desminfilamente tmd aß-Kristalline (aber auch läufig Ftmktionsverlust mit sich, auch nach operativer
z.B. Integri ne) vor (s.u.). Vor allem an den Cestaroeren Durchtrennung von Muskeln. Leicht oder mäßig geschädig-
wird die Zellmembran innen durch Aktin (das hier zum te Muskelzellen können regenerieren, wenn Zellmembran
Zytoskelett gehört), Dystrophin und Spektrin stabilisiert. tmd Basallamina intakt sind und die Blut- und Nervenver-
Dystrophin verbindet Aktin mit der Zellmembran tmd ist sorgtmg nicht tmterbrod1en ist. Diese Regeneration oder
in speziellen MembranproteiDkomplexen (mit Dystrogly- Reparatur gellt von den geschädigten Muskelzellen selbst
kanen und Sarkoglykanen) verankert (Abb. 3.3.10). Dystro- und/oder von Satellitenzellen (Abb. 3.3.11) aus. Satelliten-
glykane sind über ein besonderes Laminin in der Lamina zellen sind kleine Zellen, die der Oberfläche der Muskelzelle
densa der BasaHamina verankert, in der wiedertun Mikro- direkt anliegen. Sie befinden sich innerhalb der Basallanlina
fibrillen und Kollagenfibrillen des Endomysiums befestigt der Muskclzelle. Die Satellitenzellen sind während der Ent-
sind. wickltmg nicht aufgebrauchte ruhende Myoblasten tmd
Die Zellmembran bildet auch tief ins Zytoplasma einge- haben Stammzellcharakter. Als Reaktion auf Tratuna tmd
senkte fingerföm1ige Einstillpungen, die Transversal(T)-Tu- anderen Stress können sie aktiviert werden, sich teilen tmd
buli. proliferieren. Sie fusionieren dann mit vorhandenen Mus-
kelfasern oder bilden neue Fasern. Die Forschtmg an den
130 3 Gewebe
Zellmembran Glykogen
'' '
'
Basallamina
- - -----Aktinfilament
T-Tubulus - - -
- ----------------~
Terminalzisterne --- '
'
''-I-Bande
Desmingürtel --- - -----Z-Linie
Abb. 3.3.12 Kontraktiler Apparat und Membranstrukturen der Skelettmuskelzelle (Schema) mit Außenansicht einer
Myofibrille (links) und 2 längs geschnittenen Myofibrillen (rechts). Der Abschnitt zwischen 2 Z-Linien heißtSarkomer. Die
Myosinfilamente treten über die Myosinköpfe mit den Aktinfilamenten in Kontakt. Die sehr dünnen Titinfilamente (Connektin-
filamente) reichen von der M-linie bis zur Z-Linie. In der A-Bande sind sie mit den Myosinfilamenten verbunden, in der
I-Bande ist das Titin dehnbar und verhält sich wie eine elastische Feder. (Aus (1))
sodass Konfigurationsveränderungen möglich sind (mole- Die polar gebauten Myosinmoleküle sind im dicken Fila-
kulare "Gelenkregion"). Durch Proteolyse kann das Myo- ment so angeordnet, dass der Schwanzteil zur Mitte des Fila-
sinmolekül in schweres Meromyosin (Kopf und kurzer Teil ments zeigt, der Kopfteil liegt dagegen an den Enden des
der Schwanzregion) und leichtes Meromyosin (Hauptteil Filaments. Die Packtmg der Myosinmoleküle ist dann so,
des Schwanzes) gespalten werden. dass die Köpfe spiralfdrmig von den beiden Enden des di-
cken Filaments abstehen, während seine Mitte keine Köpfe
Merke Das Myosinfilament besteht aus den zusammen- besitzt (H -Streifen). Die Köpfe sind an den 2 Enden des Fila-
gelagerten Schwanzteilen von ca. 300-350 Myosin-li- ments entgegengesetzt angeordnet.
Molekülen. Die Köpfe schauen seitlich aus dem Filament
Aktin Die gut 6 nm dicken Aktinfilamente bestehen aus
hervor. 2 Ketten von filamentärem Aktin (F-Aktin), die helikaltml-
132 3 Gewebe
Abb. 3.3.13 Sarkomer~ in Myofibr!ll.en in einer ~M -Aufnahme. Die 3 längs geschnittenen Myofibrillen sind weitgehend
*
erschlafft. 1 Sarkomer zw1schen 2 Z-L1men; 2 I-Stre1fen; 3 A-Streifen; 4 H-Streifen; 5 M-Linie; 6 Z-Linie; ~ Triade; Glyko-
gen. M. gastrocnemius, Ratte; Vergr. 36600-fach.
•• p.
I
ATP
•• ' ATP
Myosin-
erneute ATP-Bindung -
Myosinköpfchen vom Aktin gelöst
Motorische Einheiten
Muskelfasern kontrahieren sich nidlt einzeln, sondern in
Groppen, die von den Venweigungen eines Axons innerviert
Abb. 3.3.16 Typen von Skeletbnuskelfasem. Glykogen- und motorische Einheiten ("motor units") genannt werden.
nachweis. Aufgrund ihres unterschiedlichen Glykogengehalts Kleine motorisdle Einheiten, z. B. in den kleinen Hand-
erscheinen die sehr glykogenarmen "roten" Fasern hier fast muskeln, bestehen aus 100- 300 Muskelfasern, größere, z. B.
ungefarbt (1), die glykogenreichen ,.weißen" Fasern rot- Arm- oder Beinmuskeln, bestehen aus 600-1700 Fasern. Die
violett (2). Eine weitere Differenzierung ist mit anderen einzelnen Fasern einer Einheil können relativ locker verteilt
histochemischen Methoden möglich. M. tibialis anterior, sein und im gleidlen Gebiet wie Fasern mehrerer anderer
Ratte. Färbung: PAS; Vergr. 120-fach. (Aus [1]) Einheiten vorkommen. Das Verhältnis an verswiedenen Fa-
3. 3 Muskelgewebe 135
...
a b
Abb. 3.3.17 Herzmuskulatur im Längsschnitt. a: Histologisches Präparat ~ Glanzstreifen; ... Zellkern. Färbung: H. E.;
Vergr. 300-fach. b: Immunhistochemischer Nachweis des Connexins 43 in den Glanzstreifen (-') ). Mensch; Gegenfärbung mit
Hämalaun, Vergr. 450-fach.
sertypcn in einem bestirrunten Muskel ist ziemlich konstant, 15-20 ~un dicken, meist einkernigen Herzmuskelzellen
aber nicht unveränderlich. Rote Pasern können sich in weiße (Kardiomyozyten) aufgebaut ist (Abb. 3.3. 17, Abb. 3.3.18).
urmv-andeln, was offenbar vor allem von ihrer Innervation be- Kennzeichnend sind:
stimmt wird. Experimentell kann der Austausch der Nerven • Kontaktstrukturen, über die die Herzmuskelzellen an ih-
zu einem langsamen mo rphologischen und funktionellen ren Enden miteinander verknüpft sind und die Glanz-
Umbau der Muskelfasern fiibren. streifen genannt werden
• dreidimensionale Verzweigungen der Herzmuskelzellen,
wodurch insgesamt eine komplexe, räumliche Struktur
3.3.3 Herzmuskulatur der Herzmuskulatur aufgebautwird
Herzmuskulatur ist eine besondere Fonn der quergestreif- • der in der Mitte der Zellen gelegene große Zellkern
ten Muskulatur, die aus großen, 50 - 120 11m langen und • die Vcrknüpfung der Herzmuskelzellen über Nexus (Gap
Junctions), welche im longitudinalen Bereich des Glanz-
streifens liegen und die Herzmuskelzellen elektrisch mit-
einander koppeln
• Erregung durch das Erregungsleitungssystem, das aus
speziellen Herzmuskelzellen besteht (myogene Erregung).
Herzmuskelzelle
Zytoplasma und Filamente Der quergestreifte kontrak-
tile Apparat mit Aktin- und Myosinfilamenten ist im Prinzip
wie bei Skelettmuskelzellen aufgebaut. Die Myofilamente
sind aber nicht durchgehend in einheitlichen schlanken
Myofibrillen angeordnet, sondern bilden zum Teil größere
Gebilde mit unregelmäßigem Umriss im Querschnitt. Sar-
komere sind bis ca. 2,5 1-1m lang und gleichen denen der
Skelettmuskulatur (Abb. 3.3.19, Abb. 3.3.20).
Fasaa
adhaerens
''
Basallamina -----
T-Tubulus----
sarkoplasmabsches -Desmo-
...
Retikulum---- som
Mitochondrium
Titin-
filament
-·Z-Linie
-- Aktin-
filament
Glykogen-- Abb. 3.3.20 Kontraktiler
Apparat und Membran-
strukturen der Herzmus-
- M-Streifen kelzelle mit Außenansicht
einer Fibrille (Links) und
Längs geschnittenen Fibril-
Len und Teil eines Glanz-
streifens (rechts). Die Glie-
derung der Myofibrillen
entspricht im Wesentlichen
der der Skelettmuskelzellen.
Das sarkoplasmatische Reti-
kulum ist einfacher gebaut
als in den Skelettmuskel-
zellen, die T-Tubuli sind
relativ weit. (Aus [1])
Zellkem Der plump klssenförmige Zellkern liegt im Zen- T-Tubuli und sarkoplasrnatisches Retikulum Die relativ
trum der Zelle. Selten sind 2 Kerne vorhanden. Während weiten, von der Zellmembran ausgehenden T-Tubuli wer-
des Wachsttuns und bei Hypertrophie der Herzmuskulat m den von der Basallamina ausgekleidet und finden sich in
ist der Kern oft polyploid. Der Kern ist euchromatinreich Höhe der Z-Streifcn, es gibt also nur einen T -Tubulus pro
und hat einen oder zwei Nukleoli (Abb. 3.3.19). An den Sarkomer. Die T-Tubuli können auch längs verlaufende
beiden Enden der Kerne finden sich myofilamentfreie Zweige ausbilden (transversales axiales tubuläres System,
Zytoplasmafelder, die Organellen, zahlreiche Glykogengra- TATS). In den Vorhöfen des Herzens sind die Herzmuskel-
nula, Lipidtropfen und mit zunehmendem Alter immer zellen schlank und haben kaum T -Tubuli. Abbildung 3.3.21
mehr Lipofuszingranula (braunes Abnutzungspigment) weist auf funktionell besonders wichtige Komponenten
enthalten. (Rezeptoren, Pumpen, Ionenkanäle) hin. Das longitudi-
nale sarkoplasmatische Retikulom (SR) ist in geringerem
ZellorganeHen Zwischen den fibrillären Struktmen lie- Ausmaß vorhanden und einfacher struktmiert als in den
gen Reihen sehr großer, cristareicher Mitochondrien, au- Skelettmuskelzellen (Abb. 3.3.20). Es bildet unter der Zell-
ßerdem sind hier viel Glykogenpartikel und Lipidtropfen membran der T-Tubuli sowie an der Oberfläche der Fibril-
eingelagert (Abb. 3.3.19). Die Mitochondrien sind oft lang len flache Schläuche und Zisternen und im Bereich des
wie ein Sarkomer, können aber sogar ca. 3-mal so lang sein A-Streifens ein relativ dichtes Netz. Typische Tenninal-
und 8 f.11U Länge erreichen. Glykogen und Triglyzeride sind zistemen und Triaden fehlen. Stattdessen treten einzelne,
wichtige Energiequellen dieser Zellen. z. T. erweiterte Zisternen an die T-Tubuli, und es entstehen
Dyaden. Beide Membransysteme sind wie in der Skelett-
3. 3 Muskelgewebe 13 7
.
Myofibrillen
'
Kon taktstelle einer
Herzmuskelzelle
mit einer benachbarten
Zellmembran der
Herzmuskelzelle
- -Nexus
-· Desmosom
-- Fascia adhaerens
Na•
--;;r"'·l;·~~- -~
2- -- Austauscher
3 Na•Jea2•.
.
sarkoplasmatisches Na•
Retikulum K."."._,. _ _---- Na•-K• ·ATPase
Abb. 3.3.21 Strukrur der Herzmuskelzelle (Schema). Abb. 3.3. 22 Glanzstreifen in der Herzmuskularur in
Dort wo 2 Herzmuskelzellen anei nandergrenzen, bilden sich einer EM· Aufnahme. 1 Fascia adhaerens; 2 Oesmosom;
di e st ufenförmigen Glanzstreifen aus. In deren transversalen ~ Nexus; 3 Mitochondrium; 4 Myofibrille; * Basallamina
Anteilen befinden sich Fasciae adhaerent es, die jeweils hal- der Muskelzelle. Ratte; Vergr. 50000-fach.
ben Z- Linien entsprechen. Hier sind die terminalen Aktin-
filamente verankert. Außerdem kommen hier Desmosomen
vor. In den longitudinalen Anteilen der Glanzstreifen liegen
die Nexus, di e der elektrischen Kopplung dienen . RYR2 =
Ryanodinrezeptor 2; OH PR - Oihydropyridinrezept or.
Herzmuskel-
zelle mit zahlreichen
muskulatur über Protcinrc:z.cpto rmoleküle funktionell ver- dichten Granula.
bunden.
Potential [mV)
Sinusknote n Der Sinusknoten ist der Schrittmacher der selbst ist kein Gewebe des Erregungsleittmgssystem ausge-
H erztätigkeit. Seine Erregungsleitungsfrequenz ist höher als bildet. Die Muskelzellen des Sinusknotens sind verzweigt
die der anderen, nachgeordneten Stationen des Erregungs- und relativ rnitochondrienreich, sie enthalten wenige, unre-
leitungssystems. Er ist ca. 1,5 cm lang und 2 - 3 1mn breit gelmäßig angeordnete Myofibrillen tmd sind über Nexus
und liegt zwischen Einmündung der oberen Hohlvene in und Desmosomen untereinander ltnd mit den Myokard-
den rechten Vorhofund dem rechten Herzohr. Im Vorhof zellen des rechten Vorhofs verbunden.
3. 4 Nervengewe be 139
3.4 Nervengewebe
T. Dellerund U. Welsch
- - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Das Nervengewebe ist das spezifische Gewebe, aus dem Axone sind von Gliazellen tuugeben, die sie isolieren und
das Nervensystem aufgebaut ist. Oie zentralen Aufgaben ernähren (ZNS: Oligodendroglia; PNS: Schwann-Zellen).
sind die rasche Übertragung, Verarbeitung und Speiche- Fortsätze der Gliazellen umwickeln kturzc Strecken des
rung von Informationen und die Fähigkeit zur Anpassung Axons und bilden Lamellen aus Myelin. Zwischen 2 Mye-
an Änderungen in der Umwelt. Das Nervengewebe be- lin-Segmenten liegen kurze Unterbrechtmgen (Ranvier-
steht aus 2 Gruppen von Zellen: Schnürringe). Durch die Myelin-(= Markscheide) wird
• Neurone: Nervenzellen vennitteln elektrische Signale eine besonders rasche Erregungsleittmg (saltatorische
(Aktionspotenziale) über große Distanzen an Zielstruk- Erregtmgsleitung) ermöglicht. Axone und Hüllzellen
turen (z.B. andere Nervenzellen, Muskeln, Drüsen). sind von EndoneLtriwn wngeben, mehrere solche Pasern
Sie bestehen aus Dendriten, Zellleib (Soma!Perikaryon) schließen sich zu Faszikeln zusammen (tungeben von Pe-
tmd Axon. Dendrit tmd Soma nehmen Informationen rineuritun) tmd diese wiederw11 zwn Nerv (tungeben von
auf, das Axon leitet sie an die ZielstruktLtren weiter. Epineuritun).
• Gliazellen: Sie sind z. B. Teil der Blut-Hirn-Schranke, Die Informationsllbertragtmg zwischen Nervenzellen
ernähren die Nervenzellen, gewährleisten ihre Erreg- und ihren Zielzellen findet llber Synapsen statt. Elektrische
barkeit und beteiligen sich an der synaptischen Übertra- Synapsen koppeln 2 Zellen über Gap Junctions. Che-
gung. Aber auch fi.Lr die Bildung von Markscheiden, als mische Synapsen nutzen chemische Botenstoffe (Neuro-
Abwehrzellen oder bei der Auskleidtmg des Ventrikel- transmitter) zttr Informationsweiterlcitung. Sie können
systems sind sie von Bedeutung ihre Übertragtmgseigenschaften ändern, d. h. in Abhän-
Nerven sind von Bindegewebe ttmhtillte Bündel von Axo- gigkeit von ihrer Aktivität verstärkt oder abgeschwächt
nen tmd Schwano-Zellen im peripheren Nervensystem. werden (synaptische Plastizität).
Anpass ungsfähi gkeit Diese Fähigkeiten reichen aber für gend aus den Axonen der Nervenzellen ttn d dem fettreichen
einen komplexen Organismus nicht aus, um in einer sich Myelin der Gliazellen bestehen, erscheinen mit bloßem
ständig verändernden Umwelt zu überleben. Hinzu kom- Auge relativ hell und werden weiße Substanz (Substantia
men muss die Fähigkeit der Anpassung, d.h. die Möglich- alba) genannt. Das komplexe Geflecht von Axonen und
keit, Informationsi:lbertragung und -verarbeittmg bedarfs- Dendriten in der Nähe von Perikarya in der grauen Subs-
gerecht zu verändern (neuronale Plastizität). Erst diese tanz (oder auch in Ganglien des PNS) ist das Neuropil.
Eigenschaft erlaubt es dem Nervengewebe, neue Informa- Ist die graue Substanz an der Hirnoberfläche ausgebreitet
tionen oder neues Wissen zu erkennen, abzuspeichem tmd und überdeckt die weiße Substanz, spricht man von einer
bei Bedarf aus dem Gedächtnis abzurufen. Rinde (Kortex). Ist die graue Substanz umschrieben und
in die weiße Substanz eingelagert, spricht man von einem
Kerngebiet (Nudeus).
Gliederung des Nervensystems Die Axone verlaufen in der weißen Substanz gebündelt als
Gebräuchliche und praktikable Einteilttogen sind: Baltnen (Tractus). Urspntng und Ziel der Bahnen werden
• zentrales und peripheres Nervensystem (ZNS/PNS; Glie- im Namen angegeben (z.B. Tractus corticospinalis).
derung nach der Anatomie und Topographie)
• somatisches und vegetatives Nervensystem (Gliederung PNS - Ganglien und Nerven Auch im PNS finden sich
nach der Funktion). regionale Ansammlungen von Perikarya mit Nettropil. Sie
werden als Ganglien bezeichnet. Die Ganglien des PNS
Das ZNS tunfasst Gehirn Ltnd Rückenmark, zum PNS ge- können entweder dem vegetativen Nervensystem (vegeta-
hören alle nervösen Strukturen außerhalb des ZNS, d. h. alle tive Ganglien) oder dem somatischen Nervensystem zuge-
peripheren Nerven und Ganglien. Das somatische (animale) ordnet werden (sensorische Ganglien; hierzu zählen z. B.
Nervensystem besteht aus den Teilen des Nervensystems, die Spinalganglien). Die vegetativen und sensorischen Gan-
welche die BeziehLmg des Organismus zu seiner Umwelt glien sind streng zutmterscheiden, da ihre Verschalttmgen
steuern und koordinieren. Das vegetative (autonome) Ner- ttnd Fttnktionen sehr unterschiedlich sind (s. a. Kap. 18.2;
vensystem steuert die Tätigkeit der Eingeweide. Sowohl das Tab.l8.2).
somatische als auch das vegetative Nervensystem haben Die Axone der Nervenzellen bilden im PNS anders als
Nervenzellen im ZNS ttnd im PNS. im ZNS keine geschlossene weiße Substanz, sondern lange
Stränge, die Nerven. In den Nerven können Axone zum
ZNS verlaufen (sensorische Axone) oder vom ZNS zur Peri-
Zellen des Nervengewebes und ihre Anordnung pherie (motorische Axone). Die meisten Nerven enthalten
Neurone und Gliazellen Nervengewebe kann - verein- nicht nur einen Fasertyp, sondern sensorische und motori-
fachend - in Nervenzellen (Neurone) tmd Gliazellen sche Axone. Man spricht dann von gemischten Nerven.
(Stützzcllen) eingeteilt werden. Beide werden für die nor-
male Funktion des Nervengewebes benötigt. Sie haben un-
terschiedliche Eigenschaften (Tab. 3.4. 1). Informationsübermittlung
Prinzipien Zur Infonnationsübertragttng tmd -Verarbei-
ZNS - graue und weiße Substanz Im ZNS bilden Neu- tung nutzen Nervenzellen einen gerichteten Informations-
rone Regionen mit mehr oder weniger dichten Ansamm- fluss über ihre Fortsätze, die Dendriten und Axone. Über
lungen von Perikarya (Somata/Zcllleibern, Kap. 3.4.2). die Dendriten erreichen Informationen die Nervenzelle
Diese Regionen sind bei Betrachtung mit blofkm Auge re- (Eingang), iiber Axone und die Endstrukturen der Axone
lativ dunkel ttnd werden daher als graue Substanz (Sub- werden Informationen an andere Nervenzellen oder Ziel-
stantia grisea) bezeichnet. Regionen im ZNS, die übem>ie- organe weitergegeben (Ausgang). Die Kontaktstelle zwi-
schen einer Nervenzellen ttnd ihrer Zielzelle (z. B. eine an-
dere Nervenzelle oder eine nicht neuronale Zielzclle)
Tab. 3.4.1 Funktion der Zellen des Nerven- bezeichnet man als Synapse. An den meisten Synapsen wer-
gewebes. den die elektrischen in chemische Signale umgewandelt,
indem chemische Botenstofic freigesetzt werden, welche die
Nerven- • Übertragung von Informationen Informationen vom Axon der einen Zelle zum Dendriten
zellen • Verarbeitung von Informationen der anderen Zelle übertragen. Diese Botenstoffe werden
• Speicherung von Informationen Neurotransmitter genannt. Sie binden an Rezeptoren der
• Anpassungsf.ihigkeit (Plastizität) Zielzelle ttnd lösen dort wieder ein elektrisches Signal aus.
Begriffe Um Richttmg Lmd Inhalt der vom Nervenge-
Glir • Ernährung und Schutz von Nervenzellen
zeUen • Aufrechterhaltung des extrazellulären webe übertragenen Informationen genauer zu beschreiben,
chemischen Milieus (Homöostase) werden üblicherweise folgende Begriffe verwendet:
• elektrische Isolation der Nervenzellen • Afferenzen nehmen Reize auf Lmd leiten sie zum ZNS,
gegeneinander man nennt sie sensorisch (im Zusarrtn1enhang mit der
• Beeinflussung der Informationsübertragung Tast- und Berllhrungssensibilität sensibel)
• Verbesserung der Informationsweiterleitung • Efferenzen leiten Erregungen vom ZNS zu Zielzellen
• Abwehrfunktion (Effektorzcllen), z. B. Muskelzellcn; man bezeicltnet sie als
• Reparaturfunktion motorisch.
• Abgrenzung des Nervengewebes
Die begriffiiche Unterteilung der Afferenzen in sensorisch
• Stützfunktion
und sensibel ist historisch bedingt ttnd findet sich nur in der
3. 4 Nervengewebe 141
a b
Abb. 3.4.4 Dendritenverzweigungen. a: Purkinje-Zellen mit kandelaber- bzw. spalierobstartigen dichten Verzweigungen
der rindenwärts ziehend en Dendriten (1). Das Axon der Purkinje-Zellen entspringt an der unteren Zirkumferenz des fl.aschen-
<• ).
kürbisförmigen Zellleibes (-+ ). Golgi-Zelle Schmaler Bindegewebsraum (Sulcus) zwischen 2 Falten (Folien) der Kleinhirn-
oberfläche(*)· Kleinhirn, Hund; Färbung: Silberimprägnation nach Golgi; Vergr_ 240-fach. b: Die Dendritenverzweigungen
sind reich mit Dornen(-+) besetzt. 1 Perikaryon einer Purkinje-Zelle. Kleinhirn, Hund; Färbung: Silberimprägnation nach Gol-
gi. Die Golgi-Technik imprägniert zufällig einzelne Zellen (Neurone und Glia), aber nie alle Zellen in einem Gewebe. Sie eignet
sich daher hervorragend zur Untersuchung der Einzelzellmorphologie_ Vergr. 460-fach_
Struktur und Ultrastruktur Das Perikaryon einer Ner- hormonen, Neurotransmittern, Lysosomen, Membranen
venzelle kann runde, ovale oder pyramidenähnliche Form der Transmitterbläschen und von Anteilen der sich ständig
haben, es kann mit ca. 8 pm winzig (Körnerzellen des umwandelnden und erneueroden Zellmembran. Golgi-Ap-
Kleinhirns) oder mit 60 - 100 pm riesig sein (Riesenpyra- parate Jassen sich auch in proximalen Dendriten nachwei-
midenzellen des Kortex). Entsprechend seiner Funktion als sen. Mitochondrien sind zahlreich vorhanden. Sie kommen
Stoffwechselzentrale enthält es einen großen euchromatin- auch in Dendriten und Axonen vor, in deren Terminal-
r eich en Kern mit relativ großem, klar begrenztem Nukleo- strukturen sie besonders zahlreich sind. Lysosomen kom-
lus (Abb. 3.4.1, Abb. 3.4.7). Bei erregenden Nervenzellen ist men in ihren verschiedenen Differenzierungsphasen vor
der Kern meist rund, bei hemmenden Nervenzellen hat er und sind in den verschiedenen Nervenzelltypen in charak-
häufig starke Einfaltungen (Abb. 3.4.7). Tm perinukleären teristischer Weise verteilt. Funktionelle Endstadien der Lyso-
Zytoplasma liegen Stapel des rauen ER, die sich aufgrund somen bilden die sog. Lipofuszingra nula, die eine gelblich
ihres Reichtums an Ribosomen im lichtmikroskopischen, braune Eigenfarbe haben (Abb. 2.65) und die in vielen Ner-
mit basischen Farbstoffen gefarbten Präparat als schollen- venzellen mit dem Alter zunehmen. Manche Neurone besit-
fi rmige Strukturen darstellen, den Nissl-Schollen (auch zen aber schon relativ früh viele Lipofuszingranula. Glyko-
Nissl-Substanz, Tigroidsubstanz, Abb. 3.4.1; Pranz Niss!, genpartikel und einzelne Lipid tropfen konu11en regelmäßig
1860-1 919, Psychiater in Heidelberg und Mlinchen). vor. Einzelne Neurone enthalten Melaningranula (Substan-
Nissl-Schollen sind Ausdruck intensiver Proteinsyntbese. tia nigra, Locus cocruleus, Abb. 3.4.8} oder auch Gramt!a
Ihre morphologische Ausprägung ist in den einzelnen Ner- mit cisenhaltigem Pigment (Nucleus ruber u. a.).
venzelltypen verschieden und kann sich bei bestimmten
Krankheitsbildern verändern. Nissl-Schollen fehlen in der
Region des Axonabgangs, des »Axonhügels", sind aber in Merke Das Perikaryon ist die Stoffwechselzentrale der
Nervenzclle. Es enthält den Kern, wichtige Zellorganellen
den Ursprungsregionen der Dendriten zu finden. Auf diese
Weise kann die Abgangsstelle des Axons auch auf Nissi- und Pigmente (z.B. Lipofuszingranula; Melanin). An der
gefärbten Präparaten erkannt werden. Glattes ER ist in Oberfläche des Perikaryons finden sich häufig axosoma-
tische Synapsen (Ausnahme: pseudounipolare Ganglien-
Nervenzellen weit verbreitet und steht mit dem rauen ER
zelle).
in Verbindung. Es reichtbis in die Dendriten und teilweise
Lichtmikroskopisch lassen sich mit Standardfärbun-
bis in die Dornen der Dendriten hinein.
gen nur der Kern und mit der "Nissl-Färbung" die Nissl-
Zahlreiche kleinere Golgi-Apparate sind im gesamten
Pcrikaryon verteilt (Abb. 2.49). Sie sind miteinander ver- Schollen (raues ER) nachweisen. Diese fehlen im Bereich
des 1\.x.onabgangs. Zum Nachweis der Zellorganellen und
knüpft und von überwiegend hellen Bläschen umgeben. Der
der Synapsen benötigt man das EM.
Golgi-Apparat spielt eine Rolle bei der Bildung von Neuro-
144 3 Gewebe
Domapparat innerhalb
synaptiscner Spalt eines dendritischen
, Doms
' ,
''
' ,,
Astrozyt·--
Axoninitialsegment
0
0
Axon
0
Markscheide
----- Astrozytenfortsatz
--Endothel
Mikrotubuli •; ·
Abb. 3.4.5 Neuron (Schema) mit verschiedenen Synapsenformen und seinen Verbindungen mit Gliazellen. 1 Axodendriti-
sche Synapsen (Domsynapsen), 2 axodendritische Synapse (Schaftsynapse), 3 axoaxonale Synapsen, 4 axosomatische Synap-
sen. Astrozyten umhüllen und isolieren die Synapsen voneinander. Sie regeln das extrazelluläre ionale Milieu und können die
synaptische Übertragung beeinflussen (dreiteilige Synapse). Die Blut-Hirn-Schranke wird vor allem vom Kapillarendothel
(mit kontinuierlichen Zonulae occludentes), aber auch von Astrozytenfortsätzen aufgebaut welche die Membrana perivascu-
laris gliae bilden. Oligodendrogliazellen umhüllen mit ihren Fortsätzen die Axone und bilden die Markscheiden. (Nach [1])
Abb. 3.4.7 VerschiedeneNeurone in einer EM-Aufnahme. Kömerzellen (1) sind erregende Nervenzellen und haben runde
Kerne. Im Perikaryon einer großen, hemmenden Purkinje-Zelte (in der Bildmitte) ist der Zellkern (2) gelappt und weist einen
großen Nukleolus(-+) auf. Im Zytoplasma Liegen zahlreiche Organellen (RER, Golgi-Apparate, Mitochondrien, Lysosomen);
* Hauptdendrit 3 Neuropil mit einzelnen myelinisierten Fasern (IJI> ). Kleinhirnrinde, Ratte; Vergr. 4430-fach. (Aus (1])
gegen viele Mitochondrien zu finden. Darüber hinaus ent- sätze aufeinander zuwachsen und an der Abgangsstelle vom
halten die Dendriten Organellen zur lokalen Proteinsynthe- Soma schließlich miteinander verschmelzen und den T -för-
se (Ribosomen, rdues ER) und Proteinmodifikation (glattes migen Fortsatz der adulten Ganglienzellen bilden. Die sen-
ER, Golgi-Apparate). sorischen Ganglien werden später im Detail abgehandelt
(Kap. 18.2.1 ).
Pseudounlpolare Ganglienzellen Eine wichtige Ausnah-
me von der oben besch riebenen Dendritenstruktur tmd Dendritische Dornen Die Membrdnoberfläche der Den-
-funktion sind die langen T -förmigen Fortsätze der Ner- driten der meisten erregenden Nervenzellen ist durch kleine
venzellen in den sensorischen Ganglien (z. B. in den Spinal- AusstlUpungen vergröl3ert. Diese Portsätze werden Domen
ganglien; s.a. Kap. 18.2). Einer der beiden Fortsätze (Abb. genannt (Abb. 3.4.5, Abb. 3.4.42). Sie sind im Durchschnitt
3.4. 11) zieht in die Körperperipherie und nimmt dort afl'e- ca. 1 ~un lang und häufig »pilzförmig" mit einem Kopf und
rente Reize auf, die er von dort ztun ZNS leitet - wie ein einem Stiel. Am Kopf der Dornen befinden sich die Dorn-
Dendrit. Anders als ein Dendrit ist dieser Fortsatz jedoch synapsen (Abb. 3.4.5, Abb. 3.4.36). Größe, Form tmd mole-
von einer Markscheide umgeben (Kap. 3.4.3) und kann Ak- kulare Zusammensetzung der Dornen hängen von der Ak-
tionspotenziale über große Distanzen fortleiten - wie ein tivität der Dornsynapse ab und können sich innerhalb von
Axon. Man spricht daher von einem »dendritischen Axon". Minuten ändern (Plastizität, Abb. 3.4.42). Der ultrastruktu-
Der andere lange Portsatz zieht ins Rückenmark. Dort relle Bau der dendritischen Dornen ist von dem eines Den-
kann er entweder an Nervenzellen in1 Rückenmark enden
(Kap. 18.3.1) oder in der weißen Substanz bis in den .- .
lt . ...
Hirnstamm ziehen. Er ist ebenfalls von einer Markscheide
umgeben und verhält sich wie ein Axon. Man bezeichnet
\ ..
diesen Fortsatz auch manchmal als »axonales Axon". ••
Die ungewöhnliche Morphologie der pseudounipolaren • •
Ganglienzellen erklärt sich durch ihre Entwicklung. Es han- Abb. 3.4.8 Melaninhaltige
delt sich tun zunächst bipolar angelegte Zellen, deren 2 Fort- Perikarya.
146 3 Gewebe
•
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•
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... -
•
Abb. 3. 4.9 Axoninitialsegment mit axoaxonaler Synapse. Abgang des Axons aus dem Axonhügel (* )einer Körnerzelle.
Das Axoninitialsegment ist nicht myelinisiert. Es weist eine dünne Schicht aus elektronendichtem Material unmittelbar
unter dem Axolemm auf( ... ). Im Zytoplasma lassen sich Mikrotubuli, Ribosomen und Mitochondrien erkennen. Regelmäßig
(aber nicht immer) finden sich an der Oberfläche des Axoninitialsegments axoaxonale Synapsen (~ ). Diese können die Ent-
stehung von Aktionspotenzialen unterdrücken. A Axonendigung. Hippocampus, Maus; Abbildungsmaßstab: 0,5 ~m.
3.4 Nervengewebe 147
enzelle) und zum Perikaryon transportiert werden (retro- Bestandteile
grader Transport), oder aber von der Nervenzelle gebildet Das Zytoskelett besteht aus
werden und entlang dem Axonverlauf zu einer Zielzclle • Mikrofilamenten (Aktinfilamente)
transportiert werden (anterograder Transport). In manchen • Intermediärfilamenten (Neurofilamente; s. a. Kap. 2.6.3)
Fällen geben die Nervenzellen ihre Signalmoleküle sogar an • Mikrotubuli (Neurotubuli).
Blutgefäße ab (Neurosekretion in der Hypophyse).
Aktinfilamente Aktinfilamente bilden unmittelbar un-
Struktur und Ultrastruktur Das Axon entspringt an ei- terhalb der Plasmamembran ein Stiitzgerüst, das die ganze
nem Vorsprung des Perikaryons, dem Axonhügel oder Ur- Nervenzelle stabilisiert und in ihrer Form hält. Membran-
sprungskegcl (Abb. 3.4.2, Abb. 3.4.9). Der Axonhügel ent- proteine und Rezeptoren sind über Brückenproteine mit
hält kein raues ER und kann daher auf Nissi-gefärbten diesem StiHzgerüst verblmden lmd werden dadurch an ih-
Schnitten erkannt werden. rer Position in der Plasmamembran gehalten. Diese V eran-
An den Axonhügel schließt sich das Axoninitialsegment kerung von Proteinen in der Membran ist gerad e fiir Ner-
an. Es ist der erste, meist relativ kurze, nicht myelinisierte Ab- venzellen wichtig, da z.B. Neurotransmitterrezeptoren an
schnitt des Axons, der zwischen dem Pcrikaryon und dem ganz bestimmten Stellen der Membran (synaptische Mem-
Beginn der Myelinscheide liegt. Das Axoninitialsegment branspezialisierungen) fixiert werden miissen. Aktinfila-
weist eine Schicht elektronendichtes Material unmittelbar mente finden sich darüber hinaus in hoher Konzentration
unter seiner Plasmamembran (Axolemm) auf, anhand der in den dendritischen Dornen der Nervenzellen. Indem sich
man es im Elektronenmikroskop von einem Dendriten ab- die Filamente verlängern oder verkürzen, können die Dor-
grenzen kann (Abb. 3.4.9). Diese Schicht wird von Zytoske- nen ihre Porm und Größe innerhalb sehr kurzer Zeit ver-
lettmolekülen gebildet, die Proteine und Re7..cptoren in der ändern (Kap. 3.4.5, Abb. 3.4.42).
Membran des Axoninitialsegments verankern und dadurch
verhindern, dass Proteine aus der Membran des Perikaryons Neurofilamente Neurofilamente (Abb. 3.4.10) finden
in das Axon hineindiffundieren (Diffusionsbarriere). Dies sich im Perikaryon, in den Dendriten und Axonen. Die ein-
garantiert die strukturelle lmd funktionelle Eigenständigkelt zelnen Neurofilamente stoßen sich aufgrund gleicher Pola-
des Axons gegenüber dem somatadendritischen Komparti- rität ab und bestimmen so die Querdurchmesser von Dend-
ment. riten und Axonen.
1m Anschluss an das Axoninitialsegment wird das Axon
von einer Myelinscheide bedeckt. 1m lnnern des Axons fin- Mikrotubuli Mikrotubuli finden sich im Pcrikaryon, in
det man im Axoplasma tubuläre Anteile des glatten ER und den Dendriten und im Axon. Sie sind jedoch in Dendriten
schlanke Mitochondrien. Es kommen viele, gleichmäßig und Axonen unterschiedlich ausgerichtet: .Lm Axon weist
verteilte Mikrotubuli und große Mengen an Neurofilamen- das Plus-Ende der Mikrotubuli zu den Axonendigungen, in
ten vor. Entlang der Mikrotubnil findet der schnelle axonale Dendriten in beide Richtungen. Auch die mlkrotubulus-
Transport statt (s.u.). assoziierten Proteine (MAPs) sind in Axonen und Dendri-
Projizieren Nervenzellen zu 2 oder mehr Regionen, so ten llßterschiedlich: In Axonen findet sich das Tau-Protein,
können sich die Axone bereits in der Ursprungsregion ver- in den Dendriten das MAP 2.
zweigen. Die einzelnen Aste der Axone (Axonkollateralen)
können einen völlig unterschiedlichen Verlauf nehmen. In
Axonaler Transport
der Zielregion verlieren die Axone ihre Markscheide und
Durch den axonalen (axoplasmatischen) Transport werden
bilden nicht selten viele EndverZ\-.reigungen aus. Die Endäste
Moleküle und Organellen vom Perikaryon zu den Axon-
eines Axons weisen kleine Anschwellungen auf (Boutons),
endigungen und umgekehrt transportiert (Abb. 2.72). Ohne
die mit den Zielstrukturen der Nervenzelle (z.B. Nerven-
diesen Transportmechanismus kann eine Nervenzelle ihr
zellen, Muskeln, Drüsenzcllen) Synapsen ausbilden. Man
Axon nicht ernähren. In Abhängigkeit von der Richttmg
unterscheidet Boutons im Verlauf eines Axons (En-passant-
Bouton) von Boutons am Ende einer Axonverzweiglmg lmterscheidet man:
• anterograden Transport: vom Perikaryon ZllT Peripherie
(Axonendigung).
• retrograden Transport: von der Peripherie zum Peri-
karyon.
Merke Axon
• Fortsatz e.iner Nervenzelle zur Informationsweiterlei-
Weiterhin wird der axonale Transport nach seiner Ge-
tung und zum Transport von Signalmolekülen. schwindigkeit in einen langsamen und einen schnellen
• Im Axoninitialsegment (nicht myelinisierter erster Ab- anterograden bzw. retrograden Transport unterteilt. Die
schnitt des Axons) entsteht das Aktionspotcnz.ial; das
molekularen Mechanismen, die diesen Transportprozessen
Axoninitialsegment grenzt das Axon vom Soma ab.
zugrunde liegen, sind teilweise aufgeklärt worden (Tab. 3.4.2,
• Axone verzweigen sich i.d.R. in ihrer Zielregion (Kol-
s. a. Kap. 2.6).
lateralen). Die Axonendigungen bilden mit den Mem-
b ranen der Zielstrukturen die Synapsen.
Klinik Über den retrograden axonalen Transport können
Gifte (z.B. Tetanustoxin) oder Viren (Herpes-simplex-
Viren; Tollwutvircn) zum Perikaryon einer Nervenzelle ge-
Zytoskelett langen.
Das Zellskelett einer Nervenzelle dient der Formgeblmg
(mechanische Stabilisierung), der Verankerung von Rezep- Für die schnellen Transportprozesse verwendet die Nerven-
toren und Proteinen in der Membran und dem Transport zelle "molekulare Motoren". Diese Motorproteine binden
von Substanzen und Organellen. zum einen an die Mikrotubuli der Nervenzelle, zum anderen
148 3 Gewebe
I •
•
- axonale Projektion (z. B. Projcktionsneurone, Interneu-
rone mit lokalen Axonen)
• chemische Kriterien:
- Neurotransmitter und Neurotransmitter synthetisie-
rende Enzyme (z. B. cholinerge Neurone, doparninerge
•
Neurone)
b - Nachweis von bestimmten Proteinen (z. B. Caldurn
Abb. 3.4.10 Neurofilamente. a: Feines Netzwerk von bindende Proteine)
Neurofilamenten (schwarz gefärbt, ~) in Perikarya und Fort- • funktionelle Kriterien:
sätzen von Neuronen in der Medulla oblongata des Men- - Wirkung auf die Zielzellen (7~ B. erregend oder hem-
schen. Versilberungstechnik. Vergr. 450-fach. b: Ultrastruk- mend)
tur der Neurofilamente (.... ) und Neurotubuli (~) in einem - Muster der AktionspotenZiale (7~ B.: "schnell feuernd",
peripheren myelinisierten Axon. Vergr. 44000-fach. "tonisch feuernd")
Tab. 3.4.3 Klassifikation der Nervenzellen nach der Zahl der Fortsätze.
bipolare Neurone 2 Fortsätze, die von den gegenüberliegenden Enden Ganglion spirale (Cochlea); Retina
eines spindeiförmigen Perikaryons abgehen
pseudounipolare ursprünglich bipolare Zellen, bei denen die Anfangs- sensorische Ganglienzellen
Nervenzelle abschnitte der beiden Fortsätze verschmelzen
anaxonische Neurone kein Axon; sehr selten amakrine Zellen der Retina
150 3 Gewebe
fibrillärer Astrozyt
proloplasmatischer Astrozyt
Oligodendrozyten
Mikrogliazelle
sich auch ihr Name erklärt (Astrozyt; abgeleitetvon aster, gr. Stützfunktion Die Stlitzftmktion im Nervensystem kön-
fi.ir Stern und kytos, gr. für Zelle). nen die Astrozyten erfi.illen, da ihr Soma und ihre proxi-
malen Portsätze durch astrozytentypische Intermediärfila-
Funktionelle Bedeutung mente versteift werden. Man bezeichnet diese Filamente als
Zu den Atügaben der Astrozyten gehören: saures Gliafaserprotein (GPAP, "glial fibrillary acidic pro-
• die mechanische Stabilisierung des Gewebes (Stützfunk- tein«). Mit Antikörpern, die gegen das GPAP gerichtet sind,
tion) lassen sich die Astrozyten im Nervengewebe sehr gut an-
• die Abgrenzung der Oberflächen des Hirngewebes (Blut- färben (Immunfärbung, Abb. 3. 4.14).
Hirn-Schrdllke)
• die chemische H omöostasc (Regulation des extrazellu- Abgrenzung der Oberflächen Die Astrozyten bedecken
lären Kalitungehalts und des pH; Beteiligung am Trans- mit ihren Fortsätzen alle Gefäße und Kapillaren (Blut-Him-
port von Glucose) Schrdllke) sowie die Oberfläche des ZNS, also alle Grenz-
• die Beeinflussung der synaptischen Informationsübertra- flächen des Extrazellulärraums des Hirngcwebcs. Die ne-
gung (elektrische Isolation; Atünahme von Neurotrans- beneinanderliegcnden, flächigen EndfUße wiiken wie eine
mittern). eigene Schicht und werden daher als Gliagrenzmembran
bezeichnet. An der Oberfläche des Gehirns spricht man von
152 3 Gewebe
c
Abb. 3.4.14 Astrozyten.
-
-
Funktionelle Bedeutung
Oligodendrozyten bilden das Myelin zur Ausbildung der
Marksch eiden im ZNS (Kap. 3.4.3). Ein Oligodendrozyt
kann 10 - 50 internodaleAbschnitte von Axonen versorgen
und mit einer Myelinscheide umgeben. Dies können Axone
verschiedener Nervenzellen sein, die in der Nähe des Oligo-
dendrozyten verlaufen. Einige Oligodendrogliazellen liegen,
wie auch manche Astrozyten, eng den Perikarya von Neuro-
nen an. Ihre Punktion an dieser Stelle ist Lmbekannt.
Im Gegensatz zu den Astrozytcn enthalten Oligodendro-
gliazellen kein GPAP. Um Oligodendrogliazellen im Ge-
webe nachzuweisen nutzt man, neben den histologischen
Färbungen (Abb. 3.4.17), JnununfärbLmgen gegen Proteine Abb. 3.4.18 Ependymzellen. a: Ependymzellen (~)
der Myelinscheiden (myelinbasisches Protein, MBP; Proteo- kleiden den Zentralkanal (1) des Rückenmarks aus. Apikal
lipidprotein, PLP). tragen die Ependymzellen Kinozilien. Mensch; Färbung:
H. E., Vergr. 250-fach . b: Ependym des Aqueductus mesence-
Morphologie phali in einer EM-Aufnahme. 1 Lumen des Aquädukts,
Der Zellkörper der Oligodendrozyten ist kleiner (6- 8 fUU) 2 Ependymzellen, 3 subependymales Neuropil. Ratte;
als der Zellleib der Astrozyten. Vom Soma gehen einige Vergr. 3000-fach.
Fortsätze ab, die sich nur wenig verzweigen (Abb. 3.4.17).
Der Kern ist oval geformt. Im Elektronenmikroskop fallen
Oligodendrogliazellen aufgrund ihres heterochromatinrei-
chen Zellkerns Lmd ihres elektronendichten Zytoplasmas Liquor resorbieren Lmd den Pllissigkeitsaustausch zwischen
auf ("dunkles" Zytoplasma). Das Zytoplasma enthält raues dem Hirngewebe Lmd Ventrikellumen regulieren. Im Be-
ER, freie Ribosomen, Mitochondrien Lmd Golgi-Apparate reich des Plexus choroideus sind die Ependymzellen (Pie-
sowie eine große Zahl an Mikrotubuli. xusepithel) an der Liquorproduktion beteiligt. Im Bereich
der zirkLunventrikulären Organe, in denen die Blut-Hirn-
Schranke teilweise aufgehoben ist, schränken die Ependym-
Ependymzellen zellen (Tanyzyten) den Pllissigkeitsaustausch zwischen Li-
Die Ependymzellen leiten sich vom Neuroepithel des quor und Hirngewebe stark ein.
Neuralrohrs ab. Sie kleiden epithelartig die inneren Räume
(Hirnventrikcl und Zentralkanal des Rückenmarks) des Morphologie
ZNS aus (sog. Ependym; Abb. 3.4. 18) und überziehen den Ependymzellen sind i.d.R. kubische oder prismatische Epi-
Plexus choroidcus. Dort bezeichnet man die Schicht aus th elzellen. Sie sind durch Nexus, Desmosomen, Zonulae ad-
spezialisierten EpendynlZCilen auch als Plexusepithel {Abb. haerentes und laterale Verzahnungen intensiv miteinander
3.4.22). Darüber hinaus findet man auch im Bereich der verbunden. An ihrer Oberfläche befinden sich sowohl Mik-
zirkumventrikulären Organe (s. u.) spezialisierte Ependym- rovilli als auch Kinozilien. Es wird angenommen, dass die
zellen, die dort als Tanyzyten bezeichnet werden. Kinozilien für den Liquorfluss innerhalb der Ventrikel wich-
tig sind, wäh rend die Mikrovilli die Resorption des Liquors
Funktionelle Bedeutung durch Ependymzcllen erleichtern. Die Ependymzellen im
Ependymzellen trennen die Liquorräume, die mit Liquor Bereich der Plexus choroidei sind mit einer Vielzahl von
cerebrospinalis geftill.t sind, vom Hirngewebe. Sie können Mikrovilli versehen. Basal bilden EpcndynlZCIIen, anders als
154 3 Gewebe
Regeneration periphere r Ne Nen Schwaon-Zellen kön- wenige Bereiche (Plexus choroidei, zirkumventrikuläre Or-
nen Zelltrümmer phagozytieren, wenn Nervenzellen unter- gane, Neurohämalorgane) ungefarbt. Somit war der Beweis
geben und unterstützen danach die axonale Regeneration erbracht, dass bestinlmte chemische Substanzen nicht vom
(s. a. Kap. 3.4.4). Blutkreislauf ins ZNS übertreten können.
; --v~~-trik~-- :
' ------- ------'
Glucose
6 er-
Mikrovillus
•
•
__ Aqua-
• porin 1
GLUT1 --zonula
occludens
Myelinisierende Schwann-Zellen
Myelinisierende Schwaon-Zellen umgeben Axone des PNS
kelseitigen) Membran eine Na•-K•-Pumpe, die Na- in und mit einer Markscheide (Myelinscheide). Die Markscheide
K- aus dem Liquor cerebrospinalis ptml pt. Dem Na• -Gradi- eines Axons besteht aus vielen einzelnen Schwarm-Zellen,
enten folgen CI--Ionen tmd Wasser. Auch Glucose und an- die jewcils aufeinanderfolgende kurze Abschnitte des Axons
dere Bestandteile des Liquor cerebrospinalis werden von urnhiillen. Zwischen 2 Schwano-Zellen ist die Markscheide
den Plexusepithelz.cllen sezcrnie.rt. Insgesamt enthält der für eine kurze Strecke unterbrochen. Diese feinen Unterbre-
Liquor weniger Glucose als das Blut (2 Drittel der Blutglu- chungen in der Markscheide bezeichnet man als Ranvier-
cose), kawn Eiweiß (20 -40 mgldl) und nur wenige Zellen. Schnürringe.
Das Plexusepithel produziert pro Tag ca. 500 ml Liquor. Da
die Ventrikelräume und der Subarachnoidalraum zusam- Entwicklungsgeschichte
men ca. 140 ml fassen, wird der Liquor mehrfach täglich Im Laufe der Entwicklung lagern sich die aus der Neural-
ausgetauscht. Der Liquor fließt aus den Hirnventrikeln in leiste stanunenden Schwaon-Zellen dem Axon an tmd bil-
den Subarachnoidalrallln und tritt überwiegend im Bereich den zunächst 2lippenformige Ausläufer um das Axon (Abb.
der Arachnoidalzottcn (Pacchioni-Granulationen) ins Blut 3.4.23); von einem von ihnen geht unter Verdrängung des
über (Kap. 3.4.7; Abb. 3.4.48). Ein Teil des Liquors wird Zytoplasmas die Bildung der Myeli nscheide aus. Eine Lippe
auch über Lymphbahnen außerhalb des Schädels tmd des schiebt sich tmter die andere und wickelt sich um das Axon
Wirbelkanals resorbiert. herum. Es entstehen je nach Neurontyp bis zu 100 Mem-
branwickltmgen. Die Entwicklung und Dicke der Myelin-
scheide hängt von einem axonalen Wachsttunsfaktor ab,
Klinik Die Existenz der Blut-Hirn-Schranke muss bei allen
dem Neuregulin.
medikamentösen Maßnahmen bedacht werden. Beispiels-
Myelinscheiden entwickeln sich im Nervensystem des
weise können viele Antibiotika die Blut-Hirn-Schranke
Menschen (Myelinogenese) zu großen Teilen erst nach der
nicht überwinden, was z. B. bei bakteriellen entzündlichen
Geburt. Bereits ztun Zeitpunkt der Geburt sind die periphe-
Hirnerkrankungen ein Problem ist. Auch Dopamin kann
ren motorischen Axone ausgereift. Die langen zentralen
die Schranke nicht ttberschreiten, was bei der Therapie des
Bahnen (Tractus) benötigen dagegen mehr Zeit: Die Myeli-
Morbus Parkinsan ein Nachteil ist. Zum Teil kann man sich
nisierung der Hinterstrangbahnen und der Axone des Trac-
behelfen, indem die Therapeutika (z. B. Antibiotika) an Mo-
tus corticospinalis ist e.rst nach Jahren vollständig abge-
leküle angeheftet werden, für die physiologische Transport-
schlossen. Viele Funktionen des Körpers reifen parallel zum
mechanismen bestehen (z. B. Transferrin).
Myelinisierungsprozcss.
Entzündliche Prozesse im Bereich der Hirnhäute (Menin-
gitis) verändern die Zusammensetzung des Liquors. 1m Fall
Funktionelle Bedeutung
einer Infektion lassen sich im Liquor z. B. Leukozyten nach-
Saltatorische Erregungsausbreitung Große Organismen
weisen. Eine bakterielle Infektion fiihrt zur Einwanderung
müssen Reize über längere Distanzen übermitteln als klei-
von Granulozyten, eine virale Infektion zur Einwanderung
ne Organismen. Damit die Reize trotzdem schnell über-
von Lymphozyten. Der Proteingehalt ist erhöht.
tragen werden können, muss die Leitungsgeschwindigkeit
158 3 Gewebe
Nervenfaser
•
äußeres Zytoplasma der \
Schwann-Zelle Markscheide
;
mil Kern und Organellen
·.. ',
~
.-~·
,. .. / .....Hauptlinie
.
Schwann-Zelle
••
••
•
.
' ,'
•• -.....
•I
•
•• •
••
•• • Inter-
Schwann-
Ze}le
/ •
Mesaxon
Basal-'
Iamina
'
'
Intermediärlinie
äußeres
Mesaxon
mediär-
Iinie '"'....
Sohmidt·
.. ......
* ... .......
Lanlennann- - : : :.
~~ "'
Einkerbungen ••
">Nervenfasern
-- ---
Schwann-Zelle
' ...
•
Nucleus
''
' ''
'
.... - ----- --,-Nervenfasern Nervenfaser
''
'
' '
''
'
''
· · - Mesaxon
I
Abb. 3.4.23 Entwicklung von Nervenfaserscheiden (Schema). Links oben Entstehung einer Markscheide, die sich um
ein Axon herumwickelt; links unten Entstehung einer Axo nscheide ohne Markscheide (marklose bzw. markarme Nervenfasern);
rechts adulte Schwann-Zelle, die von ihrem Axon abgewickelt wurde. (Teilweise nach [10]).
der Axone zunehmen. Die Leitungsgeschwindigkeit steigt tigt sind. Das Axolcmm der Ranvier-Schnlirringe (nodales
mit dem Axondurchmesser (z.B. Riesenaxone der Tinten - Axolemm) unterscheidet sich vom myelin.isierten Axo-
fische und Neunaugen) oder - da der Vergrößerung des lemm. Es ähnelt auf struktureller tmd molekularer Eben e
Axond urchmessers Grenzen gesetzt sind - mithilfe von dem Axolemm des leicht erregbaren Axoninitialsegments
Myelinscheiden. Letztere isolieren das Axon elektrisch , sen - (s. a. Kap. 3.4.2). So findet man elektronen mikroskopisch
ken die Membrankapazität und ind uzieren eine Akkumula- eine Schicht elektronendichtes Material unterhalb des no-
tion der für ein Aktionspotenzial wichtigen spannungsge- dalen Axolemms, das aus Zytoskelettmolekülen besteht.
steuerten Na•-Kanäle im Bereich der Ranvier-Schnürringe. Diese vemnkern spannungsabhängige Na•-Kanäle irn no-
Kommt es zu einem Akt ionspotenzial an einem Ranvier- dalen Axolemm . Auch eine besonders hohe Konzentration
Schni.irring, entsteht ein axonaler Stromfluss zwischen die- an Na•-K•-ATPase lässt sich nachweisen. Diese molekula-
sem und dem nächsten Schnürring. Dadurch öffnen sich ren Besonderheiten erklären, wieso das nodale Axolemm
die dortigen Na•-Kanäle und es entsteht ein Aktions- besonders leicht erregbar ist.
potenzial. Die Erregung scheint somit von Schnürring zu
Schnürring zu "springen". Tatsächlich ist die Fortleitung Internodien Die Markscheide eines Axons ist aus
des axonalen Potenzials kontinuierlich. Es wi rd lediglich in zahlreichen hintereinanderliegenden Gliazellen aufgebaut.
den Schnürringen wieder auf den W ert des Aktionspoten- Der Abschnitt des Axons zwisch en 2 Nodien, der einer
zials angehoben. Die "sprungh afte" (saltatorische) Erre- Schwano-Zelle entspricht, wird als Internodium bezeich-
gungsausbreitung ist seh r viel schneller (bis zu 120 m/s) net. Ein Internodium ist zwischen 200 ~1m und 1,5 mm
und verbraucht weniger Energie als die Err egungsausbrei- lang, tmd zwar tun so länger, je dicker das Axon ist.
t tmg entlang dem nicht myeli nisierten Axolemm (bis zu
2 m/s). Myelin Unter Myelin (von gr.: myel6s, Mark) versteht
man die Biomembranen der Schwann-Zellen, welch e die
G-Wert Die strukturellen Parameter der Myelinscheide, Axone tunhüllen (Abb. 3.4.23). Myelin besteht zu ca. 75%
wie z. B. die Länge der In ternodien und die Dicke der Mye- aus komplexen Lipiden (Phospholipide, Glykolipide, Cho-
linschich t werden vom Axon mithilfe des Wachstumsfak- lesterin) tmd zu ca. 25% aus verschied enen Proteinen (z.B.:
tors Neuregulin bestimmt. Dabei bleibt das Verhältnis von MBP ["myelin basic protein"J, PMPZZ ["peripherical mye-
Axondurchmesser zu Gesamtd urchmesser konstant (Axon lin protein ZZ"J, PO [ Protein N uJl J, MAG [,,myelin-associa-
plus Marksch eide; sog. G-Wert). Prinzipiell gilt, dass grö- tcd glycoprotein"J, E-Cadherin). Man tmtersch eidet kom-
ßere Internodien und eine dickere Myelinschicht die Lci- paktes Myelin (kompakte Membranwicklung) von nicht
tungsgeschwindigkeit erh öhen. kompaktem Myelin (Zytoplasmazonen der Schwann-Zel-
len, paranodale Zungen, Sch midt-Lantennann-Einkerb un -
Morphologie gen):
Ranvier-Schnürringe Die Ranvier-Schnürringe (= Nodien, • Nicht k ompaktes Myelin: Der schmale periphere Teil der
Abb . 3.4.24, Abb. 3.4.25) unterbrech en in regelmäßigen Schwann-Zellen, die äußere Zytoplasmazone, geht nicht
Abschn itten die Markscheide eines Axons. Die b enachbar- in die Membranwicklungen ein und enthält Zytoplasma
ten Schwano-Zellen b ilden hier locker ineinandergreifende und den Kern. Er ist von einer Basallamina und von Bin-
Zellausläufer (paranodale Zungen, Abb. 3.4.25), die über degewebe umgeben (Kap. 3.4.4). Ganz innen, unmittelbar
Zellhaften am Axolem m (Zellmemb ran des Axons) befes- an der Nervenfaser, befindet sich ein schmaler (innerer)
3.4 Nervengewebe 159
~
• • • • • • N8fVenz.ellfor1satz
• • -Neurofilamente
J
·-.
' . 0
0
' 0
:::;,· · paranodale
: Zungen
0
•• 0
organellhaltiges
··Zytoplasma der
Schwann-Zelle
• • • • ·Mar1<scheide
····--Basallamina
a b c
Abb. 3.4.26 Myelinisierte Nervenfasern im peripheren Nerv im Querschnitt bei verschiedenen histologischen Techniken.
Auf allen Bildern ist erkennbar, dass es unterschiedlich dicke Nervenfasern und unterschiedlich dicke Myelinscheiden gibt.
(Aus [1]) a: Azan-Faärbung: Die rötliche Markscheide der Nervenfasern ist zerfallen, im Inneren der Markscheide ist der
Nervenzellfortsatz oft als hell-bläulicher Punkt erkennbar. Die Nervenfasern sind in ein hier kräftig blau gefärbtes Endo-
neurium eingebettet. Am Rande des Nervenfaserbündels ist das Perineurium zu erkennen. Vergr. 450-fach. b: Sudan-Schwarz-
Färbung (Fettfärbung): Nur die Markscheiden sind (dunkelbraun) gefärbt. Vergr. 450-fach. c: Versilberung nach Bielschowsky:
Die Neurofibrillen in den Axonen sind schwarz gefarbt, die Markscheiden bleiben ungefärbt. Vergr. 450-fach.
Schnitttechnik das Herauslösen von Petten vermeidet. Der Diegenaue Beziehung zwischen Schwano-Zellen und den
komplexe Bau des kompakten Myelins wird erst im Elektro- marklosen Axonen ist erst im Elektronenmikroskop erkenn-
nenmikroskop sichtbar (Abb. 3.4.27). bar. Die Axone liegen in röhrenfOrmigen Rinnen, die von
den Schwano-Zellen gebildet werden (Abb. 3.4.29, Abb.
Merke Markscheiden (Myelinscheiden) werden von 3.4.30). Es bleibt stets ein schmaler, extrazellulärer Rawn
Hüll-Gliazellen gebildet: zwischen Axonmembran und M embran der Schwano-Zelle
• Myelin isoliert die Axone und ermöglicht eine schnelle, erhalten, der auch mit der Oberfläche konununiziert. Dieser
scheinbar von Schnürring zu Schnürring springende Spaltwird mit den begrenzenden Membranen der Schwanu-
Erregungsleitung ("saltatorische Erregungsleitung"). Zelle Mesaxon genannt.
• Die Markscheide wird im PNS von Schwann-Zellen, im
ZNS von Oligodendroglia gebildet.
• Bei Standardfarbungen (7~ B. H.E.) werden Lipide aus Gliascheiden des ZNS
dem Gewebe herausgelöst. Es bleibt daher nur der Pro- Oligodendrozyten bilden die Myelinscheiden tun Axone im
teinrest der Markscheide übrig (sog. Neurokeratin- ZNS. Sie sind in großer Zahl in der weißen Substmz zu
gerüst). finden. Die GUascheide dient zur Beschleunigtmg der Er-
regungsleitung der Axone (saltatorische Erregtmgsleittmg)
und zur Ernährung des Axons. Prinzipieller Aufbau tmd
Nicht myelinisierende Schwann-Zellen Ftmktion der Gliascheiden im PNS und ZNS sind ähnlich, es
Nicht myelinisierende Schwano-Zellen umgeben mehrere gibt jedoch einige wichtige strukturelle Unterschiede (Tab.
Axone (ca. 5- 25) mit einer einfachen Gliascheide. Diese 3.4.5).
Axone werden als marklose Axone (Abb. 3.4.23, Abb.
3.4.28, Abb. 3.4.29) bezeichnet, da ihnen eine Myelin- Morphologie
scheide aus kompaktem Myelin und Ranvier-Schnürringe Oligodendrogliazcllen Lunhilllen mit ihren Fortsätzen
fehlen. 10-50 Axone. Die einzelnen MyeUnwickiLmgen bestehen
aus kompaktem Myelin, Schmidt-Lantermann-Einkerbtm-
Funktionelle Bedeutung gen lassen sich in ihnen nicht nachweisen. Zwischen der
Die einfache GUascheide aus nicht myelinisierenden Wicklung einer Oligodendrogliazclle und der nächsten lie-
Schwano-Zellen ernährt und schützt das Axen. Die Erre- gen Ranvier-Schni.'trringe. Das Axolemm der Schnfminge
gungsausbreitung erfelgt ke ntinuierlich entlang dem Axe- weist - wie im PNS - eine hohe Dichte an spannungsab-
lemm. hängigen Na• -Kanälen auf. Regelmäßig finden sich an den
Schnürringen Astrozytenfiißchen, die in Kontakt zttm Axon
Morphologie treten (PNS: paranodale Zungen der Schwann-Zellen). Eine
Auch die einfache Gliascheide besteht aus vielen hinter- Basallamina fehlt
einanderliegenden Schwann-Zellen. Die einzelne Schwanu- Die Proteinzusammensetzung des Myelins im ZNS unter-
Zelle dehnt sich über ca. 500 lliTI aus und ist mit der nächs- scheidet sich von der des PNS; ein wichtiges Protein des zen-
ten Schwano-Zelle eng verzahnt. Auf diese Weise entsteht tralen Myelins ist das PLP ("proteolipid protein"). Es verbin-
ein Bündel von Axonen, das von Schwaon-Zellen und au- det die äußeren Membranblätter der aneinandergrenzenden
ßen von einer Basallamina wngeben ist. Zellmembranen.
3.4 Nervengewebe 161
AX
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Abb. 3.4.28 Nicht myelinisierter Nerv. 1 Kern der Schwann-Zelle, in deren Zytoplasma zahlreiche vegetative Axone(*)
eingesenkt sind. 2 Perineuralscheide, die hier offen ist; 3 Kollagenfibrillen; 4 elastische Fasern. Submukosa des Magens,
Mensch; Vergr. 15 200-fach.
162 3 Gewebe
c
a Abb. 3.4.30 Marklose
Abb. 3.4.29 Kleiner Nerv. Nervenfaser.
In der grauen Substanz verlaufen zentrale Axone auch tragung von Informationen von der Peripherie zum ZNS
ohne Myelinscheide. Diese Axone liegen frei im Neuropil (Afferenzen) lmd vom ZNS oder den vegetativen Ganglien
und werden von Astrozyten wngeben. Ein Oligodendroglia- zur Peripherie (Efferenzen).
Pendant zu den nicht myelinisierenden Schwano-Zellen gibt In peripheren Nerven findet man Axone, Gliazellen
es nicht; diese Funktion (Ernährung des Axons) wird im (Schwann-Glia), Bindegewebe und Gefäße. Zur lichtmikro-
ZNS von den Astrozyten übernommen. skop ischen Darstellung der einzelnen Strukturen werden
besondere Fixierungen (z. B. zur Darstellung der Markschei-
den), Spezialfärbungen (z. B. Osmiumsalze; Abb. 3.4.24)
Klinik Entmarkungskrankheiten (demyelinisierende Krank-
heiten) sind durch die Schädigung der Markscheiden ge- oder Spezialpräparationen (z. B. Zupfpräparate) eingesetzt.
kennzeichnet. Zu dieser Krankheitsgruppe wird u. a. die Das bindegcwebige Stroma lässt sich mithilfe der Standard-
färbungen (H.E., Azan, van Gieson) darstellen. Zur Unter-
multiple Sklerose gezählt. Die multiple Sklerose (MS) ist
scheidung mancher StruktlLTen (z. B. markhaltige und mark-
eine Autoimmunkrankhcit, bei der sich das Abwehrsystem
lose Axone; Abb. 3.4.29) benötigt man die EM.
des Körpers gegen das zentrale Myelin richtet. Im Bereich
der Entzlindungsherde kommt es ZLU11 Verlust der Mark-
scheide (Entrnarkung), was zunächst mit einer Verlangsa- Bindegewebshüllen peripherer Nerven
mung und schließlich mit dem Ausfall der Erregtmgsleitung
verblmden ist. Die Symptome der MS sind sehr variabel und Periphere Nerven besitzen hierarchisch geordnete Bindege-
hängen vom Ort des EntziindLmgsherdes ab. Der Liquor websstruktur en , die von innen nach außen folgendermaßen
cerebrospinalis der betrofrenen Patienten ist entzündlich bezeichnet werden (Abb. 3.4.32, Abb. 3.4.33):
verändert und es lassen sich Autoantikörper gegen Myelin • Endonellrium
nachweisen. • Perinellrium
Die erbliche Charcot -Marie-Taotb-Nervenkrankheit ist • Epineurium.
eine Entrnarkungskrankheit des PNS. Bei den betroffenen
Patienten findet sich eine Mutation des Connex:in-32-Gens, Diewesentlichen Eigenschaften der Bindegewebshüllen fasst
das für die Bildung der Gap Junctions (z. B. in den Schwann- Tabelle 3.4.6 zusammen.
Zellen) benötigt wird.
Blutgefäße
Fettgewebe
Abb. 3.4.32 Großer peripherer Nerv im Querschnitt. Oie Axone liegen in Bündeln unterschiedlicher Größenordnungen.
Das einzelne Axon und die Schwaon-Zellen werden von einem zarten Kollagenfasergerüst (Endoneurium) umgeben. Bündel
von Nervenfasern, deren Zahl bis in die Hunderte gehen kann, werden vom Perineurium umhüllt, das nicht nur aus dicht
gepackten Kollagenfasern, sondern auch aus elastischen Fasern besteht. Das Epineurium schließlich verbindet die vom Peri-
neurium umschlossenen Bündel, umhüllt sie insgesamt und verbindet den Nerv mit seiner Umgebung. Färbung: van Gieson;
Vergr. 15-fach. (Aus [1))
• elektrische Synapsen Fusion der synaptischen V esikel mit der Membran tmd so-
• chemische Synapsen. mit fiir die Freisetzung von Neurotransmitter benötigt.
Des \Veiteren können Synapsen - ähnlich wie Neurene - Syna ptischer Spalt Im synaptischen Spalt befindet sich
nach verschiedenen weiteren strukturellen und funktionel- elektronendichtes Material. Dieses besteht u. a. aus präsyn-
len Kriterien klassifiziert werden: aptischen und postsynaptischen Proteinen, die den synapti-
• Lokalisation (Dornsynapse, axodendritische, axosornati- schen Spalt überbrücken und den präsynaptischen Bouton
sche, axoaxonale, dendro-dendritische Synapse) an der postsynaptischen Membran verankern (z. B. EphR-
• Ultrastruktur (symmetrisch, asymmetrisch) Ephrin und Netrroligin-Neurexin-Brücken). Auch Zellad-
• Funktion (erregend, hemmend) häsionsmoleküle finden sich in diesem Bereich.
• Neurotransmitter (z.B.: glutamaterg, GABAerg, Tab.
3.4.7). Postsynaptische Mem bran In der postsynaptischen
Membran befinden sich die Neurotransmitterrezeptoren.
Unter der Membran findet sich eine Verdichttmgszone mit
Elektrische Synapsen einem komplexen Protein netz. Die Proteine der postsynap-
Bedeutung Elektrische Synapsen si nd Kontaktstellen tischen Verdichtungszone stehen einerseits mit den Rezep-
zwischen Nervenzellen. An den Kontaktstellen finden sich toren tmd andererseits mit dem Zellskelett in Verbindung
Gap Tunctions (Nexus, Kap. 2.1.7), die für viele kleinere und können die Rezeptoren der postsynap tischen Mem-
Moleküle (z. B. Ionen, Second Messenger und niedermole- bran verankern. Darüber hinaus können sie die räumliche
kulare Proteine) durchlässig sind. Durch Gap Tunetions Anordnung, Dichte und Empfindlichkeit der postsynapti-
werden 2 Nervenzellen funktionell eng aneinander gekop- schen Rezeptoren beeinflussen.
pelt. Sie reagieren schnell und synchron auf eine Aktivie- Der Aufbau spezieller Synapsen kann vom hier vorgestell-
rung. Erregungen können in beide Richtungen übertragen ten Prototyp abweichen (vgl. Abb. 3.4.3Sd, e).
werden (bidirektionale Reizübertragung).
Dreiteilige chemische Synapse
Nachweis Gap Tunetions zwischen Nervenzellen kom- Inzwischen weiß man, dass die synaptische Übertragung
men im ZNS regelmäßig vor, sind aber viel seltener als die entscheidend von den benachbarten Astrozyten beeinflusst
chemischen Synapsen. Experimentell kann man Gap Tune- wird. Daher kann man die Synapse auch als eine dreiteilige
tians nachweisen, indem man ein e Nervenzelle mit einer Struktur ansehen:
sehr dünnen Glaspipette ansticht und mit einem wässrigen, • präsynaptische Seite (Axonendigung)
niederm olekularen Parbstotr ftillt. Dieser kann durch die • postsynaptische Seite (Dorn, Dendrit, Soma)
Nexus diffundieren und die über Nexus verbundenen Ner- • Astrozytenfortsatz.
venzellen identifizieren. Diesen Effekt bezeichnet man auch
als Farbstoffkopplung ("dye coupling"). Die Astrozyten isolieren nicht nur die Synapse, sie entfer-
nen auch Glutamat aus dem synaptischen Spalt und können
die Nervenzelle durch die Freisetzung von Signalmolekillen
Chemische Synapsen beeinflussen. Sie werden ihrerseits durch neuronale Aktivi-
Chemische Synapsen sind spe7.ialisierte Kontaktstellen zwi- tät beeinflusst. Starke neuronale Aktivität erhöht die intra-
schen Nervenzellen, an denen ein elektrischer Reiz mithilfe zelluläre Calciumkonzentration in den Astrozyten und setzt
eines chemischen Botenstoffs (Neurotransmitter) von einer neuromodulierende Substanzen frei (z. B. ATP).
N ervenzelle auf eine nachgeschaltete Zielzelle übertragen
wird. Der Botenstoffbindet an Rezeptoren der Zielzelle und
Neurot ransmission
löst dort einen Effekt aus.
Präsyna pti sche Seite
Vesikelf usion Trifft ein Aktionspotenzial in einem prä-
Morphologie synaptischen Bouton ein, öfrnen sich in der Membran des
Typisch e Synapse Boutons spannungsabhängige (',alciumkanäle. Extrazellu-
Der Prototyp der Synapsen, die Synapse zwischen 2 Nerven- läres Calcitrrn strömt daraufhin in den Bouton ein tmd
zellen (Abb. 3.4.3Sa-c), besteht aus: b ewirkt, dass synaptische Vesikel mit der präsynaptischen
• präsynaptischer Seite (Axonendigung mit präsynapti- Membran fusionieren. Ktrrz vor dieser Pusion entsteht ein
scher Membran) großer Proteinkomplex (SNARE-Ko mple.x) zwischen Ve-
• synaptischem Spalt (20- 30 nm) sikel und präsynaptischcr Membran; ein Teil seiner Pro-
• postsynaptischer Seite (Dorn, Dendrit, Soma oder Axon- teine liegt in der Membran des V esikels, ein anderer Teil in
initialsegment mit postsynaptischer Membran). der benachbarten präsynaptischen Membran. Der SN ARE-
Komplex wird durch Synaptotagrnin (Calcitrrnsensor) akti-
Präsynaptische Seite Auf der präsynaptischen Seite viert und löst die Fusion aus. Es entsteht ein fusioniertes
(Axonendigung, Bouton) finden sich viele, ca. 30- 40 nm Bläschen, das im Elektronenmikroskop als sog. Omega-
große Bläschen (Vesikel), die Netrrotransmitter enthalten Struktur zu erkennen ist.
(Abb. 3.4.35, Abb. 3.4.36). Die Vesikel sind besonders zahl- In jedem synaptischen Bläschen befindet sich eine be-
reich in der Nähe der pr.isynaptischen Membran. Unter stimmte Menge (Quantwn) an Transmitter (7000 - 10000
dieser liegt eine V erdichtungs1.one aus elektronendichtem Transmittermoleküle). Aktionspotenziale kön nen zur Frei-
Material, das aus einem Netz aus spezialisierten pr.isynap- setzung von Neurotransmitter aus bis zu 500 synaptischen
tischen Proteinen besteht. Diese Proteine werden für die Vesikeln fiihren.
3.4 Nervengewebe 167
d ---12 e
'''
12
---·9>
Abb. 3.4.35 Synapsentypen (Schema). a: Exzitatorische Synapse, Typ Gray I (breite postsynaptische Verdichtung, asymme-
trisch). b: Inhibitorische Synapse, Typ Gray li (schmale postsynaptische Verdichtung, symmetrisch). c: Peptiderge Synapse.
d: Myoneurale Synapse (motorische Endplatte). e: Synapse eines vegetativen aminergen Neurons in der Nähe einer glatten
Muskelzelle; diese Synapse entspricht einer Auftreibung (Varikosität) der Nervenfaser (Synapse en passant). (1) unterschied-
lich geformte Transmitterbläschen mit unterschiedlichen Transmittersubstanzen; (2) kolbenförmig eiWeiterte präsynaptische
Nervenfaserendigungen; (3) präsynaptische Membran mit Verdichtungen; (4) synaptischer Spalt; (5) postsynaptische Mem-
bran mit Verdichtungen; (6) peptidhaltige Granula; (7) Basallamina; (8) Skelettmuskelzelle; (9) glatte Muskelzelle; (10) Mi-
tochondrium; (11) Mikrotubuli (.,Neurotubuli"). Die Nervenfaserendigungen sind in der Peripherie (d, e) bis auf die synapti-
sche Region von Ausläufern der Schwano-Zellen bedeckt (12), die ihrerseits eine Basallamina besitzen. (Aus [1]).
Vesikel-Recycling Nach der Exozytose erhält die Vesikel- Neuromodulatoren ist relativ groß und ihre biologischen
membran einen Belag aus dem Protein Clathrin und wird Wirkungen sind noch nicht vollständig verstanden.
mittels Endozytose ins Zytoplasma zurückverlagert ("Vesi-
kel-Recycling"). Es entsteht innerhalb kurzer Zeit ein neues, Merke Die Synapsen werden nach dem verwendeten
mit Neurotransmitter beladenes, fusionskompetentes syn- Neurotransmitter benannt (z. B. "cholinerge Synapse" im
aptisches Vesikel. Fall des Acetylcholins).
Die molekularen Mechanismen der Vesikelfusion und
des Vesikcl-Recyclings finden sich nich t nur in Nervenzel- Einteilung Neurotransmitter, Ko-Transmi tter tmd Neu-
len. Es gibt gro13e Ahnllchkeiten mit ähnlichen Prozessen in romodulatoren (Tab. 3.4.7) lassen sich biochemisch in
anderen Zelltypen. Auch dort finden sich z.B. SNARE- mehrere Gruppen unterteilen:
Komplexc, welche die Fusion intrazellulärer Vesikel mit • Acetylcholin
Membranen regulieren. • Arninosättrcn und Arninosäurcde.rivate (Glutamat, As-
partat, Glycin, y-Arninobuttersäure [GABA])
Neurotransmitter und synaptischer Spalt • Monoamine (Serotonin, Oopamin, Noradrenalin, Hist-
Transmitter, Ko-Transmitter und Modulatoren Neuro- amin)
transmitter sind chemische Botenstotre, die aus präsynap- • Nettropeptide (Substanz P, Nettropeptid Y, Vasopressin,
tischen Vesikeln freigesetzt werden, innerhalb etwa 0,1 ms Somatostatin u. v. a.)
zur postsynaptischen Membran ditli.tndieren tmd dort an • Pttrine (Adenosin tmd Adenosinphosphate)
transmitterspezifische Rezeptoren binden. Zusätzlich zum • Lipide (Endocannabinoide)
"Haupttranstnitter" setzen Axonendigtmgen noch eine • Gase (NO).
ganze Reihe weiterer biologisch aktiver Substanzen frei
(z.B. ATP, Substanz P). Diese Substanzen können die syn- Wirkungen Die Wirkung der Transmitter und Neuromo-
aptische Neurotransmission beeinflussen. Werden sie zu- dulatoren auf das nachgeschaltete Neuron hängt von den
sammen mit dem Haupttransmitter freigesetzt, bezeichnet postsynaptischen Rezeptoren ab. Haben 2 Zellen unter-
man sie als "Ko-Transmitter". Unter Neuromodulatoren schiedliebe Rezeptoren flir einen bestimmten Neurotrans-
versteht man gc1nz allgemein Substanzen, welche die syn- mitter, kann der ausgelöste biologische Effekt unterschied-
aptiscbe Übertragtmg beeinflussen können. Oie Zahl der lieb, zuweilen sogar gegensätzlich sein. Beispielsweise kann
168 3 Gewebe
Acetylcholin z. B. über m 1-Rezeptoren erregend oder über synapseoder in benachbarte Gliazellen aufgenommen wird.
m 1-Rczeptoren herrunend wirken. N eurotransmitter und Die rasche Beseitigung des Transmitters ist entscheidend
Neuromodulatoren beeinflussen nicht nur die Erregbarkeit fiir die Kinetik der synaptischen Signalübermittlung.
der nachgeschalteten Nervenzelle - über metabotrope Sig-
nalwege und Second-Messenger-Kaskaden können sie viele Postsynaptische Seite
zelluläre Prozesse steuern, also 1- B. über eine Proteinphos- Die Rezeptoren ftir Neurotra nsmjtter (Tab. 3.4.7) in der
phorylierung die Synapse lokal verändern oder die Genex- postsynaptischen Membran sind teilweise Ionenkanäle tmd
pression ändern. teilweise transmembranäse Proteine. Ionenkanäle werden
durch die Anlagerung eines Neurotransmittermoleküls ge-
ötlnet (ionotrope Rezeptoren), trc1nsmembranöse Proteine,
Klinik Zahlreiche Medikam ente zur Behandlung neuro-
also z.B. G-Protein- oder enzymgekoppelte Rezeptoren,
logischer und psychiatrischer Erkrankungen greifen in den
lösen eine intrazelluläre Signalkaskade aus (metabotrope
Neurotransmitterstoffwechsel ein. Beispielsweise interagie-
Rezeptoren).
ren die Tranquilizer aus der Gruppe der Diazepame und
Barbiturate mit GABA-A-Rezeptoren und verstärken deren
inhibitorische Wirkung. Dadurch senken sie das Aktivi-
tätsniveau der Nervenzellen und können "beruhigend" bzw. Neurotrophe Faktoren
"sedierend" wirken. Nervenzellen ttnd Gliazellen können neurotrophe Faktoren
BeimMorbu s Parkinsou kommt es durch den Untergang abgeben. Zu diesen chemischen Botenstoffen gehören z. B.
von dopaminergen Neuronen in der Pars compacta der Sub- die Neurotrophine (NGP, BDNP, NT-3) und viele Zytokine
stantia nigra zu einem Mangel an Dopamin im Gehirn. Dies (z.B. CNTF, LIF).
führt bei den Patienten zu einer krankhaft gesteigerten
Erhöhung ihres Tonus (Rigor) und zur Bewegungsarmut Funktion Neurotrophe Paktoren steuern während der
(Akinesie). Die Gabe der Dopaminvorstufe L-DOP A kann Entwicklung die Proliferation, Differenzierung und Zielfin-
diese Symptome für eine gewisse Zeit bessern. dungvon Nerven- und Gliazellen. lm erwachsenen Gehirn
sind sie bei der adulten Neurogenese (Kap. 3.4.4 ), der syn-
Abbau Der freigesetzte Neurotransmitter wird aus dem aptischen Plastizität (s. u. ), bei Alterungsvorgängen und bei
synaptischen Spalt entfernt, indem er abgebaut, in die Prä- Schädigungen des Gehirns beteiligt.
3.4 Nervengewebe 169
Wirkmechanismus Neurotrophe Paktoren wirken häufig fortsätzein der direkten Umgebung des synaptischen Spalts
über bestimmte enzymgekoppelte Rezeptoren, die Re- nachweisen (dreiteilige Synapse).
zeptortyrosinkinasen. Diese übertragen Phosphatreste auf
die OH-Gruppe von Tyrosinrcsten. Dies initiiert eine intra- Funktion Die Synapse am Kopf eines Dorns ist eine
zelluläre Signalkaskade, die über Änderung der Genexpres- asymmetrische, erregende Synapse (Typ I nach Gray). Der
sion längerfristige biologische Verändenmgen der Zellen Neurotransmitter ist i. d. R. Glutamat. Er aktiviert ionotro-
auslöst. pe Glutamatrezeptoren (AMPA-Rezcptoren) der postsyn -
aptischen Membran un d löst dadurch eine Depolarisation
aus. An der raschen Entfernung von Glutamat aus dem syn-
Zentrale Synapsen aptischen Spalt sind die Astrozytenfortsätze beteiligt. Am
Die meisten Synapsen finden sich im ZNS, wobei an einer Stiel des Doms finden sich manchmal symmetrische, hem-
Nervenzclle von einigen wenigen bis hin zu einer Viertel- mende Synapsen (Typ II nach Gray), die vermutlich die
million (Purkinje-Zellen des Kleinhirns) Synapsen gebildet Weiterleitung von erregenden Signalen bereits auf Höhe
werden können. d es Doms regulieren kö nnen.
Nach Struktur und Punktion lassen sich 2 Gruppen un-
terscheiden: Schaftsynapsen und somatische Synapsen
• asymmetrische Synapsen (Typ I n ach Gray): breiter syn- Auch an Dendritenschäften und am Soma einer Nervenzelle
aptischer Spalt {bis 30 nm) und breite postsynaptische finden sich Synapsen (Abb. 3.4. 37). Sie sind eb enfalls typi-
V erdichtungszone; L d. R. cxzitatorisch sche Synapsen, wobei sowohl asyrnmetrische (erregende) als
• symmetrische Synapse (Typ II nach Gray): engerer syn- auch syi11J1letrische (hemmende) synaptische Spezialisie-
aptischer Spalt, schmale postsynaptisch e Verdichttmgszo- rungen vorkoi11J1len. Letztere verwenden GABA oder Gly-
ne (damit der präsynaptischen Zone ähnlich, d.h. "sym- cin als hei11J1lende Neurotransmitter.
metrisch"); Ld. R. inhibitorisch.
-
s
• •
.,
Abb. 3.4.36 Domsynapse in einer EM-Aufnahme. Aus einem Dendriten (0) tritt ein pilzförmiger Fortsatz (Dorn, engl.
"spine", S) heraus. Am Kopf des Dorns befindet sich eine asymmetrische Synapse(~). Erkennbar sind auf der präsynaptischen
Seite, der Seite des axonalen Boutons (A), zahlreiche präsynaptische Vesikel. Auf der postsynaptischen Seite, d. h. der Seite
des dendritischen Dorns, befindet sich eine charakteristische postsynaptische Membranverdichtung. Im Innern des Dorns liegt
ein Dornapparat (*). Im umgebenden Neuropil lassen sich darüber hinaus weitere Synapsen erkennen. Die Pfeilspitze (~)
zeigt auf eine symmetrische Synapse. Gyrus dentatus, Maus; Abbildungsmaßstab: 0,5 11m.
Synaptischer Spalt Endigung und Muskelzelle sind Schwann-Zellen aufgebaut wird. Die präsynaptische Axon-
durch den 50 - 100 nm weiten synaptischen Spalt getrennt. endigtmg wird durch Proteinbriicken, die den synaptischen
In diesem Spalt befindet sich eine gemeinsame Basallamina, Spalt durchziehen, an der postsynaptischen Membran ver-
die von der Muskelzelle tmd den das Axon begleitenden ankert.
-·
Postsynaptische Membran Die postsynaptische Mem-
bran der Muskelfaser ist im Bereich der neuromuskulären
U ,
, A
~~~
·p•
~.
•
~
J
.. a
Endplatte stark gefaltet (Abb. 3.4.38, Abb. 3.4.39). Für
ihre Falttmg ist das Protein Dystrophin mitverantwortlich.
In der postsynaptischen Membran liegen bis zu 10000
Acetylcholinrezeptoren{fll112 , die zur Gruppe der nikoti-
Abb. 3.4.3 7 Schaft- nischen Acetylcholinrezeptoren (ionotrope Rezeptoren) ge-
synapse. hören.
3.4 Nervengewebe 171
Funktion
Ein an der A-xonendigung ankommendes Aktionspotenzial
öffnet spannungsabhängige CaZ<-Kanäle. Ca2• strömt in die
Endigung ein und mehrere hundert präsynaptische Vesikel
Axon-
verschmelzen mit der präsynaptischen Membran. Acetyl-
cholin wird freigesetzt und bindet an die postsynaptischcn
Acetylcholinrczcptoren. Oie Acetylcholinrezeptoren sind
Ionenkanälc, die durch die Bindung von Acetylcholin geöff-
net werden und Na• in die Zelle und K• aus der Zelle strö- Mark- _
scheide
men lassen. Dies fUhrt zur postsynaptischen Depolarisation.
Durch das Enzym Acetylcholinesterase, das sich im Bereich
der Basallamina befindet, wird Acetylcholin sehr rasch ge- Endosom --
spalten und damit inaktiviert. Ocr Cholinrcst wird vom
Bouton wieder aufgenommen Lllld zur Synthese von neuem synaptische ••
Vesikel
Acetylcholin genutzt.
Die postsynaptische Depolarisatio n breitet sich entlang Endkolben des
der Membran der Muskelfasern bis in die T-Tubuli aus. Sie Axons
löst dort über Oihydropyridin- und Ryanodinrezeptoren
eine Preisetzung von Ca2• aus dem longitudinalen sarkoplas- präsynaptische
matischen Retikuhun aus (Kap.3.3). Membran
Schwann·Zelle ---- --
Merke Oie motorische Endplatte (neuromuskuläre Junk-
tion) ist die Synapse zwischen der Axonendigung eines
a -Motonemons und einer Skelettmuskelzclle. Sie nutzt
Basallamina•
Acetylcholin als Netrrotransmitter, die postsynaptische
Seite enthält nikotinische Acetylcholinrczcptoren.
a
Abb. 3.4.38 Motorische Abb. 3.4.40 Innervation
End platte. einer muskulären Arterie.
172 3 Gewebe
dies z. B. Kapitel eines Lehrbuchs. Beide Erfahnmgen lösen Merke Man unterscheidet verschiedene Formen synap-
einen Lernvorgang aus und führen zu Erinnerungen, die tischer Plastizität:
abgerufen werden können. • nach der Dauer: Kurzzcitplastizität, Langzeitplastizität
Einer der Pioniere auf den1 Gebiet Lernen auf zellulärer • nach dem Effekt: Potenzierung, Depression
Ebene war der Psychologe Donald 0. Hebb (1904-1985), • nach dem Ort der Entstehung: präsynaptisch, postsyn-
der die Hypothese fo rmulierte, dass Lernvorgänge auf der aptisch
Ebene der NervenzclJen zu chemischen oder strukturellen
Verändenmgen führen müssen. Tatsächlich gelang es, der-
artige zclJulären Veränderungen nachzuweisen und damit Strukturelle Änderungen bei synaptischer Plastizität
zu belegen, dass sich Nerven7.ellen beim Lernen verändern. Synaptische Plastizität führt zu funktio nellen, chemischen
Als "Ort des zellulären Lernens" wird heute die Synapse und strukturellen Änderungen von Synapsen. Strukturelle
zwischen 2 Nervenzellen angesehen. Synaptische Verbin- Änderungen sind am Beispiel der Dornsynapse, der am bes-
dungen sind nämlich nicht immer gleich stark, sondern ten verstandenen zentralen Synapse, nachzuvollziehen. Wird
können durch synaptische Aktivität verändert werden. Selu diese Synapse auf eine bestimmte Art und Weise stinmliert,
vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass besonders aktive kann die synaptische Übertn1gung verstärkt werden (Poten-
Synapsen verstärkt Lmd wenig aktive Synapsen abge- zierung). Kurze Stimulationen führen zu kurz anhaltenden
schwächt werden. Diese Pähigkeit zur Veränderung und funktionellen Änderungen (z. B. durch die Phosphorylie-
Anpassung der synaptischen Transmission bezeichnet man rung von Rezeptoren), stärkere Stimulationen können die
als synaptische Plastizität. Synthese neuer Proteine auslösen (z.B. Synthese Lmd Einbau
neuer Rezeptoren) Lmd zur Änderung der Genexpression
Formen synaptischer Plastizität des stimulierten Neurons führen (z. B. Transkription von
Strukturgenen). Eine zentrale Rolle spielen bei diesen Vor-
Dauer Kurzzeitplastizität ist eine Änderung der synapti- gängen Glutamatrezeptoren vom AMPA- und NMDA-Typ,
schen Übertragung, die nur Sekunden bis Minuten dauert, die Erhöhlmg der intrazellulären Ca2•-Konzentration und
Langzeitplastizität ist dagegen eine Änderung der synap- das Protein Ca2 • -abhängige Calmodulinkioase (CamKJD.
tischen Übertragtmg für mehrere Stunden bis zu Jahren.
Langzeitpotenzierung Die sehr lang anhaltenden Ände-
Effekt Eine synaptische Übertragung kann verstärkt (Po- rungen (Langzeitpotenzierung; "long· term-potentiation",
tenzierung) oder abgeschwächt werden (Depression). LTP) gehen i.d.R. mit strukturellen Veränderungen der
Dornen einher: Je aktiver Do rnen sind, desto größer ist ihr
Ort Änderungen an der Präsynapse werden als präsynap- Kopfumfang (Abb. 3.4.42). Von funktioneller Bedeutung
tische, solche an der Postsynapse (z. B. höhere Depolarisa- ist, dass die Größe des Dornkopfes und d ie synaptischen
tion bei gleicher pr'cisynaptischer Transmitterfreisetzung) Übertragungseigenschaften der an ihm befindlichen Synap-
als postsynaptische Plastizität bezeichnet. sen miteinander in Beziehung stehen. So enthalten die
3.4 Nervengewebe 173
Bedingungen synaptischer Plastizität sind noch nicht ver-
standen.
Einteilung
Man gliedert das eflcrente vegetative Nervensystem in 2
funktionellund strukturelltmterschiedliche Teile, das sym-
pathische und das parasympathische Nervensystem. Davon
abgegrenzt wird das enterische Nervensystem:
• Sympathisches Nervensyst em: Es wird aktiviert, um die
Leisttmgsfahigkeit zu erhöhen (z. B. bei körperlicher
Anstrengung oder in Notfallsituationen). Es erhöht die
Herzfrequenz, erweitert die Bronchien und erhöht den
Blutdruck. Haupttransmitter sind Adrenalin und Nor-
adrenalin.
• Parasympathisches Nervensystem: Es wird aktiviert, um
die Eingeweidetätigkeit anzuregen (z. B. bei einem Ver-
dauungsschlaf nach dem Mittagessen). Es wirkt dämp-
fend auf die Aktivität von Herz und Lunge (Verengung
der Bronchien), fördert hingegen den Körperstoffwechsel
(z.B. Verdauung, Niercnfunktion). Haupttransmitter ist
Acetylcholin.
• Enterisches Nervensystem: Es steuert die Motilität (Peri-
staltik) und Verdauungstätigkeit (z. B. Magensaftsekre-
tion) des Magen-Darm-Trakts. Es wird von Sympathikus
und Parasympathikus beeinflusst, funktioniert aber auch
autonom (intramurdle vegetative Plexcn, Plexus submu-
Abb. 3.4.42 Strukture lle Plastizität von Dornen. Dendri- cosus und myentericus).
tensegment einer lebenden Körnerzelle in einer Zellkultur.
Durch das Einschleusen eines Gens für das grün fluoreszieren- Merke Das vegetative Nervensystem erhält das innere
de Protein (GFP) lassen sich die Dornen des Segments ( ~ ) Milieu des Körpers (Homöostase). Anteile des vegetativen
mit einem konfokalen Mikroskop über 30 Minuten beobach- Nervensystems liegen im ZNS und PNS.
ten. In dieser Zeit verändern sich die Dornen (Plastizität).
Dornen können innerhalb dieses Zeitraums neu entstehen
(1 ), abgebaut werden (2) oder überwiegend konstant bleiben Verschaltungsprinzipien des peripheren
(3). Abbildungsmaßstab: 1 IJm.
vegetativen Nervensystems
Viszeromotorisc he Efferenze n Sympathische tmd para-
sympathische Efl.erenzen bestehen aus 2 hintereinanderge-
schalteten Neuronen. Das 1. Neuron liegt im ZNS (Rücken-
Synapsen eines großen Dorns mehr Glutamatrezeptoren mark oder Hirnstamm) tmd wird als präganglionäres
(AMPA-Rezeptoren) als die eines kleinen Dorns. Dadurch Neuron bezeichnet. Es erreicht mit seinem Axon (präg-m-
bedingt, kommt es an den Synapsen der großen Dornen zu glionäres Axon) ein vegetatives Ganglion (Kap. 18.2.2) und
einer stärkeren postsynaptischen Antwort als bei Synapsen wird dort auf ein 2. Neuron (postganglionäres Neuron)
von kleinen Dornen. umgeschaltet. Dieses erreicht wicderwn mit seinem Axon
(postganglionäres Axon) das Ziclorgm (Abb. 3.4.43).
NeubHdung von Dornen Oie Stimulation einer Nerven- Der Neurotransmitter zwischen prä- und postgmglionä-
zelle kann auch die Neubildung von Dornen auslösen. rem Neuron ist immer Acetylcholin. Der Neurotrmsmitter
Diese werden innerhalb einiger Minuten gebildet. Die ge- zwischen postganglionärem Neuron und Zielorgan ist im
nauen Mechanismen der Neubildung von Domen unter Fall des Parasympathikus Acetylcholin, im Fall des Sympa-
174 3 Gewebe
: Skelett- :
1 1•-------::::~a:-:-::::--------<( : muskel- :
cholinerg ,: ________
fasern ,:
2e a
cholinerg
~ noradrenerg
I> ~ r-~~~~~~~1
• ~~ organ : I /r
~-----------~ I I
b ·--------'
•
thikus überwiegend Noradrenali n (Ausnahme: Innervation Abb. 3.4.44 Nervengewebe in der Muskularis des Dünn-
der Schweißdrüsen und einiger Blutgefäße. Hier wird auch darms. 1 Längsmuskulatur; 2 Ringmuskulatur. Neben zahl-
vom Sympathikus Acetylcholin als Neurotransmitter ver- reichen kleinen einzelnen Nervenfaserbündeln ( ~) kommt
wendet). Die Zielorgane sind mit unterschiedlichen Rezep- es im Bereich zweier Gangllen (3) des Auerbach-Plexus zu
torsubtypen für die Neurotransmitter besetzt. Dies ist be- starker Konzentration von Nervengewebe. Schwein; immun-
deutsam für die Wirkttngsweise von Medikamenten, die histochemischer Nachweis (S-100-Protein); Vergr. 250-fach.
selektiv die Funktion bestimmter innerer Organe, z.B. des
Herzens (,,kardioselcktive" Medikamente), beeinflussen.
Viszerasensorische Neurone Die viszerasensorischen Sympathikus Im Sympathikus liegt das Perikaryon des
Neurone liegen mit ihren Perikarya in den sensorischen präganglionären Neurons im Seitenhorn der grauen Sub-
Ganglien (Kap. 18.2.1). Es sind pseudounipolare Ganglien- startZ des Rückenmarks. Das schwach myelinisierte Axon
zellen, die mit ihrem zcntralw'.irts gerichteten Axon ins verlässt das Rückenmark über die ventrale Wurzel des Spi-
Rückenmark oder in den Hirnstanm1 ziehen (Hirnnerven, nalnervs und endet in einem Ganglion der paravertebralen
besonders N. vagus). Die Verbindungen zwischen den vis- Ganglienkette (vegetativer Grenzstrang. Truncus sympathi-
zerasensorischen Neuronen und den viszeramotorischen cus) oder in den großen unpaaren prävertebralen Ganglien
Neuronen in Hirnstanun und Rückenmark sind die anato- (Ganglion coeliacllll1, oberes und unteres Ganglion mesen-
mische Basis für viele vegetative Reflexbögen (z. B. Baro- teriC1lln). Dort enden die präganglionären Axone an multi-
rezeptor-Reflcx). Daneben gibt es zahlreiche Reflexbögen polaren postganglionären Neuronen.
atillerhalb des ZNS auf Ebene der vegetativen Ganglien. Die Axone der p ostganglionären Neurone enden in der
Hierbei enden Viszcroaflerenzcn aus den Organen an Nähe ilircr Zielzcllen, z. B. glatte M uskelzcllen oder Drüsen-
viszeramotorischen Ganglienzellen (z. B. lokale Regelung zellen. Transmitter ist hier meistens Noradrenalin (Norepi-
der Organdurchblutung). Diese periphere Vernetzung ist nephrin), das in spezifischen Vesikcln mit dichtem Inhalt
Grundlage der autonomen Regulation des peripheren vege- gespeichert und mehrheitlich aus Aufueibungen des Axons
tativen Nervensystems. (Varikositäten) an die Umgebung abgegeben wird.
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Abb. 3.4.45 Mikroskopische Anatomie der Hirnhä ute. Leptameninx (Pia materund Arachnoidea), matt-gelblich; Sub-
arachnoidalraum (SAR, Cavitas subarachnoidea), hell, mit Makrophagen; Dura materund Neurothel, grau. Am linken Bildrand
ist die Beziehung der Hirnhäute zu den Nervenscheiden zu erkennen. Grün: Basallamina. Das Neurothel besteht aus einem
ein- oder mehrschichtigen Verband dicht gepackter abgeflachter fibroblastenähnlicher Zellen, die über Desmosomen, Nexus
und auch light Junctions verbunden sind. Die braun gezeichneten Zellen in Arachnoidea und Pia werden auch Meningeal-
zellen genannt; sie kleiden den Liquorhaitigen Subarachnoidalraum aus; im Allgemeinen wird das gesamte Neurothel der
Arachnoidea zugezählt. Das Neurothel steht in Zusammenhang mit dem Perineurium. (Aus [4))
176 3 Gewebe
Abb. 3.4.46 Wirbelkanal mit Rückenmark (*) und Abb. 3. 4 . 47 Rückenmarks häute. 1 Nervengewebe des
Rückenmarks häuten. 1 Pia mater; 2 Arachnoidea; 3 Dura Rückenmarks (weiße Substanz); 2 Pia mater; 3 Arterie in der
mater; 4 Epiduralraum; 5 Periost am Wirbelkörper (6); Pia mater; 4 Arachnoidea mit Subarachnoidalraum (5) und
7 hinteres Längsband; 8 ventrale SpinalnervenwurzeL Im feinen Bindegewebstrabekeln (... ), die von flachen Menin-
Bereich des Rückenmarks und der Rückenmarkshäute sind gealzellen (zarter roter Saum der blau gefärbten Trabekel)
präparativ bedingt einzelne Artefakte (v. a. Risslinien) *
bedeckt werden. ~ Neurothel; artifizieller Subduralraum;
aufgetreten. Pavian; Färbung: Masson-Trichrom; Vergr. 6 Dura mater; 7 Epiduralraum. Pavian; Färbung: Masson-
5-fach. Trichrom, Vergr. 250·fach.
Stellen treten die beiden Blätter auseinander tmd bilden die Arachnoidea
Wände der Sinus durae matris. Die Arterien der Dura (Äste
der Aa. meningeae) liegen iru periostalen Blatt Sie können Die Arachnoideaisteine locker gebaute Schicht, zu der auch
bei Schädelverletzungen bluten (Epiduralblutung). der Subarachnoidalrawn gezählt wi rd. Die vielgestaltigen
Zellen der Arachnoidea heißen Meningealzellen und ent-
Wirbelkanal Im Wirbelkanal sind Dura und Periost der sprechen modifizierten Pibroblasten. Der Subarachnoidal-
Wirbeiknochen durch den Epidttralraum, der Venenplexus raum enthält Liquor cercbrospinalis und wird von zarten
und Fettgewebe enthält, getrennt (Abb. 3.4.46, Abb. 3.4.47). Bindegewebstrabckeln einrehzogen (Abb. 3.4.45, Abb. 3.4.47).
Er wird von flachen, über Desmosomen und Nexus ver-
Subdurales Neurothel Zwischen Duramater und Arach- knüpften Meningealzellen ausgekleidet, die auch die Trabe-
noidea liegt eine Schicht aus mehreren Lagen flacher Zellen kel bedecken. Die Trabekel ziehen bis zttr Pia mater ttnd ver-
(Abb. 3.4.45, Abb. 3.4.47). Diese Schicht wird als Nettrothel binden die Arachnoidea mit ilhr. Arachnoidca und Pia mater
(in Analogie zu Mesothcl) bezeichnet tmd baut sich aus epi- sind also aus dem gleichen Material und können mtr dttrch
thelähnlichen, über Tight Junctions verbttndenen flachen den Abriss der Trabekel voneinander getrennt werden (da-
Zellen (Meningealzellen) auf. Die Innerste Zellschicht des her werden Arachnoidca und Pia auch als Leptomeninx,
Nettrotbels ist mit der Arachnoidea über Zellhaften verbun- weiche Hirnhaut, zusammengefasst und der Subarachno-
den, die äußerste Zellschicht ist mit der Dura venvachsen. idalrawn als CaVttrn lcptomeningiClllll bezeichnet).
Einen physiologischen Spaltrawn zwischen Dura und Die Arachnoidca wölbt sich an einigen Stellen in die Sinus
Arachnoidea gibt es somit nicht Dieser kann mtr unter pa- durae matris vor. An diesen Arachnoidalzotten (Pacchioni-
thologischen Bedingungen entstehen. Das Nettrothel gilt als Granulationen; Abb. 3.4.48) wird der Großteil des Liquors
Diffusionsbarriere zwischen Arachnoidea und Dttra und abgegeben. Dies geschieht sehr schnell; Farbstoffe, die in
setzt sich in das Perlneuralepithel der Nerven fort. den Subarachnoidalrawn gegeben werden, finden sich schon
3.4 Nervengewebe 177
Merke
• Dltra mater: liegt dem Schädelknochen unmittelbar an;
derbes Bindegewebe
• Arachnoidca: liegt der Dllf3 mater an; mit der Dura
materüber das Neurothel verbunden; überzieht den mit
Liquor cerebraspinals geflillten Subarachnoidalraum,
mit der Pia matcr über Bindcgcwebstrabekel verbunden
• Pia mater: liegt dem Gehirn unmittelbar an und folgt
den Furchen der Hirnobcrfläche.
nach 10-30 Sekunden im Blut. Ein Teil des Liquors wird Klinik Die Hirnhäute und die Rälm1e zwischen den Hirn-
auch über Lymphbahnen außerhalb des Schädels, z. B. über häuten sind von praktischer Bedeutung, da es in diesen Be-
die Endoneuralrämne der Hirn-und Spinalnerven, resorbiert. reichen zu Blutungen kommen kann. Man unterscheidet:
• Epidurale Blutung: Arterielle Blutung einer Meningeal-
arterie (meistens A. meningca media) in den Bereich zwi-
Pia mater schen Knochen llnd Dura mater. Durch die Blutlmg wird
Die Pia mater liegt der Hirn- und Rückenmarkseberfläche die Dura mater vom Knochen abgelöst. Es entstel1t da-
unmittelbar auf. Auf Seite des Gehirns befindet sich die dmch ein pathologischer, beim Gesunden nicht vorhan-
eberflächliche Gliagrenzmembran, Membrana limitans dener "cpiduraler RaLun".
gliae superficialis, die das Gehirn gegenüber den Hirnhäu- • Subdurale Blut ung: Venöse BlutLmg einer Brückenvene
ten abgrenzt. Sie besteht aus e.iner eberflächlichen Basalla- (zieht vom Subarachnoida.lraum zu einem Sinus dmae
mina und den EndfUßen ve n Astrezyten (Kap. 3.4.2, Blut- matris und dltrchquert die Arachnoidea und Dura) in den
Hirn-Schranke). Bereich des Nemothcls zwischen Oltra und Arachnoidea.
H istologisch besteht die Pia mater aus flachen Menin- Dadmch entsteht hier ein pathologischer, beim Gesunden
gealzellen, die abgeflachten Fibroblasten entsprechen. Sie nichtvorhandener ,,subduraler Raum".
ähneln den Meningealzellen der Arachnoideatrabekel, die • Subarachnoidalbl utun g: Arterielle Blutung aus einem
in der Pia verankert sind (Abb. 3.4.45, Abb. 3.4.47). An fa- Gefaß im Subarachnoidalraum (meist Blutung aus einem
serigen Matrixkomponenten sind feine Kollagenfasern und arteriellen Anemysma am Orculus arteriosus). Der Li-
einzelne elastische Fasern ausgebildet. Makrophagen, Mast- quor ist blutig.
zellen und Lymphozyten sind regelmäßig zu finden. • Intrazerebrale Blutung: Zumeist arterielle Blutung aus
Die Pia ist gefaßrcich und begleitet die Blutgefäße, die einem Gcfaß innerhalb des Gehirns. Das Blut verdrängt
von der Oberfläche ins Gehirn eindringen, in die Tiefe. Die das umliegende Gewebe. In manchen Fällen kommt es zu
größeren Gefaße werden dabei zunächst noch von einem Blutungen in das Ventrikclsystcm.
Ausläufer des Subarachnoidalraums begleitet, dem perivas-
kulären Raum (Virchow-Robin-Raum). H ier lassen sichre- Blutlmgen innerhalb des Schädels sind für den Patienten
gelmäfMg perivaskuläre Makrophagen nachweisen, denen sehr gefahrlich, da der Rawn innerhalb des Schädels be-
eine Rolle bei der Immunabwehr des Gehirns zugeschrieben grenzt ist und die Blutungen Hirngewebe verdrängen kön-
wird. Mit zunehmender Verjiingung der Gefaße verengt nen (Hirnd ruck). Bei einer Verdrängung des Hirnstamms
sich der perivaskuläre Raum, und im Bereich der Kapillaren können zudem das Atemzentrum Llnd das Kreislaufzentrltrn
liegt schließlich das Gefaßendothel unmittelbar der Mem- geschädigt werden. Dies ist für den Patienten lebensbedroh-
brana limitans gliae perivascularis an. lich.
C 03 Lernhinweise zu Kapitel 3
KAPITEL
Blutzellen
4.1 Erythrozyten ..................... 180 4.4 Blutzellbildung (Hämatopoiese) ....... 191
4.4.1 Blutzellbildung während der
4.2 Leukozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Ern bryon alentwicklung . . . . . . . . ....... 191
4.2.1 Granulozyten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.4.2 Blutzellbildung im Knochenmark
4.2.2 Lymphozyten ...................... 186 des Erwachsenen ................... 191
4.2.3 MonozytenjMakrophagen . . . . . . . ...... 188 4.4.3 Differenzierung der Blutzellen .......... 193
4.1 Erythrozyten
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Erythrozyten sind als ausgereifte Zellen kernlos und be- Protein Hämoglobin, das auch flir die Eosinophilie der
sitzen keine Organellen. Sie sind bikonkave Scheiben mit Erythrozyten verantwortlich ist. Sie machen ca. 45'Xo des
einem Durchmesser von ca. 7,5 11111. Die eigenar tige Zell- Blutvolumens aus. Ihre Zahl beträgt ca. 4,5 -5,5 Millionen
gestalt wird durch spezielle Zytoskelettelemente an der pro mm3 . Eine Anämie ist durch zu niedrigen Hämoglo-
Innenseite der Zellmembran aufrechterhalten. Wesentli- bingehalt oder eine zu geringe Erythrozytenzahl gekenn-
cher Inhalt der Erythrozyten ist das sauerstoffbindende zeichnet
''
Protein 4.1
Troporhyosin
: Intrazellulärraum :
Abb. 4.2 Molekularer Aufbau der Zellmembran eines Erythrozyten. Protein 4.1, Aktin, Spektrin und Tropomyosin bilden
ein Laminäres Netzwerk unter der Zellmembran. Glykophorin und Protein 3 (Bande-3-Protein, anionentransportierender Kanal,
erlaubt Transport von Bicarbonat durch die Membran im Austausch gegen Chlorid) durchqueren die Membran. Glykophorin,
Protein 3 und bestimmte Lipide tragen außen Zuckerketten. Ankyrin und Protein 4.2 verbinden Spektrin mit Protein 3.
Protein 4.1 ist mit Glykophorin verbunden. Die Membran enthält unterschiedliche Phospholipide, die sich in der inneren und
äußeren Membranhälfte unterscheiden, außen finden sich insbesondere Sphingomyelin und Phosphatidylcholin. (Verändert
nach (7))
C]
Abb. 4.3 Erythrozyten.
Klinik Im Zusammenhang mit Veränderungen an oder in Merke Erythrozyten sind 7,5 !Ull große, scheibenförmige
den Erythr oZ}1en gibt es eine ganze Reihe von Krankheiten. Zellen mit beiderseitiger zentraler EindellLmg. Diese spe-
Die Zahl der Erythrozyten oder ihre Gestalt kann verändert zifische Gestalt ist dLLTch das submembranäse Netzwerk
sein, sie können weniger Hämoglobin enthalten oder durch aus Spektrin und Aktin bedingt. Die Erythrozyten besit-
Parasiten befallen werden: zen keinen Kern und keine Organellen. Ihr Zytoplasma
• Zahl: Eine Anämie ist durch zu geringe Erythrozytenzahl enthält fast nur Hämoglobin.
oder zu geringe Hämoglobinmenge charakterisiert. Ur-
sache kann z.B. chronischer Blutverlust, Vitamin-B12-
Mangel oder eine zu geringe Erythrozytenproduktion in-
folge Erythropoietinmangels sein, wie er für chronische
Nierenerkrankungen typisch ist. Bei einer Eiserunangel-
anämie liegen z.B. relativ kleine, blasse Erythrozyten vor,
man spricht von mikrozytärer, hypochromer Anämie.
• Größe: Erythrozyten können kleiner oder größer als im
Normalfall sein (Mikrozyten, Makrozyten). Liegen unter-
schiedlich große Erythrozyten vor, spricht man von An-
isozytose.
• Gestalt: Gibt es unterschiedlich gestaltete Erythrozyten,
spricht man von Poikilozytose. Rundliche Erythrozyten
heißen Kugelzellen (Sphärozytcn). Die Kugelgestalt be-
ruht auf unterschiedlichen genetischen Defekten der sub-
membranäsen Proteine des Zytoskeletts, die zu abnormer
Zcllgestalt führen; Kugelzellen werden intensiv in der Abb. 4.6 Blutausstrtch bei Sichelzellenanämie. Die
Milz abgebaut (Kugclzcllenanämie). (hämoglobinarmen) Erythrozyten sind generell blass und ihre
• Parasiten: Malaria ist eine Krankheit, die sich vor allem in Gestalt ist oft atypisch ( -')). Mensch; Färbung: nach Wright;
den Erythrozyten abspielt und die durch Plasmodien Vergr. 450-fach.
(Protozoen) verursacht wird (Abb. 4.5).
• Hämoglobin: Eine Reihe von erythrozytären Krankheiten
ist durch abnormes Hämoglobin gekennzeichnet (Hämo-
globinopathien), z. B. die Sichelzellenanämie (Abb. 4.6).
4.2 Leukozyten
_____________________________________ ZurOrtentierung -------------------------------------
Die Leukozyten sind auch als ausdifferenzierte Zellen Neutrophilcn, Eosinophilen und Basophilen), Lympho-
kernhaltig. Sie unterscheiden sich v. a. in Zellgröße, Kern- zyten (mit B- und T -Lymphozyten) und Monozyten. Die
morphologic, Gehalt an typischen Granula und Zytoplas- Zahl der Leukozyten im Blut beträgt ca. 4500 - 11 000 pro
marnenge. Sie dienen vor allem der Abwehr pathogener mm3 (meistens umS000 -6000).
Mikroorg.~nismen. Zu ihnen gehören Granulozyten (mit
Einteilung und Anzahl Leukozyten (weiße Blutzellen) Lmd verschiebt sich bei einem eitrigen Infekt oft auf über
sind die kernhaltigen Blutzellen. Pro mm3 kommen norm a- 80~ der gesamten Leukozyten.
Ierweise 4500- 11 000 Leukozyten vor. Sie mach en nur 1~
des Blutvolw11ens aus. Die Leukozyten werden unterteilt Diapedese Leukozyten gehen, wie alle Blutzellen, auf
in: Stantrn- Lmd Progenitorzellen im Knocherunark zmück
• Granulozyten, (s.u.). Als ausgereifte Zellen erfiillen sie ihre Funktion meist
• Lymphozyten und außerhalb des Blutes, d. h., sie werden im Blut nur trans-
• Monozyten. portiert tmd müssen es verlassen (in den postkapillären Ve-
nolen), um ihre PLmktion erfiillen zu können. Die Auswan-
In der klinischen Hämatologie werden Lymphozyten und denmg der Leukozyten aus dem Blutstrom wird Emigration
Monozyten wegen ihres nicht segmentierten Kerns auch als oder Diaperlese genannt. Die Leukozyten haften am Endo-
"mononuklcäre Zellen" zusammengefasst. In der klinischen thel an und bilden feine Plilichen aus, die sich in das Endo-
Routine werden 5 Leukozytentypen Lmterschieden: neutro- thel vorschieben. Ein Püßchen übernimmt dann die Füh-
phi.le Granulozyten, cosinophile Granulozyten, basophi.le rung, schafft sich eine größere Öffnung in Endothel und
Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten. Das Differen- Basallamina und zieht schließlich die ganze Zelle durch das
zialblutbild erfasst den mengenmäßigen Anteil der einzel- Endothel. Die Öffnung befindet sich oft im Zytoplasma der
nen Leukozytentypen in Prozent, wobei die Gesamtzahl der Endothelzellc, karm aber auch zwischen 2 Endothelzellen
Leukozyten 100~ entspricht (Tab. 4.1). Die Anzahl der Leu- liegen, wobei dann die Zellkontakte geöffnet werden. Die
kozyten kann sich bei Krankl1eiten ver'cindern. Der Nornlal- Leukozyten verhalten sich beim Kriechen wie eine Amöbe;
wert für neutrophile Granulozyten betr'.igt z. B. oft ca. 609' Motor der BewegLmg sind Aktin und Myosin.
4.2 Leukozyten 183
Oberflächen- Zelltypen
moleküle
CDl kortikale Thymozyten, Langerhans-Zellen
CD3 T-Lymphozyten
CD57 NK-Zellen
CD68 • Gewebemakrophagen
• Monozyten
• Neutrophile
Merke Man benutzt häufig die Kurzform für die verschie- Morphologie
denen Granulozytentypen: Neutrophile, Eosinophile und
Basophile. Die ausgereiften Neutrophilen sind 8,5-10 fUll große Zellen
mit segmentierten Kernen tmd rosa bis zartviolettem Zyto-
Der Name "Granulozyten" beruht auf der Existenz zahl- plasma (Abb. 4.9, Tab. 4.3). Diese Anfärbtmg bentht im We-
reicher Granula im Zytoplasma. Diese färben sich entweder sentlichen auf den zahlreichen zytoplasmatischen Granula.
mit sauren Farbstoffen wie dem Eosin (rot) oder mit basi-
schen Farbstoffen wie Methylenblau und Azur dunkelblau/ Kerne Die heterochromatinreichen Kerne besitzen 3-4
violett an. Die Kerne der reifen Granulozyten sind dtmkel Segmente, die über sehr dünne Kernabschnitte (Kernbrü-
tmd in tmregelmäßiger Art tmd Weise in Segmente geglie- cken) verbtmden sind (Abb. 4.8, Abb. 4.9, Abb. 4.10). We-
dert, die durch schmale Kernanteile (Kernbrücken) mitein- gen dieser segmentierten Kerne werden die ausgereiften
ander verbunden sind. Neutrophilen auch Segmentkernige genannt. Die Gestalt
der Kerne ist im Detail bei jedem Neutrophilen etwas ver-
schieden, weswegen sie auch polymorphkernige Granulo-
zyten genannt werden. Der biologische Vorteil der segmen-
tierten Kerne liegt möglicherweise darin, dass sich solche
a Kerne leichter an die Verformbarkeit der Zellen anpassen
Abb. 4. 7 Immunhisto- können, wie sie z. B. bei der Emigration aus dem Blut oder
chemischer Nachweis des der Wandenmg durch die BindegewebsmatrLx zu beobach-
CD20-Proteins. ten ist.
184 4 Blutzellen
Jugendliche Neutrophile besitzen einen dichten, band- produktion, Histanlinase, Rezeptoren für Laminin ltnd
bzw. stabformigen Kern (Stabformige), der noch nicht verschiedene Faktoren, die das Anheften der Zellen am
und nur angedeutet segmentiert ist. Ihre Zahl ist in Zeiten Endothel fördern. Diese Granula sind im Elektronen-
mit hohen Verlusten an ausgereiften Neutrophilen, wie mikroskop nur von mittlerer Dichte ltnd länglich, ilire
bei vielen bakteriellen Eotzltndungen, im Blutstrom er- Zahl übertrifft die der primären Granu.la erheblich.
höht.
Das Chromatin der Kerne ausgereifter Neutrophiler ist
überwiegend sehr dicht. Bei Prauen ist öfter das hyperme-
Funktion
thylierte X-Chromosom als kleiner trommelschlägelformi- Neutrophile haben eine Schlüsselrolle bei der akuten Ent-
ger Anhang arn Kern der Neutrophilen erkennbar ("drum- ziindungsreaktion. Ihre wichtigste Punktion ist die Phago-
stick", Trommelschlägcl). Im Zytoplasma konu11t neben den zytose, v. a. von Bakterien, aber auch von manchen Viren.
Granula viel Glykogen vor (Abb. 4.10). Diese Phagozytose findet im Gewebe statt, sodass die Neu-
trophilen zuerst aus dem Gefäß (postkapilläre Venole) ein-
Granula Unter den Gr.mula im Zytoplasma sind 2 Typen dringen (Diapedcse) und sich dort einen Weg zwn Krank-
zu ltnterscheiden: heitsherdbahnen müssen (Chemotaxis).
• Azurophile (= primäre) Granula färben sich mit dem
Azurfarbstoff violett an und sind im Elektronenmikro- Diapedese Neutrophile sind sowohl mitten im Blutstrom
skop dltnkel und entsprechen Lysosomen. Sie enthalten (frei schwimmende Ncutrophile) als auch am Rand der
u. a. Hydrolascn, Elastase, Myeloperoxidase, katlenisehe Gefäße (randständige, marginicrte Neutrophile) zu finden.
Proteine, das bakterizide Protein, das beim Abtöten gram- Randständige Neutrophile stehen im Kontakt mit dem
negativer Bakterien eine wichtige Rolle spielt, und De- Endothel. Dieser Kontakt wird im groBen Kreislauf durch
fensine, Polypcptide tnlt breiter antim ikrobieller Aktivität spezifische Zelloberllächcnmoleküle, die Selektine, vermit-
gegen Bakterien, Pilze und bestimmte Viren mit einer telt. Diese Glykoproteine kommen sowohl auf den Neutro-
Hlillstruktur. philen (L-Selektin = CD62L und Sialyl-Lewis X= CD15S)
• Spezifisch e (= sekundäre) Granula enthalten u. a. Lakto- als auch auf dem Endothel (E-Sclektin = CD62E und P-Se-
ferrin, Vitan1in-B12-bindende Proteine, alkalische Phos- lektin = CD62P) vor. Die Expression von Selektinen auf den
phatase, NADPH-Oxidase fi.ir die Wasserstoflperoxid- Endothelzellen wird durch aktivierte Makrophagen (über
TNFa ltnd IL-1) stimuliert. DieSelektine der Neutrophilen
binden an die der Endothelzellen (Abb. 4. 11). Der Kontakt
ist Zltnächst relativ locker (" rolling"). Bei Verletzungen
oder Entzündungen entstehen chemotaktische Stimuli, wel-
che den Kontakt intensivieren. Als Folge "kleben" die N eu-
trophilen am Endothel postkapillärer Venolen, wobei die-
c ser Kontakt durch granulozytäre lntegrine (LFA-1 und
Abb. 4.10 Intravaskulärer Mac-1) und endotheliale Adhäsion smolekiile (ICAMl =
neutrophiler Granulozyt. CD54 und ICAM2 = CD102) vermittelt wird (Abb. 4.11) .
Neutrophiler
,,r_-"c=:"'>_.-
2
'''
' '
Endothelzelle
MAC-1
CD31
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'' '
Selelctin der. __
Endothelzelle
Tumomekrose- ''
faktor-a (TNF-a) '
lnter1eukln-1
(IL-1)
•
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Abb. 4.12 Neutrophiler c
'"._,, ~-· - •. · • ,,,.:~
ii. '·.·-.
., .:· , ·,: ~.'" . ·.· "'."~.· Granulozyt mit phago- Abb. 4.14 Eosinophile
ll:lh • >-,...,.•.• ~··:.•<'J+'· i! zytierten Herpesviren. Granulozyten.
Granula azurophile und spezifische Granula rot und relativ groß, unterschiedlich groß und tintenblau,
kristaUines Zentrum in der EM fein granulierter Inhalt in der EM
186 4 Blutzelle n
Funktion Basophile
Eosinophile können phagozytieren Lmd sind viellanglebiger
Morphologie
als die Neutrophilen. Sie können im Gegensatz zu Neutro-
phllen rezirkulieren und sind fi'lr die Abwehr von Parasiten Die 8-1 1 11m großen Basophllen (Tab. 4.3) ähneln funktio-
(v.a. Würmern) wichtig. Sie besitzen Fe-Rezeptoren, mit nell in vieler Hinsicht den Mastzcllen.
deren Hilfe sie an antikörperbedeckte (lgG und/oder IgE)
Parasiten oder Parasitenlarven binden Lmd diese abtöten Kern Sie besitzen einen relativ großen heterochromatin-
können. Wenn siez. 8. aufSchistosomalarven treffen, lagern reichen Kern, der unterschiedlich gestaltet sein kann. Er ist
sie sich in großer Zahl und zum Teil in mehreren Schichten oft mndlich und wenig eingekerbt, kann aber auch zwei-
auf deren Oberfläche an und setzen toxische Substanzen frei. lappig sein. Im Ausstrich wird er oft von den großen baso-
Zu den Enzymen der Eosinophllen gehört lL a. eine Eosi- phllen (blauen) Granula verdeckt (Abb. 4.16).
nophllenperoxidasc, die die Oxidation mehrerer Substrate
durch Wasserstoffperoxid katalysiert und dadurch am Ab- Granula Die Granula (Abb. 4.17) sind unterschiedlich
töten von Mikroorganismen beteiligt ist. Dieses Enzym leitet groß, von einer Membran begrenzt sind und besitzen einen
auch die Sekretion der MastzeUgranula ein. Im Zytoplasma fein granulierten Inhalt.
kommt auch das Charcot-Leyden-Kristallprotcin vor, das
im SputLUn von Astlunapatienten zu tinden ist, Lysophos-
pholipaseaktivität besitzt und wahrscheinlich eine Rolle bei
Funktion
der Entgiftung von Lysophospholipiden spielt. Viele weitere Die Granula der basophilen Granulozyten enthalten u.a.
Faktoren sind in Eosinophilen nachgewiesen, darunter ein Peroxidase (wie die der anderen Granulozyten), Histamin
sehr wirksames Neurotoxin. und Heparin, Zytokine (IL-4), Mediatoren, eosinophilen
chemotaktischen Paktor und neutrale Protease. Zur nonna-
len Funktion dieser seltenen Zellen ist erst wenig bekannt.
Klinik Die Zahl der Eosinophilen ist bei WurmerkrankLm-
Sie besitzen manche funktionelle Übereinstimmungen mit
gen (Schistosomen, Hakenwürmer, Trichinen, Echinokok-
ken, Blasenwürmern, Askariden u.a.), vielen allergischen den Mastzcllen, z. B. haben sie an ihrer Oberfläche hochaffi-
ne IgE-Rezeptoren und setzen nach Vernetzung des gebun-
Reaktionen (z. 8. bei Allergien gegen bestimmte Medika-
denen IgE dLrrch Antigen Histamin frei.
mente, bei Asthma bronchiale und Ekzemen) Lmd anderen
Erkrankungen erhöht (Eosinophilie, mehr als 700 Eosino-
phllc/mm3). Ihre Zahl im Gewebe kann erhöht sein, ohne 4.2.2 Lymphozyten
dass das im Blutbild nachweisbar ist. Bei schwerem Astluna
bronchiale wandern sie in größerer Zahl sogar in das Epithel Zirka 22-44% der Blutleukozyten sind Lymphozyten, in
der Atemwege ein (Abb. 8.1) und tinden sich auch im Aus- absoluten Zahlen sind das ca. 2200 - 4400 Lymphozyten im
wurf (Abb. 4.15). Sie spielen eine komplexe Rolle als Aktiva- mm3 Blut. Lymphozyten sind die spezifischen Zellen des
toren und Mediatoren bei entzündlichen und immunologi-
schen Prozessen.
a
Abb. 4.17 Intravaskulärer
basophiler Granulozyt.
4.2 Leukozyten 187
Inummsystems (Kap. 6); ihr Name bezieht sich auf die Tat- phozyten nicht voneinander zu unterscheiden, dies gelingt
sache, dass sie fast als einzige Leukozyten auch in der nur mit immtmhlstochemischen Methoden (Abb. 6.31, Abb.
Lymphflüssigkeit vorkonunen und in den lymphatischen 6.32). Sie haben einen rundlichen, recht dtmklen Kern mit
Organen beheimatet sind. ganz schmalem ZytoplasmasalUu (Abb. 4.18), in dem sich
vor allem Ribosomen und einzelne Mitochondrien finden
(Abb. 4.19). Andere Organellen (Golgi-Apparat, RER und
Einteilung Lysosomen) sind nur spärlich vorhanden bzw. auffallend
Lymphozyten gehören 2 großen Klassen an, den B- und den klein. Solche Zellen mit wenigen Organellen und schmalem
T -Lymphozyten: Zytoplasmasaum sind i. A. naive Lymphozyten (Kap. 6).
• 8 -Lymph ozyten entstehen im Knochenmark (engl
"h one marrow") oder, bei Vögeln, in der Bursa fabricü
und machen 10-15~ der zirkulierenden Lymphozyten Funktion
aus. Lymphozyten sind in der Lage, sich aktiv zu bewegen und
• T -Lymphozyten entstanuuen letztlich auch dem Kno- z. B. dttrch Endothelien hindurchzuwandern. B-Lympho-
chenmark, wandern aber sehr früh in den Thymus und zyten sind die Träger der hlUuoralen, I-Lymphozyten die
reifen hier aus. Im peripheren Blut sind 70-80% der der zellulären Immunität (Kap. 6).
Lymphozyten T -Lymphozyten.
Klinik Speziell bei Viruserkrankungen finden sich öfter
Beide Lymphozytentypen leiten sich ebenso wie alle anderen
mittelgroße oder große Lymphozyten. Bei diesen Zellen
Blutzellen von einer gemeinsamen Stammzelle im Knochen-
handelt es sich tun aktivierte Lymphozyten. Besonders gro-
mark her. Zu den Lymphozyten werden außerdem natür-
ße, sog. monozytoide Lymphozyten erreichen einen Durch-
liche Killerzellen (NK-Zellen) gerechnet. messer von 15-18 11m. Bei ihnen handelt es sich mehr-
heitlich tun CD8-positive I -Lymphozyten. Sie heißen auch
8- und T-Lymphozyten "Pfeiffer-Zellen" (benannt nach Emil Pfeiffer, 1846-1921,
Internist tmd Pädiater in Wiesbaden). Man findet sie beim
Morphologie Pfeifler-Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose), einer vom
Im Blutausstrich variiert die Größe der Lymphozyten von Epstein -Barr-Virus verursachten Infektionskrankheit.
ca. 6 bis ca. 12 1un, im Pappeoheim-Präparat sind die meis- Lymphatische Leukämien sind bösartige Erkranktmgen
ten Lymphozyten 6-8 !!m groß. Man spricht von kleinen, lymphatischer Vorläuferzellen im Knochenmark bzw. in
mittelgroßen und großen Lymphozyten. Oie Ursachen für lymphatischen Geweben. Sie können akut oder chronisch
die Größemmterschiede sind in vieler Hinsicht noch tmk!ar, verlaufen. Im Blut sind vor allem in späteren Stadien unreife
aber wahrscheinlich sind die größeren Formen aktivierte pathologische Zellen vermehrt nachzuweisen, und normale
Lymphozyten. Speziell Virusbefall aktiviert Lymphozyten. Blutzellen der weißen oder anderer Blutzellreihen werden
Im gefärbten Routine-Blutausstrich sind B-und T-Lym- verdr'.ingt (Abb. 4.20).
4.2.3 Monozyten/Makrophagen
Die relativ großen (Durchmesser 15-20 j.Ull) Monozyten a
entstehen wie die anderen Leukozyten im Knochenmark
und befinden sich meistnur 12-24 h im Blut, wo sie 2-8'Mt
der Leukozyten ausmachen. Sie wandern dann ins Binde-
gewebe, wo sie sich zu verschiedenen Typen von langlebigen
Makrophagen entwickeln.
Morphologie
Blutmonozyten sind die größten Leukozyten im Blut und
besitzen oft einen nierenförmigen, gelegentlich auch einen
zweilappigen Kern mit "wolkiger" Struktur {Abb. 4.22). Das
taubengraue-blaue Zytoplasma enthält einzelne azurophile
Granula (Lysosomen). Die Ultrastruktur ist durch einen
b
Abb. 4.22 Mono- und Thrombozyt. a: Monozyt mit nieren-
förmigem Kern im Blutausstrich. Mensch; Färbung: Pappen-
heim; Vergr. 1150-fach. b: Thrombozyten(~) im Blutaus-
strich. Im Ausstrich verklumpen die Thrombozyten öfter und
bilden kleine Gruppen. Hyalomer (heller Randsaum) und
Granulomer (dichtes Zentrum) sind gut zu unterscheiden.
Mensch; Färbung: Pappen heim; Vergr. 1150-fach.
4.3 Thrombozyten
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Thrombozyten sind Zytoplasmafragmente mit konstan ter Rolle bei der Blutstillung. Pro mm3 Blut kommen 150 000
hochorganisierter Struktur, die durch Abschnürung aus bis 450 000 Thrombozyten vor.
den Megakaryozyten entstehen. Sie spielen eine wichtige
Thrombozyten (Blutplättchen) sind Teil des komplexen, speziellen Kollagenrezcptor, der zur lntegrinfarnilie gehört.
blutstillenden (härnostatischen) Systems. Ein Drittel der Diese Verbindung wird durch den Von-Willebrand-Faktor
Thrombozyten wird in der Milz gespeichert ("sequestriert"), stabilisiert, der sowohl von den Thrombozyten als auch von
zwei Drittel zirkulieren im Blut. Ihre Lebensdauer im Endothelzellen gebildet wird und der normalerweise in einer
Blut beträgt 7-10 Tage. Sie werden von Makrophagen vor Menge von 10 mg/1 im Blut vorkommt. Durch die Adhäsion
allem in der Milz abgebaut. Normalerweise kommen werden die Thrombozyten aktiviert und bilden viele schlan-
150000-450000 Thrombozyten in einem mm3 Blut vor. Bei ke kontraktile Fortsätze aus. Sie setzen dann den Inhalt ihrer
Frauen sinkt ihre Zahl vor Beginn der Menstruation. Granlila frei. Weitere aktivierte Plättchen aggregieren an der
verletzten Stelle (Abb. 4.25a). Sie bilden in wenigen Minuten
zusammen mit Fibrin und mehr oder weniger zahlreich en
Morphologie Erythrozyten einen an der GefäBwand haftenden Thrombus,
Thrombozyten sind linscnfOrmigc, 2 -4 jll11 große, kernlose der die Verletzungsstelle abdich tet.
Zytoplasmatische Gebilde mi t geordneter Struktur (Abb.
4.22), die durch Abschniirung von Zellfortsätzen der Mega- Klinik Ein Mangel an Blutplättchen (unter I S0 000/1!1) heißt
karyozyten des Knoch enmarks entsteh en (Abb. 4.24). Sie Thrombo(zyto)p enie, was akute Blutungsgefahr bedeutet.
besitzen eine hohe Glykokalyx. Ihr Zytoplasma ist in ein Ursachen einer 1hrombozytopenle sind Bildungsstörungen,
zentrales Granulomer und ein periph eres Hyalomer geglie- vor allem infolge von Erkrankungen des Kn ochenmarks,
dert. pathologische Sequcsticrung in der Milz oder pathologisch
beschleunigter Abbau, wie er bei einer ganzen Reih e von
Granulomer Thrombozyten besitzen ein Zentrum mit Krankheiten auftritt, z.B. bei viralen tmd bakteriellen Infek-
verschiedenen Granulmntypen, Ribosomen, Glykogenpar- tionen. Eine Reihe von Medikarnenten kann zu Thrombo-
tikeln, einzelnen glatten ER-Schläuchen Ltnd wenigen Mito- zytopenie flihren.
chondrien, das Granulomer (Abb. 4.2.5). Zmn Granulomer Ein Oberschuss an Blutplättchen (über 450000/ltl) wird
gehören auch Lysosomen (mit Endeglykosidasen und He- Thrombozytose genannt. Zu einer 1hrombozytose kommt
parin spaltendem Enzym). Unter den Granula lassen sich es im Rahmen einer ganzen Reihe von Krankheiten, z. B. bei
dichte Granula (enthalten Calcium, Serotonin und Adeno- proliferativen Erkrankungen des Knochenmarks.
sindiphosphat) von hellen, sog. a-Granula abgrenzen (ent- Bei den meisten Formen der Von-Willebrand-Krankheit
halten u. a. Von-Willebrand-Faktor, Fibronectin, Thrombo- ist der Von-Willebrand-Faktor erniedrigt. was die Blutungs-
spondin, Blutplättchen-Wachsturnsfaktor [PDGF, wichtig zeit verlängert. Dieser Faktor transportiert den Gerinnungs-
für Stimulation der Fibrozyten bei späteren Reparaturvor- faktor VIII, den antihämophilen Faktor, und ist an der Be-
g'J.ngen] und ein Heparin neutralisierendes Protein). Kenn- festigung der 1hrombozyten am freigelegten Bindegewebe
zeichnend sind außerdem tubuläre Membransysteme: im Fall von Gefäßverletzungen beteiligt.
• Ein gewunden und unregclmäBig verlaufendes Tubulus-
system steht mit der Oberfläche in Verbindung Ltnd ent-
spricht einer schlauchfOrmig eingestlilpten Zellembran. Megakaryozyten-
Es kann im EM -Präparat in Form von rundlichen oder Lumen eines fortsatz mit sich
ovalen oder "labyrin thartigen" Ausschnitten angetrofren Endothelzelle Knochen- abschnürenden
der Sinuswand markssinus Erythrozyt. Thrombozyten
werden. über dieses System werden Sekretionsprodukte • • ·. ~
der Thrombozyten abgegeb en.
• Ein zweites, geschlossenes Tubulussystem enthält fein- •'
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flockiges Material. Es steht nicht mit der Zellob erfläch e in
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Merke Thrombozyten sind 2-4 1-1m große Zytoplasma- und tubulären Strukturen und ein peripheres Hyalomer,
fragmente, die durch Abschnürung aus den Megakaryo- in dem sich Mikrotubuli und kontraktile Proteine befin-
zyten des Knochenmarks entstehen. Sie besitzen ein zent- den. Sie haben eine wichtige Funktion bei der Blutgerin-
ral gelegenes Granulomer mit verschiedenen granulären nung.
Die reifen Blutzellen leben nur relativ kurze Zeit (Tage bis Merke Phasen der Hämatopoicse: mcgaloblastische Pha-
Monate), sodass sie ständig neu gebildet werden müssen. Es se, hepatolienale Phase, medulläre Phase.
wird geschätzt, dass bei Erwachsenen täglich ca. 200 Milliar-
den Erythrozyten tmd ca. 70 Milliarden Neutrophile neu ge-
bildet werden. Die Neubildung der Blutzellen tmd der Blut- 4.4.2 Blutzellbildung im Knochenmark
plättchen erfolgt beim Erwachsenen im Knochenmark und
wird Hämatopoiese genannt. Auch die Vorstufen der Lym- des Erwachsenen
phozyten entstehen im Knochenmark. T-Lymphozyten Alle Blutzellen gehen auf eine Stammzelle im Knochenmark
verlassen das Knochenmark dann sehr früh und reifen im zuriick, die multipotente hämatopoictische StallllUZC!le. Bei
Thymus heran. B-Lymphozyten reifen größtenteils im Kno- der Differenzierung und Ausreifung der einzelnen Blutzell-
chenmark (engl. "bone marrow") oder beim Vogel in der linien spielen vor allem Zytokine eine wesentliche Rolle.
Bursa fabricii; ihre letzten Differenzierungsschritte finden in
Lymphknoten, Tonsillen und Milz statt.
Einflussfaktoren der Blutzellbildung
4.4.1 Blutzellbildung während der Zahlreiche rcgulatorische Paktoren kontrollieren die be-
darfsgerechte Bildtmg neuer Blutzellen, besonders wichtig
Embryonalentwicklung sind einige Zytokine.
Megaloblastische (mesoblastische) Phase Erste Anzei- Zytokine sind lösliche Proteine oder Peptide, die von
chen der Blutzellbildung findet man schon in der 3. Schwan- zahlreichen hämatopoietischen und nicht hämatopoieti-
gerschaftswoche, und zwar im Mesenchym von Dottersack schen Zellen gebildet werden. Sie sind Signalpeptide bzw.
und KörperstieL In sog. Blutinseln entstehen erste Vorstu- rcgulatorische Mcdiatoren, die wichtige Ftmktionen bei
fen der Erythrozyten, die sich zu primitiven Erythrozyten der Hämatopoiese, bei der Entwicklung und Aktivienmg
entwickeln (enthalten noch einen Zellkern tmd werden Me-
galoblasten genannt).
c a
Abb. 4.27 Knochenmark Abb. 4.28 Makrophage,
des Menschen mit Gitter- umgeben von orthochroma-
fasergerüst tischen Normoblasten.
4.4 Blutzellbildung (Hämatopoiese) 193
Iäufer der retikulären Zellen angelagert. Durch dieses Endo- Die Beziehungen der Lymphozytenformen untereinander
thel wandern die ausgereiften Blutzellen in das Sinuslumen sind in mancher Hinsicht noch ungck:lärt. Granulozyten,
aus. Im Endothel entstehen dabei wenige f.UU weite Poren Erythrozyten, Monozyten und Megakaryozyten besitzen
(Migrationsporen), die sich nach Durchtritt der Zelle wie- eine gemeinsame Progenitorzclle (GEMM). Diese Zelle ist
der schließen können. Ausgangspunkt für je eine Linie zu Megakaryozyten und
Erythrozyten und eine für Monozyten und Granulozyten.
Die Linie zu Mcgakaryozyten und Erythrozyten trennt sich
4.4.3 Differenzierung der Blutzellen dann nach Durchlaufen eines weiteren Progenitorzell-
staillums. Granulozyten, Mastzellen, Monozyten und (inter-
Überblick
illgitierende) dendritische Zellen besitzen eine Progerntor-
Ausgangszelle der Entwicklung und Differenzierung der zelle (GM), von der aus Eosin ophile und Basophile
Blutzellen (Abb. 4.29) ist die multipotente hämatopoietische (+ Mastzelle) früh eine eigene Entwicklung einschlagen.
Stammzelle. Deren Proliferation wird vom Stammzellfaktor Monozyten, dendritische Zellen und Neutrophile bleiben
(SCF) angeregt und fUhrt zur Bildung einer Progenitorzelle vermutlich noch über eine weitere gemeinsame Progenitor-
(GEMML = Progernto rzolle für Granulozyten, Erythrozyten, zelle verbunden und trennen sich relativ spät.
Megakaryozyten, Monozyten und Lymphozyten) für alle Es ist schwer, die vielen Entwicklungsstufen der roten
Blutzelltypen. Von dieser Zelle gehen vermutlich 2 große und weißen Blutzellen zu identili7leren. Zellen der Erythro-
Entwicklungslinien aus: poiese bilden Ansammlungen, die an den dichten, nmden
• zu den 3 Lymphozytenformen (T- bzw. B-Lymphozyten, Kernen der Normoblasten erkennbar sind. Megakaryozyten
natürliche Killerzellen) sowie zu lymphoiden dendriti- (s. u.) sind große zytoplasmareiche Zellen mit vielfältig ge-
schen Zellen und Jappten, polyploiden Kernen. Sie liegen oft an der Wand der
• zu Erythrozyten, Megakaryozyten, Monozyten, Granulo- Sinus, in deren Ltm1cn sie schlanke Portsätze strecken, von
zyten (und Mastzcllen) sowie den interdigitierenden den- denen sich die 1hrombozyten abschnüren.
dritischen Zellen.
Eosinophiler
Neutrophiler
lnterdigitierende
dendritische Zelle
Basophiler
Mastzelle
TPO Megakaryozyt,
Blutplättchen
HSC EPO
--=:.:...=.-1-- e Erythrozyt
IL-1 5 natDrtiche
Killerzelle
IL-2o I
T-Lymphozyt
IL-7
f------. ~
B-Lymphozyt Plasmazelle
Multipotente Stammzellen flOh intermedilr spät
0
----------------- -- -- ---r---------••••••••••••••·---
0
0
I
0
Vorlauferzellen
Abb. 4.29 Hämatopoiese (Schema). Die Entwicklung geht von den multipotenten Stammzellen (links im Bild) aus, verläuft
über Vorläuferzellen, die in ihren Entwicklungsmöglichkeiten zunehmend eingeengt werden, bis zu den ausgereiften Blutzel-
len (rechts im Bild). Bei der Teilung der Stammzellen entstehen u. a. auch wieder Stammzellen. HSC • Hämatopoiese-Stamm-
zelle; GEMML - Ursprungszelle für Granulozyten, Erythrozyten, Monozyten, dendritische Zellen, Megakaryozyten und Lympho-
zyten; GEMM - Ursprungszelle für Granulo-, Erythro-, Mono- und Megakaryozyten sowie dendritische Zellen und Mastzellen;
L = Ursprungszelle der Lymphozyten und natürliche Killerzellen; GM = Ursprungszelle der Granulozyten und Monozyten;
ME= Ursprungszelle für Megakaryozyten und Erythrozyten. Die Entwicklung der Blutzellen wird zunächst durch die Expression
verschiedener Transkriptionsfaktoren (z. B. c-Myb, PU.l, E2A) gesteuert. Sobald die Entwicklung zu bestimmten Blutzellen
festgelegt ist. regulieren Zytokine (Interleukine) und Kolonie stimulierende Faktoren die weitere Differenzierung (IL-5, G-CSF,
M-CSF, IL-3, TPO, EPO, IL-15, IL-2, IL-7).
194 4 Blutzellen
Einflussfaktoren Proerythroblast
Stimulierende Faktoren Wesentlich für die Hämato- Die ersten dieser Vorläuferzellen der Erythrozyten sind die
poiese sind Paktoren bzw. hormonähnliche Substanzen, die Proerythroblasten (E1, Abb. 4.30), nmdliche, ca. 15 f.Ull gro-
in geordneter Weise die verschiedenen Linien der Blutzell- ße Zellen mit großem, hellem Kern, der 2 Nukleoli enthält,
bildtmg stimulieren und hemmen. Zu den stimulierenden tmd basophilem Zytoplasma.
- - -
Ursprungszelle für pluripotente
Megakaryozyten und Stammzelle
Erythrozyten
- @ - @- @- 0 - @- 0
Pro- basophiler poly- poly- ortho- Retikula- Erythro-
erythroblast Erythroblast chromatischer chromatischer chromatischer zyt zyt
E1 E2 Erythroblast Normoblast Normoblast
E3 E4 E5 Abb. 4.30 Erythropoiese.
4.4 Blutzellbildung (Hämatopoiese) 195
Erythroblasten Retikulozyt
Basophiler Erythroblast Wenn sich Proerythroblasten Die ganz jungen Erythrozyten, die fti.r 2 -3 Tage im Kno-
teilen, entstehen basophile Erythroblasten (E2). Diese be- chenmark verbleiben, enthalten noch Ribosomenaggrcgate,
sitzen ein stark basophilcs Zytoplasma und einen etwas die mit Brillant-Kresylblau als feines Netzwerk erkannt wer-
kleineren Kern mit etwas vermehrtem Heterochromatin. den können; solche Zellen heißen Retikulozyten und sind
Elektronenmikroskopisch enthalten sie zahllose freie Ribo- oft nach Blutverlust vermehrt.
somen (noch kein RER) und auch schon erste Hämoglobin-
partikel im Zytoplasma.
Granulozytopoiese
Polychromatischer Erythroblast Aus basophilen Eryth- Unter Granulozytopoiese versteht man die Differenzierung
roblasten entstehen die kleineren polychromatischen Ery- der Granulozyten. Diese leiten sich auch von den multi-
throblasten (E3), deren Kern vermehrt Heterochromatin potenten hämatopoietischen Stammzellen ab. Die 3 Granu-
enthält und in deren Zytoplasma die Hämoglobinmenge lozytentypen durchlaufen morphologisch ähnliche Diffe-
zunimmt, was im gefarbten Ausstrichpräparat zu wech- renzierungsstadien (Abb. 4.32) Diese Proliferations- und
selnder Färbung, die von blaugrau bis zu olivgriin reicht, Differenzierungsstadien dominieren das histologische Bild
fi.ihrt. des Knochenmarks und sind viel zahlreicher als die Zellen
der Erythropoiese. Der Grund hJerftir ist wahrscheinlich,
dass die Erythrozyten viellanglebiger (bis 120 Tage) sind als
Normoblasten die kurzlebigen (2- 3 Tage) Granulozyten, die also ständig
Aus den polychromatischen Erythroblasten entstehen poly- neu gebildet werden müssen.
chromatische Normoblasten (E4). Diese Zellen teilen sich
nicht mehr und entwickeln sich zu orthochromatischen
Normoblasten (ES), die sich dann weiter ausdifferenzieren.
Myeloblasten
Das Zytoplasma wird immer hämoglobinreicher, was sich Die ersten Vorläuferzellen sind die Myeloblasten. Sie sind
an zunehmender Eosinophilie (Rotfarbung) ablesen lässt. ca. 15 pm große Zellen mit großem, relativ hellem Kern, der
Der Kern wird kleiner und immer dichter (Abb. 4.30, Abb. mehrere Nukleoli enthält. Das Zytoplasma ist mäßig baso-
4.31 ); helles Euchromatin verschwindet völlig, ebenso alle phil und enthält noch keine Granula.
Zellorganellen. Das gesamte Zytoplasma ist schließlich weit-
gehend mit Hämoglobin gefüllt. Der Kern wird ausgesto-
ßen, womit der fast ausgereifte, kernlose Erythrozyt entstan-
Promyelozyten
den ist. Wenn sich die Myeloblasten teilen, entstehen relativ große
(ca. 25 pro im D urchmesser) Promyclozyten, die in ihrem
stark basophilen Zytoplasma azurophile Granula enthalten.
Der Kern ist eingekerbt und enthält v. a. zum Rand hin ver-
mehrt Heterochromatin. Sie teilen sich ein- oder zweimal,
wobei sie kleiner werden und dann späte Promyelozyten ge-
nannt werden. Diese besitzen einen heterochromatinreichen
Kern, die Zahl der azurophilen Granula nimmt etwas ab. Bis
Werher sind die Entwicklungswege der NeutrophJien, Eosi-
nophilen und Basophilen morphologisch nicht zu tmter-
scheiden.
Myelozyten
Eine Unterscheidung ist erst möglich, wenn die jeweils spe-
zifischen Granula entstehen, was mit dem nächsten Diffe-
renzienmgsstaditml, dem Myelozyten, der Fall ist. Bei der
weiteren Differenzienmg mlissen also neutrophJle, eosino-
phile und basophile Myelozyten unterschieden werden. Sie
können vor allem an ihren spezifischen Granula erkannt
werden.
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Erythroblast, E2
I
-·"'
Ptomyelozyt-Eo
-·-
Promyelozyt-Baso
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Ptomyelozyt-N
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I
Myelozyt-Eo Myelozyt-Baso Myelozyt-N
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Nonnoblast, E4
I
Metamyelozyt-Eo Metamyelozyt-Baso Metamyelozyt-N
I I I
Normoblast, ES
I
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(I
Stabkemlger-Eo Stabkemlger-Baso Stabkemlger-N
Retlkulozyt I I I
I Abb. 4.32 Vorläuferzellen der E..ythrozyten und
Granulozyten, die im Knochenmarkausstrich mit der
Pappeoheim-Färbung differenziert werden können.
Eiyth"ozyt Die Ausgangsformen aller Granulozyten werden oft
Segmentkemlger-Eo Segmentkemlger-Baso Segmentkei'I'Vger-N
Myeloblasten genannt (neutrophiter, basophiter,
E2 = Basophller Erythroblast
E3 = Polychromatischer Erythroblast
eosinophiter Myeloblast). Die Ausgangsformen der
Eo = EosinophilerGranulozyt (Reihe)
E4 = Polychromatischer Nennoblast Baso = Basophller Granulozyt (Reihe) Eosinophiten und Basophiten werden auch Eosino-
ES = Orthochromatischer Jlbrmoblast N = Neutrophiler Granulozyt (Reihe) phitoblast und Basophitoblast genannt. (Aus [4)}
Die neutrophilen Metamyelozyten teilen sich nicht mehr, bei Bedarf, z. B. einer bakteriellen Infektion, rasch mobili-
sondern difl'erenzieren sich nur noch aus. Im Metamyelo- siert werden.
zyten sind die Kerne nierenförmig, die Zahl der spezifischen
Granula nimmt zu, die der azurophilen nimmt ab. Der Kern Eosinophile Myelozyten In den eosinophilen Myelozy-
verdichtet sich weiter und nimmt längliche Gestalt an, es ten tauchen neben den azurophilen Granula die spezifi-
entstehen die Stabkernigen. Diese wandeln sich zu den rei- schen, großen, eosinophilen Granula auf. Typische Stab-
fen segmentkernigen Neutrophilen um (Kap. 4.2.1}, deren kernige fehlen in der Entwickltmg der Eosinophilen. In den
Kern 3-4 Segmente auhveist (Abb. 4.8, Abb. 4.9). Metamyelozyten nehmen die spezifischen Granula die typi-
Die Entwickltmg der Neutrophilen dauert ca. 10 Tage, sche Morphologie mit dem kristallinen Kern an. In den
ihre Lebenszeit im Blut beträgt i. A. nur 6-8 h. Im Binde- reifen Eosinophilen ist der Kern meist zwei-, seltener drei-
gewebe leben sie 2-3 Tage. Die Entwicklung vom Myelo- lappig.
blasten dauert ca. 5 Tage, die Dül'erenzierung vom Meta-
myelozyten bis zum frühen Segmentkernigen ca. 3 Tage. Basophile Myelozyten Die basophilen Myelozyten sind
Im Knochenmark verbleibt stets eine große Reserve an nur selten zu finden. Die großen spezifischen Granula sind
Metamyelozyten, Stabkernigen und reifen Neutrophilen, die metachromatisch. In den ausgereiften Basophilen ist der
4.4 Blutzellbildung (Hämatopoiese) 197
Kern zumeist rundlich kompakt oder zweilappig. Es gibt
eine Hypothese, der zufolge sich aus den Basophilen unter
dem Einfluss von Interleukin-3 und -4 Mastzellen entwi- . ~
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Lymphopoiese
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Auch die Lymphozyten besitzen eine Stammzelle im Kno-
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Killerzellen (Abb. 4.29).
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B-Lymphozyten Die B-Lymphozyten entwickeln sich
über mehrere Difi'erenzierungsstufen lebenslang im Kno-
chenmark bis zu einem fast reifen Stadium mit Ober-
flächen-Immunglobulinen (slg+ ). Bis zu diesem Stadimn
entwickeln sich die B-Zellen ohne Einfluss von Antigenen.
Nachdem sie das Knochenmark verlassen haben, besiedeln
die B-Lymphozyten die Follikel der sekundären lympha-
tischen Organe (Lymphknoten, Milz, Tonsillen, Peyer-
Plaques), wo sie sich lmter dem Einfluss von Antigenen
weiter differenzieren. Dieser Einfluss hat ständige Verän-
derung der Imnumglobulingene - ein Prozess, der "somati-
sche Mutation" genannt wird- zur Polge.
Monopoiese
Auch die Monozyten leiten sich von den Blutstammzellen
her. Sie entwickeln sich anfangs gemeinsam mit den Gra-
nulozyten und dendritischen Zellen. Über Monoblasten lmd
Promonozyten entstehen Monozyten. Die Entwicklung der
Monozyten ab der Stammzelle dauert nur gut 2 Tage. Sie
bleiben nur ca. 12-24 h im Blut und wandern dann ins
Bindegewebe ein. Hier difi'erenzieren sie sich unter Ver-
mehrung der Lysosomen vor allem zu Makrophagen (Kap.
3.2.3). Abb. 4.33 Rotes Knochenmark in einer EM-Aufnahme.
1 Megakaryozyt mit stark gelapptem Kern, der zweimal (*)
Thrombopoiese angeschnitten ist; aus dem Megakaryozyten gehen durch
Abschnürung peripherer Zytoplasmateile die Thrombozyten
Entstehung der Thrombozyten hervor; 2 unreife eosinophile Granulozyten; 3 noch kern-
haltige Zellen der Erythropoiese; 4 weitgehend ausgereifte
Mit dem Begrifi' 1hrombopoiese wird die Entstehung der Erythrozyten ohne Kern; 5 Knochenmarksinus mit dünnem
Blutplättchen (1hrombozyten) bezeichnet. Die Blutplätt- Epithel; im Lumen des Sinus Lymphozyten. Ratte; Vergr.
chen bei Säugetieren und Mensch sind kleine, kernlose 2840-fach. (Aus (1))
Zytoplasmastrukturen, die durch Abschnürungsprozesse
aus den Megakaryozyten entstehen (Abb. 4.33). Von diesen
großen Zellen gehen Portsätze aus, die bis in das Lmnen der
Blutsinus reichen und von denen sich die Blutplättchen Struktur der Megakaryozyten
ablösen (Abb. 4.24). Die Megakaryozyten entstehen lmter Megakaryozyten sind auffällige, 50-70 (gelegentlich bis
Einfluss stimulierender Paktoren innerhalb von ca. 10 Tagen 150) f1111 groHe Zellen im Knochenmark, die meist in Nähe
aus den hämatopoietischen Stanunzellen. 1hrombozyten der Sinus liegen (Abb. 4.33).
werden lmter dem Einfluss des 1hrombopoietins gebildet,
das vor allem in der Leber synthetisiert wird und dessen Re- Polyploider Kern Der große Kern ist variabel gestaltet
zeptor (Mpl) auf der Membran der Megakaryozyten sitzt. lmd bildet Lappen lmd Segmente aus (Abb. 4.31 , Abb. 4.34).
198 4 Blutzellen
a
Abb. 4.35 Megakaryo-
zyten.
- lyn'CIIllcnoten
--lJ'•'P'91.a&
5.1 Blutgefäße
----------------------------------- ZurOnen~erung -----------------------------------
Das Syst em der Blutgefäße lässt sich in 3 große Abschnitte kräftige durchgehende Komponente der Intima ausge-
gliedem: bildet. In den Kapillaren ist die Wand nur aus Endo-
• die Arterien thelzellen und aus einzelnen Perizyten aufgebaut.
• die Endstrombahn mit Arteriolen, Kapillaren und • Die Media besteht aus glatter Muskulatur und in ganz
Venolen verschiedener Ausprägung aus Bindegcwebsmatrix, in
• die Venen. der elastische Lamellen und feine Kollagenfasern domi-
nieren.
Die Arterien leiten Blut vom Herzen weg. Die Endstrom- • Die Adventitia besteht vor allem aus elastischen Fasern
hahn versorgt die Gewebe und Organe mit Sauerstoff, und kräftigen Kollagenfasern. In der Wand der Venen,
Nährstoffen und verschiedenen regulatorischen Stoffen; speziell der unteren Körperbereiche und der Beine, ent-
den Arteriolen kommt bei der Regulation der Kapillar- hält die Adventitia auch längs verlaufende glatte Mus-
durchblutung eine wesentliche Bedeutung zu. Die Venen kulatur. In der Adventitia größerer Gefäße kommen
leiten das Blut zum Herzen zurück. auch Blutgefäße vor, die die äußere Media versorgen.
Die Wände der Gefäße (bis auf die der Kapillaren) las- Außerdem sind die Gefaße von vegetativen Nerven um-
sen sich in 3 Schichten gliedern: Intima, Media und Ad- sponnen, am dichtesten im Bereich der Arteriolen.
ventitia. Die spezifische Ausgestaltung dieser 3 Schichten
variiert jeweils in den einzelnen Körperregionen tmd Or- Arteriovenöse Anastomosen sind direkte Verbindungs-
ganen tmd ist i. A. mit dem jeweiligen Blutdruck korreliert. kanäle zwischen kleinen Arterien und kleinen Venen.
Arterien sind meist kompakter und muskelzellreich er auf- Die Entstehtmg von Blutgefcil3en in der Embryonalzeit
gebaut als Venen. wird Vaskulogenese genannt, wenn neue Gefäße im
• Die Intima besteht aus Endothel, zarter Bindegewebs- Erwachsenenalter entstehen, z.B. nach Verletzungen, im
schicht und einer Elastica interna. Die Elastica interna Corpus luteum und in Ttunoren, spricht man von Angio-
ist in der Wand der Arterien immer gut erkennbar, in genese.
der Wand der Venen ist sie dagegen meistens nicht als
5.1.1 Kennzeichen der Blutgefäße ven und kleine Blutgefäße., die die äußeren Anteile der
Gefäßwand versorgen.
Baumaterialien und Wandschichten
Baumaterialien Die Blutgefäße (Tab. 5. 1) sind aus fol- An der Grenze der Intima zur Media hin ist bei Arterien
genden Zellen und cxtra7..cllulären Baumaterialien aufge- (und zum Teil auch bei Venen) eine kräftige Lamelle elasti-
baut: schen Materials ausgebildet, die Elast ica intema, die noch
• Zellen zur Intima gezählt wird. Am Überg-ang der Media zur Ad-
- End othelzellen sind flache Epithelzellen, die alle Ge- ventitia ist bei muskulären Arterien eine Elastica extema
feiße und das Herz innen auskleiden. In den Kapillaren ausgebildet.
sind sie besonders flach und bilden als einziger Zelltyp
die Gefaßwand.
Endothel
- Glatte Muskelzellen kommen in tmterschiedlicher
Menge und Anordnung vor. Sie bilden die Pulswelle, Das Endothel besteht aus einer !lachen Schicht von Epithel-
regulieren die Spannung der Gefäßwand und beein- zellen, die im H erz-Kreislauf-System Endothelzellen genannt
flussen die Gefäßweite. werden, und kleidet das Ltu11en aller Gefäße tmd des Her-
• Extrazelluläres Baumaterial zens aus. Es bildet die Barriere zwischen Blut und Gewebe.
- Proteoglykane
- elastische Pasern und Lamellen
Funktion
- Kollagenfasern Typ I (Adventitia), Typ ill (Media) und
Typ IV (Endothel- ttnd glatte Muskelzellen) Die Hauptftmktion des Endothels ist der geregelte Gas- tmd
- andere Glykoproteine tmd Proteine. Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe. Es besitzt jedoch
viele zusätzliche Funktionen, z. B.:
Wandschichten Die verschiedenen Komponenten sind in • Bildtmg antikoagulativer tmd antithrombotischer Fakto-
der Gefaßwand in kennzeichnenderWeise angeordnet tmd ren (Heparansttlfatproteoglykan, Prostacyclin, 1hrombo-
bilden 3 Schichten (außer bei den Kapillaren): modulin, Plasminogenaktivator)
• Intima (= Tunica intima): besteht aus Endothel und einer • Bildtmg von Matrixkomponenten (Kollagen IV, Proteo-
darlmter liegenden, meist diinnen Bindegewebsschicht glykane, Laminin)
• Media (= Tunica media): besteht aus glatten Muskel- • Modulation des Blutflusses und der Gefäßreaktionen (Bil-
zellen, Kollagenfibrillen (Typ ill), elastischem Material dung von Vasokonstriktoren: Endothelin, ACE [angioten-
(Fasern tmd v.a. Lamellen) sowie Proteoglykanen sin convcrting enzyme] und Vasodilatatoren: NO [Stick-
• Adventitia (= Tunica adventitia): besteht aus Bindegewe- stoffmonoxid] und Angiotcnsinase)
be mit Kollagenfasern (Typ I) und ztun Teil zahlreichen • Beteiligung an der Regulation von Entzündung und Im-
elastischen Fasern und, speziell bei Venen, oft auch aus munität (Bildung von IL-1, IL-6, IL-8, Adhäsionsmole-
glatten, längs verlaufenden Muskelzellen. Sie enthält Ner- kii.len, Histokompa tibili tätsmolckiUen)
5.1 Blutgefäße 201
• Regulation des Zellwachsttmls (Bildung von wachstlUns- 5.1.3) kann es auch Pencstrationcn oder offene Poren besit-
stimulicrenden Paktorcn: PDGP ("plateletderived growth zen.
factor") und PGP ("fibroblast growth factor")
• Abbau von Blutfetten, der LDL-Rezeptor des Endothels Morphologie Die einzelnen Endothelzellen sind länglich
bindet LDL, das mittels Endozytose aufgenommen tmd polygonal (Längsdmchmcsser 25 - 50 f.UU, Querdurchmes-
dann weiterverarbcitet oder transzytotisch durch das ser ca. 10-20 ~-tm), wobei ihre Ausrichtung von der Blut-
Endothel geschleust wird. Die Lipoproteinlipase kata- strömung beeinflusst wird, d. h., ihre Längsachse liegt paral-
lysiert die Abspaltung von Triglyceriden von VLDL tmd lel zur Längsachse der Gefäße. Die Endothelzellen tragen
Chylomikronen. eine hohe Glykokalyx, die viele negative Ladungen trägt
• Ausbildtmg mechanorczeptiver molekularer Strukturen, und vielfältige Ftmktionen hat, z. B. Anreicherung von ge-
die die auf die Zelle einwirkenden Scherkräfte registrie- rinnungshemmenden Stoßen und Regulation der Adhäsion
ren, was die Anpassung des Gefäßwanddurchmessers und von Leukozyten. Sie sind dmch verschiedene ZellkontaL.1e
der Gefäßwanddicke auf das erforderliche Maß ermög- (Zonulae occludentcs (2- 5 Leisten), Nexus und Adhärenz-
licht. kontakte) verbunden. Basal bilden die Endothelzellen
schlanke Füßchen aus, die iiber kleine Gap }tmctions mit
den ionersten Muskelzellen der Media verknüpft sind.
Zellen
Das Endothel der Gefäße und des Herzens ist meistens ein Zellmembran und Zytoplasma Endothelzellen enthalten
kontinuierlich diinnes Epithel; in den Kapillaren (s. a. Kap. neben Caveolac und von ilinen abgeleiteten V esikeln auch
202 5 Organe des Kreislaufs und Lymphgefaße
alle wichtigen Zellorganellen: RER, Mitochondrien, einen (Aktin, Spektrin) stabilisiert vor allem die luminale tmd
kleinen bis mittelgroßen Golgi-Apparat, einzelne Lysoso- basale Membran.
men. Clathrinbedeckte Invaginationen und Vesikel sind
nicht selten. Regelmäßigtriffiman auf rundliche oder ovale Zellumsatz und Neubildung Endothelzellen haben einen
Sekretionsgranula. Im Zytoplasma vieler Endothelzellen langsamen Umsatz und können Jahre alt werden. Bei Verlet-
von Arterien und (am häufigsten) Venen kommen als zungen des Endothels können sie sich aber sehr rc!.Sch teilen
kennzeichnendes Organell We ibel-Palade-Kö rper vor und den Defekt heilen. Von ihnen geht auch die Bildung
(längliche, 2-4 p.m lange Granula mit tubulären Binnen- neuer Gefäße (Angiogenese) aus.
strukturen, Abb. 5.2b), die den Von-Willebrand-Faktor
(Abb. 5.3) enthalten. Der Von-Willebrand-Faktorwird api- 5.1.2 Arterien des großen Kreislaufs
kal und basal sezerniert, transportiert im Blutplasma Faktor In den Arterien herrscht ein relativ hoher Druck
VIII und spielt eine wichtige Rolle bei der Adhäsion von (120/80 mmHg, Hochdrucksystem), was sich im Wandbau
Blutplättchen und dem Verschluss einer Verletzungsstelle widerspiegelt. Dabei lassen sich 2 Arterientypen unterschei-
des Gefäßes.
den:
• Arterien vom elastischen Typ: Media vorwiegend mit
Klinik Beim überwiegend autosomal-dominant vererbten elastischen Lamellen Lmd Fasern
Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom fehlt der Von-Wille- • Arterien vom muskulären Typ: Media vorwiegend mit
brand-Faktor, ist stark vermindert oder qualitativ defekt. glatten Muskelzcllen.
Klinisch kommt es häutig zu Haut- und Schleimhautbluttm-
gen, z. B. Nasenbluten. Bei leichteren Pormen sind petechia- Elastische und muskuläre Arterien gehen graduell ineinan-
le Bluttmgen häufig. der über.
a
Abb. 5.2 Endothelzellen.
a: Endothelzelle (1) einer
Arteriole mit zahlreichen
Kaveolen (-+ ), Vesikeln und
Zytoskelettfilamenten. a Mikro-
tubuli, b Intermediärfilamente,
c Aktinfilamente; 2 schmaler
subendothelialer Bindegewebs-
raum mit Elastica intema,
3 glatte Muskelzelle, 4 Lumen.
Vergr. 17 000-fach. b: Endo-
thelzelle (1) einer Vene mit
Weibel-Palade-Körpem (-+) im
*
EM-Präparat. Intermediär-
filamente, 2 z. T. verdoppelte
oder verdreifachte Basallamina,
3 glatte Muskelzellen, 4 Lumen
des Gefäßes mit Erythrozyten.
Mensch; Vergr. 12 000-fach.
5.1 Blutgefäße 203
Media Sie ist die dickste Schicht der Arterienwand und
besteht aus konzentrisch oder flach-spiralig angeordneten,
meist dicht gepackten glatten Muskelzellen, zwischen de-
nen Gap Tunetions und punktförmige Adhärenzkontakte
(stehen mit Aktin in Beziehtmg) ausgebildet sind. Elastische
und kollagene Fasern sowie Proteoglykane sind in unter-
schiedlichem Ausmaß regelmäßig vorkommende Kompo-
nenten der Media tmd werden von der glatten Muskulatur
gebildet. In den Arterien vom elastischen Typ dominieren
in der Media die elastischen Lamellen tmd Fasern. Eine
Elastica externa ist vorhanden.
--Vasa
vasorum
-vegetativer
Nerv
I
I
Basalmembran I
I
I
Elastica
intema
Abb. 5.4 Wandaufbau der Arterie.
Schema einer Arterie vom muskulären Typ. extema
204 5 Organe des Kreis laufs und Lymp hgefäße
Arterien vom elastischen Typ Intima Das Endothel zeigt Anpassungen an das unter
hohem Druck lließende Blut und die regelmäßigen Verfor-
Elastische Arterien besitzen wie alle Arterien einen deut- mungen durch die Pulswellc: Das Zytoskelett ist hoch ent-
lichen Dreischichtenbau (Abb. 5.5). wickelt, im gesamten Zytoplasma tinden sich intermediäre
Das wesentliche Merkmal dieser Gefäße ist ihre Wind- Filamente (Vimentin), basal sind die Zellen über besonders
kesselfunL.."tion : Während des Blutauswurfs aus dem linken kräftige Stressfasern (Aktin) an der Basallamina befestigt.
Ventrikcl wird die Gefäßwand durch den hohen systoli- Die subendotheliale Bindegewebsschicht ist beim Men-
schen Druck gedehnt, was aufgrund der zahlreichen, dicht schen gut ausgebildet und enthält einzelne Pibrozyten, Kol-
gepackten elastischen Lamellen leicht möglich ist. Dadurch lagenfibrillen vom Typ III SO\IIie einzelne zarte elastische
werden erhebliche Anteile des ausgeworfenen Bluts für kur- Fasern mit einem hohen Anteil an Mikrofibrillen. Außer-
ze Zeit im erweiterten Gefäßlumen "gespeichert". Wenn die dem enthält die Intima zarte glatte Muskelzellen, deren
Aorten-(und Pulmonal-)Kiappe geschlossen ist, geht die Zahl variabel ist, aber zwn Teil erstaunlich hoch sein kann
Dehnung zurück und sorgt dafiir, dass das Blut auch in der (Abb. 5.6a, c), mitunter treten diese gla tten Muskelzellen in
Diastole weiterströmt. Die elastischen Arterien wandeln also längs orientierten Bündeln auf. Die Elastica interna ist die
aufgrundihrer Volumendehnbarkeit (Compliance) die am ionerste der vielen elastischen Lamellen der Media (Abb.
Anfang der Aorta stoßweise Blutströmung in eine kontinu- 5.6b).
ierliche Strömung wn.
Das Gewebe der Wand der elastischen Arterien wird so- Media Die Media besteht aus vielen konzentrischen elas-
wohl vom Lwnen her ernährt als auch von eigenen kleinen tischen Lamellen (in der Aorta ascendens ca. 80-100, in
Gefaßen, die von außen in die Arterienwand eintreten (Vasa der Aorta thoracica ca. 50, in der Aorta abdominalis ca. 30),
vasormn). Letztere versorgen zumindest die äußere Hälfte die durch feine elastische Pasern verbunden sein können.
der Arterienwand. Sie sind dicht gepackt und mlt - unterschiedlich weiten -
Poren und Lücken versehen. Zwischen ihnen liegen mehr
Vorkommen Arterien vom elastischen Typ: Aorta, A. sub- oder weniger zirkulär, vereinzelt auch längs angeordnete
davia, A. brachiocephalica, II.. carotis commlmis, A. iliaca glatte Muskelzellen sowie Kollagenfibrillen und Proteogly-
communis, II.. pulmonalis. kane (Abb. 5.6d). Die glatten Muskelzellen können ver-
zweigt sein und sind sowohl mit dem Kollagen als auch mit
dem elastischen System verknüpft, mit Letzterem v.a. über
Fibrillin-Mikrofibrillen. Sie sind nicht nur kontraktile Ele-
mente, sondern auch die Produzenten des Elastins, des Kol-
lagens und der Proteoglykane.
•
Adventitia Die Adventitia ist relativ dünn und setzt sich
aus Fibroblasten, vorwiegend längs verlaufenden Kollagen-
fasern (Typ I, Abb. 5.5) und einem lockeren Netz elastischer
Fasern zusammen. In dieses Bindegewebe sind kleine Blut-
gefäße (Vasa vasonun) und vegetative Nerven eingelagert.
Die Vasa vasorwn dringen in die Media ein und versorgen
annähernd ihre äußere Hälfte. Die Nerven dringen dagegen
nicht in die Media vor.
Abb. 5.6 Elastische Arterien des Menschen am Beispiel der A. carotis communis (a, c, d) und der Aorta (b). a: Breite .,..
Intima (1) mit zarten glatten Muskelzellen (rot gefärbt, ~) die oft längs, aber auch zi rkulär verlaufen. In der Media (2) glat-
te Muskelzellen (rot) und Kollagenfasern (blau), die elastischen Lamellen si nd als gewellte helle Bänder erkennbar. Färbung:
Azan, Vergr. 250-fach. b: Darstellung elastischer Lamellen in den inneren Teilen der Aortenwand. Zahlreiche elastische Lamel-
len in der Media (2). Die Elastica intema (~)ist dieinnerstekräftige elastische Lamelle. 1 Intima. Färbung: Verhoeffs
Hämatoxylin, Vergr. 250-fach. c: Aktinnachweis (braun) in schlanken glattmuskulären Zellen der Intima (1 ) und in den kräfti-
geren glatten Muskelzellen der Media (2). Immunhistochemischer Nachweis glattmuskulären Aktins, Vergr. 250-fach. d: Nach-
weis von Proteoglykanen und Glucosaminoglykanen (Blaufärbung) in Intima (1) und Media (2). Färbung: Alcian-Blau bei
pH 2,5 und Gegenfärbung mit Kernechtrot, Vergr. 250-fach.
5.1 8 lutgefäße 205
206 5 Organe des Kreislaufs und Lymphgefäße
tmd Elaslica interna gewellt verlaufen (postmortales Arte- Media In der Media finden sich je nach Gefäßgröße zwi-
fakt). schen mindestens 3 tmd 30 Schichten überwiegend konzen-
trisch angeordneter, dicht gepackter glatter Muskelzellen
Intima Die Intima ist zumeist diinne.r als die der elasti- (Abb. 5.8). Nicht selten sind einzelne längs oder steilspiralig
schen Arterien, aber sonst ähnlich gebaut. Die subendothe- verlaufende glatte Muskelzellen am Innen- tmd Außenrand
liale Bindegewebsschicht nimmt mit dem Alter an Dicke zu. der Media vorhanden. Die relativ schlanken und kurzen
In manchen Gefäßen kommen lokal polsterförmig regel- glatten Muskelzellen (Länge: 90- 130 J.lm) sind von einer
mäßig Bündellängs verlaufender glatter Muskelzellen vor, Basallamina umgeben und über Gap Junctions verbtmden.
z.B. in den Herzkranzarterien, speziell an Verzweigungen Sie sind oft verzweigt und von zarten Kollagenfibrillen
(Abb. 5.9a). Hier können sie mächtig ausgeprägt ("Intima- (fyp-ID-Kollagen) und Proteoglykanen umgeben, die
polster") sein. Die Elastica interna ist kräftig (2- 3 J.1ffi dick) ebenso wie Mikrofibrillenbündel und wenige zarte elasti-
tmd klar abgesetzt (Abb. 5.7). sche Fasern von den glatten Muskelzellen selbst produziert
..
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., Abb. 5.8 Arterie vom muskulä-
ren Typ (rechts) und begleitende
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a b
Abb. 5.9 Arterien vo m muskulären Typ mit besonderen Merkmalen. a: A. coronaria sinistra. Muskuläre Arterie mit längs
verlaufenden glatten Muskelzellen in der Intima (1 ), 2 Media. Azan-Färbung; Vergr. 250·fach. b: A. thoracica interna.
Die Media (2) dieser muskulären Arterie enthält re lativ viele kräftige elastische Lamellen. Elastica-Färbung (Aldehydfuchsin);
Vergr. 250-fach.
werden . Die Elastica cxterna ist als oft dünne, zum Teil
auch mchrlamclligc Schicht am Übergang zur Adventitia
.-:... '
erkennbar (Abb. 5.7). Außen enden an der Media vegetative
Nervenfasern, die nicht in sie eindringen.
In manchen muskulären Arterien, z. B. der A. thoracica
interna, treten auch dickere elastische Lamellen in der
(
~~
. .
...
.
Media auf (Abb. 5.9b). Dieses Gefaß eignet sich besonders
gut für Bypass-Operationen am Herzen.
•
Adventitia Die Adventitia enthält kräftige Kollagenfasern
(fyp I) und kann dicker als die Media sein. An der Grenze
zur Media finden sich zahlreiche vegetative, v.a. sympa- •
thische Nervenfasern (Abb. 5.10).
Klinik Ab dem mi ttleren Lebensalter nehmen in allen Arte- gen tmd in der Matrix (oft. mit krlstalliner Ablagerung des
rien Kollagen und Proteoglykane zu. In der Intima vermeh- Cholesterins) der Intima, sondern auch Fasern und reichlich
ren sich besonders die extrazellulären Matrixkomponenten, aus der Media eingewanderte glatte Muskelzellen, die auch
und glatte Muskelzellen werden häufiger. Diesem physiolo- Lipide einlagern können. Vielfach entstehen auch Verkal-
gischen Altcrsprozess stehen pathologische Verändenmgen kungen. Bei weiterem Portschreiten des Prozesses kommt es
gegenüber, die tmtcr dem allgemeinen Namen Arterioskle- zu Zellnckrosen, zu Erosion des Endoth els, zum Einreißen
rose (Verhärtung der Arterienwand durch Sklerosienmg der Plaques, Zltr Aggregation von Blutplättch en tmd Zltr Bil-
und Verkalktmg) zusammengefasst werden . Im Rahmen der dtmg von Wandthromben, die das Gefaßlumen einengen
Arteriosklerose hat die Atherosklerose eine ganz besondere oder verschließen können. Darin liegt die eigentliche Bedeu-
Bedeutung. Dabei handelt es sich um Intirnaverdicktmgen ttmg der Atherosklerosc, denn ein Arterienverschluss kann
durch extra- und intrazelluläre Lipidablagerungen (Plaque- die Blutversorgung der nachfolgenden Organregion unter-
bildung), die manchmal schon im Alter von 25 Jahren 30?' brechen, sodass das abhängige Gewebe abstirbt (Infarkt).
oder mehr der Gefaßwand verändert haben könn en.
5.1.3 Endstrombahn, Berekh der
Man findet in solchen (atherosklerotischen!) Regionen an-
Mikrozirkulation
fangs mit Lipiden beladene Makrophagen (Schaumzellen,
Abb. 5.11) und dann auch extrazelluläre cholesterinreiche Zur Endstrombahn gehören Arteriolen, Kapillaren, postka-
Ablagerungen. Solcherart veränderte Areale können sehr pilläre Venolen und kleine (oft noch lückenhaft) mit glatten
dick werden und enthalten nicht nur Lipide in Makropha- Muskelzellen versehene muskuläre Venolen (Abb. 5.12). Es
208 5 Organe des Kreislaufs und Lymphgefäße
a b
Ab b. 5.11 Atherosklerose. a: Experimentell erzeugte frühe Phase der Atherosklerose in der A. carotis extema. Die Intima
ist verdickt und zellreicher als normal. Viele eingewanderte Makrophagen (Schaumzellen) haben orange gefärbte Lipidtröpf-
chen phagozytiert (~) . .... Endothel Schwein; Farbung: Sudan III und Hämatoxylin; Vergr. 250-fach. (Aus [1)) b: Voll aus-
geprägte Atherosklerose in der linken Koronararterie des Menschen; alle lipidhaltigen Zellen und nichtzelligen Bereiche sind
rot gefärbt Die lipidhaltigen Zellen finden sich in der verdickten Intima (1), aber auch in der Media (2) liegen lipidreiche
Areale vor. Farbung: Sudan-Rot, Vergr. 120-fach.
ist funktionell der Bereich des Stoffaustauschs zwischen Blut Adventitia Die dünne Adventitia besteht aus Kollagen
tmd Gewebe. Die Endstrombahn ist in verschiedenen Orga- tmd einzelnen elastischen Pasern. Der dichte Nervenplexus
nen tmterschiedlich aufgebaut. der Adventitia besteht aus sympathischen (noradrenergen)
Fasern, die nicht nur die Arteriolen, sondern auch die letz-
ten Abschnitte der kleinen Arterien versorgen. In der Ad-
Arteriolen ventitia findet man nicht selten Mastzellen.
Arteriolen (Abb. 5. 13, Abb. 5.14) sind funktionell wichtig,
weil sie die Durchblutung des ihnen nachgeschalteten Kapil-
larnetzes regulieren (Widerstandsgefaße). Die Weite ihres
Blutkapillaren
Lumens liegt bei ca. 20 ftm. In den Blutkapillaren (Kapillaren, Haargefaf.lc) findet der
gröfSte Teil des Stoffaustauschs zwischen Blut tmd den Zel-
Intima Sie besteht aus Endothelund extrem dfmner (bis len der Gewebe statt (Austauschgefaßc), sie sind die Diffusi-
fehlender) subendothelialer Bindegewebsschicht mit eini- ons- tmd Filtrationsbarriere zwischen Blut tmd Gewebe. Die
gen kollagenen und schlanken elastischen Fasern sowie der gesamte Austauschfläche wird mit 700-1000 m2 angegeben.
Elastica interna (Abb. 5.13). Die Elastica internabildet sich Die Kapillaren einer Region anastomosieren vielfaltig tmd
im Verlauf der Arteriolen zurück. Zwischen Endothel und bilden dreidimensionale Netze oder Netzschlingen, die in
glatten Muskelzellen bestehen viele myoendotheliale Kon- enge rättrnliche Beziehung zu den zu versorgenden Zellen
takte mit kleinen Gap Junctions. treten (Abb. 5.15). Ihre Gesamtlänge beträgt Zehntausende
von Kilometern. Normalerweise sind aber in einer Gewebe-
Media Sie besteht anfangs aus ca. 2 -3, am Ende aus einer region nur ca. 25')(. der Kapillaren offen. Nttr bei vermehr-
Schicht glatter Muskulatur, die jeweils das ganze Gefäß tem Or und Nährstoffbedarf öffnen sich mehr und mehr
umfasst (Abb. 5.17). Im Obergangsgebiet zu den Kapillaren Kapillaren. Die funktionellen Eigenschaften der Kapillaren
lockert sich die verbliebene Schicht glatter Muskulatur auf tmterscheiden sich in den einzelnen Organen zum Teil er-
(Metarteriolen). heblich.
5.1 Blutgefäße 209
Eine arterlovenöee Anastomose (Shunt),
kann Blut am Kapillarbett vorbeiführen. '., Venole
' •,
sympathische NeM!Il . (-
• • Metarteriole
3 ,
'
c
Abb. 5.14 Arteriolen,
Ultra.stru kt ur.
die als Bestandteil der KapillaiWand anzusehen sind. Diese lieh über die Offnungen neigt und sie funktionell "ver-
Fortsätze umgreifen und stabilisieren die KapillatWand schließt". Die Penestrationen sind für Wasser Lmd klei-
(Abb. 5.16c). Perizyten sind kontraktile Zellen, die von nere hydrophile Stoffe ganz besonders durchlässig, nicht
einer Basallamina umgeben sind und die Durchblutung der jedoch fiir Proteine.
Kapillaren und postkapillärer Venolen beeinflussen. Sie • Diskontinuierliche Kapillaren (Kapillaren mit offenen
verhindern eine überschießende Neubildung von Kapilla- Poren, Abb. 5.17b) kommen in den Nierenglomeruli
ren und können sich nach Gewebeverletzungen beim Neu- (Abb. 12.6) und in den weitlwnigen Kapillaren (Sinusoi-
aufbau der kleinen Gefäße in glatte Muskelzellen der neu den) der Leber vor (Abb . 10.86). Oie oft'enen Poren er-
gebildeten Arteriolen und Venolen wnwandeln. Zwischen möglichen einen ungehinderten raschen Durchtritt aller
Perizyten und Endothelzellen sind einzelne Gap Junctions (Leber) oder der meisten (Nierenglomeruli) Bestandteile
ausgebildet. Im Kontaktbereich sind die Basallaminae von des Blutplasmas.
Perizyten und Endothelzellen oft verschmolzen.
Merke Es werden Kapillaren vom kontinuierlichen, fenes-
Merke Die Wand der Kapillaren besteht im Wesentlichen trierten und diskontinuierlichen Typ Lmterschieden.
aus Endothelzcllen, Basallamina und Perizyten.
Vorkommen
Kapillartypen • Kontinuierliche Kapillaren: Lunge, Skelettmuskulatur,
Es lassen sich 3 Kapillartypen unterscheiden: H erz, Bindegewebe, Nervensystem, exokrine Drüsen,
• Kontinuierliche Kapillaren hab en eine einheitliche dün- Haut, Fettgewebe, 1hymus
ne Endothelschicht ohne Unterbrechungen (Abb. 5.16). • Fenestrierte Kapillaren: peritub ulär in der Niere, endo-
Die Endothelzellen sind - außer in den H irnkapillaren - krine Organe, Darmschleimhaut, endokrines Pankreas,
reich an Caveolae. Fettgewebe, Nasenschleimhaut, Harnblase u.a.
• Fenestrierte Kapillaren haben ganz ähnliche Eigen- • Diskontinuierliche Kapillaren: Leberläppchen, Nieren-
schaften wie kontinuierliche Kapillaren, besitzen aber als glomeruli. Auch in den Knochenmarksendothelien kön-
Besonderheit in ihrem Endothel Penestrationen (Abb. nen transitorisch ZLun Teil große offene Poren auftreten.
5.17a). Diese befinden sich in unterschiedlicher Zahl in
speziellen Feldern des Endothels, sind 20-100 (oft um Kapillaren des Gehirns Sie sind Kapillaren vom kontinu-
50) nm weit und ähneln Poren, die aber nicht oii'en, son- ierlichen Typ und wesentlicher Bestandteil der Blut-Hirn-
dern durch ein Diaphragma verschlossen sind. Die Dia- Schranke. Sie besitzen kawn vesikuläre transepitheliale
phragmen sind ca. 4 nm dick und bestehen aus extrazellu- Transportmechanismen, haben aber selektive Mechanis-
lärem, überwiegend radiär angeordnetem feinfibrillärem men für den Transport, z.B. von Glucose und Amino-
Material, das auf seiner lunlinalen Seite ein Heparan- säuren . Insgesamt gesehen sind sie wenig penneabel (ca.
sulfat-Proteoglykan mit negativen elektrischen Ladungen 100-mal weniger als andere Kapillaren). Ihre Tight Junc-
trägt. Im Zcntrwn der Diaphragmen ist eine kleine Ver- tions sind gut ausgebildet, Lysosomen sind relativ zahlreich,
dickung (Zentralknötchen) erkennbar. Wahrscheinlich sie besitzen relativ viele Pcrizyten und sind von Endfüß-
ist so ein Diaphragma ein gewisses Pixierungsartefakt, das chen der Astrozyten bedeckt.
auf die hohe Glykokalyx zurückgeht, die sich in vivo seit-
5.1 Blutgefaße 211
''\
~ 3 ~·
b 1 , •;
1. c
Abb. S.16 Kapillaren vom kontinuierlichen Typ. a: Kapillare in der Herzmuskulatur. 1 Zellkern der Endothelzelle; 2 Zyto-
plasma der Endothelzelle mit vielen Pinozytosevesikeln; ~ Zellkontakt der Endothelzelle; 3 Herzmuskelzellen; 4 Kapillar-
lumen. Meerschweinchen; Vergr. 15300-fach. b: Kapillare der Großhirnrinde. 1 Erythrozyt im Kapillarlumen; 2 Zytoplasma
der Endothelzelle mit Mitochondrien; 3 Astrozytenfortsätze an der kräftigen Basallamina ?. Ratte; Vergr. 20000-fach.
c: Kapillare in der Herzmuskulatur. 1 Endothel mit Perizyten (2); 3 Herzmuskelzelle. Meerschweinchen; Vergr. 5200-fach.
Transportmechanismen im Kapillarsystem
Kapillaren sind Austauschgefäße. Substanzen werden über
~
die Kapillarwände mithilfe verschiedener Mechanismen
Abb. S.17 Fenestrierte
transportiert:
und diskontinuierliche • Diffusion: Sie spielt eine große Rolle und betrifft Oz, C02
Kapillare. und kleine hydrophobe Stoffe.
• Wasser- und Stoffaustausch, Filtration: Wasser und
Sinusoide Sinusoide sind weitlmnige und variabel gestal- hydrophile Stoffe können nicht passiv durch das Kapil-
tete kapilläre Gefäße in den Leberläppchen, im Knochen- larendothel hindurchtreten, sondern benötigen spezielle
mark tmd in einzelnen endokrinen Organen wie der Ade- Transportmechanismen tmd -wege. Es gibt den trans-
nohypophyse. zellulären Transportweg, v. a. mittels Vesikeln und der
212 5 Organe des Kreislaufs und Lymphgefäße
c
Abb. 5.20 Untere Hohlvene eines jungen Menschen, verschiedene Vergrößerungen und Färbungen (a -c). 1 Lumen.
Wichtigste Komponenten dieser Venenwand sind Endothel (~ ), überwiegend längs gerichtete Bündel glatter Muskulatur (2)
und kräftige Kollagenfasern (3). Eine kla re Gliederung in Intima, Media und Adventitia liegt nicht vor, die mittlere Zone mit
den Bündeln glatter Muskulatur lässt sich jedoch als Media bezeichnen. Nach innen zu liegt dann die Intima(*) und nach
außen zu die kollagenfaserreiche und mit einzelnen Muskelzellbündeln versehene Adventitia. Die in c schwarzviolett gefärb-
ten elastischen Fasern (~)befinden sich vor allem an der Oberfläche der MuskelzellbündeL Färbung: H. E. (a, b) bzw. Elastika
(Resorcin-Fuchsin, c); Vergr. 45-fach (a) und 260-fach (b).
5.1 Blutgefäße 215
•
•
•
3
•
- ..
• • ••• • •
~-
• )
-;,' ·'
'
••
• ... ·
.... -..
•
Abb. 5.21 Größere Beinvene (Wandsektor) im Querschnitt. Abb. 5.22 Muskelreiche Vene des Plexus pampiniformis,
1 Lumen, 2 Media, 3 Adventitia. Die Intima ist sehr schmal. Querschnitt. 1 Lumen der Vene; 2 Ringmuskulatur der Venen-
Die Adventitia ist relativ breit und enthält quer geschnittene, wand; 3 außen liegende, längs verlaufende Bündel glatter
d. h. längs verlaufende Muskelbündel (-+ ). Mensch; Plastik- Muskulatur der Venenwand. Samenstrang, Mensch; Färbung:
schnitt Färbung: H. E.; Vergr. 150-fach. Azan; Vergr. 45-fach.
Arteria pulmonalis
Stamm, große Äste Der Stamm und die großen Äste der
A. pulmonalis sind im Prinzip elastische Gefäße und haben
Windkcsselfunktion. Die Intima ist sehr dünn und un-
schärfer gegen die Media abgegrenzt als in der Aorta. Die
elastischen Membranen der Media sind aber insgesamt we-
niger zahlreich und dünner als in der Aorta. Das kollagen-
faserige Netz der Media ist gut entwickelt. In dieses Gerüst
aus elastischen Lamellen und Kollagenfasern sind die rela-
tiv dicken und großen glatten Muskelzellen eingelagert. Sie
verlaufen im Truncus pulmonalis überwiegend in Längs-
richtung, weiter distal zirkulär oder in flachen Spiralen. Die
schwache Adventitia enthält v.a. Kollagenfasern und ein-
zelne elastische Fasern. In der Lunge verlaufen die Aste der
A. pulmonalis dicht neben den Bronchien. Distal, wenn die
Gefäße einen Durchmesser von etwa 1 mm unterschreiten,
ist die Media wie bei einem Mischtyp zwischen elastischen
und muskulären Arterien gebaut. Unter einem Durchmes-
ser von 40-50 ~1m verschwindet die Elastica interna und Abb. 5.24 Arteriovenöse Anastomose im Bereich der
auch die Media verliert die glatten Muskelzellen. *
ligg. ftava. Lumen eines Gefäßabschnitts der Anastomose
mit dicker epitheloider Wand. 1 elastische Fasern des lig.
Arteriolen Arteriolen sind relativ weitlurnig, typische ftavum. Pavian; Färbung: Masson-Trichrom; Vergr. 460-fach.
arterielle Widerstandsgefäße fehlen. Die Elastica externa
bleibt bis zu den unmittelbar präkapillaren Gefäßen erhal-
ten.
Epithelaide Zellen AVA besitzen in ihrer Mitte einen
Kapillaren Das reich entwickelte Kapillarnetz der Alveo-
speziellen kontraktilen Abschnitt, der relativ dick ist und
larsepten besitzt ein kontinuierliches Endothel (Kap. 8.2.2). aus einem dicken oder mehreren dünneren Bündeln plum-
per, längs verlaufender, modifiUerter glatter Muskelzellen
Merke Die intrapulmonalen Aste der A. pulmonalis in der Intima besteht. Diese Zellen sind im Präparat meis-
laufen neben den Asten des Bronchialbaums, wodurch sie tens hell und werden wegen ihres Aussehens "epitheloide"
gut zu ident:ifizieren si nd (die Lungenvenen verlaufen Zellen genannt (Abb. 5.24). Die Elastica internafehlt hier.
weiter entfernt vom Bronchialbaurn).
Brücken- und Glomusanast omosen AV A können relativ
einfache gestreckte Kanäle (Brückenanastomosen) sein
Vena pulmonalis
oder in ihren mittleren Abschnitten geknäuelt (Knäuel- =
Extrapulmonale Äste Intima und Media der extrapulmo- Glomusanastomosen) verlaufen. Die kleinen Gefaf~knäuel
nalen Aste der V. pulmonalis und der großen, in die Lunge der Knäuelanastomosen werden auch Glomera (Sing. Glo-
eintauchenden Äste sind relativ dünn und morphologisch mus) oder Glomusorgane genannt. Sie enthalten eine pro-
kaum voneinander zu trennen. Hier findet sich tmter dem teoglykanreiche Matrix und sind von einer Bindegewebs-
Endothel ein rclati v <lichtes elastisches Gerüst, in das locker kapsel umgeben und reich mit adrenergen, aber auch mit
verteilt überwiegend zirkulär verlaufende kleine Bündel cholinergen Nervenfasern wngeben, die wahrscheinlich mit
glatter Muskulatttr eingelagert sind. Die Adventitia der ex- thermoregulatorischen Zentren im Gehirn in Beziehung
trapulmonalen Ltmgenvenen besitzt eine relativ kräftige stehen. Sie kommen vor allem in der Haut vor, wohingegen
Schicht aus Herzmuskelzellcn, die überwiegend ringförmig Brückenanastomosen in anderen Körperregio nen vorherr-
oder spiralig angeordnet sind ttnd die von kräftigen elasti- schen.
sehen Fasern begleitet werden.
Funktion AV A regulieren die Durchbluttmg der zugehö-
Intrapulmonale Äste Die intrapulmonalen Venen besit- rigen Kapillarbetten, v. a. in der Haut, ttnd spielen somit
zen eine dünne Wand mit spärlicher Muskulatur. auch eine Rolle bei der 1hermoregulation.
sich dann zu grögeren Gefäßen weiterentwickeln. Die ersten Dann entsteht eine Basallamina, und Perizyten (oder, bei
Gefäße entstehen im Dottersack und im Rumpf. Die Vas- größeren neu entstehenden Gefäßen, glatte Muskelzellen)
kulogenese wird durch spezifische Faktoren angeregt. Ein besiedeln dieses Rohr. Angl interagiert mit dem Endothel-
besonders wichtiger Paktor ist der vaskuläre endotheliale zellrezeptor Tie2 bei der Reifung der Gefäße Lmd bei deren
Wachstumsfaktor (VEGF), der von Mesenchymzellen gebil- Besiedlung mit glatten Muskelzellen.
det wird. Er bindet an die vaskulären endothelialen Wachs-
tumsfaktorrezcptoren VEGP-R2 an den Angioblasten und Matrixmetallo proteinasen Wichtig ist der Umbau der
VEGF-Rl an der basalen Zellmembran der sich zu einem extrazellulären Matrix in der UmgebLmg neu auswachsen-
Rohr fonnierenden Endodtelzellen. der Kapillaren. Hierbei spielen die Matrixmetalloproteina-
sen, z. B. Kollagenase, eine große Rolle, die auch bei der Me-
tastasierung von Bedeutung sind. Die Aktivität dieser
Angiogenese Proteinasen wird komplex reguliert, z. B. kann Ang2, ein
Angiogenese ist die Bildung neuer Blutgefäße bei Erwach- weiteres Angiopoielin, die Effekte von Angl blockieren,
senen, die meist von bestehenden Kapillaren ausgeht und was zu Umbauten in Endothelzellen oder zu deren Apo-
eine wichtige Rolle bei vielen Prozessen spielt, z.B. bei ptase fiihrt.
Wundheilung und Bildung des Corpus lutetun. Dort, wo
Gefäßsprossen entstehen, wird erst die Basallamina abge- Tumorangiogenese Bei der Tumorangiogenese produzie-
baut. Die Proliferation von Endothelzellen wird durch die ren Tumorzellen angiogenetische Peptide, die das Wachs-
angiogenetischen Paktoren VEGF (s.o.) und Angl (Angio- tum von Endofuelzellen stimulieren. Eine reiche Gefaßver-
poietin 1) stimuliert. Die Endothelzellen bauen zunächst sorgtmg ist für das Oberleben der Tumorzellen wesentlich
einen Zellstrang auf, reifen aus und bilden dann ein Rohr. und eine wichtige Voraussetzung fur die Metastasierung.
5.2 Lymphgefäße
- - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Flüssigkeit aus dem Extrazellulärratun der Gewebe wird Lymphknoten mit Lymphsinus (Kap. 6.3.2) ~ Lymph-
in das Lymphgefäßsystem aufgenommen und über stämme ~ Lymphgänge) den Venen oberhalb des Her-
die Lymphgefäße (Lymphkapillaren ~ Lymphgefäße ~ zens zugeführt.
- Klappen
Kleine und mittelgroße Lymphgefäße besitzen in relativ
dichten Abständen Klappen (Abb. 5.27), die denen der
Venen ähneln und außen von Endothel bedeckt sind. Diese
' ... * Klappen sind wichtiger Bestandteil der Lymphgefäße und
sichern den unidircktionalen Fluss der Lymphe, dessen
"Motor" v.a. rhythmische Kontraktionen ihrer Wandmus-
,_ kulatur (ca. 10/min) Lmd Bewegungen der Skelettmusku-
latur sind.
Lymphe
Die Lymphe enthält stets deutlich weniger Protein als das
Blut, aber der Proteingehalt schwankt je nach Körperregion
erheblich. In der Leber ist die Lymphe besonders protein-
reich, ihr Quellgebiet ist der Disse-Raum. Die Lymphe, die
aus dem Diinndarm abfließt, enthält nach einer Mahlzeit re-
sorbierte Fette Lmd kann milchig aussehen. An Zellen kom-
Abb. 5.26 Zwei größere Lymphkapitlaren (*)im Binde- men in ihr v.a. Lymphozyten (T-Lymphozyten überwiegen
gewebe. Das Lymphgefäß links unten ist zum Teil kollabiert deutlich gegenüber B-Lymphozyten), Makrophagen Lmd
und enthält präparativ bedingt keine Lymphflüssigkeit (helles noch Lmausgereifte dendritische Zellen vor.
Lumen); das Lymphgefäß rechts oben enthält dagegen pro-
teinreiche Lymphe, die hier rot gefärbt ist. Es wird deutlich, KUnik Aus verschiedenen Grl'lnden kann der Lymphabfluss
wie schwer auch größere Lymphkapillaren im Präparat er- behindert werden, was zu Ödembildung (Lymphödeme)
kennbar sein können. 1 Skelettmuskelzellen. Zunge, Rhesus- führt. Ursachen fi'rr solche Blockienmgen des Lymphflusses
affe; Plastikschnltt; Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. sind z. B. wiederholte Entzündungen der Lymphgefäße, der
Befall mit Filarien (Nematoden) oder Tmnorbildungen.
Auch nach chinrrgischen Eingrifl"en kann der Lymphabfluss
gestört sein. Seltener ist ein angeb orener Mangel an Lymph-
Lymphstämme und Lymphgänge gefäßen, z.B. gelegentlich beim Turner- oder Klinefelter-
Es folgen Lymphst'cimme Lmd schließlich Lymphg'cinge Syndrom. Über Lymphgefäße können sich Metastasen bös-
(Ductus lymphatici), die in H erznähe in die 2 Anguli venosi artiger Tumoren ausbreiten. Metastasierende Tumorzellen
zwischen V. jugularis interna und V. subclavia einmünden. können ii.ber die meist offenen Liicken zwischen den Zellen
Die Wand der Ductus lymphatici ähnelt der vieler mittel- (s.o.) leicht in die Gefäße eintreten, Karzinomzellen kön-
großer Venen. Zu den Lymphsinus der Lymphknoten nen aber auch das Wachstwn neuer Lymphkapillaren an-
s. Kap.6. regen.
"
/
/ -
• -
---- -"""' 1
5.3 Herz
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Die Wand des Herzens besteht- von innen nach außen- Das Erregungsleitungssystem des Herzens (Sinusknoten
aus Endokard (mit Herzklappen), Myokard tmd Epikard. -7 AV-Knoten -7 His-Biindcl -7 Tawara.Schenkel -7
Zwischen Vorhöfen und Kammern liegt das Herzskelett, Purkinje-Fasem) ist ein eigenes rnyogencs System, das
deren straffes kollagenes Gewebe die Anuli fibrosi bildet. vom Nervensystem nur moduliert wird.
Das Herz ist eine Saug-/Druckptunpe mit 2 Hälften, die un- schmalen subendothelialen Schicht aus lockerem Binde-
terschiedliche Funktionen haben, aber ständig gemeinsam gewebe mit Kollagenfasern und elastischen Fasern. Weiter
den Blutkreislauf antreiben. Die rechte Herzhälfte (.,das nach außen schließt sich eine dickere Schicht aus faserrei-
rechte Herz") nimmt das sauerstollarme Blut aus dem Kör- chem Bindegewebe an, in das glatte Muskelzellen eingela-
per auf und pumpt es in die Lunge. Die linke Herzhälfte gert sind. Noch weiter außen folgt eine gefaß- tmd nerven-
(.,das linke Herz") nimmt das aus der Ltmge kommende führende Schicht, die ztun Teil in das Myokard eindringt
sauerstollreiche Blut auf und verteilt es im Körper. und die auch Faserbiindel des Erregungsleittmgssystems
enthält (Abb. 3.3.25).
5.3.1 Wandaufbau Herzklappen Vom Endokard geht auch die Bildtmg der
Wie die Wand der Blutgefaf~e besteht die Wand des Herzens Herzklappen aus (Tab. 5.2, Abb. 5.28). Diese sind reich an
aus 3 Schichten, die Endokard, Myokard und Epikard ge- Kollagenfasern, enthalten aber auch viele elastische Pasern
nannt werden. tmd werden von Endothel überzogen. Ihnen fehlen Musku-
latur und Blutgefaße. In den Segelklappen bilden die Kolla-
Endokard genfasern auf der Seite, die Ztll11 Ventrikel weist, eine dichte
Aufbau Das Endokard besteht innen aus dem konti- Matte (.,Fibrosa"), die mehr als die Hälfte der Klappe ein-
nuierlichen Endotheltmd einer ihm unmittelbar folgenden nehmen kann. Sie ist in den Anuli fibrosi verankert tmd in
Taschenklappen Aortenklappe zwischen linkem Ventrikel und Aorta Pulmonalklappe zwischem rechtem Ventrikel und
Truncus pulmonalis
3 Taschen 3 Taschen
sie strahlen die Chordae tendineae ein. Auf der atrialen Sei-
te ist das Bindegewebe locker ("Spongiosa") tmd proteogly-
kanreich. Die Chordae tendineae sind feine Sehnen, die von
den Papillarmuskeln entspringen tmd an der Unterseite der
Segelklappen inserieren (Abb. 5.29). Die Taschenklappen
sind di.inner als die Segelklappen tmd enthalten auf der
vaskulären Seite besonders viele kollagene und elastische
Fasern (Abb. 5.30). Ihre Taschen hängen wie Schwalben-
nester an der Innenwand der großen Gefäße.
Myokard
Abb. 5.29 Ansatz der Chordae tendineae (~) an der Das Myokard besteht aus komplex angeordneten Herzmus-
Unterseite einer Bikuspidalklappe (*)· Präparat Dr. med. kelzellen (Kardiomyozyten, Kap. 3). Die Herzmuskelzellen
Tobias Lahmer. Schwein; rasterelektronenmikroskopisches bilden lange verzweigte Ketten (Fasern), die im Myokard in
Präparat, Vergr. 43-fach. unterschiedlichen Richtungen verlaufen. Die Ausrichtung
Abb. 5.30 Schnitt durch eine geöffnete Pulmonalklappe. Abb. 5.31 Epikard. Flaches Epikardepithel (-+),unter
Die Klappe (1) ist geöffnet und weist in den Truncus pulmo- dem sich eine feste Schicht aus Kollagenfasern und dann
nalis (2) hinein. 3 Anulus fibrosus. Auf der Gefäßseite ist Fettgewebe befindet. Mensch; Färbung: Goldner, Vergr. 250-
eine schmale dichte Schicht aus Kollagenfasern ausgebildet. fach.
Schwein; Färbung: Masson-Trichrom, Vergr. 25-fach.
5.3 Herz 221
moduliert das Nervensystem lediglich den autonomen
Rhythmus mit seiner Prequenz von 60 -70/min.
c
Abb. 5.32 Kollagenreiche Bestandtei le Das Erregungsbildungs- tmd -leittmgssys-
Narbe. tem (.,Reizleitungssystem") besteht aus:
• Sinusknoten: Er liegt an der Einmiindung der oberen
Hohlvene in den rechten Vorhof tmd ist der Schrittma-
ist optimal an die Hcr7funktion angepasst. Die Kardiomyo- cher der Erregung des Herzens. Der Name Sinusknoten
zyten sind in den Pasern durch komplexe Zellkontakte geht auf den Sinus venosus der Pisehe und den embryo-
(Glanzstreifen, Kap. 3.3) verbunden. Einige Herzmuskelzel- nalen Sinus venosus zurück, in dessen Bereich dieser
len besitzen endokrine Punktion (Kap. 3.3). Das Myokard ist Knoten liegt.
reich an Blutkapillaren, in denen das Blut fast nur während • Atrioventrikularknoten (= AV -Knoten): Er ist wie der
der Diastole fließen kann. Die myokardialen Arteriolen und Sinusknoten besonders gut durchbl utet. Sein GC\vebe ist
epikardialen Arterien besitzen physiologische Besonderhei- reich an Bindegewebsfasern. Die Zellen sind durch ein be-
ten und können die Durchblutung ideal dem Sauerstoff- sonders dichtes Geflecht von vegetativen Nervenfasern
bedarf des Myokards anpassen. wnsponnen, die die angeborene Her7frequenz steigern
(Sympathikus) oder herabsetzen (Parasympathikus) kön-
Merke Die Durchblutung des Myokards findet in der nen.
Diastole statt! • His-Bündel (= Atrioventrikularbündel = AV· Biindel): Es
ist die einzige Struktur, die das Herzskelett überbrückt.
• Tawara -Schenkel: Es gibt einen rechten und einen linken
Epika rd Tawara-Schenkel, der linke Schenkel spaltet sich rasch in
Das Epikard ist eine außen dem Myokard anliegende Binde-
2 große Paszikcl.
und Fettgewebsschicht, die von einem flachen Epithel (Me-
sothcl) bedeckt wird. Das Epikard ist das viszerale Blatt des
Herzbeutels (Lamina visceralis pericardii). Hier verlaufen
die großen Blutgefaßc, die i. A. von Fettgewebe umgeben
sind (Abb. 5.31).
5.3.2 Herzskelett
Das Herzskelett trennt die Herzmuskulatur der Vorhöfe von
der der Kammern (lediglich das His-Biindcl überbriickt das
Herzskclett) und dient dabei beiden als Ursprungsort Es be-
steht aus straffem kollagenem Bindegewebe, das im Bereich
der Herzöffnungen (Ostien) feste Ringe, die Anuli fibrosi,
bildet, an denen die Segelklappen und die Taschenklappen
(Abb. 5.30) verankert sind. Die 2 Trigona fibrosa sind Bin-
degewebszwickel, die dort entstehen, wo die Paserringe der
Segelklappen mit dem der Aortenklappe zusammentreffen.
In ihnen kommen faserknorpelartige Areale vor.
• Purkinje-Fasern: Sie bestehen aus relativ dicken und hel- Zellmorphologie Die Zellen des Erregungsbildtmgs- tmd
len Zellen des Erregungsleitungssystems (Abb. 5.33), die -leitungssystem sind arm an Myofibrillen un d reich an Gly-
untereinander und mit dem Arbeitsmyokard über Nexus kogen (Kap. 3.3.3). Sie sind untereinander auch über Nexus
(Gap )unctions) verknüpft sind. Die Erregung der Pur- mit tmterschiedlichem Conncxinmuster verbunden tmd
kinje-Fasern erreicht zuerst die Papillarmuskcln, die über sind im Sinus- und AV-Kn oten schlanker, in den Purkinje-
die Chordae tendincae mit den Segelklappen verbtmden Fasern aber dicker als die Zellen des Arbeitsmyokards.
sind, und dann das Myokard der Kammerwände.
Immunsystem (lymphatisches
System, Abwehrsystem)
6.1 Angeborenes (unspezifisches) 6.2.3 Aktivierung der 8- und T-Lymphozyten
Immunsystem • • • • 0 0 • 0 0 0 ••••• 0 •••• 223 und Ablauf der Immunantwort 0 • 0 •• 0 0 •• 233
6.2.1 8- und T-Lymphozyten ............... 226 6.3.2 Sekundäre lymphatische Organe 237 0 0 • 0 ••••
Das Immunsystem schützt den Menschen vor vielfältigen zählen, ltnd leitet Maßnahmen zu ihrer Bekämpflmg ein.
schädlichen Einwirklmgen ltnd Gefahren, die von der be- Das Immlmsystem begrenzt mlthiJfc der Entzündungs-
lebten, aber auch der unbelebten Umwelt ausgehen können. reaktion den Schaden, den die Krankheitserreger anrich-
Es wird überwiegend durch verschiedene Zellen repräsen- ten. Es richtet sich nicht gegen körpereigene Zellen und
tiert, z. B. Makrophagen, Neutrophile und Lymphozyten. Gewebe.
Es bedient sich aber auch anderer Mechanismen, z. B. spe- Das Immunsystem lässt sich in 2 miteinander kooperie-
zieller im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten gelöster rende Anteile gliedern: das angebo rene (= unspezifische)
Proteine und anderer chemischer Stoffe. Die Zellen des Immunsystem und das erworbene ( =adaptive =spezifische)
Immunsystems erkennen auf verschiedene Art und Weise, Immunsystem.
insbesondere mit speziellen Rezeptoren, z. B. die Toll-like- Beide Anteile des Immunsystems sind fast ubiquitär im
Rezeptoren, die T-Zcll-Rczeptoren ltnd die B-Zell-Rezep- Körper präsent. Es gibt jedoch auch eigene lmrnunorgane,
toren, potenzielle Krankheitserreger (Pathogene), zu denen die lymphatischen Organe, die strategisch angelegte Zentren
Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und vierzellige Parasiten der Abwehr sind.
Das angeborene Immunsystem ist ein phylogenetisch altes wird in Porm einer Entzün dungsreaktion erkennbar. Ihm
Abwehrsystem und beim Menschen schon vor der Geburt stehen eine ganze Reihe von verschiedenartigen Abwehr-
aktiv. Es richtet sich generell gegen ein breites Spektrum ge- mechanismen zur Verfügung:
fährlicher, krankmachender Bakterien, Viren, Pilzen, Proto- • zelluläre Komponenten (Abb. 6.1)
zoen und Parasiten. Es reagiert, auch bei einer Erstinfektion, • lösliche Komponenten
sofort und unspczifisch auf eine Infektion (das erworbene • andere.
Immunsystem erst nach 4 - 7 Tagen), lmd seine Tätigkeit
224 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
T-Lymphozyten
a) C04-poeitive
T-Lymphozylen Sekretion von IFN-y, TNF·a. TNF-p,
1. TH1·Zellen . _ aktivieren
IL-2, Fas-Ugand, MCP-1,
Makrophagen bei
Hllfszellen der B- und Entzündungsreaktionen
T-L.ymphozyten:
Makrophagen, Sekretion von IL-4, IL-10,1L-5,
antlgenprlaentlerande 2. TH2-Zelen, IL-6, TGF-p, aktivieren
Zellen (= APZ) Hetfer-T- - • B-LymphoZyten,lnduzleren
Lymphozyten lsotyp-Swltchlng
Toten IntrazellulAre Bakterien,
b) ~ virusbefallene Zellen, bösartige
ZJ'totoxilche - Tumorzellen sowie parasitische
Rymphozytan Protozoen, Induzieren Apoptose
der Zielzellen
c) awcoB-.
C025-poeltiYe Aufreclrtert1altl.lng dler
reglhtorlsche _.,. peripheren Toleranz
Rymphozytan
Abb. 6.1 Zellen des Immunsystems.
PRR und PAMP außerdem Zytokine und Chemokine (s. u.). Neben diesen
Funktionen, die Teil der unspezifischen Immunantwort
Die Zellen des angeborenen Immunsystems besitzen gene- sind, leisten Makrophagen einen entscheidenden Beitrag
tisch detenniniert Rezcptormoleknle, die krank machende zur spezifischen Immunantwort, indem siez. B. IL-1, TNF,
molekulare Konfigurationen von Mikroorganismen erken- IL-12 und IL-6 produzieren und somit g-anz wesentlich an
nen. Diese Rezeptoren heißen generell "pattern-recognition der antigenspezifischen Aktivierung von B- tmd I-Lym-
receptors" = PRRs. Zu ihnen gehören zahlreiche Proteine, phozyten beteiligt sind. Sie können in gewissem Maß auch
darunter Collectine und die leutinreichen Toll-like-Rezep- Antigenbruchstücke präsentieren.
toren (TLR, "toll-like", weil sie dem zuvor entdeckten Toll-
ProteiD von Drosophila ähneln). Die TLR kommen auch Dendritische Zellen Verschiedene Typen dendritischer
auf vielen Epithelzellen und auf T - tmd B-Lymphozyten Zellen entstammen der myeloiden tmd lymphoiden Zell-
vor. Krank machende (pathogene) molekulare, zum Teil linie des Knochenmarks. Ausgereift dienen sie dem adap-
viele htmdert Millionen Jahre alte Motive von Mikroorga- tiven lmmtmsystem tmd sind die wichtigsten antigenprä-
nismen werden "pathogen-associated molecular patterns" sentierenden Zellen. Die interdigitierenden dendritischen
(= PAMPs) genannt. Ein Beispiel sind die Lipopolysaccha- Zellen (IDC, Abb. 6.8) aktivieren die T -Lymphozyten, die
ride gramneg-ativer Bakterien. follil'UI.ären interdigiticrenden Zellen stimulieren die B-
Lymphozyten. Die plasmazytoiden dendritischen Zellen
Zellen des angeborenen Immunsystems beeinflussen NK- und T"l-Zellen (s.u.). Unausgereift sind
die interdigitierenden und die plasrnatoiden dendritischen
Ma krop hagen Makrophagen (Kap. 3.2..3) differenzieren Zellen wichtige Zellen des angeborenen lmmtmsystems, in-
sich aus Monozyten und finden sich überall im Körper. Sie dem sie bei Infektionen massiv Chernokine und auch Inter-
phagozytieren zugrunde gegangene körpereigene Zellen so- feron (IN F-a), sezernieren und damit die angeborenen Ab-
wie Fremdkörper und töten potenzielle Krankheitserreger wehrreaktionen in Gang setzen.
(s. a. Abb. 3.2.6). Die PhagoZytose wird dadurch erleich-
tert, dass diese Zellen Fragmente von Komplementfaktoren Natürliche Kille rzellen NK-Zellen haben zahlreiche
(s. u.) erkennen und binden können, die sich an extrazellu- Funktionen. Sie phagozytieren nicht, erkennen aber z. B.
läre Bakterien angelagert haben. Makrophagen sezernieren den Fe-Teil von IgG und über den TLR molekulare Motive
6.2 Erworbenes (adaptives~ spezifisches) Immunsystem 225
T-Lymphozyten-Typen
Es gibt 3 H aupttypen von T -Lymphozyten, nämlich CD4-
positive (Abb. 6.3), CDS-positive (Abb. 6.4 ) und regulatori-
Abb. 6.3 CD4-positive TH2-Lymphozyten im immunhisto- sche T-Lymphozytcn.
chemischen Präparat (rotbraun gefärbt). Die Zellkerne sind
mit dem lila-blauen Farbstoff Hämalaun gegengefarbt. Die CD4-positive T- Lymphozyten Sie aktivieren Zellen des
CD4-positiven Lymphozyten sind insbesondere im Keimzent- ImmtUlsystems, wobei sich aufgrund der Bildung tmter-
rum eines sekundären Lymphfollikels anzutreffen. Lymph- schiedlicher Interlcukine 2 große Untergruppen unterschei-
knoten, Mensch; Vergr. 250-fach. den lassen:
6.2 Erworbenes (adaptives= spezifisches) Immunsystem 229
.. t
L
Mechanismus zytotoxischer CD8-Zellen (und einiger CD4-
Zcllen) beruht auf der Expression von Pas-Liganden in
der Membran der zytotoxischen I -Lymphozyten, die, nach
Bindung an Pas in der Zielzelle, Apoptose auslösen. Fas ist
•
..
•
.. -
/
. Mitglied der Tumornekroserezeptoren.
Antigenpräsentierende Zellen
Antigenpräsentierende Zellen sind ein wesentlicher Be-
standteil des Immunsystems. Sie sind darauf spezialisiert,
überall im Körper Antigene aufzunehmen und dann in Ton-
sillen, Lymphknoten oder Milz vor allem I-Lymphozyten
zu aktivieren. Diese Zellen wnfassen v. a.
• die interdigitierenden dendritischen Zellen,
• die plasmazytoiden dendritischen Zellen,
• die follikularen dendritischen Zellen,
• die Makrophagen und
• die B-Lymphozyten.
Makrophagen
a
Abb. 6. 7 lnterdigitierende Makrophagen binden extrazelluläre pathogene Mikroor-
dendritische Zellen. ganismen mithilfe verschiedener Rezeptoren (Mannose-
232 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
aktivierte
TH2-Zelle
Aktivierung einer '' '
T-Helferzelle ' follikuläre
--dendritische
Antigen Zelle
''
0
0
membranständiges
'
'•
0 lmmunglobulilb komplement-
0 ; bindender
\ \ I ,0 Co-Rezeptor
0 Antigene
interdigitierende aktivierter
dendritische Zelle •' B-Lymphozyt
'( '(
I0 'o '
viert. Anschließend beginnen sie, MHC-Klasse-I- und -Klas-
J ~!
se-li-Proteine zu exprimieren. Fragmente der abgebauten
Mikroorganismen werden an MHC-Klasse-II-Proteine ge-
bunden und an der Zelloberfläche des Makrophagen prä-
sentiert. Im Makrophagen induzieren die Fragmente die
Expression des kostimulierenden B7-Proteins, das für die
!.... -... --..... -... - " t
Auslösung der Immunreaktion besonders wichtig ist. Pha-
gozytose körpereigenen Materials oder nicht pathogener Zell-Zell-
Substanzen führt nicht zur Expression von B7 und hat des- -----~ Adhllsio~sprotein
halb keine Immtmreaktion zur Folge. '
''
Antigen-
B-Lymphozyten Mikrotubuli - fragment
0
0
0
B-Lymphozyten kommen überall in lymphatischen Gewe-
ben tmd auch im Blut vor. Sie erkennen Antigene - vor al-
lem lösliche Antigene (z.B. Toxine) und virale Antigene -
auch ohne Hilfe <mtigenpräsentierender Zellen. Sie binden Zyto:zentrum-
die Antigene an ihre Antigenrezeptoren (membranständige
Immunglobuline), nehmen sie auf, prozessieren sie tmd prä-
sentieren sie auf ihrer Oberfläche (an Antigenrezeptoren ' Perforin,
Granzyme,
gebunden) naiven T-Lymphozyten. Granulysin
6.2.3 Aktivierung der B- und T-Lymphozyten steht ein Klon identischer Zellen, deren Rezeptor das glei-
che Antigen bindet (Theorie der klonalen Selektion). Die
und Ablauf der Immunantwort Zellen dieses Klons differenzieren sich
Lymphozyten werden durch 2 Signale aktiviert. • im Fall von B-Lymphozyten zu Plasmazellen, die antigen-
spezifische Antikörper produzieren, und zu B-Gedächt-
B- Lymphozyte n Bei B-Lymphozyten geht das 1. Signal niszellen.
vom Antigen aus, das an den B-Zell-Rczcptor gebunden ist, • im Fall von T-Lymphozyten zu THl- oder TH2-Zellen
das 2. Signal von einer aktivierten T H2-Zelle. Das Signalpro- (CD4-positiv) oder zu zytotoxischen T-Zellen (CD8-posi-
tein der TH2-Zclle ist ein CD40-Ligand, der sich mit dem tiv). THl-Zellen aktivieren Makrophagen, T H2-Helferzel-
CD40-Protcin auf der B-Zelle verbindet. Gleichzeitig ver- len (= T-Helferzcllen) aktivieren B-Lymphozyten (Abb.
bindet sich der T -Zell-Rezeptor auf der T H2-Zelle mit dem 6.9) und zytotoxische T-Zcllen. Zytotoxische T-Zellen
MHC-II-Molekül (mit Antigenfragment) auf der Membran binden mithilfe des TCR-CD8-Komplexes an den Kom-
der B-Zelle. Zusätzlich werden die B-Lymphozyten durch plex aus viralem oder bakteriellem Peptidfragment und
follikuläre dendritische Zellen sowie durch Komplement MHC-Klasse-II-Protein auf der Oberfläche einer infizier-
stimuliert (Abb. 6.9). ten Zelle. Dann setzen sie Proteine frei, die Zlll11 Abster-
T- Lymphozyten Bei einer T-Zelle geht das 1. Signal von ben der infizierten Zelle fi.ihren: 7~B. Perfarin (Abb. 6.10),
einem an MHC gebundenen Antigenfragment auf der Ober- Granzyme und Apoptose initiierende Faktoren. Außer-
fläche einer an tigenpräsentierenden Zelle (IDC) aus, das in dem sezernieren sie Zytokine (z. B. IL-2) und beeinflussen
die molekulare Grube des passenden T-Tell-Rezeptors passt. so sich selbst ttnd andere Zellen des Immunsystems.
Das 2. Signal geht von eineru ko-stimulatorischen Molekül
derselben antigenpräsentierenden Zelle aus, das sich mit Gedächtniszellen Ist das Antigen eliminiert, ist die lm-
dem CD28-Protein in der Membran des T-Lymphozyten munantwort beendet. Auch nach ihrern Ende bleiben B-
verbindet. Bei der Aktivierung der T -Lymphozyten spielen und T-Gedächtniszellen bestehen, die bei erneutem Kon-
auch CD3 ttnd lnterleukine eine wichtige Rolle. takt mit diesem Antigen sehr schnell proliferieren und das
Antigen meist ohne Auftreten von Krankheitszeichen elimi-
Klonale Selektion Im Anschluss an die Aktivientng be- nieren.
ginnen sich die B- bzw. T-Lymph ozyten zu teilen. So ent-
Die Zellen des Inununsystems sind als Einzelzellen, z. B. als Fabricü, in der die B-Lymphozyten heranreifen. Die Be-
antigenpräsentierende Zellen, Makrophagen und Lympho- zeichnung B-Lymphozyt stammt ursprünglich von dieser
zyten, im ganzen Körper verbreitet. Sie bauen jedoch auch Bursa; er bezieht sich in der Medizin auf "bone marrow"
eigene Orgdne atlf, die traditionell lymphatische Organe (Knochenmark). Die Lymphozyten erhalten hier spezilische
heißen, heute aber auch Immunorgane genannt werden. Sie
sind stets besonders reich an Lymphozyten. Es werden
primäre und sekundäre lymphatische Orgdne tmterschieden
(Tab. 6.1). Tab. 6.1 Lymphatische Organe.
Primäre lymphatische Orga ne In diesen Orgdnen diffe- Primäre lymphatische Sekundäre lymphatische
renzieren sich die Lymphozyten aus Stammzcllen, vermeh- Organe Organe
ren sich und reifen heran. Die Stammzellen aller Blutzellen,
• Thymus • Lymphknoten
auch der Lymphozyten, befinden sich im Knochenmark. Die
• Knochenmark • Milz
T-Lymphozyten verlassen dieses sehr früh und reifen im
• mukosaassoziierte Lym-
1hyrnus. Sie erwerben hier die Fähigkeit, zwischen körper-
phatische Organe (MALT)
eigenen und körperfremden Antigenen zu unterscheiden
- TonsiUen
("Selbst" und .,Nicht-Selbst"). DieB-Lymphozyten verblei-
- Peyer-Plaques
ben länger im Knochenmark und machen hier einen ersten
- bronchusassoziierte
Abschnitt ihrer Entwicklung durch. Die Vögel besitzen ein
Lymphatische Organe
eigenes Organ in der dorsalen Wand der Kloake, die Bmsa
234 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
Abb. 6.12 Thymusrinde. Peripherie der Rinde des kind- Abb. 6.13 Kleines Hassall- Körperehen im Thymusmark
lichen Thymus. ~ Th ymusepithelzellen, deren große helle eines Kindes. Der Verhornungsprozess ist u. a. am Auftreten
Kerne sich gut gegen die kleinen dunklen Kerne der T-Lym- von Keratohyalingranula (1) gut erkennbar. Das Thymusmark
phozyten ( ~ ) abgrenzen. * Kapsel. Plastikschnitt; Färbung: ist locker strukturiert. ~ Epithelzellen; ~ T-lymphozyten.
H. E.; Vergr. 650-fach. Plastikschnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 500-fach.
tion ist nicht bekannt, aber vielleicht spielen sie eine Rolle Thymus des Erwachsenen
bei der Entwicklung der regulatorischen T -Lymphozyten.
Der Thymus der Erwachsenen ist zu erheblichem Teil zu-
Blutgefäße Größere Blutgefäße ziehen in Bindegewebs- rückgebildet (atrophiert). Die Rückbildtmg beginnt mit der
Pubertät und hält das ganze Leben über an. Die Ursache der
septen in die Tiefe des Organs und dringen an der Mark-
Rinden-Grenze (Abb. 6.11 ) in das Parenchym ein, wo sie "pubertären" Atrophie ist nicht bekannt. Die Rückbildung
ist aber mit dem Anslieg der Geschlechtshormone korre-
sich verzweigen und sowohl das Mark als auch die Rinde
versorgen. An der Mark-Rinden-Grenze finden sich auch liert. Die Rinde verschwindet langsam. Es bleiben aber stets
Reste des Marks und meist auch der Rinde erhalten (Abb.
Venolen, über die Lymphozyten aus dem Thymusgewebe
austreten. 6.15). Das Mark besteht im Alter oft nur aus epithelialen
Zellsträngen. Der Rawn, der dttrch die Altersatrophie frei
wlrd, wird dttrch Fettgewebe ersetzt (1hymusfettkörper).
Blut-Thymus-Schranke Die Blut-1hymus-Schranke ist
insbesondere im Rindenbereich ausgebildet und behindert
das Eindringen von Premdantigenen. Die Schranke besteht Klinik 1hymus-T-Lymphozyten sind sehr empfindlich
aus einer speziellen Hlille um die Rindenkapillaren. Diese gegen Corticosteroide. Stress f'cirdert den Untergang der
Hülle besteht aus dem kontinuierlichen Endothel der Ka- T-Zellen. Infektionen, Vergiftungen, chronische Erkran-
pillarwände, einer sehr dünn en perikapillären Binde- kungen und Unterernährung rcdu1Jcren ebenfalls die Zahl
gewebsschiebt und einer ebenfalls geschlossenen Schicht der Lymphozyten in der 1hymusrinde.
aus 1hymusepithelzellen, die mit der geschlossenen Schicht Das SCID-Syndrom ("sevcre combined immunodefi-
aus 1hymusepithelzellen an der Oberfläche des Organs in dency syndrome") geht, auf genetischer Basis, mit ftmktio-
kontinuierlicher Ver bind ung steht. Kapillaren tmd Venolen neller und morphologischer Pehlentwicklung der 1hymo-
des Marks fehlt eine solche Schranke, sie sind flir Antigene zyten und defekten B-Lymphozytcn einher. Das DiGeorge-
aus dem Blut durchlässig. Syndrom beruht auf Fehlentwickltmg der Organe der 3. und
4. Schlundtasche infolge mangelhafter Interaktion zwischen
T-Zell-Differenzierung Die Außenzone der 1hymusrin- Epithel und nettroektodermalem Mesenchym; u. a. fehlt ein
de wlrd schon früh von Vorläuferzellen der T-Lymphozy- normaler 1hymus.
ten besiedelt, die dem Knochenmark entstammen und noch Die Myasthenia gravis ist eine schwere Autoimmtmer-
keinen T-Zcll-Rezeptor-Komplex exprimieren. Sie reifen krankung, die sich gegen die quergestreifte Muskulatur rich-
tmter dem Einfluss der kortikalen 1hymusepithclzcllen tet. DieAutoantikörper richten sich gegen den Acetylcholin-
(Abb. 6.14), die sowohl MHC-Klasse-1- als auch MHC- rezeptor auf den Muskelzellen. Vermutlich spielt der
Klasse-ll-Protcine cxprimieren. Thymus, speziell seine quergestreiften Muskelzellen, eine
Rolle bei der Entstehung dieser Krankheit.
236 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
Makrophage -
Rindenkapillare ·
6.3.2 Sekundäre lymphatische Organe stützendes Gerlist auf (Abb. 6.16a). Die Trabekel begrenzen,
mehr oder weniger gut erkennbar, kammerartige Bezirke im
Nach ihrer Bildung in den primären lymphatischen Orga- Organinneren, die M1lzkammern, die jedoch immer über
nen besiedeln die Lymphozyten die sekundären lymphati- weite Maschen im Trabekelsystem miteinander verbtmden
schen Organe. Zu diesen gehören gut abgegrenzte, von einer sind.
Kapsel umgebene Organe wie die Milz und die Lymphkno- Kapsel tmd Trabekel sind grtmdsätzlich sehr ähnlich auf-
ten. An verschiedenen Stellen im Körper sind des Weiteren gebaut. Sie bestehen aus straffem kollagenem Bindegewebe,
Ansammlungen lymphatischen Gewebes lokalisiert, die das meist viele elastische Pasern enthält (Dehmmgsfcihigkeit,
mehr oder minder scharf von ihrer Umgebung abgegrenzt Anpassung an Volumcnschwankungen). Die matrixbilden-
sind und sich oft an Oberflächen von Schleimhäuten befin- den Zellen der Kapsel und Trabekel sind durch ein sehr
den (mukosaassozüertcs lymphatisches Gewebe= ,,mucosa-
associatcd lymphoid tissue" = MALT).
Gemeinsam ist den sekundären lymphatischen Organen,
dass in ihnen sowohl T-Zcll-vermittelte zelluläre als auch
hwnorale (mittels Antikörpern) Abwehrmechanismen an- , J
gesiedelt sind. Die Milz ist im Wesentlichen für Antigene
und Krankheitserreger zuständig, die im Blut zirkulieren,
' K
die Lymphknoten reagieren vor allem gegen Antigene, die
in Gewebe eingedmngen sind und sich über Lymphge-
J' p
faße ausbreiten. Das sekundäre lymphatische Gewebe der
Schleimhäute (MALT) schlitzt gegen Antigene, die durch
die Oberfläche der Schleimhäute in den Körper eindringen.
Lymphatisches Gewebe findet sich in der Schleimhaut des
Rachens, des Darmtrakts ("gut-associated lymphoid tis-
sue" = GALT), der Atemwege ("bronchus-associated lym-
phoid tissue" = BALT) und des Urogenitaltrakts. Ein wichti-
ger Abwehrmechanismus in diesen schleimhautassozüerten
lymphatischen Geweben ist auch die Sekretion von lgA (Im-
- a
Milz
Die Milz ist ein annähernd faustgroßes, 150-200 g schwe-
res, intraperitoneales Organ im linken Oberbauch mit einer
komplexen Gefaßarchitektur. Die Milz bekämpft insbeson-
dere ins Blut eingedrungene pathogene Erreger und dient
außerdem dem Abbau alter Erythrozyten.
Die Milz besteht aus 2 Anteilen,
• der Kapsel und den von ihr in die Tiefe des Organs zie-
henden Trabekeln und
• der Milzpulpa, die als orga nspezifisches Gewebe das In-
nere der Milz ausfL'tllt und die in weiße und rote Pulpa
gegliedert ist.
>. ..
periarterieUe
'
sinus über ("geschlossene" Zirkulation). Wahrscheinlich
LymphCR:yten· •••••• Kapmare des überwiegt beim Menschen sehr deutlich die "offene" Zirku-
scheide ··- • • , -geschlossenen lation, die eine einzigartige Besonderheit im sonst geschlos-
Kreislaufs
senen Kreislauf des Menschen ist. Die Sinus repräsentieren
·---HOlsenkapillare
in der Milz den Gefai~abschnitt, der den Kapillaren folgt.
'' "'' ~---- -- Pinselarteriolen
Pulpavene-- Lmd der den Beginn des venösen Systems der Milz darstellt.
- Primärfollikel Das arterielle Blut gelangt also indirekt oder direkt in die Si-
pariarterielle nus.
: -Lymphozyten-
scheide (PALS)
Trabekei - Venöses System Die Sinus sind weitlurnig, anastomosie-
ren miteinander und nehmen einen großen Teil der roten
Trabekel-. • Marginalzone
arterie Pulpa ein. Sie gehen in kurze, dünnwandige Pulpavenen
Trabekel- __ • •
Sekundärfollikel
über, die in die Trabekel eintreten und hier die Trabekel-
vene • • venen bilden. Trabekelvenen besitz.cn eine sehr dünne
• '. Zentralarterie
• • Wand mit nur vereinzelten glatten Muskelzellen und bil-
Lymphgefäß '.
den schließlich die Milzvenc, die in die Pfortader einmiin-
Primärfollikel
det.
Abb. 6.17 Blutgefäße in der Milz (Schema). Das arterielle
Blut ftießt über Milz- und Balkenarterien in die Zentralarte-
rien der weißen Pulpa. Die Zentralarterien verzweigen sich
Pulpa
terminal zu Pinselarteriolen. Den kapillären Endabschnitten Das Innere der Milz wird von der Milzpulpa ausgeflillt, die
der Penicilli liegen zum Teil sog. Hülsen an. Die Endkapilla- das Organparenchym repräsentiert und die der Kapsel und
ren münden offen in die rote Pulpa oder zum Teil auch direkt den Trabekeln unmittelbar anliegt- es fehlt der Randsinus
in die Mitzsinus. Diese sammeln sich in Pulpavenen, die über der Lymphknoten!
die Balkenvenen die Milz verlassen. Seitenzweige der Zent-
ralarterien münden ebenfalls offen in die Marginalzone.
6.3 Lymphatische Organe 239
w
R R
Weiße und rote Pulpa Die Pulpa gliedert sich in (Abb. Grundgerüst Gemeinsam ist weißer tmd roter Pulpa ein
6.19): Grundgerüst aus retikulärem Bindegewebe mit fibroblas-
• die weiße Pulpa und tischen Retikulumzellen und retikulären Fasern. Diese Fa-
• die rote Pulpa. sern werden immer von diinnen Ausläufern der Retiku-
lumzellen bedeckt. Dadurch sind sie den 1hrombozyten
Die weiße Pulpa repräsentiert das Immunsystem der Milz, nicht zugänglich, und die Auslösung der Blutgerinnung
die rote Pulpa ist eine Art Blutfilter, baut vor allem alte Ery- wird verhindert. Die fibroblastischen Retikulwnzellen ent-
throzyten ab und speichert 1hrombozyten. Beide Bereiche halten in unterschiedlichem Ausmaß Aktin tmd sind wahr-
stehen in enger Beziehung zu bestimmten Abschnitten des scheinlich in der Lage, sich zu kontrahieren, was ftir alle
Blutgefäßsystems. Der jeweilige Anteil von weißer und roter 1heorien zur Fortbewegung der Erythrozyten in der roten
Pulpa ist individuell unterschiedlich: Bei Erwachsenen macht Pulpa von Interesse ist.
die weiße Pulpa ca. 25'Mt, die rote Pulpa 75% aus, bei Klein-
kindern ist der Anteil der weißen Pulpa i. A. deutlich größer. Weiße Pulpa
Bei einer Sepsis oder bestimmten Leukämien kann sich der Der weißen Pulpa gehören folgende Bereiche an (Abb. 6.20):
Anteil der weißen Pulpa erhöhen. • die perlarterielle Lymphozytenscheide (PALS)
• die Lymphfollikel
• die Marginalzone.
240 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
a b
Abb. 6.21 T- und B-Lymphozyten in der weißen Pulpa eines Kindes. a: lmmunhistochemischer Nachweis von CD4-
positiven T-Lymphozyten (braun) in der PALS, ~ Zentralarterie. Vergr. 250-fach. b: Immunhistochemischer Nachweis von
CD20-positiven B-Lymphozyten in einem Sekundärfollikel (F), Vergr. 120-fach.
a b
Abb. 6.22 Rote Pulpa der Milz (Mensch). a: Hauptkomponenten sind die zahlreichen, sich zum Teil verzweigenden Milz-
sinus (1), in deren Lumen Erythrozyten (rot gefärbt) erkennbar sind, und die zwischen den Sinus liegenden zellreichen
Pulpastränge (2) retikulären Bindegewebes. Färbung: Azan; Vergr. 250-fach. (Aus [1]) b: Immunhistochemischer Nachweis
des Vimentins, Baustein der Intermediärfilamente, in den Endothelzellen der Milzsinus (1), Vergr. 450-fach.
Ausläufern der fibrob lastischen Retikulumzellen umhüllt. be, durch das Maschenwerk des retikulären Bindegewebes
In diesem sehr weitmaschigen Bindegewebe kommen viele wieder in das Blutgefäßsystem zurückzukehren, tmd sie
Makrophagen, Plasmazcllen, 1hrombozyten und auch Lym- müssen zusätzlich von außen durch Schlitze zwischen den
phozyten vor. In die Maschen dieses Bindegewebes mün- Endothelzellen der Sinus hindurchtreten. Wie diese Wande-
den offen Kapillaren - wahrscheinlich auch Arteriolen - , rung der nicht eigenbeweglichen Erythrozyten (auch der
die terminal aus den Pinselarteriolen hervorgehen. Ver- 1hrombozyten) genau vor sich geht, ist noch nicht eindeutig
mutlich gehen nur wenige Kapillaren der Pulpastränge klar. Vermutlich werden sie durch den Strom des Blutplas-
direkt in die Sinus über. mas vorangetrieben und ihre stark ausgeprägte Verfarm-
Die vielen Makrophagen im Bindegewebe erkennen alte barkelt erleichtert ihnen den Durchtritt durch Schlitze zwi-
Erythrozyten und bauen sie ab. Durch die Erythrozyten- schen den Endothelzellen der Sinus (Abb. 6.23, 6.24). Es ist
bruchstücke erhalten sie eine brätmlich-gelbe Eigenfarbung aber nicht gesichert, ob diese Schli tzc permanent o tren sind
und lassen sich mit hislochemischen Eisenreaktionen spezi- oder ob die Endothelzellen aktiv die Schlitze vorübergehend
fisch darstellen (Abb. 2.66). Vermutlich liegt der biologische ausbilden. Oie Pulpastränge sind auch Speicherraum für
Sinn der offenen Gefäßstrecke der Pulpastränge darin, dass 1hrombozyten und in ihnen reifen viele Retikulozyten (fast
hier Makrophagen relativ leicht direkt in Kontakt mit den reife Erythrozyten) aus.
Erythrozyten treten und gealterte rote Blutzellen erkennen
können. Hier können sie auch pathologisch veränderte oder Milzsinus Oie zahlreichen, meist verzweigten, weitlurni-
von Parasiten (z.B. Plasmodien) befallene Erythrozyten er- gen Milz.sinus besitzen eine einschichtige Wand aus beson-
kennen. deren, längs verlaufenden Endothelzellen (Abb. 6.22, 6.23).
Oie nicht gealterten Erythrozyten stehen vor der Aufga- Diese Zellen sind schlanke Stäbe mit zugespitztem Ende
242 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
Ba salmembran-
streifen
Makrophage
Makrophage
Kollagenfibrillen
Abb. 6.23 Milzsinus (Schema) . Die Wand besteht aus längs verlaufenden Endothelzellen, zwischen denen Lücken auftreten
können. Durch die Lücken wandern intakte Erythrozyten aus dem Bindegewebe der Pulpastränge in den Blutstrom zurück.
Außen bedecken Basalmembranstreifen die Endothelzellen. Diesen Basalmembranstreifen liegen Fortsätze von fibroblastischen
Retikulumzellen und zum Teil auch Kollagenfibrillen an, die sonst im retikulären Bindegewebe der Pulpastränge ein Maschen-
werk aufbauen. (Aus (1])
follikuläre dendr~ische
Zelle (FDC)
Makrophage, afferentes
Lymphgefäß
''
Makrophage Sinus-
•
-_ • ~ndothel
hbroblastlsche
I I 1
1
Retikulumzelle
Marksinus ::
•
Markst ränge' •
-Arterie fibroblastlsche
efferentes Lymphgefäß· Retikulumzelle
Abb. 6.25 Lymphknoten, schematisch in 4 Sektoren (I-IV) gegliedert, deren Komponenten aber im ganzen Lymphknoten
in gleicher Weise entsprechend verteilt sind. I mit B-und I-lymphozyten assoziierte Strukturen; n Makrophagen und antigen-
präsentierende Zellen (APC): Follikuläre dendritische Zellen (FDC) präsentieren den B-lym phozyten, interdigitierende dendri-
tische Zellen (IDC) den I -lymphozyten die Antigene; III Mikrozirkulation; IV Follikel und fibroblastische Retikulumzellen. In
den hochendothelialen Venolen emigrieren Lymphozyten aus dem Blutstrom. (Aus (1])
Die Milz ist oft bei neoplastischen hämatologischen artige Kompartimente tmtergliedern. Kapsel und Trabekel
Krankheiten betroffen. Bei manchen Anämieformen, Leuk- bestehen aus straffem kollagenem Bindegewebe (Typ-I-
ämien und manchen Vergiftungserkrankungen kann die Kollagen) mit Fibroblasten tmd elastischen Fasern.
Milz des erwachsenen Menschen wieder Blutzellen bilden
(mycloide Metaplasie). Damit nimmt sie eine Funktion wie- Rinde und Mark Das In n ere der Lymphknoten wird von
der auf, die sie als Normalfunktion in der Embryonalzeit ge- einem retikulären Bindegewebe ausgefüllt, in das unter-
leistet hat Bei gesunden Kindern und Erwachsenen erfolgt schiedliche Formationen von Lymphozyten eingelagert
die Blutzellbildung aber nur im Knochenmark sind. In der Randzone der Lymphknoten sind die Lympho-
zyten dichter gelagert als im Zentrum (Abb. 6.24, 6.26),
dementsprechend unterscheidet man in Rinde (Ko rtex) und
Lymphknoten Mark (Medulla). Die Grenze zwischen beiden is t tmscharf.
Es gibt beim Menschen ca. 600- 700 Lymphknoten, die oft
rundlich oder nierenförmig gestaltet und in das System der Sinus Wichtig fiir das Verständnis der Funktion der
Lymphgefaße eingeschal tet sind. Größere Ansammhmgen Lymphknoten ist das System der Sinus, die im Lymphkno-
finden sich vor allem in der Leistengegend, im Hals, in der ten spezielle Bahnen für cUe Lymphe bilden, die über die
Achselhöhle, im Mcdiastinum, paraaortal tmd in den Me- afferen ten Lymphgefäße in die Lymphknoten flieHt. Unter
senterien. der Kapsel b efindet sich der Randsinus (Abb. 6.25, 6.27),
Lymphknoten sind ca. 2 - 20 mm groß tmd filtern die der die afferente Lymphe attfnimmt und von dem aus sie in
Lymphe der verschiedenen Körperregionen, die durch sie die Radiärsinus (Intermediärsinus) übertritt, die parallel zu
tmidircktional hindmchlließt. Sie besitzen ein Hilum, an den Trabekeln ins Innere verlaufen. Im Zentnun nehmen
dem Blutgefaße ein- tmd austreten (Abb. 6.25). Am Hilum die zahlreichen, miteinander anastomosierenden Mark-
findet sich auch ein (selten 2 oder mehr) austretendes (effe- sinus die Lymphe attf, aus ihnen fließt sie in das efferente
rentes) Lymphgefaß. Die typischen zufiih renden (afferen- Lymphgefäß tmd verlässt den Lymphknoten.
ten) Lymphgefaße treten in gröHerer Zahl an verschiedenen
Stellen der Oberfläche in die Lymphknoten ein. Die histolo- Merke Weg der Lymphe im Lymphknoten: afferente
gische Struktm der Lymphknoten eines Individuums vari- Lymphgefäße -+ Randsinus-+ Radiär(= Intermediär)si-
iert erheblich und spiegelt Alter sowie überstandene oder nus -+ Marksinus -+ efferentes Lymphgefäß. Cave: Sinus
akute Krankheiten wider. sind im Lymphknoten Lymphgefaße, in der Milz venöse
Blutgefäße.
Aufbau Die Sinus sind von flachen Endothclzcllen begrenzt (Abb.
Kapsel und Trabekel Das Organ wird von einer Kapsel 6.27, Abb. 6.28), denen sogar auf der Seite der Sinus, die an
wugeben, von der aus sich verzweigende Trabekel ins Inne- Kapsel oder Trabekel grenzt, eine durchgehende Basallami-
re ziehen, die den Lymphknoten unvollständig in kammer- na tmterlicgt Auf der Seite der Sinus, die an das Parenchym
244 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
Abb. 6.26 Lymphknoten, Übersicht 1 Rindenregion; Rinde mit Lymphfollikeln und parakortikaler Zone
* Lymphfollikel in der Rindenregion, umgeben von den Im Kortex befinden sich einerseits Lymphfollikel, in denen
parakortikalen (• parafollikulären) Regionen; 2 Mark mit die B-Lymphozyten angesiedelt sind (Abb. 6.26, Abb. 6.31).
Marksträngen und Marksinus; 3 Kapsel; 4 Hilum. Mensch; Zwischen den Follikeln und unterhalb von ihnen liegt ande-
Färbung: H. E.; Vergr. 5-fach.
a b
Abb. 6.27 Randsinus eines Lymphknotens (Mensch). a: Durch den Randsinus (S) ziehen zahlreiche schlanke retikuläre
Fibroblasten hindurch (~),außerdem finden sich hier Lymphozyten (kleine kugelige Kerne). 1 Kapsel des Lymphknotens,
2 T-Region der Rinde. Färbung: H. E., Vergr. 450-fach. b: Randsinus (S) mit Darstellung der (schwarzgefärbten) feinen retiku-
lären Fasern(~), 1 Kapsel (Braunfärbung: Typ-I-Kollagen), 2 T-Region der Rinde (siehe auch Abb. 3.2.16). Färbung: Silber-
imprägnation nach Gomori, Vergr. 250-fach.
6.3 Lymphatische Organe 245
a c
Abb. 6.28 Ultrastruktur Abb. 6.30 Emigrierender
des Randsinus. Lymphozyt..
rerseits die sog. parakortikale (= parafollikuläre) Zone, die (so wie ca. 60~ aller B-Lymphozyten im Blut), d. h., sie sind
dem T-Zell-Areal entspricht (Abb. 6.26, Abb. 6.31, Abb. noch nicht antigenstimuliert Der Follikelmantel ist oft an
6.32). Die Follikel können differenziert sein als Primärfolli- der zur Kapsel weisenden Seite verdickt und bildet hier eine
kel, Sekundärfollikel oder Tertiärfollikel (zugnmde gehende sog. Kappe.
Follikel).
Keimzentren In den Keimzentren machen die B-Lym-
Primärfollikel phozyten wichtige Verändenmgcn durch:
Die Primärfollikel sind einheitliche Ansarrmlltmgen von rei-
fen, aber noch naiven B-Lymphozyten. Diese B-Lymphozy-
ten sind also noch nicht mit Antigenen in Kontakt gekom-
men, sodass sie weder proliferieren noch in einen komplexen
Diftcrenziemngsprozess eingetreten sind. An Aufbau tmd
Organisation der Follikel sind sowohl fibroblastische Reti-
kulumzellen als auch follikuläre dendritische Zellen betei-
ligt. Letztere sind über kleine Desmosomen verbunden.
Sekundärfollikel
Aufbau In den auffilligen Sekundärfollikeln lässt sich ein
dichter peripherer Sawn (= Lymphozytenmantel =Follikel-
mantel = Randwall) aus kleinen Lymphozyten mit Ober-
flächenantikörpcrn der IgM- und IgD-Klasse von einem
helleren Zentrum, dem Keim- oder Reaktionszentrum, un-
terscheiden (Abb. 6.25, Abb. 6.26, Abb. 6..33). Das Grundge-
rüst bilden fibroblastlsche Retikulwnzellen und retikuläre
Fasern. Die Zellen des Randwalls sind ruhende naive Zellen Abb. 6.31 B-Lymphozyten im Kortex eines Lymph-
knotens. Oie B-Lymphozyten kommen vorwiegend in den
Lymphfollikeln (1) vor; 2 parafollikuläre (= parakortikale)
Region. Mensch; Färbung: immunhistochemischer Nachweis
des C020-Proteins, das B-Lymphozyten markiert. Vergr.
100-fach. (Aus [1))
Zentrablasten Die Zentrohlasten sind eine relativ große, T- Helferzellen Außerdem kommen im Keimzentrum
frühe Differenzierungsphase (Abb. 6.34). Sie entstehen ca. 4 (Abb. 6.32) bestimmte T-Helferzellen (CD4-positive TH2-
Tage nach Antigenkontakt aus aktivierten B-Zellen, die in Helferzelle, Kap. 6.2.1) Lmd Makrophagen vor. Die T-Hel-
den Primärfollikel eingewandert sind. Die Zentrohlasten ferzellen machen ca. lO'l' der Lymphozyten des Keimzent-
teilen sich schnell, und bei ihnen kommt es im Bereich nun s aus Lmd sind für die B-Lymphozytcn-Diflerenzierung
der variablen Region der Immunglobuline zu Hypermuta- unentbehrlich. Die Makrophagen sind an der Elimination
tionen. der apoptotischen Zentrozyten beteiligt (Abb. 6.34).
Zentrozyten Die Zentrohlasten entwickeln sich in Kon- Marginalzone Die Zone, die sich tmmittelbar außerhalb
takt mit den follikulären dendritischen Zellen zu den klei- des Follikelmantels befindet, wird Marginalzone genannt.
neren Zentrozyten weiter. Die Zentrozyten besitzen einen Die Marginalzone ist besonders reich an B-Gedächtnis-
eingekerbten Kern und kurze lamellenförmige Zellfortsät- zellen. Die langlebigen Plasmazellen wandern bevorzugt in
ze. Sie tragen an ihrer Oberfläche viele membranständige das Knochenmark und in die Darmschleinlhaut.
Immunglobuline und können auch proliferieren. Die folli-
kulären dendritischen Zellen sind in der hellen Keimzcnt- Parakortikale Zone
nunszone besonders zahlreich. Sie sind stark verzweigt, In der parakortikalen Zone (Parakortex, T -Region) sind die
besitzen einen hellen ovalen Kern und tragen an ihrer T-Lymphozyten relativ homogen verteilt (Abb. 6.26, Abb.
Oberfläche Komplementrezcptoren, mit denen sie tLber lan- 6.33). Hier werden die T -Lymphozyten durch interdigitie-
rende dendritische Zellen aktiviert und proliferieren darauf-
hin. Hier finden sich auch die hochendothelialen Venolen.
Die aus den hochendothelialen Zellen austretenden T-Lym-
phozyten bleiben in der parakortikalen Zone. Die B-Lym-
phozyten durchwandern meist rasch die parakortikale Zone
auf dem Weg zu den Follikeln. Sie können auch auf ein spe-
zifisches Antigen stoßen und es binden. Dadurch werden sie
in der T-Zell-Zone aLUgehalten Lmd können mit antigenspe-
ziiischen T H2-Zellen interagieren. Es entsteht tmmittelbar
ein kleiner nPrimärfokus", der eine erste lmmLmantwort
gibt Lmd oft nach einigen Tagen zugnmde geh t. B-Lympho-
zyten aus einem solchen Primärfokus können auch Primär-
follikel erreichen Lmd sich hier vermehren, sodass Sekun-
därfollikel entstehen, wo es dann zu anhaltender intensiver
Immunantwort kommt.
Mark
Im Mark bildet das Lymphknotengewebe anastomosierende
Stränge (Markstränge) zwischen den Marksinus (Abb. 6.35).
In ihnen verlaLLfen kleine Blutgefäße, und sie enthalten viele
Lymphozyten, Makrophagen und auch Plasmazellen sowie
in Mesenterialyrnphknoten oft auch Mastzellen. Die Makro-
phagen können verbreitet auch in den Marksinus vorkom-
Abb. 6.33 Sekundärfollikel in der Rindenregion eines men (Abb. 3.2.15), was besonders auffällt, wenn sie Kohlen-
Lymphknotens. Keimzentrum mit heller (1 ) und dunkler Zone staub phagozytiert haben (Anthrakose, Abb. 6.36).
(2); 3 Randwall; 4 Randsinus; S parakortika le Region mit
T-Lymphozyten. Einzelne Makrophagen am Randwall sind mit
Pigment beladen (Braunfärbung). Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 150-fach. (Aus [1])
6.3 Lymphatische Organe 247
Plasmazelle
• Zentrozyten
Makrophage
mit apoptotischem-
Zentrozyt
follikuläre
dendritische· •fibroblaslische
Zelle Retikulumzelle
•
Zentrablasten
©
antigenstimulierter
B-Lymphozyt
Abb. 6.34 Struktur und zum Tell hypothetische Funktionen des lymphfollikels. Ein antigenstimulierter reifer B-Lyrn-
phozyt unt erliegt im Keimzentrum Hypermutationen und Differenzierungsprozessen, sodass er sich nach Durchgang durch
das Stadium des Zentrablasten und Zentrozyten entweder zu einer Gedächtniszelle oder zu einer Plasmazelle entwickeln kann.
Der Randwall besteht aus naiven B-Zellen. Zugrunde gegangene Zentrozyten werden durch Makrophagen eliminiert.
Mukosaassoziierte lymphatische Organe Morphologie Die Oberfläche der Tonsillen ist durch tiefe
Die mukosaassoziierteo lymphatischen Organe und Gewebe Einsenkungen (Krypten) und Aufwölbungen unruhig ge-
werden vielfach auch lymphoepitheliale Gewebe und Orga- staltet und zerklüftet. In den Krypten ist das Epithel von
ne genannt, da in ihnen Oberflächenepithelien eine funk- Lymphozyten und anderen Leukozyten durchsetzt Ltnd oft
248 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
nur n och mit Mühe erkenn bar. Das Lumen der Krypten
enthält oft "Pfröpfe" aus abgestoßenem Epithel, Schleim
und Leukozyten.
Das Oberfläch enepithel, zum eist ein mehrschichtig un-
verh orntes Plattcncpithcl, ist über dem lymph atischen Ge-
webe oft stark aufgelockert; zwischen Epithelzellen finden
sich in großer Zahl Lymphozyten, dendritische Zellen, Neu-
trophile und Makrophagen. Die Auflockerung des Oberflä-
chenepithels durch eingewanderte Leukozyten und dendri-
tische Zellen erleichtert den Kontakt zwischen pathogenen
Mikroorganismen und Abwehrzellcn. Die obersten Zell-
schichten bleiben meist geschlossen und können M-Zellen
enthalten. Bei einer floriden eitrigen Tonsillitis wird auch
der Verband der oberen Epithelschichten von Neutrophilen
aufgebrochen.
Unter dem Epithel befinden sich Lymphfollikel (B-Zell-
Region) tmd parafollil"lllläres Gewebe (T -Zell-Region) mit
hochendothclialen Vcoolen. Die Sekundärfollikel können
sehr groß sein und bilden zwu Oberflächenepithel hin oft
eine auffallende halbmondf6 rmige Kappe aus, die einem
verdickten Randwall entspricht. Aus den To nsillen führen
efferente Lymphgefaße Lymphe zu den tieferen Lymphkno-
ten. Gegen die Umgebung sind di e Tonsillen durch eine
Bindegewebskapsel abgegrenzt, aus der sie operativ heraus-
geschält werden können.
Abb. 6.37 Tonsilla palatina, Übersicht. Das mehrschich- Abb. 6.38 Tonsilla palatina. Das mehrschichtige unver-
tige unverhomte Plattenepithel bildet tiefe, verzweigte homte Plattenepithel der Krypten (1) ist als zusammenhän-
Einsenkungen (s Krypten, * ). Diese werden von lymphati- gender Zellverband auf zum Teil 2-3 dünne Zelllagen (~)
schem Gewebe mit zahlreichen lymphatischen Sekundär- reduziert. lnfolge einer Durchsetzung mit Lymphozyten ist
follikeln (F) unterlagert. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 12- das Epithel zu einem lockeren, netzförmigen epithelialen
fach. Zellverband transformiert worden. Unter diesem Epithel er-
kennt man im lymphatischen Gewebe (2) Anschnitte von
Sekundärfollikeln mit Randwall (3) und Reaktionszentrum
( 4 ). Letzteres ist hier gut erkennbar in helle (* ) und dunkle
(**) Zone gegliedert; 5 normales OberflächenepitheL
Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 60-fach.
ten und Buchten. Das lymphatische Gewebe bildet nur ein e Lymphatisches Gewebe im Darmtrakt
ungefähr 2 mrn dicke Schicht. Die Kapsel enth ält viele elas-
tische Fasern. Unter der Kapsel liegen gemischt seromu- Die Peyer-Plaques (Polliculi lymphatlci aggregati) sind 2 -5
köse Drüsen, die an der Oberlläche dieser Tonsille aus- (bis 20) cm große Verdickungen der Mukosa und zum Teil
münden. auch der Submukosa des terminalen Ileums. Ähnliche, aber
deutlich kleinere Strukturen kommen im ganzen Dünn-
darm, in der Appendix und manchmal auch im Kolon vor.
Klinik Die Tonsillen als .,vorgeschobene Posten" des Im-
munsystems müssen sich häufig mit Krankheitserregern Plaques Die Verdickungen (.,Platten", Plaq ues) werden
(Bakterien, Viren) auseinandersetzen, und es kommt daher durch zahlreiche Lymphfollikel (B-Zell-Region) und para-
oft zu Entzündungen (Tonsillitis, Mandelentzündung). Da- (inter)folllkuläres Gewebe (T -Zell-Region) hervorgerufen,
bei kann das Oberflächenepithel massiv mit NeutraphiJen die sich gegenüber dem Mesenterialansatz primär in der
infiltriert (eitrige bakterielle Entzünd ungen) oder sowohl Mukosa bilden (Abb. 6.42). In den parafollikulären T-Zell-
mit Lymphozyten als auch NeutraphiJen durchsetzt sein. Bei Regionen liegen hochendotbcliale Venolen und efferente
eitriger Tonsillitis finden sich auch im Oberflächenschleim Lymphgefäße.
zahllose Neutrophile.
Vom lymphatischen Gewebe der Tonsillen können auch Domepithel Ober den Lymphfollikeln bildet das Darm-
bösartige Lymphome ausgehen. epithel flache Vorwölbungen, in deren Nachbarschaft durch-
250 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
a b
Abb. 6.39 Tonsuta palatlna. a: Lymphfollikel (1} mit zur Oberfläche gerichteter Kappe in der Wand einer Krypte. Im Reak-
tionszentrum des Follikels sind die dunkle (**) und helle (*) Zone gut erkennbar. In das mehrschichtige unverhomte Kryp-
tenepithel sind zahlreiche Lymphozyten eingedrungen, sodass vom Epithel nur ein grob netzförmiger Rest erkennbar ist (2).
3 Lumen der Krypte. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 110-fach . b: Reaktionszentrum eines Follikels bei Tonsillitis mit gut
erkennbaren Makrophagen (-+}, die apoptotische Lymphozyten phagozytieren. Mensch; Färbung: Giemsa, Vergr. 450-fach.
Abb. 6. 42 Peyer-Plaques
im Ileu m. Dichtes lymphati-
sches Gewebe ( *) besiedelt
hier gegen über vom Mesen-
terialansatz (nicht im Bild)
vor allem die Mukosa, kann
aber auch in die Submukosa
(1) vordringen. 2 Lymph-
follikel; 3 Dom; 4 normale
Darmzotten; 5 Darmlumen;
6 Muskularis. Über den
Lymphfollikeln bildet das
Oberflächenepithel eine
6
flache Vorwölbung, die sich
von den schlanken Zotten
abhebt. Rhesusaffe; Färbung:
H. E.; Vergr. 45-fach.
252 6 Immunsystem (lymphatisches System, Abwehrsystem)
der Plasmazellen, die sich außerhalb der Follikel ausdiffe- Komponente vom Rezeptor abgespalten. Die sekretorische
renzieren und die ganze Darmschleimhaut, die Schleim- Komponente schützt das lgA vor dem Abbau.
häute anderer Organe und alle exokrinen Driisen besiedeln.
Hier bilden sie !gA-Dimere, die an den sog. Poly-lmmtm- Vorkommen Vor allem Dünndarm und Appendh-: (Abb.
globulin-Rezeptor benachbarter Epithelzellen binden. Der 6.45), hier verdrängt das reich entwickelte lymphatische Ge-
Rezeptor besitzt eine extrazelluläre Domäne, die sekretori- webe oft die Krypten der Mukosa; im Oberflächenepithel
sche Komponente, an die das !gA-Dimer gebtmden wird. kommen auch hier M-Zellen vor.
Der ganze Komplex wird transzytotisch durch die Epithelien
all dieser Organe geschleust. An der Oberfläche des Organs
wird das !gA-Dimer zusammen mit der sekretorischen Klinik Bei Entzündtmgen des Darms (Enteritiden) reagie-
ren die Peyer- Plaques mit Vergrößerung und Aktivienmg des
lymphatischen Gewebes. Dies trifft besonders ftir schwere In-
fektionen wie Typhus zu. Die M-Zellen sind Ziel mancher pa-
thogener Mikroorganismen im Darm, möglicherweise auch
für HIV. Auch vom mukosaassoziierten lymphatischen Ge-
webe des Magen-Darm-Trakts können maligne Lymphome
ausgehen.
B-und T-Lymphozyten
in Taschen der M-Zellen
Antigen --- •
•
e •• • : ' Zonula
MikroviiJus -
Mikrofalte M-Zelle
I
'
/
I ••
.. ocpludens
Lysosom---
Enterozyt- ---
Basallamina - ---
antigenpräsentierende (inter-
Zelle (Makrophage) --- , digitierende)
dendritische
Zellen
T-Lymphozyt- -
Follikel-- - -
' B-Lymphozyt
Abb. 6.44 Funktionelle Histologie der
'•follikuläre dendritische Zelle Peyer-Plaques.
KAPITEL
Bewegungsapparat
7.1 Gelenke ••••• 0 • • • • • ••• 0 • 0 0 ••••••• 253 7.3 Zwischenwirbelscheiben ............. 259
7.1.1 Diarthrosen •••• 0 ••• 0 • 0 • 0 • 0 ••• 0 •••• 253
7.1.2 Synarthrosen • • ••••••• 0 • 0 • • 0 • • ••••• 256 7.4 Bandapparat der Wirbel • • • • • • • • 0 • • ••
261
7.2 Sehnen .......................... 257 7.5 Chorda dorsalis • • 0 • • • 0 ••• 0 0 • 0 ••••• 262
7.2.1 Aufbau • • • • • • 0 •••• 257 0 • 0 ••••• 0 • 0 • 0 ••
Der Bewegungsapparat umfasst einen aktiven Teil, der aus Die histologischen Grundkomponenten des Bewegtmgs-
Skelettmuskulatur besteht, und einen passiven Teil, der aus apparats, z. B. straffes Bindegewebe, Knorpel-, Knochen- tmd
unterschiedlichen Typen des Binde- und Stützgewebes auf- Muskelgewebe, sind in Kapitel 3 dargestellt. Im Folgenden
gebaut ist. Von Altcrsveränderungen tmd Krankheiten sind soll der Schwerpunkt auf ausgewählte, funktionell wichtige
besonders die Gelenke, die Sehnen, die Wirbelund die Zwi- Anteile des passiven Bewegungsapparats gelegt werden, die
schenwirbelscheiben betroflcn. besonders häufig erkranken und daher im ärztlichen Alltag
eine Rolle spielen.
7.1 Gelenke
___________________________________ Zu r Orientierung -----------------------------------
Diarthrotische Gelenke bestehen aus Gclenkflächen, Ge- Die Gelenkkapsel besteht aus der äußeren Membrana
Ienkhöhle und GelenkkapseL Im hyalinen Gelenkknorpel, fibrosa aus straffem Bindegewebe und der inneren Mem-
der die Gelenkflächen bildet, lassen sich aufgrund der brana synovialis (mit Fibroblasten, die auch Synovialilüs-
Architektur der Kollagenfasern und der Anordmmg und sigkeit bilden, Makrophagen tmd reich entwickelter Mi-
Gestalt der Knorpelzellen 4 Schichten unterscheiden: Tan- krozirkulation).
gentialfaserschicht, Obergangswne, Radiärwne, minera-
lisierter Knorpel.
hyaliner Gelenkknorpel
- - - - -Membrana fibrosa
_. Grenzlinie
• • Mineralisierungszone
Abb. 7.1 Diarthrose (Schema). Diarthrosen bestehen aus Abb. 7.3 Gelenkknorpel eines Fingergelenks, höhere
knorpeligen Gelenkflächen, Gelenkhöhle und GelenkkapseL Vergrößerung. Der Gelenkknorpel wird, ausgehend vom
Im Gelenkknorpel ist der arkadeoffinnige Verlauf der Kolla- Gelenkspalt (1) in 4 Schichten eingeteilt: Tangentialzone
genfibrillen angedeutet. Die Mineralisierungszone ist die (2), Übergangszone (3), Radiärzone (4) und mineralisierter
Verkalkungszone des Gelenkknorpets. Membrana fibrosa und Knorpel (6). Zwischen Radiärzone und mineralisiertem
Membrana synovialis bilden die GelenkkapseL Die locker an- Knorpel befindet sich die Grenzlinie (5 ); 7 subchondraler
einandergefügten A-Zellen in der Membrana synovialis sind lamellenknochen. Mensch; Färbung: Masson-Trichrom;
spezielle Makrophagen, die B-Zellen sind aktive Fibroblasten, Vergr. 250-fach.
die neben Kollagen und Proteoglykanen auch das Hyaluronan
der Synovia bilden. Die Synovia (Gelenkflüssigkeit) befindet
sich im Gelenkspalt. (Aus [1))
a
Abb. 7.4 Chondrozyt.
und besitzen einen aktiven großen Golgi-Apparat. Sie durch wiederholte geringfügige Krafteinwirkungen geschä-
enthalten viel Glykogen. digt werden. Dies ist der Beginn einer Arthrose (degenerativ
• Schicht IV, mineralisierter Knorpel, der dem subchon- oder tratunatisch bedingt). Wenn die Risse tiefer werden, re-
dralen Knochen auiliegt. Er besitzt verhältnismäßig we- agiert der Knorpel sowohl mit Proliferation (Brutkapseln)
nige und zum Teil abgestorbene Chondrozyten. Diese als auch mit Degeneration. Dann brechen Stücke aus dem
Schicht hat eine Funktion bei der Druckübertragung tmd Gelenkknorpel heraus und liegen frei in der Gelenkhöhle.
verhindert offenbar, dass der Knorpel vom Knochen ab - Dies wirkt als Fremdkörperreiz, der zu einer Entzündung
schert. An der Knorpel-Knochen-Grenze bilden sich aus- der Gelenkkapsel führt. Der Gelenkknorpel schwindet
geprägte Verzahn ungen der beiden Gewebe, deren Kol- schließlich, der verdickte subchondrale Knochen liegt frei,
lagenfasern aber nicht vom einen zum anderen Gewebe Gefäße wachsen aus der Tiefe in den Defekt ein.
übertreten. Bei Kindern findet hier enchondrales Kno- Die Regenerationskraft des Gelenkknorpels wird ver-
chenwachstum statt. Auch nach Beendigung des Wachs- schieden beurteilt, wobei Alter und Belastung eine Rolle
tums kann es in Schicht IV zu Um- und Neubildung von spielen. Es ist immer wieder gezeigt worden, dass nach Um-
Knochen kommen. stellungsoperationen neues Knorpelgewebe an der Gelenk-
fläche entsteht, jedoch offenbar stets nur in Form von Faser-
Grenzlinie Zwischen Schicht Tli und IV befindet sich die knorpel.
Grenzlinie ("tide mark"; Abb. 7.1, Abb. 7.3), die 2-5 fUU
dick tmd besonders calciumreich ist. Bei älteren Menschen
ist diese Linie oft doppelt, bei Kindern fehlt sie; ihre Funk- Gelenkkapsel
tion ist nicht bekannt. Aufbau Die Gelenkkapsel besteht aus der äußeren Mem-
brana fibrosa (Stratum fibrosum) und der inneren Mem-
Menisken Menisken und ähnliche Gebilde bestehen aus brana synovialis (Strattm1 synoviale):
Faserknorpel (Kap. 3. 2.11), Zttm Teil mit erheblichen Bei- • Die Membrana fibrosa besteht aus straft'em Bindegewe-
mengungen von straflcm Bindegewebe. Im Alter dominier t be und ist kontinuierlich mit dem straften Bindegewebe
eindeutig das strafte Bindegewebe aus dicht gepackten Kol- des Periosts verbunden. Sie dient der Stabilität des Ge-
lagenfasern vom Typ I, die in Korrelation zur funktionellen lenks.
Belasttmg Lamellen, ringförmige und radiäre Strukturen • Die Membrana synovialis bildet vielgestaltige, in den Ge-
sowie sich überkrettZCnde Pasern aufbauen (Abb. 7.5). Die lenkraum ragende Palten ttnd Zotten (Abb. 7.6) und baut
Kerne der Fibroblasten können sehr flach und nur blass sich aus der inneren synovialen Intima (synoviale Deck-
anHiebbar sein. Im Kniegelenk dringen Blutgefäße und Ner- schicht) und der äußeren subintimalen (subsynovialen)
ven bis ins mittlere Drittel vor. Schicht auf.
- Die synoviale Intima ist durch 1-4 Schichten synovia-
Kli nik Im Alter gehen oft Anteile der Grundsubstanz, vor- ler Deckzellen (Synoviazyten) gekennzeichnet (s.u.).
wiegend die Proteoglykane, verloren. Damit kommt es zu - Das subintimale Gewebe ist ein lockeres Bindegewebe;
Wasser- und E!astizitätsverlust, die Kollagenfibrillen de- es ist reich an Blut- und Lymphgefäßen und enthält
maskieren sich, der Knorpel fasert an der Oberfläche auf, viele Fettzellen sowie vegetative Nervenfasern und auch
und es bilden sich Spalten (Pibrillation). Im gleichen Sinn einzelne Sinneskörper. Die Kapillaren sind fenestriert.
kann der Knorpel auch durch eine einmalige starke oder Neben Kollagenfibrillen kommen hier auch elastische
• Ein typisches Beispiel fLir eine Synchondrose ist die Nester aus Chondronen befinden. Im Alter treten in der
Schambeinfuge. Die Schambeinknochen sind hier von Schambeinfuge oft Spalten und flüssigkeitsgeftillte Räume
hyalinem Knorpel überzogen. Im Innern der Fuge finden auf. ·während der Schwangerschaft kommt es zu einer
sich bogenformige, kräftige Kollagenfaserzüge, die in das hormonbedingten Lockerung der Fuge.
Knochengewebe einstrahlen und zwischen denen sich
7.2 Sehnen
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Sehnen bestehen ganz überwiegend aus zugfestem Kolla- strukturierte Verbindung zur Muskulatur wird myotendi-
gen I und verbinden Knochen und Skelettmuskulatur. nale Verbindung genannt. Am Knochenansatz findet sich
Das Kollagen wird von speziellen Fibrozyten der Sehnen, FaserknorpeL
den Tenozyten {Plügelzcllen ), gebildet. Die komplex
7.2.1 Aufbau
Sehnen sind primär zugfeste Strukturen, die Muskulatur der Analyse des histologischen Querschnittspräparats deut-
und Skelett verbinden. Sie besitzen ganz unterschiedliche lich wird. Dadurch und durch den geringen Elastingehalt
Form und Länge und bauen sich aus straffem parallelfase- besitzt eine Sehne eine geringe, begrenzte Dehnbarkeit, und
rigem Bindegewebe auf (Abb. 7.8, s. a. Kap. 3.2.6). Beim Kol- es kommt zu einer gedämpften, "weichen" Kraftüber-
lagen überwiegt der Typ I, Proteoglykane und elastische Fa- tragtlOg zwischen Sehne und Muskel. AuBerdem hat das
sern treten dagegen deutlich zurück Decoran, ein Proteoglykan, das benachbarte Fibrillen ver-
bindet, elastische Eigenschaften, ttnd die Tenozyten enthal-
Peritendineum Eine Sehne setzt sich aus vielen Kollagen- ten Aktin- tmd Myosinfilamente, deren Zusammenspiel
faserbündeln zusammen, die jeweils von lockerem Binde- eine "gedämpfte" Kraftübertragung fordern soll.
gewebe, dem Peritendineum internum, umgeben werden.
Es enthält Nervenfasern und kleine Blutgefaßc. Außen wird Sehnenzellen Die Sehnenzellen (Tenozyten, Tendinozy-
die Sehne insgesamt vom Peritendineum cxternum um- ten, Abb. 7.8, Abb. 7.10) sind flache Fibroblasten mit feinen,
hüllt, das kontinuierlich in das Perimysium übergeht. Seh- flügelformigen Zellfortsätzen (Plügelzellen); sie enthalten
nen werden auf unterschiedliche Art und Weise von ge- wie andere Fibroblasten Aktin und Myosin. Gleitsehnen
schlängelten Blutgefaßcn versorgt. (Sehnen, deren Zugrichtung deutlich von der des Muskels
abweicht) enthalten dort, wo sie wn ein Widerlager (Hypo-
Kollagenfasern Die Fibrillen der Kollagenfasern sind mochlion) herumziehen, Knorpelzellen. Bei Zugsehnen
zwischen ca. 60 nm und ca. 170 nm dick Die Kollagen- stimmt die Zugrichtung mit der des Muskels überein.
fasern sind generell in Zugrichtung angeordnet (Abb. 7.8,
Abb. 7.9), die einzelnen Faserbündel verlaufen in Schrau- Myotendinale Verbindung Die Verbindung zwischen
bentouren mit untersch.iedlichem Steigungswinkel, was bei Sehne ttnd Skelettmuskulatur ist so komplex (Abb. 7.11),
dass sie erst im Elektronenmikroskop deutlich analysierbar
wird (Abb. 7.12). Die Muskel1.cllen sind an ihrem Ende zer-
klilftet ttod haben viele spalt· oder fingerförmige Einstül-
pungen, in die auch die Basallamina hineinzieht. Innerhalb
der Muskelzellmembran setzen an einer proteinreichen
VerdicktLOg (Anheftungsplaq ue) - praktisch einem halben
Z-Streifen - die Aktinfilamente des ersten Sarkomcrs der
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Abb. 7.9 Bündel von
Kollagenfibrillen in einer
Sehne.
7.3 Zwischenwirbelscheiben
- - - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die Zwischenwirbelscheiben bestehen aus Nucleus pulpo- lus fibrosus besteht aus einer Innenzone aus Faserknorpel
sus, Amtlus fibrosus und den knorpeligen Deckplatten der und einer Außenzone aus kompakten Kollagcnlamellen.
Wirbelkörper. Der gallertigc Nucleu s pulposus ist reich Die Deckplatten sind aus hyalinem Knorpel aufgebaut,
an wasserbindenden Protcoglykanen, die im Alter zu er- dessen histologische Struktur der von Gelenkknorpel äh-
heblichem Teil durch Kollagen ersetzt werden. Der Anu - nelt.
Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben, Disd interverte- elastischen Pasern aufgebaut ist, bilden die Außcnzone.
brales) sind Synchondrosen und Teil eines Bewegungsseg- Innerhalb einer Lamelle sind die Kollagenfasern über ver-
ments der Wirbelsäule. bindende Fasern verknüpft und verlaufen parallel zuei-
Ein Bewegungssegment besteht aus: nander. Von Lamelle zu Lamelle wechselt dann die Rich-
• zwei benachbarten Wirbeln mit der sie verbindenden tung der Fasern. Sie schneiden sich spitzwinklig (Abb.
Zwischenwirbelscheibe, 7.14) und sind in den Randleisten der Wirbelkörper ver-
• den Wirbelbogengelenken (Diarthrosen), ankert.
• dem zugehörigen Bandapparat, • In nen zon e: Sie besteht aus einem faserknorpeligen Ge-
• den zugehörigen Muskeln und webe mit Typ-I- und Typ -li-Kollagen (Innenzone), das
• dem Inhalt des Wirbelkanals und der Zwischenwirbcl- ohne scharfe Grenze in das Gewebe des Nucleus pulposus
löcher. übergeht. Zunächst sind die Lamellen noch erkennbar,
aber breiter ttnd lockerer gebaut und weniger scharf be-
Strukturell und funktionell zeigt die Region zwischen 2 Wir- grenzt als in der Außenzone. Sie sind im hyalinen Knor-
bclkörpcrn - also im Bereich der Zwischenwirbelscheibe - pel der Deckplatten verankert. In Richtung zum Zentrum
durchaus Ahnlichkeiten mit einem Gelenk. Der wasserrei- verschwinden die Lamellen aus Kollagenfasern und wer-
che Binnenraum dieser Region, der Nucleus pulposus, ist den durch locker verteilte Pasern ersetzt. Parallel zur
weich und verformbar, enthält jedoch Gewebestmkturen. Rückbildung der Lamellen nimmt die proteoglykanreich e
Die Zwischenwirbelscheiben (Abb. 7.13) entstehen ge- Matrix zu, und es treten zttnehmcnd Chondrozyten auf
meinsam mit den Wirbelan lagen. Sie bestehen aus: (Abb. 7.15).
• dem Amtlus fibrosus (Paserring),
• dem NuclettS pulposus (Gallertkem) und Bei Kleinkindern sind Blutgefäße im Bereich der Außen-
• den hyalinen Knorpeldeckplatten an der Oberfläche der und Innenzone des Anulus fibrosus noch recht gut ausge-
Wirbclkörper. bildet. Ab dem 2. Lebensjahr bilden sich die Gefaße jedoch
allmählich zurück.
An ulus fibrosus Der Anulus fibrosus (Abb. 7.14) liegt in
der Peripherie des Discus intervertebralis und nimmt Nucleus pulposus Der gallertige Nucleus pulposus (Abb.
Schubkräfte auf. Er besteht aus Außen- und Innenzone: 7.16) enthält locker verteilt Kollagen vom Typ II und in
• Außenzone: Dicht gelagerte Lamellen straffen Bindege- reichem Maße Glycosaminoglykane (in der Jugend Chon-
webes, das vorwiegend aus Typ-I-Kollagen und eirligen droitin-6-Sulfat und Keratansulfat, im Alter Dermatansul-
Abb. 7.14 Anulus fib rosus der Bandscheibe im BWS- Abb. 7.15 Innenzone des Anulus fibrosus. Faserknorpel
Bereich, Längsschnitt. Gut erkennbar sind die Lamellen aus mit verstreut Liegenden Chondrozyten (-+) und noch zahl-
Kollagenfasern (blau gefärbt). Die Ausrichtung der Kollagen- reichen gewellt verlaufenden Kollagenfasern (Typ-I-Kolla-
fasern ist innerhalb einer Lamelle einheitlich, in den be- gen). Der Matrixhof der Chondrozyten ist an der angeschnit-
nachbarten Lamellen aber unterschiedlich. Oft überkreuzen tenen Stelle schmal und ist in der H. E.-Färbung besser
sich die Kollagenfasern in benachbarten Lamellen spitzwink- zu erkennen. Lendenwirbelsäule, älterer Mensch; Färbung:
Lig, wobei sich im Schnittpräparat das sog. Fischgräten- Masson-Trichrom; Vergr. 450-fach.
muster ergibt. Rhesusaffe; Färbung Masson-Trichrom. Vergr.
120-fach.
fat).lm Alter nimmt das Kollagen zu und die Glycosamino- Grenzzone zum Knochengewebe der Wirbelkörper bilden
glykane ab. Die Glycosaminoglykane binden viel Wasser, die Knorpelzellen oft Säulenstrukturen. Die Knorpelmatrix
sodass der Nucleus pulposus ei ne Art Wasserkissen dar- ist hier verkalkt. Oft zeigen der Knorpel der Deckplatten
stellt. Das morphologische Erscheinungsbild des Nucleus und die subchondrale Knochenschicht Verwerftmgen und
pulposus ist sehr variabel: Degenerationszcichen.
• Bei Kindern können im Nucleus pulposus noch epithelia-
le Reste der Chorda dorsalis vorkommen. Klinik Im Alter nimmt der W assergehalt der Bandscheiben
• In der Jugend enthält er zarte Kollagenfasern und locker ab und der Kollagengehalt zu (Degeneration der Band-
verteilte Zellen, darunter einzeln liegende Chondrozyten, scheiben). Die Spannkraft des Nucleus pttlposus wird im-
aber auch Zellen, die am ehesten an Fibrozyten erinnern. mer niedriger. Kalksalze und Knorpelzellnester werden in
• Beim Erwachsenen kann er im Jnnern, wie eine Gelenk- die Bandscheiben eingelagert, und auch die Knorpeldeck-
höhle, weitgehend zellfreie Abschnitte enthalten tmd be- platten verkalken und werden brüchig. Durch die entstehen-
steht hier nur aus g-<~llertiger Matrix. den Spalten können Blutgefaße aus der Spongiosa der Wir-
• Im Alter finden sich häufig Areale, die aus Geweberesten belkörper vordringen, oder die Spalten werden durch
und Kalksalzen aufgebaut sind. Sie sind Ausdruck dege- Narbengewebe gefilllt. Auch von der Peripherie her können
nerativer Vorgänge. Blutgefaße in geschädigte Bandscheiben einwachsen. Als
Folge können Wirbelkörper sogar kn öchern zusammen-
Zentrischer Druck auf den Nucleus pulposus überträgt sich wachsen.
gleichmäßig auf den J\nulus fibrosus und die Deckplatten. Sich allmählich in diesem Sinne verändernde Bandschei-
Bei einseitiger Belastung weicht der Nudeus pulposus zur ben können relativ leicht geschädigt werden - besonders
weniger stark belasteten Seite der Zwischenwirbelscheibe beim oft übergewichtigen und unsportlichen Menschen der
aus. westlichen lndustrienationen. Wird der Anulus fibrosus ge-
schädigt, dringt der Nucleus pulposus bis in die Peripherie
Hyaline Knorpelde ckplatten Die hyalinen Knorpeldeck- vor und kann sie sog-ar durchbrechen. Ein solcher Durch-
platten (Abb. 7.17) sind entwicklungsgeschichtlich Teil der bruch durch den J\nulus fibrosus wird Bandscheibenvorfall
knorpelig angelegten Wirbelkörper. Sie ähneln dem Ge- (Prolaps) genannt. Das Material kann das Rückenmark und
lenkknorpel eines typischen Gelenks, bilden aber keine freie (häufiger) die Spinalnervenwurzeln komprimieren, was sehr
Oberfläche, sondern gehen ziemlich abrupt oder auch mehr schmerzhaft ist. Der Schmerz wird durch eine akute Ent-
kontinuierlich in das Gewebe des Nucleus pulposus oder zündungsreaktion, die durch den Vorfall ausgelöst wird,
des Amtlus fibrosus über (Abb. 7.13, Abb. 7.16). In der verstärkt.
7.4 Bandapparat der Wirbel 261
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Abb. 7.19 Chorda dorsalls (1) im Querschnitt. Das Zen- Abb. 7.20 Chordaretikulum. Abgesehen von der epithe-
trum der Chorda wird von den Chordaepithelzellen ausge- Lialen Chordaanlage ( ~ ) ist das Gewebe der Zwischenwirbel-
füllt. Diese enthalten jeweils eine große helle Vakuole und scheibe weitgehend mesenchymal ( Zwischenwi rbel- *).
sind untereinander durch Desmosomen und Nexus verbun- scheibe, Mensch, 4. Schwangerschaftsmonat; Färbung: Azan;
den; 2 Chordascheide; 3 Knorpel des dorsal gelegenen Vergr. 120-fach.
Wirbelbogens (Neuralbogen); 4 Rückenmark; 5 ventral gele-
gener Hämalbogen; 6 Spinalganglion; 7 Skelettmuskulatur.
Wirbelsäule, Schwanzregion eines Katzenhais; Färbung:
Azan; Vergr. 45-fach. a 07 Lernhinweise zu Kapitel7
KAPITEL
Atmungsorgane
8.1 Atemwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 8.3 Abwehrsystem der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . 282
8.1.1 Wandaufbau der Atemwege .............. 264
8.1.2 Obere Luftwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 8.4 Blutversorgung der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . 283
8.1.3 Untere Luftwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 8.5 Fetale Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Zu den oberen Atemwegen zählen Nasenhöhle, Nasen- Alveolen bilden das Parenchym der Lunge. Das Bindegewe-
nebenhöhlen und Rachen, zu den unteren Kehlkopf, be in den Alveolarsepten und in der Wand der Atemwege
Trache-a, Hauptbronchien, intrapulmonale Bronchien und entspricht dem Stroma der Lunge. Es ist sehr reich an elasti-
Bronchiolen. Aufgabe der Atemwege ist die Luftleitung, schen Fasern, die bei der Inspiration gedehnt werden und
d. h., sie leiten die Atemluft in die Ltmge, erwärmen, rei- bei der Exspiration helfen, das Lungenvolumen zu verklei-
nigen und befeuchten sie dabei tmd leiten auch die "ver- nern ttnd die Luft aus der Ltmge herauszubefördern. Das
brauchte" Luft wieder heraus. Stroma enthält auch die Vasa publica ttnd die Vasa privata
Die Lunge ist ein paarig angelegtes Organ. Sie besteht der Ltmge.
vornehmlich aus Bronchien mit ihren Verzweigtmgen, Al- In der Lunge findet der Austausch der Atemgase Sauer-
veolen tmd Blutgefäßen. Jede Lunge ist in äußerlich abgrem- stoff (OJ tmd Kohlendioxid (COJ statt. Dieser Gasaus-
bare Lappen (rechts 3,links 2) und des Weiteren in Lungen- tausch in der Lunge wird äußere Atmung genannt. Ihr ge-
segmente, Lungenläppchen (D urchmesser ca. l -2 cm) und genüber steht die innere Atmtmg, die Gewebeatmung,
Lungenazini (Durchmesser l - 2 mm) gegliedert. Die Lun- worunter 0 2-Verbrauch und C0 1-Bildung der Zellen ver-
gen sind beweglich in der spaltförmigen Pleurahöhle ein- standen werden. Der Gasaustausch erfolgt im Ionern der
geschlossen, die vom Pleuraepithel ausgekleidet ist. Die Be- Lungen über eine im Mittel nur gut 2 1un dicke Gewebe-
wegungen und V cr'.inderungen der Ltmgen während der schranke (Blut-Luft-Schranke) durch Diffusion zwischen
Atmung werden durch den dünnen Flüssigkeitsfilm in der ca. 300-400 Millionen luftgefüllten Lungenbläschen (Lun-
Pleurahöhle ermöglicht. Das Ltmgenhiltun enthält die Ver- genalvcolen) und einem sehr dichten Nett aus Blutkapil-
sorgtmgsstrukturen der Lunge, also die großen Hauptbron- laren. An den funktionell wichtigen, besonders dünnen
chien, die Lungenarterlen und -venen, Lymphgefäße und Stellen ist die Blut-Lttft-Schranke nur 0,4-0,6 f.U11 dick. Die
vegetative Nerven. Die Epithelien der Atemwege und der Gesamtfläche ftir den Gasaustausch beträgt ca. 130 m 2•
8.1 Atemwege
----------------------------------- ZurOrientierung -----------------------------------
Die Atemwege dienen der Leitung, Erwärmtmg und Be- mit Flimmerepithelzellen und Becherzellen ausgekleidet.
feuchtung der Atemhtft und ihrer Reinigungvon Schmutz- Die KinoWien und der Oberflächenschleim bilden den
partikeln. Sie fiihren während der Inspiration sauerstoff- muko1..iliären Apparat, der ein wichtiger Teil der Abwehr
reiche Luft in die Alveolen tmd während der Exspiration der Lunge ist. In der Wand der tmteren Atemwege finden
kohlendioxidreiche Luft nach außen. Das Lumen der sich außerdem Bindegewebe mit vielen elastischen Fasern,
Atemwege bildet den Jungenphysiologisch bedeutsamen glatte Muskulatur, gemischte exokrine Drüsen (bis zum
"Totraum"'. Die Atemwege gliedern sich in: Ende der Bronchien), Stützgewebe (v. a. hyaliner Knorpel),
• obere Atemwege: Nasenhöhle, Nasennebenhöhlen und viele fr eie Zellen der Abwehr, 1... B. Mast7..Cllen und Lym-
Rachen phozyten und vegetative Nerven.
• untere Atemwege: Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien, Die Bronchiolen besitzen ein Epithel mit PlimmCT1..Cllen
Bronchiolen und Bronch.ioli respiratorii. und den sekretorischen Clara-Zellen. l n ihr er Wand ist
relativ viel glatte Muskulatur vorhanden.
Die unteren Atemwege sind ein System von Röhren, das Die Bronchioli respiratorii sind Übergangsstrukturen
sich bis zu ca. 20-mal dichotom verzweigt. zwischen typischen Atemwegen und den gasaustauschen-
Die Atemwege sind von einem respiratorischen Epithel den Alveolen.
264 8 Atm ungso rgane
a b
Abb. 8.1 Respi ratorisches Epithel (1 ). a: An der Obert\äche des Epithels sind die Kinozilien gut erkennbar (~ ). die den
Basalkörpern (typische dichte Linie an der Basis der Flimmerhaare) entspringen. Trachea, Mensch; Färbung: Azan, Vergr. 250-
fach. b: Spezifische histochemische Anfärbung (lila) der Schleime in den Becherzellen und auf der Oberfläche der Kinozilien.
Trachea, Mensch; PAS-Färbung, Vergr. 250-fach.
8.1 Atemwege 265
Larynx (Kehlkopf) ca. 4 cm respiratorisches Epithel, Stimmfalte komplexes Kehlkopfskelett mit quer-
mit mehrschichtigem unverhomtem gestreifter Muskulatur
Plattenepithel
Trachea ca. 1,5 cm mit respiratorischem Epithel und ventrolateral ca. 20 hufeisenförmige
(Luftröhre) seromukösen Trachealdrüsen hyaline Knorpelspangen, dorsal Partes
membranaceus mit glatter Muskulatur
typische mittel· ca. 10-2 mm mit respiratorischem Epithel und unter der gesamten Mukosa Schlauch
große und kleinere seromukösen Bronchialdrüsen von netzförmig und zirkulär angeordne-
Bronchien ten Bündeln glatter Muskelzellen, die
auch in die weiter außen Liegende
Schicht mit einzelnen hyalinen Knorpel-
stücken einstrahlen
Bronchiolen ca. 1-0,4 mm einschichtiges prismatisches Epithel subepitheliales Bindegewebe mit netz-
mit Flimmer- und Clara-Zellen und ringförmig angeordneten glatten
Muskelzellen, keine subepithelialen
Drüsen, keine Knorpelstücke
Bronchioli ca. 0, 2- 0,15 mm einschichtiges prismatisches bis kubi- subepitheliales Bindegewebe mit netz-
respiratorii sches Epithel mit vielen zilienlosen und ringförmig angeordneten glatten
Epithelzellen, dazwischen Clara-Zellen, Muskelzellen, keine subepithelialen
einzelne Flimmerzellen und Pneumo- Drüsen, keine Knorpelstücke
zyten II, einzelne Alveolen
verbunden. Die Schleimhaut des Kehlkopfs ist - mit Aus- gestellten schlitzförrnigen Spalt, der Stinunritze (Rima glot-
nahme der der Stimmfalte - von respiratorischem Epithel tidis), eingeengt. Die Stimmfalten selbst (Abb. 8.8) sind
bedeckt und enthält seromuköse Drüsen und zum Teil auch von mehrschichtigem unverhorntem Plattenepithel bedeckt.
Lymphfollikel. Unter diesem Epithel befindet sich, durch einen schmalen
Bindegewebsraum (Reinke-Raum, s. u.) getrennt, das Lig.
Supraglottis Der Eingang in den Kehlkopf wird von der vocale (Stimmband), das überwiegend aus elastischen Fa-
beweglichen Epiglottis bedeckt. Diese besteht aus einem sern und nur relativ wenigen Kollagenfasern besteht. Die
löffelartigen Stück elastischen Knorpels, der größere mit elastischen Fasern des Stimmbandes sind der kraniale Rand
Bindegewebe geftillte Poren aufweist und von Schleimhaut des röhrenförmigen Con us elasticus, der unter der Schleim-
bedeckt ist. Die Schleimhaut trägt auf der lingualen (oralen) haut nach kaudal bis zur Innenseite des Ringknorpels
Oberfläche des Kehldeckels und auch über weite Strecken (Cartilago cricoidea) zieht tmd hier endet. Das Stimmband
der pharyngealen Oberfläche ein mehrschichtiges unver- b edeckt den quergestreiften M. vocalis, der den medialen
horntes PlattenepitheL Auf der laryngealen Seite findet sich Anteilen des M. thyroarytenoideus entspricht.
vorwiegend respiratorisches Epithel und außerdem in indi- Der schmale Rawn zwischen dem Plattenepithel der
viduellunterschiedlichem Ausmaß mehrschichtiges unver- Stimmfalten tmd dem elastischen Stimmband wird Reinke-
horntes PlattenepitheL In der Lamina propria lagern sero- Raum genannt. Er enthält ein lockeres Bindegewebe tmd
muköse Drüsen. Beim Schlucken bewegt sich der Kehlkopf nur einzelne Blutkapillaren, Lymphkapillaren fehlen. Karzi-
nach oben und wird gegen den Kehldeckel gedrückt und nome des Epithels breiten sich hier daher nur langsam aus,
somit verschlossen. tmd pathologische Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) flie-
In der Tiefe der Supraglottis bildet die Schleimhaut die ßen hier nur langsam ab.
2 Taschenfalten, die ins Lumen vorspringen und eine
Schutrlunktion haben. Sie begrenzen einen sagittal gestell-
ten Spalt. Unter den Taschenfalten befindet sich der Ventri- Klinik Heiserkeit ist ein häufiges Syndrom von Erkranktm-
culus laryngis (= Morsani-Tasche), eine Erweiterung des gen des Kehlkopfes, ebenso Husten. Chronische Exposition
Luftraums, die unterschiedlich tiefe Aussackungen (Sacculi von Reizstoffen (z. B. Zigarcttenrauch) fiihrt zu parakerato-
laryngis) ausbildet. Solche Aussacktmgen können bei man- tischen Bezirken mit untypischcr Verhornung an der Ober-
chen Tierprimaten große, schallverstärkende Säcke bilden. fläche des Epithels der Stirnmfalten.
Bei chronischen Ödemen können sich Knoten und Poly-
Glottis Als Glottis werden in HNO-ärztlichem Sprach- pen auf den Stimmfalten bilden. Häufig sind Entziindungen
gebrauch alle stimmbildenden, die Stimmritze begrenzen- die Ursache.
den Wandteile des Kehlkopfs zusammengefasst. Am Boden Kehlkopflcrebs ist bei Männern 1O-ma! häufiger als bei
des Ventriculus laryngis wird der Luftweg erneut durch 2 Frauen tmd entsteht an den St:inunfalten oder in deren Um-
Falten, die Stimmfalten (Piicae vocales), zu einem sagittal gebung.
8.1 Atemwege 269
.,
•
I
Zungenbein- Nerven I
I
muskulatur •
{ Epiglottis
pharyngea/e Fläche
Sacculus laryngis
Ventriculus Iaryngis
M. voca/is
Plica vocalis
Ug. vocale
Flimmerepithel
G/andulae laryngeae
Ringknorpel
M. cricoarytenoideus
post.
Tracha1fknorpel
' - - - - . _ _ _ _ . . . #C
Trachea
Abb. 8.7 Kehlkopf im Frontalschnitt. Im Kehlkopf lassen sich 3 Etagen unterscheiden: Supraglottis, Glottis und Subglottis.
Das Lig. vocale ist in der H. E.-Färbung oft kräftiger rot gefärbt als auf der vorliegenden Abbildung. Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 4,5-fach. (Aus (1])
2 70 8 Atmungsorgane
2 1
3
•
F c
•. 0 t
• J
I
....
,.;
'oJ 3
Abb. 8.12 Respiratorisches Epithel in einer EM-Aufnahme. Das Epithel enthält Basalzellen (nicht abgebildet), Becher-
zellen (1 ) mit Schleimgranula (*.enthalten das Muzin MUC 2) und mitochondrienreiche (4) Flimmerzellen (2) mit Kinozilien
(3); .,.. Basalkorn; -+ Zilienwurzeln. Trachealepithel, Mensch; Vergr. 10450-fach.
sehen sich Lücken freilassen (Scherengittemmster). Inner- Respiratorisches Epithel Das respiratorische Epithel der
halb und außerhalb der Muskulatur bilden die Bronchial- Bronchien enthält Plimmerepithel-, Becher-, Basal- und
venen Venenplcxus, von denen der äußere - zwischen vereinzelte endokrine Zellen:
Muskulatur und Knorpelschiebt - der tmlfangreichere ist. • Jede Flimmerepithelzelle trägt neben zahlreichen Mikro-
villi gut 200 Kinozllien. Diese sind ca. 5-7 ~m lang, schla-
Fibrokartilaginäre Schicht Ocr Muskelschicht schließt gen ca. 20-mal pro Sekunde und bewegen den oberfläch-
sich ein Mantel aus Knorpclstiicken tmd Bindegewebsfasern lichen Schleimfilm rachenwärts (mukoziliärer Apparat).
an. Die kleinen, unregelmäßig geformten Knorpelstücke Die Flimmerepithelzcllen sind gut über das Zytokeratin 8
(hufeisenförmige Spangen sind nur in den Stammbronchi- zu iden tifizicren.
en zu finden, Abb. 8.13) sind über Bindegewebe verbunden, • Die Becherzellen bilden Schleim (MUC2). Sie sind, an-
das reich an elastischen Pasern ist. Ocr Knorpel ist hyalin, ders als die Bronchialdri"lscn, nicht innerviert. Ihre Zahl
enthält aber weiter distal auch elastische Anteile, die dann in nimmt bei chronischer Bronchitis zu.
den Knorpelstücken der kleinen peripheren Bronchien do- • Basalzellen (Abb. 8.16) sind zu einem Teil die Stamm-
minieren. Außen liegt dem Stützgerüst aus Knorpel und zcllen des Epithels. Ein großer Teil der Basalzellen dient
straffem Bindegewebe eine lockere Bindegewebsschicht der Befestigtmg der Plimmcrepithelzellen im Epithel und
(Adventitia) an, die Gefäße und Nerven enthält und in die ist über Hemidcsmosomcn mit der Basallamina ver-
zumTeil die Bronchialdrüsen vordringen können. knüpft.
• In den einzelnen endokrinen Zellen im Epithel wurden
Scrotonin und verschiedene Pcptide nachgewiesen, z. B.
Schleimhaut Cal.citonin, Somatostatin und antidiuretisches Hormon.
Die Schleimhaut (Tunica mucosa) mit respiratorischem Vor allem an Verzweigungsstellen von Bronchien Ltod
Epithel, subepithelialem Bindegewebe (Lamina propria) und Bronchiolen kommen neuroepitheliale Körper vor, die
seromukösen Drüsen (Bronchialdrüsen) liegt der Muskel- aus bis zu 80 endokrinen Zellen bestehen. Sie sind reich
schicht tmd dem Knorpelfasermantel innen an. sensorisch innerviert. In ihnen wurden Serotonirr und
8.1 Atemwege 2 73
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® Abb. 8.16 Basalzellen ( ~) im respiratorischen Epithel (1)
Ii\
eines Bronchus. Immunhistochemischer Nachweis von CK14
Abb. 8.1S Wandschichten eines Bronchus (Schema) funk- (Braunfärbung); Mensch; Vergr. 250-fach.
tionell wesentlicher Anteile. Oberflächenepithel mit Becher-
zellen (1), mit Flimmerzellen (2) und mit Basalzellen (3);
4 Kollagenfibrillen; S Blutgefäße; 6 Mastzelle; 7 Plasmazelle;
8 Ausführungsgang, dessen Wand aus kubischen oder prisma- Klinik Die Bronchien erkranken relativ häufig; eine Bron-
tischen mitochondrienreichen Epithelzellen besteht; 9 elasti- chitis geht mit vermehrter Schleimproduktion in Becher-
sche Fasern; 10 seromuköse Drüse, die auch endokrine Zellen zellen und Bronchialdrüsen einher (Abb. 8.19). (Mit-)
(12) enthält; 11 autonomer Nerv; 13 glatte Muskulatur; Ursache einer Bronchitis ist die Beeinträchtigung der Zilien-
14 hyaliner Knorpel. (Aus (1]) funktion (z.B. durch Rauchen, das die Zilienschlagfrequenz
herabsetzt) tmd damit des mukoziliären Apparats. Angebo-
rene Defekte der Zilien (Abb. 8.20), die Syndrome der im-
motilen Zilien genannt werden, führen zu oft schweren
den daher Sympathikomimetika gegeben, die die Punktion
des Sympathikus verstärken. chronischen Bronchitiden.
Lungenkrebs ist in 95o/o der Pälle ein Karzinom des Bron-
chialepithels. Wichtig ist die klare Korrelation zwischen
Merke Die Wand der Bronchien ist aus respiratorischem Bronchialkarzinom tmd dem Rauchen. Wie andere Karzi-
Epithel, Bronchialdriisen, Kollagenfasern, elastischen Pa- nome entstehen Bronchialkarzinome auf der Basis geneti-
sem, Knorpel, glatter Muskulatur und vegetativen Nerven scher Veränderungen, die Onkogene und Ttmlorsuppres-
aufgebaut sorgene betrefiim. Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom
8.1 Atemwege 275
Bronchiolen
Den Bronchien folgen die Bronchiolen (Bronchioli). Bron-
Abb. 8 .18 Bronchialdrüsen. Immunhistochemischer chioli besitzen einen Durchmesser von ca. 1,2 - 0,4 mm und
Nachweis des Lysozyms (Braunfärbung, ~) in den serösen bilden öfter die 12.-15. Generation des sich verzweigenden
Drüsenzellen. Die mukösen Zellen (1) bilden kein Lysozym. Batuns der At emwege (Abb. 8.13, Abb- 8.21). Das Ltmgen-
Mensch; Vergr. 450-fach. gewebe, das von einem Bronchiolus versorgt wird, heißt
Lungenläppchen. Ein solches Läppchen ist durch unvoll-
ständige Bindegewebssepten begrenzt und misst 1 - 2 cm im
Durchmesser. Die Läppchen sind oft als feines Netzmuster
sind z.B. verschiedene Onkogene verändert und die myc-
an der Ltmgenoberfläche zu erkennen. Die letzte Teilungs-
Onkogene erheblich vermehrt. Bei diesem Karzinom existie-
generation der Bronchiolen wird terminaler Bronchiolus
ren auch Deletionen des k urzen Arms von Chromosom 3,
(Bronchiolus terminalis) genannt. Das Lungengewebe, das
wo bestimmte Tumorsuppressorgene lokalisiert sind. Be-
von einem solchen terminalen Bronchiolus versorgt wird,
kannt ist, dass beim kleinzelligen Bronchialkarzinom die
wird als Lungenazinus (Durchmesser 3-6 mm) bezeichnet.
Tumorsuppressorgene p53 und Rb durch Mutationen in-
Mehrere Azini bilden ein Läppchen.
aktiviert sind. Das Expressionsverhalten dieser Gene und die
Funktionen der Endprodukte beeinflussen vermutlich das
2 76 8 Atmungsorgane
Abb. 8.19 Kleiner Bronchus bei schleimig-eitriger Abb. 8 .21 Lungengewebe, Übersicht. 1 Bronchus;
Bronchitis. Das Lumen ist weitgehend mit Eiter und Schleim- 2 Bronchiolus; 3 Bronchiolus termina lis, der in Bronchioli
masse gefüllt. Zelluläre Komponente dieses eitrigen Schleims respiratorii übergeht; 4 Ductus alveolaris; 5 Alveolen.
sind vor allem zahllose Neutrophile (-+). 1 Epithel, Mensch. Schwein; Färbung: Azan; Vergr. 20-fach. (Aus (1))
Färbung: H. E.; Vergr. 450·fach.
Schleimhaut
Das Epithel ist nur anfangs zweireil1ig, ansonsten einschich-
tig prismatisch. Es enthält vor allem Plimmerzellen und
~ Clara-Zellen (Abb. 8.23); daneben kommen vereinzelt endo-
Abb. 8.20 Angeborene krine und seröse Zellen vor. Becherzellen sind selten und
Ziliendefekte. fehlen distal. Vor allem an Verzweigungen der Bronchiolen
treten auch einzelne neuroepith eliale Körper auf, die wohl
vor allem die Wandmuskulatur beeinflussen. Drüsen fehlen.
c
Abb. 8.24 Bronchiolus
respiratorius.
a
Abb. 8.25 Typischer Apex
einer Clara-Zelle.
Abb. 8.23 Epithel eines Bronchiolus. Das einschichtige
prismatische Epithel enthält Flimmer-(Wimper-)Zellen (1)
und Clara-Zellen (2). Mensch; Vergr. 3800-fach. (Aus (1))
Merke Die Wand der Bronchiolen besteht aus einem nur und ca. 1 - 2 mm lang und bilden beim Menschen i. A. 3 Tei-
einschichtigen prismatischen Epithel mit Flimmer- und lungsgenerationen.
Clara-Zellen, aus Bindegewebsfasern und glatter Musku-
latur. Den Bronchioli fehlen Knorpel und Drüsen. Muskulatur Die Muskulatur ist noch recht kräftig, aber
lückenhaft.
8.2 Alveolarraum
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Der Austausch der Atemgase 02 Ltnd co2 findet in den mozyten I des Alveolarepithels und dem Endothel der
300-400 Millionen Alveolen im Inneren der Lunge statt. Blutkapillaren aufgebaut ist. Die Pnew11ozyten II des Al-
Zwischen Luft tmd Blut befindet sich eine dünne Gewebe- veolarepithcls produzieren den Surfactant , einen Fihn aus
sehranke (im Mittel ca. 2 IJ.IU dick, an den funktionell Proteinen, Phospholipiden und 010lesterin, der die Span-
wichtigen dünnen SteHen nur 0,4-0,6 IJ.IU), die Blut-Luft- nung an der Oberfläche der Alveolen herabsetzt.
Schranke (= Atemschranke), die vor allem aus den Pneu-
8.2.1 Ductus alveolares von 0 2 und Abgabe von C02) statt . Eine einzelne Alveole ist
Aus dem letzten Bronchiolus respiratorins gehen die Ductus nmdlich oder polygonal und misst 200- 300 f UU im Durch-
alveolares hervor (Abb. 8. 13, Abb. 8.21, Abb. 8.27), die sich messer. Die Anzahl der Alveolen in beiden Lungen wird
2- oder 3-mal verzweigen und deren Lumen mit den weiten beim erwachsenen Menschen attf 300-400 Millionen be-
Öffmmgen der dicht nebeneinanderliegenden Alveolen rechnet, was eine Fläche von 80-140 m2 fiir den Gasaus-
kommtmiziert. Eine eigene Wand existiert kaum, wird aber tausch zwischen Luft und Blut bereitstellt. Das Kapillarnetz
durch die freien Kanten der Septen zwischen benachbarten des kleinen Kreislaufs in den Wänden der Alveolen ist
Alveolen (Alveolarsepten) repräsentiert. Die Ductus alveo- extrem dicht (Abb. 8.27, 28, 32). Der Gasaustausch erfolgt
hU"es enden blind mit einer Gruppe von Alveolen, dem Al- durch Diffusion nach dem Pick'schen Diffusionsgesetz.
veolarsack. Mitunter ist im Präparat erkennbar, dass arn
Ende eines Duk tus sogar 2 Alveolarsäcke vorkommen. Ein
Wandaufbau
Ductus alveolaris mit seinen Alveolen ist (abgesehen von
den Dimensionen) mit einem Maiskolben zu vergleichen: Benachbarte Alveolen werden durch das schntale Alveolar-
Die Maiskörner wären die Alveolen, der faserige Strunk der septwn (= Intcralveolarseptwn, Abb. 8.30, Abb. 8.31) ge-
Ductus alveolaris. Benachbarte Alveolen werden dLU"ch ein trennt; es ist beidseitig von Alveolarepithel bedeckt. In den
Alveolarseptwn (= Interalveolarseptum) getrennt (Abb. Septen können sich ca. 8 11m große Poren befinden, die
8.28). Das freie Ende der Alveolarsepten trägt einzelne Bron- benachbarte Alveolen direkt miteinander verbinden. Das
chlolarepithelzcllen, unter denen zarte Bündel glatter Mus- subepitheliale Bindegewebe der Septen wird auch Lungen-
kulatLU" tmd elastische Pasern liegen. interstitiwn genarmt.
-
\t" """ 1
.•~..... Abb. 8.29 Elastische Fasern (dunkelviolett gefärbt) im
2 \ ~ Bereich der Alveolen. Mensch; Färbung: Resorcin-Fuchsin,
_,
.... . / _.
•' .
J
Vergr. 250-fach.
••
1
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makrophage
0
: Luftraum
0 0
0
:: __________________
der Alveole J:
Blutkapillare
0
0
0
0
0
gemeinsame 0 Kollagen
Basallamina Phospholipidfilm
Abb. 8.31 Feinstruktur eines Alveolarseptums (Schema). Oie Pneumozyten II bilden in ihren Lamellenkörpern den Phos-
pholipidfilm (Surfactant), der die Alveolen auskleidet. Oie Blut-luft-Schranke (Durchmesser an dünnen Stellen 0,4-0,6 11m,
an besonders dünnen Stellen bis 0,2 11m) besteht aus dem Endothel der Kapillaren, den dünnen Pneumozyten I und deren
gemeinsamer Basallamina. (Aus (1])
Abb. 8.35 Blut- Luft-Schranke. Teil eines Alveolarseptums mit Blutkapillare, die sich dem Alveolarepithel von innen eng
anlegt. Hier bi lden Alveolarepithel (1), Kapillarendothel (2) und eine gemeinsame Basallamina (3) die Blut-Luft-Schran ke
(Ooppelpfeil); 4 Erythrozyt in der Kapillare; 5 Fibrozyt; 6 Kollagenfibrillen; 7 Luftraum der Alveolen. Mensch; Vergr. 9400-
fach. (Aus [1))
scher Strukturen der Bronchialschleimhaut . Die zahlreichen troffenen Regionen ist dadurch die Perfusion im Verhältrtis
Makropbagen in den Alveolen pbagozytieren eingeatmete zur Ventilation vermindert, wds zu reduzierter Sauerstoff-
Stäube oder Mikroorganismen und stehen im Zentrum aufnahme tmd zu verminderter körperlicher Leistungskraft
mancher Lungenkrankheiten. Die zahlreich en Mastzellen fiilirt.
der Lunge können eine wichtige Rolle bei obstruktiven Lun- Emphysem tmd chronische Bronchitis sind die Haupt-
genkrankheiten wie allergischem Asthma spielen. kennzeichen chron isch obst.r uktiver Lungen erkrankun-
Die wichtigsten Abwehrmechanismen der Lunge sind: gen. Verschiedene Inhalationsnoxen führen hier zu chro-
• H ustenreflcx nischer Entziindung der Atemwege und auch von
• mukoziliäre Clcarance Alveolarsepten und Blutgefaßen. Erste H inweise auf solche
• Sekretion verschiedener antimikrobieller Proteine (z. B. Veränderungen sind vermehrte Schleimbildung und Hus-
Lysozym) und Pcptide (z.B. Defensine) ten. Später kommt es in der Matrix zu verrnehrer Kollagen-
• Sekretion von IgA (schützt insbesonderegegen Viren) bildung und zur Rückbildung der elastischen Fasern. Akti-
• Sekretion von IgG (schützt gegen Bakterien und Viren, vierte Entzündungszellen setzen Mediatoren frei, die zur
kann auch Parasiten schwächen) Zerstönmg der Lungenstruktur führen. Dabei spielen Pro-
• Alveolarmakrophagen teinasen, die aus Makrophagen und Neutropbilen freigesetzt
• Bronchialepithelzellen werden, eine wesentliche Rolle. In Gang gesetzt werden
• lymphatisches Gewebe der Bronchialschleimhaut diese Prozesse vor allem dttrch Inhalation von Zigaretten-
(BALT). rauch. Der Rauch behindert den Zilienschlag tmd aktiviert
Makrophagen. Diese tmd zytotoxische I -Lymphozyten
Insbesondere das Atemwegsepithel spielt eine aktive Rolle aktivieren weitere Entzündungszellen. Schleimbildende
bei vielen Entzündungspro1..cssen und immunologisch en Drüsenzellen nehmen an Zahl und Aktivität zu. Schon bei
Reaktionen in der Lunge, weil die Bronchialepithelzellen jtmgen Rauchern wird oft ei ne Obstruktion der kleinen
z.B. die folgenden Mediatormoleküle freisetzen können: Luftwege beobachtet.
Interleukin-1, -6, -8 und -10 sowie Tumornekrosefaktor a
(TNPa) und " transforming growth factor" ß (TGPß).
8.4 Blutversorgung der Lunge
Klinik Die Alveolen können von einer Pülle von Krank- Vasa publica
heiten befallen werden.
Bei Lungen entziinduogen (Pnettmonien) ist das gasaus- Die A. pulmonalis und ihre Äste sind die Vasa publica der
tauschende Gewebe durch verschiedenartige Bakterien, Vi- Lunge, sie bringen sauerstoffarmes Blut (5 Umin) aus dem
ren, Pilze oder Parasiten entzündet, was die Atemfunktion rechten Herzen in die Lunge. Sie begleiten Bronchien und
der Lunge massiv beeinträchtigen kann. Oft sind sowohl die Bronchiolen (Abb. 8.14, 26, 37) und besitzen einen ähnlichen
Bronchien als auch der Alveolarbereich entzündet (Bron- Durchmesser wie diese. Im Bereich der Ductus alveolares
cbopneumonie). entstehen tenninale Arteriolen mit muskelschwacher Wand.
Einen schleichenden Verlauf nehmen fibrot ische Lun- Diese gehen in den Alveolarsepten in ein außerordentlich
generkrankungen. Diese gehen mit einer Bindegewebsver- dichtes Kapillarnetz über, das dem Gasaustausch dient (Abb.
mehrung in den Alveolarsepten einher, was die Diffusions- 8.37). Das abfließende sauerstoffreiche Blut sammelt sich in
barriere verdickt und somit die respi ratorische Leistung der Venolen, die zu kleinen Venen zusammentreten, welche in
Lunge herabsetzt. den Bindegewebssepten zwischen Läppchen und Segmenten
Bei kardiologischen und nicht kardiologischen Erkran- der Ltmge und auch in der Pleura verlaufen. In der Nähe des
kungen kann sich ein Lungenödem entwickeln. Bei man- Ltmgenhiltuns nähern sieb die Lungenvenen den Ltmgen-
chen Herzerkranktmgen steigt der Druck in den Lungen- arterien tmd großen Bronchien. Morph ologisch sind die klei-
venen. Die relativ schwachen Zonulae occludentes, die die neren Äste von Lungenarterien und -venen oft nur schwer
Endothelien der Alveolarkapillaren verbinden, können sieb voneinander zu unterscheiden. Ihre Wände sind ähnlich
öffnen und Makromoleküle und Wasser in das Bindegewebe gebaut, weil die Druckunterschiede in ihnen gering sind.
der Alveolarsepten übertreten. Es entsteht ein Ödem im Bin-
degcwebsratun, ein interstitielles Ödem . Steigt der Druck
in den Blutgcfaf3en weiter an, öfrnen sich auch die dichteren
Vasa privata
Zonulae occluden tcs der Alvcolarepithelien. Zusätzlich tritt Die Versorgtmg des Lungengcwebes, v.a. der Wände der
Flüssigkeit, oft zusammen mit Erythrozyten, in den Alveo- Bronchien tmd Bronchiolen, übernehmen die Rr. bron-
larratun über (alveoläres Ödem). Der h oh e Wassergehalt in chiales, die auch Bronchialarterien genannt werden. Die
Alveolarsepten und Alveolen behindert dann die Sauerstoff- Rr. bronchiales entspringen der Aorta und den oberen In-
aufnahme; die intraalveolären Erythrozyten locken zum Teil terkostalarterien tmd bilden mit den Bronchialvenen die
erbebliche Mengen von intraalveolären Makrophagen an Vasa privata der Ltmge. Die Bronchialarterien verlaufen vor
(Herzfehlerzcllen). allem in der Wand der Bronchien, aber auch in den Rinde-
Antbrakose ist die Belastung der Lunge mit Kohlestaub - gewebssepten sowie in der Pleura. In ihrer Nähe sind die
partikeln. Die Alveolarmakrophagen phagozytieren diesen Bronchialvenen zu finden, deren Blut in die V. azygos und
Staub und werden mit ihm zum großen Teil abgebustet. Es V. bemiazygos fließt.
können aber auch Stäube im Bindegewebe, speziell der Pleu-
ra visceralis., abgelagert werden.
Anastomosen
Ein Emphysem ist durch permanente Erweiterung der
Lufträtune distal der Bronchioli terminales mit Zerstörung Es gibt viele Anastomosen zwischen den terminalen Ästen
und Abbau von Alveolarsepten gekennzeichnet. In den be- der Lungen- tmd Bronchialarterien sowie auch zwischen
284 8 Atmungsorgane
Bronchialvene-
Endast einer
Bronchialarterie-
mit
Abb. 8.37 Terminale Luftwege (Schema) der Alveolen und der Endabschnitte des Blutgefäßsystems in der Lunge. Zwischen
Bronchial- und Pulmonalvenen bzw. Bronchial- und Pulmonalarterien bilden sich Anastomosen (~ ). Die Alveolen sind mit
einem feinen Netz aus Alveolarkapillaren überzogen. Links unten: Schnittdurch die Alveolarsepten; rech ts unten: Ansicht
von außen. Die Farbe der Blutgefäße kennzeichnet ihren Sauerstoffgehalt Rot: sauerstoffreich; blau: sauerstoffarm. Pfeile:
Strömungsrichtung.
8.5 Fetale Lunge tmd Ausatmung. Glatte Muskulatttr ist spärlich entwickelt.
Sensible Endknäuel finden sich vor allem an den Lappen-
Die fetale Lunge ähnelt oberflächlich einer exokrinen Drüse. rändern. Die Dicke der viszeralen Plettra ist bei den einzel-
Alle Epithelien, die die Anlagen von Atemwegen und Alveo- nen Säugern recht verschieden.
larraum auskleiden, entstehen aus dem Entoderm am Ende
des Schlunddarms. Sie haben eine prismatische oder kubi- Klinik Er güsse im Pleuraspalt treten auf, wenn die Resorp-
sche Form (Abb. 8.38). Das Gewebe zwischen den epithe- tionsleisttmg der Lymphgefäße in der parietalen Pleura über-
lialen Stntkturen ist ein faserarmes, zellreiches, mesenchym- fordert ist. Häufige Ursache ist Linksherzversagen. Exsuda-
ähnliches Bindegewebe., in das Blutgefäße eingebettet sind. tive Ergüsse können Lungenentzündtmgen begleiten oder
Falls schon ein Knorpel angelegt ist, erscheint dieser in Form bei Kaninomerkrankungen in der Lunge auftreten.
von embryonalem BlasenknorpeL Ein bösartiger Tumor des Pleuraepithels, das Pleura-
mesotheliom, ist mit Asbestexposition korreliert. Gestörte
Resorption eines Entzündungsexsudats kann zu Verwach-
8.6 Pleurahöhle, Pleura stmg von parietaler und viszeraler Pleura führen.
Die Lungen werden von der spaltfönnigen Pleurahöhle Merke Die Plettrahöhle wird vom dünnen Plettraepithel
umgeben, die ca. 10 ml klare Plüssigkeit enthält tmd ihnen ausgekleidet. Zusammen mit einer dünnen Bindegewebs-
Bewegungen bei Ei n- und Ausatmung erlaubt. In dieser schicht bildet dieses Epithel die Pleura, die entweder die
Höhle herrscht ein negativer Druck. Die Wand der Pleura- Ltmge bedeckt (viszerale Pleura) oder die 1horaxhöhle
höhle wird von parietaler (Rippenfell) und viszeraler Pleura auskleidet (parietale Plettra). Die blut- und lymphkapillar-
(Ltmgenfell) gebildet, dle durch Plettraflüssigkeit verschieb- reiche Plettra bildet wenige Milliliter Pleuraflüssigkeit, die
lieh aneinanderhaften. die Atembewegttogen der Ltmgc ermöglich t.
Zttr Bildung tmd Resorption von Pleuraflüssigkeit gibt es
ein Modell, dem zttfolge die Pllissigkeit als Transsudat der
Blutkapillaren vor allem in der parietalen, aber auch in der
viszeralen Plettra gebildet wird, die Resorption aber nur
dttrch die Lymphkapillaren der parietalen Pleura stattfindet.
8.6.1 Rippenfell
Die parietale Plettra (Rippenfell) kleidet weite Teile der 1ho-
raxhöhle aus und bedeckt seitlich das Mediastinum und die
kraniale Oberfläche des Zwerchfells. Sie besteht aus einem
diinnen Epithel (M esothel), das an den Pleuraspalt angrenzt,
und einer gut entwickelten Bindegewebsschicht mit Blut-
kapillaren und Lymphgefäßen. Bei Reizzuständen ist das
Epithel kubisch und trägt dann auch viele Mikrovilli. Die
parietale Pleura kann Staubbestandteile, Flüssigkeit und
auch Luft aus der Pleurahöhle resorbieren; sie ist sensibel
gut innerviert.
8.6.2 Lungenfell
Die viszerale Plettra (Lungenfell) ist ähnlich der parietalen
Plettra aufgebaut, aber relativ dick (Abb. 8.39, Abb. 8.40). Sie
ist außen von einem dünnen Plattenepithel (Mesothel) be-
deckt und enthält auch Blut- und Lymphgefäße. Elastische
Fasern kommen verbreitet vor und bilden insbesondere eine
kräftige äußere submesotheliale (Abb. 9.4) Schicht. Das Kol- Abb. 8.39 Pleura vtsceralls (*)· ~ Epithel der Pleura
lagen (Abb. 8.39) des Pleurabindegewebes bildet 2 Schich- visceralis (= Mesothel); 1 Ablagerung von Kohlestaub;
ten, die sich recht- oder spitzwinklig überkreuzen. Dies 2 Alveolen; 3 Ductus alveolaris; ..,. Alveolarmakrophage.
erleichtert Gewebeverschiebungen in der Pleura bei Ein- Rhesusaffe; Färbung: H. E.; Vergr. 250-fach.
a a
Abb. 8.38 Fetale Lunge Abb. 8 .40 Pleura visceralis
des Menschen. ei nes älteren Menschen.
C 08 Lernhinweise zu Kapitel 8
KAPITEL
Seröse Häute
9.1 Serosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 9.2 Versorgung mit Blut- und
9.1.1 Serosaepithel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Lymphgefäßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
9.1.2 Subepitheliales Bindegewebe .......... 288
Die Körperhöhlen (Pieurahöhle, Perikardhöhle, Peritoneal- Der spaltfönnige Rattm der Höhlen enthält eine geringe
höhle, aber auch die Tunlca vaginalis testis) entstammen Menge (im Falle der Pleurahöhle ca. I 0 ml) Flüssigkeit, de-
dem Coelom des Embryos, also epithelial ausgekleideten ren Bildung tmd Resorption beim Gesunden im Gleich-
Höhlen des Mesoderms. Sie werden von Ltmge, Herz, gewicht steht. Sie ist klar, proteinarm, aber relativ kohlen-
Magen-Darm-Trakt tmd Hoden ausgefüllt. Die eigentliche hydratreich. Durch die Flüssigkeit sind Lungen, Herz,
Höhle ist ein schmaler, mit hyaluronanreicher Flüssigkeit Magen-Darm-Trakt und Hoden beweglich tmd verschieb-
ausgefiillter Spaltrattm. Die Wand der Höhlen wird Serosa lieh. In der Peritoncalhöhle kommen verbreitet Makropha-
genannt. Sie besitzt ein parietales Blatt (bildet die äußere gen vor.
Wand) und ein viszerales Blatt (bedeckt die Organober-
fläche), die im Bereich eines "Meso" ineinander übergehen. Klini k Bei verschiedenen Krankheiten, v.a. bei Entz[mdtm-
Die feuchte glatte Oberfläche der Serosa erlaubt Bewegtm- gen, ist diese Flüssigkeit der Körperhöhlen vermehrt. Man
gen und Verschiebungen der Org-ane in ihrer Höhle. spricht dann von einem Erguss. Ein Erguss kann exsudativ
Innerhalb der Abdominalhöhle haften die intraabdomi- (relativ eiweißreich) oder transsudativ sein. Ursachen eines
nalen Organe (Milz, Magen, Darm tmd Leber) über Kapil- Ergusses sind u.a. Entzündungen, bösartige Tumoren,
larkräfte verschieblieh aneinander, an der Wand der Höhle Linksherzversagen und Mangelzustände der Ernährung, v. a.
und am Zwerchfell, sodass die kapilläre Adhäsion dem Hypalbtuninämie. Bei einem fibrinhaltigen Exsudat kann
Eigengewicht der Organe entgegenwirkt. Auch bei physio- es zu V erklebung von viszeralem und parietalem Blatt der
logischer Verkleinerung von Organen (z.B. im Falle der Serosa kommen.
Harnblase) entstehen in der Bauchhöhle keine "freien" Räu-
me.
9.1 Serosa
Pleura-, Perikard-, Abdominalhöhle und Tunica vaginalis
testis werden von einer serösen Membran ausgekleidet. Die
Oberfläche dieser Serosa ist glatt und feucht und wird von
einem Plattenepithel (Mcsothel) gebildet. Die Organe, die in
diesen Hüllen liegen, sind außen ebenfalls von einer Serosa
bedeckt und können sich in ihr leicht bewegen oder auch
ihre Form verändern.
DieSerosa bildet insgesamt 2 Blätter:
• parietales Blatt (kleidet die Wand der Höhle aus)
• viszerales Blatt (bedeckt die Oberfläche der Organe, Abb.
9.1, Abb. 9.2).
•
\
c c
Abb. 9.2 Serosades Abb. 9.3 Serosaepithel des
parietalen Peritoneums. parietalen Peritoneums.
9.1.1 Serosaepithel \
C 09 Lernhinweise zu Kapitel 9
KAPITEL
Verdauungsorgane
10.1 Kopfdann . . . . . . . ...... ... ...... .. 292 10.2.4 Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
10.1.1 Mundhöhle . . . . . . ...... ... ...... .. 292 10.2.5 Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
10.1.2 Zunge . . . . . . . . . ...... ... ...... .. 292
10.1.3 Zähne . . . . . . . . . ...... ... ...... .. 293 10.3 Leber und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . 332
10.1.4 SpeicheldrUsen . . . ...... ... ...... .. 303 10.3.1 Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333
10.1.5 Rachen . . . . . . . . . ...... ... ...... .. 308 10.3.2 Galle, Gallenwege, Gallenblase . . . . . . . . . 342
10.2 Rumpfdann . . . .. ..... .... ..... .. 308 10.4 Bauchspekheldrüse . . ..... . ... .. ... 344
10.2.1 Wandaufbau . . . .. ..... .... ..... .. 308 10.4.1 Bauplan . . . . . . . . . . . ..... . ... .. ... 344
10.2.2 Speiseröhre . . . . . .. ..... .... ..... .. 310 10.4.2 Endokrines Pankreas . . ..... . ... .. ... 345
10.2.3 Magen . . . . . . . . .. ..... .... ..... .. 313 10.4.3 Exokrines Pankreas . . . ..... . ... .. ... 345
Die Verdauungsorgane bilden ein komplexes System von Resorption über das Dünndarmepithel in die Blut- und
netval, endokrin und ztun Teil psychisch koordinierten Ein- Lymphbahnen der Darmwand. Tm Betun, dem Endabschnitt
zelorganen, die alle der Ernährung dienen. Es lassen sich des Dünndarms, befindet sich ein großes Organ des Im-
die folgenden großen Abschnitte unterscheiden: Kopfdarm, mtmsystems, die Peyer-Plaques. Der Dickdarm nimmt die
Rtunpfdann und die großen Darmdrüsen Pankreas und Le- unverdaulichen tmd nicht resorbierten Anteile des Speise-
ber. breis auf tmd entz.ieht ihnen Wasser. Er beherbergt eine ei-
Im Kopfdarm wird die Nahmng mithilfe der Zähne zer- gene physiologische Bakterienflora. Am Ende des Dick-
kleinert und auf Verträglichkeit und Geschmack geprüft. darms befindetsich der Anus, über den die auszuscheidenden
Nach der EinspeicheJung mit dem Sekret der großen und Anteile der Nahmng kontrolliert abgegeben werden.
kleinen Speicheldrüsen wird die Nahmng geschluckt. Die D er Dünndarm besitzt 2 große Drüsen, das Pankreas
Tonsillen am Eingang in den Rachen sind Abwehrorgane. tmd die Leber. Beidc haben primär eine wesentliche Aufga-
Dem Rumpfdarm werden Speiseröhre, Magen, Dünn- be im Rahmen der Verdauung. Das Pankreas bildet die Ver-
darm, Dickdarm und Analkanal zugezählt. Der Wandbauall dammgsenzyme tmd die Leber die Galle, die für die Fett-
dieser Abschnitte ist im Prinz.ip gleichartig tmd besteht aus resorption unerlässlich ist. Im Pankreas konm1en auch die
4 Schichten: Mukosa, Submukosa, Muskularis und Serosa/ Langerhans-Inseln vor, deren Hormone (z. B. Insulin und
Adventitia; im Detail bestehen histologische Unterschiede, Glucagon) eine wichtige Rolle im Stoffwechsel spielen. Die
die eine Anpassung an jeweils spez.ielle Punktionen verraten, Leber hat neben der Gallebildung so viele andere Punk-
WelS sich im histologischen Präparat besonders gut am Auf- tionen, dass sie als zentrales Stoffivechselorgan bezeichnet
bau der Schleimhaut und ihrem Epithel ablesen lässt. Die wird.
Speiseröhre leitet die aufgenommene Nahrung in den Ma- Das System der Vcrdauungsorgane wird folgendermaßen
gen. Im Magen wird die Nahrung gespeichert, und die ers- gegliedert:
ten Schritte der Verdamtng werden eingeleitet. Das stark • Kopfdarm: Lippen, Mtmdhöhle (mit Zunge tmd Zähnen),
sallte Milieu tötet Keime ab tmd schaffi die Voraussetztmg Speicheldrüsen, Mandeln und Rachen
für die Aktivität der Verdauungsenzyme im Magen, die an • Rlllnpfdarm: Speiseröhre, Magen, Dünndarm, Dickdarm
das sallte Milieu angepasst sind. Im Dünndarm finden die tmd Analkanal
wesentlichen Funktionen des Verdauungssystems statt: Ver- • Leber tmd Gallenwege
dauung, d. h. chemischer Abbau der Nährstoffe, und deren • Bauchsp eicheldri.:tSe.
292 10 Verdauungsorgane
10.1 Kopfdarm
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Besonders wichtige Strukturen der Mundhöhle sind Zäh- In der Mundhöhle gibt es außerdem kleine lmd große
ne und Zunge. Die Zähne bestehen aus den Hartsubs- Speicheldrüsen. Die Einzeldrüsen bestehen aus Endstii-
tanzcn Schmelz, Dentin und Zement. Der Zahnhalte- cken (serös oder mukös) und einem differenzierten Gang-
apparat Lunfasst Zement, Wurzelhaut (= Desmodont), system (Schaltstück, Streifenstück, interlobulärer Gang
Alveolarknochen und Zahnfleisch (Gingiva). Die Zahn- und großer Ausfübrung.<~gang). Die großen Speicheldrü-
wurzcln sind in den 1\Jveolen durch das straffe Binde- sen (Parotis, Submandibularis und Sublingualis) lassen
gewebedes Desmodonts, die Ligg. pcriodontalia, befestigt. sich histologisch vor allem an der jeweiligen Menge an se-
Die Zunge besitzt an ihrer Oberfläche filiforme Papillen rösen und mukösen Endstücken sowie an der jeweiligen
und Gcschmackspapillen, in deren Epithel Geschmacks- Häufigkeit der Schalt- und Streifenstücke unterscheiden.
knospen vorkommen. Die Streifenstücke entziehen dem Primärspeichel Ionen
und machen ihn hypoton.
10.1. 1 Mundhöhle Die Gallßlenleisten sind Epithelleisten, die von sehr dich-
tem Bindegewebe lmterlegt sind. Bei chronischer Bean-
Aufbau spruchung kann das Epithel verhornen. Der hintere Teil
Die Mundhöhle gliedert sich in das Vestibuhm1 oris (Mund- des harten Gaumens enthält viele kleine muköse Driisen,
vorhof, zwischen Lippen und Zähnen) und die Cavitas oris die Gll. palatinae. Am weichen Gaumen (Gaumensegel) ist
propria (eigentliche Mundhöhle). Vorn wird sie von den die orale Seite mit mehrschichtigem unverhorntem Platten-
Lippen, seitlich von den Wangen, oben vom Gaumen lmd epithel bedeckt lmd enthält viele Gll. palatinae. Auf der
unten vom Mlmdboden begrenzt. Wichtige Bestandteile der dem Rachen zugewandten Seite findet sich am freien
Mundhöhle sind Zunge, Zähne und, als Anhangsdriisen, die Ende des Gallnlensegels ebenfalls unverhorntes Platten-
Speicheldrüsen, deren Sekret in die Mlmdhöhle geleitet epithel in unterschiedlicher Ausdebnlmg, das aber choa-
wird. nenwärts in respiratorisches Epithel mitseromukösen Drü-
sen übergeht.
Schleimhaut
Die Schleimhaut der Mundhöhle trägt ein mehrschichtiges 10.1.2 Zunge
unverhorntes PlattenepitheL Dieses Epithel kann lokal, z. B. Die Zunge ist eine vielseitig bewegliche muskulöse Struktur
am harten Gaumen und am Zahnfleisch, unvollkommene am Boden der Mundhöhle. Sie wird von einer Schleinlhaut
Zeichen der Verhornung aufweisen. Das Epithel enthält Me- mit verschiedenen Papillen bedeckt. Im Ionern (Zungen-
lanozyten, Langerhans-Zellen und Merkel-Zellen. körper) besteht sie aus quergestreifter Muskulatur. Die
Die Laminapropria besitzt Mcissner-Tastkörperchen und Muskelzellen sind in vertikalen, longitudinalen und trans-
seromuköse oder überwiegend muköse Drüsen. An man- versalen Bündeln in charakteristischer Art lmd Weise senk-
chen Stellen (z. B. Wangen, Lippen, Gaumensegel) ist in der recht zueinander angeordnet und verflochten (Abb. 10.2).
Tiefe quergestreifte Muskulatur anzutrelren. Muskelspindeln sind regelmäBig anzutreffen. Zwei straffe
Bindegewebsstrukturen dienen Teilen der Muskulatur als
Klinik Verletzlmgen der Mundschleimhaut heilen aufgrlmd Urspnmg, das Septlun Lmd dJe Aponeurosis linguae. Das
von in reichem MaBe vorbandenen antimikrobiellen Pep- Septmn linguae in der Zungenmitte teilt die Zunge in eine
tiden ungewöhnlich rasch und gut. Die Regeneration des linke lmd eine rechte Hälfte. Die Aponeurosis linguae befin-
Epithels dauert ca. 12 Tage. Bei Frauen kann in Abstrichen det sich im Zlmgenri.icken unter der Schleimhaut. Diese ist
des Epithels leicht das Geschlechtschromatin (innen an der mit der Aponeurose unverschicblich verbunden. Auf der
Kernmembran) nachgewiesen werden. Unterseite der Zlmge liegt der N. hypoglossus mit seinen
Verzweigungen. An der Zlmgenspitze befinden sich gröBere
Schleimhaut der Lippen Das mehrschichtige Plattenepi- Pakete gemischter, überwiegend muköser Drüsen. Im Zlm-
thel der Lippen verändert sich von auBen nach innen kon- gengrund liegt die Tonsilla Iingualis (Abb. 6.40).
timlierlich (Abb. 10.1). Altßen ist es verhornt, lmd ist eine
typische Epidermis. Im Bereich des Lippenrots nimmt die Zungenpapillen Folgende Typen der Zungenpapillen las-
Verhornung ab, Melanozyten werden seltener, lmd in die sen sich unterscheiden:
hohen Bindegewebspapillen dringen bis in die Spitze Blut- • Papillae filiformes: Sie bilden auf dem Zlmgenrücken
kapillaren ein (Rotfärbung der Lippen). Vereinzelt treten schlanke, spitze, schlllDdabwärts ge.richtete Epithelzapfen,
Talgdrüsen (ohne Haare) auf. Auf der Innenseite der Lip- die einem differenzierten Bindegewebssockel aufsitzen
pen ist das Epithel unverhornt, und die Laminapropria ent- und deren Spitzenanteile verhornt sind (Abb. 10.3). Sie
hält seromuköse Drüsen (Gll.labiales), die Bindegewebs- erfüllen mechanische Aufgaben.
papillen sind flacher. In der Tiefe der Lippen liegt der • Geschmackspapillen: Dazu zählen die Papillae fungi-
quergestreifte M. orbicularis oris mit der Pars labialis. formes auf dem Zungenrücken, die Papillae foliatae an
den Zungenseiten und die Papillae vallatae am Zlmgen-
Schleimhaut des Gaumens Am harten Gaumen ist die grund. Die Geschmackspapillen sind ausfUhrlieh in
Schleinlhaut mit ihrem mehrschichtigen, normalerweise Kap.17.3.2 dargestellt.
unverhornten Plattenepithel fest am Periost verwachsen.
10.1 Kopfdarm 293
M. orl:>lcu/c1ris orls
Sohlernhaut mit
Epithel und
Lamina propria
Lippenhaut
mit Epithel
undOermis
M. otbicu/aris oris
Abb. 10.1 Lippe im Sagittalschnitt. Charakteristisch für die Lippe ist u. a. der Wechsel ihres Oberflächenepithels. Das
typische Hautepithel (Epidermis) mit Anhangsgebilden wie Haaren, Schweiß· und Talgdrüsen wechselt im Bereich des Lippen-
rots in ein drüsenfreies mehrschichtiges unverhorntes PlattenepitheL Mundhöhlenwärts schließt sich ein von Drüsenpaketen
(Gll. labiales) unterlagertes mehrschichtiges unverhorntes Plattenepithel an. Den zentralen Gewebssockel der Lippe bilden
zum großen Teil die Skelettmuskelfasern des M. orbicularis oris. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 8-fach. (Aus [1])
Abb. 10.2 Zungenspitze im Längsschnitt. 1 Papillae Abb. 10.3 Papillae filiformes {1) mit rachenwärts ge-
filiformes des Zungenrückens; 2 Bündel der quergestreiften krümmten, spitzen verhornten Epithelkegeln. Die Papillae
Zungenmuskulatur, quer (*) und längs (~) getroffen; filiformes haben mechanische Funktionen; ihre reiche Inner-
3 gemischte Drüse in der Zungenspitze. Mensch; Färbung: vation deutet auch auf stereognostische Fähigkeiten.
H. E.; Vergr. 15-fach. 2 Zungenepithel, 3 Zungenmuskulatur (längs und quer
getroffen). Zungenrücken, Mensch; Plastikschnitt; Färbung:
H.E.; Vergr. 500-fach. (Aus [1])
Zahnzahl
Milchgebiss 20 (5 pro Kieferhälfte)
bleibendes Gebiss 32 (8 pro Kieferhälfte)
Zahntypen
Milchgebiss 2 Inzisiven, 1 Caninus, 2 Milchmolaren (pro Kieferhälfte)
bleibendes Gebiss 2 Inzisiven, 1 Caninus, 2 Prämolaren, 3 Molaren (pro Kieferhälfte)
Zahngenerationen
1. Zahngeneration Milchgebiss und die Molaren des bleibenden Gebisses
2. Zahngeneration nur die Inzisiven, Canini und Prämolaren des bleibenden Gebisses
Zahnentwicklung (individuell unterschiedlich)
6. Monat Durchbruch des 1. Zahns (meist untere zentrale Schneidezähne) des Milchgebisses
2,5 Jahre aUe 20 Milchzähne sind durchgebrochen
6 Jahre Durchbruch der 1. Molaren des bleibenden Gebisses
17-22 Jahre aUe 32 bleibenden Zähne sind durchgebrochen
10.1 Kopfdarm 295
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••• Saumepithel
' ~-- .: ··--·.,..:.::. + - Zahnpulpa
Zahnfleisch
Alveolar-
knochen
der Zahnleiste entstehen außerdem schon früh die Anlagen molaren des bleibenden Gebisses und stellen die 2. Zahn-
des bleibenden Gebisses. Zu den bleibenden Zähnen werden generation dar. Thre Anlagen entstehen lingual (Unterkie-
die Zuwachszähne tmd die Ersatzzähne gezählt: fer) bzw. palatinal(Oberkiefer)von den Milchzahnanlagen
• Die Zuwachszähne sind die 3 Molaren des bleibenden tmd bilden sich an einer leistenfcinlligen Verlängerung
Gebisses. Sie entstehen hinter den Milchzahnanlagen, der ursprünglichen Zahnleiste, die auch Ersatzzahnleiste
nachdem sich die Zahnleiste weiter nach hinten verlän- genannt wird.
gert hat. Sie gehören zur gleichen Zahngeneration wie die
Milchzähne, brechen nur sehr viel später durch. Diese
Merke
Generation der Milch- tmd Zuwachszähne ist insgesamt
• 1. Zahngeneration: Milch- und Zuwachszähne
die 1. Zahngeneration.
• 2. Zahngeneration: Ersatzzähne.
• Ersatzzähne sind die Zähne, die die Milchzähne ersetzen.
Sie m11fassen die Schneide- tmd Eckzähne sowie die Pr'a-
296 10 Verdauungsorgane
Differenzierung der Zahnanlage und des Zahns Abb. 10.7 Zahnglocke in der Entstehung. 1 äußeres
Schmelzorgan Alle mit der Schmelzbildung befassten epi- Schmelzepithel; 2 inneres Schmelzepithel; 3 Schmelzpulpa;
thelialen Strukturen werden lmter dem Begriff "Schmerz- 4 Zahnpapille; 5 Zahnsäckchen; II> Membrana praeformativa;
organ" zusammengefasst. Zuerst entsteht die Zahnleiste, * Zahnleiste mit Verbindung zu Zahnglocke und Mundhöhlen-
an deren Rand sich dann pro Kieferhälfte 5 knoten- oder epithel (6) . ~ Blutgefäße. Menschlicher Fetus, 4. Monat;
knospenförmige Verdickungen bilden, die Schmelzknospen Färbung: Goldner; Vergr. 125-fach.
10.1 Kopfdarm 29 7
äußeres Scllmelzepithel
Inneres Schmelzepithel
_, Zahnleiste
Verbindung zwischen
Zahnleiste
und Scllmelzorgan
-Golgi-Apparat
-sensibler Nerv
- Odentoblast
-
•
....-
Abb. 10.11 Odontoblasten und Dentinbildung (Schema). Abb. 10.12 Zahnentwicklung, Detailvergrößerung.
Odentoblasten bilden die organischen Anteile des Dentins 1 Schmelzpulpa; 2 Stratum intermedium; 3 Adamantoblasten
und sind über leUkontakte verbunden. Die sensiblen Anteile (inneres Schmelzepithel); 4 Schmelz; 5 Dentin; 6 Prädentin;
der vegetativen Nerven steigen paraUel zu den Tomes-Fasern 7 Odontoblasten; 8 Zahnpapille (friihe Zahnpulpa ). Mensch;
von der Pulpa bis in die Zone des verkaLkten Dentins auf. Färbung: H. E.; Vergr. 245-fach.
10.1 Kopfdarm 299
(Neumann-Scheide) farblieh etwas abhebt. Dies beruht zu- des Sclunelzcs zugeschrieben wird (Abb. 10.13). Oberhalb
sätzlich auf einem hohen Gehalt an Glykoproteinen und des Kerns der Ameloblasten befinden sich besonders viele
Proteoglykanen. raue ER-Zisternen und ein ausgedehnter, fast röhrenförrni-
ger Golgi-Apparat. Apikal und basal findet sich je ein Ad-
härenzkontakt (Zonulae adhaerentes), in dessen Nähe wei-
Merke Dentin kann zeitlebens von den Odontoblasten tere Zellkontakte vorkorrunen (Nexus, Tight Junctions und
gebildet werden und besteht wie Knochen aus organi- Dcsmosomen). Der Apex enthält zahlreiche Sekretions-
schem Material, insbesondere Kollagen vom Typ I und zu granula sowie Lysosomen und bildet einen plumpen Fort-
70% aus anorganischem Hydroxylapatit
satz, den Tomes-Fortsatz.
interprismatischer Schmelzprisma
Schmelz ''
'
Schlüsselloch·
Lysosom,, konfiguratio n
••
Zonula
occludens-.
·-.
()()
Sekretgranu Ium--
Zonula-···· ··
()()()
adhaerens ,
Nexus/
.-· ()()
Desmosom •••
()()()
Ameloblast
(Adamantoblast)-
Nexus----- ()()()
Zonula .•••
adhaerens Hufeisen·
konfiguration
Abb. 10.13 Ameloblasten (Adamantoblasten) und Schmelzbildung (Schema). Der dachförmig gezeichnete Tomes-
Fortsalz enthält vor allem Sekretionsgranula, Lysosomen und helle Vesikel. Seine Oberftäche kann schmale Einsenkungen
ausbilden. Auf der nach rechts geneigten Fläche des Tomes-Fortsatzes wird das Schmelzprisma gebildet. Rechts (umrandet):
unterschiedliche Erscheinungsformen der Schmetzprismen.
300 10 Verdauungsorgane
C]
Abb. 10.15 Zahnschmelz
eines Molare n.
Schmelz • 95% anorganisch Ameloblasten wird nur während der Zahnentwicklung angelegt
• 1 Ofo organisch (kein Kollagen) (= Adamanto- (wird nicht regeneri ert), nur im Bereich der Krone,
• 4Ofo Wasser blasten) Prismenstruktur
Dentin • 700fo anorganisch Odentoblasten kann zeitlebens gebildet werden, wird von Tomes-
• 20'Yo organisch (v. a. Kollagen Fasern durchsetzt
und Proteogtykane)
• lO'Yo Wasser
zahlreiche Blutgefäße und sensible Nerven. Letztere können Zement Das Zement bildet eine dünne knochenähnliche
sogar in die Dentinkanälchen vordringen (Abb. 10.11). Ar- Bedecktmgsschicht der Zahnwurzel (s.o.). Im Zement inse-
teriovenöse Anastomosen sind häufig. Die periphere Zell- rieren kollagene Faserbündel (Sharpey-Fasern), die dUich
schicht der Zahnpulpa wird von den Odontoblasten gebildet den Periodontalspalt (Raum zwischen Zement tmd Alveo-
(Abb. 10.11), die das ganze Leben lang Dentin bilden und larknochen) ziehen.
so z. B. den Verlust durch Abkauung kompensieren können.
Durch das stetige geringe Wachstum des Dentins verklei- Wurzelhaut Die Wurzelhaut (Desmodont) fiillt den Pe-
nert sich die Zahnpulpa bei älteren Menschen erheblich. riodontalspalt (Breite 0,15-0,2 mm) aus und bildet dort
Dieses Bindegewebe unterliegt so gut wie keinen Zug- oder 2 Kompartimente (Abb. l O.IS, Abb. 10.19):
Druckkräften. Es zeigt eine analoge Ähnlichkeit mit Mesen- • Ein Kompartiment besteht aus Bündeln dicht gelagerter,
chym und gallcrtigem Bindegewebe. gewellter Kollagenfasern (den Ligg. periodontalia), zwi-
schen denen einige feine elastische Fasern und Oxytalan-
Merke Die Pulpa befindet sich im Ionern des Zahns tmd fasern verlaufen. Die Kollagenfasern der Ligg. periodon-
ist aus einem fibrozyten-, proteoglykan-, hyalUionan- und talia sind sog. Sharpcy-Fasern, die in die Hartsubstanzen
wasserreichem Bindegewebe aufgebaut, in das Blutgefaße Zement und Knochen einstrahlen. Sie verlaufen zwischen
und sensible Nerven eingelagert sind. Die Zcllen in der dem Alveolarknochen und dem Zement überwiegend
Peripherie der Pulpa sind die Odontoblasten. schräg abwärts Richtung Wurzelspitze und befestigen so
den Zahn federnd in der Alveole. Die Fasern stehen in
Kontakt mit sensiblen Nervenendigungen, die den Kau-
Klinik Karies ist eine Erkrankung der Hartsubstanzen druck regulieren.
Schmelz und Dentin, die in den westlichen Ländern zwar • Das andere Kompartiment lst ein lockeres Bindegewebe.
seltener geworden ist, aber immer noch sehr häutig vor- Hier finden sich Fibrozyten und an der Oberfläche der
kommt. Das Kariesrisiko ist individuell unterschiedlich, ge- Hartsubstanzen Zementoblasten, Osteoprogenitorzellen,
netische Faktoren spielen dabei genauso eine Rolle wie Osteoblasten nnd Osteoklasten, außerdem BlutgefäHe
Infektionen (mit Streptokokken), Zuckerkonsum (wobei und sensible vegetative Nerven.
die Dauer, nicht die Menge entscheidend ist), Zahnpflege,
Zahnfehlstellungen, Speichelfluss und Zusarnrnensetztmg Schmerzen LLnd Druck werden über freie sensible Endigtrn-
der Nahrung. Säurebildende Bakterien, die z.B. in Zahn- gen sowie eingekapselte Endigungen wahrgenommen. Das
fleischtaschen oder zwischen kulissenförrnig stehenden Zäh-
nen leben, spalten Zucker in Glucose tmd Fructose, wo-
dUich zum einen Dcxtran (als Hauptbestandteil der Plaque)
und zum anderen demineralisierend wirkende MilchsäUie
entstehen.
Zahnhalteapparat
Dem Zahnhalteapparat (Parodontium) werden zugezählt
• Zement
• WUIZCihaut (Dcsmodontium, Lig. pcriodontale)
• Alveolarknochen
• Zahnfleisch (Gingiva), soweit es im Kontakt mit den oben
genannten Strukturen steht.
Abb. 10.18 Desmodont, Querschnitt der WIJ'Zel eines Abb. 10.19 Kompartimente des Desmodonts (1),
Prämolaren . * Dentin; 1 einer von zwei Wurzelkanälen; höhere Vergrößerung eines Zahnwurzelquerschnitts. 2 Straffe
2 Desmodont (Wurzelhaut); 3 Alveolarknochen. Mensch; Kollagenfaserbündel (Sharpey-Fasem); 3 zell-und gefäß-
Färbung: H. E.; Vergr. 25-fach. reiche Partien; 4 Zement; 5 Dentin; 6 Alveolarknochen.
Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 150-fach.
10.1 Kopfdarm 303
Druckempfinden ist ungewöhnlich fein. Es existiert ein Re- sum ist dünn und trnvollständig oder kann völlig fehlen. Im
flexbogen zur Kaumuskulatur und zur Zungenmuskulatur. Epithel der Gingiva kommen Langerhans-, Merkcl-Zellen
und Melanozyten vor. Die freie Gingiva ist von der Basis
Alveolarknochen Der Alveolarknochen ist der Teil des der Zahnkrone durch den Sulcus giogivalis getrennt. Das
Kieferknochens, in dessen Höhlungen (Alveolen) die Zahn- mehrschichtige Plattenepithel der Gingiva, das den Sulcus
wurzeln stecken . Er ist aus Lamellenknochen mit Havers- ringförmig wngibt, wird Saumepith el genannt. Es ist re-
Systemen aufgebaut. Bei Ausfall von Zähnen oder fehlender lativ dünn und nicht verhornt. Seine Basallamina nimmt
Knochenbelastung kann sich der Alveolarknochen rasch einen besonderen Verlauf. Sie folgt dem Epithel in die Tiefe
zurückbilden. Im Alveolarknochen inserieren die kollage- (äußere = tiefe Basallamina), schlägt hier um und befindet
nen Sharpey-Fasern. sich dann zwischen Epithel und Schmelzoberfläche (inne-
re= oberflächliche Basallamina). Der Teil des Epithels, der
Gingiva Die Alveolarfortsätze der Kiefer, in denen die unmittelbar dem Schmelz anliegt, wird auch Haftepithel
Zähne verwurzelt sind, werden von der Gingiva (Zahn- genannt. Es entstammt dem inneren SchmelzepitheL Seine
fleisch) bedeckt. Sie ist ein besonders fester, rosafarbiger basalen Epithelzellen bilden zur inneren Basallamina hin
Teil der Mundschleirnhaut, der überwiegend fest mit dem kräftige Hemidesmosomen aus. Somit wird die Basallamina
Periost des Alveolarknochens verwachsen ist (Pars fixa gin- zur wichtigsten Befestigungsstruktur zwischen Gingiva-
givae, Abb. 10.20). Lediglich ein gut 1 mm hoher Rand- epitheltrnd Kronenbasis trnd verhindert normalerweise ein
saum (Limbus), der am Schmelz der Zahnkrone befestigt Eindringen von Bakterien in das tiefer gelegene Gewebe. In
ist, ist etwas weicher trnd verschieblieh und wird hier " freie" der Lamina propria sind im Bereich des Sulcus viele freie
Gingiva (Pars libera gingivae) genann t. Das mehrschichtige Zellen zu finden, die Abwehrfunktionen haben.
Plattenepithel zeigt apikal regelmäi!ig Hinweise auf untypi-
sche (parakeratotische) Verhornung. Das Stratwn granulo- Klinik Die Gingivitis ist eine Entzündung des Zahnfleischs,
die Parodontitis eine (bakteriell verursachte) entzündliche
Erkranktrng des Zahnhalteapparats. Eine lang anhaltende
Gingivitis kann zttr Parodontitis führen, nicht jeder Par-
.
...............• ....
--- Schmatz odontitis geht jedoch eine Gingivitis voraus. Für die Ent-
\. - -- Retzius.s!rel&n stehung einer Parodontitis sind verschiedene Leitkeirne der
Mundhöhle verantwortlich, zu denen u. a. der Aggregati-
bacter actinomycelemcomitans (M) gehört. Als Risiko-
faktoren einer Parodontitis gelten u. a. Alter, schlechte
Mundhygiene, Rauchen, Stress, genetische Faktoren oder
innere
_ -- Basalrnanbran systemische Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus). Lang-
fristig kann eine Parodontitis zu Taschenbildung, freiliegen-
den Zahnhälsen und zwn Zahnausfall führen.
... ....... r::lnnl.~
'--V~-
1 0.1.4 Speicheldrüsen
Die Speicheldrüsen sezernieren am Tag ca. 0,75-1,0 l hyp-
--- F.~ osmotischen und leicht alkalischen Speichel, der zu 99~ aus
~r.ees
vVasser und außerdem aus anorganischen Ionen, Schleimen,
Enzymen, Wachstumsfaktoren und Immunglobulinen be-
steht. Die Drüsen münden in die Mundhöhle ein und
werden in kleine und große Speicheldrüsen trnterteilt. Die
. F. a!Yeo-
gingiveles kleinen Speicheldrüsen (s.a. Kap. 3) Hegen in der Mukosa
der Mundschleimhaut und si nd entweder rein serös (Spül-
drüsen der Gesclunackspapillen), seromukös (Lippen, Wan-
gen) oder überwiegend bis rein mukös (Gaumen, Rachen).
Zu den im Folgenden behandelten großen Speicheldriisen
• '
Allleolat1cnocten (Abb. 10.21) werden gezählt:
Blu~äße • GI. parotis (Ohrspeicheldrüse, Abb. 10.22, Abb. 10.23)
• GI. submandibularis (Unterkieferdrüse, Abb. 10.24)
Abb. 10.20 Zahnhalteap parat und Zahnfleisch. Das • GI. Sublingualis (Unterzungendrüse, Abb. 10.25).
Zahnfleisch (Gingiva) haftet dem Alveolarknochen fest an
(Pars fixa gingivae) und bildet oberhalb der Alveolen den
Zahnfleischsaum (Pars libera gingivae). Das Gingivaepithel Aufbau
ist ein leicht verhorntes mehrschichtiges PlattenepitheL Das Drüsengewebe ist in 1 - 3 nuu große Läppchen geglie-
Das Saumepithel ist der Teil des Gingivaepithels, der die dert, die durch Bindegewebssepten getrennt sind. Die gro-
Kronenbasis und den Sulcus gingivalis ringförmig umgibt. ßen Speicheldrüsen besitzen ein komplexes Ausführungs-
Der Teil des Saumepithels, der direkt dem Schmelz anliegt, gangsystem sowie dicht gepackte Endstücke, die sich in
wird auch Haftepithel genannt. Bei den Kollagenfasersyste- seröse Azini und muköse Tubuli gliedern lassen. Im Bereich
men sind die Fibrae (F.) alveogingivales, dentogingivales der serösen und mukösen Endstücke und der Schaltstücke
und circulares zu unterscheiden sowie Bündel der Wurzelhaut kommen sternförrnlg verzweigte Myoepithelzellen vor, die
(die ligg. periodontalia), die Zement und Alveolarknochen kontraktil sind und sich auch am Aufbau der Basalmembran
in Form von Sharpey-Fasern verbinden. (Aus [1]) beteiligen (Tab. 10.3).
304 10 Verdauungsorgane
1 2
/ ,· • • Streifenstück • • ,
r , '
r
r ,, , '
'
'
'
v.-Ebner-
Halbmond
Ausführungsgangsystem
Das Gangsystem besteht aus 3 Abschnitten, die ohne scharfe • Ausführungsgänge (interlobuläre Ausführungsgänge und
Grenzen ineinander übergehen tmd in den Drüsen tmter- Hauptausführungsgang).
schiedlich verteilt sind (Tab. 10.3):
• Schaltstück (schließt sich den sekretorischen Anteilen an) Schalt- und Streifenstücke liegen intralobulär, die Ausfüh-
• Streifenstück rungsgänge extralobulär.
10.1 Kopfdarm 305
a
Abb. 10.27 Streifenstück
aus der Glandula parotis.
C]
Abb. 10.29 Seröse Drüsen-
zellen in der Parotis.
Gl. parotis rein seröse Azini lang, za hlreich zahlreich selten Talgdrüsen an intralobu-
lären Gängen, Plasmazellen im
Stroma
Gl. submandi- viele seröse Azini und einzelne relativ kurz, häufig relativ häuflg kleine vegetative
bularis seröse Halbmonde, wenige muköse häufig Ganglien, Plasmazellen im Stroma
Tubuli (überwiegend seröse
Drüsenzellen)
Gl. sublingualis viele muköse Tubuli und wenige selten selten seröse Halbmonde nur auf einem
seröse Azini (überwiegend Teil der tubulösen (mukösen)
muköse Drüsenzellen) Endstücke
Pankreas rein seröse Azini, zentroazinäre zahlreich fehlen Langerhans-Inseln
Zellen, keine Myoepithelzellen
Gl. lacrimalis seröse verzweigte Tubuli, fehlen fehlen im Bindegewebe Ansammlungen
Lumen relativ weit freier Zellen, besonders Plasma-
zellen
10.1 Kopfdarm 307
aktive NaCI-
Endstück DrOsenzelle
StreifenstOck •••
' mit
'' Muzinen und Proteinen
,'
'
·--
Streifenstücken zum hypotonen
Sekundärspeichel modifiziert wird. ''
Einzelheiten siehe Text • Myoepithelzelle
isoosmotisCher
(Vereinfacht nach (3]) Primärspeichel
308 10 Verdauungsorgane
10.2 Rumpfdarm
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Dem Rtunpfdarm gehören Ösophagus, Magen, Dünn- und Pylorusregion bilden sie Schleime. Im Korpus-
darm, Dickdarm und Analkanal an. Pankreas und Leber Fundus-Bereich enthalten sie verschiedene Zelltypen
sind üb er AusfLihmngsg'änge mit dem Dünndarm ver- mit jeweils eigener Funktion: Hauptzellen (bilden Pro-
btmden . teasen), Belegzellen (bilden Salzsäure und den intrin-
Der Wandbau ist in den ver schiedenen Rtm1pfdarm- sischen Faktor) tmd Nebenzellen (bilden Schleim). In
abschnitten im Prinzip gleichartig: allen Drüsen gibt es endokrine Zellen und Stamm-
• Ttmica mucosa, mit Lamina cpithclialis, Lmlina pro- zellen .
pria tmd Lamina muscularis mucosae • Diin ndarm: Die Oberfläche des Dünndarms bildet
• Tela submucosa 5 - 10 mm hohe Palten, die Kerckring-Falten. Diese Pal-
• Ttmica muscularis mit innerer Ring- und äußerer ten enthalten innen Gewebe der Submukosa tmd sind
Längsmuskelschicht von der Schleimhaut bedeckt. Die Schleimhaut bildet
• Tunica serosa oder Tunica adventitia Zotten tmd Krypten. Die Zotten sind oft ca. 0,5 mm
hoch tmd werden vom resorbierenden Epithel über-
Zwei intramurale Plexus, der Plexus myentericus (Auer- wgen. Dies Epithel besteht aus Enterozyten mit dich-
bach-Plexus) und der Plexus submucosus (Meissner- tem Mikrovillisaum und Becherzellen. Die Krypten be-
Plexus) steuern die Damuuuskulatur. herbergen die StarrtnlZCllen des Zottenepithels und die
Entscheidend für die spezifischen Funktionen tmd die Paneth-Zellen. Nur im Duodemun enthält die Sub-
Diagnose der einzelnen Rwnpfdarmabschnitte ist die Tu- mukosa die Brunner-Dri.isen, die Schleim tmd Bicarbo-
nica mucosa. nat bilden. Die Mukosa des Ileums enthält die großen
• Ösophagus: Die Mukosa des Ösophagus besitzt ein un- Peyer-Plaques, Organe des Immunsystems.
verhorntes PlattenepitheL In der Submukosa findet sich • Kolon : Die Kolonschleimhaut besitzt keine Zotten und
ein wnfangreichcr Venenplexus und am Anfang und ist durch einfache tubuläre Drüsen, die Krypten, ge-
am Ende des Ösophagus treten in ihr muköse Drüsen kennzeichnet. Die Krypten bestehen aus resorbieren-
auf. Die Muskularis besitzt im oberen Drittel Skelett- den Epithelzellen, Becherzellen und endokrinen sowie
muskulatur, im mittleren Drittel Skelett- und glatte Stammzellen.
Muskulatur tmd im tmteren Drittel nur glatte Musk u- • Appendix: Die Schleimhaut der Appendix vermiformis
lattrr. enthält neben typischen Kolonkrypten vor allem lym-
• Magen: Die Schleimhaut des Magens ist d urch ein phatisches Gewebe.
Schleim bildendes Oberfläch enepith el und t ub uläre • Analkanal: Der Analkanal istdie Ob ergangsregio n zwi-
Drüsen gekennzeichnet, die in der Tiefe der Foveolae schen Rektum (mit typischer Kolonschleimhaut) und
gastricae ausmünden. Die Drüsen un terscheiden sich in der an alen Haut (mit verhorntem Plattenepithel), hier
Kar·dia, Korpus-Ptmdus- tmd Pylorusregion. In Kardia finden sich unterschiedliche Epith elien.
, Tela
'-•• submucosa
Tunica
~ • •• muscularis
'
•
U::.,__.J.-L-__..1....;-~-~/-::-L---L~;;;-.....,~~...__;.-.L.!. ................ --~
• Tunica
•
'
:······ serosa
' •
• Auerbach- '
Perltonealepithel
Blutgelllße
Ptexus
Abb. 10.32 Aufbau der Wand des Magen-Darm-Traktsam Beispiel eines Querschnitts des Dünndarms (Schema).
Die Lamina propria ist besonders reich an freien Bindegewebszellen (vergrößert dargestellt von links nach rechts:
Mastzellen (1), Lymphozyten (2), Eosinophile (3), Ma krophagen (4), Plasmazellen (5). Die Lamina muscu laris mucosae
besitzt innen zirkulär, außen längs verlaufende glatte Muskelzellen. (Aus [1])
fiir die Diagnostik besonders wichtig ist. Die Lamina prop- ert. Drüsen sind nur in der Submukosa des Ösophagus und
ria ist ein lockeres Bindegewebe mit zahlreichen kleinen des Duodenums (Brunner-Drüsen) zu finden.
Blutgefäßen und lokalen Ansammlungen lymphatischen
Gewebes, vielen Makrophagen, Mastzellen, Plasmazellen, Muskularis Die Muskularis besteht im Prinzip aus 2
Lymphozyten und Eosinophilen. Diese Zelltypen stehen im Schichten glatter MuskulatLrr, der inneren Ring- Lmd der
Dienste der Abwehr. Die Lamina muscularis mucosae be- äußeren Längsmuskulatllf. Zwischen beiden Muskelschich-
steht aus glatten Muskelzellen, die innen meistens zirkulär ten befindet sich ein weiterer Nervenplcxus, der Auerbach-
und außen längs angeordnet sind Lmd die der Mukosa eige- Plexus, der die Peristaltik der Muskularis steuert.
ne Motilität und Konturveränderungen erlauben. Oie Aus-
gestaltung der Lamina muscularis mucosae Lmterscheidet Serosa Die Serosa wird von einem flachen bis kubischen
sich im Detail in den einzelnen Darmabschnitten und vari- Epithel (Mesothel, Abb. 9. 1) bedeckt. Das Mesothel ist das
iert auch individuell. viszerale Epithel der Bauchhöhle (Peritooealhöhle, Leibes-
höhle). Über das Mesothel der Mesenterien steht dieses vis-
Submukosa Die Submukosa ist reich an kleineren und zerale Epithel mit dem parietalen Epithel der Leibeshöhle
mittelgroßen Blutgefäßen sowie an Lymphgefäßen. Außer- (innen an der Rumpfwand) in VerbindLmg. Oie Mesothel-
dem liegt hier der Meissner-Piexus, ein Nervenplcxus, der zellen liegen auf einer Basallamina und tragen locker ver-
die Motilität der inneren Wandschichten des Darms steu- teilte Mikrovilli (Abb. 9.2). Sie sind über Zonulae occluden-
310 10 Verdauungsorgane
tes verbunden und besitzen ein gut entwickeltes Zytoskelett. arbeiten und komplexe lokale Reflexbögen aufbauen,
Die Mesothelzellen haben ein ausgeprägtes Regenerations- werden aber regelmäßig vom Pardsympathikus (prägang-
vermögen. Sie sind an der Bildung der Peritoneallliissigkeit lionäre erregende Fasern) Lmd vom Sympathikus (post-
beteiligt (Kap. 9.1). Das Serosabindegewebe enthält viele ganglionäre hemmende fasern) beeinflusst. Die Plexus
Blutkapillaren und Lymphgefäße. Bisweilen wird das Bin- steuern die Peristaltik (v.a. der Auerbach-Plexus) Lmd
degewebe, das unmittelbar an die Muskularis grenzt, als können auch Durchblutung und sekretorische Funk-
Tela subserosa abgegrenzt. tionen der Darmepithelien beeinflussen. Im Auerbach-
Plexus treten verschiedene Neurone auf, die entweder
cholinerg oder pcptiderg sind. Cholinerge Neurone ak-
Nervenplexus tivieren die Muskularis und stimulieren die Zellen des
Auerbach-Piexus (Plexus myentericus) und Meissner-Ple- Meissner-Plexus, pcptiderge Neurone hemmen Muskula-
xus (Plexus submucosus) sind 2 Nervenplexus in der Wand ris und Meissner-Piexus. Sowohl die erregenden als auch
des Rwnpfdarms. Beide bestehen aus Ganglien und ver- die hemmenden Neurone des Auerbach-Plexus werden
bindenden Fascrbiindeln und umfassen ca. 100 Millionen vom PardSympathikus (im größten Teil des Rumpfdarms
N eurone. Die Ganglien des Auerbach-Piexus liegen zwi- also vom N. vagus) stimuliert. Der Sympathikus hemmt
schen Ring- und Längsmuskulatur der Tunica muscularis erregende motorische Neurone in beiden Plexus. Erre-
(Abb. 10.33). Die Ganglien oder Einzclperikarya des Meiss- gende Plexusneurene besitzen z. B. opioide Peptide als
ner-Plexus sind in der Submukosa zu finden. Beide Plexus Trc~nsmitter oder die Substanz P. Hemmende Plexus-
bilden das intramurale entefische Nervensystem Lmd be- neuroneenthalten z.B. das Peptid VIP (vasoaktives intes-
sitzen motorische Neurone, Interneurane und sensorische tinclles Peptid).
Neurone. • Sensible Neurone des enterlschen Systems perzipieren
• Die motorischen Neurone und Interneurane können z. B. die Dehmmg der Darmwand. Verbreitet gibt es in der
erregend oder hemmend sein. All diese Neurone können Darmwand auch sensible Fasern, deren Perikarya im Spi-
zwar eigenständig ohne von außen kommende Einfliisse nalganglion liegen.
Merke
• Auerbach-Piexus = Plexus myentericus = TLmica mus-
cularis
• Meissner-Plexus =Plexus submucosus =Submukosa
10.2.2 Speiseröhre
Die ca. 25 cm lange Speiseröhre (Ösophagus, Abb. 10.34)
leitet die Speise aus Mundhöhle und Rachen in den Ma-
gen Lmd verhindert den Riickfluss von Magensaft. Die Dis-
tanz von den Schneidezähnen bis zum Mageneingang be-
trägt ca. 40 cm. Der Ösophagus besitzt einen oberen Lmd
einen Lmteren Sphinkter und ist aLtßer beim Schlucken (Lmd
Erbrechen) insbesondere oben Lmd unten tonisch kontra-
hiert. Der Tonus des unteren Sphinkters kann durch fett-
reiches Essen, Rauchen, Kaflce, Tee und Cola herc~bgesetzt
werden.
Wandaufbau
Mukosa Die Mukosa bildet typische Längsfalten, ihr Epi-
thel ist ein mchrschichtiges unverhorotes Plattenepithel
Abb. 10.33 Ganglion des Auerbach-Plexus (Au) im Binde- (Abb. 10.35), dessen oberen Zellen sehr glykogenreich sind.
gewebe der Tunica muscularis des Ösophagus. Die Perikarya Mitunter finden sich in den obersten I - 2 Zellschichten
der Nervenzellen sind durch den exzentrisch gelegenen AndeutLmgen einer Verhornung. Bei Nagetieren und Anti-
hellen rundlichen Zellkern mit deutlichem Nukleolus gekenn- lopen, die zum Teil harte pflanzliche Nahrung fressen, ist
zeichnet. Schwein; Färbung: Goldner, Vergr. 250-fach. das Epithel stark verhornt. Basal können im Epithel endo-
10.2 Rumpfdarm 311
krine Zellen lmd Melanozyten vorkommen. Auch Langer- gus zu finden und bilden vorwiegend Schleime, aber auch
hans-Zellen treten vereinzelt auf. In der Lamina propria, Proteine wie Lysozym.
die zahlreiche elastische Pasern enthält, finden sich am
Ende des Ösophagus oft Schleim bildende Driisen, die den Muskularis Die MuskuJaris besteht in den oberen 5 cm
Drüsen des ersten Magenabschnitts, der Kardia, entspre- des Ösophagus aus quergestreifter Skelettrnuskulatur. Es
chen. Die Lamina muscularis mucosae ist auffallend folgt dann eine Zone, in der gemeinsam Skelettmuskulatur
dick und besitzt vorwiegend längs verlaufende glatte Mus- und glatte Muskulatur vorkonuuen (Abb. 10.37), wobei die
kelzellen; diese bilden ein dichtes Netzwerk von Muskel- glatte Muskulatur überwiegt. Die lmtere Hälfte des Öso-
biindeln, zwischen denen auch elastische Pasern vorkom- phagus besteht allein aus glatter Muskulatur. Es finden sich
men. relativ viele schräg verlaufende Muskelfaserbiindel, sodass
die Gliederung in Ring- und Längsmuskulatur undeutlich
Submukosa Die Submukosa ist reich an Blutgefaßen. sein kann. Der Auerbach-Picxus ist in den mittleren und
Flmktionell wichtig ist ein Venengeflecht, das Blut über die unteren Teilen des Ösophagus sehr hoch entwickelt und
obere Hohlvene zwn Herzen führt und Anastomosen mit besitzt größere Ganglien. Der Meissner-Piexus ist gering
den Magenvenen bildet. Bei Leberzirrhose entstehen hier entwickelt.
gestaute Venen (Ösophagusvarizen), die reißen und zum
Tod durch Verbluten führen können. Submuköse Drüsen Adventitia Allßerhalb der Muskularis ist eine deutliche
(Gll. oesophagcae, Abb. 10.36) mit ausschließlich mukösem Adventitia ausgebildet. Die Pars abdominalis des Ösopha-
Anteil sind vor allem am Anfang lmd am Ende des Ösopha- gus ist auf!en von einer Serosa bedeckt.
Langsmuskelbündef
Tela sl.bmucosa
Lamina muscu/aris
mucosae
Lamina
propria
Tunica
muscu/aris
G/1. ..!--·--··::::
oesophageae
I
I
'
Langsschicht
dFJr MU$kularis
1Ringschicht
der Muskularis
Abb. 10.34 Obere Speiseröhre, vollständiger Querschnitt. Oie typische Schichtengliederung der Wand kommt prinzipiell
in allen Rohrabschnitten des Magen-Darm-Kanals in gleicher Weise vor: Mukosa (mit Epithel, Lamina propria und Muscularis
mucosae), Submukosa (Tela submucosa) und Muskularis (Tunica muscularis mit Ring- und Längsmuskelschicht). Der Muskularis
des Ösophagus schließt sich außen eine bindegewebige Adventitia an, die den Ösophagus mit seiner Umgebung im Media-
stinum verbindet. Ösophagusdrüsen sind relativ selten und finden sich nicht in jedem Schnittpräparat Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 11-fach. (Aus [1))
312 10 Verdauungsorgane
Ösophagussphinkter
·2
Der obere Ösophagussphinkter ist aus quergestreiften Mus-
kelfasern aufgebaut, die dem M. cricopharyngeus tmd obe-
ren zirkulären Muskelfasern der Muskularis des Ösophagus
entstammen. Der untere Ösophagussphinkter ist in anato -
mischer Hinsicht kein echter Sphinkter tmd ist komplex ins
Zwerchfell eingebaut. An beiden Sphinkterstruh.'turen sind Abb. 10.3 7 Tunica muscularis im mittleren Ösophagus-
Polster aus Venenplcxus tmd elastische Fasern beteiligt. Der drittel. Es kommen Bündel sowohl von quergestreiften
obere Sphinkter ist tonisch geschlossen und öffnet sich re- Skelettmuskelzellen (1) als auch von glatten Muskelzellen
flektorisch beim Schluckakt Der tmtere Sphinkter ist durch (2) vor. Mensch; Plastikschnitt; Färbung: H. E.;
Dauererregung ebenfalls ständig geschlossen. Er besteht aus Vergr. 100-fach. (Aus [1]}
Schraubentouren glatter Muskulatur und wird sowohl von
erregenden als auch von henunenden parasympathischen
Nervenfasern innerviert. Beide Arten von Parasympathikus-
fasern erreichen ihren Effekt nicht direkt, sondern über erre-
gende oder hemmende Ganglienzellen des Plexus myenteri- Peptid (VIP) und Stickoxid. Wichtig zu wissen ist, dass der
cus. Transmitter der erregenden Ganglienzellen des Plexus Ösophagus unter erheblicher Längsspannung steht, was
sind Acetylcholin, Substanz P tmd andere Substanzen; zum Verschluss des unteren Sphinkters beiträgt. Wird der
Transmitter der hemmenden Fasern, die zur Öffnung des Ösophagus im unteren Bereich durchtrennt, führt dies zu
unteren Sphinkters fUhren, sind u. a. vasoaktives intestinales einer Retraktion tun ca. 10 an.
10. 2 Rumpfdarm 313
10.2.3 Magen
Klinik Verschiedenartige Störungen können einen Rück-
fluss (Reflux) von Magensaft in die Speiseröhre verursachen. Die Hauptfunktionen des Magens (Gaster) sind:
Dies kann harmlos sein, wenn es gelegentlich und kurzfristig • Speicherung, Durchknetung und Durchmischung der
geschieht. Bei ch ron ischem RefhL\: schädigt der saure Ma- aufgenommenen Nahrung,
gensaft jedoch die Ösophagusschleimhaut, tmd es kommt • Sekretion des Magensaftes, der vor allem Salzsäure (HCl),
zur gastroösophagealcn Rellu.xkrankheit mit Ösophagitis proteolytischc Enzyme (Pepsin, Beginn der Proteinver-
(Sodbrennen) und ztun Teil sogar zu Ulkusbildungen. dauung) und den Intrinsic-Faktor (notwendig für Vit-
Außerdem kann sich das Planenepithel in Schleim bilden- amin-B12-Resorption im Dünndarm) enthält.
des prismatisches Epithel vom Magen- oder Darmtyp um-
wandeln (Barren-ösophagus), was mit einem erhöhten Ent- Die Salzsäure schafft einen optimalen pH-Wert flir die An-
artungsrisiko einhergeht. dauung der Nahrungsproteine und tötet aufgenommene
Unter Achalasie versteht man eine motorische Störung Keime ab. Die Magenmotorik ist von großer funktioneller
der tmtercn Ösophagusmu.sku.latu.r, die sich beim Schlucken Bedeutung und wird sehr komplex reguliert. Der proximale
nicht ausreichend erweitert. Dies wird dttrch Verlust an Magen hat relativ gleichbleibende Wandspannung und
VIP- und Stickoxidsynthase-positiven Ganglienzellen ver- besitzt vor allem Spcicherfunktion. Der motorisch viel akti-
ursacht. Die Symptome sind vielseitig, u. a. gehören Dys- vere distale Magen besitzt in seiner Musku.laris ein Schritt-
phagie, Brustschmerzen und Erbrechen dazu. macherzcntru.m und hat vor allem Durchmischungs- und
Au.fbereitlmgsfunktionen. Der Schließmuskel des Magen-
314 10 Verdauungsorgane
Wandaufbau
Mukosa Die Mukosa des gesamten Magens besitzt ein
Mikrorelief mit kleinen Einsenktmgen, den Magengrüb-
chen (Foveolae gastricae). Sie sind in den verschiedenen
Magenabschnitten tm terschiedlich tief, was ein wichtiges
Kriterium im mikroskopischen Präparat ist. Die gesamte
Oberfläche, einschließlich der der Foveolae, wird von einem
einschichtigen prismatischen Schleim bildenden Oberflä-
chenepithel (s. u.) gebildet. Tn der Tiefe der Foveolae mün-
den die tubulären Magendrüsen aus, die sich bis zur Mus-
cularis mucosae erstrecken. Diese Drüsen sind sehr dicht
gepackt, nehmen den größten Teil der Mukosa ein und sind
in den 3 Hauptabschnitten des Magens unterschiedlich auf-
gebaut. Die Lamina propria ist auf schmale Streifen zwi-
schen den Drüsen beschränkt, lediglich zwischen den Po-
veolae nimmt sie einen etwas größeren Raum ein. Sie ist
reich an Kapillaren und Nervenfasern (N. vagus) und ent-
hält viele Abwehrzcllen. Die Lamina muscularis mucosae
ist unterschiedlich dick und enthält zirkuläre und längs ver-
laufende glatte Muskelzellen. Wie in anderen Bereichen des
Darmtrakts können Bündel solcher glatten Muskelzellen
durch elastische Sehnen verbunden sein.
Submukosa Die Tela submucosa ist dick und besteht aus Abb. 10.38 Oberflächenepithel (*) im Magenfundus.
lockerem Bindegewebe mit elastischen Fasern, die an der 1 Magenlumen. Das Oberflächenepithel bedeckt nicht nur
Grenze zur Lamina muscularis mucosae und zur Tunica die unmittelbare Magenobertläche, sondern kleidet auch die
muscularis konzentriert sind. Kennzeichnend sind ein dich- Foveolae gastricae (2) aus. 3 Magendrüsen mit ovalen,
tes Lymphgefäßnetz und ein dichter Plexus aus Arterien großen, hellen Belegzellen und kleinen eosinophilen Neben-
tmd Venen, aus denen die kleineren Gefäße der Mukosa zellen (.,. ); ~ Plasmazellen. Mensch; Plastikschnitt; Fär-
entspringen. Am Obergang zum Ösophagus ist eine Venen- bung: H. E.; Vergr. 450·fach.
manschette ausgebildet, die zum Verschluss des unteren
Ösophagussphinkters beiträgt.
Serosa Außen befindet sich eine Serosa, deren Binde- bis 0,2 mm dicke zähe Schicht. Er schützt die Mukosa vor
Verletztmg (durch aufgenommene Nahnmgsbestandteile
gewebe reich an elastischen Fasern ist.
ttnd Salzsäure) und vor Selbstverdauung dmch die Pepsine
Oberfl.ä chenepithel Die schlanken Epithelzellen des im Magensaft. Schleim besteht vor allem aus Wasser (95~)
Oberflächenepithels (Abb. 10.38) enthalten in ihrer oberen und den Muzinen MUC SAC (entstammt dem Oberflächen-
Zellhälfte Schlcimgranula (Abb. 10.39, im lichtmikrosko- epithel) und MUC 6 (entstammt den Nebenzellen), die
pischen H. E.-Präparat hell) und sind über ausgedehnte durch spezielle Pcptide (Trcfoil-Paktor·Peptide = TFP-Pep-
Zonulae occludentes und andere ZeiTkontakte verbunden. tide) verbunden werden. Diese Peptide kommen verbreitet
attf Schleimhäuten vor und beeinflussen die rheologischen
Schleim Der Schleim wird nonnalerweisc reguliert per Eigenschaften der Schleime. Tm Magenschleim dominiert
Exozytose freigesetzt und bildet auf der Oberfläche eine TPF-1. Das Peptid TPF-3 fördert auch die Wundhcilung.
10.2 Rumpfdarm 315
Die Muzine enthalten bei ca. 75% der Menschen auch die überwiegen. Das Oberllächenepithel mit seiner Schleim-
Antigendeterminanten der ABO-Blutgruppen-Substanzen. schicht repräsentiert die protektiven Komponenten der Ma-
Das zusätzlich im Schleim befindliche Bicarbonat pufl'ert genschleimhaut, wohingegen Salzsäure tmd Pepsine die "ag-
die in den Schleim eindringende Salzsäure ab. Das Bicarbo- gressiven" Paktoren des Magens sind (Abb. 10.40). Zu den
nat wird von den Oberflächenepithelzellen sezerniert unter protektiven Kräften zählen außerdem die intakte Durch-
dem stimulierenden Einfluss von Caldum, Prostaglandi- blutung der Mukosa, die Regenerationskraft des Oberflä-
nen, Acetylcholin und J\nsäuemng der Schleimoberfläche. chenepithels und die Bildung von Prostaglandinen in der
Auch das Pepsin ist im Schleim inaktiv, es hat sein Aktivi- Mukosa. Die protcktiven Mechanismen können geschwächt
tätsmaximum im sauren Milieu. Im Magenschleim wird werden, z.B. durch Durchblutungsstörungen, Schock, ver-
dadurch ein Gradient aufgebaut von pH 6-7 in der Tiefe zögerte Magenentleerung und duodenagastralen Reflux. Die
bis zu pH 1-2 an der Oberfläche. Eine weitere wichtige aggressiven Faktoren werden verstärkt z. B. durch Infektion
Komponente des Magenschleims sind Phospholipidc, die mit Helicobacter pylori, Einnahme von Acetylsalicylsäure
dem Schleim auch hydrophobe Eigenschaften verleihen, sie und von nichtsteroidalen Entziindungshemmem, Alkohol,
werden ebenfalls von den Oberflächenepithelzellen sezer- Zigarettenrauchen, Störungen der Regulation der Magen-
niert. saftbildung und auch durch schwere Stressbelastungen.
aggressive Komponenten
~ ~
pH 1-2
Oberflächen-
:..-- s:hleim mit
,' Bikarbonat
''
'''
............... .----..................~-........- ·-·'
: Zellkontakte mit
Zonula occludens
-
c .1. :
Q) '
c
Q)
c :-.·.- Schleimgranula
0
a.
§
~
Q)
·· - --Oberflächen·
.2: epithel
~
Magendrüsen
Im Grund jeder Fovcola entspringen bis zu 7 ca. 1,5 mm
lange Magendrüsen (Abb. 10.43), von denen ca. 15 Millio-
nen beim Menschen existieren. Sie sind dicht gepackt und
verlaufen gcwtmden (v.a. in der Tiefe) bis zur Muscularis
mucosae. Ihr oberster Abschnitt wird als Hals oder Isthmus
bezeichnet. Magendrüsen in Korpus oder Ftmdus enthalten
5 Zelltypen (Abb. 10.44, Tab. 10.5):
Morphologie Sekret
Oberflächenepithel hochprismatisch Magenschleim (MUCSAC), bei 75"/o der Menschen
auch Antigendeterminanten des ABO-
Blutgruppensystems
Nebenzellen • schlank Muzine (v. a. MUC6), die relativ sauer sind,
• oft zwischen Belegzellen "eingezwängt'' Lysozym, HF-Peptid 2
Stammzellen • ähneln zum Teil Nebenzellen
• liegen vereinzelt im Drüsenhals
Belegzellen • groß, eosinophil HCl, Intrinsic-Faktor
• mitochondrienreich
• apikal schlauchförmige Einstülpungen
Hauptzellen • prismatisch Pepsinegene (Vorstufen von eiweißspaltenden
• basal reich entwickeltes raues ER (Basophilie) Enzymen), saure Lipasen
• apikal gelegene Sekretionsgranula
endokrine Zellen • basal gelegene Sekretionsgranula Peptidhormone, Serotonin, Histamin
-- • Hauptzelle
L
u
)
m
e
n
Na•
K+
H+
HC03- HcÜ3-
Cl-
Tubulovesikel
intrazelluläre '
•'
Mikrovilli Sekretkapillaren •' Mitochondrien
'' ' ' ~
@ ',, "•
@@ @ Abb. 10.47 Belegzelle und benach-
@ @ barte Nebenzellen in einer Fundus-
\i>0 •
drüse (Schema). Sekretkapillaren sind
tiefe Einstülpungen der apikalen Zell-
membran. Aktive Sekretkapillaren
~ (links) enthalten viele Mikrovilli und
wenige Tubulovesikel, inaktive Sekret-
kapillaren (rechts) haben eine relativ
glatte Oberfläche und viele Tubulo-
vesikeL Tubulovesikel sind schlauch-
förmige Membranreservestrukturen.
Sie enthalten H•-K•-ATPase in ihrer
Membran und werden bei Zellstimula-
tion in die apikale Zellmembran einge-
baut. Es gibt eine basale HCl-Sekretion
Nebe'nzelle mit zirkadianem Rhythmus (Höhepunkt
nachts) und eine stimulierte Sekretion,
•
Basallamina vegetative z. B. unter dem Stimulus von Geruch
''
Belegzelle Nervenendigung und Geschmack.
10.2 Ru mpfdarm 319
allem der N. vagus (Acetylcholin), H istamin (aus den ECL-
Zcllen, wirkt über den H 2-Rezcptor der Belcg-(und Haupt-]
Zellen) und Gastrin (aus den endokrinen G-Zellen der Pylo-
rusdrüsen) beteiligt sind. Die 3 Mechanismen sind mit-
einander verknüpft, Acetylcholin tmd Histamin sind ins-
a besondere für die basale Sekretion verantwortlich. Einen
Abb. 10.49 Hauptzellen. hemmenden Einfluss auf die Säuresekretion hat vor allem
das Somatostatin aus den D-Zellen.
Vitamin B,2 im Endabschnitt des Tietuns mithilfe eines eige- Pars pylorica
nen Proteinrczcptors. Nach Magenoperationen muss Vit-
amin B12 injiziert werden, wn eine Anämie zu vermeiden. Die letzten 4-5 cm des Magens, die Pars pylorica, sind mit
einer Schlein1haut ausgekleidet, die durch tiefe Povcolae und
Hauptzellen Die HauptzeHen sind basophile Zellen im gewundene, verzweigte Schleimhautdrüsen gekennzeichnet
unteren Viertel oder Drittel der Magendrüsen (Abb. 10.46). ist. Die Drüsen bilden vor allem Schleime (Abb. 10.51). Die
Es sind typische seröse Drüsenzellen m it gut entwickeltem Zone der Fovcolae kann 2/s bis zur Hälfte der Schlein1haut
basalem rauem ER, großem supranukleärem Golgi-Apparat einnehmen. Außer Schleimen produzieren die kubischen bis
und apikalen Sekretionsgranula (Abb. 10.49). Das Produkt n iedrig prismatischen Drüsenzellen auch Proteine wie Pep-
der Hauptzellen sind eiweißspaltende Pepsine (Proteasen), sin tmd das an tibakterielle Lysozym. Th re Sckretionsgranula
die zunächst als inaktive Pepsinogene sezerniert werden, besitzen ein dichtes Zen trwn und eine locker strukturierte
und saure Lipasen. Acetylcholin, Gastrin und Histamin 2 Peripherie, was auch auf verschiedene Tnhaltsstoftc hin-
stimulieren die Hauptzellen, Somatostatin hemmt sie. Die deutet. Regehnäßig sind in der Schleimhaut Lymphfollikel
Pepsinogene werden im sauren Magenmilieu aktiviert. zu finden. Ein e wichtige endokrine Dr üsenzelle des Epithels
der Pars pylorica ist die G-Zelle, die das Gastr in prod u-
Endokrine Zellen In der gesamten Magenschleimhaut ziert, das an der Stim ulation der Belegzellen beteiligt ist
kommen recht zahlreich endokrine ZeHen vor. Diese Zellen (Abb. 10.50).
tmterscheiden sich auch morphologisch tmd b ilden im Ma-
gen verschiedene Hormone, z. B. Somatostatin, Serotonin, Merke Die innere Oberfläche des gesamten Magens wird
Histamin, Gastrin, pankreatisches Polypeptid tmd an dere von Schleim produzierendem Oberflächenepith el ge-
Peptide. bildet. Das gleiche Epithel kleidet die Magengrübchen
(Foveolae gastricae) aus. Die Tiefe der Magengrübchen
unterscheidet sich in Kardia, Korpus/Fundus tmd Pars
Magensaftsekretion pylorica. Sie beträgt in der Kardia gut •h. in Korpus/Fun-
Die Sekretion des Magensaftes wird sehr komplex gesteuert. dus •ls - •/4 und in der Pars pylorica •ls- •12 der Schleim-
Es gibt verschiedene stimulierende und hemmende Mecha- hautdicke. Alle Drüsen des Magens enthalten endokrine
nismen. Man unterscheidet bei der stim ulierten Sekretion Zellen und Stanunzcllen.
eine zephale, eine gastrische und eine intestinale Phase der Das Epithel der Kardiadrüsen ist aus Schleim bildenden
Magensaftsekrction. Von besonderem klinischem Interesse Zellen aufgebaut. In der Wand der Drüsen des Korpus/
ist die Steuerung der Säuresekretion (Abb. 10.50), an der vor Fundus kommen Nebenzellen (Schleimbildung), Beleg-
, Belegzelle
'
Histamin-
Gastrin- , ' H:z-Rezeptor
Rezeptor ··
Acetytcholin-
Rezeptor
N. vagus •• ~~~=~ ·-Histamin
Gastrin --
Somatostatin•
(aus [).Zelle)
O.Z.tle·· ECL.z.lle
gastrinfrel- / Abb. 10.51 Mukosa der Pars pylorica. Die tiefen Foveolae
setzendes post. postganglonärer
Peptid -synaptisches ehelinergar gastricae (1) nehmen ca. die Hälfte der Höhe der Mukosa
Neuron (muskarinischer) ein. Die geknäuelten, verzweigten tu bulösen Drüsen (2)
Nerv
N.vagus ·-E==~ bilden vor allem Schleime und enthalten viele endokrine
Zellen, darunter die Gastrin bildenden Zellen. In der Schleim-
Abb. 10.50 Steuerung der Säuresekretion. ECL = entero- haut der Pars pylorica treten relativ häufig Lymphfollikel (3)
chromaffinähnlich. auf. Magen, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 100-fach. (Aus (1])
3 20 10 Verdauungsorgane
10.2.4 Dünndarm
Der Dünndarm ist beim Erwachsenen ca. 3-4m lang und
hat insbesondere die Funktion der Nährstoffverdauung und
-resorption. Diese Funktion wird wesentlich durch die Se-
krete von Pankreas und Leber unterstützt, die mit dem
D iinndarm über Gangsysteme vcrbtmden sind. Die Funk- Abb. 10.52 Wandschichten des Duodenums im Längs-
tion des Dünndarms wird durch das Nervensystem und eine schnitt. 1 Mukosa mit Zotten (außen) und Krypten (innen),
riesige Zahl verschiedener epithelialer endokriner Zellen 2 Submukosa, die auch den Kern der Kerckring-Falten (K)
unterstützt. Zählt man alle endokrinen Zellen des Dünn- bildet, 3 Muskularis mit Ring - (innen, auf dem Längsschnitt
darms zusammen, so ist er das größte endokrine Organ des quer getroffen) und Längsmuskulatur (außen, auf dem Schnitt
Körpers.
Der Dlinndarm wird in 3 nicht scharf voneinander ge-
längs geschnitten), 4 Serosa,*
Färbung: H. E.; Vergr. 15-fach.
Brunner-Drüsen. Mensch;
Zotten
Aufbau
Die Zotten (Abb. 10.53, Abb. 10.55) sind ca. 0,5-1 mm hohe
und 0,15 mm dicke finger-, zungen- oder blattförmige Ge-
bilde, die von einem einschichtigen prismatischen Ober-
flächenepithel bedeckt sind. Dieses ist kontinuierlich mit
dem einschichtigen prismatischen Epithel verblmden, das
die Krypten auskleidet. An den Spitzen der Zotten findet
sich die Extrusionszone, eine schmale Purche, in deren Be-
reich die Epithelzellen am Ende ih res Lebenszyklus abge-
Abb. 10.54 Mlkrov1lll in einer EM-Aufnahme. Der Bürsten- stoßen werden. Die Lamina propria besteh t aus lockerem
saum der Darmepithelzellen (Enterozyten) besteht aus ein- Bindegewebe, in das eingebettet sind:
zelnen gleichartig geformten Mikrovilli (1), die die apikale • kleine Blutgefäße (Abtransport resorbierter Aminosäuren
resorbierende Zelloberfläche enorm vergrößern. Die Membran und Kohlenhydrate) und Lymphgefäße (Abtransport re-
*).
der Mikrovilli trägt eine gut entwickelte Glykokalyx ( sorbierter Fette),
Der Glykokalyx lagert sich Schleim aus den Becherzellen an, • glatte Muskelzellen (verlaufen parallel zur Längsachse
sodass die Mikrovilli insgesamt von einer glykoprotein- und der Zotten und können die Zotten verkürzen, "Zotten-
muzinreichen Schicht bedeckt werden, die viel Wasser bin- pumpe"),
det. Im Innern der Mikrovilli parallel ausgerichtete Aktin- • freie Zellen (vor allem Makrophagen, Plasmazellen, Eo-
fi lamente (.,. ), die in das terminale Netz (2) einstrahlen. sinophile, Lymphozyten und Mastzellen). Diese Zellen
Jejunum, Mensch; Vergr. 5800-fach . beteiligen sich an der Abwehr von pathogenen Mikro-
organismen, die mit der Nahrung in den Darm gelangt
sind. Die Plasmazellen bilden sekretorisches IgA.
Becher--- -
zelle
subepitheliales--
Kapillarnetz
L__-~-
,
-----glatte
Muskelzelle
---Lymphozyt
- --- Eosinophiler
0
® G -- -- -- Mastzelle
•
__. . ..... -------"'"" --Mitose
•
• Abb. 10.55 Dünndarmzotten (Schema).
Sie en thalten Blut- und Lymphgefaße
Zotten-
' •'
(links dargestellt), glatte Muskelzellen,
arterie :
• Fibrozyten und freie Bindegewebszellen
MuscUaris mucosae
(rechts). In den Krypten liegen die Stamm-
vene
zellen des Zottenepithels (Mitosen!).
c
Abb. 10.58 Resorbierende
Saumzellen.
Endopeptidasen: - - - , Disaccharide
Elastase (lactlse, Saccharose)
Chymotrypsin •• ~ StArke
Trypsin \ <I L• «Xa xJ tJ/ .. ,__ ___,
a:ICIIZICII:d::a~- Exopeptidasen.: I . ~~ ~
Oligopeptide - ----
•
Carboxypeptidasen
AundB
, - - Amino- und Dipeptidasen '
••
Galactose
Glucose'•,
C.X:X::X::C0 _. •• -- OUgosaccharide
,~:
~""· ...
• ----
r
Oligo- und
Disaccharidasen
Frucbse
' ' '
'~ n/1. <v
Na.) l ~ 0 0
V ymv ·,
Arnino-
::--• :::1::.1
siluren-'
lnniport-
lysleme b
a
Abb. 10.59 Verdauung und Resorption von Proteinen und Kohlenhydr.~ten. a: Proteinverdauung und -resorption. Protein
ist in der Nahrung in Form von Polypeptiden vorhanden. Die Proteinverdauung beginnt mit dem Pepsin im Magen und wi rd im
Dünndarm durch pankreatische Peptidasen ( eiweißspaltende Enzyme) fortgesetzt. Unter den Peptidasen werden Endo- und
Exopeptidasen unterschieden. Es entstehen Oligopeptide, die durch Bürstensaumenzyme, Aminopeptidasen, Dipeptidasen und
Oligopeptidasen weiter zerlegt werden. Die entstehenden Aminosäuren, aber auch Di- und Tripeptide, werden mit verschiede-
nen Carrierproteinen im Symport mit Na• (Aminosäuren) und W (Di- und Tripeptide) in die Zelle transportiert. Tripeptide wer-
den intrazellulär weiter abgebaut. Verschiedene Transportsysteme exportieren die Aminosäuren, die dan n ins Blut übertreten.
b: Resorption von Kohlenhydraten. Stärke, Glucose, Saccharose, Lactose und Maltose sind die wichtigsten Kohlenhydrate der
Nahrung. Stärke besteht aus Amylose, einem Glucosepolymer, und Amylopectin, einem hochmolekularen pftanzlichen Poly-
saccharid. Saccharose (• Sucrose) ist ein Glucose-Fructose-Disaccharid, Maltose ein Glucosedimer, Lactose ist ein Disaccharid
aus Glucose und Galactose. Der Stärkeabbau beginnt mit der ...-Amylase im Speichel und wird durch die Pankreasamylase fort-
gesetzt. Andere Zucker werden von Oligosaccharidasen (Sucrase, Laktase, lsomaltase) im Bürstensaum der Enterozyten gespal-
ten. Glucose wird aktiv im Symport mit Na' mithilfe des SGLT 1 (Natrium-Glucose-Transporter 1) resorbiert, Galactose benutzt
den gleichen Carrier und konkurriert um ihn mit Glucose. Fructose wird durch das Transportprotein GLUT-5 in die Enterozyten
transportiert. GLUT-2 schafft die Monosaccharide wieder aus der Zelle heraus, sodass sie ins Blut übertreten können.
tiv sein. Das ganze Spektrum ihrer physiologischen Punktio- (Abb. 10.62) und unreife Epithclzcllen. Die meisten endo-
nen ist noch unbekannt. Sie gehen nach gut 20 Tagen per krinen Drüsenzellen verbleiben in den Krypten. Die meisten
Apoptose zugrunde und werden wahrscheinlich von Nach- neu gebildeten Epithelzellen wandern aber auf der Basal-
barzcllen phagozytiert. lamina aus den Krypten auf die Zotten und hier bis zur
Zottenspitze. Über den "Moto r" der Zellbewegung ist noch
nicht viel bekannt. Vermutlich spielen tmterschiedliche Ak-
Epithelregeneration tivitätsphascn von Intcgrincn und auch tmterschiedliche
Das Zottenepithel erneuert sich in 3 - 5 Tagen komplett. En- Laminine eine Rolle. Die ntittels Apoptose absterbenden
terozyten, Becherzellen, Paneth-Zcllen tmd auch die min- Zellen (Abb. 1057) werden an den Zottenspitzen ausgesto-
destens 15 endokrinen Zelltypen regenerieren sich im Kryp- ßen, ohne dass Lücken im Epithel auftreten. Vermutlich
tenepithel aus multipotenten Stammzcllen. Die teilen sich wird auch ein Teil der apoptotischen Zellen von Makropha-
ztmächst langsam und bilden dann Vorläuferzcllen, die sich gen der Zottenspitze abgebaut.
rasch (alle 2 Stunden) teilen. Oie Neubildung der intesti-
nalen Epithelzellen ist unter dem Einfluss verschiedener
Signalwege (z.B. BWnt, Notch und EpH) sehr differenziert,
Duodenum
z.B. wandern Enterozyten und Becherzellen rasch zur Zot- Charakteristika Das Duodenum ist der erste, ca. 15 cm
tenspitze und gehen hier nach 3- 5 Tagen zugrunde, wohin- lange Abschnitt des Diinndarms. Er hat die höchsten und
gegen die Paneth-Zcllen ganz in die Tiefe der Krypten wan- am dichtesten stehenden Kerckring-Paltcn (sie fehlen aber
dern und hier erst nach ca. 20 Tagen ersetzt werden. Man in den ersten 3-4 an dieses Darmabschnitts), und auch die
findet daher in den Krypten regelmäßig Mitosefiguren besonders dicht stehenden Zotten sind hier am höchsten
10.2 Rumpfdarm 325
i--------- ----,
: Darmlumen :
·- - - - - - - - - - - - - J
-- • ~. Mizellen
• ' ., •\
~'·
'. 5'
\
' •
Abb. 10.61 Dünndarmzotten im Querschnitt Die PAS-
Färbung stellt den supranu kleären Schleim (~) in den
' ' '
Abb. 10.62 Dünndarmkrypten (1). Kryptenlumen; *
2 Paneth-Körnerzellen (mit supranukteären rot gefarbten
"'
Becherzellen sowie den SchLeimfilm auf der Oberfläche des Granula; 3 Becherzellen; ~ Mitosefigur, 4 Lamina propria
Darmepithels (1) rotviolett dar. 2 Zentrum der Zotten; mit vielen freien Zellen; ... Plasmazelle (Radspeichenkem);
3 Darmlumen. Duodenum, Mensch; Vergr. 250-fach. 5 Muscularis mucosae. Jejunum, Mensch; Plastikschnitt
Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach.
3 26 10 Verdauungsorga ne
. --
Abb. 10.63 Brunner-Drüsen (*) in der Submukosa des
Duodenums. 1 Krypten der Mukosa; 2 Muscularis mucosae;
3 Tunica muscularis. Rhesusaffe; Färbung: H. E.;
Vergr. 150-fach.
(Abb. 10.53). Falten und Zotten nehmen dann an Menge Abb. 10.64 Mukosa des Jejunu rns. Die Schleimhaut bildet
und Höhe kontinuierlich in Richtung Jejunum/Ileum ab. finger- oder blattförmige Zotten (1) aus, die in das Darm-
Gegenläufig werden die Krypten vom Duodenum zum Lumen vorspringen, und ist außerdem durch tubuläre Krypten
Ileum tiefer. Die Schleimhaut ist eine typische Dünndarm- (2) gekennzeichnet Das Zottenepithel besteht aus resorbie-
schleimhaut. Endokrine Zellen sind besonders zahlreich. renden Saumzellen (Enterozyten) und Becherzellen. In der
Tiefe des Kryptenepithels kommen Paneth-Kömerzellen (rote
Brunner- Drüsen Die Brunner-Drüsen sind ein spezi- apikale Gran ula) vor. Im lockeren Bindegewebe der Lamina
fisches Kennzeichen des Duodenums des Menschen. Die propria sind zahlreiche freie Zellen, glatte Muskelzellen und
Drüsen liegen in der Submukosa und bilden kleine Pakete verschiedene Gefäßanschnitte zu unterscheiden. Mensch;
ohne typischen Ausführungsgang. Sie crstrecken sich bis Färbung: H. E.; Vergr. 110-fach.
zur Flcxura duodenojejunalis und fehlen in den folgenden
Dünndannabschnitten. Sie bestehen aus gewundenen tmd
verzweigten Tubuli, deren Wand aus einem einschichtigen
kubischen bis prismatischen sekretorischen Epithel auf- Jejunum
gebaut ist (Abb. 10.63). Die im H.E.-Präparat hellen Drü-
Das Jejtmum (Abb. 10.64) ist der längste Dünndarmab-
senepithelzellen bilden ein alkalisches bicarbonat- und
schnitt und leistet den wesentlichen Anteil bei der Resorp-
schleirnhaltiges Sekret, das den sauren Magensaft neutra-
tion der Nahnmgsbestandteile. Brunner-Drüsen tmd Peyer-
lisiert tmd die Duodenumschleimhaut schützt. Zellhöhe,
Zellstruktur tmd Kernmorphologie varüeren in Abhängig- Plaques fehlen. In der Mukosa finden sich aber regelmäßig
lymphatische EinzelfollikeL Zwischen Jcjtmum tmd Ileum
keit vom jeweiligen Ftmktionszustand: In hohen sekret-
besteht eine lange Übergangszone ohne scharfe Grenze.
reichen Zellen sind z. B. die Kerne abgeflacht (Abb. 3.1.33),
während sie in Zellen, die wenig Sekret enthalten, eher flach
oval oder kugelig sind. Die Feinstruktur unterscheidet sich Ileum, Peyer-Plaques
deutlich von der der Becherzellen. Das raue ER ist umfang-
reich. Der Golgi-Apparat ist ausgedehnt, tmd die Sekret- Charakteristika Das Ileum ist der terminale Diinndarm-
granula sind von mittlerer Dichte. Als weiteres Sekret bil- abschnitt. Es enthält speziell in seinen Endabschnitten nur
den sie einen Wachstumsfaktor. Dieser erfüllt ollensichtlich noch wenige tmd niedrige Kerckring-Falten und relativ
eine ganze Reihe von Punktionen und beeinflusst u.a. kurze und locker angeordnete Zotten. Sein besonderes
wahrscheinlich die Proliferationsrate in den Lieberkühn- Kennzeichen sind die Pcyer-Plaques.
Krypten.
Peyer-Plaques Peyer-Plaques (Peyer-Platten, Folliculi
lymphatici aggrcgati, Abb. 10.65) sind 2-5 (bis 20) cm
lange tmd ca. 1 cm breite Erhebungen der Schleimhaut, die
10.2 Rumpfdarm 3 27
3 •
~ 1
2
j
a b
Abb. 10.65 Ileum, Längsschnitt mit Folliculi aggregati in einer Peyer-Plaque (in der Mukosa). a: Niedrige Vergrößerung mit
mehreren lymphfollikeln (1) und parafollikulärem lymphatischem Gewebe (2), beide nehmen weite Bereiche der Lamina prop-
ria ein. 3 normale Dünndarmzotten; -+ abgeflachte Zotten mit Follikeln und kuppelförmig vorgewölbtem Gewebe der Lamina
propria (Dom); 4 Tela submucosa; 5 Tunica muscularis. Schwein; Vergr. 25-fach. b: Stärkere Vergrößerung von Domepithel (1)
und subepithelialem Gewebe der Laminapropria im Dombereich (2). Im Domepithel sind die Epithelzellen (-+), darunter
viele M-Zellen, am blassen länglichen Kern gut von den zahlreichen intraepithelialen Lymphozyten zu unterscheiden, die in
Taschen der M-Zellen sitzen und einen rundlichen dunklen Kern( .... ) besitzen. Schwein; Färbung: H. E.; Vergr. 460-fach.
in reichem Maße lymphatisches Gewebe enthalten (s. a. reicht nur selten bis in die Submukosa. Die Muscularis
Kap. 6). In der Kindheit ist die Zahl der Plaques deutlich mucosae ist hier stark aufgelockert, und Krypten sind selten.
größer (ca. 300) als im Erwachsenenalter (ca. 40). Sie liegen Eine Plaque besteht aus ca. 300 zusammengelagerten ("ag-
gegenüber der Ansatzstelle des Mesenterimns. Das lympha- gregierten") Lymphfollikeln (B-Zcll-Rcgionen) und para-
tische Gewebe der Peyer-Plaques liegt in der Mukosa und follikulären Zonen (I-Zell-Regionen) (Kap. 6.3.2). Der Teil
3 28 10 Verdauu ngsorga ne
des Pollikelrandwalls, der zum Darmlumen zeigt, ist ver- Kindern: Zöliakie) z. B. ist die Resorption aller Nahrungs-
dickt (Kappe). Oberhalb eines Follikels wölbt sich lympho- bestandteile gestört. Die Ursache dieser Krankheit ist nicht
zytenreiches Gewebe der Laminapropria kuppelförmigvor, bekannt, aber genetische ttnd immtmologische Faktoren
der sog. Dom (Abb. 10.66), das vom Darmepithel, hier sowie Unverträglichkeit von Nahrungsbestandteilen sind
Domepithel genannt, boocckt wird. Im Domepithel kom- wichtig. Die Dünndarmschleimhaut reagiert abnorm auf
men M-Zellen (Abb. 10.6Sb, Abb. 6.42) vor, Becherzellen Gliadin, die alkoh ollösliche Prc!ktion des Proteins Gluten,
hier hingegen kaum. Dom und Domepithel lassen sich als das in Weizen, Gerste, Reis und in geringerem Maß auch in
Domareal zusammenfassen. Die M-Zellen nehmen über ei- Hafer vorkommt. Es findet sich u. a. eine Rückbildung der
nen vesikulären Transport Antigene aus dem Darmlumen DünndarJUZOtten. Symptome sind sehr vielgestaltig und mit
auf und schleusen sie durch die Zellen hindurch. Die Ent- der Malabsorption von Nährstoffen korreliert, z.B. Diar-
wicklung dieser Zellen geht wahrscheinlich auf Interleu- rhö (Durchfall), Steatorrhö (Fettstuhl), Gewichtsverlust, An-
kine der B-Lymphozyten zurück. In großen basolateralen ämie und Knochenschmerzen bzw. b ei Kindern Wachstums-
Taschen enthalten sieB- und I -Lymphozyten (Abb. 6.44). störungen (Vitamin-D-Mangel!).
Unter dem Domepithel kommen neben vielen B- und I- Weltweit fallen jährlich ca. 5 Millionen Menschen, über-
Lymphozyten antigenpräsentierende dendritische Zellen wiegend Kinder, infektiösen Darmerkrankungen mit Diar-
und Makrophagen vor. Selten treten - meist kleinere- Pey- rhö zum Opfer. Etwa 1 Milliarde Menschen erkranken jähr-
er-Plaques auch im Jejunum und sogar im Duodenrun auf. lich an solchen Krankheiten, die von Salmonellen, Vibrio
cholerae, E. coli, Shigellen, Entamoeba, Giardia u. a. ver-
Merke Der Dün ndarm gliedert sich in 3 Abschnitte: ursacht werden. Das Choleratoxin, das von Vibrio cholerae
Duodenum, Jejun um und Ileum. Alle Abschnitte besitzen gebildet wird, stimuliert nach Bindung an die Membran der
eine Schleimhaut mit Zotten und Krypten. Die Zotten Mikrovilli der Enterozyten anhaltend die Adenylatcyclase im
sind von einschichtigem prismatischem Epithel bedeckt. Zytoplasma, WelS ztun Anstieg des zyklischen AMP (cAMP)
In diesem Epithel kommen resorbierende Zellen mit ei- in den Dannepithelzellen rührt. cAMP fördert die Chlorid-
nem Bürstensaum und Schleim bildende Becherzellen sekretion und mindert die Natriumresorption, was zu massi-
vor. In den Krypten findet die Epithclerneuenmg statt. vem ( ttnbehandelt oft tödlichem) Flüssigkeitsverlust führen
Außerdem befinden sich hier Paneth-Zellen, die antimik- kann.
robielle Substanzen bilden. Bei der bakteriellen Nahrungsmittelvergiftung verur-
Duodenum: hufeisenförmiges Anfangsstück des Dünn- sachen bakterielle Toxine in den Nahmngsmittcln übelkeit,
darms, nur ca. 15 cm lang; hohe Kerckring-Palten, dichter Erbrechen, DtLrchfall, Abdominalkrämpfe u. a. Enterotoxl-
Besatz mit Darmzotten, Brurmer-Drüsen in der Sub- ne von Staphylococcus aureus können in 1- 6 Stunden ent-
mukosa; gemeinsame Einmiindung von Gallen- tmd Pan- sprechende Symptome venLrsachen, die dann meist weniger
kreasgang. als 12 Stunden andauern. Staphylococws-aureus-Vergiftun-
Jejunum: Hauptabschnitt des Dünndarms; keine Bnm- gen können vor allem in Gemeinschaftski.ichen, Restaurants
ner-Drüsen; anfänglich hohe Kerckring-Palten und dicht usw. auftreten. Ursachen sind oft durch Personal kontami-
stehende Darmzotten; ab der Mitte des Jejunwns werden nierte Kartoffel- oder Eiersalate, Mayonnaise u. v. a.
die Kerckring-Falten langsam niedriger, und die Zotten
stehen etwas lockerer; verei nzcl t solitäre lymphatische 10.2.5 Dickdarm
Follikel.
Ileum: distaler Teil des Dünndarms; Kerckring-Falten, Hauptfttnktionen des Dickdarms (Kolon) sind die Weiter-
niedrig und durch weite Abstände getrennt; Zotten relativ leittmg des eingedickten Darminhalts (Faeces) ttnd dessen
niedrig tmd locker angeordnet; Peyer-Plaques: in der zeitweise Speicherung sowie die Resorption von NaCl ttnd
Schleimhaut gelegene große Aggregate von Lymphfol- '~Nasser. Kalitllll kann sezerniert ttnd rcabsorbiert werden.
likcln gegen über dem Mesenterialansatz. Der größte Teil des Wassers im Darmlumen (ca 7 - 81) wird
schon im Dünndarm resorbiert. Im Dickdarm selbst wird
täglich ca. 11 Wasser rcabsorbiert. Die Resorption von Na+
Klinik Von den vielen Krankheitsbildern des Dünndarms ttnd die Sekretion von K+ werden von Aldosteron kontrol-
seien die Folgenden kttrZ dargestellt: liert. Die Wciterleittmg der Pacces wird durch Absondenmg
Bei 6 -15~ der westlichen Bevölkerung entsteht im Bul- einer dicken Schleimschicht auf der Oberfläche der Mukosa
btts duodeni ein schmerzhafter blutender Gewebedefekt, der erleichtert.
bis in die Subktunosa reicht: ein Ulcus duodeni. Es kann Der ca 0,8 -1 m lange Dickdarm besitzt folgende Ab-
multipel auftreten ttnd rezidiviert oft. Der Defekt ist meist schnitte:
kleiner als 1 cm und meist scharf begrenzt. Die Ursache ist • Zäkwn mit Appendix vermiformis
nicht immer definitiv zu klären, joooch gibt es Korrelatio- • Kolon (mit Colon ascendens, Colon Iransversrun und
nen zur Existenz des Magenbakteritlllls Helicobacter pylor~ Colon descendens)
zu verminderter Bicarbonatsekretion, zu erhöhter Säure- • Sigma (Colon sigmoidetllll)
bildung bei Tag ttnd bei Nacht (die Zahl der Belegzellen • Rekttllll
soll auf ca. das Doppelte erhöht sein [von ca. 1 Milliarde auf • Analkanal.
ca. 1,9 Milliarden)), zu erhöhter Gastrinbildung, zu Medi-
kamenteneinnahme (vor allem von nichtsteroidalen Ent-
zündungshemmern) und zu weiteren Parametern.
Wandaufbau des Dickdanns
Es gibt eine Reihe von Krankheiten, bei denen die Resorp- Im gesamten Dickdarm kommen auf der Mukosa keine Zot-
tion (englisch: absorption) eines oder mehrerer Nahrungs- ten vor. An der relativ glatten Oberfläche der Schleimhaut
bestandteile gestört ist (Malabsorptionssyndrome). Beim münden dicht gestellte, tiefe tubuläre Krypten (Drüsen), die
Krankheitsbild der glutensensitiven Euterapathie (bei bis zur Muscttlaris mucosae hinabziehen (Abb. 10.67). Das
10.2 Rumpfdarm 329
c
Abb. 10.68 Nachweis
saurer Muzine.
c
Abb. 10.69 Epithel einer
Abb. 10.67 Schleimhaut des Kolons. Im Kolon fehlen Kolonkrypte.
Zotten, die Schleimhaut enthält nur einfache tubulöse
Drüsen (Krypten, 1) mit zahlreichen Becherzellen und mito-
chondrienreichen (Flüssigkeitsresorption) Enterozyten. Die
keine abbauenden Enzyme besitzt. Sie sind außerdem in der
Krypten sind vielfach tangential angeschnitten, sodass ihr
Lage, Vitamin K zu bilden. Pro ml Stuhl kommen 1011 -1012
Lumen nur teilweise zu sehen ist. 2 Muscularis mucosae.
Bakterien vor.
Mensch; Plastikschnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach.
(Aus (1])
Klinik Zu den häufigen Darmkrankheiten zählt das Syn-
drom des irritablen Kolons, das vor allem dttrch Leib-
schmerzen und veränderte Stuhlgewohnheiten (Ver-
Oberflächen- und Kryptenepithel enthält hochprismatische stopftmg, Durchfcille oder abwechselnd Verstopftmg tmd
resorbierende Zellen tmd viele Becherzellen. Die Becher- Durchfälle, Abgang von Schleimen) gekennzeichnet ist. Da
zellen sind in den Krypten besonders zahlreich, im Ober- keine morphologischen, biochemischen oder infektiösen
flächenepithel dagegen deutlich seltener (Abb. 10.68). Die Ursachen zu finden sind, werden die Schmerzen und Be-
resorbierenden Zellen tragen viele recht lange Mikrovilli schwerden als funktionell bezeichnet. Es scheint eine ge-
und sind auffallend mitochondrienreich (Abb. 10.69). Ihre störte motorische und sensorische Punktion vorzuliegen.
wesentliche Funktion ist die Rcabsorption von Wasser. Kolonkarzinome gehören zu den häufigen bösartigen
Durch diese Eigenschaft können in den Dickdarm einge- Tumoren des Menschen und treten meist nach dem 50. Le-
brachtes Wasser und über Suppositorien applizierte Medi- bensjahr auf. Es gibt offensichtlich genetische und ernäh-
kamente von der Schleimhaut des Rektums reabsorbiert rungsbedingte Ursachen.
werden. Die resorbierenden Epithelzellen besitzen apikal Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch rezidivierende ent-
kleine sekretorische Granula, die Muzine enthalten. Im ziindliche Krankheit der Schleimhaut des Kolons. Sie be-
Kryptenepithel sind auch viele enteroendokrine Zellen zu ginnt meist im Rektum und breitet sich evtl. kontinuierlich
finden; Paneth-Zcllen fehlen. Die Lamina propria enthält in die oral gelegenen Kolonabschnitte aus. Typische Sym-
zahlreiche Makrophagen, Plasmazellen, Eosinophile, Lym- ptome sind blutig-schleimige Durchfalle. Auch außerhalb
phozyten und Mastzellen (die Eosinophilen sind bei Wurm- des Danns können Entziindungen auftreten, z.B. in Gelen-
erkrankungen stark vermehrt). Zellerneuerung findet in der ken, in den Gallenwegen oder an den Augen. Nach langjähri-
Tiefe der Krypten statt (Abb. 2.83). gem Verlaufkann sich, bedingt durch die chronische Ent-
In der Submukosa sind rcgelmäBig Pettzellen zu finden. ziindung der Kolonschleimhaut, ein Kolonkarzinom ent-
Die Muskularis besitzt eine kräftige geschlossene Ringmus- wickeln. Die Ursache der Erkrankung ist nicht bekannt, aber
kulatur, wohingegen die Längsmuskulatur drei kräftige Bün- genetische, immtmologische tmd Umweltfaktoren spielen
del (Tänien) bildet. Zwischen den Tänien ist die Längsmus- eine Rolle.
kulatur nur schwach oder gar nicht ausgebildet. Im Colon Nicht selten sind verschiedene Divertikelbildungen. Eine
transversum besitzt diese Muskulatur einen Schrittmacher. häufige Form der Divertikel im Kolon besteht aus Aussa-
Typische Strukturen des Kolons sind quergestellte Falten ckungen der Mukosa durch die Muskularis, die sich entzün-
(Plicae semilunares, können verstreichen), die halbkreis- den können (Divertikulitis).
fOrmig in das Darmlumen vorspringen und an deren Bil-
dung sich die Muskularis beteiligt. Die Ausbuchttmgen
Appendix vermiformis
zwischen 2 Palten heißen Haustren. Es können auch transi-
torisch Falten auftreten, an deren Bildung sich nur Mukosa Die Appendix vennifonnis (Wurmfortsatz) ist Anhang des
und Submukosa beteiligen. In der Serosa können größere Zäklllns und somit Teil des Dickdarms. Der Schleimhaut
Mengen an Fettzellen auftreten, die säckchenförmige Aus- fehlen Zotten. In der Schleimhaut ist in reichem Maße lym-
stülpungen bilden (App endices epiploicae). phatisches Gewebe mit Lyrnphfollikeln und parafollikulärem
Der eingedickte Speisebrei des Kolons enthält eine phy- Gewebe eingelagert (Abb. 10.70). Die Krypten der Schleim-
siologische, zumeist anaerobe bakterielle Dannflora (Bac- haut sind im Bereich der Lymphfollikcl oft verdrängt. Auch
teroides, Bi.fidus), auf deren Tätigkeit Fäulnis, Gärung und die Muscularis mucosae fehlt abschnittsweise. Im Oberflä-
Gasbildtmg im Lwnen des Dickdanns zurückgehen. Die chen- und Kryptenepithel kommen Becherzellen und mikro-
Bakterien können Cellulose abbauen, für die der Mensch villibesetzte resorbierende Zellen sowie auch M -Zellen vor.
330 10 Verdauu ngsorgane
Analkanal
Im Analkanal (Canalis analis) geht die Kolonschleimhaut
des Rektums in die Epidermis der Haut über (Abb. 10.71,
Abb. 10.72). Es lassen sich von proximal nach distal mehre-
re Epithelzonen unterscheiden, deren Bezeichnungen aber
nicht einheitlich gehandhabt werden:
• Zona colorectalliJ: Die kolarektale Zone enthält Kolon-
schleimhaut mit recht kurzen und unregelmäßig struktu-
rierten Krypten. Sie endet mit der Linea supratransitiona-
lis, die die Grenze ZLLT folgenden Zone markiert.
• Zona transitionalis (=proximale Übergangszone): Hier
kommen in variabler Anordmmg verschiedene Epithel-
typen vor (einschichtig prismatisch, zweischichtig pris-
matisch u. ä.). Hier finden sich typische längs verlaufende
Schleimhautwülste, die Columnae anales (s.u.). Der dis-
tale Rand dieser Zone bildet die Linea dentata (= Linea
pectinata).
• Zona squamosa (= distale Übergangszone = Zona alba):
wird von unverhorntem Plattenepithel bedeckt. Diese
Zone ist besonders reich sensibel innerviert.
• Zone der Analliaut (= Zona cutanea): Diese Zona besitzt
stark pigmentiertes, verhorntes PlattenepitheL Hier kom-
men apokrine Duftdrüsen, ekkrine Schweißdrüsen und
nach ca. 1 crn auch Haare vor. Die Grenze ZLLT vorherge-
henden Zone ist durch die (unscharfe) Linea anocutanea
gekennzeichnet.
Analdrüse
(Proktodealdrüse)
,'
,•'
,,
).~·
.---
c
Abb. 10.72 Analkanal.
Klinik Der Analkanal ist Sitz vieler Krankheiten. Beispiels- Merke Die Schleimhaut des Dickdarms bildet keine Zot-
weise kann er vorfallen (analer Prolaps), die Kontinenz ten, sondern nur dicht stehende tubuläre Einsenkungen,
kann gestört sein, es gibt Abszesse, Pistein tmd Fissuren. Die die Krypten. Das Epithel der Oberfläche und der Krypten
Columnae anales enthalten die beschriebenen arteriell ge- besteht aus Schleim bildenden Becherzellen, resorbieren-
speisten Gefäßknäuel, die innerhalb des Schließmuskels lie- den Zellen (resorbieren Wasser und andere Stoffe) und
gen und der Peinregulierung für den Analverschluss dienen. endokrinen Zellen. Die Lamina propria ist besonders
Unter einem Hämorrhoidalleiden werden vergrößerte oder reich an freien Zellen, z. B. Plasmazellen, Lymphozyten,
tiefer getretene Colwnnae anales verstanden, die Beschwer- Makrophagen und Eosinophilen. Die Muskularis besteht
den verursachen. Ursachen sind meist ein zu hoher Druck aus einer kräftigen Ringmuskulatur und drei Bündeln
im Analkanal tmd/oder Bindegewebsschwächen im Alter. (Tänien) von Längsmuskulatur.
Begünstigend wirken eine sitzende Lebensweise, Adipositas
oder starkes Pressen. Es kommt zu hellroten Blutauflagerun-
gen oder stärkeren Bluttmgen bei der Defäkation, auch ztun
Jucken oder Nässen und in schweren Fällen zum Analpro-
laps.
33 2 10 Verdauungsorgane
c
Abb. 10.74 Columnae
anales.
• V. cava lnfarior
Zentralvenenläppchen
V. centralis
Sinusoid. •• - Sinusoid
Ductus Ductus
lnterlobularls ·- • • lnter1obularis
A. inter1obularis --
- V. lntertobularis
V. inter1obularis -.
'
'' A. lntertobularls
Pfortader
Ductus cysticus --
Pankreasgang
Abb. 10.75 Leber, Gefäßversorgung und ••
Gallenwege (Schema). Aus didaktischen
Gründen sind die Strukturen der Leberpforte
(Pfortader, A. hepatica propria und extrahe-
patische Gallengänge) räumlich voneinander
getrennt gezeichnet.
334 10 Verdauungsorgane
Zentralvenenläppchen
Die 3 Gliederungsmöglichkeiten schließen sich nicht aus, Aufbau Die Leber enthält ca. 1- 1,5 Millionen Zenttal-
sondern ergänzen sich, speziell in fLmktioneller Hinsicht. In venenläppchen (= klassische Leberläppchen, Abb. 10.76,
diesem Text wird das Zentralvenenläppchen zugrunde ge- Abb. I0.78a). Ein Läppchen ist ein 0,7-2 mm großer, et-
legt, weil aus morphologischer Sicht besonders gut damit was länglicher Körper mit wenig zugespitzten Enden -bei
ge-arbeitet werden kann. allerdings insgesamt variabler Gestalt. Die Läppchen sind
eng ineinander verschachtelt und beim Menschen nur
Gallengänge
Pfortaderäste
Leberzellplatten
Gallengänge
Leberarterienäste ,
PfCX'Iademst
Pfcxtaderäste
Abb. 10.76 Leber des Menschen, zeichnerische Darstellung. Die Gliederung in Zentralvenenläppchen ist hier deutlicher
dargestellt als oft im histologischen Präparat erkennbar. Generell handelt es sich um etwa sechseckige, eng aneinandergren-
zende Baueinheiten. Diese bestehen aus radiär auf ein zentral gelegenes Gefäß (V. centralis) zustrebenden Platten von Leber-
zellen und den zwischen ihnen verlaufenden sinusoiden Blutkapillaren (Sinusoiden). In den bindegewebigen Zwickeln (den
periportalen Feldern) zwischen den Läppchen finden sich regelmäßig die Anschnitte von Ästen der V. portae (Vv. interlobula-
res), der A. hepatica propria (Aa. interlobulares), der kleinen Gallengänge (Ductuli interlobulares) sowie eines Lymphgefäßes.
Arterie, Vene und Gallengang bilden die ,.Glissen-Trias". Färbung: H. E.; Vergr. 70-fach. (Aus [1])
10.3 Leber und Gallenwege 335
unvollständig durch Bindegewebe voneinander getrennt Vaskuläre Elemente In dem Zwickel, in dem 3 Leber-
(Abb. 10.76), im Gegensatz zu den Läppchen der Schwei- läppchen aneinandergrenzen, ist ein sog. Periportalfeld
neleber (Abb. 10.77). In den histologischen Präparaten sind (Abb. 10.76, Abb. 10.78b, Abb. 10.79) ausgebildet. In die-
die Läppchen unterschiedlich angeschnitten, im Schema sem finden sich Anschnitte der Endverzweigungen der
sind sie sechseckig (Abb. 10.78a). Leberarterie und der Pfortader (A. interlobularis Lmd V. in-
terlobularis, Abb. 10.75). Außerdem kommen im Peripor-
Bestandteile Wesentliche Bestandteile des Zentralvenen- talfeld Anschnitte durch kleine Gallengänge und Lymph-
läppchens sind: gefäße vor. Die beiden Blutgefäße versorgen benachbarte
• Leberepithelzellen (Parenchym) Leberläppchen, indem sie beide vom Periportalfeld aus
• vaskuläre Elemente Seitenäste in den schmalen Raum zwischen 2 aneinander-
• Bindegewebe grenzende Läppchen abgeben (Abb. 10.78b). Von den Sei-
• Gallenkanälchen. tenästen der Blutgefäße gehen zahlreiche terminale Zweige
rechtwinklig ab und treten in ein Läppchen ein (Abb.
Im Läppchen gibt es keine Lymphgefäße, aber der Ursprung 10.78b). Diese Endverzweigungen der Pfortader und der
der Leberlymphe liegt im Disse-Ra um. Leberarterie verschmelzen schon in der Peripherie der
Läppchen, sodass das Läppchen von Mischblut durch-
Parenchym Das klassische Leberläppchen enthält radiär strömt wird, dessen Sauerstoftgehalt in der Läppchen-
angeordnete Platten aus Leberepithelzellen (Hepatozyten), peripherie höher ist als im Läppchenzentrum. In den Läpp-
die die spezifischen Leberfunktionen erfüllen und somit das chen flieHt das Blut in weitlwnigen Kapillaren (Sinusoiden),
Leberparenchym repräsentieren (Abb. 10.78b). Die Platten die im Prinzip radiär und parallel zu den Leberzellbalken
sind eine Zellschicht dick, anastomosieren und bauen kom- auf die im Zentmm liegende Zentralvene zulaufen (Abb.
plexe dreidimensionale Gebilde auf. Jeder Hepatozyt grenzt 10.76, Abb. 10.78b). Die Zentralvene ist morphologisch ein
mit 2 Seiten an die Sinusaide (weitlumige Blutkapillaren), wichtiges, leicht zu erkennendes Merkmal der klassischen
sodass Sinusaide und Leberzellplatten parallel verlaufen. Leberläppchen (Zcntralvenenläppchen). Aus der Zentral-
Über Poren in den Platten können benachbarte Sinusaide vene flicHt das BI ut letztlich zu den 2 oder 3 Lebervenen
kommunizieren. Aus didaktischen Gründen, vor allem, um und in die Lmtere Hohlvene.
die Gallenkanälchen und den Gallefluss einsichtig darzu-
stellen, werden die Leberzellplatten mitunter als doppelte Bindegewebe Das Bindegewebe bildet beim Menschen
Zellreihe gezeichnet. Am Rande eines Läppchens bilden die eine sehr zarte und über weite Strecken unvollständige oder
Hepatozyten eine geschlossene Zellschicht (Grenzplatte = fehlende Begrenzung der Läppchen, ist aber in den Peri-
Lamina hepatica limitans, mit einer Basallarnina), durch die portalfeldem gut ausgebildet. Spärliche Bindegewebsfasern
die zahlreichen Blutgefäße in das Läppchen eindringen. (retikuläre Fasern, v.a. Typ·III· Kollagen) finden sich in
dem schmalen Bindegewebsraum zwischen Leberzellen
und Sinusaiden (Disse-Raum, Abb. 10.78c, Abb.10.80). Im
Perlportalfeld dominiert Kollagen vom Typ I.
• • •••
Blut- Gallen- Leberazinus Portalvenen-
a fluss ftuss mit 3 Zonen läppchen b
••
•
Hering-Kanälchen Leberzellbalken
Portalvenenläppchen
Beim Portalvenenläppchen (Abb. 10.78a) steht das Peripor-
Abb. 10.80 Bindegewebe im Lebertäppchen. Ausschnitt talfeld im Zentrllll1. Dem Periportalfeld gehören Anteile von
mit Darstellung der schwarz gefärbten retikulären Fasern 3 klassischen Läppchen an. Die äußere Grenze ist durch eine
(aus Typ-III-Kollagen) im Disse-Raum, der an die Sinusaide Linie mit 3 Ecken, die jeweils in einer Zentralvene liegen,
(*) grenzt. Ebenfalls schwarz an gefärbt sind granuläre markiert. Ptmktionell steht im Portalvenenläppchen das
Organellen (~ ), vor allem Lysosomen, am Gallepol der Gallengangsystem und somit der exokrine Drüsencharakter
Hepatozyten. Färbung: Silberimprägnation, Kernechtrot; im Vordergrund. Das Konzept der Portalvenenläppchen ist
Vergr. 500-fach. (Aus (1)) nur noch selten gebräuchlich.
338 10 Verdauungsorgane
Periportalfeld Endothel
Rlchtung des l!lit Poren
BluUiusses
Das speziell pathophysiologisch wichtige Perlportalfeld be-
steht aus lockerem Bindegewebe, in das die A. interlobula-
ris tmd V. interlobularis, ein kleiner Gallengang und ein
Lymphgefaß sowie kleine sympathische und parasympathi-
sche Nerven eingebettet sind (Abb. 10.79). Als Variante kön-
nen z. B. zwei Aa. interlobuJares und 2 Gallengänge vorkom-
men:
• Das Bindegewebe des Perlportalfeldes enthält überwie-
gend Kollagen vom Typ I. Preie ZeiJen sind vereinzelt zu
finden, beim Gesunden jedoch keine Granulozyten.
• Die V. interlobularis (ein Ast der Pfortader) ist der bei
weitem größte Gefaßabschnitt im Periportalfeld. Das Lu-
men ist im Präparclt oft dicht mit Erythrozyten gefüllt. Die
Gefaßwand ist dünn, und vereinzelt sind in ihr schrnaJe
glatte Muskelzellen zu erkennen.
• Die A. interlobularis (ein Ast der A. hepatica) ist eine
relativ kleine Arterie oder auch nur eine Arteriole und be-
'' ,
sitzt meistens 2- 3 Schichten glatter Muskelzellen in ihrer ''
Wand. Hepatozyt
Gallencanallculi, '
• Die Lymphgefäße sind nur von dünnem Endothel be- quergeschnitten ''
Erythrozyt
grenzt tmd enthalten keine Erythrozyten. im Slnuaoid
• Die kleinen interlobwären GaUengänge besitzen ein ku-
bisches bis niedrig prismatisches Epithel (Abb. 10.79). Sie Abb. 10.83 Wesentliche Komponenten eines Leber-
haben keine Muskulatnr in ihrer Wand und sind von ei- Läppchens (dreidimensionales Schema). Die Leberzellen
nem Blutkapillarnetz ttmsponnen. grenzen breitflächig an die Wand der Sinusoide, deren Endo-
thel Poren besitzt, was den Stoffaustausch zwischen Blut
Die 3 auffaJligsten Strukturen des Perlportalfeldes - Interlo- und Leberzellen erleichtert. Die Gallencanaliculi bilden ein
bularvene und -arterie sowie interlobulärer Gallengang - durch TightJunctions abgedichtetes feines Röhrensystem
werden als Glisson-Trias bezeichnet (Francis Glisson, zwisc hen 2 Leberzellen, das einem lokal erweiterten Inter-
1597-1677, Arzt in London). zellulärraum en tspricht und das die von den Hepatozyten
sezernierte Galle aufnimmt. ( Modifiziert nach [12])
Merke Zwischen 3 Läppchen befindet sich ein Binde-
gewebsrcltun (Periportalfcld) mit einem kleinen Ast der
Pfortader (V. interlobularis), einem Ast der Leberarterie
(A. interlobularis), einem kleinen Gallengang und einem
Lymphgefaß. Vene, Arterle tmd GaUengang bilden die
Glisson-Trias.
e • ''
• • •
Hepatozyten *,
Die schon erwähnten LebeneUplatten der gesunden Erwach-
senen sind eine Zellschicht dick und bestehen aus den Le- *• *
0 *
berepithelzellen, den Hcpatozyten (Abb. 10.80, Abb. 10.83,
Abb. 10.84). Bei Kleinkindern sind die Zellplatten zum Teil
2 Zellreihen dick. Was im histologischen Schnitt wie ein
' ol
0
... •
Balken aussieht, ist bei Betrachtung der dreidimensionalen
Struktur ein Schnitt durch eine Platte (Abb. 10.83), an die
• •
von beiden Seiten die Sinusaide grenzen .
Abb. 10.84 Schnitt durch die einschichtigen Leberzell-
platten im Lebertäppchen. Leberzellen gren zen i. A. an
Aufbau 2 Seiten an die Sinusaide (* )· Mensch; H. E.-Färbung.
Die polygonaJen Hcpatozyten haben einen Dtuchmesser Vergr. 450-fach.
von ca. 25 J..Ull und sind polar gebaut. Sie besitzen einen
schmaJen Gallepol, der an das Gallenkanälchen grenzt, und
einen breiten Blutpol, der an ein Sinusoid grenzt (Abb.
10.78c). Ihr rundlicher, beiJer Zellkern liegt im Zentrum der sonders große Kerne sind oktoploid (manchmal über 30~
ZeiJe (Abb. 10.85). der Zellen), besonders bei älteren Menschen.
Zellkern Er ist unterschiedlich groß und oft diploid oder Zytoplasma Das Zytoplasma enthält:
tetrclploid. In unterschiedlicher Häufigkeit kommen 2 en- • Stapel des rauen ER, anastomosiert oft mit dem glatten ER
domitotisch entstandene Kerne in einer Zelle vor. Be- • freie Ribosomen
10.3 Leber und Gallenwege 339
zyten tmd Blut findet in beiden Richttmgen statt tmd wird
durch folgende morphologische Gegebenheiten gefOrdert:
• Oberflächenvergrößerung der basolateralen Zellmemb-
ran durch r..iikrovilli
• Fehlen einer Basallamina der Hepatozyten
c • sehr schmaler Bindegewebsraum zwischen Hepatozyten
Abb. 10.85 Hepatozyt. und den Sinusaiden mit nur wenigen retikulären Fasern
• weite Poren im Endothel der Sinusaide (ohne Diaphrag-
men)
• Fehlen einer Basallamina unter dem Endothel
• in unterschiedlicher Menge glattes ER, das dreidimensio-
nale Netzwerke anastomosierender Tubuli bildet Funktionen der Hepatozyten
• zahlreiche längliche oder ovale Mitochondrien (ihre Zahl
Leberzellen leben relativ lange (mindestens ISO Tage) und
beträgt 800- 1000 pro Zelle)
teilen sich nur relativ selten mitotisch. Die Hepatozyten sind
• einen wnfangreichen Golgi·Apparat, der aus bis zu SO
an den meisten Stoffwechselreaktionen beteiligt und haben
Einzelfeldern bestehen kann
wesentliche Ftmktionen fiir die gesamte Homöostase. Leber-
• Lysosomen inkl. Lipofuszingranula, liegen v.a. am Galle-
versagen ist nicht mit dem Leben vereinbar.
pol
• Peroxisomen Entgiftung Die Leberzellen spielen z. B. eine wichtige
• sekretorische Vesikcl Rolle bei der Entgifl.Lmg vieler endo- tmd exogener Sub-
• viele Endozytosevesikel, darunter Vesikcl mit Lipoprotein- stanzen. Dabei führen sie zahlreiche Umwandltmgs- und
komplexen Konjugationsreaktionen durch. Bei der Desaminierung von
• tmterschiedlich große Felder mit a.-Glykogen-Partikeln Aminosäuren entsteht die giftige Substanz Ammoniak, den
• einzelne Lipidtropfen die Hepatozyten zu Harnstoff umwandeln. Dieser ist weni-
• ein gut entwickeltes Zytoskelett. ger toxisch und wird leicht über die Nieren ausgeschieden.
Auch Steroidhormone und Alkohol werden in den Leber-
Die Menge an Glykogen zeigt tageszeitliche Schwankungen zellen metabolisiert. Ebenso werden Drogen (z. B. Heroin)
und hängt auch von der Ernähnmgsweise ab. Glykogen oder bestimmte Medikamente (z. B. Barbiturate) in der
kann auch intranukleär auftreten tmd zeigt sich dann im Lebenelle abgebaut, insbesondere im glatten ER. Dieses ist
H.E.-Präparat in Form von Vakuolen. Solche Kernvakuo- bei chronischem Missbrauch vermehrt.
len sind bei Diabetikern regelmäßig zu finden. Dem lyso-
somalen System sind auch Upofuszingranula (Abb. 10.80, Galleproduktion Galle enthält Gallensäuren, Choleste-
Abb. 10.82) zuzuzählen, die eine bräunliche Eigenfarbe be- rin, Lecithin, Phospholipide, Bilirubin u. a. Ihr wichtigster
sitzen. Sie sind im Gallepol konzentriert. Bestandteil sind die Gallensäuren, die ca. 80% der Trocken-
masse der Galle ausmachen. Primäre Gallensäuren werden
Gallepol Der Gallepol entspricht morphologisch dem von den Leberzellen im glatten ER aus Cholesterin gebildet;
Apex der Leberzelle und ninuut ca. 15% der Zellmembran sekundäre Gallensäuren entstehen aus primären durch bak-
ein. Er trägt r..1ikrovilli und sezerniert die Galle in die extra- terielle Enzyme im Kolon. In der Leber werden täglich ca.
zellulären, ca. 1 f.lm weiten Gallenkanälchen, die sich zwi- SOO mg Gallensäuren gebildet, die entweder mit Taurin
schen benachbarten Lebenellen befinden (Abb. 10.82, Abb. oder Glycin konjugiert werden. ATP-abhängige Transpor-
10.83). In der Membran des Gallepols sind tmgewöhnlich ter (z. B. BSEP = "bile salt export pump") transportieren die
viele transportierende Proteine enthalten, darunter auch konjugierten Gallensäuren durch die apikale Membran.
Aquaporine tmd ATP-abhängige ABC-Transporter (ABC = Gallensäuren fördern u.a. den Gallefluss ('1Nasser folgt os-
ATP-bindende-Cassette), die u. a. Schadstoffe ausscheiden. motisch), bilden Mizellen in der Gallenblase mit Choleste-
Am Gallepol finden sich typische Zellkontakte, die an der rin und Phospholipiden, wod urch die beiden letzgenannten
Begrenztmg der Gallekanälchen beteiligt sind: Zonulae Stoffe löslich werden, und verbessern die Fettverdauung
occludentes, Zonulae adhaerentes und Desmosomen, tmd und -resorption.
weiter in der Tiefe auch ausgedehnte Nexus. Die Zonulae
occludentes verhindern das Vordringen der Galle in die Si- Konjugation des Bilirubins Bilirubin ist das potenziell
nusoide. In der Nähe der apikalen Membran finden sich toxische Endprodukt des Häm-J\bbaus. Es wird unkon-
Mikrotubuli und ein System aus Aktin- und Myosinfila- jugiert tmd an Albumin gebunden im Blut in die Leber
menten (Abb. 10.78c), die oftcnsichtlich ein Motor fiir die transportiert. Es dringt in den Disse-Ra um ein tmd bindet
Fortbewegung der Galle in den Gallenkanälchen sind. Der an die basale Membran der 1-lcpatozyten. Hier wird es vom
Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) produziert ein Gift Albumin getrennt und über einen Transporter in die Zelle
(Amanitatoxin, ein Octapeptid), das wohl primär das kon- aufgenommen. Im Zytoplasma wird Bilirubin mit Gluku-
traktile System der Hepatozyten inaktiviert und zu massi- ronsäure konjugiert. Es wird dann als Bilirubin-Monoglu-
ven Leberzellnekrosen flihrt. 10 mg davon sind bereits töd- kuronid oder -Diglukuronid aktiv und ATP-abhängig über
lich. die apikale Zellmembran in die Gallenkanälchen transpor-
tiert. Das Membranprotein fiir diesen Transport ist MRP2
Blutpol Auch der Blutpol der H epatozyten trägt viele Mi- ("multi drug rcsistance-associated protein 2"). MRP2 ge-
krovilli, die sich oft auch an der Lateralmembran finden. hört zur Gruppe der MRP-Proteine, die auch konjugierte
Obwohl dieser Pol der morphologischen Basis entspricht, Schadstoffe und Medikamente zur Ausscheidung in die
bildet er beim Menschen und manchen Säugetieren keine Galle transportieren - was bei Medikamenten unerwünscht
Basallamina. Der intensive Austausch zwischen Hepato- sein kann, da sie dann ihre Wirkung kaum enielen können.
340 10 Verdauungsorgane
Merke Dem Endothel der Sinusaide liegen Iumina! die Klinik Die Leber kann auf llOgewöhnlich vielfältige Art llOd
Kupffer-Zellen an, Makrophagen, die alte Erythrozyten Weise erkranken, wobei oft die normale histologische Struk-
und partiklliäre Substanzen aus dem Blut aufnehmen llOd tur in typischen Mustern verändert ist. Die besondere Ge-
abbauen. fäßarchitcktur in der Leber ist für die Erklärung vieler Schä-
digtmgsmuster ausschlaggebend.
Disse-Raum Schädigunge n bef Vergiftungen
Der Disse-Ratun (Joscph Disse, Histologc, 1852-1912) ist Im Rahmen von Vergiftungen können folgende hepatische
ein schmaler Bindegewebsraum zwischen den Leberzeil- Veränderungen attfueten:
platten llnd den Sinusoiden, der ein zartes Stützgerüst im • Zelluntergänge (Nekrosen), die sich je nach Toxin ent-
Läppchen aufbaut llOd vor allem dem Stoffaustausch dient. weder mehr am Läppchenrand oder überwiegend im
Lichtmikroskopisch ist er im H. E.-Präparat kaum erkenn- Läppchenzentrum finden.
bar, werden aber seine locker verteilten rctiklliären Fasern • Leberzellverfettung, die durch Einlagerung kleiner oder
(Typ-ITI-Kollagen ) spezifisch angefärbt, kann er gut erkannt großer Fetttropfen gekennzeichnet ist. Große Fetttrop-
werden (Abb. 10.78c, Abb. 10.80, Abb. 10.87). Der Disse- fen sind z. B. fi.ir die alkoholische Fettleber typisch (Abb.
Raum steht mit einer dünnen Bindegewebsmanschette der 10.90).
Zen tralvene und dem Bindegewebe der Läppchengrenzen • Abflussstörung der Galle in den Gallenkanälchen (Cho-
und des Pcriportalfcldes in Verbindung. lestase). In diesen treten sog. Gallenthromben auf, deren
Entstehung auf verschiedene Gifte oder Medikamente
Lymphe Der Disse-Raw11 ist das Quellgebiet der Lymphe (z.B. orale Kontrazeptiva) zur ückgehen kann.
in der Leber, die besonders proteinreich ist. Lymphgefäße • Verändenmgen, die durch Medikamente oder z. B. Anäs-
finden sich erst außerhalb der Läppchen, v. a. im Periportal- tlletika (Halothan) hervorgerufen werden. Diese ähneln
feld. Lymphozyten können durch Endothelporen in den in ihren histologischen Veränderungen denen der Virus-
Disse-Rawn eindringen. Von hier wandern sie ins Peripor- hepatitis.
talfcld, wo sie in die Lymphkapillaren gelangen können.
Alko holische Lebererkrankung
Hepatische Sternzelle Im Disse-Raum kommt norma- Die alkoholische Lebererkranktmg verläuft über Jahre, bei
lerweise ein Zelltyp vor, der unterschiedlich bezeichnet Frauen schneller als bei Märtnern, in 3 Stadien. Zuerst ent-
wird: hepatische Sternzelle, perisinusoidale Zelle, Fettspei- steht eine Fettleber, es folgen alkoholische Hepatitis und
cherzelle, Ito-Zelle. Dieser Zelltyp repräsentiert spezielle Leberzirrhose:
Fibroblasten und kann unterschiedliche Funk tionen erfii.l- • Die Fettleber ist durch eine Fetteinlagerung in den Hepa-
len. Das mo rphologische Erscheinungsbild ist daher varia- tozyten gekennzeichnet (Abb. 10.90). Sie ist reversibel.
bel. Oft ist die Zelle abgerundet, in ihrem Zytoplasma • Bei der alkoholischen Hepatitis (Degeneration, Neutro-
kommen Vitamin-A-haltige Lipidtropfen vor (Abb. 10.78c, phileninfiltration, beginnende Fibrose) kommt es zu Zell-
Abb. 10.89). D ie Zelle produziert das spärliche Bindege- untergängen, ballonierten Zellen llOd einem Infiltrat von
webe des Disse-Rawns. Unter pathologischen Umständen NeutraphiJen und Lymphozyten. Geschädigte Leber-
(.,aktiviert") wandelt sie sich zu einer myofibroblastenähn- zellen können intrazytoplasmatische Einschlüsse (Mallo-
lichcn, fortsatzreichen Zclle wn, die kaum Lipidtropfen ry-Körpe.r) enthalten, die sich aus Ansamml ungen inter-
enthält, aber intensiv Protcoglykane ttnd Kollagenfibrillen mediärer Pilamen te aufbauen. Um die Zeotralvenen, in
bildet. Diese Substanzen füllen dann weitgehend den Disse- den Perlportalfeldern tmd den Disse-Rämnen kommt es
Rattm aus llOd behindern den Stotraustausch. Eine solche häufig zu erheblicher Ablagerung von Kollagen, wobei
Aktivienmg findet im Rahmen mancher Lebererkrank tto- das typische Typ-III-Kollagen mehr und mehr von Typ-I-
gen statt, die mit einer Fibrose und Zirrhose einhergehen, Kollagen ersetzt wird.
z. B. bei chronischer Alkoholintoxikation. Unter patholo- • Eine Leberzirrhose kann nicht nur durch chronischen
gischen Bedingungen wandeln sich d ie hepatischen Stern- Alkoholmissbrauch, sondern u. a. auch durch eine chro-
zellen - oder ein Teil von ihnen - vermu tlich sogar in aktive nische Virushepatitis entstehen. Sie ist durch ausgedehnte
Stammzellen für Blut zellen w11. Bildung von Typ-I-Kollagen in den Disse-Räumen llOd
im Periportalfeld, durch Zerstönmg der Läppchenstruk-
Merke Zwischen dem Endo thel der Sinusaid e llOd dem tur tmd der Gefäßarchitektur llOd durch EntstehllOg kno-
Blutpol der Leberzellen findet sich der D isse-Raum, der tcnf6rmiger Areale regenerierender Leberepithelzellen
v.a. dem Stoffaustausch zwischen Blut llOd Leberzelle gekennzeichnet (Abb. 10.91). Die hepatischen Sternzellen
dient. in den Disse-Rätunen wandeln sich in Myofibroblasteo
um und produzieren das Typ-I-Kollagen und Protco-
glykane. In den Knoten kommt es immer wieder zu Rege-
nerationsprozcssen, aber insgesamt überwiegt die Zerstö-
rung. Das vermehrte kollagene Bindegewebe behindert
zunehmend die Durchbluttmg des Organs (Pfortader-
stauung), was schwerwiegende Konsequenzen flir den
c ganzen Organismus hat. Mit fortschreitender Zerstörung
Abb. 10.89 Hepatische der Hepatozyten und ZllOehmender Kollagenbildtmg
Sternzelle ln de r Funk- schrumpft die Lebergröße, llOd das Organ wird hart llOd
t1onsphase der Fettspei- knotig.
cherung.
342 10 Verdauu ngsorga ne
c
Abb. 10.90 Leber- c
verfettung. Abb. 10.91 Leberzirrhose.
10.3.2 Galle, Gallenwege, Gallenblase tischem Epithel ausgekleidet. Diese Zellen sind durch typi-
sche Zellkontakte verbunden; sie sezernieren Bicarbonat
Galle und Wasser in die Galle. Die extrahepatischen Gallengänge
Produktionsstätte der Galle sind die Leberepithelzellen (He- besitzen ein einschichtiges prismatisches Epithel. Unter
patozyten). Täglich werden ca. 500-600 ml Galle gebildet. dem Epithel Iinden sich vereinzelte glatte Muskelzellen,
Galle enthält Wasser (82~). Gallensäuren (12~). Lecithin straffes kollagenes Bindegewebe, ein gut ausgebildetes Sys-
und andere Phospholipide (4~) und nicht verestertes Cho- tem elastischer Fasern und, speziell im Bereich des Ductus
lesterin (0,7~). Weitere Bestandteile sind konjugiertes Bili- choledochus, auch kleine muköse Drüsen.
rubin, Proteine, Elektrolyte und Muzine. Auch Steroid-
hormone und rnanche Medikamente werden über die Galle Gallenblase
ausgeschieden. Die Galle wird über die Gallenkanälchen der
Leberläppchen und das intrahepatische System der Gallen- Die Gallenblase (Vesica fellca) ist ein Speicherorgan ftir Gal-
gänge abgefiihrt. Intrahepatisch ist die Galle eine isotone le. Die Galle wird hier vor allem zwischen den Mahlzeiten
Flüssigkeit. In der Gallenblase werden ihr insbesondere an- gespeichert. Sie wird hier dLlfCh energieabhängige Resorp-
organische Anionen und Wasser entzogen, sie wird konzen- tion von Anionen (Chlorid, Bicarbonat) lmd Wasser kon-
trierter und hyperton. zentriert. Die Gallenblase fasst normalerweise ca. 30 ml Gal-
Die Gallensäuren spielen u.a. (Kap. 10.2.4) eine wesentli- le, ihre Wand (Abb. 10.92) lässt sich in 3 Schichten gliedern
che Rolle bei der Mizellenbildung im Rahmen der Fett- (von innen nach außen):
resorption. Im Tlewn werden die Gallensäuren - im Sym-
port mit Natriw11 - wieder resorbiert, nachdem die Lipide Tunica mucosa
aus den Mizellen entlassen und von den Enterozyten aufge-
nommen wurden. Die Gallensäuren werden dann der Leber Die Mukosa besteht aus dem Oberflächenepithel und der
wieder zugefiihrt und erneut (6-10-mal täglich) über die Lamina propria. Sie bildet ein komplexes System anastomo-
Galle ausgeschieden (enterohepatischer Kreislauf). sierender Falten, die je nach Dehnungszustand der Wand
ein unterschiedliches Bild bieten. In der kontrahierten Blase
sind sie dicht gepackt lll1d verlaufen weitgehend parallel, in
Gallenwege der gedehnten Blase bilden sie ein netzartiges System breiter
Gallefluss Galle wird in der Leber mehr oder weniger und schmalerer niedriger Palten, dabei können auch kleine
kontinuierlich gebildet. Sie fließt innerhalb der Zentral- Rczessus entstehen. Das Bild der Falten ist daher im Schnitt-
venenläppchen in den Gallekanälchen und erreicht über die präparat sehr variabel. Öfter findet man verzweigte Falten
Hering-Kanäle die intrahepatischen Gallengänge. Diese
schließen sich Zlun linken und rechten Ductus hepaticus
zusammen, die sich außerhalb der Leber Zlun Ductus hepa-
ticus communis vereinigen. Von il1m zweigt der Ductus
cysticus ab, der zur Gallenblase führt. Unterhalb der Ab-
zweigung wird der Gallengang Ductus choledochus ge-
nannt. Er mündet (meistens gemeinsam mit dem Haupt-
pankreasgang) an der Papilla duodeni major (= Papilla
Vateri) in das Duodenwn. Die Papille enthält zirkulär an-
geordnete Muskulatur, den Sphinkter Oddi. Wenn keine
Nahnmg aufgenonunen wird, ist der Sphinkter Oddi fest
verschlossen. In dieser Zeit wird die Galle in der Gallen-
blase gespeichert. Bei Nahrungsaufnahme hingegen wird
das Hormon Cholecystokinin freigesetzt, was zur Kontrak-
tion der Gallenblase, Fluss der Galle in Richtung Duode-
nrun und Lockerung des Sphinkter Oddi führt.
Abb. 10.92 Schleimhaut der Gallenblase. Die Schleim-
Merke
haut bildet unregelmäßig gestaltete, netzartig zusammen-
Intralobulär =Gallekanälchen, interlobulär =Gallenwege. hängende schmale Falten aus. Auf einem Schnitteffekt
beruhen die oft zu sehenden "Brückenbildungen" der
Epithel und Wandaufbau Während die Gallekanälchen Schleimhautfalten. Die Muskulatur der Gallenblasenwand
nicht von einem eigenen Epithel ausgekleidet sind, enthal- ist komplex aufgebaut(*) und besteht nur aus einer Tunica
ten die Hering-Kanäle bereits ein flaches Epithel, und die muscularis. Mensch; Plastikschnitt Färbung: H. E.;
interlobulären Gallengänge sind von kubischem bis prisma- Vergr. 40-fach. (Aus [1))
10.3 Leber und Gallenwege 343
lärspalts zahlreiche Palten aus. Der Zellkern ist längs oval
Lmd liegt in der Lmteren Zellhälfte.
Tunica muscularis
Diese kräftige Schicht glatter Muskulatur entspricht wohl
der TLmicamuscularis des Darmrohrs. Die Bündel der Mus-
kulatur bilden ein Scherengitter spiralig verlaufender Mus-
kelzügc; innen bildet die Muskelschicht auch längs verlau-
Abb. 10.93 Epithel der Gallenblase. 1 Lumen der Gallen- fende Bündel. Man findet im Schnllt längs, quer Lmd schräg
blase; 2 Epithel; 3 Lamina propria. Mensch; Plastikschnitt; angeschnittene Muskelbiindcl, zwischen denen recht breite
Färbung: H. E.; Vergr. 250-fach. Bindegewebssepten mit Kollagen und elastischen Pasern
vorkommen. In diesem Netz der Muskulatur sind die ein-
zelnen Bündel so angeordnet, dass sich die Wand des bir-
und sog. Schleimhautbrücken, die die Spitzen benachbarter nenförmigen Organs optimal kontrahieren Lmd verkleinem
Falten verbinden. Das überbrückte, eingeschlossene Lumen karLO. Am Hals der Gallenblase ist der Steigtmgswinkel der
kommuniziert außerhalb der Schnittebene mit dem Haupt- Muskelspiralen niedrig, im Pundus nimmt die Steighöhe zu.
lumen der Gallenblase. Die Kontraktion der Muskulatur wird dnrch Cholecysto-
kinin und Acetylcholin (Parasympathikus) ansgelöst Sie
Oberflächenepithel Das Oberflächenepithel (Abb.l0.93 ) führt zur Austreibung der eingedickten Galle.
ist einschichtig h ochprismatisch (20- 25 Jlill hoch) und be-
steht im Wesentlichen aus einem Zelltyp, den Hauptzellen.
Becherzellen fehlen, vereinzelt kommen enteroendokrine
Tunica serosa und Tunica adventitia
Zellen, vor allem vom geschlossenen Typ, vor. Bei manchen Die der Bauchhöhle zugewandte Seite der Gallenblase ist
Säugetieren kommen im Gallenblasenhals und im Ductus von einer Serosa bedeckt. Sie besteht aus Peritonealepithel
cysticus Bürstenzellen (Kap. I0.2.4c) vor. und subepithclialem, zwn Teil relativ dichtem Bindegewebe
mit Kollagen Lmd vielen elastischen Fasern, Blut- und
Funktion der Hauptzellen Die Hauptfunktion der Haupt- Lymphgefaßcn sowie vegetativen Nerven. Dort, wo die Gal-
zellen ist die Konzentrierung (Eindickung) der isotonen Le- lenblase mit der Leber vcnvachsen ist, ist die Tunica serosa
b ergalle durch Wasserentzug, außerdem werden die meisten durch eine Tunica advcntitia ersetzt.
anorganischen Anionen, Chlorid und Bicarbonat entzogen.
Der aktive Epitheltransport hängt auch in der Gallenblase Merke Die Gallenblase ist ein Speicherorgan ftir die Galle
von der Na+-K+-ATPase in der basalen Zellmembran ab. Der und dickt die hepatische Galle durch Wasserentzug ein.
Motor der Galleeindickung ist die Resorption von NaCl, die Die Wand der Gallenblase besteht aus Mukosa, Muskula-
durch parallel arbeitende Na•-H•- und CJ--HC03--Anti- ris Lmd Serosa oder i\dventitia. Die Mukosa bildetein Re-
porter in der apikalen Membran erfolgt. Wasser folgt dem lief netzartig verbundener, Lmterschiedlich hoher Palten.
entstehenden osmotischen Gradienten. Die Hauptzellen
sind auch sekretorisch aktiv. Apikal sind Sekrctionsgranula
nachweisbar, die Schleime enthalten, welche einen apikalen Klinik Gallensteine sind eine häufige ErkrankLmg in der
Schutzfilm gegen die aggressiven Gallenkomponenten bil- westlichen Welt. Die meisten Steine bestehen aus Choleste-
den. rinmonohydrat (zu ca. 70<Ko), Calciumsalzcn, Gallensäuren,
Gallenpigmenten, Proteinen, Pettsäuren Lmd Phospholipi-
Morphologie der Hauptzellen Die Hauptzellen tragen den. Sog. Pigmentsteine sind seltener Lmd bestehen vor allem
Mlkrovilli, die im Vergleich mit denen des Dünndarms aus Calcilunbilirubinat. Galle mit hohem Cholesteringehalt
lockerer stehen und auch kürzer sind. Die Zellen sind über führt bevorzugt zur Steinbildung. Pettsucht und entspre-
gut entwickelte junktionale Komplexe (mit Zonulae occlu- chende Fehlemährung, aber auch zahlreiche andere Fakto-
dentes) verbLmden. Oberhalb des Kerns besitzen sie zahl- ren können die Steinbildung begünstigen, darunter übertrie-
reiche Mitochondrien und einen Lunfangreichen Golgi-Ap- ben rasche Gewichtsreduktion und auch Östrogene. Die
parat. In der unteren Hälfte des Epithels sind die Zellen Steine verursachen eine Entzündung der Gallenblase und die
durch einen zunehmend breiter werdenden Interzellulär- Obstruktion des Galleabflusses in den Gallenwegcn, was oft
raum getrennt, was besonders deutlich im Zustand der ak- mit akuten starken (kolikartigen) Schmerzen einhergeht. Bei
tiven Wasserresorption aus der Galle ist Die Membran der den über 40-Jährigen haben Prauen viel öfter Gallensteine als
Epithelzellen bildet im Bereich des erweiterten Interzellu- Männer, die Steine bleiben nicht selten symptomlos.
344 10 Verdauungsorgane
10.4 Bauchspeicheldrüse
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Das Pankreas ist eine cxo- und endokrine Drüse. Den en- logisch wenig differenzierten Gangsystcm, das mit Schalt-
dokrinen Teil repräsentieren die Langerhans-Inseln. Der stücken beginnt. Die Azini besitzen keine Myoepithel-
exokrine Teil bildet vor allem Verdauungsenzyme sowie zcllen. Die ersten Zellen der Schaltstücke sind ins Lumen
Bicarbonat. Die exokrinen Drüsen bestehen aus dicht der Azi.ni vorgestülpte, sog. zcntroazinäre Zellen (diagnos-
gepackten azinären serösen Endstücken und einem histo- tisch vlichtig).
10.4.1 Bauplan Gang der ventralen Pankreasanlage gebildet (aus dem sich
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist eine sekundär auch der untere Teil des Pankreaskopfes entwickelt). Der
retroperitoneal gelegene große Drüse im Oberbauch. Sie ist mündungsnahe Abschnitt des Gangs der dorsalen Anlage
14-18 cm lang und crstreckt sich zwischen Duodentun bildet sich oft zurück, kann aber auch erhalten bleiben tmd
und Milz. Die Bauchspeicheldrüse hat exokrine und endo- mii.ndet dann an der PapUla duodeni minor.
krine Punktionen. Ns exokrine Drüse bildet sie täglich
1500-3000 ml isoosmotische, alkalische (pH > 8) Flüssigkeit Läppchen Das Gewebe der Bauchspeicheldrüse ist in
und ca. 20 Verdauungsenzyme (Abb. 10.94). Der Pankreas- dicht gepackte Läppchen gegliedert, die durch Bindegewebe
saft wird über ein Gangsystem in das Duoden umgeleitet. Als getrennt sind (Abb. 10.95). Die Gliederung in Läppchen
endokrine Drüse erfüllt sie wesentliche Aufgaben im Koh- erlaub t Verschiebungen des Pankreasgewebes bei tmter-
lenhydrat-, Pett- und auch Proteinstoffvvcchsel (Kap. 11.8.2). schiedlichen Füllungszuständen des Magens oder bei Be-
wegtmgen von Magen tmd Darm. In den Läppchen ist das
Ausführungsgänge Der ca. 2 mm dicke Hauptausfiih- Bindegewebe nttr spärlich entwickelt. Lediglich die größe-
rungsgang, der Ductus pancrcaticus, läuft längs durch das ren Gänge sind von einer kräftigen stützenden Bindgewebs-
Organ. Sein größter Teil (und auch der größte Teil des Pan- schicht tungeben. Regelmäßig treten einzelne Vater-Pacini-
kreas) entsteht aus der dorsalen Pankreasanlage. Die Aus- Körperchcn auf. Das Pankreas wird von einer dünnen
mii.ndung an der PapUla duodeni major wird aber vom Kapsel bedeckt, der vorn eine Serosa aufliegt.
I Magen l--lsanrSpe"u11!11i I
Duodenum und
Jejunum
Cholecystokinin -- --~
\ ?1----- Sakratln
Azinus im Pankreas,
',
l , SchaltstOck
•'
Blutgefäß
Abb. 10.94 Funktionen des exokrinen Pankreas. Oie serösen Drüsenzellen der Pankreasazini bilden Verdauungsenzyme
und eineisotonealkalische Flüssigkeit, in der die Enzyme gelöst sind. Ein Teil der Verdauungsenzyme wird in inaktiver Form
sezerniert, dies sind die eiweißspaltenden Enzyme Trypsin, Chymotrypsin, Elastase und Carboxypeptidasen. Andere Enzyme,
z. B. Amylase und Lipasen, werden als aktive Enzyme sezerniert (s. "Funktion"). Oie Epithelzellen der Schaltstücke, die sich
weit ins Azinuslumen einstülpen, sezernieren Wasser und Bicarbonationen, eine Leistung, die auch von den Azinuszellen
erbracht wird. Wenn saurer Magenbrei in das Duodenum übertritt, werden die Hormone Sekretin und Cholecystokinin aus
endokrinen Zellen des Duodenums und Jejunums ins Blut abgegeben. Sekretin fördert in Azini, Schaltstücken und anderen
intralobulären Gangabschnitten die Abgabe von Wasser und Bicarbonat (s. "Funktion"), Cholecystokinin regt die Bildung der
Pankreasenzyme an (s. "Funktion"). Acetylcholin (N. vagus) übt eine wichtige Kontrolle über die Pankreassekretion aus.
Bicarbonat entstammt zu ca. 90"1o dem Blutplasma und zu ca. 10'\'o dem Stoffwechsel der Schaltstücke und anderer intra-
lobulärer Anteile des Gangsystems unter Beteiligung der Carboanhydrase.
10.4 Bauchspeicheldrüse 345
10.4.2 Endokrines Pankreas Abb. 10.96 Pankreas mit Azini (1 ), intralobulärem Gang
(2) und interlobulärem Gang (3). Die Azinuszellen sind
Repräsentanten der endokrinen Funktion sind die Langer- basophil (Blauviolettfärbung), ihre Sekretionsgranula im
hans-Inseln (Abb. 10.95, Abb. 11.38), die mehrere Hormone Zellapex rot gefärbt.~ zentroazinäre Zellen. Mensch;
(Insulin, Glucagon, Somatostatin, pankreatisches Polypep- Plastikschnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 150-fach .
tid) bilden. Exokriner tmd endokriner Anteil sind funktio-
nelltmd mit besonderen Gefaßanpasstmgen verbtmden. So
fOrdert z. B. Insulin die Amylasesekretion.
~
Abb. 10.98 Azinus.
Endokrine Organe
11.1 Organe und Zellen des endokrinen 11.4 Epiphyse .. Pinealorgan . . . . . . . . . . . . . 361
Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
11.5 Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
11.2 Hormone- Aufgaben und Wirkung . . . . . 348 11.5.1 Schilddrüsenfollikel . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
11.2.1 Endokrine, parakrine und autokrine 11.5.2 Follikelepithelzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Signalgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 348 11.5.3 C-Zellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
11.2.2 Chemie der Hormone . . . . . . . . . . . . .. . . 349
11.6 Nebenschilddrüse (Epithelkörperchen) . . 367
11.2.3 Hormonspeicherung . . . . . . . . . . . . . .. . . 350
11.6.1 Morphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 7
11.2.4 Hormonfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . .. . . 350
11.6.2 Parathormon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
11.2.5 Hormontransport . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 350
11.2.6 Hormonabbau . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 350 11.7 Nebenniere 369
11.2. 7 Hormonrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . .. . . 350 11.7 .1 Nebennierenrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
11.2.8 Regulation der Hormonbildung . . . . . .. . . 353 11.7 .2 Nebennierenmark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Das endokrine System ist ebenso wie das Nervensystem und Nervenzellen sind phylogenetisch die ältesten Zellen, die
das Immunsystem ein System, das mithilfe von Signalmole- endokrine Signalstoffe bilden. Auch beim Menschen bilden
killen die Funktionen der verseWedenen Organe des Kör- Neurone des Hypothalamus noch eine Reihe von Hormo-
pers koordiniert und reguliert. Die Signahnoleküle des nen (Neurohormone). Es ist daher nicht verwunderlich,
endokrinen Systems werden Hormone oder Botenstoffe ge- dass endokrines System und Nervensystem zum Teil iden-
nannt. Sie werden ins Blut abgegeben tmd erreichen auf tische Signahnolckille bilden.
diesem Weg ihre Ziclzcllcn. Sie steuern zahlreiche grundle- Endokrines System, Nervensystem und Irrummsystem
gende Funktionen des Körpers wie z. B. Stoffwechselpro- arbeiten nicht unabhängig nebeneinander, sondern koope-
zesse, Wasser- und Elektrolythaushalt, Reifung, Wachstum rieren tmd becinfl ussen sich gegenseitig.
tmd Fortpflanzung.
Hormone besitzen wesentliche, für das Überleben des Orga- Hormone in den Blutstrom ab, der sie im Körper verbreitet.
nismus und der Arten notwendige Funktionen. Die folgen- Diese VerbrcitLmgsform der Hormone heü!t endokrin im
den beispielhaften Hinweise sollen das illustrieren: Hormo- engeren Sinne (Abb. 11.1a}, manchmal auch hi:imokrin.
ne regulieren Wachstum, Fortpflanzung und Entwicklung. Auch Nervenzellen können Hormone bilden und ins Blut
Sie passen den Organismus an wechselnde Bedingungen an abgeben. Diesen Vorgang bezeichnet man als nenroendo-
und spielen außerdem essenzielle Rollen im Stoffwechsel krine Sekretion.
und bei der Regelung von Homöostase, Ernährung sowie
Wasser- und Mineralhaushalt Parakrine Signalgebung Von parakrinem Mechanismus
(parakriner Sekretion, parakriner Signalgebung) spricht
11.2.1 Endokrine, parakrine und man, wenn H ormone auf dem Wege der Diffusion durch
das Bindegewebe ihre in der Nähe gelegenen Zielzellen er-
autokrine Signalgebung reichen (Abb. 11.1b, c). Die Signalmoleküle der parakrinen
Endokrine Signalgebung Die typischen endokrinen Or- Kommunikation werden zwn Teil auch (l okale) Mediato-
gane (z.B. Adenohypophyse und Schilddrüse) geben die ren oder Gewebehormone genannt. Beispiele für parakrine
11.2 Hormone- Aufgaben und Wirkung 349
phagcn, glatten Muskelzcllen, Endothelzellen kleiner • Besitzen solche Rhythmen eine Periodik von 24 Sttmden,
Blutgefäße, und werden sie zirkadiane (diurnale) Rhythmen genannt.
• endothcliale NOS (eNOS), in Endothelzellen vor allem Ein typischer zirkadiaocr Rhythmus mit dem Höhepunkt
größerer Gefaßc, z.B. Hirngefäßcn, an deren Tonusregu- der Sekretion in den frühen Morgenstunden liegt beim
lierung auch dienNOSbeteiligt ist. Cortisol vor.
• Manche Hormone werden in Minuten- oder Stunden-
Die Halbwertszeit von NO beträgt nur wenige Sekunden. rhythmus freigesetzt. Der Beginn eines solchen Rhythmus
Seine physiologischen Wirkungen sind sehr vielfältig und ist jeweils durch massive H ormonfreisetztmg gekenn-
betreffen vor allem Herz- und glatte Muskelzellen (inhalier- zeichnet. Beim Insulin liegt ein 12- bis 15-miniitiger Frei-
tes NO relaxiert die Bronchialmuskulatur). NO aktiviert die setzungsrhythmus vor. Eine H ormonfreisetzuns in solch
zytoplasmatische Guanylatcyclase, die GTP in zyklisches kurzfristigem Rhythmus heißt auch pulsatile Freisetzung.
GMP tunwandelt GMP aktiviert die Proteinkinase G, die • Neben kurzen Rhythmen gibt es auch langfristige Rhyth-
Caldwn intrazellulär absenkt, was zur Vasodilatation (Er- men, z.B. Monatsrhythmen (Menstruationszyklus) und
schlaffung der glatten Muskulatur) führt. Jahresrhythmen (saisonale Rhythmen).
Klinik Seit über 100 Jahren wird Glyceroltrinitrat (Nitro- 11.2.5 Hormontransport
glycerin) therapeutisch bei Angina-pectoris-Anfällen zur
Viele Peptidhormone und biogene Amine werden in gelös-
Erweiterung der Herzarterien eingesetzt. Bis vor Kurzern
ter Form im Blutplasma transportiert, was ihre kurze Halb-
war jedoch die physiologische Rolle des dabei frei werden- wertszeit erklärt (3 -7 min}. Manche Hormone wie Schild-
den Stickstoffmonoxids unbekannt.
drüsen- oder Steroidhormonc lösen sich nur schwer oder
Die Peniserektion wird durch eine NO- tmd GMP-ver- gar nicht in Wasser Lmd werden im Blut ganz überwiegend
mittelte Dilatation der Arterien und Lakunen des Corpus
an Proteine gebunden. Die Hormo ne sind entweder an spe-
cavernosum erreicht. Die Erektion kann therapeutisch ver-
zifische Transportproteine oder an Albumin gekoppelt. Nur
längert werden, wenn der Abbau des GMP (z. B. durch ca. S<Xo des Cortisols liegt im Blut frei (d. h. nicht an Proteine
Sildenafil) verzögert wird.
gebtmden) vor. Nur die "freien Hormone" sind physiolo-
gisch aktiv.
11.2.3 Hormonspeicherung
Endokrine Zellen bzw. Organe haben nur begrenzte Kapa- 11.2.6 Hormonabbau
zität, Hormone zu speichern. Proteo- tmd Polypeptidhor- Peptidhormone werden in iliren Zielorganen durch Protea-
mone werden in Zytoplasmatischen membranbegrenzten sen abgebaut. Schilddr üsen- und Steroidhonnone werden in
Sekretion sgranula gespeichert, die den Stereidhormon bil- mehreren Schritten mit dem Ziel abgebaut, sie in eine was-
denden Zellen fehlen. Steroidhom1one diffundieren nach serlösliche Form zu übcrftiliren, um sie über den Urin oder
ilirer Synthese sofort ins Blut. Der Hoden enthält z. B. jeweils die Galle ausscheiden zu können. Der Abbau der Stereid-
nur 1/ 15 der täglich produzierten Menge an Testosteron. hormone erfolgt in der Leber über Reduktion und Hydroxy-
Der Ausfalllebenswichtiger endokriner Organe wie z.B. der lierung. Als Endprodukt entsteht ein wasserlösliches Glu-
Nebenschilddrüse oder der Langerhans-Inseln ftilirt daher kuronid- oder Sulfatkonjugat.
in sehr kurzer Zeit zu akut lebensbedrohlichen Symptomen.
Eine Ausnahme bildet die Schilddrüse, die ilir Honnon ftir
ca. 2 Wochen speichern kann. 11.2. 7 Hormonrezeptoren
Die Zielzellen der Hormone sind mit spezifischen Rezeptor-
11.2.4 Hormonfreisetzung molekülen ausgestattet, die den ERckt der Hormone vermit-
teln. Diese Rezeptoren liegen entweder intrazellulär (im
Mechanismus Die in intrazelluläre Granula verpackten Zytoplasma oder im Zellkern) oder in der Zellmembran vor.
Proteo- und Peptidhormone (z. B. Ca\citonin, Insulin und Über alle Rezeptoren werden auf unterschiedlichen Wegen
Prolactin) werden per Exozytose freigesetzt. Stereidhor- Gene oder Stoffwechselprozesse aktiviert oder auch ge-
mone werden nicht in Granula verpackt tmd verlassen die hen1.111t.
Zelle durch einen Diffusionsprozess. Synthese tmd Freiset-
zung sind oft ftmktionell gekoppelt. Die Freisetztmg der
Schilddrüsenhormone T3 und T 4 ist besonders kompliziert. Zytoplasmatische und nukleäre Rezeptoren
Sie entstammen einem großen Glykoprotein, dem 1hyro-
Mechanismus
globulin, das die Proteinvorstufe der Schilddrüsenhormone
darstellt tmd das extrazellulär im Pollikellumen gespeichert Die Schilddrüsen- tmd Stereidhormone binden an Zytoplas-
wird. Erst nach Wiederattfnahme in die Zellen und nach in- matische oder nuklcärc Rezcptormolcküle. Attfgrtmd ilirer
trazellulärer Proteolysc des 1byroglobulins in Lysosomen Lipidlöslichkeit können sie die Zellmembran leicht durch-
werden T3 und T 4 dttrch einen Diffusionsprozess freige- queren und den Rezeptor durch Diffusion erreichen. Es ent-
setzt. steht entweder ein Hormon-Rezeptor-Komplex im Zyto-
plasma (wie bei Cortisol, Testosteron und den weiblichen
Rhythmische Abgabe Bei manchen H ormonen werden Geschlechtshormonen}, der dann in den Kern wandert, oder
die Hormone in Beziehung zum Tagesrhythmus abgege- der Bonnonrezeptor befindet sich ausschließlich im Kern
ben, also zu Wach-Schlaf-Rhythmus, zu Rhythmen der selbst (wie bei den Schilddrüsenhormonen, Vitamin D tmd
Nahrungsaufnahme, zu Hell-dunkel-Zyklen, zu Entwick- Retinsäure). In beiden Fällen bindet der Honnon-Rezeptor-
lungsphasen oder zu anderen Rhythmen: Komplex letztlich an spezifische regulatorische Sequenzen
11.2 Hormone- Aufgaben und Wirkung 351
der DNA, was entweder zur Transkription bestimmter Gene Rezeptoren in der Zellmembran
oder zur Hemmung der Transkription führt. Wegen der
mittel- oder unmittelbaren Wirkung auf nukleäre DNA Mechanismus
werden alle Zytoplasmatischen und direkt nukleären Rezep-
Proteo- oder Peptidhormone binden an Membranrezep-
toren oft nur .,Dukleäre Rezeptoren" oder "Kernrezeptoren"
toren. Mit dieser Bindung setzen sie in der Membran oder
genannt.
im Zytoplasma molekulare Signalwege ("Signalkaskaden")
in Gang. Eine H ormon-Rezeptor-Bindung bewirkt sehr oft
Molekulare Struktur die Freisetzung eines Second Messenger (eines zweiten Bo-
tenstoffs) im Inneren der Zelle, der das Signal der Hormone
Auf m olekularer Ebene weisen alle intrazellulären Rezep-
aufnimmt und weitergibt (Abb. 11.2). Verschiedene H ormo-
toren Ähnlichkeiten auf und werden der Steroidhonnon-
ne können sich des gleichen Second Messenger bedienen.
Rezeptor-Superfamilie (intrazelluläre Rezeptor-Superfami-
Beispiele für Sccond Messenger sind zyklisches Guanosin-
lie) zugerechnet. Intrazelluläre Rezeptoren sind Proteine
monophosphat (cGMP) und Caldwn.
mit einer DNA-Bindungsdomäne, einer Honnonbindungs-
domäne und einer transkriptionsaktivierenden Domäne.
Merke Die gesamte Abfelge ve n melekularen Prezes-
sen - die Signalkette ve n der Bindung des H e rme ns an
Wirkungen den Rezcpte r bis zwn Effekt - wird Signaltransduktie n
genannt.
Die Bindung an die DNA füh rt oft innerhalb von ca. 30 min
zu einer schnellen Primärantwort, der dann nach Stunden
eine länger andauernde Sekundärantwort folgt. Manche Stc-
Molekulare Struktur
roidhormone, z.B. Östrogene und Glucocorticoide, besitzen
nicht nur Rezeptoren , die an DNA binden, sondern beein- Hormonrezeptoren in der Zellmembran sind Rezeptoren
flussen auch DNA-unabhängig Zytoplasmatische Signalwe- mit 7 Transmembrandomänen, Tyrosinkinaserezeptoren,
ge, sodass eine funktionelle Brücke (eng!: "cross talk") zwi- Serinkinaserczcptoren , Zytokinrezeptoren und Guanylyl-
schen Kern- und Membranrezeptoren entsteht. zyklaserczeptoren (Abb. 11.3).
Signalmolekül '~
(Honnon oder •
Wachstumsfaktor)
t
R
..
Upi!anker
' ".
Adenylatzytdase
..
Zelm41mbran
•• ••
ATP
-~
cAMP-abhängige - ---- · -- Untereinhall
Ptoteinkinase ~ •,
, (Proteinkinase Al ''• kalalytlacha
Phoephodlelle1"8118 Unteralnhall
baut cAMP ab.
aktivierte kal81yti8che
Kamhülle .- --Untereinhell wandert ln
' den Kam. Zytopluma
Zell um
aktivierte ka~sche
•~
CRE
• .- -- Untereinheit Ist in
den Kam verlagert.
CREB-~ -
DNA·-~ - Genaldivierung
Abb. 11.2 Signaltransduktionsweg vom G-Protein-gekoppelten Rezeptor (Abb. 11.4) über Adenylatzyklase, cAMP und Pro-
teinkinase A. Der Signaltransduktionsweg beginnt mit der Bindung des Signalmoleküls, z. B. eines Hormons, an den Rezeptor,
der mit einem G-Protein verbunden ist. Das G-Protein überträgt das Signal zu einem Zielprotein (Adenylatzyklase oder Ionen-
kanal, Abb. 11.4) in der ZeUmembran. Die Adenylatzyklase bildet aus ATP cAMP, das die Funktion eines Second Messenger
hat. cAMP bindet dann an die beiden regulatorischen Untereinheiten der cAMP-abhängigen Proteinkinase A, wodurch die bei-
den katalytischen Untereinheiten dieses Enzyms freigesetzt werden; cAMP wird von einer Phosphodiesterase abgebaut. Die
aktivierten katalytischen Untereinheiten wandern in den Kern, wo sie den Transkriptionstaktor CREB (CRE-Bindungsprotein),
der an CRE (..cAMP response element") gebunden ist, phosphorylieren. Dieser Prozess führt zur spezifischen Genexpression.
352 11 Endokrine Organe
Adenylatzyklase
I
I
I
I
G-Protein~ I
I
I I
I I
I I
I
I
I
zytosollsche
I - Kinase --Domänen der
I
I Serln/Threonln-
I
I
I
Kinase
I
I I
I I I
I I I
Hormonrezeptor mit I I
I
7 Transmembrandomänen, Tyrosinkinase- I Serln/Threonln-
G.Protein1jakoppelt Rezeptor GuanyJY!zyklase- Kinase-Rezeptor
Rezeptor Zytokln-
Rezeptor
Abb. 11.3 Molekulare Struktur verschiedener Hormonrezeptoren in der Zellmembran (Schema). Die Hormon bindende
Region der Rezeptormoleküle weist nach außen (im Bild oben). Zahlreiche Hormone besitzen einen Rezeptor vom Typ der
G-Protein-gekoppelten Rezeptoren mit 7 Transmembrandomänen. Ein Beispiel für die Tyrosinkinaserezeptoren ist der Insulin-
rezeptor. Er ist ein Tetramer und besteht aus 2 1!.· und 2 ß-Untereinheiten, die iiber Sulfhydrylgruppen verbunden sind.
Kinasen bzw. kinaseähnliche Enzyme sind meistens als ockerfarbige Kästchen gezeichnet. Ein Hormon, das an einen Guanylyl-
zyklaserezeptor bindet, ist das atriale natriuretische Peptid (ANP). Beim Zytokinrezeptor spielt die intrazelluläre Januskinase
eine wichtige Rolle. Sie ist nicht direkt Teil des Zytokinrezeptors, bildet aber eine funktionelle Einheit mit ihm. An einen Zy-
tokinrezeptor bindet z. B. das Wachstumshormon (GH).
Rezeptoren mit 7 Transmembrandomänen Diese Re- Adrenalin, Noradrenalin, Somatostatin, Vasopressin, Glu-
zeptoren (Abb. 11.3) sind funktionell mit den G-Proteinen cagon, Angiotensin li, Prostaglandine und Serotonin.
(Abb. 11.4) und einem weiteren Membranprotein mit En-
zymfunktion oder einem Ionenkanal verbLmden und besit· Tyrosinkinaserezeptoren Sie sind komplexe Rezeptor-
zenintrazelluläre Second Messenger (z. B. zyklisches AMP). moleküle mit extrazellulärer glykosylierter Hormon bin-
Eine HormonbindLmg an diese Rezeptoren kann aber auch dender Domäne und intrazellulärer Tyrosinkinase-Domä-
die Phospholipase A (oder andere AMP-abhängige Kina- ne. Hierher gehören der Insulinrezeptor und verschiedene
sen) aktivieren, was zur Zunahme freien zytosolischen Wachstmnsfaktorrezeptoren. Der Insulinrezeptor ist ein
Calciums fiihrt und Proteinkinase C aktiviert. Folgende Tetramer mit 2 extrazellulären a -Untereinheiten, die das
Hormone besitzen diesen Rezcptortyp: luteinisierendes Insulin binden, und zwei ß-Untereinheiten, die eine Trans-
Hormon (LH = Lutropin), lhyrcoidea stimulierendes Hor- membrandomäne und insulinabhängige Tyrosinkinase-
mon (TSH = Thyreotropin), Parathormon, Calcitonin, Aktivität besitzen (Abb. 11.3). Autophosphorylierung der
Tyrosinreste des Rezeptors setzt die intrazelluläre Signal-
kaskade in Gang.
Abb. 11.4 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Das G-Pro- Zytokinrezeptoren Die Fan1ilie der Zytokinrezeptoren
tein besteht aus den Untereinheiten « , ß und y. Im Ruhe- besitzt selbst keine Kinaseanteile, jedoch sind mit ihr Tyro-
zustand ist GDP an die « -Untereinheit des G-Proteins ge- sinkinasen (sog. Januskinasen) assoziiert (Abb. 11.3). Die
bunden. Bindet das Signalmolekül an den Rezeptor, wird Bindung des Hormons an den Rezeptor fUhrt sowohl zu
GDP durch GTP ausgetauscht, und die tt-Untereinheit löst Phosphorylierung von Tyrosinresten des Rezeptors selbst
sich von den beiden anderen Untereinheiten. Sie interagiert als auch zu Phoshorylierung zellulärer Zielproteine. Bei die-
dann mit einem Zielprotein, z. B. einem Ionenkanal oder sen Phosphorylierungsvorg'cingen spielen die zytoplasmati-
einem Enzym. schen Januskinasen eine wesentliche Rolle. Neben diesem
11.3 Hypothalamus-Hypophysen-System 3 53
Signalweg existieren noch andere Signalwege. An Vertreter Hormon (Thyreoidea stimulierendem Hormon, TSH) im
dieser Rezeptorfamilie binden das Wachstumshormon, Blut an, um so die Konzentration an Schilddrüsenhor-
Prolactin, Erythropoietin und viele Zytokine. mon wieder zu erhöhen.
• Ähnlich wird die Sekretion von Parathormon oder Insu-
lin durch Rückkopplungssignale der Serumcalcitun- tmd
11.2.8 Regulation der Hormonbildung Serumglucosespiegel kontrolliert.
Riickkopplungskontrolle, sowohl negative als auch (selten) • Ein Beispiel ftir positive Rückkopplung bietet die Stimu-
positive, ist ein grundlegendes Merkmal endokriner Syste- lation der LH-Freisetzung durch OstradioI vor der Ovula-
me. Die Bildung einiger peripherer H ormone (Schilddrüse, tion.
Nebennierenrinde, Gonaden) wird von bestimmten Hor-
monen der Adenohypophyse, den glandotropen Hormo- Die meisten Rückkopplungsmechanismen setzen sich inner-
nen, reguliert. Oie glandotropen Hormone wiederum unter- halb von Minuten oder Stunden in Gang, sodass eine An-
stehen der Kontrolle hypothalamischer Neurohormone. passung an geänderte Stoffwechselerfordernisse schnell
Periphere endokrine Drüse und Hypothalamus/Adeno- möglich ist und die Homöostase aufrechterhalten wird.
hypophyse sind über meist negative Rückkopplungsmecha- Umwelteinflüsse ttnd nicht hormonale Faktoren können
nismen verbunden, sodass die peripheren Hormone ihre negative und positive Rückkopplungskontrollmechanismen
eigene Sckretionsn;~te regulieren können: ändern.
• Sinkt z.B. der periphere Schilddrüsenhormonspiegel,
steigt die Menge an adenohypophysärem glandotropem
11.3 Hypothalamus-Hypophysen-System
- - - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Im Hypothalamus gibt es verschiedene Kemgebiete, die der aus Nervengewebe aufgebauten Netrrohypophyse. Die
Hormone bilden: Ncl. supraopticus tmd Ncl. paraventri- Adenohypophyse besitzt azidophile oder basophile Drü-
cularis bilden die Effektorhormone ADH (antidittretisches senepithelzcllen. Die azidophilen Zellen bilden Wachs-
Hormon = Vasopressin) ttnd Oxytocin, die über Axone in turnsharrnon tmd Prolactin; die basophilen das FSH, LH,
die Nettrohypophyse wandern und hier ins Blut abge- TSH, ACTH ttnd MSH. Zu den seltenen sog. chroma-
geben werden. Andere Kerngebiete bilden die Steuerhor- phoben Zellen zählen z.B. erschöpfte Zellen oder Stamm-
mone, die die Adenohypophyse aktivierend oder hcm- zcllen. Der Grenzbereich der Adenohypophyse bildet den
mend beeinflussen. primär MSH-bildenden Mittellappen, der beim Menschen
Oie Hypophyse besteht aus der epithelial aufgebauten große Zysten ausbildet.
und besonders reich dttrchbluteten Adenohypophyse und
psychisch-emotionale
EinflOsse
Informationen
vonaußen
___~ __ ./ .;._
Informationen
aus dem Körperinneren
HYPOTHALAMUS
VEGETATIVES
HYPOPHYSE NERVENSYSTEM
'-----+Oxytocin,ADH •
Niere Epithel·
körperchen
I
~8
1, 1
Abb. 11.5 Endokrines System (Schema) mit Hierarchie und Komponenten. Über den Hypothalamus ist das System mit dem
vegetativen Nervensystem verknüpft. (Aus [1])
gebunden und in 100 - 300 nm große elektronendichte Jen Zellmembran der Sammelrohre. Molekular bewirkt es
Granula verpackt. Sie wandern mittels axoplasmatischen den Einbau von Aquaporin-2 in die luminale Zellmembran.
Transports in dieN eurohypophyse, wo sie in den Blutstrom Das durch die Aquaporin-2-Moleküle in die Zelle aufge-
abgegeben werden (Abb. 11.6). Die Neurohypophyse ist nommene Wasser strömt dann rnittels der Aquaporine 3
also eine Region, in der Neurohormone ins Blut abgegeben und 4 in der basolateralen Membran ins hypertone Inter-
werden, d.h. eine Neurohämalregion. Hier werden keine stitium des Nierenmarks ab.
Hormone hergestellt. Die ADH-Neurone werden von Osmorezeptorzellen in
ihrer Nähe hemmend oder stimulierend beeinflusst. Es han-
Oxytocin Oxytocin ist ein Nonapeptid tmd steht im delt sich tun Nettrone, die außerordentlich empfindlich auf
Dienste der Reproduktionsbiologie, es stimuliert das Aus- Veränderungen der Plasmakonzentration des Natriums an-
pressen der Milch aus den Milchdrüsen der Brust und be- sprechen.
wirkt Kontraktionen der Gebärmutter (Wehen) tmter der Des l.Neiteren stimuliert ADH die Kontraktion der Gefäß-
Gebttrt. muskulatur (daher das Syn. Vasopressin).
ADH ADH ist auch ein Nonapeptid tmd erflillt seine Auf- Klinik Ein ADH-Mangel kann z. B. durch traumatische
gaben vor allem in der Niere, wo unter seinem Einfluss die Zerstörung des Hypophysenstiels mit dem Tractus hypo-
Wasserrückresorption in den Sammelrohren und in den thalamohypophysialis entstehen. ADH-Mangel führt zum
Endabschnitten des gewtmdenen distalen Nierentubulus Krankheitsbild des Diabetes insipid us, das durch Ausschei-
stattfindet. Es dient also der Reduktion der Wasserausschei- den großer Mengen (zwischen 3,5 I und maximal bis gegen
dung und damit der Harnkonzcntrierung und hat somit 40 I) an hypotonem Urin gekennzeichnet ist.
einen antidiuretischen (Anti-Harnfluss-)Effekt. ADH bin-
det an einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor in der basa-
11.3 Hypothalamus-Hypophysen- System 3 55
I Hypothalamus I
Nucleus
supraopticus
Nucleus
paraventricularis
.. -.....
'
'
'•
'0
Chiasma
opticum
A. '
hypophysialis'
superior
A.
, hypophysialis
inferior
Ein Beispiel für ein Steuerhormo n ist das TRH ('lhyro tro-
pin-Releasing-Hormon), ein Tripeptid (pyro-Glu-His-Pro-
NH2)o das die 1hyrotropin(= TSH)-Abgabe, aber auch die
Prolactinsekretion in der Adenohypophyse stimuliert
c
Abb. 11.7 Zwei Perikarya
im Ncl. paraventricularis. 11.3.2 Hypophyse
Die Hypophyse wiegt ca. 600 mg und ist ein annähernd ha-
selnussgroßes Organ in der Sclla t urdca des Os Sphenoidale
(Keilbeins), wo sie in einem beso nderen Kompartiment zwi-
Steuerhormon produzierende Neurone schen innerem und äußerem Blatt der Dura mater gelagert
Kleinere Perikarya verschiedener hypothalamischer Kerne, ist. Sie liegt unmittelbar unter dem Hypothalamus, mit dem
auch solche des Nd. paraventricularis, bilden die Releasing- sie strukturell und funktio nell eng verbLmden ist (Abb. 11.5,
(Liberine) oder Inhibiting-Hormone (Statine) für adenohy- Abb. 11.6). Die Hypophyse besitzt eine komplexe Gefaßver-
pophysäre Hormone, d. h., sie fördern oder hemmen die sorgung: links und rechts je eine obere und untere Hypo -
Sekretion der H ormone in der Adenohypophyse. Die Relea- physenarterie und spezielle Pfortadergefaße aus der Emi-
sing- und Inhibiting-Hormone werden axonal in die Emi- nentia mediana (Hypophysenstiel).
nentia mediana transportiert, wo sie in spezielle Blutkapilla- Die Hypophyse besteht aus 2 Teilen mit ganz unter-
ren abgegeben werden. Die Hormone gelangen dann über schiedlicher Struktur und Entwicklung:
Portalgefeiße in die Adenohypophyse, wo ihre Zielzellen lie- • Adenohypophyse (epithelialer Aufbau, Hypophysenvor-
gen (Abb. 11.6). Alle adenohypophysären Hormone werden derJappen [HVL] = Lobus antcrior)
pulsatil freigesetzt. • Neurohypophyse (Aufbau aus Nervengewebe, Hypophy-
356 11 Endokrine Organe
senhinterJappen [HHLI = oft auch LobtiS posterior ge- In allen Regionen kommen ttoregclmäßig gestaltete knäuel-
nannt). oder strangfdrmige Gruppen endokriner Zellen vor, die von
einer Basallamina und zartem retikulärem Bindegewebe
umgeben sind ttod in einem Netzwerk weiter sinusoidaler
Adenohypophyse Kapillaren von Blut urriSpült werden. Wie in den anderen
endokrinen Organen sind die Kapillaren sehr diinnwandig
Entwicklung ttod fenestriert.
Die Adenohypophyse entsteht embryonal aus der Rathke-
Tasche des ektodermalen Rachendachs, die pluripotente Pars distalis Die Pars distalis bietet das typische Bild der
Stamm.zcllcn enthält, deren Differenzierung von verschiede- Adenohypophyse mit dicht gepackten Knäueln od er ge-
nen Transkriptions- und Wachsturnsfaktoren gesteuert wundenen Strängen endokriner Zellen. Hier kommt die
wird. Es kommt dabei zur En twicklung spezifischer Zell- Masse der Honnon bildenden Zellen vor.
linien. Der Transkriptionsfaktor Pit-1 bestimmt z. B. die zell-
spezifische Expression von GH, PRL und TSH in somato-, Pars intermedia Die Pars Intermedia (Mittellappen =
lacto- und thyreotropen Zellen. Enthalten dann Zellen mit Zwischenlappen) bildet die Grenu.one der Adeno- zur
Pit-1 im Zytoplasma z. B. viele Östrogenrczeptoren, dann be- Neurohypophyse. In ihr findet man neben N estern baso-
giinstigt dies PRL-Exprcssion. Ausgereift besteht die Adeno- philer, vorwiegend MSH-bildender Zellen (s.u.) auch un-
hypophyse aus dicht gelagerten endokrinen Drüsenzellen. terschiedlich große follikuläre oder zystische Strukturen
(Abb. 11.9a). Die Zysten, die un terschiedlich groß sind, ent-
halten ein "Kolloid" genanntes proteinhaltiges Material. In
Regionen ihrer unterschiedlich gebauten epithelialen Wand kommen
Die Adenohypophyse wird in 3 unscharf begrenzte Regio- zilientragende Zellen vor. In manchen Bereichen grenzen
nen gegliedert (Abb. 11.8): baso- ttod azidophile Zellen an das Zystcnltm1en. Die Zys-
• Pars distalis (vorn gelegener Hauptteil der Adenohypo- ten werden zttmindest teilweise als Reste der Rathke-Tasche
physe) angesehen. Bei Kindern kann noch eine gröHere Hypophy-
• Pars intermcdia (Grenzgebiet zur Neurohypophyse, Mit- senhöhle als Rest der Rathke-Tasche attft.reten; in der Hin-
tellappen, Zwischenlappen) terwand dieser Höhle kommen lokal zilientragende Epi-
• Pars tuberalis (Tricbterlappen, legt sich dem Hypophy- thelzellen vor, in der Vorderwand der Höhle befinden sich
senstiel an). typische baso- und azidophile Zellen. Bei vielen Säugetieren
Abb. 11.8 Hypophyse, Sagittalschnitt Pars distalis (1), tuberalis (3) und intermedia (2) bilden zusammen die Adenohypo-
physe, 4 Neurohypophyse. Mensch; Färbung: Azan; Vergr. 12-fach. (Präparat B. Romeis, München)
11.3 Hypothalamus-Hypophysen-System 3 57
fehlen solche Zysten und der Mittellappen besteht aus dicht Azidophile Zellen
gepackten, basophilen endokrinen Zellen und ist deutlich Zelltypen Die meisten endokrinen Zellen sind azidophile
von der Pars distalis abgesetzt (Abb. 11.9b ).
Zellen (mit saur en Farbstoffen an färbbar). Das Zytoplasma
enthält Granula, die sich mit Eosin, Phloxin tmd anderen
Pars tuberaUs Die Pars tuberalis besteht aus wenigen
Farbstoffen rot anfachen (Abb. ll. lOa). Es lassen sich lakto -
Zellschichten ganz überwiegend basophiler Zellen, die sich
trope und somatotrope azidophile Zellen unterscheiden,
dem Hypophysenstiel außen anlegen.
die eine gemeinsame Vorlättferzelle besitzen:
• Laktotrope Zellen: Sie machen 20~ der Adenohypo-
Zellen physenzellen aus und sezernieren Prolactin. In der
Schwangerschaft steigt ihre Zahl - durch Östrogen indu-
Unter den dichtgepackten endokrinen Zellen der Adenohy- ziert - auf bis zu 70~ der Adenohypophysenzellen an.
pophyse werden lichtmikroskopisch 3 Zellgruppen unter- Die Sekretionsgranula sind relativ groß (bis zu 700 nm
schieden: Durchmesser) und besitzen ein e etwas unregelmäßige
• azidophile Zellen Gestalt. Sie sind bei Männcrn deutlich seltener als bei
• basophile Zellen Prauen.
• chromophobe Zellen. • Somatatrope Zellen: Sie bilden das Wachstmnshonnon
(Somatotropin, somatotropes Hormon [STHJ = "growth
Die Begriffe azidophil und basophil beziehen sich hier auf
hormone" [GHJ) und machen ca. 50 ~ der Adeno-
Färb eeigenschaften der Zytoplasmatischen hormonhaltigen hypophysenzellen aus (Abb. l l.IOb), deren Aktivität mit
Sekretionsgranula (Abb. l l.lOa). Azido- und basophile Zel-
zunehmendem Alter zttrückgeht. Ihre Granula sind
len werden auch unter dem Begrifr chromophile Zellen zu- rundlich und messen ca. 300 - 350 nrn im Dttrclunes-
sammengefasst. Thnen stehen die seltenen chromophoben
ser.
Zellen gegenüber. Alle Zellen können überall in der Adeno-
hypophyse gefunden werden. Die zahlreichen AzidephiJen
Merke Laktotrope Zellen sezerni eren Prolactin, somato-
kommen jedoch lateral und in den hinteren Abschnitten der
trope Zellen W achsttunshormon.
Adenohypophyse besonders häufig vor. Die zum Teil recht
großen BasephiJen sind zentral und vorn konzentriert. Die
gonadotropen Zellen, die zu den Basophilen gehören, sind Hormone Prolactin tmd Wachstumshom1on weisen mo-
lateral relativ häufig. Oft dringen Basophile in die Neurohy- lekulare tmd funktionelle Homologien attf und gehen auf
pophyse ein (Basophilenlnvasion). ein gemeinsames Vorläufermolekül zurück; verwandte
Den azido- und basophilen Zellen gehören unterschied- Hormone werden im Synzytiotrophoblasten der Plazenta
liche H ormon bildende Zellen an, die spezifisch mit immun- gebildet. Eigenschaften von Prolactin und Wachsttuns-
histochernischer Methodik dargestellt werden können hormon sind in Tabelle 11.1 zusanunengestellt.
(Abb. ll.lOb, c).
a b
Abb. 11.9 Pars Intermedia der Hypophyse. a: Übersicht über die Parsintermedia des Menschen mit größeren Zysten(* ).
1 Pars distalis der Adenohypophyse; 2 Neurohypophyse, in den Basophile eingewandert sind (-+). Färbung: Chromhäma-
toxylin-Phloxin; Vergr. 110-fach. b: Hypophyse der Katze mit deutlich abgesetzter Parsintermedia (P.I.), 1 Pars distalis der
Adenohypophyse, 2 Neurohypophyse. Färbung: Azan, Vergr. 250-fach. Präparate Prof. B. Romeis, München.
358 11 Endokrine Organe
d
Abb. 11.10 Adenohypophyse, lichtmikroskopische Präparate; Mensch. a: H. E.-Färbung mit azidophilen (rot, *) und
basophilen (violett-blau, .... ) Zellen; einzelne chromophobe Zellen (ungefärbt, ~); 1 sinusoidale Kapillaren. Vergr. 260-fach.
b: Immunhistochemischer Nachweis von Wachstumshormon (Rotfärbung positiv reagierender Zellen). Vergr. 450-fach.
c: Azidophile (rot) und Basophile (blau) in verschiedener Größe und Farbintensität; 1 Sinusoidale Kapillaren. Färbung: Azan,
Vergr. 450-fach. d: Sternzellen (schwarz) in der Adenohypophyse. Färbung: Versilberung nach Hortega, Vergr. 450-fach.
e: Adenohypophyse mit einer Gruppe kleiner azidophiler Stamm- bzw. Vorläuferzellen (~). Färbung: H. E., Vergr. 450-fach.
(Präparate (außer b] Prof. B. Romeis, München)
11.3 Hypothalamus-Hypophysen-System 3 59
Tab. 11.1 Prolactin und Wachstumshormon (GH) als Hormone der az; dophilen Zellen.
FSH und LH FSH pulsatil alle • GnRH steuert Synthese und Sekretion
• !j?: reguliert die Entwicklung der 60- 120 Minuten • Rückkopplung über ÖStrogene und
ovariellen Follikel und stimuliert Testosteron
die Östrogenbildung • Gonadenpeptide Inhibin (hemmt)
• &: stimuliert die Entwicklung der und Aktivin (stimuliert) beeinflussen
Tubuli seminiferi und reguliert die FSH-Freisetzung
Spermatogenese
LH
• !j?: veranlasst Owlation und Auf-
rechterhaltung des Corpus luteum
• &: reguliert Testosteronsynthese
und -sekretion in den Leydig-Zellen
TSH stimuliert die Synthese und Freiset- pulsatil relativ niedrige • TRH stimuliert Syn these und Sekretion
zung der Schilddrüsenhormone Amplitude (TSH hat rela- • Schilddrüsenhormone, Dopamin
tiv lange Halbwertszeit) und Glucocorticoide unterdrücken die
TSH-Sekretion
ACTH • stimuliert in der Nebennierenrinde • pulsatil mit typischem • stimuliert durch (Adreno-)Cortico-
ganz überwiegend die Sekretion des zirkadianem Rhythmus tropin-Releasing-Hormon (CRH) und
Cortisols in der Zona fasciculata • höchste Sekretion Arginin-Vasopressin (AVP = anti-
• wesentlich für die Stoffwechsel- morgens um 6 Uhr, diuretisches Hormon, ADH)
Homöostase und bei der neuro- Sekretionstiefpunkt • gehemmt durch Glucocorticoide
endokrinen Stressreaktion um Mitternacht
«-MSH stimuliert Melanozyten, wodurch die
Haut stärker pigmentiert wird
dem humanen Choriongonadotropin (hCG), alle vier sind zum Teil mit Gliazellen verglichen und reagieren positiv
Glykoproteine, die je eine cx.- und ß-Untereinheit besitzen. mit dem S-100-Antigen, das auch mit Gliazellen reagiert
Die cx.- Untereinheit ist bei all diesen Hormonen gleich, die Sie lassen sich gut mit Versilberungstechniken darstellen
Spezilität liegt in der ß-Untercinheit. ACTH ist ein Poly- (Abb. ll.lOd).
peptidhormon, es entsteht aus dem Vorläufermolekiü Pro-
opiomelanocortin (POMC), aus dem auch andere Peptide Merke Die Adenohypophyse ist aus Epithelzellen aufge-
mit Hormonwirkung hervorgehen: ß-Lipotropin, ß-Endo- baut, die sich 3 Zelltypen zuordnen lassen, den azidophi-
rphin, Met-Enkephalin und Melanozyten stimulierendes len Zellen (rot gefarbt, Mehrheit der Zellen, bilden Pro-
Hormon (MSH). lactin und Wachstmnshormon), den basophilen Zellen
(blau-violett gefarbt, bilden die Hormone ACTH, MSH,
Chromophobe Zellen TSH, LH und FSH) und den chromophoben Zellen (tm-
Chromophobe Zellen können mit keinem der gebräuch- gefärbt, erschöpfte, inaktive Zellen + Statn.JUZellen +
lichen Farbstoffe angef<irbt werden, da ihnen Granula fehlen, Sternzellcn). Die Hormon bildenden Zellen bilden kleine
die für eine Farbreaktion verantwortlich sind (Abb. ll.lOa). Gruppen und werden von einem dichten Netz weitlumi-
Sie sind unscharf definiert. Thnen gehören vermutlich vor ger Kapillaren umgeben.
allem erschöpfte, degranulierte endokrine Zellen, aber auch
Statn.JUZellen und die Sternzellen an:
• Stamm- und Vorläuferzellen sind klein, besitzen wenig
Neurohypophyse
Zytoplasma und einen relativ großen hellen Kern. Sie bil-
den Nester zwischen den chromophilen Zellen. Bei Säug- Die Neurohypophyse ist Teil des Hypothalamus tmd daher
lingen beherrschen sie das histologische Bild, dann nimmt aus Nervengewebe aufgebaut. Sie besteht im Wesentlichen
ihre Zahl stetig ab, sie bleiben aber auch bei alten Men- aus der Eminentia mediana und - terminal - dem Lobus
schen erhalten. nervosus (= Neurohypophyse = Hypophysenhinterlappen
• Die Sternzellen kommen einzeln zwischen den endokri- im engeren Sinn). Im Folgenden wird nur der regelmäßig in
nen Drüsenzellen vor, können aber auch kleine follikuläre Histologiekursen gezeigte Lobus nervosus beschrieben.
Strukturen aufbauen und werden daher auch follikuläre Das Gewebe des Lobus nervosus besteht aus einzelnen
sternförmige Zellen genannt. Thre Punktion ist nicht be- Gliazellen (Pituizyten) sowie Massen von Nervenzellfortsät-
kannt Sie enthalten keine Sekretionsgranula. Die Stern- zen, deren Perikarya im Hypothalamus (Nd. supraopticus
zellen bilden lange Portsät1..c zwischen den Drüsenzellen und Nd. paraventricularis) liegen. Oie Nervenzellfortsätze
aus; die Fortsätze grem..en auch an Blutgefaße. Sie werden (Axone) enthalten in 100 - 300 nm großen Granula die Neu-
11.4 Epiphyse s Pinealorgan 361
a b
Abb. 11.12 Neurohypophyse. a: Lichtmikroskopie. Darstellung des feinen Geflechts quer und längs geschnittener neuro-
sekretorischer Fasern (tiefblau gefärbt, .... ). Einige dieser Fasern sind stellenweise verdickt, hier stauen sich die Neurosekrete.
Erythrozyten in Blutgefäßen sind rot gefärbt(*); Zellkerne(~) gehören den Gliazellen (Pituizyten) der Neurohypophyse an.
Mensch; Vergr. 460-fach. b: Elektronenmikroskopie. Granulahaltige Endigungen (1) an einer Kapillare (2) mit fenestriertem
Endothel (E). Tenre k, Vergr. 15 500-fach. (Präparat Prof. H. Künzle, München)
rohormone ADH oder Oxytocin, die in den Perikarya syn- nula können lokal in den Axonen angestaut werden, was zu
thetisiert werden. Die Axone enden in großer Zahl an fenes- Anschwellungen in den Axonen führt, die Herring-Körper
trierten weiten Kapillaren (Abb. l l.l2b). Die Freisetzung genannt werden.
der Hormone erfolgt exozytotisch und ist abhängigvon lang
andauernden Aktionspotenzialen und Calciwn. Die Träger-
Merke Die Neurohypophyse ist aus Nervengewebe aufge-
proteine (Neurophysine) der Honnone lassen sich in den
baut In ihr enden Axone neurosekretorischer Ncuronc
Axonen lichtmikroskopisch u.a. mit Aldehydfuchsin und
des Hypothalamus, die hier Oxytocin und antidiureti-
Chrom-Hämatoxylin {Abb. ll.l2a) oder spezifisch mit im-
sches Hormon ins Blut abgeben.
munhistochemischer Methodik darstellen. Die H ormongra-
Aufba u Die Epiphyse {Pinealorgan, Zirbeldrüse, Corpus Funktion Das Corpus pineale ist primär ein lichtrezepti-
pineale, Epiphysis cerebri) ist eine kompakte, ca. 1 cm lange ves tmd Hormon bildendes Organ, das bei vielen Tieren die
ovoide Ausstülpung in der Mittellinie am hinteren Ende Gonadenaktivität mit dem Rhythmus der Jahreszeiten ab -
des Zwischenhirndachs. Sie besteht aus Pinealozyten, inter- stimmt. Auch beim Menschen ist das Hauptprodukt der
stitiellen Zellen (Gliazellen), zahllosen Nervenfasern und Zirbeldrüse das Melatonin, ein Hormon, das sich vom Se-
Blutkapillaren. Das aus den Pinealozyten und Gliazellen rotonin herleitet und von den Pinealozyten gebildet wird.
bestehende Parenchym bildet Zellnester und -stränge Dunkelheit fiihrt zu vermehrter Bildung von Melatonin, das
(Abb. ll.l3a). Diesewerden durch netzartige Bindegewebs- also in der Nacht in höheren Blutkonzentrationen als am
formationen mit zahlreichen Blutgefäßen, die aus der Tag vorliegt. Höhere Melatoninspiegel unterdrücken auch
Pia mater kommen, getrennt. Zwn Teil enthält die Epi- die Gonadenaktivität Das Organ wird in einem zirkadia-
physe unterschiedlich geformte kalkhaltige Konkremente nen Rhythmus gesteuert und steht auch mit dem Nd.
(Abb. ll.I 3b). Außen ist sie von Leptameninx bedeckt, suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus, dem "zentra-
vom 3. Ventrikel können schmale Spalträume in das Organ len Zeitgeber" der zirkadianeo Periodik, in neuronaler Ver-
eindringen. bindung. Der SCN ist außerdem monosynaptisch mit der
3 62 11 Endokrine Organe
a b
Abb. 11.13 Epiphyse. a: Normale Region mit spezifischen Zellsträngen (.... ) und Blutgefäßen (-+ ). Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 480-fach. b: Region mit Konkrementen (Himsand, Acervulus; -+). Färbung: H. E.; Vergr. 280-fac h.
Retina verbunden (Retina-hypothalamischer Trakt). Mela- sentUchen aus Hydroxylapatit Sie sind auf Röntgenauf-
tonin ist außerdem ein Antioxidans, das vor Sauerstoffradi- nahmen erkennbar tmd zeigen die Lage der Epiphyse an,
kalen schlitzt. die auf der Mittellinie des Gehirns liegt.
~+===t:==:::::
Abb. 11.14 Zellen der Abb. 11.15 Zelluläre Komponenten der Epiphyse
Epiphyse. (Schema).
11.5 Schilddrüse 363
Merke Pincalozyten sind, phylogenetisch gesehen, pri- KUnik Die Verlagerung der im Röntgenbild erkennbaren
mär typische Lichtrezeptorzellen und bilden das Hormon Epiphyse nach einer Seite lässt auf Tumoren der anderen
Melatonin. Sie werden von interstitiellen Zellen ( = astro- Seite des Gehirns oder der Hirnhäute schließen. Bösartige
zytären Gliazellen) umgeben. Tumoren der Epiphyse selbst treten typischerweise bei Kin-
dern und jungen Erwachsenen auf.
11.5 SchUddrüse
- - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die mikroskopischen Baueinheiten der Schilddrüse sind (T4) und Trijodthyronin (T3 ). Diese Honuone entstehen
die Schilddrüsenfollikel, deren Wand aus dem einschieb- aus einem großen Vorläuferprotein, dem 1hyroglobulin.
tigen Follikelepithel besteht und deren Lumen das eosino- Im Epithel der Follikel liegt ein weiterer eigener Zelltyp,
phile Kolloid enthält. Die Epithelhöhe spiegelt unter- die C-Zelle, deren Hormon Calcitonin den Einbau von
schiedliche Zellaktivität wider. Die Follikelepithelzellen Calciwu in den Knochen fördert. Die C-Zellen wandern
bilden die jodhaltigen Schilddrüsenhormone 1hyroxin erst während der Entwicklung in die Schilddrüse ein.
Die Schilddrüse (GI. thyroidca) nimmt unter den endokri- sackformige Gebilde (Durchmesser 50-500 J..lm, oft wu
nen Org-anen zellbiologisch und entwicklungsgeschichtlich 200 J..lffi), die im Schnittpräparat vielfach einen rundlichen
eine Sonderstellung ein. Sie entstammt dem entodermalen Umriss zeigen (Abb. 11.16). Die Wand der Follikel besteht
Epithel des Rachenbodens. Die epitheliale Anlage verlässt aus einem einschichtigen, oft kubischen Epithel, dessen
am Ende des 1. Embryonalmonats die oberflächlich e Lage, Zellen der Produktionso rt der jodhaltigen Schilddrüsen-
wandert nach kaudal in die Tiefe und bildet am Übergang hormone sind. Das weite Lumen der Pollikel enthält eine
vom Kehlkopf zur Trachea ein individuell gestaltetes zwei- homogene zähflüssige Masse, das Kolloid. Es enthält die
lappiges Organ. Beim Erwachsenen liegen die Seitenlappen Speicherform des Schilddrlisenhom1ons, das Glykoprotein
seitlich an der Trachea und werden über ein unpaares Mit- Thyroglobulin.
telstück, den Isthmus, verbunden. Der spitze obere Pol der Das Follikelepithel wird außen von einer Basallamina be-
3-4 cm hohen Seitenlappen reicht bis in Höhe des Schild- grenzt. Ein dichtes Netz fenestrierter Blutkapillaren wu-
knorpels. Der Isthmus liegt der 2.-3. knorpeligen Tracheal- spinnt die Schilddrüsenfollikel (Abb. 11.17). Oft wölben sich
spange ventral an. Kapillaren ins Epithel vor. Auch Lymphkapillaren sind
häufig in Nähe der Follikel zu finden. Sie liegen ebenso wie
die Blutkapillaren in schmalen Bindegewebssepten zwischen
11.5.1 Schilddrüsenfollikel den Follikeln.
Die spezifischen strukturellen und funktionellen Einheiten
der ausgebildeten Schilddrüse sind die variabel gestalteten
11.5.2 Follikelepithelzellen
Schilddrüsenfollikcl. Es handelt sich dabei wu geschlossene
Morphologie
Lichtmikroskopie In den Follikelepithelzellen fällt im
lichtmikroskopischen H. E.-Präparat einer normalen
Schilddrüse eines Erwachsenen ein großer, rundlicher, eu-
chromatinreicher Zellkern auf. Das Zytoplasma ist basola-
teral oft basophilund apikal hellrosa geHirbt. Die Struktur
der Follikel und Pollikelepithelzellen variiert mit unter-
schiedlichen Funktionszuständen: In Phasen ausgeprägter
Hormonbildung (z. B. in der Kindheit) sind die Epithelzel-
len kubisch oder sogar prismatisch, die Pollikel sind eher
klein und enthalten relativ wenig Kolloid. Im Alter werden
relativ große Mengen an Hormon gespeichert. Das Epithel
ist eher niedrig, und die Follikel sind groß. Oft zeigen in
einer Drüse unterschiedliche Pollikclunterschiedliche Mor-
phologie.
Elektronenmikroskopie Ultrastrukturell (Abb. 11.18) transportieren. In einer aktivierten Drüse können auch gro-
deuten basolateral ztun Teil weitlumige Zisternen des rauen ße V esikel Kolloidmaterial in die Drüsenzellen mittels eines
ER, ein großer supranuklcärer Golgi-Apparat tmd eine be- phagozytoseähnlichen Prozesses aufnehmen, die dann Kol-
trächtliche Anzahl von großen Mitochondrien auf intensive loidtropfen genannt werden.
Synthesetätigkeit hin. Oie apikale Zellmembran bildet in Unter den elektronendichten Granula finden sich vor
mäßiger Zahl Mikrovilli und eine einzelne abortive Kino- allem Lysosomen in unterschiedlichen Funktionsphasen.
zilie aus. Oie basolateralen Zellmembranen bilden Inter- Größere Einschilisse mit heteromorphem Inhalt entspre-
digitationen und Einfaltungcn. Apikal sind zwischen den chen Verschmelzungsprodukten von apikalen Endozytose-
Zellen eine Zonula occludens, eine Zonula adhaerens und vesikeln oder Kolloidtropfen und Lysosomen, in denen
oft sehr große Dcsmosomen ausgebildet. Lateral sind des die aktiven SchilddrUsenhormone (überwiegend T4 ) aus
Weiteren Nexus (Gap junctions) zu beobachten. dem 1hyroglobulin des Kolloids enzymatisch freigesetzt
Vorwiegend im apikalen Zytoplasma sind zahlreiche un- werden.
terschiedlich große Granula und Vesikel vorhanden. Unter
den kleinen hellen V esikeln finden sich einerseits Transport-
Merke Oie Baueinheit der Schilddrüse sind die Schild-
bläschen vom rauen ER zum Golgi-Apparat und vom Golgi-
drlisenfollikel. Sie bestehen aus dem Follikelepithel und
Apparat zum Follikellumen und andererseits Transport-
dem im Inneren des Follikels gelegenen Kolloid.
bläschen, die Material aus den Follikellumen in die Zelle
Speicherung Resorption
im Kolloid des Kolloids
lodierung
des -------- .....
Thyroglobulins ~ - ----- - - --- ----
:' Follikellumen :'
· ---- -- --- - - ---~
0
0
Blutkapillare
Abb. 11.19 Hormonbildung und -freisetzung in der Schilddrüse. Schematische Darstellung wichtiger Schritte der Synthe-
se des Thyroglobulins (linke Bildhälfte) und der Resorption des thyroglobulinhaltigen Kolloids sowie der Freisetzung von T3
und T, (rechte BiWhälfte). Der TSH-Rezeptor liegt in der basalen Zellmembran der FoUikelepithelzeUen. Rechts unten Calcito-
nin bildende C-Zelle.
366 11 Endokrine Organe
11.5.3 ( -Zellen
Entwicklung Während der Embryonalzeit wandern beim
Menschen und bei anderen Säugetieren nettroektodermale
Zellen der Neuralleiste über die Anlage des Ult imobran-
chialkörpers in die Schilddrüse ein. Sie differenzieren sich a
hier zu einem eigenen endokrinen Zelltyp, den C-Zellen Abb. 11.21 C-Zelle.
11.6 Nebe nschilddrüse (Epithelkörperchen) 367
Klinik Bei den sehr bösartigen Schilddrüsenkarzinomen Merke Eine eigene Zellpopulation der Schilddrüse sind
ist die Schilddrüsenfunktion normal. Sie können vermehrt die C-Zellen. Sie bilden das Polypeptidhormon Calci-
nach einer Strahlungsexposition (z.B. nach Re-aktorunfällen tonin, das bei erhöhtem Blutcalciwuspicgel direkt ins Blut
oder Atombombencxplosionen) auftreten. Auch die C-Zel- abgegeben wird und den Calciumspiegel senkt.
len können Karzinome bilden (medullär e Schilddrüsenkar-
zinome).
Synthetisches Calcitonin kommt bei Osteoporose zur An-
wendung. Es hat oft analgetischen Effekt bei Knochen-
schmerzen. Das therapeutisch venvendete Calcitonin (v.a.
bei Osteoporose) ist das Calcitonin des Lachses.
Der Mensch besitzt 4 weizenkorngroße Nebenschilddrüsen allem das helle Aussehen des Zytoplasmas. Sie gelten als
(Gll. parathyroideae), die der Schilddrüse in paariger An- eher ruilende Zellen.
ordmmg angelagert sind. Ein Paar findet sich in variabler • Die dlmklen Hauptzellen enthalten mehr Zellorganellen
Lage dorsal am lLnteren SchilddrüsenpoL Das zweite Paar als die hellen und werden daher als die aktiveren Zellen
liegt an variabler Stelle dorsolateral an den Schilddrüsen-
lappen oder an deren oberem Pol. Die Epithelkörperchen
liegen oft innerhalb der Schilddriisenkapsel, können aber
auch außerhalb von ihr vorkommen. Nicht selten kom-
men Nebenschilddrüsen in atypischer (ektopischer) Lage
vor.
Das untere Nebenschilddrüsenpaar entstammt dem En-
toderm der 3., das obere Paar dem Entoderm der 4. Schlund-
tasche.
11.6.1 Morphologie
Das Epithelkörperchen weist lichtmikroskopisch im H.E.-
Präparat eine einfache Struktur auf (Abb. 11.22). Dich t gela-
gerte kleine bis mittelgroße Epithelzellen bilden Lmregelmä-
ßige Stränge lmd Knäuel, die durch zarte Bindegewebssepten
begrenzt werden. Pencstrierte Kapillaren sind zahlreich .
Mitunter findet man kleine follikelähnliche Formationen.
Ab der Pubertät treten mit fortschreitendem Alter mehr lmd
mehr univakuoläre Pettzcllen im Drüsengewebe auf. Im Par-
enchym der Epithelkörperchen lassen sich Haupt- und oxy-
phile Zellen unterscheiden. Allerdings kommen auch alle
möglichen Zwischenfom1cn zwischen Haupt- und oxyphi-
len Zellen vor. Daraus lässt sich schließen, dass in den Epi-
thelkörperchen nur ein Zelltyp vorherrscht, der verschie-
dene flmktionelle Phasen durchlaufen kann.
a
c Abb. 11 .24 Oxyphile
Abb. 11. 23 Hauptzellen Zellen des Epithelkörper-
des Epithelkörperchens. chens.
angesehen. Dichte rundliche Sckretionsgranula (Durch- Hormonrezeptor Der PTH-Rezeptor der Zielzellen weist
messer 200-400 nm) sind aber insgesamt relativ selten große extrazelluläre Domänen, 7 Transmembrankompo-
und kommen vor allem in der Zellperipherie vor. nenten und tunfangreiche intrazelluläre Domänen auf. Der
Rezeptor bildet einen Komplex mit Adenylatcydase und
Bei normalen Erwachsenen sind 70 - 80~ der Hauptzellen G-Protein. Interessanterweise gibt es wesentlidle Überein-
helle (ruhende) Zellen. st.im.Jmmgen zwischen PTH- und Calcitoninrezeptor. Ähn-
liche Rezeptoren besitzen u. a. auch Glucagon, Sekretin ttnd
Oxyphile Zellen Die recht großen oxyphilen Zellen vaseaktives intestinales Peptid.
(Abb. ll.22, Abb. ll.24) besitzen im H.E.-Präparat ein röt-
liches (azido- = oxyphiles) Zytoplasma und einen dichten
kleinen Kern. Die Azidophilie entspricht hier einem hohen
Gehalt an Mitochondrien, dessen Ursache und biologischer Vitamin D,
(Cholecalciferol)
Sinn unklar sind. Diese Zellen treten erst in der späten
Kindheit auf und machen weniger als 3~ der Epithelzellen
aus.
Leber
(25-Hydroxylase)
Merke Die Epithelkörperchen bestehen aus dicht gelager-
ten Knäueln von Epithelzellen. Dabei handelt es sich um 25-(0H)-0 3
Hauptzellen, die beim Erwachsenen überwiegend nur (Calcidiol)
mäßig aktiv sind und relativ viel Glykogen im Zytoplasma
besitzen. Eine seltenere Variante der Hauptzellen sind die
großen mitochondrienreichen oxyphilen Zellen.
11.6.2 Parathormon
Niere
Die Epithelzellen der GJI. parathyroideae bilden und sezer- (1.25-Hydroxylase)
nieren das Parathonnon (PTH, Parathyrin). Das Parathor-
mon ist ein relativ großes Polypeptid aus 84 Aminosäuren,
die aber nicht alle flir die biologische Wirksamkeit des Hor-
t
PTH
mons erforderlich sind.
11.7 Nebenn;ere
- - - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die Nebenniere besteht aus 2 verschiedenen Anteilen mit • der Zona fasciculata (bildet Glucocorticoide, z. B. Corti-
tmterschicdlicher Entwicklung, dem Nebennierenmark so!)
tmd der Nebcnniercnrinde. Das Mark ist aus dicht gepack- • der Zona reticularis (bildet neben Glucocorticoiden
ten polygonalen Zellen aufgebaut, die ganz überwiegend auch männliche Geschlechtshormone).
Adrenalin und zu geringem Teil auch Noradrenalin bil-
den. Auffallend sind außerdem große Drosselvenen tmd Die Epithelzellen der Nebennierenrinde, ganz besonders
einzelne Ganglienzellen. Die Rinde besteht aus 3 Schich- der Zona fasciculata, sind wie alle Steroidhormon bildende
ten Steroidhormon bildender Zellen: Zellen gekennzeichnet dttrch Einlagerung von Lipid trop-
• der Zona glomerulosa (bildet Mineralocorticoide, ins- fen, viel glattes ER und tubuläre Mitochondrien.
besondere Aldosteron)
Linke und rechte Nebenniere (GI. suprarenalis) liegen kap- Die Nebennierenrinde durchläuft vor und nach der Geburt
penformig am oberen Pol in der Fettkapsel der Nieren. Sie ausgeprägte Umwandltmgsprozesse. Ihr größtes relatives
werden ungewöhnlich gut mit Blutgefäßen versorgt (je- Gewicht hat sie im 4. Embryonalmonat
weils 3 getrennte zufUhrende Arterien, aber nur eine ab-
fuhrende Vene). Jede Nebenniere ist ca. 1 cm dick und misst
11.7 .1 Nebennierenrinde
in der größten Ausdehnung von medial nach lateral meh-
rere cm. Die Nebennierenrinde wird von einer Kapsel bedeckt, von
der aus zarte gefaßreiche und nervenfaserfUhrende Binde-
Rinde und Mark Die Nebennieren bestehen aus 2 ent- gewebssepten in die Tiefe ziehen. Die Rinde wird in die
wicklungsgeschichtlich und funktionell unterschiedlichen 3 Zonen gegliedert, die kontinuierlich ineinander übergehen
Anteilen, der Nebennierenrinde tmd dem Nebennieren - (Abb. 11.26, Abb. 11.27, Abb. 11.28):
mark (Abb. 11.26, Abb. 11.27). Diese 2 Anteile bilden bei • Zona glomerulosa
vielen sog. niederen Wirbeltieren getrennte Organe. Aus • Zona fasciculata
folgenden Gründen erschein t die enge rätm1liche Nähe, wie • Zona reticularis.
sie bei Mensch und Säugetieren vorliegt, vorteilliaft: Ftmk-
tionell arbeiten Rinde und Mark bei der "Stressreaktion" In allen 3 Zonen werden aus der Ausgangssubstanz Chole-
eng zusammen. Glucocorticoide der Rinde induzieren sterin chemisch verwandte Stcroidhormone unterschiedli-
möglicherweise im Mark die Entstehung der Adrenalin bil- cher Ftmktion gebildet, was sich in einer ähnlichen Morpho-
denden (A-)Zellen aus Noradrenalin bildenden (NA-)Zel- logie aller endokrinen Zellen der Rinde widerspiegelt: Sie
len. Steroide der Nebennierenrinde halten offenbar die sind reich an glattem ER tmd Mitoch ondrien, die meistens
endokrine Natttr der Markzellen aufrecht, die sich ohne vom tubulären Typ sind.
Glucocorticoide in fortsatztragende Neurone ttrnwandeln.
Die Rinde (Kortex) macht ca. 80 ~ des Organs aus und ist in
Zona glomerulosa
vivo aufgrtmd ihres Lipidreichtums von gelblicher Farbe.
Der kleinere Markanteil (Medulla) ist von graurötlicher Morphologie Die außen gelegene Zona glomerulosa ist
Farbe. Im höheren Alter werden Außen- und Innenzone relativ schmal. Die endokrinen Zellen bilden knäuel- oder
der Rinde auffallend dünn. Rinde tmd Mark sind reich mit bogenformige Fonnationen (Abb. 11.28). Unmittelbar un-
weiten fenestrierten Blutkapillaren versehen, an die jede ter der Kapsel sind die Zellen relativ klein und entsprechen
Hormon bildende Zelle direkt angrenzt. zum Teil Stammzcllen. Die Zellen sind im H.E.-Präparat
überwiegend azidophil (Rotfärbung). Ihre Kerne sind klei-
Entwicklung Die Rinde entsteht am Ende des 1. Embryo- ner tmd dunkler als die der Zona fasciculata. Sie enthalten
nalmonats aus dem Zölomepithel der dorsalen Abdominal- relativ wenig Lipidtropfen und sind oft sehr mitochon-
höhle. Die Vorläufer des Marks entstammen der Neural- drienreich (Abb. ll.29), wobei ungewöhnlich ist, dass die
leiste und entsprechen Vorstufen sympathischer Neurone, Mitochondrien ganz überwiegend Cristae bilden.
die im 2. Embryonalmonat in die Nebenniere einwandern.
370 11 Endokrine Organe
-- Rind&
,...,-:;,,.,.--- Mark
Arterie
Zona
Mineralo-
kortikolde
Zona
fasciculata
IRindei
Glukokortikoide
Zona
retlcularls
Zona fasciculata
Morphologie Die breite mittlere Zona fasdculata besteht
aus radiär angeordneten polygonalen oder ovalen Zellen
(Abb. ll.28, Abb.ll.30) mit kugeligen hellen Kernen
(Abb. ll.28, Abb.ll.31). Alle Zellen besitzen Lipidtropfen
und ein reich entwickeltes glattes ER (Abb. 11.31a). Die
Mitochondrien sind groß und vom tubulären Typ
(Abb. ll.31b). Verbreitet kommen auch Lysosomen vor.
Abb. 11.26 Nebenniere (Schema des Aufbaus). Die Media Golgi-Apparat und raues ER sind relativ klein bzw. gering
größerer Markvenen bildet unterschiedlich dicke Wülste entwickelt. Der Reichtum an hellen Vakuolen, die durch
glatter Muskulatur, die Drosseleinrichtungen darstellen. Herauslösen der Fetttropfen bei der Einbettung entstehen,
Diese Mus kulatur ist nicht nur zirkulär, sondern auch spiralig ist flir den "schaumigen" Eindruck im lichtmikroskopischen
und sogar längs angeordnet. Das Mark wird von Kapillaren Routinepräparat verantwortlich (Abb. 11.28, Abb. 11.31a).
und Venolen der Rinde, aber auch von direkt in das Mark
einstrahlenden Arteriolen versorgt. Glucocorticoide Die Zellen der Zona fasdculata bilden
Glucocorticoide mit Cortisol (= Hydrocortison) als
Hauptrepräsentanten. Sie haben vielfciltige Funktionen, die
auch in Wechselwirkung mit den Catecholaminen des
Marks stehen. Dies ist z. B. im Rahmen der Stressreaktion
Mineralocorticoide In der Zona glomerulosa entsteht das wichtig. Sie steigern den Blutzuckerspiegel, beeinflussen den
Mineralocorticoid Aldosteron, dessen Hauptfunktion dar- Proteinstoffivechsel katabol, regulieren die Mobilisierung
in besteht, vor allem in der Niere Natriumverluste auszu- von Fettsäuren, beeinflussen den Wasserhaushalt, steigern
gleichen. Aldosteron steht nur zu einem geringen Teil unter die Herztätigkeit und Magensaftbildung und unterdrücken
dem Einfluss des ACTH (Kap. 11.3.2), es bildet mit Angio- die Entziindungsreaktion. Die Glucocorticoidbildung wird
tensin II und Renin eine funktionelle Einheit. von ACTH gesteuert.
11.7 Nebenniere 371
c
Abb. 11.29 Zona glomeru-
Losa.
c
Abb. 11.30 Nebennieren-
rinde.
Hormone
Adrenalin steigert u. a. die Herzfrequenz, fördert den Abbau
von Glykogen und die Freisetztmg von Fettsäuren. Dadurch
werden für die Energiegewinmmg geeignete Substrate be-
reitgestellt. Htmgergefiihl wird unterdrückt.
Im Epithel mancher Organsysteme gibt es zahlreiche einzel- Zellen vor, deren Gesamtheit das gastro-entero-pankreati-
ne ("disscrninierte") endokrine Zellen, die Polypeptidhor- sche (GEP) endokrine Einzelsystem bildet (Abb. 11.35). Es
mone mit lokaler Wirkung bilden. Solche Zellen kommen handelt sich um das größte endokrine System des Körpers.
im Atmungs-, Urogenital- tmd vor allem im Verdauungs- Hierzu werden aus entwicklungsgeschichtlichen tmd funk-
trakt vor (Abb. 11.35). Nur das System der disseillinierten tionellen Gründen auch die Langerhans-Inseln im Pankreas
gastro-entero-pankrcatischen endokrinen Zellen im Ver- gezählt. Dem System gehören nach derzeitigen, Wissen ca.
dauungstraktsoll hier kurz besprochen werden. 20 verschiedene Zelltypen an, die Polypeptidhormone und
(seltener) biogene Amine bilden (Tab. 11.3).
11.8.1 Endokrine Zellen im Magen- Darm-Trakt Hormone Mehrheitlich sind die Hormone lokal aktiv und
Im Oberflächen- tmd Drüsenepithel von Magen, Dfmn- und regulieren die Verdauungstätigkeit (Tab. 11.3). Die Hor-
Dickdarm, Gallenwegen und Pankrcasg'ängen kommen ver- mone Insulin und Glucagon der Langerhans-Inseln wirken
streut zahllose (schätzungsweise 3 Milliarden) endokrine jedoch im gesamten Körper. Das Hormon Sekretin des
Magen,
Pars pylorica
Danndarm
··········
.··········-·······································
,•'
Dickdarm
Langerhans-
Insel im
Pankreas
Abb. 11.35 Endokrine Zellen des gastro-entero-pankreatischen Systems. Schematische Übersicht über Vorkommen und
Verteilung. (Nach [9))
11.8 System der disseminierten gastro-entero-pankreatischen endokrinen Zellen 375
Duodentuns und des Jejunums benutzt für seinen Trans- neomikroskopisch erkennbaren Sekretionsgranula besitzen
port von den Bildungszellen im Diinndann zu den Zielzel- in den unterschiedlichen Zelltypen verschiedene Gestalt
len in Pankreas, Leber und Magen über weitere Strecken (Abb. 11.37).
auch das Blutgefäßsystem. Einige Hormone des GEP-Sys-
tems können auch in Nettroncn gebildet werden. Die phy- Einteilung nach anderen Kriterien Die Bezeichmmg der
siologische Funktion dieser Hormone ist noch nicht in allen einzelnen endokrinen Zelltypen bezieht sich idealerweise
Fällen sicher aufgeklärt. auf das gebildete Hormon (Gastrin bildende Zellen = G-
Zellen). In anderen Fällen werden auch traditionell beste-
Transmitter Die Transmitter mancher Neurone des hende Abkürztmgen gebraucht, die aber nicht das Produkt
Magen-Darm-Trakts ähneln den Hormonen der endokri-
nen Zellen des Verdauungstrakts und beeinflussen Motili-
tät und Sekretion. Beispiele sind: Motilin, Substanz P und
Bombesin. Einzelne Peptide, z.B. das Somatostatin, werden
sowohl aus Nervenendigungen als auch aus endokrinen
Zellen, den O-Zellen der Magen- und Darmschleimhaut
und der Langerhans-Inseln, freigesetzt.
.
•
• •• s:•
•
• .
..· .• •. f ~ .• •'
-...
.• . ...···. y·-:' •. .
•
a
:
.}.•• l... "1
( b
'*
Abb. 11.37 Endokrine Zellen im Magen-Darm-Trakt. a: Endokrine ZeUe vom geschlossenen Typ (1) im Korpus des Magens
des Menschen. 2 HauptzeUe, * Lumen der Magendrüse. Vergr. 67 40-fach. b: Endokrine ZeUe vom offenen Typ (1) im Epithel
einer Kolonkrypte der Maus. Vergr. 3900-fach. (Präparat Dr. T. Nebelsiek, München) c: Zwei verschiedene endokrine Zellen (1)
vom offenen Typ im Kryptenepithel des Kolons des Menschen. 2 BecherzeUen,
4 Lamina propria. Vergr. 3860-fach.
* Kryptenlumen, 3 resorbierende EpithelzeUen,
11.8 Syst em der dissemi nie rten gast ro-entero-pankreatisc hen endokrine n Zellen 377
der Zellen widerspiegeln. So bilden die Enterochromaffin- ansamrnlungen, die aus 2000 - 3000 endokrinen Zellen ver-
like cells (ECL) das Histamin, sie werden neuerdings auch schiedenen Typs zusammengesetzt sind. Vereinzelt gibt es
H-Zellen genannt. Schon lange bekannt sind serotoninhal- "diffuse" Inseln aus langen gewnndenen Zellsträngen. Spe-
tige, sog. enterochromaffine Zellen (EC-Zellen), die vom ziell in solchen Inseln können die B-Zcllen sehr grog und
Pylorus bis zum Kolon verbreitet sind. ihre Kerne polyploid sein. Die Zahl der Inseln liegt vermut-
lich bei 1 - 2 Millionen, sie machen beim Erwachsenen ca.
1 - 3% der Masse des Pankre-c1sgewebes aus, beim Neuge-
Klinik Von den endokrinen Zellen des GEP-Systems kön-
borenenen ca. 10%. Die Langerhans-Inseln sind im Schwanz-
nen gut- und bösartige Tumoren ausgehen. Deren Sekrete
anteil des Pankreas häufiger als im Koplbereich. Die Inseln
können zu Symptomen fUhren, die durch exzessivabgegebe-
liegen meistens in einem Pankreasläppchen (Abb. 11.38).
nes Hormon oder Stenosebildungen gekennzeichnet sind.
Bekannt sind z. B. Gastrin bildende Tumoren, die vor allem
die HCI-Sckretion anregen und zu nicht heilenden Ulkus- Zelltypen der Langerhans-Inseln
bildungen im Magen und D uodenum führen.
Karzinoide sind meistens serotoninhaltige endokrine Es lassen sich 4 endokrine Insel7..clltypen nlit jeweils eigenem
Tumoren, die aber auch an dere hormonale Faktoren bilden Hormon unterscheiden: A-, B-, D- und PP-Zellen (Tab. 11.4).
tmd die nur langsam infiltrierend tmd metastasierend wach- Diese sind in den Langerhans-Inseln des Menschen nicht
gc1nz konstant angeordnet (Abb. 11.39), meist sind jedoch
sen. Sie vemrsachen verschiedenartige Symptome, danmter
tmregelmägig einschießende Hautrötungen und Hyper- A-Zellen peripher tmd B-Zcllen zentral konzentriert.
Lichtmikroskopisch sind sich die Zellen der Langerhans-
motilität des Darms nlit Krämpfen, Erbrechen tmd Durch-
fcillen. Insel relativ ähnlich (Abb. 11.38). Jmmunhistochemisch las-
sen sich die unterschiedlichen Zelltypen deutlich herausstel-
len (Abb. 11.40, Abb. 11.41). Im EM-Präparat zeigen sie
11.8.2 Langerhans-Inseln tmterschiedliche Granula (Abb. 11.42, Abb.11.43):
Die Langerhans-Inseln (Inselorgan) wurden 1869 vom • A-ZeUen: Sie sind größer als die B-Zellen und leicht azi-
20-jährigen Paul Langerhans im Rahmen seiner medizini- dophil. Ihre Granula sind im EM-Präparat mnd, nlit ho-
schen Doktorarbeit beschrieben. Ihre endokrine Funktion mogenem dichtem Inhalt, der von der Granultunmemb-
wttrde 1886 von Minkowski und Mehring entdeckt. ran durch einen kennzeichnenden helleren Ring getrennt
ist (Abb. 11.42c, d). Glucagon tritt mit einem Begleitpro-
tein, dem Chromogranin A, auf; nlit Antikörpern gegen
Aufbau dieses Protein lassen sich die A-Zellen immunhisto-
Die Langerhans-Inseln entsprechen dem endokrinen Anteil chernisch nachweisen (Abb. 11.40).
des Pankreas. Sie sind meist scharf begrenzte kleine, im • B-ZeUen: Die B-Zcllen bleiben im H.E.-Präparat blass
D urchmesser oft 50- 280 JJm (im posteroinferioren Pan- (Abb. 11.38), lassen sich aber nlit Aldehydfuchsin oder
kreaskopf vereinzelt bis an die 500 J.Ull) messende Zell- (wie die anderen Insclzellen) immunhistochenlisch selek-
zentroazinäre Zellen
Inselkapillare ---
interstitielles
Bindegewebe
Abb. 11.38 Langerhans-Insel im Pankreas, Zeichnung. Im H. E.-Präparat sind die A-Zellen oft etwas größer und azidophiler
als die 8-Zellen. Mensch; Vergr. 700-fach. (Aus [1])
3 78 11 Endokri ne Organe
,.-- Venolen --, • O-Zellen: Die Granula der D-Zellen sind relativ groß,
oft leicht oval und von mittlerer Elektronendichte (Abb.
11.43).
• PP-Zellen: Die seltenen PP-Zellen finden sich v.a. im
Pankre-askopf. Ihre Sekretionsgranula sind klein, rundlich
und elektr onendicht
Azinus
Zwischen den verschiedenen Inselzellen finden sich Nexus
und Desmosomen. Cholinerge und adrenerge Synapsen tre-
ten regelmäßig in den Inseln auf. Bei manchen Säugern ent-
halten die Inseln regelmäßig Perikarya vegetativer Neurone.
Hormone
Diewichtigsten Hormone der La ngerhans-Inseln (Tab.ll.4)
sind Insulin und Glucagon. Seide stehen in Beziehung zum
Kohlenhydratstoffi.vechsel.
'- - Arteriole
Insulin Insulin wird in den B-Zellen synthetisiert (Abb.
11.44) und pulsatil freigesetzt. Dies geschieht etwa alle
Abb. 11.40 A-Zellen der Langerhans-Inseln. Immun- Abb. 11.41 B-Zellen der Langerhans-Inseln. Immun-
histochemische Darstellung des Chromegranins in A-Zellen. histochemische Darstellung des Insulins. Die braun gefärbten
Die braun gefärbten A-Zellen sind oft am Rande der Insel B-Zellen bilden die große Mehrheit der Inselzellen. Mensch;
konzentriert, kommen aber auch im Innem der Inseln vor. Vergr. 280-fach. (Präparat: Prof. D. Grube, Hannover)
Mensch; Vergr. 280-fach. (Präparat: Prof. D. Grube,
Hannover)
11.8 System der disseminierten gastro-entero-pankreatischen endokrinen Zellen 379
[2 Gefäßversorgung
•.-....... ,. Abb. 11.43 O-Zelle. Die Inseln sind reich vaskularisiert. Oie Inselgefäße sind
sinusoidale (weitlumige) fenestrierte kapilläre Gefäße. Ein
bis drei afferente Gefäße (lnselarteriolen) versorgen eine In-
beim Diabetes mcllitus, fUhrt dazu, dass weniger Glucose- sel. Diese Gefäße können sich schon in der Inselperipherie
transporter gebildet und in die Plasmamembran eingebaut oder erst im Inselzentrwn in Kapillaren aufspalten, sodass
werden und Glucose nicht mehr in ausreichender Menge in die Inselzellen von der Oberfläche oder aus der Tiefe der
die Zelle transportiert werden kann. Insel versorgt werden. Es ist bisher nicht klar, ob die allge-
Im Blut hat Insulin eine Halbwe.rtszeit von nur 6- 8 min, meine Regel auch beim Menschen zutrifft, dass zuerst die
was auf eine hohe Syntheserate in den B-Zellen hinweist. In A- und O-Zellen und dann erst die B-Zellen mit Blut ver-
die Zielzellen wird Insulin durch den insulinabhängigen sorgt werden. Von den peripheren Kapillaren gehen zahl-
Glucosetransporter GLUT-4 transportiert (Abb . ll.45). reiche abführende Gefäße aus, die sog. insuloazinären
Portalgefäße, die in das Kapillarnetz der Azinuszellen des
Interaktionen zwischen den Inselzellen Insulin, Gluca- exokrinen Pankreas einmünden. Damit wird den Azini hor-
gon und Somatostatin beeinllussen sich in den Inseln ge- monreiches Blut zugeführt, wodurch vermutlich die Sekre-
genseitig. Somatostatln hemmt die Preisetztmg von Insulin tion der Azinuszcllen beeinflusst wird. Insulin kann z.B. bei
und Glucagon (und auch von Somatostatin selbst). Insulin kohlenhydratreicher Nahrung das Amylase-Gen in den Azi-
hemmt die Abgabe von Glucagon, und Glucagon fördert nttszellen aktivieren. Das venöse Blut des Pankreas fließt in
die Frcisetzung von Insulin. Oie Insulinabgabe wird durch die V. portae und somit zunächst in die Leber. Die Pfortader
Protease reifes
, Insulin
'' ,
''
''
Sekretlonsgranulum
reifes Granutum
nlt Kristall
Golgi-Apparat -
Proinsulin •• . • Zellkern
•• DNA
B-Kette • --
Signal- ...
sequenz
,
A-Kette / ' raues
endoplasmatisches
,, Retikulum
C-Peptld
Präproinsulin
Abb. 11 .44 Synthese und Sekretion von Insulin durch B-Zellen einer Langerhans-InseL Oie Synthese und die Freisetzung
des Insulins werden durch Glucose stimuliert. Die Synthese ist komplex: Zuerst wird Präproinsulin im rauen ER synthetisiert.
Es besitzt eine Signalsequenz, die noch im rauen ER abgespalten wird, sodass Proinsulin entsteht. Oieses besteht aus je einer
• - und ß-Kette, die durch das sog. C-Peptid verbunden sind und durch Oisulfidbrücken zusammengehalten werden. Proinsulin
wandert in den Golgi-Apparat, auf dessen Trans-Seite es mit einer Protease in Sekretionsgranula verpackt wird. Die Protease
schneidet das (-Peptid heraus, wodurch das reife Insulin entsteht. Dieses bildet mit Zink eine dichte kristalloide Struktur;
das (-Peptid wird in die Peripherie des Granulums verlagert. Bei der Exozytose werden reifes Insulin und C-Peptid freigesetzt.
Oie Glucose, die die Synthese des Insulins anstößt, wird durch den GLUT-2-Transporter in die B-Zelle transportiert. Der Meta-
bolismus der Glucose in derB-Zelleverändert auch die Aktivität von Ionenkanälen der Zellmembran. Oie Aktivität des AlP-
abhängigen K·-Kanals wird gehemmt, was zur Depolarisierung der Zellmembran führt. Dies wiederum führt zum Einstrom von
Calcium durch den spannungsabhängigen Ca 2'-KanaL Das caz• stimuliert die Exozytose des Insulins. Neben der Glucose als
Hauptstimulator fördern auch andere Faktoren, z. B. Aminosäuren, Ketonkörper, gastrointestinale Hormone und Neurotrans-
mitter, die Freisetzung des Insulins.
11.8 System der disseminierten gastro-entero-pankreatischen endokrinen Zellen 381
hat daher immer einen höheren Gehalt an Inselhormonen durch Autoimmunprozesse zerstört (Abb. 11.46). Bei Pa-
als andere Gefaßabschnitte. tienten mit Typ-li-Diabetes (Altersdiabetes) sind die B-Zel-
len zum Teil "erschöpft" oder es kann Insulinresistenz vor-
Klinik Eine der häufigsten Krankheiten des Menschen (spe- liegen. Bei vielen Patienten ist diese Form des Diabetes mit
ziell in Wohlstandsgesellschaften in aller Welt) ist der Dia- Adipositas korreliert. Diese Patientengruppe wird zuerst
betes mellitus (Zuckerkrankheit). Klinisch macht sich dies diätetisch tmd dann medikamentös behandelt. Insulin-
durch erhöhte Blutzuckerspiegel (Hyperglykämie) tmd in spritzen können bei fortgeschrittener Krankheit erforderlich
schweren Fällen auch durch Zucker im Urin (Glukosurie) werden.
bemerkbar. Die Krankheit ist vor allem durch Insulinman-
gel und verminderte Insulinwirktmg gekennzeichnet. Se-
ktmdäre Komplikationen ergeben sich aus atherosklero- Merke Die Langerhans-Inseln kommen im Pankreas in
tischen Verändenmgen der Wände kleiner tmd großer einer Zahl von 1 -2 Millionen vor. Sie sind aus 4 verschie-
Arterien in verschiedenen Organen, welche zu Perfusions- denen endokrinen Zelltypen und einem dichten Kapillar-
netz aufgebaut. Die B-Zellen (70% der Inselzellen) bilden
stönmgen und damit zu Ftmktionsausfällen führen. Oft sind
Retina, Nervensystem mit peripheren Nerven, Nieren und Insulin, die A-Zellen (20% der Inselzellen) Glucagon, die
D-Zellen (10% der Inselzellen) Somatostatin und die
untere Extremitäten betrotren.
Patienten mit Typ-I-Diabetes Quvenilem Diabetes) benö- PP-Zellen (nur 1-2% der Inselzellen, nur im unteren
Pankreaskopf) das pankreatische Polypeptid.
tigen primär extern zugeführtes Insulin. Ihre B-Zellen sind
C 11 Lernhinweise zu Kapitell!
Autophosphofyfierung
a-Untereinheit der Tyrosinkinase
>
' Glucose-
'\ '
, ~-Unter- : Transporter-
Insulin \ einheil : Protein-4
Insulin-
• ' (GLUT-4)
'' •'
Rezeptor_
Fett- Kam
tropfen
Blutkapillare
Abb. 11.45 Wirkung des Insulins auf eine weiße Fett- Abb. 11.46 Langerhans-Insel bei Diabetes mellitus.
zelle. Insulin bindet an den Insulinrezeptor der Zielzelle, Die endokrinen Zellen sind zu erheblichem Teil durch kolla-
hier einer weißen Fettzelle. Der Rezeptor besteht aus 2 lt- genreiches (blau) Bindegewebe ersetzt. Färbung: Azan,
und 2 ß-Untereinheiten. Das Insulin bindet an dielt-Unter- Vergr. 150-fach.
einheit und aktiviert dadurch die Autophosphorylierung der
ß-Untereinheit, die eine Tyrosinkinase ist. Daraufhin werden
u. a. generell die Proteinsynthese und speziell der Einbau des
Glucosetransporters GLUT-4 in die Zellmembran veranlasst.
GLUT-4 befindet sich bei Nichtbedarf in der Membran von
Reservevesikeln im Zytoplasma. Diese Vesikel verschmelzen
bei Bedarf mit der Zellmembran. GLUT-4 vermittelt die Auf-
nahme von Glucose in die Zelle, wo sie zu Triglyceriden um-
gewandelt wird, die in einem großen Fetttropfen gespeichert
werden. Bei einem Insulinmangel ist die Zahl der GLUT-4-
Transporter in der Zellmembran reduziert, es wird weniger
Glucose in die Zelle aufgenommen und der Blutglucose-
spiegel ist dadurch erhöht.
KAPITEL
Harnorgane
12.1 Niere •••••••••••••••••• 383 0 • 0 • ••• 0 • 12.2 Ableitende Harnwege • • • • • 0 0 • 0 • 0 • 0 •• 399
12.1.1 Allgemeine Strukturmerkmale 384 • • • 0 • 0 •••• 12.2.1 Wandaufbau • • • • • ••• 0 • 0 • 0 0 • 0 • 0 •••• 399
12.1.2 Nephrone und Sammelrohre 386 • • • 0 • 0 • 0 •• 0 12.2.2 Nierenbecken ••• 0 • • • ••• 0 • 0 • 0 0 ••• 0 • 399
12.1.3 Interstitium • 0 • 0 • • •396• 0 0 ••••• ••••• 0 • 12.2.3 Harnleiter • • • • • • • ••• 0 ••••• 0 • 0 • 0 0 • 0 399
12.1.4 Juxtaglomerulärer Apparat (JGA) ....... 397 12.2.4 Harnblase • • • • • • • • • • 0 • • • • • • • 0 • 0 0 • 0 401
12.1.5 Harnbildung ••• 0 • 0 •3980 • • • • • ••••••••• 12.2.5 Harnröhre • • • • • • • • • • 0 • 0 • 0 • • • ••• 0 • 0 401
12.1 Niere
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Die spezifische Baueinheit der Niere ist das Nephron, von 3 Abschnitte gliedern: proximalen Tubulus, intermediären
dem es ca. 1 Million in jeder Niere gibt. Eine zweite, mit Tubulus tllld distalen Tubulus. Der distale Tubulus bildet
den Nephronen direkt verbundene Strukturkomponente mit der alferenten Arteriole des gleichen Nephrons die
der Niere ist das Sammclrohrsystem. Ein Nephron besteht Macula densa, eine epitheliale Struktur, die vermutlich
aus Nierenkörperehen (mit einem Kapillarknäuel (Glome- Teil eines sensorisch-regulatorischen Apparats ist. Im
rulus), komplexer Basallamina, Mesangiw11Zellen und der Sammelrohrsystcm wird über die Zusammensetzung des
Bowman-Kapsel mit den Podozyten), das die Funktion definitiven Harns unter Berücksichtigung der Bedürfnisse
der Ultrafiltration ttnd Primärharnbildttng iibernil1m1t, des Gesamtorganismus entschieden. Wasser wird hier
ttnd einem Tubulussystem, das die Aufgelben der Rück- unter dem Einfluss des antidiuretischen Hormons (ADH)
resorption ttnd Sekretion erfi.illt. Die Tubuli lassen sich in rückresorbiert
Die Niere (Ren) nimmt viele wichtige Punktionen wallr: Diese Aufgelben kann die Niere nur erfüllen, weil sie außer-
• Kontrolle des Wasser- und Salzhaushalts, sodass Volmnen ordentlich reich durchblutet ist (sie erhält gut 209(. des Herz-
tllld Osmolarität des Extrazellulärrawns konstant bleiben minutenvolmnens, macht aber nur ca. 1% des Körperge-
• Überwachung und Steuentng des Säure-Basen-Haushalts wichts aus) tLnd sich ilir Gewebe speziell an diese Aufgelben
• Ausscheidung von Endprodukten des Protein-, Purin- angepasst hat. Zu dieser Anpassung gehören der Ultrafilter
und Stickstoffstotf.vechsels (z. B. Harnstoff, Creatinin, und das aufwendige Tubulussystem: Über den Ultrafilter fil-
Harnsäure und i\mrnonium·Ionen) oder Fremdstoffen trieren beide Nieren am Tag ca. 140- 180 1 Primärharn.
(z.B. von Medikamenten bzw. deren Metaboliten) Dabei werden ZtLnächst viel Flüssigkeit und praktisch alle
• Funktionen im Stoffwechsel (z. B. Argininsynthese aus niedermolekularen Stoffe aus dem Blut herausgefiltert
Citrullin) Während der Passage dttrch das komplexe, aus verschiede-
• Bildung von Hormonen und Gewebefaktoren (Erythro- nen Epithelzellen aufgebaute Röhrensystem, das aus den
poietin, i\ngiotensin li, Caldtriol und Prostaglandinen) - Tubuli der Nephrone und den Sammelrohren aufgebaut ist,
die Niere ist auch Zielort von Hormonen (z.B. ADH, werden 99'Ko der Flüssigkeit sowie Na~, Cl-, HC03- , Glucose,
Aldosteron, Adrenalin und i\NF) Aminosäuren, Lactat und viele andere niedermolekulare
• Kontrolle des arteriellen Blutdrucks. Stofle weitgehend rückresorbiert und dem Organismus wie-
384 12 Harnorgane
der zugefUhrt Es werden nur die Stoffe mit dem endglUtigen Spitze (Papilla renalis) zeigt nach innen und wird von
Harn ausgeschieden, die toxisch oder im Überschuss vor- einem Nierenkelch tunfasst Mitunter bilden 2 oder sogar
handen sind. Die Menge des Endharns beträgt ca. 1,5 1 am 3 Pyramiden eine gemeinsame, dann leistenf6rmige Papil-
Tag. le. Innerhalb jeder Pyramide lassen sich eine Innen- tmd
Außenzone tmterscheiden, was durch die Struktur und An-
ordnung der verschiedenen Nierentubuli bedingt ist. Von
12.1.1 Allgemeine Strukturmerkmale der Basis der Pyramiden ziehen die Markstrahlen (Biindel
Die paarig angelegten Nieren des Menschen sind jeweils ca. von Sammelrohren und gestreckt verlaufenden Tubulus-
10 cmlang, 5 cm breit und 4 cm dick und wiegen 120- 300 g. abschnitten) in die Rinde (Abb. 12.3). Die Markstrahlen
Die Nieren liegen retroperitoneal. können dicht an die Organkapsel herantreten.
Bereits mit bloßem Auge lässt sich ein 6-10 mm breiter, Viele Säugetiere, z.B. Rinder und Wale, haben eine in
dunkler gefachter und außen gelegener Streifen, die Rinde viele Lappen gegliederte Niere, bei der jeder Lappen eine
(Cortex renalis), vom innen gelegenen helleren Mark (Me- eigene Pyramide besitzt. Kleine Säugetiere haben i. A. nur
dulla renalis) unterscheiden (Abb. 12.1). Medialumgreifen eine Markpyramide (Abb. 12.2). Auch die Niere des Men-
Rinde tmd Mark eine Höhlung, den Sinus renalis. Er enthält schen entsteht aus primär getrennten Anlagen (Lappen,
das System der Nierenkelche, das Nierenbecken, Fettgewebe Lobi), deren Zahl der der Pyramiden entspricht und die
tmd große Blutgefaßc. Der Eingang in den Sinus wird als dann miteinander verwachsen.
Nierenhiltun bezeichnet.
Blutgefäße Die Niere ist ungewöhnlich reich mit Blut-
Nierenrinde Die Nierenri nde bildet die bis zu 10 mm gefaßen versorgt. Sie erhält mit 1,2 1/min 20- 25 ~ des
dicke Außenzone der Niere, die unmittelbar un ter der Herzminutenvoltunens. Das gesamte Blutvoltm1en fließt
Organkapsel liegt. Sie wird durch die Markstrahlen des alle 4- 5 min durch die Niere. Die renale Durchbluttmg ist
Nierenmarks in kleine Bezirke gegliedert. Die zwischen den über komplexe Mechanismen reguiJert, zu denen insbeson-
Markstrahlen gelegene Rindensubstanz wird Nierenlaby- dere eine spezielle Autoregulation gehört.
rinth genannt. In Porm der Nierensäulen (Bertini-Säulen = Das komplexe Blutgefaßsystem der Niere (Abb. 12.4) ist
Collllllnae renales) reicht das Rindengewebe bis an den tmmittelbar mit den Nierenfunktionen verknüpft. An jede
innen gelegenen Sinus renalis heran. Der Begriff Nieren-
säulen geht auf den Eindruck zurück, den das Schnittbild
vermittelt. Dreidimensional gesehen tungibt das Gewebe
der Nierensäulen die Markpyramiden mit einem dicken
Mantel aus Rindensubstanz.
Nierenrinde
' .Columna renalis
-...' Markstrahlen
•• Nierenmark
--Nierenarterie
--Nierenvene
---Nierenkelch
-- --- Ureter
R
I
n
d
•
Innen·
tone
a b
Abb. 12.4 Gefäßversorgung des Nierengewebes. a: Schema. Die arteriellen Gefäße sind rot, die Kapillaren dunkelgrau,
die venösen Gefäße blau gezeichnet In der Rinde sind die Markstrahlen durch die gestrichelte Linie markiert. 1/1' A. und
V. arcuata; 2/2' A. und V. interlobularis; 3 Arteriola afferens; 4 Glomerulus; 5 Arteriola efferens; 6 Arteriola efferens eines
juxtamedullären Nierenkörperchens; 1/7' arterielle und venöse Vasa recta; 8 V. stellata. Links sind nur arterielle, rechts nur
venöse und in der Mitte sowohl arterielle als auch venöse Gefäße gezeichnet. Zwischen den Vasa recta ist das perltubuläre
Kapillarnetz in der Tiefe der Niere dargestellt (Aus [4]). b: Präparat mit tuscheinjizierten Gefaßen (rot) in der Nierenrinde
eines Kaninchens. 1 A. interlobularis, 2 Glomerulus, 3 perltubuläre Kapillaren. Das Bild entspricht dem Bereich links oben auf
der Teilabbildung a. Vergr. 45-fach.
386 12 Harnorgane
sich schließlich zur Artcriola eftcrens, die den Glomerulus das innere Mark eintauchende Henle-Schleifen (Abb. 125).
auch am Gcfäf~pol verlässt. Die Kapillaren des Glomerulus Durch die unterschiedliche Struktur der Ncphrone und die
verbinden also 2 Arteriolen, was mit ihrer Punktion bei der unterschiedliche Länge der Henle-Schleifen lässt sich das
Ultrafiltration in Zusammenhang steht. Die Arteriolae effe- Nierenmark in Außen- tmd Innenstreifen (bilden gemein-
rentes gehen in reich entwickelte Kapillarnetze über, die die sam die Außenzone) und Innenzone gliedern, was auf Ab-
Tubuli der Rinde versorgen. Vor Eintritt in den Glomerulus bildung 12.5 verdeutlicht wird.
zweigt sich von der 1\. afferens ein feiner Ast ab, der auch
der Versorgung der Nierentubuli der Rinde dient. Aus den Merke Die Lage und Strukturierung der Nephrone und
Arteriolae efferentes der marknahen Glomeruli entspringen die Anordnung der Sammclrohre sind ftir das makro-
auch die Gefäße, die das Mark versorgen. Es bilden sich skopische bzw. lupenoptische Bild des typischen Nieren-
hier aus den Arteriolae efterentes Büschel gestreckt verlau- anschnitts mit Rinde, Bertini-Säulen, Mark tmd Mark-
fender feiner Gefaßc, die Va.sa recta genannt werden und strahlen verantwortlich (Abb.12.1, Abb. 125).
die das Nierenmark versorgen. Diese Gefaße bilden ein weit-
maschiges kapilläres Netzwerk und kapilläre Schlingen, die
die Henle-Schleifen und die Sanunelrohre des Marks beglei- Nieren körperchen
ten. Aus diesen Gefaßen sammeln sich venöse Vasa recta, Aufbau
die in Vv. arcuatae oder auch in die proximalen Teile der
Die Nierenkörperehen (Malpighi-Körperchen) liegen am
Vv. interlobulares einmünden. Diese Venen, die parallel zu Beginn des Nephrons (Abb. 12.6, Abb. 12.7). Sie bestehen
den Aa. arcuatae verlaufen, nehmen auch aus der Rinde
aus der Bowman-Kapsel und dem Blutkapillarknäuel, dem
konunende Vv. interlobulares auf, die das venöse Blut aus Glomerulus, der sich in die Kapsel einstülpt.
den Rindenkapillaren sammeln. Die Vv. arcuatae gehen
dann in Vv. interlobares über, die am Hilmn die Nieren- Glomerulus
vene bilden.
Das Endothel der glomerulären Kapillaren ist von
70-100 nm weiten Poren (keine Diaphragmen) durchbra-
Lymphgefäße Das System der Lymphgefaße beginnt mit
chen. Diese Poren halten Blut7.cllen zurück, sind aber kein
intralobulären Lymphkapillaren der Rinde. Diese gehen in Hindernis flir alle anderen Blutbestandteile einschließlich
größere Stämme über, die parallel zu den großen Blutge-
der Proteine. Die ans Llllllen grenzende Membran der En-
faßen verlaufen. Das Nierenmark enthält nur relativ wenig dothelzellen trägt eine stark negativ geladene Glykokalyx,
Lymphkapillaren. Mit den Lymphkapillaren anastomosie- die wohl auch die Endothelporen bedeckt.
ren Lymphgefaße innerhalb und außerhalb der Nierenkap-
seL Die großen interlobulären Lymphstänune ziehen zu Glomeruläre Basalmembran (GBM) Unter dem Endo-
Lymphknoten, die an der Ao rtagelegen sind.
thel befindet sich eine spezielle dicke Basallamina, die wahr-
scheinlich aus den miteinander verschmolzenen Basallami-
nae des Endothels und der Podozyten (s.u.) besteht und die
12.1.2 Nephrone und Sammetrohre verhindert, dass Makromoleküle vom Blut in den Primär-
Nephron harn übertreten. Sie wird meistens glomeruläre Basalmem-
bran (GBM) genannt und ist ca. 250 - 350 nm dick. Im
Aufbau Elektronenmikroskop besteht sie aus einer Lamina rara In-
terna unmittelbar Lmter dem Endothel, einer Lamina densa
Die klassische Baueinheit der Niere ist das Nephron
(in der Mitte) und einer Lamina rara externa unter den
(Abb. 125), das sich aus Nierenkörperehen tmd den unver- Podozyten. Diese funktionell und auch medizinisch wich-
zweigten Nierentubuli zusammensetzt. Die Anzahl der Ne- tige Basallamina ist der wesentliche Anteil des glomeru-
phrone in einer Niere variiert zwischen ca. 600000 tmd lären Ultrafilters, in dem Typ-IV-Kollagen, Laminin, He-
1,2 Millionen. Ein Nephron besteht aus folgenden Einheiten:
paransulfat und Pibronectin in charakteristischer Weise
• Nierenkörperehen (Malpighi-Körperchen, Corpusculum
verteilt sind. Das Heparansulfat mit seinen negativen elek-
renale), es setzt sich zusammen aus: trischen Ladungen ist hauptverantwortlich dafür, dass die
- Bowman-Kapsel mit innerem und äußerem Blatt
ebenfalls elektrisch negativ geladenen Proteine nicht in den
- Glomerulus (Kapillarknäuel) Ultrafilter eindringen. Die Basalhunina hat eine relativ lang-
- Mesangilllll
same Umsatzzeit von ca. einem Jahr, an ihrer Erneuerung
• Nierentubulus (Nierenröhrchen), er besteht aus folgen-
sind v. a. die Podozyten beteiligt.
den Abschnitten:
- proximalem Tubulus mit Pars convoluta tmd Pars recta
- intermediärem Tubttlus mit Pars descendens tmd - bei Merke Die glomeruläre Basallamina ist die wesentliche
langen Schleifen - Pars ascendens Barriere für Proteine, nicht mtr wegen der Porengröße,
- distalem Tubulus mit Pars recta tmd Pars convoluta sondern insbesondere auch wegen ihrer starken negativen
elektrischen Ladungen.
- Verbindungstubulus.
Pars recta des proximalen Tubulus, intermediärer Tubulus Mesangium Der Ralllll zwischen den Kapillaren wird
und Pars rccta des distalen Tubulus bilden die Henle-Schleife vom Mesangitun eingenommen, einem schmalen Binde-
(Abb. 12.5). gewebsratun mit McsangilllllZCl!en und einer speziellen
Es lassen sich subkapsuläre Nephrone (liegen unter der Matrix. Diese enthält Mikrofibrillen, KoUagen der Typen IV,
Nierenkapscl), juxtamedulläre Ncphrone (liegen marknah) V und VI, Proteoglykane und Pibronectin. Das Mesangilllll
und dazwischen mediokortikale Nephrone unterscheiden. hilft den Kapillarw'.inden des Glomerulus, dem recht hohen
Nur die juxtamedullären Nephrone besitzen lange, tief in intrakapillären Druck standzuhalten. Die Mesangiumzel-
12.1 Nie re 387
len (Abb. 12.8) sind spezielle perizytenähnliche Zellen, die Basalla mi na Äußeres und inneres Blatt sind einschich-
kontraktil sind und die auch phagozytieren können. Sie tige Epithelien, die einer Basallamina aufliegen. Die Basal-
sezernieren außerdem biologisch aktive Substanzen wie lamina des äußeren Blattes ist nach außen gerichtet, die des
Prostaglandine. Sie können den Blutfluss durch den Glo- inneren Blattes ist gegen d1e Blutkapillaren des Glomerulus
merulus beeinflussen. Vermutlich sind sie durch ihre Pha- gewandt und verschmilzt hier vermutlich mit der Basal-
gozytoseleistungen am Umsatz der glomerulären Basal- lamina des Endothels (glomeruläre Basalmembran, s.o.).
lamina und der in ihr haftenden Reststoffc, die hier im
Verlauf des Piltrationsprozcsses hängen bleiben, beteiligt.
Sie enthalten Lysosomen und oft Lipofuszingranula. Des
·weiteren sind die Mesangiumzcllen die Produzenten der
mesangialen Matrix. - -
Klinik Entziindliche Erkrankungen der Glomeruli wer-
den Glomerulonephritiden (Sing. Glomerulonephritis) ge-
nannt. Sie sind mit Proteinurie (Protein im Urin), Hämat-
urie (Blut im Urin) und Störungen der Natriumausschei-
dung mit Bluthochdruck und Ödemen verbLmden. Die
Podozyten können ZLLm Teil ihre Füßchen zurückbilden, R
was die (pathologische) Piltration von AlbLLmin stark för- I
dert. Beim Alport-Syndrom liegt ein molekularer Defekt n
des Kollagens Typ IV vor, was in der Niere dazu fiihrt, dass d
die GBM verdickt und fragrnentiert ist, sodass Blut in den •
Harn übertritt.
I
Bowman-Kapset I
distaler Tubulus
, Macula densa
Arteriola efferens
Kapcllarschhnge des
Glomerulus
Kapillarendothel
'
--- ' doppelte
Basallamina
Kapselraum
• Podozyten-
proximaler fortsätze
-- Tubulus
-- Schlitzmembran
Abb. 12.6 Nierenkörperehen (Schema). Links unten: dreidimensionale Darstellung der Kapillarschlingen des Glomerulus.
Rechts unten: strukturelle Komponenten der Blut-Harn-Schranke, ~Richtung des Filtrationsprozesses.
Äußeres Blatt Das äußere (parietale) Blatt besteht aus eine elektrisch stark negativ geladene Glykokalyx gekenn-
einem einfachen Plattenepithel (Abb. 12.7). zeichnet, in der das Sialoglykoprotein Podocalyxin vor-
kommt. Die Eigenschaften dieser Glykokalyx beeinflussen
Inneres Blatt Die Epithelzellen des inneren Blattes dille- die Piltrationseigenschaften des Raums zwischen den Podo-
renziercn sich zu P odozyten (Epizyten, Deckzellen). Es zytenfortsätzcn mit. Podozyten sind Zellen, die sich nach
sind sternfönnige Zellen, deren Portsätze die Glomerulus- ihrer Ausdifferenzierung nicht mehr teilen können. Sie
kapillaren umgreifen. Von den kräftigen primären Portsät- können nach einer Schädigung, die zu ihrem Absterben
zen der Podozyten gehen zahlreiche feinere sekundäre Port- führt, nicht mehr ersetzt werden.
sätze aus (Abb. 12.9), die Pediceßen oder Füßchenfortsätze
genannt werden. Alle Portsätze der Podozyten liegen der Schlitzmembran Zwischen den Podozytenfortsätzen bleibt
glomerulären Bas allamina auf. Die Füßchenfortsätze sind ein schmaler, 20-30 nm weiter Spaltraum frei. Dieser Spalt
mit den entsprechenden Fortsätzen benachbarter Podozy- zwischen den einzelnen Füßchen wird von einer ca. 5 nm
ten verzahnt. In diesen Portsätzen besitzen die Podozyten dicken extrazellulären Schicht, der Schlitzmembran, über-
ein gut entwickeltes Zytoskelett mit Aktin und Myosin, ins- spannt (Abb. 12.10), die zum Teil Merkmale einer Zonula
besondere dort, wo sie der Basallamina aufsitzen. Im Zyto- adhaerens hat. Ein wichtiges Protein dieser Membran ist das
plasma dieser Zellen befinden sich unterhalb des Kerns ein Membranprotein Nep hrin, dessen extrazelluläre Anteile
großer Golgi-Apparat, viele Lysosomen und zahlreiche Zis- wahrscheinlich bis zur Mitte der Schlitzmembran reichen,
ternen des rauen und glatten endoplasmatischen Retiku- sich hier überlappen und ca. 2 -5 nm weite Poren frei lassen.
lums. Die Membran der sekundären Fortsätze ist durch Nephrin ist ein Adhäsionsmolekill der Immunglobulin-Sn-
12.1 Niere 389
~
Abb. 12.8 Mesangium-
zellen.
Blut-Harn-Schranke
Das Endothel, die glomeruläre Basallamina lmd die Podo-
zyten mit ihrer Schlitzmembran bilden gemeinsam die sog.
Blut-Harn-Schranke (Abb. 12.10, Abb. 12.11). Sie besteh t aus:
• dem diskontinuierlichen Endothel der Kapillaren des
Glomerulus
• der komplexen glomerulären Basallamina von Endothel
lmd Podozyten
• den Podozyten mit ihrer Schlitzmembran.
*
Abb. 12.7 Nierenkörperchen. 1 Glomerulus; Kapsel-
Funktion der Nierenkörperehen
raum; ll> äußeres Blatt der Bowman-Kapsel; 2 proximaler
Tubulus; 3 distaler Tubulus; ~ Macula densa. Rhesusaffe; Die Nierenkörperehen übernehmen die Ultrafilt ration des
Färbung: H. E.; Vergr. 250-fach. Blutes, also den ersten Schritt der Harnbildung. Wasser lmd
alle im Wassergelösten kleinen Molekiüe bis zu einem Mo-
lekulargewicht von ca. 5200 D (Inulin) lmd bis zu einem
perfamilie, das intrazellulär über verschiedene Proteinmole- Molekillradius von 1,6 - 1,8 nm passieren den Ultrafilter
kiile amfilamentären Aktin befestigtist (Abb. 12. 11). Weite- leicht. Molekiüe, die lmwesentlich größer sind, werden - in
re Komponenten der Schlitzmembran sind P-Cadherine. lmterschiedlichem Ausmaß - teilweise filtriert. Calcium
Abb. 12.9 Podozyten. 1 Soma eines Podozyten; 2 primärer Fortsatz; 3 sekundäre Fortsätze (Füßchenfortsätze).
Ratte; Vergr. 3600-fach.
390 12 Harnorgane
r- R~ti~~-;~-~~- r
·------------------
Aktin
•
.,
Podocalyxin
'•, Adapterproteine
'
''
~=~- -{ / ,
,'A
Jl
~ ---~ '1111"111"'jlllllll
II
1 "II """" 11111 I! I II....... \
'
' --Lamina densa
Laninin/ ~-- ____ ____ ____ ___ _-· : / i " Lamina rara intema
' ' '
: Kapillar! umen
~ -----------------~
: i/ End~thel
.,I,'
'
endotheliale
Glykokalyx
Abb. 12.11 Komponenten der Filtrationsbarriere. Zwei Füßchenfortsätze von Podozyten sind durch die Schlitz-
membran verbunden, die im Wesentlichen aus P-Cadherin und Nephrin aufgebaut ist. Vermutlich sind Nephrin und
P-Cadherin ähnlich wie die Cadherine in einer Zonula adhaerens angeordnet. Die negativ geladene Glykokalyx
(mit dem Protein Podocalyxin) der Podozytenflißchen bedeckt auch die Schlitzmembran. Die Füßchen enthalten ein
kontraktiles Aktinskelett mit vielfältigen Aufgaben, z. B. der Verankerung der Komponenten der Schlitzmembran.
Die glomeruläre Basalmembran besteht aus Typ-IV-Kollagen, Laminin, Nidogen und dem Proteoglykan Agrin. Agrin
ist reich an Heparansulfat, das viele negative elektrische Ladungen trägt. Die endotheliale Glykokalyx überbrückt
auch die Poren im KapillarendotheL
12.1 Niere 391
kann wegen seiner Proteinbindung nur zu ca. 60~ filtriert
werden. Ungeladene oder positiv geladene Moleküle werden
leichter filtriert als negativ geladene. Das negativ geladene
Albumin (Radius ca. 3,55 nm, 69 kD) kann die Basalmem-
bran nur in ganz geringem Ausmaß passieren und wird im
proximalen Tubulus endozytotisch rückresorbiert Wesent-
liche Kraft der Ultrafiltration ist der hydrostatische Druck in
den relativ weiten glomerulären Kapillaren. Diesem Druck
stehen entgegen der osmotische Druck in den Kapillaren
und der hydrostatische Druck im Kapselraum.
Pro Tag werden in den Nieren ca. 140 -180 I Flüssigkeit
filtriert. d. h., die Extrazellulärflüssigkeit passiert 10-mal, das
Blutplasmavolumen fast 60-mal am Tag die Blut-Harn-
Schranke. Die täglich filtrierte Flüssigkeit geht aber nicht
verloren, sondern wird mit fast allen Elektrolyten und nie-
dermolekularen Komponenten in den Tubuli zu 99~ rück-
resorbiert.
•
•
•
• ••
Klinik Die Nierenkörpereh en hypertrophierenbei Verlust
••
einer Niere, sodass eine Filtrationsleistung der verbleiben- Abb. 12.12 Nierenrinde mit Glomerulus (1), proximalem
den Niere erreicht werden kann, die bis zu 80~ der Leisttmg und distalem Tubulus . ... äußeres (parietales) Blatt der Bow-
der beiden Nieren ausmacht. *
man-Kapsel; Kapselraum. In den Epithelzellen der proxi-
malen Tubuli (2} ist das Zytoplasma eosino phil, apikal ist
Nierentubuli ein Bürstensaum nachweisbar, und die lateralen Zellgrenzen
sind kaum zu erkennen. Die Epithelzellen der distalen Tub uli
Die Tubuli der Nephrone beginnen am Harnpol der Nieren- (3) sind heller, der zelluläre Aufbau ist besser zu erkennen,
körperehen und filllen den größten Teil der Niere aus der Bürstensaum fehlt. Mensch; Plastikschnitt; Färbung:
(Abb. 12.12, Abb. 12.13). Die Tubuli bestehen aus verschie- H. E.; Vergr. 100-fach. (Aus [1])
denen Abschnitten.
Intermediärer Tubulus
Der intermediäre Tubulus (Tubulus intermedius) ist mit ca. vielen kortikalen Nephronen ist der intermediäre Tubttlus
12-15 J.lm Durchmesser deutlich dünner als der proximale nur ein Teil des absteigenden Schenkels der Henle-Schleife.
Tubulus. Der intermediäre Tubttlus (Abb. 12.16) entspricht In den marknahen Nephronen mit langer Henle-Schleife
dem dünnen Segment der Henle-Schleife (Abb. 12.17). In lassen sich mehrere Abschnitte unterscheiden.
12.1 Niere 393
.._ Abb. 12.13 Nierentubuli und Sammetrohr in EM-Aufnah-
men. a: Proximaler Tubulus (Niere einer Ratte): Epithelzellen
mit hohem Bürstensaum (1) und zahlreichen Mitochondrien c
( 2). 3 dicht gestellte Einfaltungen der basalen Zellmembran; Abb. 12.15 Selektive Dar-
4 Basallamina. Vergr. 6750-fach. b: Proximaler Tubulus stellung der resorptiven
( Niere einer Ratte), höhere Vergrößerung: Zellapex einer Leistungen der proximalen
Epithelzelle. An der Basis der Mikrovilli (1) finden sich zahl- Tubuli in der Nierenrinde.
lose schlauchförmige Einsenkungen und Vesikel (7 ) sowie
einzelne Vakuolen als Ausdruck intensiver Rückresorption.
Vergr. 20700-fach. c: Intermediärer Tubulus (Niere eines
Menschen): flache Epithelzelle (1); 2 Lumen. Die Basallamina
(* ) ist hier pathologisch etwas verdickt. Vergr. 5100-fach.
d: Distaler Tubulus (Niere einer Ratte): Epithelzelle mit nur
vereinzelten kurzen apikalen Mikrovilli (1) und gut ausge-
prägtem basalem Labyrinth (2). Vergr. 8800-fach. e: Sammet- c
rohr (Niere einer Ratte): Epithelzellen ( Hauptzellen) mit rela- Abb. 12.16 Innenzone
tiv wenig Zellorganellen und gering ausgeprägten basalen des Nierenmarks.
Membraneinfaltungen (1). 7 Zellkontakte. Vergr. 3800-fach.
Epithel Das Wandepithel ist flach (im Paraffinschnitt absteigenden Anteile der intermediären Tubuli aus kattrn
ca. 1,0-2,0 J..un dick) und besitzt keinen Bürstensaum noch miteinander verzahnten Zellen. Im aufsteigenden
(Abb. 12.13c, Abb. 12. 16). Die Kerne wölben sich oft ins Schenkel sind die Zellen wieder stärker verzahnt, besitzen
Ltunen vor. aber keine basalen Einfaltungen.
Zellverbindungen Anfanglieh sind die flachen Epithel- Funktion Der absteigende Teil des intermediären Tubu-
zellen noch miteinander verzahnt und besitzen basale Ein- lus ist wasserdttrchlässig, der aufsteigende dagegen wasser-
faltungen, apikal befindet sich eine dttrchlässige Zonula dicht.
occludens mit mtr einer Leiste. Weiter distal bestehen die
Zooola
ocdudani
•
•
•
Endoeom
'
Transport von Wasser, Ionen und vielen
niedermolekularen Stoffen, z. B. den
Bürstensaum, das basolaterate Laby- i
rinth, lebhafte apikale Endozytose, '
viele Endo- und Lysosomen, zahlreiche
Mitochondrien. Außerdem sind in der
Zellmembran in reichem Maße moleku-
''
I ~
Iamina
Mikrovillus
••
•
oo~
·o.;
...
.,.
••
.. ,
~
Zonula
ocdudeni"
,
3' , •
• • 0
•
•
•'•
Abb. 12.17 Nierenmark. 1 Sammelrohr; 2 intermediärer
Tubulus (dünner Teil der Henle-Schleife); 3 distaler Tubulus;
* kleines Blutgefäß. Mensch; Plastikschnitt Färbung: H. E.;
Vergr. 200-fach. (Aus [1))
' ',
Distaler Tubulus ' Na+fK+-ATPase
Der distale Tubulus (Tubulus distalis) besteht aus einer Pars
recta, die den wesentlichen Tell des aufsteigenden Schenkels Basallamina
der Henlc-Schlcife bildet(= "dicker" Tell der aufsteigenden
Henle-Schlcifc}, und einer Pars convoluta. Am Übergang Abb. 12.18 Funktionelle Ultrastruktur einer Epithel-
der zwei Abschnitte liegt die Macula densa, eine plaquearti- zelle des distalen Tubulus. Oie Epithelzellen der distalen
ge Stelle aus 20 - 30 dicht stehenden hohen transportieren- Tubuli sind, samt ihren Zonulae aceluden tes, für Wasser un-
den Epithelzellen (Abb. 12.7, Kap. 12.1.4), die Teil des durchlässig. Sie besitzen auch keine Aquaporine. Sie sind
juxtaglomerulären Apparats ist. Das Lumen ist oft etwas aber durch sehr differenzierte Ionentransportsysteme ge-
enger als das der proximalen Tubuli und hat einen Durch- kennzeichnet (s. Text). Apikal sind spärlich Mikrovilli aus-
messer zwischen 30 und 45 j..un. gebildet, das basale Labyrinth, in dessen Membran die
Na·-K·-ATPase liegt. ist dagegen hoch differenziert. Trotz der
Epithel Der distale Tubulus besitzt ein kubisches helles breiten wasserdichten Zonula occludens erfolgt im distalen
Epithel (Abb. 12.12), dessen Höhe etwas variiert. Zu Beginn Tubulus ein lebhafter parazellulärer resorptiver Transport
der Pars recta ist es ca. 10 - l31Jm hoch und verliert in Rich- von Na•, K•, Ca 2•, Mg2•. Der Transport von Caldum und
tung Macula densa dann etwas an Höhe. Der Apex der Magnesium ist abhängig vom Parathormon oder von parat-
Tubulusepithclzellen wölbt sich oft mit dem Kern etwas ins hormonähnlichen Faktoren.
Lumen vor und trägt nur locker verteilte kurze Mikrovilli
(Abb. 12.13d), deren Zahl nach der Macula densa zunimmt.
Die Epithelzellen sind u. a. über gut ausgebildete Zonulae
occludentes verbunden, aber weniger miteinander verzalhnt wird NatriLtrn über einen Na+-Cl"-Symport-Carrier resor-
als im proximalen Tubulus. Apikale Vesikel sind spärlich biert; diesem Symport folgt am Ende der Pars convoluta
vorhanden, und clathrinbcdeckte Vesikel fehlen weitge- auch H20, der Harn ist spätestens im Verbind ungstubulus
hend. Zwischen tiefen basolateralen Einfaltungen, deren wieder isoton. Die Epithelzellen des distalen Tubulus kön-
Membranen eine magnesiumabhängige Na• -K• -ATPase nen sehr walhrschcinlich, ebenso wie die Schaltzellen im
besitzen, befinden sich lange Mitoch ondrien. Endosomen, Sammelrohr, antimikrobielle Pcptide bilden.
Lysosomen und Peroxisomcn sind viel seltener als im pro-
ximalen Tubulus. Die morphologischen Unterschiede zwi- Verbindungstubulus
schen Pars recta und Pars convoluta des distalen Tubulus Ein kmzes V erbindLmgsstück (Tubulus reLmiens) befindet
sind vor allem quantitativer Art. Die beiden Abschnitte sich zwischen distalem Tubulus und Sammelrohr.
können sich aber in einigen funktionellen Mechanismen
deutlich unterscheiden. Epithel Das Epithel weist Übergangsmerkmale zwischen
distalen Tubuli und kortikalen Sammelrohren auf. Typisch
Funktion Die Pars recta ist wasserundLtrchlässig, resor- sind Epithelzellen mit tiefen basolateralen Membraneinfal-
biert aber intensiv NaCI. Diese Rückresorption erfolgt tungen, die funktionell den Hauptzellen der Samrnelrohr e
durch einen Na· -2CI"-K• -Symport-Carrier (Abb. 12.18). ähneln. Hier treten zun1 ersten Mal Schalt-(Zwischen-)Zel-
Der Harn ist im aufsteigenden Teil der Henle-Schleife hy- len auf.
poton. Besonders intensive Transportleistungen erbringt
der erste Teil der Pars convoluta, der hohe Na· -K• -ATPase- Funktion Im Verbindungstubulus und in den Sammel-
Aktivität, besonders viele Mitochondrien, ausgedehnte rohren fördert Aldosteron die Natriumrückresorption, und
laterale Verzahnungen, vermehrt vorkonunende Mikrovilli damit auch die von Wasser, und steigert die Kaliumsekre-
und eine besonders dichte Zonula occludens aufweist. Hier tion ins Lumen.
12.1 Niere 395
die inneren medullären Sammelrohre. Die Sarnmelrohre
Merke Baueinheit der Niere ist das Nephron, das aus Nie-
verlaufen in den Markstrahlen gestreckt in Richtung Nie-
renkörperchen und Tubulussystem (Tab. 12.1) besteht. In
renmarkund Nierenpapille (Abb. 12. 19). Im inneren Mark
den Nierenkörperehen bilden Podozyten, Kapillarendo-
verbinden sie sich in spitzem Winkel. Insgesamt kommt es
thelien und deren gemeinsame Basalmembran den Ultra-
ca. 7-mal hintereinander zu einem Zusammenfluss von zu-
filter für die Primärharnbildung. In den Nierentubuli sind
nehmend größer werdenden Sammelrohren, bis schließlich
folgende Tubulusabschnitte hintereinander angeordnet:
die 100 -200 lliTl weiten papillären Sammetrohre (Ductus
proximaler, intermediärer und distaler Tubulus. Die Ver-
papillares, Bellini-Gänge) entstehen. Die großen Sammel-
bindung zu den Sammelrohren stellt der Verbindungstu-
rohre (insgesamt ca. 200 - 700 Stück pro Niere) münden an
bulus her. Die Tubuli dienen der Rückresorption und der
den Spitzen der Nierenpapillen (Abb. 12.19).
Sekretion.
Epithel Das helle Epithel der Sammelrohre ist kubisch
oder weiter distal prismatisch (Abb. 12.17, Abb. 12.20). Alle
Sammetrohr Zellgrenzen sind gut sichtbar. Ultrastmkturell, histoche-
Sammelrohre kennzeichnen insbesondere die Markregion rnisch und physiologisch lassen sich 2 Zelltypen unterschei-
der Niere. Sie haben eine eigene Entwicklungsgeschichte den, die Schalt- und Hauptzellen, wobei bei den einzelnen
und entstehen aus den Endverzweigungen der Anlage des Säugetieren eine beachtliche Variabilität besteht:
Ureters. Tubuli und Sammelrohre wachsen aufeinander zu • Die Schaltzellen (Zwischem.cllen) sind eher dunkel. Im
und verbinden sich miteinander. Das System der Sammel- Elektronenmikroskop ist zu erkennen, dass sie apikal Mi-
rohre beginnt mit kortikalen Sammelrohren, in d ie jeweils krofalten tragen und im apikalen Zytoplasma viele helle
ca. 10 Verbindungsstücke einmünden. Weiter distal entste- Vesikel enthalten (Abb. 12.2 1). Im Zytoplasma sind kur-
hen die äußeren medullären Sammelrohre und schließlich ze, pltunpc Mitochondrien mit dicht stehenden Cristae
Abb. 12.19 Nierenpaptlle. Die zahlreichen Sammetrohre Abb. 12.20 Nierenmark. Querschnitt ungefahr in Höhe
(* ) verlaufen fast parallel. ~ Öffnung eines großen Sammet- der Grenze Innenstreifen-Innenzone mit 2 Gefäßbüsehein
rohrs in den Nierenkelch (1), der schon von Übergangs- aus auf- und absteigenden Vasa recta (1), die von Sammet-
epithel ausgekleidet ist(.,.. ). Rh esusaffe; Färbung: H. E.; rohren (2) und den gestreckt verlaufenden Abschnitten der
Vergr. 25-fach. proximalen und distalen Tubuli umgeben werden. Mensch;
Färbung: Goldner; Vergr. 150-fach.
396 12 Harnorgane
gewölbten Zellapex und sezernieren hier mittels einer H--
K• -ATPase und einer H• -ATPase Protonen ins Sammel-
rohrlumen (Abb. 12.22). Gleichzeitig resorbieren sie über
die H•-K•-ATPase auch K~ . Basal transportieren diese Zel-
len Bicarbonat ins Blut. Die selteneren Typ-B-Schaltzellen
[2 sezernieren bei alkalischer Stoffwechsellage Bicarbonat ins
Abb. 12.21 Schaltzelle. Lumen des Sammelrohrs. Diese Zellen können wahrschein-
lich apikal Chlorid resorbieren ttnd geben basal Protonen
ins Blut ab. Hauptzellen resorbieren unter d em Einfluss
zahlreich. Basolaterale Einfaltungen sind kaum ausgebil- von Aldosteron apikal Natrium, ein Prozess, mit dem Was-
det Funktionell werden Typ-/\- und Typ-B-Schaltzellen seraufoahme korreliert ist, und sezernieren Kalium. Sie
unterschieden (s.u.). besitzen basal eine Na• -K• -ATPase, die Natrium ins Blut
• Die Hauptzellen (Abb. 12.13e) tragen beim Menschen befördert und Kalium in die Zelle aufnimmt (Abb. 12.22).
(Abb. 2.9) einzelne kur1..c kräftige Mikrovilli und ein ein- Weitgehend unabhängig vom Natrium wird in den
zelnes Kinozilitun. Die kleinen Mitochondrien sind wahl- Hauptzellen Wasser mithilfe des ADH (Adittretin = Vaso-
los verteilt, der Zellapex enthält nur wenige Vesikel. Die pressin) resorbiert. Muss die Wasserrückresorption erhöht
basale Zellmembran bildet Einfaltungen aus, die proximal werden, induziert das ADH den Einbau von Wasserkanälen
viel tiefer ttnd komplexer sind als distal. (Aquaporinen, AQP) in die apikale Zellmembran. Diese
Aquaporine werden von apikalen Vesikeln gespeichert,
In den Sammelrohren des inneren Marks fehlen die Schalt- wenn sie nicht benötigt werden, tmd können in den eigent-
zellen, hier kommen mrr noch Hauptzellen vor. lich "wasserdichten" Sammelrohren in Sektmdenschnelle in
die apikale Membran eingebaut werden. Das Aquaporin der
Zellkontakte Alle Zellen sind über wasserdichte Zonulae apikalen Vesikcl tmd der apikalen Membran heif~t AQP2.
occludentes (mit ca. 10 Verschlussleisten) verbunden. Bei Das Wasser strömt über dieses AQP2 in die Zelle ttnd dann
aktivem Wassertransport - dttrch Aquaporine, s.u. - sind über andere Aquaporine (AQP3 tmd zum Teil AQP4, die
die Interzellulärräume zwischen den Epithelzellen unter- konstant anwesend sind) wieder aus der Zelle heraus ins
halb der Zonulae occludentes erweitert. hypertone Interstitium des Nierenmarks, sodass im Harn
die Osmolalität erheblich zunimmt (bis 1200 mosmolll
Funktion Typ-A-Zellen der Schaltzellen besitzen im HzÜ).
aktivierten Zustand einen mit Mikrofalten besetzten vor- In den Sammelrohren wird die Wasserrückresorption
feinreguliert Typischerweise werden ca. 70-80~ des Was-
sers im proximalen Tubulus (nicht ADH-abhängig) und ca.
Schaltzelle Typ A 30 - 20~ im Sammelrohrsystem (ADH-abhängig) resor-
•
' biert. Bei übermäßiger Flüssigkeitsaufnahme kann über die
Hauptzelle
Sammelrohre eine betrachtliehe Wassermenge ausgeschie-
'
••' den werden, sodass das Flüssigkeitsvolumen im Körper
konstant bleibt. Bei Wassennangel wird von den Nieren
Aquaporin 2 entsprechend nur wenig Wasser ausgeschieden.
''
Klinik Werden Tubuli und Sammelrohre während der Ent-
wicklungsgeschichte nicht verbunden, entstehen- in unter-
schiedlicher Ausprägung - Zystenniereu. Beim Diabetes
insipidus kommt es zu vermehrter Wasserausscheidung.
Ursache ist meist ADH-Mangcl, z. B. in folge von Bluttmgen
in der Hypophyse, die auch die Neurohypophyse betreffen
(zentraler Diabetes insipidus). Dann kann nur in vermin-
dertem Maß oder sogar gar kei n Wasser im Sammelrohrsys-
tem riickresorbiert werden. Eine erbliche Porm des nephro-
genen Diabetes insipidus geht auf eine Mutation des
AQP2-Gens ztrrück.
12.1.3 Interstitium
Abb. 12.22 Funktionelle Ultrastruktur der Epithelzellen Das renale Interstitiwu ninunt den Raum zwischen den
des Sammelrohrs. Das Epithel der Sammetrohre besteht Nierentubuli und Sammelrohren ein. Sein Volumen ist im
aus Hauptzellen sowie aus Schaltzellen der Typen A und B Mark größer als in der Rinde. Es ist ein besonders ausge-
(s. Text). Beide Zellformen sind für die bedarfsgerechte Fein- prägtes Bindegewebe mit speziellen Fibrozyten, relativ we-
regulation der Ausscheidung von Wasser und Salzen zustän- nigen Kollagenfibrillen tmd einer wasserreichen Proteogly-
dig. I hre hochdifferenzierten Zonulae occludentes reduzieren karunatrix. Die Fibrozyten des intertubulären Bindegewebes
weitgehend parazelluläre Transportprozesse, was den Aufbau sind oft regelhaft "leiterfonuig" angeordnet. Im Mark ent-
hoher osmotischer und ionaler Gradienten ermöglicht. Be- halten die Fibroblasten öfter Lipidtropfen und sind den
sonders wichtig ist die Rückresorption von Wasser durch die Tubuli außen angelagert. Diese perltubulären Zellen bilden
Hauptzellen, die von ADH beeinflusst wird (s. Text). das Erythropoietin, das eine wesentliche Voraussetzung ftir
12.1 Niere 397
Tab. 12.1 Histologische Unte rschiede proxi male r, intermediärer und distaler
Nie rentubuli und Sammelrohre.
Proximaler Tubulus Zellfonn kubisch bis niedrig-prismatisch, massive Rückresorption (Wasser, Glucose,
Durchmesser kugeliger Kern, eosinophiles Zytoplasma, Aminosäuren, Bicarbonat, Calcium, Phosphat,
ca. 50- 60 j.lm, basales Labyrinth gut entwickelt, zahlreiche Na•, Cq, starke Endozytosetätigkeit, Aus-
Lumen oft relativ eng PerOlcisomen und Lysosomen, apikaler hoher scheidung (organische Säuren), Sekretion
Bürstensaum, seitliche Zellgrenzen stark (organische An- und Kationen, Medikamente
miteinander verzahnt und Konjugate)
Intermediärer Tubulus Zellfonn flach, Kerne wölben sich oft ins Lumen zum Teil Wasserrückresorption
Durchmesser vor, Zytoplasma ist etwas dicker als das von
ca. 12 -15 1-1m Blutkapillaren
Distaler Tubulus Zellfonn kubisch, kugeliger Kern, helles aktiver Ionentransport (Na•, er, K'),
Durchmesser Zytoplasma, basales Labyrinth gut entwickelt, wasserundurchlässig
ca. 30- 45 j.lm, laterale Zellgrenzen oft erkennbar
Lumen oft relativ weit
Sammetrohr Zellform proximal kubisch und distal prisma- ADH-abhängiger Wassertransport, Aquaporine in
Durchmesser 50 1-1m tisch, kugeliger Kern, kein apikaler Bürsten- den Membranen, aldosteronabhängige Natrium-
(proximal) bis 300 1-1m saum, kleine basale Membraneinfaltungen, rückresorption und Kaliumsekretion, Sekretion
(distal) 2 Zelltypen: Hauptzellen {hell) und Schaltzellen (Protonen und Bicarbonat)
(dun kel, mitochondrienreich)
die Bildung roter Blutzellen ist. Sie bilden außerdem Pro- basal konzentriert, und der Golgi-Apparat liegt in den obe-
staglandine, Bradykinine und andere Faktoren, die an der ren zwei Dritteln der Zelle. Die Basallamina ist dünn lmd
Regulation der Nierendurchblutung beteiligt sind. weist Unterbrechungen auf, zum Teil sind Zellausläufer in
Weitere endokrine Faktoren der Niere sind: Caldtriol Richtung granulierte Zellen beschrieben. Ob die Epithel-
(der wirksame Metabolit des Vitamins D), 1hrombopoietin zellen der Macula densa selbst sensorische Funktion haben,
und vor allem das Ren in, das zwar eigentlich ein Enzym ist, z.B. hinsichtlich des NaCl-Gehalts im distalen Tubulus, ist
aber funktionell direkt mit dem Angiotensin verbunden ist umstritten. Sicher ist jedoch, dass sie transportierende Epi-
thelzellen sind. Die eigentlichen Rezeptorzellen sind mög-
licherweise die cx.traglomerulären Mesangiwnzellen.
Klinik Viele Nierenkrankheiten sind durch eine Anämie
(herabgesetzte Erythrozytenzahl und/oder Hämoglobin-
Granulierte j uxt aglomeruläre Ze lle n I n der Wand der
werte und äußerlich Hautblässe) gekennzeichnet. Ursache:
Arteriola afterens kommen spe7.ielle umgewandelte glatte
Erythropoictinmangcl.
Muskelzellen vor, die granulierte juxtaglomeruläre Zellen
genannt werden. Sie b esitzen eosinophile Granula, die das
12.1.4 Juxtaglomerulärer Apparat (JGA) Renin enthalten.
F111ratlon1taum
•
•'.
Pars COI"Mlluta das
'.
. Blall der BowmaiH<apsel
. lußerea
: GlomenJkja
prmci'nalen Tubulus
• • : • - inr.. Blatt der BowmaiH<apsel
·. rsf%) :
.
I
;,--.
n. 11118renl
-• -- -- -
.,""
Pars~das
dislalen Tubulus Abb. 12.23 Funktionelle
•• Histologie von Nephron und
Sammelrohr. Im Nierenkörper-
ehen entsteht der Primärharn
mittels Ultrafiltration. Viele
•• laot.on
Komponenten des Primärharns
werden im proximalen Tubulus
Glukose, wieder rückresorbiert, insbe-
__ Vertlindll'1g&-
Aminosäu111n, tubulua sondere ca. 70-80% des filt-
Phoapha~
Laktat, - -Pers recta rierten Wassers, Elektrolyte
Sulfat des und niedermolekulare Stoffe
Bicarbonat proldmalen NaCl
Tubulus wie z. B. Glucose und Amino-
- -sammelrohr säuren. Umgekehrt werden
orgatische Anfonen.- - -Pars tvc!a
organillche KaUonen das distalen hier aber auch Stoffe in die
lnd. Medikamente Tubulue Tubulusfl.üssigkeit sezerniert.
Bei den dünnen Intermediär-
tubuli ist nur der absteigende
Schenkel wasserdurchlässig,
ab&leigender Schenkel <,' der aufsteigende Teil- und
der Hef11&.Sdlleife '·
.' die Pars recta des distalen
Tubulus- wasserundurch-
:: alfBteigender Sehenkai lässig. Im Sammetrohr wird
- der Henle-Sc:hleile
Wasser rückresorbiert, indem
Aquaporine AOH-induziert in
die apikale Zellmembran ein-
gebaut werden. Außerdem
bewirkt Aldosteron, dass Na•
inlennedlim
Tubulua
-- ••
• kon&enttlerter rückresorbiert und K• abge-
hypertan
Ham geben wird.
12.2 Ableitende Harnwege 399
rohren. Somit ist die Grundlage für die Harnkonzentration Insgesamt baut sich ein Osmolaritätsgradient im Binde-
gegeben. In der Tiefe des Marks hat Harnstotr die Rolle eines gewebe von der Rinde bis zur Papillenspitze auf, der ab der
Motors: Harnstoff wandert von den papillären Sammel- Rinden-Mark-Grenze erheblich zunimmt. Der definitive
rohren in das Interstitium des Marks und von hier in das hypertone Harn hat einen pH-Wert von ca. 5,5 und enthält
Lumen der intermediären Tubuli, von wo er durch die vor allem die Stoffivechselendprodukte Harnstoff, Harn-
harnstoffundurchlässigen distalen Tubuli und proximalen säure, NH; und Creatinin.
Sammelrohre transportiert wird. Ein nicht unerheblicher
Teil des H arnstoffs kreist also ständig zwischen den genann-
ten Bereichen hin und her.
Die ableitenden Harnwege bilden in morphologisch er, fLmk- Beckens aus ca. 10 Schichten. Die Muskulatm bildet am
tioneller lmd klinischer Hinsicht eine Einheit und umfassen Anfang des Ureters einen sphinkterartigen W Lust.
folgende Organe bzw. Organabschnitte:
• Nierenbecken
Kli nik Eine Erweiterung des Nierenbeckens bei Harnrück-
• Harnleiter
stau nennt man Hydroneph rose. Sie ist oft durch Harnstei-
• Harnblase,
ne vermsacht. Die Pyelit is ist meist eine bakterielle Ent-
• Harnröhre.
zi.indung des Nierenbeckens. Sie kommt oft zusammen mit
Nierenentzündung vor Lmd wird dann Pyelonephritis ge-
Es handelt sich um ein System von Hohlorganen, die den
nannt.
definitiven Harn aufnehmen, zum Teil zeitweise speichern
und nach außen leiten. Die männliche H arnröhre dient zu-
sätzlich der Ableitung der Sperrnlen (Harn-Samen-Leiter). 12.2.3 Harnleiter
Der Harnleiter (Ureter) des Erwachsenen ist ein paariges
12.2.1 Wandaufbau Org-an und ca. 20-30 an lang Lmd 5-7 mm dick. Er geht
Die Wand der ableitenden Harnwege besteht aus: kon tinuierlich aus dem Nierenbecken hervor und mündet
• Tunica mucosa in die Harnblase. Sein Lwnen ist bei kontrahierter Muskula-
• subepithelialem Schleimhautbindegewebe tm sternförmig (Abb. 12.24).
• T unica muscularis
• T unica adventitia. Mu kosa Das Epithel ist ein typisches Überg-angsepithel
(Urothel, Abb. 3. 1.15, Abb. 3. 1. 16, Abb. 12.25).
Die Schleimhaut (TLmica mucosa) besitzt ein Überg-angsepi-
thel (Kap. 3.1.2), das sich leicht unterschiedlichen Pi.illungs- Muskula ris Die Muskelschicht besteht im Wesentlichen
zuständen anpassen kann. In der Harnröhre ist allerdings aus flach oder steil verlaufenden spiralig angeordn eten
nm der Anfangsteil mit diesem Epith el ausgestattet. Die Biindeln glatter Muskelzellen, die sich im oberen Teil des
Muskelschicht (Tunica muscularis) besteht aus glatter Mus- Harnleiters zu einer kräftigen, außen gelegenen Ringmus-
kulatur. kelschicht (Stratum circulare) und zu einer schmaleren, in-
nen gelegenen Längsmuskelschicht (Stratum longitudinale
Merke Kennzeichnend ist das Überg-angsepithel, das Vo- internllfn) formieren. Im unteren Teil des Harnleiters wird
lumenschwankungen ermöglicht und mrr in der Harn- die Muskularis dlrrch eine äußere Längsmuskelschicht
röhre weitgehend fehlt. (Stratum longitudinale cxtermrrn) verstärkt. Zwischen den
Schichten und Bündeln der MuskLuatlrr sind kräftige Bin-
degewebssepten ausgebildet.
12.2.2 Nierenbecken
Das Nierenbecken (Pelvis renalis, Abb. 12. 1, Abb. 12.2), ein- Klinik Angeborene Fehlbildungen sind z.B. Doppelbil-
schließlich seiner 8 -10 Kelche, sammelt den aus den Sam- dung, Divertikel und Klappen. Beim Hydroureter kommt es
mclrohren austretenden Harn Lmd fasst ca. 4 - 6 rnl. Die zu einer ErweiterLmg des Harnleiters bei Rückstau. Sie tritt
Wand des Nierenbeckens besitzt alle typischen Gewebe- i.A. zusammen mit Hydronephrose auf. Ursache eines Hy-
komponenten der Harnwege. Das Überg-angsepithel der drometers können Steine oder Stenosen des Harnleiters
Kelche besteht beim Menschen aus ca. 4-5, das des weiten oder auch VernarbLmgen nach Entzi.indLmgen sein.
400 12 Harnorgane
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•
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Abb. 12.26 Übergangsepit hel im Nierenkelch. a: Ungedehntes EpitheL b: mäßig gedehntes Epithel. Besonders auffallend
sind die Formveränderung der oberen Zellschichten. Mensch; Färbung: Azan, Vergr. 450-fach.
12.2.4 Harnblase steht außen und innen aus überwiegend längs gerichteten
Muskelbiindeln, dazwischen liegt eine Schicht überwiegend
Die Harnblase (Vesica urinaria) ist ein eiförmiges Hohl- zirkulär angeordneter Bündel. Sie beteiligt sich an1 Autbau
organ. Sie ist bei Männern ca. 14 cm hoch und 10,5 cm breit, des Sphinkters des Blasenausgangs. In der Muskelschicht
bei Frauen 11,5 cm hoch und 9 cm breit. Die Harnblase ist kommen in reichem Maße elastische Fasern vor. Am
ein Harnsammel- und ·Speicherorgan, das die Harnabgabe Blasenausgang treten einzelne tubulomuköse Drüsen auf.
auf 3-4 kurze Perioden am Tag beschränkt. Bei ca. 350 rnl
Urin in der Blase besteht Harndrang, bei bis zu 500 rnl Me rke Die glatte Muskulatttr von Harnleiter und Harn-
kann man die Harnabg-abe willkürlich gerade noch unter-
blase bilden komplizierte längs und zirkulär verlaufende
drücken.
Systeme, die den Motor flir Austreibung des Endharns
bilden.
Mukosa Bei kontrahierter Harnblase ist die Schleim-
haut in Palten gelegt, ttnd das Obergangsepithel ist dann
beim Menschen 6-10 Schichten hoch. Im gedehnten Kli ni k Harnblasenkarzinome (Abb. 12.28) machen ca. 3~
Zustand sind Epithel und alle anderen Anteile der Blasen- aller Karzinome aus und treten bei Männern deutlich häufi-
wand abgeflacht (Abb. 12.26). Die Bindegewebsschicht der ger auf als bei Prauen. Das Karzinom konunt gehäuft bei
Schleimhaut ist relativ breit und enthält unter dem Epi- Exposition gegen aromatische Amine (z. B. bei Zigaretten-
thel fenestrierte Blutkapillaren; entzündliche Infiltrate sind rauchern, Beschäftigten in Farbstoff-, Chemie- ttnd Gummi-
nicht selten. industrie) vor. Plattenepithelkarzinome ko=en bei chro-
nischem Befallmit Schistosoma haematobirtm (Bilharziose)
Muskularis Die Muskelschicht ist kräftig und baut sich vor. Wichtiges Symptom ist Blut im Urin.
aus 3 mehr oder weniger gut erkennbaren Schichten
glatter Muskulatur auf (Abb. 12.27). Die Muskulatur be-
12.2.5 Harnröhre
Die Harnröhre (Urethra) leitet den Harn nach außen. Sie ist
bei Frauen 3-4 cm, bei Männern 20 - 25 cm lang.
C 12 Lernhinweise zu Kapitel 12
Abb. 12.30 Urethra eines Mames. 1 Lumen der Urethra; Abb. 12.31 Schnitt durch die Urethra eines Mannes mit
2 mehrschichtiges prismatisches Epithel; 3 Venenplexus mehrreihigem prismatischem Urethralepithel (oberste Epithel-
des Corpus spongiosum; 4 Urethraldrüsen. Färbung: H. E.; zellschicht prismatisch). 1 Lumen; * Venen des Corpus spon-
Vergr. 25-fach. (Aus [1]) giosum. Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach. (Aus (1])
KAPITEL
Geschlechtsorgane
13.1 Geschlechtsentwtddung ............. 403 13.3 efbl!CI 424
13.3.1 '"
Reproduktionsbiologische Entwicklungs-
0 ••• 0 ••••
13.2 ,..
nr 11:'11e Geschlecbtsoraane ....... .. 406 phasen der Frau .................... 424
13.2.1 Hoden • • • ••• 0 • 406
0 • 0 0 0 0 0 •• 0 • 0 ••••••
13.3.2 Ovar (Eierstock) .................... 424
13.2.2 Samenwege, akzessorische Geschlechts- 13.3.3 Tuba uterina (Eileiter) • • 0 • • • 0 • 0 • • 0 ••• 433
drüsen • • • • • • • • 414
0 • • • • 0 ••••• 0 • 0 ••••
13.3.4 Uterus (Gebärmutter) .......... ...... 434
13.2.3 Penis • • • • • • • • • 421
• 0 ••••• 0 • 0 • • • 0 ••••
13.3.5 Vagina (Scheide) ................... 440
13.3.6 Äußere weibliche Geschlechtsorgane ..... 440
Die Geschlechtsorgane haben wichtige Funktionen, die alle Keimzellen (Spermien) bzw. reifen im Ovar die weiblichen
primär im Dienste der Reproduktion stehen. Zu den männ- Eizellen. Ztun anderen sind Hoden tmd Ovarien wichtige
lichen Geschlechtsorganen zählen Hoden, Samenwege (mit endokrine Drüsen, die die männlichen und weiblichen Ge-
den akzessorischen Geschlechtsdrüsen) und Penis. Zu den schlechtshormone bilden.
weiblieben Geschlechtsorg-anen zählen Ovarien, Tubae ute- In den weiblichen Geschlechtsorganen findet außerdem
rinae, Uterus, Vagina, kleine und große Schamlippen und die ca. 9 Monate dauernde vorgeburtliche Entwicklung des
Klitoris. Hoden und Ovarien werden auch als männliche Menschen statt, die willkürlich in 2 Perioden gegliedert
und weibliebe Gonaden (Keimdrüsen) bezeichnet. wird, die Embryonalperiode (bis zum Ende der 8. Schwan-
Die Geschlechtsorgane besitzen 2 große Funktionsberei- gerschaftswoche) und die Fetalperiode (ab der 9. Schwan-
che: Einmal entstehen und reifen im H oden die männlichen gerschaftswoche).
13.1 Geschlechtsentwicklung
- u u
Das chromosomale Geschlecht ist beim Mann XY, bei der extraembryonal im Dottersack. Die Sertoli-Zellen bilden
Frau XX. Aus indilferenz.ierten Anlagen der Geschlechts- bei männlichen Individuen die Vorläufer der Samenkanäl-
organe differenzieren sich dann entweder die Testes chen; sie sezernieren das Anti-Müller-Hormon, das die
(= Hoden) oder die Ovarien (= Eierstöcke). Für die Weiterentwicklung der Anlagen der Müller-Gänge ver-
Hodenentwicklung ist der Y-chromosomale testisbestim- hindert. Beim weiblichen Geschlecht entsprechen die Fol-
mcnde Paktor wichtig. Die endgültige phänotypische Ge- likelzellen den Scrtoli-Zellen; beide Zelltypen entstehen
schlechtsentwicklung findet v. a. unter dem Einfluss der aus dem ZölomepitheL
Geschlechtshonnone statt. Die Urkeimzellen entstehen
Geschlechtsdifferenzierung Das Geschlecht wird bereits zierung erfolgt v. a. Ltnter dem Einnuss der jeweiligen Ge-
in der Zygote chromosomal bestirnmt. Das sog. chromoso- schlechtshormone, die schon in den fetalen Gonaden gebil-
male Geschlecht ist bei männlichen Individuen XY, bei detwerden.
weiblichen Individuen XX. Die Entwicklung der Ge-
schlechtsorg-ane verläuft jedoch in den ersten 40 Tagen der Wolff- und Müller-Gänge Die Differenzierung der inne-
Embryonalentwickltmg bei beiden Geschlechtern gleichar- ren Geschlechtswege geht fiir beide Geschlechter von den
tig (indifferente Anlagen). Erst danach nimmt sie jeweils zunächst gemeinsam vorkommenden Wolff-Gängen tmd
eine eigene Entwicklung (Abb. 13. 1). Dabei steht zuerst die Müller-Gängen aus. Beim Mann entwickeln sich aus den
Differenzierung der indifferenten Keimdrüse (Gonade) zu Wolff-Gängen Epididymis, Vas deferens tmd Samenblasen,
Hoden oder Eierstock im Vordergrund (gonadale Ge- und die Müller-Gänge verschwinden. Bei der Frau bilden
schlechtsentwicklung). Pür die Entwicklung zur männ- sich dagegen aus den Müller-Gängen Tuba uterina, Uterus
lichen Keimdrüse ist ein Transkriptionsfaktor, der testis- und obere Vagina. Die Wolff-Gänge (diese werden bei der
bestimmende Faktor ("testis determining factor", TDP), Frau auch Gartncr-Gänge genannt) bilden sich zurück. Die
wesentlich. Er wird von einem Gen codiert, das in der ge- äußeren Geschlechtsorgane entwickeln sich bei beiden Ge-
schlechtsbestimmenden Region des Y-Chromosoms (SRY) schlechtern aus Sinus urogenJtalis, Geschlechtshöcker, -fal-
liegt. Die endgültige phänotypische Geschlechtsdifferen- ten und -wülsten.
404 13 Geschlechtsorgane
Embryonalentwicklung In der Embryonalentwicklung Faktoren statt. Den Sertoli-Zellen der männlichen Gonade
treten die ersten Keimzellen, die Urkeimzellen, extraembry- entsprechen in der weiblichen Gonade die Follikelzellen, die
onal auf, und zwar in der Wand des Dottersacks in der sich auch vom Zölomepithel herleiten. Abbildung 13.2 zeigt
4. Embryonalwoche. Von hier wandern sie mithilfe amöbo- die strukturellen und funktionellen Übereinstimmungen
ider Bewegungen zunächst in den Enddarm und dann in tmd Unterschiede der männlichen und weiblichen Gonaden.
die Genitalleiste in der dorsalen Rtm1pfwand. Wanderung
und Vermehrung dieser frühen Keimzellen sind abhängig
vom Zusammenspiel des Kit-Proteins, eines Transmem- Klinik Bei der Geschlechtsentwicklung gibt es vielfältige
branrezeptors der Keimzellen, mit dem sog. "Steel-Factor", Störungen.
einem Protein, das von somatischen Zellen entlang dem • Störungen des chromosomalen Geschlechts finden sich
W anderweg der frühen Keimzellen gebildet wird. z.B. beim Klinefelter-Synd.rom (XXY- oder XXXY-Kom-
Die strangförmigen Vorläufer der Samenkanälchen wer- bination der Geschlechtschromosomen, männlicher Phä-
den von Sertoli-Zellen gebildet, Epithelzellen, die sich vom notyp, Hodenatrophie), beim Syndrom der XX-Männer
Zölomepithel herleiten. Diese Stränge werden dann von den und beim Turner-Syndrom (nur ein X-Chromosom,
Urkeimzellen besiedelt. Die embryonalen Sertoli-Zellen se- weiblicher Phänotyp).
zernieren ein Hormon, das verhindert, dass sich die Anlage • Bei Stönmgen des gon adalen Geschlecht s ist das chro-
der Müller-Gänge zu einem uterovaginalen Primordiwn mosomale Geschlecht normal, die Difrerenzierung der
weiterentwickelt. Dieses Hormon h eißt Anti-Müller-Hor- Gonaden ist aber fehlgelaufen.
mon (AMH). Schon in der 8. Schwangerschaftswoche bilden • Es gibt viele Störungen des phän otyp ischen Geschlechts
die Leydig-Zellen Testosteron, was fti.r die weitere Difl"eren- mit 2 großen Gruppen, dem weiblichen und männlichen
zienmg der männlichen Geschlechtsorgane wichtig ist. Die Pseudohennaphroditism us. Hier Hegen vielfach bioche-
Entwicklung der weiblichen Gonaden findet- soweit bisher mische Defekte in der Synthese weiblicher tmd männ-
bekannt - in Abwesenheitvon TDP und anderer spezifischer licher Geschlechtshormone vor.
----Gonade
- --- Mesonephros (Urniere)
--- Müller-Gang
-- - Wolff-Gang
--- ---Epididymis
-----Sinus
urogenitalis -- ---- Testis (Hoden)
- - Tuba uterila • ----- Vas deferens
(Eileiter)
- --------- -Samenblase
Frau Mann
Abb. 13.1 Normale Entwicklung der inneren Geschlechtsorgane (Schema). (Modifiziert nach (13))
13.1 Geschlechtsentwicklung 405
Primäre Spennatogenese ~ Oogenese
.
Spermatozyte
I
Spermatide
'
'
\ Sekundäre :' 'OVar
• Spermatozyte : Spermium
I \ I I ·-Testis
'
Spermatogonie
46, XY
Primäre Oozyte
____ --- 46, XX im
Follikelzellen • :: wachsenden Follikel
Primäre
Sertoli-Zelle Spermatozyte
46, XY
Spermatogonie
I \ 2. Reife-
teilung \ Sekundäre Oozyte
, 23, X in
einem Tertiärfollikel
Spermien
(Spermatozoen)
____ - -- 2. Polkörperehen
23, X
Abb. 13.2 Vergleich von Spermatogenese und Oogenese. Bei jedem Differenzierungsstadium ist die Zahl der Chromoso-
men (arabische Zahlen) angegeben, daneben die Geschlechtschromosomen (XY, XX). Spermato- und Oogonien vermehren sich
mitotisch. Im Zuge der 1. Reifeteilung wird der diploide Chromosomensatz (beim Menschen 46 Chromosomen) auf den haploi-
den Satz (23 Chromosomen) reduziert. Aus einer primären Spermatozyte (Spermatozyte I) entstehen 4 Spermien (Spermatozo-
en); aus einer primären Oozyte (Oozyte I) entstehen nur eine reife Oozyte (Eizelle, Ovum) und die Polkörperchen. Die Polkör-
perehen sind stark reduzierte kleine Eizellen, die nicht am Reproduktionsprozess beteiligt sind. Die reife Eizelle ist eine der
größten Zellen des Körpers, wohingegen die Spermien sehr kleine Zellen sind. Die von einer proliferierenden Spermatogonie
abstammenden Tochterzellen sind über Zytoplasmabrücken verbunden. In Spermato- und Oozyten I und II bestehtjedes Chro-
mosom aus 2 Chromatiden. (Aus [14])
406 13 Geschlechtsorga ne
Zu den männlichen Geschlechtsorganen zählen Hoden, Keimzellen. Im Bindegewebe des Hodens liegen die Ley-
Samenwege (mit den akzessorischen männlichen Ge- dig-Zellen, die Testosteron bilden. Oie Samenwege beste-
schlechtsdrüsen: Samenblasen, Prostata und Cowper-Drü- hen im Wesentlichen aus Nebenhoden und Vas deferens,
sen) und Penis. Die Hoden werden von komplexen Ho- das in die Urethra einmiindet. Oie akzessorischen Ge-
denhüllen umgeben und liegen im Hodensack (Skrotum). schlechtsdriisen sind exokrine Drüsen, deren Sekret bei
Auf mikroskopisch-anatomischer Ebene sind die Samen- der Ejakulation zusammen mit den Spermien abgegeben
kanälchen (Tubuli seminiferi) die Baueinheitdes H odens. wird. Das Sekret enthält u.a. Fructose (aus den Samen-
Von ihnen gibt es ca. 1000 pro H oden. Das Epithel der blasen), Zitronensäure, Prostaglandine, saure Phosphatase
Samenkanälchen (= Keimepithel) besitzt germinative und und Proteasen (darunter eine Serin-Protease, das prostata-
nicht germinative Zellen. Die nicht germinativen Zellen, spezifische Antigen, PSA). Der Penis besitzt 2 eigentüm-
die Sertoli-Zcllen, sind hohe Epi thelzcllen, die zahlreiche liche Typen von Schwellkörpern (Corpus cavernosmn und
Funktionen besitzen und die die Blut-H oden-Schranke Corpus spongium), von denen nur die paarigen Corpora
aufbauen. Die germinativen Zellen sind die männlichen cavernosa der Erektion dienen.
13 2: .....
Im H oden werden im Keimepithel die Spermien und in den Wand-Wld
Leydig-Zcllen das männliche Geschlechtshonnon (Testoste- Spaltraum der -
Tunica vagllalis
ron) gebildet. D er Hoden hat sowohl reproduktive als auch
endokrine Funktion.
Abb. 13.3 Hoden, Nebenhoden und Samenleiter
(Schema).
All mef~ r IJfbau
Hodenhüllen
Die H oden (Testes) sind paarig angelegt. Jeder Hoden liegt
Hoden
in einem jeweils eigenen Fach im Hodensack (Skrotum) tmd Der Hoden ist eiförmig, hat einen Lä ngsdurchmesser von
wird von den Hodenhüllen umgeben. Zu den H odenhüllen ca. 4-4,5 cm tmd einen Querdurchmesser von ca. 3 cm.
gehören von außen nach innen neben der Tunica dartos in Durch die Scptula testis (s. o.) wird das Hodengewebe in ca.
der Skrotalhaut (mit glatten Muskelzellen), dem M. cremas- 350 Läppchen (Lobuli) gegliedert (Abb. 13.3). In jedem die-
ter und den Fasdae spermatlcae cxterna tmd interna auch ser Läppchen befindet sich das spezifische Hodengewebe
die T tmica vaginalis tcstis. Die Tunica vaginalis testis (Parenchym), die Samenkanillchcn. Jedes Läppchen kann
(Abb. 13.3) tlmfasst mit ihrer parietalen (Periorchium, gr. 2-4 Samenkanälchen enthalten, insgesamt gibt es pro
orchis = H oden) lmd viszeralen Wand (Epiorchium) die Hoden also gut 1000 solcher Kanälchen.
spaltfonnigc seröse Höhle (Cavtm1 serosum testis). Die Um-
schlagfalte von viszeraler zu parietaler Wand, die zugleich
Aufbau unr' Fu "tion de - k nä -:hen
den Hoden an der Skrotalhaut befestigt, wird Mesorchium
genannt. Der Hoden wird außen von ein er kräftigen Binde- Die gewunden verlaufenden, ca. 30-70 cm langen Samen-
gewebsschiebt (Tunica albugjnea) bedeckt, mit der das kanälchen (Hodenkanälchen, Tubuli scminiferi contorti)
Epiorchium mit seinem dünnen äußeren Plattenepithel fest sind die dominanten Strukturen im histologischen H oden-
verwachsen ist (Abb.l3.3, Abb. 13.4). Die Ttmica albuginea präparat (Abb. 13.4, Abb. 13.5). Sie sind schlingenartige
enthält viele glatte Muskclzeßen, die einen Tonus aufrecht- Strukturen, deren bcide offenen Enden in das Rete testis
erhalten, und entsendet septenartige Bindegewebsplatten münden. Die Gesamtlänge aller Samenkanälchen beträgt ca.
(Septula testis) ins Organinnere. 600 Meter. Sie sind in allen möglichen Ebenen angeschnit-
ten. Ihr D lrrchrnesser beträgt ca. 150- 250 f.Lm. Die H öhe
ihres Epithels (Keimepithcl) schwankt und kann ca. 80 fllll
erreichen. D as Lmnen ist meistens frei, kann aber einzelne
Spennien enthalten.
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 407
Septulum testis
*.·-
•
2
:''.. Lumen
.,.
'
___________ _:
' .späte Spermatide
' ''
''
Lysosom
(ResidualkOrperl
Charcot-Böttcher- ---
Kristall
Spermatogonie ----
Abb. 13.6 Keimepithel des Hodens (Schema) mit Sertoli- und Keimzellen sowie Anteilen des inte rstitiellen Bindegewebes.
Die speziellen Zonulae occludentes zwischen den Sertoli-Zellen bilden die sog. Blut-Hoden-Schranke, die das basale und das
adluminale Kompartiment des Keimepithels trennt. Der helle Kern der Sertoli-Zellen ist gelappt und besitzt einen auffallenden
Nukleolus; in den Lysosomen werden die Teile des Zytoplasmas der Spermatiden abgebaut, die während ihrer Ausreifung ab-
*
gestoßen werden (Residualkörper). RER raues ER; GER glattes ER; Zytoplasmabrücken zwischen Keimzellen in verschiede-
nen Reifestadien; A Ak rosom. Die Leydig-Zellen bilden Testosteron. (Aus (1))
raums des subepithelialen Bindegewebes. Im adluminalen Funktionen Die vielfaltigen Funktionen der Sertoli-Zellen
Kompartiment oberhalb der Zonula ocdudens herrscht da- sind kurz zusammengefasst:
gegen ein (v.a. in immunologischer Hinsicht) abgeschlosse- • Stützfunktion flir die Keimzellen
nes Milieu, in dem die Keimzellen ausreifen. • Ernährungsfunktion flir die Keimzellen
• Hilfe bei der Wan derung der Keimzellen von basal nach
Merke Die Zonula occludens der Serloli-Zellen bildet apikal
eine Barriere im Epithel, die Blut-Hoden-Schranke ge- • Bildungder Blut-H oden-Schranke
nannt wird. • Phagozytose und Abbau von Zytoplasma der Spemla-
tiden
• Freisetzung der reifen Spem1aUden in s Lumen der Tubuli
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 409
• Rezeptoren für FSH ltnd Testosteron: FSH ist für die Aus- einen Klon (genetisch homogene Gruppe von Zellen, die
reifung der Keimzellen wichtig. Sie wandeln Testosteron von einer gemeinsamen Ursprnngs1..elle abstammen). Im
in Ostradialund Dihydrotestosteron um, was für die Ent- histologischen Präparat ist zu beobachten, dass die Zellen
wicklung der Keimzellen wichtig ist eines Stadiums der Keimzellentwicklung, also z.B. Sperma-
• Bildung der Peptidhormone lnhibin (hemmt über nega- tozyten 1. OrdmLDg oder Spermatogonien, jeweils kleine
tive Rückkopplnng die PSH-Preisetzung) und Aktivin oder größere Gruppen bilden und in bestimmter Kombina-
(fördert über positive RückkopplLLDg die PSH-Sekretion) tion vorkommen (Abb. 13.9). Oieses Phänomen beruht dar-
• Sekretion des Androgen bindenden ProteiDs, das in den allf, dass die allfeinanderfolgenden Entwicklungsstadien in
Samenkanälchen und Samenwegen hohe Testosteron- Form eines schranbenförrnigen Zellstreifens im Keimepithel
spiegel aufrechterhält. des Tubulus seminiferus angeordnet sind. Mehrere solcher
Spiralen liegen nebeneinander, sie bauen ein komplexes Sys-
Keimzellen tem gegeneinander versetzter Schraubenstrukturen allf. In
Im Keimepithel des Hodens durchlallfen die Keimzellen jedem dieser schraubenfonnig angeordneten Zellstreifen
verschiedene Entwicklungsstadien: wandern die sich differenzierenden Keimzellen von der Epi-
• Spennatogonien thelbasis zur lwninalen Oberfläche. An ihrer Basis liegen die
• Spermatozytcn 1. Ordnung (primäre Spermatozyten, Spennatogonien, und an ihrer Spit7.c liegen die weitgehend
Spermatozyten I) ausdifferenzierten Keimzellen. Oie Dauer dieses Differenzie-
• Spennatozyten 2. OrdmLDg (sekundäre Spermatozyten, r ungsweges beträgt ca. 75 Tage.
Spermatozyten li)
• Spermatiden Temperaturoptimum
• Spermatozoen. Die Spermatogenese reagiert empfindlich auf T empera-
turändenLDgen. Fieber oder ein heißes Bad vermindern die
Die Morphologie der Keimzellen wird nachfolgend bei der Spermienproduktion. Oie ideale Temperatur für die Sper-
Spermatogenese beschrieben. matogenese beträgt 35 °C. Diese Temperatur wird im Ho-
den mithilfe des wärmeaustauschenden Plexus pamp inifor-
rnis erzielt, der die Wärme der Körperkernternperatur, die
Spermatogenese dem Hoden durch das Blut der A. spermatica zugeleitet
Zellanordnung im Keimepithel wird, aufnimmt llDd in den Körper Zlrrückführt. Sinkt die
Keimzellen, die aus einer Spermatogonie entstehen, bleiben Außentemperatur, kontrahieren sich der M. cremaster im
über schmale Zytoplasmabrücken verbunden und bilden Puniculus spermaticus und die glatte Muskulatm der Tunica
-
c
c Abb. 13.9 Keimepithel
Abb. 13.8 Sertoli-Zelle. mit vielen Spermatogonien.
410 13 Geschlechtsorga ne
dartos im Skrotwn. Dadltrch werden die Hoden dichter an idern Chromosomensatz entstehen haploide Zcllen. Zu-
den Körper gebracht und die Temperatur erhöht sich wie- nächst entstehen aus den B-Spermatogo nien die Sper -
der. Bei Kryptorchismus (nicht abgestiegene H oden) bleibt mat ozyt en I (Abb. 13.6, Abb. 13. ll, Abb. 13.12). Diese
der Hoden im Inguinalkanal oder in der Bauchhöhle. Hier Spermatozyten verdoppeln ihren DNA-Gehalt (4n) und
verhindert die normale Körpertemperatur (37- 38 °C) die beginnen mit der 1. Reifeteilung (Reduktionsteihmg), aus
Spermatogenese, was - wenn Kryptorchismus beidseits vor- der 2 Spermatozyten ll hervorgehen. Die Spermatozyten II
liegt -zu Sterilität fUhrt. besitzen einen haploiden Chromosomensatz (22 Auto-
somen mit entweder X-Chromosom oder V-Chromosom).
Verm ehrungsperiode Der DNA-Gehalt beträgt 2n. Die Spermatozyten II teilen
Die Vermehrungsperiode ist die erste von insgesamt 3 Pha- sich nach kurzer Zeit erneut (2. Reifeteilung), wobei aus ih-
sen der Spermatogenese, sie betriffi vor allem die Spennato- nen die Spermatiden (DNA-Gehalt: In) entstehen.
gonien. Spermatogooien sind kleine Zellen mit rundlichem
Kern, die basal im Keimepithelliegen (Abb. 13.6, Abb. 13.9, 1. Reifeteilung Die Prophase der I. Reifeteilung verläuft
Abb. 13.10). Sie sind wie alle anderen Zcllen des Körpers sehr langsam (ca. 20 Tage). Die Prophase durchläuft meh-
diploid, d.h., ihre Kerne enthalten sowohl den mütterlichen rere Stadien, die am ChromatinmLLStcr der großen Kerne in
als auch den vä terlichen Chromosomensatz. Der DNA- den Spennatozyten I erkannt werden kö nnen (Abb. 13.11,
Gehalt beträgt 2n (Kap. 2.2.2). Es lassen sich 2 Typen von Abb. 13.13):
Spennatogonien unterscheiden: • Lep totän: Die Prophase beginn t mit dem Leptotän. In
• Die A-Spermatogonien besitzen entweder hclles oder diesem Stadium werden die Chromosomen langsam als
dunkles Zytoplasma. Sie sind die eigentlichen Stammzel- kleine Fäden sichtbar und beginnen ihr Chromatin zu
len des Keimepithels Lmd teilen sich mitotisch, wobei eine kondensieren. Die homologen väterlichen und mütter-
Tochterzelle A-Spermatogonie bleibt, während die andere lichen Chromosomen haben ihren DNA-Gehalt verdop-
sich über mehrere mitotische TeiiLmgen zu B-Spermato- pelt und bestehen je aus 2 Chromatiden. Sie nähern sich
gonien entwickelt.
• Mit den B-Spermat ogonien beginnt die Reiflmgsperiode.
Aus jeder B-Spermatogonie gehen durch Mitose 2 Sper-
matozyten I hervor. Die Keimzellen einer Spermatogonie
bilden einen sog. Zcllklon (s.o.).
Abb. 13.11 Spennatozyten I (~) in der Prophase mit Abb. 13.1 2 Spennatozyten 11 (~) mit feinem Chromatin-
typischen markanten Chromatinmuster. Rhesusaffe; Färbung muster und zart eosinephilern Zytoplasma. Die Kerne sind
H. E., Vergr. 1100-fach. erkennbar größer als die der Spermatiden (3). 1 Spermato-
zyten I, 2 Sertoli-Zelle. Mensch; Färbung: H. E.,
Vergr. 1100-fach.
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 411
einander an . Die zusammengeh örigen Chromosomen- Zytoplasmabrücken verbtmdene Spermatiden. Die 2 Sper-
paare (mit verdoppelter DN A) werden Bivalente genannt matozyten li sind aber wiederum mit weiteren Spermatozy-
• Zygotän: Homologe Chromosomen lagern sich eng an ei- ten li über Zytoplasmabrücken verbunden, sodass ab dem
nander (Chromosomenpaarung. Konjugation). Zwischen B-Spermatogonien-Staditun zunehmend länger werdende
den Chromosomen bilden sich sog. synaptonemale Kom- Ketten von Keimzellen (Klone) generiert werden.
plexe (Abb. 13.13). Da jedes Chromosom aus 2 Chromati-
den besteht, liegen insgesamt Gebilde aus 4 Chromatiden Spermiogenese
(Tetraden) vor. Von der Spermatide zum Spermatozoon Unter Sper-
• Pa.c hytän : Die Chromosomen verkürzen und verdicken miogenese, der dritten Phase der Spermatogenese, versteht
sich; sie sind nun vollständig durch den synaptonemalen man die Umwandlung der Spern1atiden in Spermatozoen.
Komplex verbunden. Es kommt zu keinen Teilungen mehr. Die Zellen gestalten
• Diplotän: Der synaptonemale Komplex löst sich schritt- sich lediglich um, und die Zytoplasmabrücken lösen sich
weise. Die Chromosomen bleiben aber an Überkreu-
zungspunkten, den Chiasmata, verbunden. An diesen
Stellen liegen besondere Protein-RNA-Komplexe, die sog.
Rekombinationsknötchen, hier entstehen in den Chro-
matiden Brüche tmd hier werden Segmente der mütter-
lichen und väterlichen Chromatiden gegeneinander aus-
getausch t Die elterlichen Gene werden so durchmischt,
tmd somitentstehen neue Genkomb in ationen.
Mitochondrien-
manschette •••
Mittalstück
EndstOck ···Anulus
Hauptstück
•>
•
Abb. 13.16 Spermatozoen, Ausstrichpräparat Mensch; Abb. 13.17 Struktur des Spermatozoons: Kopf- und
Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. Schwanzkomponenten.
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 413
Hodeninterstitium findet sich ein lockeres Bindegewebe
Merke Die Keimzellen differenzieren sich im Keimepithel
mit Blutgefaßen,Lymphgefaßen und Nerven.
der Tubuli seminiferi, das außerdem die Sertoli-Zcllen
enthält, die verschiedene Punktionen haben und die Blut-
Leydig-Zellen Wichtigste Komponente des interstitiellen
Hoden-Schranke aufbauen.
Gewebes sind die großen Lcydig-Zellen (Lcydig-Zwischen-
zellen nach Franz Lcydig, 1821 - 1908). Es sind große,
Klinik Erlcranlrungen des Hodens sind nicht selten, ca. 5% al.idophile Zellen (Abb. 13.6, Abb. 13.19, Abb. l 3.20) mit
aller Männer sind unfruchtbar. Das Klincfelter-Syndrom rundlichem, hellem und exzentrisch gelegenem Kern. Im
(XXY) kommt bei einem von 500 Männem vor. V erschie- Zytoplasma fallen das reich entwickelte glatte ER sowie
dene Formen des Hypogonadismus sind verbreitet tmd viele längliche Mitochondrien auf, die sowohl Tubuli als
können durch Hormonsubstitution behandelt werden. Ho- auch Cristae bilden. Es enthält des Weiteren Lipidtropfen,
denkarzinome gehen ganz überwiegend (95%) von Urkeim- Lipofuszingranula, kleine Felder mit RER, PerOJcisomen
zellen aus tmd werden meist im Alter von 20-40 Jahren ent- und Rcinke-Kristalle (Abb. 13.20).
deckt und kommen bei Kaukasiern deutlich häufiger als bei
anderen Ethnien vor. Sie sprechen meistens recht gut auf
Bestrahlung und auf Chemotherapie an. In der Untergruppe
der Nichtseminome ist das Karzinomgewebe in unterschied-
licher ·weise in verschiedene embryonale und adulte Gewe-
be differenziert. 1 . 2
.....",. * ••
~
•
~
•••
Rete testis
3
Die Tubuli seminiferi contorti gehen in die gestreckten
Tubuli seminiferi recti über, die in das Rete testis einmün-
den. Es handelt sich dabei um ein System von untereinander
verbundenen Gängen und abgeflachten Räumen, die von
einem einschichtigen flachen oder kubischen Epithel ausge-
kleidet werden (Abb. 13.18). Im Anschluss an das Rete tcstis
beginnen die eigentlichen Samenwege.
lnte sru· .. ••
Abb. 13.19 Hodenbindegewebe mit einer Gruppe Leydig-
Aufbau Das zwischen den Tubuli scrniniferi gelegene Zellen (1) zwischen den Tubuli seminiferi. Die Zellen sind
Bindegewebe wird interstitielles Gewebe genannt. Die relativ groß, haben ein zartes eosinophiles Zytoplasma
Tubuli werden von einer Schicht aus Myofibroblasten und (viel glattes ER) und einen rundlichen Kern. 2 Myofibroblast;
Fibrozyten umhüllt. Die rhytlunischen Kontraktionen der ~ Spermatogonien; 3 Spermatozyten 1. Ordnung; 4 Sperma-
Myofibroblasten bewegen die Spermien im Lumen der *
tiden; Jlll> Sertoli-Zellen; Lumen. Mensch; Plastikschnitt;
Tubuli seminiferi in Richtung Nebenhoden. Im übrigen Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach. (Aus [1])
c
Abb. 13.20 Reinke-
Kristall.
Ho oro
Petale Leydig-Zellen sind zwischen der 8. und 18. Schwan-
gerschaftswoche hormonell aktiv und bilden Testosteron.
Dies ist entscheidend wichtig ftlr die Entwicklung der männ-
lichen Geschlechtsorgane. 2- 3 Wochen nach der Geburt ist
der Hoden des Neugeborenen noch einmal hormonell aktiv.
Die Hormonbildung geht dann aber bis zur Pubertät stark
zurück. Zu diesem Zeitpunkt wird die Androgenbildung
durch LH wieder aktiviert und kann in individuell unter-
schiedlicher Weise bis ins höhere Alter andauern. 95% des
Testosterons (3-1 0 mg/dl} im Blut entstammen den Ley-
dig-Zcllen, 5% der Nebennierenrinde (ca. 0,5 mg!dl). Es gibt
tageszyklische Schwankungen des Testosteronspiegels, er ist
frülunorgens deutlich höher als nachmittags.
Hoden
Testosteronsynthese Ausgangssubstanz ftlr das Testo-
steron ist - wie bei allen Steraiden - Cholesterin, das aus Abb. 13.21 Hormonelle Regulation der Testosteron-
dem Blut aufgenommen, im Zytoplasma verestert und hier sekretion. C Cholesterin, T Testosteron.
in Lipidtropfen gespeichert wird. Cholesterin kann auch am
glatten ER in den Leydig-Zcllen selbst aus Fettsäuren aufge-
baut werden. Cholesterin wird dann aus den Lipidtropfen tung der Spermatogenese, Aufrechterhaltung der sekre-
durch StAR (akutes steroidogenes Regulationsprotein) zu torischen Fttnktion der Gcschlcchtsdrilsen (Samenblasen
den Mitochondrien transportiert, wo es zu Pregnenolon ttnd Prostata), Stimulation der Libido, männliches Ver-
umgewandelt wird. Diese Substanz wird am glatten ER über halten.
Progesteron zu Testosteron umgebaut.
Regulation LH- und zum Teil auch Prolactin tmd FSH -
Testosterontransport Testosteron wird in den Samen- regulieren die Punktion der Leydig-Zellen: Prolactin re-
kanälchen und Samenwegen an das Androgen bindende guliert die Expression des LH-Rezcptors, LH ist ftlr die
Protein gebunden, das von den Sertoli-Zellen nach Stimula- Testosteronbildtmg verantwortlich. FSH beeinflusst speziell
tion durch FSH gebildet wird. Im Blut ist Testosteron an die Sertoli-Zellen, die ihrerseits parakrin mit den Leydig-
Geschlechtshormon bindendes Globulin (SHBG) und an- Zellen kommtlllizieren und die Testosteronproduktion
dere Proteine gebunden. steigern (Abb. 13.21). Testosteron wirkt seinerseits auf die
Gonadotropinsekretion zurück ttnd reguliert u. a. die Sper-
Wirkung am Zielgewebe Testosteron dringt passiv durch
matogenese und die Differenzierung der Wolf!'-Gänge.
Diffusion in die Zielzellen ein und wird in manchen Ziel-
geweben durch 5• -Reduktase zu Dihydrotestosteron mn-
gewandelt. Sowohl Testosteron als auch Dihydrotestoste- 13.2.2 Samenwege, akzessorische
ron werden an ein intrazelluläres Androgenrezcptorprotein Geschlechtsdrüsen
gebunden, das sowohl im Zytoplasma als auch im Zellkern
lokalisiert ist. Dihydrotestosteron ist für die Entwicklung Die Samenwege beginnen mit dem Nebenhoden tmd setzen
des männlichen Phänotyps verantwortlich und prägt die sich in den Samenleiter fort, der in die Harnröhre mündet.
"männlichen" Verhaltensmuster. Testosteron kann in man- Den Samenwegen sind die sog. akzessorischen Geschlechts-
chen Geweben, z. B. in Fettgewebe, zu Östrogenen aroma- drilsen (Samenblase, Prostata und Cowper-Drüsen) zuge-
tisiert werden. ordnet.
~
Abb. 13.23 Ductulus
efferens.
Merke
• Ductuli efferentes: einseilrichtig kubisches, einschichtig
prismatisches oder mehrreihig prismatisches Epithel,
gewellte Epitheloberfläche mit einzelnen Kinozilien
• Nebenhodengang: zweireihig hochprismatisches Epi-
thel, Stereozilien
Nebenhodengang
Der Nebenhodengang (Ductus epididymidis) ist ca. 6 m lang
und liegt stark aufgeknäuelt im 4- 5 an langen Nebenhoden.
Man findet im Präparat alle möglichen Anschnittsprotile.
Sein Ltunen nimmt von proximal nach distal zu und enthält
oft die noch immobilen Spermien. Das Epithel des Neben-
hodengangs schwankt in der Höhe zwischen 30 und 80 Jlm
tmd ist zweireihig hochprismatisch (kleine Basalzellen und
schlanke hohe ausdifferenzierte Epithelzellen). Die apikalen
Samenwegs-Stereozilien (besonders lange Mikrovilli) der
hochprismatischen Zellen (Abb. 13.24, Abb. 13.25) sind an
den intensiven resorptiven Vorgängen beteiligt (sie nehmen
ca. 90% der im Hoden gebildeten Flüssigkeit auf, in der die
Spermien suspendiert sind). Außerdem sind sie an einer Abb. 13.24 Nebenhodengang im Querschnitt. Das Epithel
Reihe von sekretorischen Prozessen beteiligt. Es wird hier ist zweireihig mit hohen apikalen, zum Teil artifiziell ver-
mithilfe einer Protonenptunpe ein leicht saures Sekret abge- klebten Mikrovilli (Stereozilien). Mensch; Färbung: H. E.;
geben (pH 6,5), das die Spermatozoen unbeweglich macht Vergr. 250-fach.
416 13 Geschlechtsorgane
0 oa w
a b c
Außenansicht, Frontalschnitt, Sagittalschnitt Horizontalschnitt,
dorsal der Urethra folgend auf Höhe des
Utriculus prostaticus
.11
a/
b
- -;,-- 7
/i" V /
A = Außenzone U =Urethra
I I = Innenzone C = Colliculus seminalis Abb. 13.31 Gliederung
' M = pariurethrale Mantelzone D = Ductus ejaculatorius der Prostata. (Aus (3))
V
Abb. 13.32 Prostata, Übersicht Die Drüsenschläuche Abb. 13.33 Prostata. Die Epithelhöhe des Drüsenepithels
dieser tubuloalveolären Drüse sind unterschiedlich weit variiert in Abhängigkeit vom AndrogenspiegeL Sie ist
Ihre Wand bildet vielgestaltige Falten, zum Teil finden sich hier i. A. hochprismatisch und zum Teil mehrreihig. Im
"Prostatasteine" (~) im Lumen. Zwischen den Drüsenschläu- Stroma liegen viele glatte Muskelzellen, die quer und längs
chen finden sich unterschiedlich weite Bindegewebsstraßen getroffen sind. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 100-fach.
mit Zügen glatter Muskelzellen, Kollagen- und elastischen (Aus (1))
Fasern. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 40-fach. (Aus (1))
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 419
• eine lnnenzone, die die terminalen Samenleiter ein- • eine Außenzone, die umfangreich ist lmd die anderen
schließt und einen mittleren Bereich der Drüse einnimmt, Zonen umgreift.
reicht trichterfcirmig von kranial bis zum Colliculus semi-
nalis
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Abb. 13.34 Prostataepithel und subepitheliales Stroma in einer EM-Aufnahme. Im Epithel finden sich vielfach Sekretions-
granula (1) und zum Teil apokrine apikale Sekretionsfiguren (2), im Stroma glatte Muskulatur (3) und Ko llagenfibrillen (4).
Mensch; Vergr. 3870-fach.
420 13 Geschlechtsorgane
Drüsen Drüsenendstücke und Drüsengänge sind in der Jen sind auf molekularer Ebene u. a. durch Expression des
ganzen Prostata sehr ähnlich gebaut. Die tubuloalveolären Androgenrezeptors gekennzeichnet. Die Stammzellen cx-
Einzeldrüsen verlaufen geschlängelt und besitzen ein zu- primieren u. a. das antiapoptotische Protein bcl2. Prostata-
meist zweireihiges prismatisches Epithel (Abb. 13..32, Abb. steine (Abb. 13.32) finden sich gelegentlich im Drüsen-
13.33). In der Innenzone sind die Endstücke oft relativ eng ltunen als kleine eosinophile Körper mit konzentrischer
und das Epithel bildet oft Auffalttmgen. In der Außenzone Schichtungsstruktur. Sie bestehen aus eingedicktem Drü-
sind die Endstiicke i. A. relativ weit und das Epithel verläuft sensekret
überwiegend glatt. Die perittrethralen Drüsen sind klein
und besitzen oft winzige Endstücke. Stroma Das Bindegewebsgerüst mit vielen glatten Mus-
kelzellen (Abb. 13.36, Abb. 13.37, Abb. 13.38) kommt in al-
Epithel der Drüsen Die Epithelhöhe ist vom Aktivitäts- len Zonen der Prostata vor. Aufgrund dieses sehr typischen
zustand abhängig, in aktiven Drüsen bildet das prismati- hohen Gehalts an glatter Muskulatur im Stroma ist die Pro-
sche Epithel meistens unregelmäßige Falten (Abb. 13.33), in stata relativ fest.
wenig aktiven Drüsen kann das Epithel kubisch oder sogar
flach sein. In den hellen Epithelzellen liegen die Kerne in Prostatasekret Das Sekret der Prostata macht 15 -30~
unterschiedlicher Höhe, apikal kommen Sckretgranula vor des Ejakulats aus und enthält z. B. Zitronensäure, Prosta-
(Abb. 13.34). Einzelne Sekretkomponenten werden auch glandine, saure Phosphatase, Proteasen, das Polyamin Sper-
mittels apokriner Sekretion freigesetzt (Abb. 13.35). Im min, Immunglobuline tmd Zink. Unter den Proteasen spielt
Epithel finden sich basal gelegene Stammzellen, von denen eine Serinprotease, das prostataspezifische Antigen (PSA,
die Epithelerneuerung ausgeht. Außerdem treten im Epi· Abb. 13.39), in der Diagnostik von Prostatakrankheiten
thel endokrine Einzelzellen auf, die ganz überwiegend Sero- eine wichtige Rolle. Physiologischerweise dienen diese Pro-
tonin bilden. Diese Zellen sind wahrscheinlich in der Lage, teasen der Vcrflüssigtmg des Prostatasekrets. Bei der Attf·
sowohl Reize aufzunehmen als auch effektarisch aktiv zu klärungvon Sexualverbrechen haben eingetrocknete Sper-
sein. Vermutlich hat das Serotonin kontrahierende Wir- minkristalle eine rechtsmedizinische Bedeuttmg.
kung auf die glatte Muskulatur der Prostata. Die Epithelzel-
D
Abb. 13.35 Apex sekreto- a
risch aktiver Epithelzellen Abb. 13.36 Stroma der
der Prostata. Prostata.
Abb. 13.3 7 Stroma der Prostata mit reich entwickelten Abb. 13.38 Aktinnachweis im Stroma der Prostata.
glatten Muskelzellen im Bindegewebe. L Drüsenlumen. Immunhistochemischer Nachweis glattmuskulären Aktins
Mensch; Färbung: H. E., Vergr. 250-fach. (Braunfärbung); die zahlreichen glatten Muskelzellen im
Bindegewebe lassen sich auf diese Weise überzeugend nach·
weisen. L Drüsenlumen. Mensch; Vergr. 250-fach.
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 421
Regulation Sowohl Drüsenepithel als auch das muskel- spongiosa urethrae ein. Es handelt sich ttm eine Schleim bil-
zellreiche bindegewebige Stroma (Abb. 13.36) sind hor- dende, tubulöse Drüse, die bei sexueller Erregttng ein klares,
monsensitiv, ihre Aktivität ttnd ihr Wachstttm sind abhän- muzinhaltiges Sekret abgibt. Das Sekret ist schwach alka-
gig von endogenen Geschlechtshormonen. Es herrscht ein lisch. Es neutralisiert die Harnreste in der Harnröhre und
enges Zusammenspiel zwischen Epithel- ttnd Stromazellen bereitet die Harnröhre fli.r die Passage des Spermas vor.
in der Prostata. Beide besitzen Androgen -(Iestosteron-)Re-
zeptoren, aber nur die Stromazellen besitzen 5a-Reduktase, Merke Die akzessorischen Geschlechtsdrüsen stehen un-
mit deren Hilfe das aktive Dihydrotestosteron (DHT) ent- ter dem Einfluss des Testosterons ttnd bilden die Samen-
steht. tliissigkei t.
Corpus cavemosum
Das Corpus cavernoswn ist ein schwammähnliches System
aus dicht gelagerten ttnd anastomosicrenden Bluträttmen
Abb. 13.39 PSA-Nachweis. Immunhistochemischer Nach- (Kavernen, Abb. 13.41 ), in die arterielles Blut iiber die Ran-
weis (Braunfärbung) des prostataspezifischen Antigens (PSA) kenarterien (Aa. helidnac, Aste der J\. profLmda penis) hin-
in der Prostata eines älteren Mannes. Gegenfärbung der einflieHt ttnd aus denen V cnen, die die TLmica albuginea
Kerne mit Hämalaun. Vergr. 110-fach. dmchbrechen, das Blut abfi.Lhren (Abb. 13.41).
422 13 Geschlechtsorgane
A. dorsalis penis
Septum penis
Tunica albuginea
Fascia penis
--- Epidermis
Abb. 13.40 Penisquerschnitt. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 4-fach. (Aus (1))
Corpus spongiosum
Das Corpus spongiosum ist im Prinzip ein dichtes Venenge-
flecht in der Wand der Urethra (Abb. 13.42), wie es auch in
der Wand der weiblichen Urethra vorkommt. Dieses venöse
Abb. 13.41 Corpus cavernosum. 1 Kavernen; 2 Trabekel; Geflecht findet sich auch im vordersten Anteil des Corpus
3 Tunica albuginea. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 45-fach. spongiostun, in der Eichel. Im Bulbus penis, also an der
13.2 Männliche Geschlechtsorgane 423
Abb. 13.42 Corpus spongiosum (*) beim Mann. Abb. 13.43 Plexusvenen (1) des Corpus spongiosum
Anschnitte durch Urethra (1) und Gefäße des Corpus spon- (Frau). Die Wand ist unterschiedlich dick mit wechselndem
giosum mit unterschiedlicher Wanddicke. -+ endoepitheliale Verlauf der glatten Muskulatur. 2 typische Wülste (wie bei
Urethraldrüsen. Färbung: H. E.; Vergr. 45-fach. Drosselvenen) mit längs vertaufender Muskulatur. Färbung:
H. E.; Vergr. 120-fach.
424 13 Gesc hle chts organe
Das weibliche Reproduktionssystem umfasst innere (Ovar differenzieren als auch die weiblichen Geschlechtshormone
[Eierstock], Tuba uterina [Eileiter], Uterus [Gebärmutter], gebildet werden.
Vagina [Scheide]) tmd äußere (Vulva [Sch eidenvorhofl,
Klitoris, Labia pudendi [Schamlippen ], Gll. Vestibulares
[Vorhofdrüsen]) Geschlechtsorgane. Im weiteren Sinn wird
AllgefllE'. -
auch die weibliche Brust zu den Geschlechtsorganen gerech- Das paarig angelegte, ca. gut 3 cm lange tmd 0,5- 1 cm dicke
net (Kap. 15). Ovar liegt intraperitoneal und ist an Mesovar und Bändern
befestigt. Das Organ ist in eine zelldichte Rinde tmd ein
locker gebautes Mark gegliedert.
13.3.1 Reproduktionsbiologische
Ent ·c ' · Rinde An seiner Oberfläche wird das Ovar von flachem
bis kubischem und zum Teil sogar prismatischem Perito-
Die Entwicklung der weiblichen Geschlechtsorgane ist erst nealepithel, das auch, nicht zutreffenderweise, Keimepithel
in der Pubertät (im Alter von ungefähr 13 Jalmn) abge- genarmt wird, bedeckt. Dieses Epithel kann Krypten und
schlossen. Zysten bilden, von ihm kann das Ovarialkarzinom ausge-
Folgende Begriffe sind in der Entwicklung der Ge- hen. Unter dem Epithel befindet sich eine dichte Binde-
schlechtsorgane eines Mädchens von klinischer Wichtigkeit: gewebsschlcht, die Tunica alb uglnea. In das sehr zellreiche
• Menarche: erste Monatsblutung Bindegewebe (spinozelluläres Bin d egewebe, Kap. 3.2.9)
• 1l1elarche: Entwicklung der weiblichen Brust der Rinde sind die Ovarialfollikel (Eifollikel) eingelagert,
• Pubarche: Entwicklung der Schamhaare. die verscruedene Differenzierungsformen unterscheiden
lassen: Primordialfollikel, PrimärfolHkel, Sekundärfollikel,
Zwischen Beginn der Brustentwicklung und der Menarche Tertiärfollikel, Gelbkörper und atretische Follikel. Diese
liegen i. A. 2-3 Jahre. Der Zeitpunkt der Menarche ist varia- verschiedenen Follikelformen spiegeln die Entwicklung
belund hängt von verschiedenen, auch sozioökonomischen tmd Ausreifung der Eizellen (Oogenese) wider.
Faktoren ab, er liegt in der westlichen Welt derzeit bei
12 -13 Jahren. Nach der Menarche finden die ersten Mo- Mark Das Mark des Ovars besteht aus lockerem Binde-
natsbluttmgen (Menses) ofl. noch tmregelmäßig statt. gewebe tmd zahlreichen Blut- und Lymphgefäßen. Die
Während des gesrunten reproduktiven Lebensabschnitts Blutgefäße verlaufen stark geschlängelt. Die Wand der Ar-
kommt es zu sich ständig wiederholenden, ca. 28 Tage dau- terien ist bei älteren Frauen ofl. umgewandelt tmd enthält
ernden Menstruations-(Monats- = Sexual-)Zyklen, die im homogenes eosinophlles Material.
Alter von ungefähr 50 Jahren aufhören. Die letzte Menstrua-
tionsbluttmg markiert die Menopause. Der Zeitratun vor
der Menopause mit zum Teil schon tmregelmäßigen Blu-
Oogenese u
tungen heißt Klimakterium. Der Zeitraum nach der Meno- Oogonien Die ersten Eizellen - Oogonien ("Urkeimzel-
pause wird Postmenopause genannt. len") - entstehen schon in der 3. Schwangerschafl.swoche
im entodermalen DottersackepitheL Sie wandern in die Ge-
1J.J.2 ·-· nitalleiste, bilden ruer zunächst Stränge und Ballen, werden
von Follikelzcllen, die sich vom Peritonealepithel (Zölom-
Die Ovarien sind die weiblichen Keimdriisen, in denen sich epithel) herleiten, wngeben und vermehren sich ruer mito-
sowohl die weiblichen Kei nu.cllen (Eizellen) vermehren und tisch.
13.3 Weibliche Geschlechtsorgane 42 5
Granulosazcllen die Östrogene Ostradial und Ostron. Beide folgt- außerhalb des Ovars- vor allem im Fettgewebe. Nur
Östrogene entstehen durch Aromatisierung der genannten Testosteron und Dihydrotestosteron sind echte Androgene,
Androgene, Ostradial aus Testosteron, Östron aus Andro- die bei einer Frau virilisierend (vem1ännlichend) wirken.
stendion. Östron wird l'tberwiegend in Ostradial umgewan-
delt. Das Corpus luteum bildet Progesteron.
Die ersten Schritte der Steroidbildung werden von LH
Andere Hormone
reguliert. LH steuert insbesondere den Transport des Cho- Inhibin Johlbin wird in 2 Formen (lnhibin A ttnd B) vom
lesterins in die Mitochondrien durch das steroidogene akut Follikel gebildet ttnd hemmt die Freisettttng von FSH. Die
regulatorische Protein (StAR). Weiterhin steuert LH die 2lnhibine haben keineswegs identische Pttnktion.
Umwandlung des Cholesterins zu Pregnenolon. Die Arorna-
tisierung der Androgene (Testosteron und Androstendion) Aktivin Aktivin wird auch vom Follikel gebildet, stimu-
zu Ostrageneo reguliert FSH. LH stimuliert also den Sub- liert die FSH-Bildung und kann die ovarielle Steroidsynthe-
stratfluss und die Bildung von Androgenen und Progeste- se beeinflussen. Follistatin bindet Aktivin und kann seine
ron, ohne die Anwesenheit von FSH zu benötigen. Die Wir- Wirkung beeinträchtigen.
kung des FSH wird aber behindert, wenn LH fehlt, weil dann
nicht genug Substrat für die Östrogenbildtmg vorliegt. Weitere Hormone Das Ovar bildet weitere Hormone,
z. B. Relaxin, Oxytocin, Vasopressin, Follikel-regulatorisches
Östrogene Das wichtigste Östrogen ist das OstradiaL Protein (FRP), Oozytenreifttngshemmer (OMI), meiose-
Östrogene fördern die Entwicklung der sekundären Ge- induzierende Substanz (MIS), Wachstumsfaktoren (z.B.
schlechtsmerkmale der Frau, fördern das Uteruswachstum, "insulin-like growth factor"), deren vermutete Funktionen
die Verdicktmg der Vaginalschleimhaut, Verflüssigung des sich ztun Teil ans den Namen ergeben nnd über die zum
Zervixschleirns, die Entwicklung der Brust und Brustdrüse. Teil noch wenig Spezifisches bekannt ist.
Sie helfen kardiavaskuläre Erkrankungen zu verhindern.
Die Ostrogenrezeptoren befinden sich im Zytoplasma; sie Follikelstadien
ttnterscheiden sich in molekular-funktioneller Hinsicht in
den einzelnen Organen. Differenzierungskriterie n Die Reifung eines Follikels
(Abb.l3.44, Tab. 13.2) kennzeichnet die erste Hälfte des
Progestero n Dieses Hormon dominiert die 2. Zyklus- Menstruationszyklus, die daher auch Pollikelphase (folliku-
hälfte. Es bereitet den Uterus flir die Implantation einer be- läre Phase) genannt wird. Der histologische Unterschied
fruchteten Eizelle vor. Es fördert die Sekretion der Uterus- zwischen Primordial- und Primärfollikeln ist quantitativ:
drüsen, induziert die Dcziduareaktion des Endometriurns Im Primordialfollikel ist das Epithel flach, im Primärfollikel
und hemmt Uteruskontraktionen. Progesteron erhöht die ist das Epithel kubisch, und der primäre Oozyt ist größer
Viskosität des Zervixschleims, verstärkt die Drusenentwick- (Abb.l3.45, Abb. 13.46, Abb. 13.47). Bei den Primordialfol-
lung der Brust und erhöht die basale Körpertemperatur. likeln handelt es sich um ruhende, bei den Primärfollikeln
(und allen weiteren Follikelformen) tun wachsende Follikel.
Androgene Zu den Androgenen des Ovars zählen Testo- Bei den Sekundärfollikeln ist das Epithel mehrschichtig,
steron und Androstendion. Sie werden in Theca- und Stro- und zwischen Oozyt und Pollikelepithelzcllen bildet sich
mazellen gebildet. Das wichtigste Androgen ist das Andro- die Zona pellucida, die aus 3 großen, miteinander verbun-
stendion, das zwn Teil ins Blut abgegeben, zum Teil von den denen Glykoproteinen (ZPl, ZP2, ZP3) besteht (Kap. l4.1).
G!"anulosazcllen zu Ostrogen wngewandelt wird; es kann Im tungebenden Bindegewebe beginnt sich die Theca folli-
auch in peripheren Geweben zu Testosteron und Ostrogen culi (s.u.) zu diflerenzieren. Tertiärfollikel sind durch das
umgewandelt werden. Die Umwandlung zu Ostrogen er- Antrtun folliculi gekennzeichnet und werden daher auch
Corpus
.
albicans
•I
•
•
Corpus Abb. 13.44 Follikelent-
luteum wicklung im Ovar (Schema).
13.3 Weibliche Geschlechtsorgane 427
c
Abb. 13.47 Primordial-
follikel.
Graaf-Follikel Sein Durchmesser beträgt ca. 15-25 mm, det. Sie ist eine spezielle Bindegewebshtille um den Follikel
seine Eizelle ist ungefahr 150 J..LIU groß. Die Zona pellucida und reich an Blutgefaßen. Sie besteht aus 2 Schichten, der
(Abb. 13.50) ist ca. 20 - 25 J.Lm dick und gut zu erkennen. (inneren) Theca interna und der (äußeren) Theca externa.
Sie wird von Mikrovilli vor allem der Granulosazellen, aber Die epithelähnlichen Zellgruppierungen der Theca intema
auch der Eizelle durchsetzt. Oie Mikrovilli der Eizelle tmd bestehen aus kleinen hellen, über Nexus verbundenen Zel-
der Granulosazcllen sind durch Gap Junctions verbunden. len mit kugeligem Kern (Abb. 13.51}, die sich aus dem spi-
nazellulären Bindegewebe differenzieren und die Steroid-
Theca folliculi In der bindegewcbigcn Umgebung des hormone bilden (Abb. 13.52). Wichtigstes Hormon dieser
Tertiärfollikels hat sich die Thcca folliculi definitiv ausgebil- Zellen, die den Lcydig-Zellen im Hoden entsprechen, ist
das Androgen Androstendion, das unter LH-Einfluss gebil-
detwird. Das Androstendion wird freigesetzt, von den Gra-
nulosazellen des Tertiärfollikels aufgenommen und hier
unter FSH-Einfluss durch Aromatisierung in Östrogene
rungewandelt (Abb. 13.52). Besonders aktive Tbcca-inter-
na-Zellen finden sich in der 2. Zyklushälftc. Sie enthalten
kleine Lipidtropfen (1heka-Luteinzcllcn). Tbcca-interna-
Zellen enthalten viele kleine Mitochondrien und gut ent-
wickeltes raues oder glattes ER. Das glatte ER ist besonders
gut entwickelt vor der Ovulation, dann besitzen die Zellen
oft auch kleine Fetttropfen. Diese Zellen finden sich nicht
nur in der Umgebung der Follikel, sondern sie können
locker in der Rinde verstreut sein (besonders ausgeprägt
z. B. im Ovar der Katze, Abb. 13.45).
Abb. 13.50 Eizelle und Granulosazellen eines frühen Tertiärfollikels. Im Zytoplasma der Eizelle finden sich zahlreiche
kleine Mitochondrien. 1 Zellkern der Eizelle; 2 Zona pellucida, in die Mikrovilli (~)der Eizelle und vor allem der Granulosa-
zellen hineinragen; ll> Granula in der Peripherie der Eizelle; 3 Granulosazellen. Mensch; Vergr. 2100-fach. (Aus (1])
Follikei-
(Granulosa-)
zelle
Aromatase._
LH -
'
''
Basel-
lamina
LH-- ·-gletttes ER
Kapillare
Abb. 13.51 Tertiärfollikel. 1 Lumen; 2 Follikelepithel
(Follikelepithelzellen = Granulosazellen); 3 Theca intema.
Ovar, Mensch; Färbung: Säurefuchsin- Lichtgrün; Abb. 13.52 Funktionelles Zusammenwirken von Theca-
Vergr. 250-fach. intema-Zellen und Follikelzellen im TertiärfollikeL
430 13 Geschlechtsorgane
banden sind. Sie treten in variabler Zahl und Lokalisation des selektierten Follikels neben dem erhöhten Östrogenspie-
auf und ähneln den Leydig-Zellen in besonderem Maße gel beiträgt. Die Eizelle tritt vom Ovar in die Tuba uterina
(Reinke-Kristallc, Lipofuszin u.a.). Die Hiluszellen bilden über, wo eine Befruchtung möglich ist. Ohne Befruchtung
Androstendion, Östrogen und Progesteron. geht sie nach ca.12- 24 Stunden zugrunde.
Die Zellen der kollagenfaserreichen Theca n1ema sind
Myofibroblasten, die eine Rolle bei der Ovulation spielen.
GelbkÖfl.l (
Nach der Ovulation wandelt sich der Follikel in den Gelb-
körper (Corpus lutewn) wn. Der Gelbkörper dominiert die
Kurz vor der Ovulation - in der Mitte des Menstruations- 2. Hälfte des Menstruationszyklus (luteale Phase), er bildet
zyklus (Abb. 13.53) - steigt der LH-Gehalt rasch stark an insbesondere Progesteron (Abb. 13.54), aber auch Östro-
(LH-Peak). Ebenfalls pr'ciovulatorisch steigt im Follikel die gene. Progesteron ist v.a. ftir die Umwandlung der Uterus-
Progesteronkonzentration an, wodurch die Konzentration schleimhaut verantwortlich, die die Implantation einer be-
proteDlytischer Enzyme zunimmt. Proteolytische Enzyme, fruchteten Eizelle ermöglicht.
Prostaglandine, der erhöhte Flüssigkeitsdruck im Follikel
und wahrscheinlich die Kontraktionen der 1hcca cxterna Corpus rubrum Der nach der Ovulation erschlaffte Folli-
ftihren dann ca. 16-23 Stunden nach dem LH-Peak dazu, kel füllt sich mit Blut (Corpus rubrum, Abb. 1355), das ge-
dass die Follikelwand an einer sehr dünnen, blassen Stelle, rinnt und langsam durch einwachsendes Bindegewebe er-
dem Stigma, platzt. Der reife, prall mit Flüssigkeit gefüllte setzt wird. Die Follikelwand des Gelbkörpers ist in Palten
Graaf-Pollikcl setzt eine Eizelle mit Corona radiata frei (Fol- geworfen (Abb. 13.55). Sie verdickt sich, der Gelbkörper
likelsprung, Ovulation), ein Vorgang, der nur wenige Minu- wird ein ca. 2 cm großes gelbliches Organ. Die Basallamina
ten dauert. zwischen Gelbkörper und 1heca wird langsam abgebaut.
Androgene leiten die Rückbildung der nicht selektierten Von auf3en wächst Bindegewebe mit Blut- und Lymphge-
Follikel ein. Die PSH-Ausschüttung der Adenohypophyse fäßen vor und dringt in die Wand des Gelbkörpers ein
geht nach der Ovulation zurtick, wozu das follikuläre Inhi- (Abb. 13.56).
bin (entspricht dem Inhibin der Sertoli-Zcllen, Kap. 13.2)
Hormonzyl<kJs ~ Ovulation
Progesteron
LH
FSH
Ovarhistologie ~Ovulation
~
d?\~
Aktivierung I Selektion dominanter ~ Ovum Corpus
luteum
Degeneration des
Corpus luteum
der Follikel Follikel (Eizelle)
Menses
Regeneration
r------ -----,
:,_Proguteron
________ ..:
Granulosa-
Lutalnzelle
Aromalase
FSH-- - - - LH
Cholesterin --_
Theke-
Lutein- -----
zelle
Cholesterin ---
LH ------
glattes ER
Blutgefäß
Abb. 13.54 Zelluläre Kooperation zwischen Theka-Lute- Abb. 13.56 Wand eines Gelbkörpers mit großen Granu-
inzellen und Granulosa-Luteinzellen im Corpus luteum. losa-Luteinzellen (1), zwischen denen mehrere Blutkapilla-
ren (~)zu erkennen sind. Außerhalb des Gelbkörpers sieht
man einige kleine Theka-Luteinzellen (... ).Ovar, Mensch;
Färbung: Azan; Vergr. 250-fach.
Granulosa-Luteinzellen Die Granulosazellen (Follikel- • Corpus lutetml graviditatis: Der Gelbkörper der Schwan-
epithelzellen des einstigen Graaf-Follikels) wachsen unter gerschaft entsteht, wenn es zur Befruchtung gekommen
LH-Einfluss rasch heran und lagern Lipide tmd das gelbe ist. Es vergrößert sich unter dem Einfluss des humanen
Pigment Lutein ein (Luteinisierung). Die stimulierten Choriongonadotropins (hCG) auf ca. 2,5 - 3 cm und
Granulosazcllen heißen jetzt Granulosa-Luteinzellen. Beim bleibt ca. 4 Monate aktiv, danach bildet es sich langsam
Menschen treten in den Granulosa-Luteinzcllen nur relativ zurück. Seine Funktionen werden dann von der Plazenta
selten größere Lipidtropfen auf. Dagegen sind bei manchen übernommen.
Säugetieren in den Gelbkörpern häufig Lipidtropfen anzu-
treffen (Abb.13.57). Corpus albicans Der sich zurückbildende Gelbkörper
wird in kollagenfaserreiches Narbengewebe umgewandelt
Theka-Luteinzellen Auch die (kleineren) Theca-interna- (Abb. 13.58). Dieses Narbengewebe kann sogar verkalken,
Zellen werden luteinisiert (Theka-Luteinzcllen). Sie finden selten auch verknöchern, es wird Corpus albicans genannt.
sich in Gruppen in den Bindegewebssepten oder an der
Außenseite der Gelbkörper (Abb. 13.56). Ihr Zytoplasma
enthält zahlreiche Mitochondrien (einige mit Tubuli), einen Atrmsche Folli ·e
großen Golgi-Apparat und gut entwickeltes raues tmd glat- Follikel können sich in jedem Entwicklungsstadium zurück-
tes ER. bilden und werden dann atretische Follikel genannt, da sie
sich niemals eröffnen. Von den bei der Menarche vorhande-
Formen der Gelbkörper Es werden 2 Formen von Gelb- nen 400 000 Primordialfollikeln gehen ca. 99~ in Form von
körpern unterschieden: atretischen Follikeln zugrtmde. Der Prozess der Atresie be-
• Corpus Juteum menstruationis: Der Menstruationsgelb- ruht auf Apoptose der Pollikeh.cllen und der Eizelle. Grö-
körper existiert nur ca. 14 Tage in der 2. Zyklushälfte tmd
bildet sich zurück, wenn die Eizelle nicht befruchtet wird.
Progesteron- und Östrogenspiegel beginnen am 22. Zyk-
lustag abzufallen, die LH-Stimulation geht zurück. Der
Gelbkörper geht zugrunde. Daraufhin steigt der Spiegel
des hypothalamisehen GnRH an, was nach der Menstrua-
tion eine neue Follikelphase einleitet.
•
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I •
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I
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. ,. Ringmuskulatur
'
I
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---- Serosa
Mesosalpinx
Abb. 13.59 Tuba uterina in Höhe
ihrer Ampulle, Querschnitt. Charakte-
ristisch sind vor allem die zarten, reich
verzweigten Schleimhautfalten sowie
die locker gefügte, nicht streng in
Schichten gegliederte Tunica muscu-
laris, die bis unter die Serosa reicht.
Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 22-fach.
(Aus [1))
434 13 Gesc hlechts orga ne
.s
Abb. 13.61 Endometrium, relativ früher Zeitpunkt der
f'roliferationsphase. Die Drüsen der Funktionatis (1) des
Endometriums verlaufen gerade, die Drüsenschläuche der
Basalis (2) sind geknäuelt. 3 Stratum compactum; 4 Stratum
spongiosum; 5 Myometrium. Uterus, Mensch; f'lastikschnitt;
Färbung: H. E.; Vergr. 20-fach. (Aus (1])
tmd innen je eine relativ dünne Schicht mit längs tmd Endometrium
schräg angeordneten Muskelfasern tmd in der Mitte eine
relativ dicke Schicht mit überwiegend zirkulär angeordne- Die Schleimhaut (Endometrittm) der Cervix uteri (= der
ten Muskelfasern und vielen Blutgefaßen. Zwischen den Zervix) besitzt eine sehr tmregelmäßige Oberfläche mit
glatten Muskelzellen finden sich auch Myofibroblasten, die zwn Teil verzweigten Falten (Plicae palmatae) und Spalten
in der 2. Zyklushälfte aus Fibroblasten hervorgehen. Die (Abb. 13.63), deren tiefe Anteile oft Drüsen genarmt werden.
glatten Muskelzellen sind im ruhenden Uterus ca. 20 J.U1l Das Epithel der Oberfläche und der Spalten ist gleichartig.
lang, während der Schwangerschaft können sie bis zu Es besteht aus hochprismatischen Zellen (Abb. 13.63), die
600 ~tm lang werden. Schleim, Lysozym tmd andere antibakterielle Proteine bil-
den. Regelmäßig kommen kleine Ersatzzellen vor. Vereinzelt
Gefäße Das Myometrittm ist sehr reich an Blutgefaßen. treten Flimmerzellen auf. Das Endometrimn der Zervix zeigt
Die Arterien tmd Venen verlaufen stark geschlängelt. Der keinerlei Abstoßtmgsreaktionen.
geschlängelte V erlauf der Gefaße wird als Anpasstmg an die
Dehnungsfahigkeit der Uteruswand während der Schwan- Sekret Das Sekret der Zcrvixepithelien bildet einen
gerschaft angesehen. Die muskelstarken Wände der Arte- Schleimpfropf im ZervL'<kanal zum Schutz gegen aufstei-
rien erlauben eine starke Kontraktion nach der Geburt und gende Infektionen. Seine Viskosität lmd sein pH-Wert än-
während der Abstoßung der Plazenta, was die nachgeburt- dern sich im Laufe des Zyklus. Während der Ovulation ist
liehen Blutungen in Grenzen hält. der Schleil11 alkalisch und dünnJii.issig, was den Dttrchtritt
der Spermatozoen begünstigt. Er ist zu diesem Zeitptmkt
glasklar und fadenziehend (spinnbar). Auf einem Objekt-
Veränderungen in der Schwangerschaft In der Schwan-
träger bildet der eingetrocknete Schleim während dieser
gerschaft vergrößern sich die glatten Muskelzellen (Hyper-
trophie) und ihre Zahl vermehrt sich (Hyperplasie). Zusätz-
lich wird Wasser in das Bindegewebe des Myometrittms
eingelagert, was Veränderungen im Gewebegefüge wäh-
rend des Wachstums von Embryo bzw. Fetus erleichtert.
Das Gewicht des Uterus nilnmt im Laufe der Schwanger-
schaft von 100 g zu Beginn auf ca. 1000 g bei der Geburt zu.
Perimetrium
Das Perilnetrium (Peritonealepithel mit schmaler Bindege-
websschicht) bildet die äußere Oberfläche des Uterus tmd
besteht aus einer Serosa mit Peritonealepithel tmd einer
dünnen Bindegewebsschicht Seitlich setzt sich die Serosa
auf dem linken und rechten Lig. latum fort. Das Bindege-
webe der Ligg. lata enthält Netze aus glatter Muskulatur, die
aus der oberflächlichen Schicht des Myometriums hervorge-
hen, kollagene und elastische Fasern, Nerven sowie viele
Blut- und Lymphgefciße.
.,...•
., •
••
2
c C]
Abb. 13.71 Sekretions- Abb. 13.73 Vaginal-
phase. epithel.
J..3 •.• ~ .. • ~- .I • I \.
von Flüssigkeit aus Kapillaren unter dem Vaginalepithel ins
Vaginallumen hinein stattfindet, ist umstritten. Die ober-
Die Scheide ist ein 8 - 9 cm langer, bindegewebig-musku- flächlichen Epithelzellen schilfern ständig ab, in der lutea-
lärer Schlauch, der in Funktionsruhe weitgehend kollabiert len Phase mehr als in der follikulären Phase. Das Glykogen
ist. Ihre vVand ist in Tunica mucosa, Tunica muscularis und der abschilfernden Zellen wird von den Döderlein-Bakte-
Tunica adventitia gegliedert. rien (Lactobacillus vaginalis) zu Milchsäure abgebaut. Die
Milchsäure ist flir den relativ niedrigen pH-Wert von 4,0
Tunica mu cosa Die Mukosa setzt sich aus mehrschichti- im Vaginalmilieu verantwortlich. Der saure pH-Wert ist
gem unverhorntem Plattenepithel (150-200 Jlm dick) und ein Schutzfaktor, der die Besiedclung mit pathogenen Mi-
einer Laminapropria zusammen, deren Bindegewebe reich kroorganismen einschränkt. Bei Anstieg des p H-Wertes,
an Kollagen- und elastischen Fasern ist (Abb. 13.72). Das wie er bei Ostrogenmangel zu beobachten ist, treten ver-
Epithel ist glykogenreich (Abb. 13.73) und in der follikulä- mehrt pathogene Keime, aber auch Protozoen, wie Tricho-
ren Phase deutlich höher als in der lutealen. Mitunter sind monas vaginalis, auf. Die Differenzierung des P~~ttenepi
in den obersten Zellschichten Keratohyalingranula erkenn- thels steht vor allem unter dem Einfluss von Osteogen.
bar. Die Zellkerne bleiben aber immer erhalten, sodass es Unter seinem stimulierenden Einfluss entstehen die aus-
nicht zu einer echten Verhornung kommt. Zwischen den differenzierten Zellen, die in nach Papanicolaou gefachten
obersten Zellen findet sich im Interzellulärraum lipidhalti- Abstrichpräparaten rot (azidophil) sind. Sie sind vor und
ges Material, das ihn versiegelt. Drüsen fehlen in der Wand während der Ovulation besonders zahlreich. Nach der Ovu-
der Vagina. Die auf der Oberfläche vorhandenen Schleime lation geht unter Progesteroneinfluss die Zahl der reifen
entstammen vennutlich der Zervix. Ob eine Transsudation Plattenepithelzellen zurück, es überwiegen dann blaue (ba-
sophile) Zellen, zwischen denen auch Neutrophile und
Lymphozyten auftreten (Abb. 13.65). So gibt dieser Ab-
strich Auskunft über Östrogen- und ProgesteronspiegeL
Das Epithel enthält viele Langerhans-Zclleo, die bei Infek-
tionen eine Rolle spielen.
ScNiml'pp..
La bia majora pudendi Die großen Schamlippen (Labia
majora pudendi) sind fettzellreiche Hautwülste mit relativ
stark pigmentierter Epidermis. Sie sind außen behaart und
enthalten apokrine Duftdrüsen, ekkrine Schweißdrüsen
und halokeine Talgdrüsen. Zwischen den Fettzellen kom-
men glatte Muskelzellen vor. Behaarung und Fettzellgehalt
werden ab der Pubertät von Ostrageneo reguliert.
Abb. 13.72 Vaginalepithel. 1 unverhorntes Plattenepithel; Labia minora pudendi Die tiefer liegenden kleinen
2 Lamina propria. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 150-fach. Schamlippen (Labia minora pudendi) sind gefaßreich und
13.3 Weibliche Geschlechtsorgane 441
(Abb. 13.74). In der Zone zwischen großen und kleinen
Labien kommen größere apokrine Drüsen vor. In beiden
Labien sind Sinneskörper häufig. Einwärts der kleinen La-
bien findet sich das Vestibulum vaginae (Scheidenvorhof).
Glandulae vestibulares
In den Scheidenvorhof münden die 2 erbsgroßen Bartholin-
Drüsen (Gll. vestibulares majores, benannt nach Caspar
Bartolin, 1655-1738, Anatom in Kopenhagen) und die ähn-
lich gebauten kleineren Gll. vestibulares minores ein. Die
BarthoHn-Drüsen sind tubuloalveolär aufgebaut und beste-
hen aus hohen mukösen Drüsenzellen. Die Gänge sind von
mehrschichtigem prismatischem Epithel ausgekleidet. Das
Sekret aller Vorhofdrüsen ist schleimartig und feuchtet ins-
Abb. 13.74 Labium minus pudendi. Zu sehen ist eine besondere bei geschlechtlicher Erregung den Eingang in die
Einsenkung der Oberfläche, die von gering oder nicht ver- Vagina an.
horntem mehrschichtigem Plattenepithel bedeckt ist. Talg-
drüsen sind zahlreich, Haare, Schweißdrüsen und Fettzellen
fehlen. In der Tiefe befindet sich ein Venengeftecht, das Klitoris
dem Corpus spongiosum penis ähnelt. Mensch; Plastik- Die Klitoris liegt über der Urethralöffnung vom zwischen
schnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 40-fach. (Aus (1]) den kleinen Schamlippen und ist dem Penis des Mannes
homolog. Sie ist erektil und enthält auch Schwellkörper-
gewebe vom Typ der Corpora cavernosa. Zwei weitere
Schwellkörper vom Typ des Corpus spongiosum werden
enthalten kein Fettgewebe. Sie tragen ein außen schwach Bulbi vestibuli genannt und liegen in der Basis der kleinen
verhorntes und innen unverhorntes mehrschichtiges Plat- Schamlippen.
tenepitheL Vor eillern innen kommen sehr viele Talgdrüsen
vor, die hier jedoch nicht mit Haaren in Beziehung stehen a 13 Lernhinweise ZU Kapitel13
KAPITEL
Befruchtung, Implantation,
Plazenta
14.1 Befruchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 14.4 Plazenta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
14.2 Von der Befruchtung zur Implantation . . 444 14.5 Nabelschnur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
14.3 Implantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
DllTch die Befruchtung(= Konzeption) entsteht aus 2 ha- Ernährt wird das Kind wältrend der Intrauterinzeit mit-
ploiden Gameten, dem Spermiurn und der reifen Oozyte, hilfe der Plazenta. Sie ist ein grof!es Organ, das fiir die ca.
eine diploide Zygote, die auch befruchtete Eizelle genannt 9 Monatevor der Gebttrt dem Stoffaustausch zwischen Mut-
wird. Aus der Zygote entsteht der neue Organismus, der seine ter und heranwachsendem Kind dient. Am Aufbau der
ersten 9 Lebensmonate beim Menschen intrauterin verbringt, Plazenta sind mütterliche und vor allem kindliche Gewebe
also im Schutz des Mutterleibes. Oie ersten 8 Wochen des beteiligt. Der Stoffaustausch erfolgt durch die Wand der Pla-
intrauterinen Lebens werden Embryonalperiode genannt. zentazotten hindttrch, die ganz aus kindlichem Gewebe be-
Ab der 9. Woche bis zur Geburt spricht man von der Fetal- stehen und in mütterlichem Blut flottieren (hämochoriale
periode. Die ersten 3 Wochen der intrauterinen Entwick- Plazenta). Die Wand der Plazentazotten bildet die Schranke
lung werden mittmter als Phase der Frühentwicklung abge- zwischen kindlichem und mütterlichem Blut (Plazenta-
grenzt. In der Klinik wird die ganze Schwangerschaft in schranke).
3 Dreimonatsperioden eingeteilt: I., 2. und 3. Trimenon.
14.1 Befruchtung
-------------------------------------ZurOrien~erung -------------------------------------
Die Befruchtung findet in der Ampulle der Tuba uterina miurn, das die Zona pellucida durchquert hat, dringt in die
statt. Ihr gehen die letzten Schritte der Ausreifung der Eizelle ein, wo die Befruchtung erfolgt. Das Eindringen
Spermien voratts, zu denen die Akrosomreaktion gehört. weiterer Spermien wird aktiv verhindert. Die Eizelle beiin-
Diese findet im Kontakt mit der Corona radiata der Eizelle det sich zmn Zcitpttnkt der Befruchtung in der Metaphase
statt und ermöglicht dem Spcrmimn den Weg durch die der zweiten meiotischen Teilung, die nur im Fall einer
Corona radiata und die Zona pellucida. Das erste Sper- Befruchtung vollständig abgeschlossen wird.
Bindung des Spermatozoons an die Zona pellucida dem Integrin in der Eizcllmembran verbunden sein. Die
Metalloprote-ase-Domäne des Pertilins führt zur lokalen
Die Membran des Spermatozoenkopfes besitzt sog. Sper- Zerstörung der Eizellmembran. Der Kern des Spenniums
mienrezcptoren, die Verbindung zur Zona pellucida auf- dringt in die Eizelle ein {lmpr'.ignation). Interessant ist, dass
bauen. Die Zona pellucida besteht aus 3 Glykoproteinen: damit auch ein Zentriol in die Eizelle eindringt, denn die
ZPl, ZP2 und ZP3 (ZP = Zona-pellucida-Protein). ZP2 und Eizelle besitzt keine Zentriolen. Das Zentriol des Spenniurns
ZP3 bilden lange filamentäre Strukturen, die in regelmäßi- verdoppelt sich und ist dann in der befruchteten Eizelle, der
gen Abständen durch ZPl -Dimere verknüpft werden. Die- Zygote, am Au1bau der T eilttngsspindel beteiligt.
jenigen Spermatozoen, in denen eine Akrosornreaklion ab-
gelaufen ist, binden mithilfe ihrer Spermienrezeptoren an
ZP3. Diese Bindung fUhrt zur vermehrten Freisetzung einer
akrosomalen, trypsinähnlichen Protease, des Acrosins, das 14.2 Von der Befruchtung zur
dem Spennatozoenkopf die Durchdringung der Zona pellu- Implantation
cida erleichtert.
Morula Aus der befruchteten Eizelle, der Zygote, entsteht
noch in der Tube ein kleiner kugelfcirmiger Zellhaufen,
Fusion von Spermatozoon und Eizelle die Momla (Abb. 14.1). Sie repräsentiert den ganz frühen
Die erhalten gebliebene Zellmembran im Bereich des hinte- Embryo und ist noch von der Zona pcllucida umgeben.
ren Spermienkopfes des ersten Spermiums, das die Zona 2- 3 Tage nach der Befruchtung erreicht sie das Utems-
pellucida durchquert hat, verschmilzt mit der Membran der lumen.
Eizelle. Dies löst die calciumabhängige Preisetzung des In-
halts (zum Teil Proteasen) der Kortikalgranula aus, was das Blastozyste Innerhalb der Morula vorhandene Inter-
Eindringen weiterer Spermien in die Eizelle verhindert. Die zellulärspalten entwickeln sich zu flüssigkeitsgeflillten In-
Fusion der Membranen von Spermitm1 und Eizelle wird terzellulärräumen, aus denen sich schließlich eine gemein-
durch das Protein Perlilin in der Zellmembran des Sperma- same Höhle bildet. Ab diesem Zeitpunkt wird die Momla
tozoons indullert, das zur Familie der Disintegrine gehört. als Blastozyste bezeichnet. Die Blastozyste is t also eine
Pertilin ist ein aß -Heterodimer und besitzt 3 Domänen, eine blasenfönnige Struktur mit einem Ltm1en und einer sog.
Metalloprotease-, eine Fusionspeptid- und eine Disintegrin- inneren Zellmasse (Embryoblast), die sich an einer Stelle
Domäne. Fertilin bindet an ein Eizcll-Integrin. Hierzu ist die innen an der Wand der Blastozyste befindet. Nach ca.
Anwesenheit eines weiteren Proteins in der Eizellmembran 72 Stunden im Utems "schli.:tpft" der Embryo aus der Zona
erforderlich: Das CD9, ein Tetraspanin-Protein, muss mit pellucida.
Vierzell-
st adium M orula
(Tag 3) Reste
der Zona
Tertiärfoll ikel Blastozyste pel lucida
(Tag 4)
Implantation
Zyto-
(Tag 6-7)
trophoblast
Sekundärfollikel Synzytio-
ovulierte Eizelle trophoblast
(2. Reifeteilung) Primärfollikel
Corona radiata Endometrium
und Zona pellucida
Myometrium
Vagina
Abb. 14.1 Von der Befruchtung zur Implantation. Die Eizelle ist hier im Vergleich zu den weiblichen Geschlechtsorganen
vergrößert gezeichnet. (Aus [16])
14.4 Plazenta 445
14.3 Implantation
----------------------------------- ZurOrientierung -----------------------------------
Die Implantation der Blastozyste dauert vom etwa 6.-7. Tag Trophoblast völlig in der Schleimhaut des Corpus uteri
nach der Befruchtung bis ZLU11 10. Tag. Dann ist der eingebettet.
Die Implantation beginnt 6-7 Tage nach der Befruchtung EGF) in der Membran des Uterusepithels und einen ent-
(Abb. 14.1). Die Blastozyste legt sich der Uterusschleimhaut sprechenden Wachstwnsfaktorrczcptor sow ie Heparan-
an. Die Wand der Blastozyste wird Trophoblast genannt, sulfat -Proteoglykane auf der Blastozyste zustande.
sobald sie Kontakt mit der Uterusschleimhaut aufnimmt.
Dann bilden sich an der Oberfläche füßchenförmige Gebilde Trophoblast Die epitheliale Wand der Blastozyste, der
aus Zellen der Blastozystcnwand (Trophoblastenzellen), die Trophoblast, manchmal auch Trophoektodem1 genannt,
in die Uterusschleimhaut eindringen. 10 Tage nach der Be- differenziert sich beim Eindringen in die Uterusschleim-
fruchtung ist die Blastozyste völllg in die Uterusschleimhaut haut in eine innere Zellschicht, den Zytotrophoblasten, tmd
eingebettet. eine äußere synzytiale Schiebt, den Synzytiotrophoblasten
(Abb. 14.1). Teile des Synzytiotrophoblasten dringen so-
Rezeptivität Die Empfängnisbereitschaft (= Rezeptivität) wohl in das Stroma des Endometriums vor (interstitielle In-
der Uterusschleimhaut ist am größten an den Tagen 20-24 vasion) als auch in SchleimhautgefM3e ein (endovaskuläre
eines normalen 28-tägigen Menstruationszyklus. Diese Re- Invasion). Die uteroplazcntale Blutzirkulation ist aufge-
zeptivität beruht auf: baut, wenn der Synzytiotrophoblast in direkten Kontakt
• einem reich vaskularisierten und ödematösen Endome- mit mütterlichem Blut kommt.
triLLm
• aktiv sezernierenden Endornetriumsdrüsen
• der Kontaktaufnallme von kleinen Portsätzen (Pinopo- Klinik Manchmal kommt es vor, dass bei der Implantation
den) des Oberflächenepithels der Uterusschleimhaut mit größere Blutgcfaße der Uterusschleimhaut verletzt werden.
der Blastozyste. Dann kann eine Einnistungsblutung entstehen, die mit
einer Menstruationsblutung verwechselt werden kann und
Weitere molekulare Kontakte zwischen Uterusepithel und u. U. zu einer falschen Berechnung der Schwangerschafts-
Blastozyste kommen iiber einen Wachstumsfaktor (HB- dauer führt.
14.4 Plazenta
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Die Plazenta baut rasch effektive Strukturen auf, die den und von ihr ausgehende [tertiäre] Zottensysteme) Antei-
kontrollierten Stoffaustausch zwischen mütterllchem und len. Die reife Plazentaschranke besteht:
embryonalem Blut cnnöglichen. Stets bleiben mütter- • aus dem Zottencpithel, das v. a. aus den1 Synzytiotro-
llches und embryonales Blut durch eine epitheliale tmd phoblasten und zunehmend seltener werdenden Zyto-
bindegcwebige Schranke, die vom Embryo gebildet wird, trophoblastenzellen aufgebaut ist
getrennt. Die ausgereifte Plazentastruktur liegt ungefähr • der Basallamina des Zottenepithels
am Ende des dritten Schwangerschaftsmonats vor. Die • dem Bindegewebe der Zotten
reife Plazenta besteht aus mütterlichen (Basalplatte, Blut • der Basallamina der Zottengefcißc
zwischen den Plazenta7.otten) und fetalen (Chorionplatte • dem Endothel der Zottenkapillaren.
Die Plazenta ist ein Organ, das Ernährung und WachstLtl11 det v. a. die Basalplatte der Plazenta, in deren Bindegewebe
von Embryo und Petus in den vorgeburtlichen Entwick- sich die Prädcziduazcllen jetzt zu großen, glykogenreichen
lungsphasen im Schutz des mütterlichen Körpers gewähr- Deziduazellen umbilden. Die Deziduazellen (Abb. 14.2,
leistet. Abb.l4.3) erftillen vielfaltige Punktio nen:
• Sie stellen dem frühen Embryo Nährstoffe zur Verfii-
gtmg - sie enthalten Glykogen (Abb. 14.2), Lipidtropfen
Entwicklung der Plazenta und Proteine.
An1 Aufbau der Plazenta beteiligen sich Mutter tmd • Sie beeinflussen die Invasion des Trophoblasten.
Kind, sie entsteht in einem komplizierten Entwickltmgs- • Zusanllllen mit den Trophoblastenzellen hemmen sie im-
prozess. munologische Abwehrreakt ionen gegen den Embryo.
• Sie haben endokrine Punktionen: Sie bilden Prolactin, das
einen stimulierenden Effekt auf das Corpus lutewn aus-
Blastozyste, Deziduazellen übt, Prostaglandine und Rclaxin. Sie haben Östrogen-
Die befruchtete Eizelle entwickelt sich rasch zur Blastozyste. und Progesteronrezeptoren und sezernieren Proteine,
Die Blastozyste ist in der 2. Schwangerschaftswoche fest im die den "i.nsulin-like growth factor" 1 (IGF-1) binden,
Endometriwn eingenistet. Das Endometriwn beteiligt sich, wodurch dessen proliferative Wirkung auf die Endome-
ebenso wie die Blastozyste, am Aufbau der Plazenta; es bil- trimnszellen gehemmt wird.
446 14 Befruchtung, Implantation, Plazenta
•
•
I
•
t
Abb. 14.2 Nachweis von Glykogen (rot) in Deziduazellen; Abb. 14.3 Deziduazellen. Die Deziduazellen (~)finden
der Glykogengehalt variiert, daher reagieren nicht alle Zellen sich zahlreich in der Basalplatte. Sie sind oft groß und oval,
kräftig rot. Färbung: Glykogenfärbung nach Best. Mensch; der Kern ist groß und euchromatinreich, das Zytoplasma ist
Vergr. 250-fach. eosinophil. Mensch; H. E.-Färbung, Vergr. 250-fach.
Lakune im __ _ Endomelriums-
Synzytio- - - - drüse
trophoblasten
endomelriales
- - - -- Stroma mit
Deziduszellen
Zottenstamm
Myomet!lJm
Zottengefäße
uterine Spira/t:vterie
Uterusvene
'Nitabuch-
I Fibmoidstreifen
: ~::;::.i~:iito';;...;.-
~~--~~ ----~- 1 I
: I Basalplatte
I I
I I
I I 1
I
Basalis der
I I
intervilö ser Haft2otten Plazentarseptum Uterusschleimhaut
Raum
Abb. 14.5 Plazentakreislauf (Schema). Das aus den Spiralarterien der Basalplatte unter hohem Druck in den intervillösen
Raum einschießende Blut steigt zunächst zur Chorionplatte auf. Von dort strömt es zurück und umspült die Plazentazotten,
um schließlich über die Uterusvenen wieder abgeleitet zu werden. (Aus (1))
Trophoblastzellen
,,
' Nitabuch-
Fibrinoidslreifen
@ ----- Uterusdruse
Abb. 14.6 Vollständiges Plazentapräparat (Zeichnung). Der fetale Teil der Plazenta besteht 1. aus der Chorionplatte mit
dem sie bedeckenden kubischen Amnionepithel und 2. aus den von der Chorionplatte ausgehenden und sich stark verästeln-
den Zottenbäumen (Kotyledonen), die stellenweise durch sog. Haftzotten mit dem mütterlichen Plazentaanteil der Gegenseite
verankert sind. Der matemale Teil der Plazenta besteht 1. aus der Basalplatte, die aus Resten der Deddua basalis gebildet
wird, und 2. aus den davon ausgehenden Plazentarsepten, die unvollständige Trennwände zwischen den einzelnen Kotyledo-
nen bilden. Färbung: H. E.; Vergr. 27,5-fach. (Aus (1])
auch in die Chorionplatte einwandern. X-Zellen enthalten nen Deziduazellen) durchdringen, wird auch fetomaternaler
das plazentare Hormon Laktogen (s. u.). Die Region, in der Grenzbereich oder Durchdringungszone genannt.
sich kindliche Zellen tmd mütterliches Gewebe (z. B. mit sei-
450 14 Befruchtung, Implantation, Plazenta
Abb. 14.7 Chorionplatte (1) der reifen Plazenta. Abb. 14.9 Basalplatte einer reifen menschlichen Plazenta
*
2 Amnionhöhle; größeres fetales Blutgefäß in der Cho- mit großen, meist ovalen Deziduazellen (-+ ), die epithel-
rionplatte; 3 Zotten; 4 intervillöser Blutraum. Mensch; Fär- ähnliche Verbände bilden. 1 Haftzotte. Mensch; Färbung:
bung: Azan; Vergr. 25-fach. Azan; Vergr. 250-fach.
- - - Synzytiotrophoblast
- • Zytotrophoblast
Hofbauer-Zelle
"'Ko>mA im
: intervillöser : Synzytiotrophoblasten
: Raum :
----------- Matrixtyp-
Fibrinoid
Fibrintyp - '
Fibrinoid '' '
'
'
Zottenstruktur
Der Aufbau der Plazentazotten verändert sich im Laufe der
Schwangerschaft erkennbar, die wesentlichen Funktionen
bleiben aber dieselben.
dozytose aufgenommen und an die fetalen Kapillaren • Motor für manche Tn~nspo rtprozcsse ist eine Na~-K•
weitergegeben (passive Immunisierung). Andere Immun- ATPase in der Membran des Synzytiotrophoblastcn.
globulinklassen können die Plazentaschranke nicht pas- Glucose wird mithilfe eines Glucosetransportcrs (Glut 1)
sieren. durch die Plazentaschrcmke geschleust (erleichterte Diffu-
• Mütterliche Antikörper gegen das Rhesus-D-Antigen sion). Fetale Blutzuckerspiegel sind mit dem mütterlichen
dagegen sind plazcntagängig. Ist eine Rhesus-ncgative Blutzuckerspiegel korreliert.
Frau erstmals mit einem rhcsuspositiven Kind schwanger, • Alkohol passiert die Plazentaschranke leicht und kann
bildet sie Anti-Rhesus-D· Antikörper. Diese können bei die mentale Entwicklung des Fetus behindern, außerdem
einer 2. Schwangerschaft mit einem rhesuspositiven Fetus kann Alkohol kraniofaziale Fehlbildungen verursachen.
die Plazentaschranke passieren, das Rhesus-D-Antigen Alkohol wirkt direkt toxisch, kann aber auch über seinen
auf den fetalen Erythrozyten binden, Komplement akti- Metaboliten Acetaldehyd indirekt toxisch wirken.
vieren und die Erythrozyten so zerstören (Hämolyse, in • Infektionserreger (Rö telnviren, Zytomcgalicviren, Her-
diesem Fall als Erythroblastosis fetalis bezeichnet). pes-simplex-Viren, HIV-1, Treponema pallidum [Syphi-
454 14 Befruchtung, Implantation, Plazenta
Brust (Mamma) und Brustdrüse (Milchdr üse, Gl. manuna- In medizinisch-biologischer H insicht kommt der weib-
ria) sind Struk turen, die bei beiden Geschlech tern gleich- lichen Brustdrüse auf dreierlei Weise eine wichtige Bedeu-
artig angelegt werden. Nur bei der Prau erfahrt die Brust tung zu:
nach der Pubertät eine weitere Entwicklung. Das epitheliale • Sie bildet die Milch, die für den Neugeborenen und Säug-
Drüsengewebe entwickelt sich aus der embryonalen Epider- ling in den ersten Lebensmonaten die natürlich e Nahrung
mis unter dem Einfluss mütterlichen Prolactins und Östro- ist und alle erforderlichen Nährstoffe enthält.
gens und plazentaren Progesterons. Beim männlich en Fetus • Die weibliche Brust besitzt im Verh alten zwischen den
bildet sich das Drüsengewebe bis auf einzelne Milchgänge Geschlechtern Signal- und Auslöserfunktion.
unter dem Einfluss von Testosteron ZLtrü ck. • Von der Brustdrüse geht bei der Frau die h äufigste b ös-
artige Geschwulst aus, das Mammakarzinom.
15.1 Drüsenkörper
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Funktionell wichtigster Bestandteil des Drüsenkörpers ist zellen. In der laktierenden Drüse bilden die Endstücke
die Brustdrüse, die auf jeder Seite aus 12 - 20 eng mitein- weitlmnige Alveolen mit milchbildenden Drüsenepithel-
ander verbundenen Einzeldrüsen besteht, die alle getrennt zellen und verzweigten Myoepithelzcllen. Die laktierenden
auf der Brustwarze ausmünden. W ichtigste Abschnitte des Epithelzellen bilden die Bestandteile der Milch. Das Milch-
Gangsystems sind (vom AusmündLmgsbereich bis zu den fett wird apokrin abgegeben, Milchproteine, Milchzucker
Endstücken) der große Ausführungsgang (liegt in der und andere Komponenten werden mittels Exozytose
Brustwarze), der Milchsinus, die Milchgänge (Ductus Iac- ausgeschleust Das Milchkasein bildet spezifische, im Elek-
tiferi) Lmd die terminalen 1.arten Endverzweigungen (T er- tronenmikroskop erkennbare Kaseinmizcllen. Die Milch-
minalg'.inge), die mit den Endstücken in den Läppchen in bildung steht unter dem Einfluss von Prolactin, das Aus-
Verbindung stehen. Das Ga ngsystem hat ein zweischich- pressen der Milch wird vom Oxytocin beeinflusst.
tiges Epithel. Zwischen den Drüsenläppchen ist in der nicht laktie-
Die Driisenendst iicke in den Drüsenläppchen unter- renden Drüse ein mnfangreich es Binde- und Fettgewebe
scheiden sich stark je nach Punktionsphase: Nicht laktie- ausgebildet, das während der Schwangerschaft Lmd der
rend sind sie kleine knospenartige Gebilde mit sehr engem Laktation zugunstcn der wachsenden Milchdrüse zurück-
Lumen, kubisch en bis prismatisch en Epithelzellen und gedrängt wird.
mehr oder weniger gut ausdifferenzierten Myoepithel-
Montgomery-
DrOsen
'' Drusenläppchen
'' ,, ''
' \ ,---terminaler Gang
,,, :
:
\ l
\'
, : \l
: '
Ausführungs- ./ Milchsinus
gang
Fettzelle --- ,'
••
tenninaler Gang--- ',-
-- --- e> '' ,,
'•'
Epithelzellen
der Tubuloalveoli
intralobuläres
Bindegewebe------
- - -Biutkapillare
Abb. 15.1 Drüsenstrukturen in der
interlobuläres
i} - -- -Piasmazelle nicht laktierenden Brust-(Milch-)Drüse
Bindegewebe • • • ·-- --- ........ {Schema).
Abb. 15.2 Gangsystem (nicht laktierende Milchdrüse). Abb. 15.3 Milchgang (nicht laktierende Milchdrüse) mit
* kleinerer Ast der Milchgänge; ~ Tubuloalveoli in Drüsen- zweischichtigem Epithel, *
Lumen. Mensch; Färbung: H. E.;
läppchen. Rhesusaffe; Häutchenpräparat; Färbung: Hämato- Vergr. 250-fach
xylin; Vergr. 20-fach.
15.1 Drüsenkörper 459
Lumen vorspringende Palten bilden tmd sind dicht von
elastischen Pasern umsponnen. Ihre Wand wird von einem
zwcischichtigen kubischen Epithel aufgebaut, dessen basale
Schicht aus Myoepithelzcllen besteht (Abb. 15.3). Die api-
kale Zellschicht ist reich an Keratinfilamenten. Sie ist in ge-
ringem Maße sekretorisch aktiv und trägt apikal eine gut
ausgebildete Glykokalix.
Abb. 15.6 Protein bcl-2. Immunhistochemischer Nach- Abb. 15.8 Laktierende Milchdrüse. Die Endstücke der
weis (relativ kräftige Braunfärbung einzelner Zellen) des tubuloalveolären Milchdrüse bestehen aus kubischen bis
protektiven Proteins bcl-2 in den Drüsenläppchen (nicht prismatischen Epithelzellen, die apikal oft weit in das Lumen
laktierende Milchdrüse). Das Protein bcl-2 schützt Zellen ragende Vorwölbungen ausbilden (-+ ). In den Vorwölbungen
vor der Apoptose. -+ bcl-2-positive Zellen. Mensch; liegen bis zu 5 11m große Lipidtropfen, die apokrin sezerniert
Vergr. 250-fach. werden. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach. (Aus (1])
'
•
•
aAbb. 15.9 Zytokeratin 7
• {CK7) .
•
•
' ••
0
' a
Abb. 15.10 Apikale Zell-
membran laktierender
Milchdrüsenepithelzellen.
Abb. 15.7 Progesteronrezeptor. Immunhistochemischer
Nachweis in Zellkernen (Braunfärbung) von Endstücken und
terminalen Gängen der nicht laktierenden Brustdrüse. Lage von kubischen und prismatischen Epithelzellen
Mensch; Vergr. 250-fach. (Milchdrüsenepithelzellen, Marrunaepithelzellen, Laktozy-
ten) und Myoepithelzellen sowie einer Basallarnina.
nebeneinanderliegenden alveolären Endstücke über (Abb. Laktierendes Epithel In der laktierenden Drüse bieten
15.8, Abb. 15.9). Die Wand der sezernierenden Endstücke die sezernierenden Endstücke (Alveolen) der einzelnen
der laktierenden Alveolen besteht aus einer einschichtigen Läppchen ein variables Bild. Sie sind in unterschiedlichem
15.1 Drüsenkörper 461
Ausmaß mit Milch gefüllt, und die Höhe des laktierenden se) eingeschlossen, was zu einem erheblichen Einstrom von
Epithels variiert erheblich. Laktierende Milchdrüsenepi- Wasser, Ionen und kleinen Molekülen flihrt, Lun die osmo-
thelzellen (s.u.) exprimieren an ihrer apikalen Zellmemb- tische Balance aufrechtzuerhalten. Das Kasein bildet spe-
ran spezielle Kohlenhydrate, die sich mithilfe von Lektinen, zielle Aggregate (Mizellen, Abb. 15.12). Ca\ciLun, Phosphat
insbesondere dem Erdnusslektin (nPNA = peanut aggiuti- und Citrat werden überwiegend an die Kaseinmizellen ge-
nin"), nachweisen lassen (Abb. 15. 10). bunden. Der Inhalt der Vesikel wird exozytotisch ausge-
schleust
Milchdrüsenepithelzellen Paratharrn on-verwandtes Protei n Interessant ist, dass
Zellkontakte Die Drüsenepithelzellen sind über Zonulae das laktierende Drüsenepithel erhebliche Mengen an Parat-
ocdudentes (Tight Junctions), Zonulae adhaerentes, Ma- hormon-verwandtem Protein (PTH-RP) bildet. Dies Pro-
culae adhaerentcs und Nexus (Gap Junctions) verbunden tein ist strukturell und funktionell dem Parathormon ver-
(Abb. 15.11). Ausdehnung und Konfiguration der Zonulae wandt, vermutlich beeinflusst es den Calciluntransport.
ocdudcntes verändern sich vor und während der Laktation
erheblich. Unmittelbar vor der Geburt sind die Tight Junc- Milchfettkugeln Das Milchfett (Trig!yceride) sammelt
tions recht durchlässig, was ZLun Teil die Ähnlichkeit der sich in der Zelle in Form von bis zu 4-5 1-lJll großen Trop-
Vormilch (Kolostnun) mit dem Blutplasma erklär t. In den fen, die apokrin abgegeben werden (Abb. 15.13). Dies
ersten Tagen nach der Geburt nimmt die Durchlässigkeit bedeutet, dass die abgeschnürten Milchfettkugeln in der
stark ab. Die meisten Transportprozesse finden dann wäh- Milch von einer Plasmamembran umhüllt sind. Die Mem-
rend der Laktation transzellulär statt. bran der Milchfettkugeln trägt beim Menschen wie die api-
kale Zellmembran eine komplexe Glykokalyx aus verschie-
Zytoplasma Das Zytoskelett (Aktin- und Keratinfila- denen Glykoproteinen, darunter Muzinen (MUCl, MUC3
mente, Mikrotubuli) der Zellen ist stark entfaltet. Die Dr ü- u.a.) mit negativen Ladungen. Wahrscheinlich spielt diese
senepithelzellen besitzen in der Laktationsphase ein reich Glykokalyx eine Rolle bei der Infektabwehr im Darm des
entwickeltes raues ER, in dem die Milcheiweiße und das Neugeborenen. Des Weiteren kommen in der Milchfett-
Milchfett synthetisiert werden. Der supranukleäre Golgi- kugclmembran Proteine vor, darunter Xanthinoxidase und
Apparat ist sehr umfangreich. Aus dem Golgi-Apparat ge- Butyrophilin, ein Protein der Imnmnglobulin-Superfamilie.
hen große sekretorische Vesikel (Granula) hervor, die u.a. Tabelle 15.1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Be-
Milcheiweiße (z.B. Kasein, Laktoferrin, Laktalbmnin) ent- standteile der Milch von Mensch und Kuh. Eine gesunde
halten. In diese Vesikel wird auch der Milchzucker (Lakto- Frau bildet ca. einen Liter Milch pro Tag.
Golgi·
Apparat-
Tab. 15.1 Bestandteile der Milch im Vergleich.
~~e~aij ~ 66
Protein (g) 0,9-1,2 3,3
Verhältnis Molke-Protein zu Kasein 80:20 20:80
•• • •
•
•
•
1
•
•
•
•
Abb. 15.12 Apikales Zytoplasma einer laktierenden Milchdrüsenzelle in einer EM-Aufnahme. 1 Lumen der Alveole;
2 Golgi-Apparat; 3 Sekretionsgranula mit Kaseinmizellen.-+ Kaseinmizellen im mit Milch gefüllten Lumen; 4 raues ER;
5 Upidtropfen. Ratte; Vergr. 20700-fach.
Involution
Ende der Stillperiode Nach Abschluss der Laktations-
Myoepithelzellen phase kommt es wr Rückbildung (Involution) der Drü-
Die Myoepithclzcllen entsprechen in ihrem Aufbau glatten senepithclien. Die Milchsekretion versiegt, wenn die Brust
Muskelzcllen. Sie sind in den kleineren Gängen spindel- nicht mehr vollständig entleert wird. Gestautes Sekret wird
förrnig und relativ dicht gepackt und bilden im Epithel der von Makrophagen phagozytiert, die Alveolen zerfallen, und
Alveolen basal gelegene verzweigte Zellen. Die Myoepithel- es bleiben nur die Gänge und einfache Läppchen mit weit-
15.2 Warzenhof und Brustwarze 463
gehend ruhenden Endstücken (Abb. 15.4) erhalten. Beim tung zu. Seine Proteoglykane binden nicht nur Wasser,
Abbau der Alveolen spielen TGFß-3-induzierte Apoptose- sondern auch Proteasen, Inhibitoren von Proteasen tmd Si-
vorg'cinge und Makrophagen eine erhebliche Rolle, auch der gnalmoleküle (z.B. Wachstumsfaktoren: EGF, TGFß, IGF).
Abbau der Basallamina ist von wesentlicher Bedeuttmg bei Die Wachstumsfaktoren werden über die Milch vom Neu-
der Involution. geborenen aufgenommen. Sie spielen eine Rolle beim
Wachstum des kindlichen Verdauungstrakts.
Klimakterium Wenn im Laufe des Klimakteriums die
Ovarialfunktion zurückgeht, kommt es zur sog. senilen In- Klinik Eine Vergrößerung der männlichen Brust wird Gy-
volution der Milchdrüse. Oie Drüsenläppchen bilden sich näkomastie genannt. Sie kann pathologisch oder physio-
in ihrer Gesamtheit zunehmend zurück. Es bleibt nur ein logisch sein. Unter pathologischer Gynäkomastie versteht
Rest des Gangsystems erhalten. Im Epithel der Gänge kön- man eine vergrößerte Brust aufgrund vermehrten Drüsen-
nen Unregelmäßigkeiten mit Zellvermehrung auftreten. gewebes und proliferierenden Stromagewebes bei Männern.
Mögliche Ursachen sind z. B. Defekte der Testosteronsyn-
15.1.3 Binde- und Fettgewebe these oder überschießende Östrogenbildttng. Letztere ist die
Ursache für die Gynäkomastie bei chronischen schweren
Interlobuläres Bindegewebe Das Bindegewebe des Drü- Lebererkranktmgen, bei denen die Leber den Östrogen-
senkörpers zwischen den Läppchen (interlobuläres straffes abbau nicht mehr bewältigt. Häufig wird eine pathologische
Bindegewebe, Abb. 15.1, Abb. 15.4, Abb. 15.14) ist kolla- Gynäkomastie durch Medikamente, z.B. Antidepressiva,
genfaserreich, relativ zellarm und enthält tmterschiedlich Calcitmlkanalblocker, ACE-Hemmer und Oiazepam, verur-
große Areale mit univakuolären Fettzellen. Das Fettgewebe sacht. Eine sog. physiologische Gynäkomastie besteht oft bei
nimmt mit dem Al ter zu. Größere Blutgefäße sowie Lymph- Neugeborenen beiderlei Geschlech ts, in der Pubertät und im
gefäfk (Abb. 15. 14) sind h äufig anzutrefl'e n. h ohen Alter bei Männern.
Gutartige Veränderungen der Brust treten in groHer
Intralobuläres Bindegewebe Das Bindegewebe d er Vielzahl vor allem bei Prauen auf, und zwar im Bereich des
Läppchen zwischen den Endstücken (in tralobuläres Binde- Drüsenepithels oder des Bindegewebes, oft sogar gleichzeitig
gewebe, Mantelgcwebe) ist dagegen faserarm, proteogly- in beiden Gewebeformen. Meistens handelt es sich um sog.
kanreich, zellreich und reich an kleinen Blutgefäßen. Es fibrozystische Veränderungen mit kleinen Zysten tmd Hy-
enthält nicht nur aktive Pibrozyten, sondern auch Plasma- perplasie von Drüsenepithel und Bindegewebe. Wenn die
zellen, Lymphozyten ttnd Makrophagen. Mastzellen treten Hyperplasien atypisch sind, besteht ein erhebliches Risiko,
vereinzelt im Mantelgewebe und in großer Zahl im straften an Brustkrebs zu erkranken.
Bindegewebe zwischen den Läppchen auf. Dem Mantelge-
webe kommt bei Wachstums- ttnd Rückbildungsprozessen
der epithelialen Drüsenstrukturen eine besondere Bedeu- 15.2 Warzenhof und Brustwarze
Im Warzenhof (Arcola) und in der Brustwarze (Mam1lle)
kommt reichlich sympathisch innervierte glatte Muskulatur
• vor (Abb. 15.15, Abb. 15.16), die sich durch mechanische
Reiztmg (z.B. durch den Mund des Säuglings) kontrahieren
" ". kann. Dadurch kommt es zur Verfestigung und Erektion der
Brustwarze. Das komplexe System der glatten Muskulatur
steht mit feinen verzweigten elastischen Sehnen in Zusam-
, menhang, die v. a. in der Dermis und der Epidermis der
• Brustwarze verankert sind (elastisch-muskul öses System) .
2 •
Abb. 15.15 Mamille, Übersichtsvergrößerung. 1 Milch- Abb. 15.17 Basale Region der Mamille. 1 Milchsinus;
sinus; 2 längs angeschnittener Ductus papillaris (insgesamt 2 Ductus papillaris; ~ glatte Muskulatur. Mensch; Färbung:
sind 4 Ductus papillares angeschnitten); 3 Epidermis; H. E.; Vergr. 150-fach.
~ Bündel glatter Muskelzellen. Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 12-fach.
Haut
16.1 Epidermis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 16.4 Hautdrüsen . . . . . . . ............... 4 75
16.1.1 Keratinozyten ..................... 466 16.4.1 Ekkrine Schweißdrüsen ............... 475
16.1.2 Weitere Zelltypen der Epidermis ........ 471 16.4.2 Apokrine Duftdrüsen . ............... 476
16.4.3 Holokrine Talgdrüsen . ............... 477
16.2 Dermis .......................... 474 16.5 Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
16.2.1 Stratum papillare ................... 474 16.5.1 Aufbau der Haare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
16.2.2 Stratum reticulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 16.5.2 Wachstum der Haare . . . . . . . . . . . . . . . . 480
16.2.3 Gefäße ....................... ... 474
16.6 Nägel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
16.3 Subkutis ..................... ... 475 16.7 Sinnesstrukturen der Haut . . . . . . . . . . . 483
- - - - - - - - - - - - - - - - - Zur Orientierung - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Die Haut (Kutis) besteht aus Epidermis und Dermis. Un- Fasern und Blutgefäßen. Sie enthält freie sensible Nerven-
ter der Dermis liegt die Subkutis. Die Epidermis ist ein endigungen, die in die Epidermis eindringen können,
mehrschichtiges verhorntes Plattenepithel, dessen Zellen, Meissner-Tastkörperchen und andere Rczeptorstruktu-
die Keratinozyten, sich im Laufe von 4 Wochen erneuern. ren. Die Subkutis besteht vor allem aus univakuolärem
Neben den Keratinozyten kommen in der Epidermis Mer- Fettgewebe und besitzt auch Sinneskörperchen, z. B. die
kcl-Zellen (Tastsinneszellen), Langerhans-Zellen (Zellen Vater-Pacini-Lamcllcnkörperchen. Haare, Nägel und
des Immunsystems) und Melanozyten (Pigmentzellen) Drüsen sind die sog. Anhangsgebilde der Haut.
vor. Die Dermis ist reich an Kollagenfasern, elastischen
Die Haut (Kutis) bildet die Körperoberfläche, sie ist das plexe Bindegewebsstrukturen an, sondern auch Nerven,Sin-
größte Organ des Körpers. Ihre Fläche beträgt bis zu ca. neskörperchen, Blut- und Lymphgefäße. Die ebenfalls zur
2m2• Die Haut hat vielfältige Aufgaben: Haut gehörenden Haare, NägelLmd Drüsen werden als An-
• Schutz vor mechanischen, thermischen, mikrobiellen und hangsgebilde der Haut bezeichnet. An den Hand- und Fuß-
chemisch-toxischen Schäden und vor Krankheitserregern sohlen bildet die Oberfläche der Haut ein spezifisches Leis-
aus der äußeren Umwelt tenmuster aus, die Haut wird hier Leistenhaut genannt. An
• Schutz vor Wasserverlust allen anderen Stellen des Körpers bildet sie eine feine Pelde-
• Absorption von Strahlung rung und wird Felderhaut genannt. Haare gibt es nur auf
• Temperaturregulation der Felderhaut
• Sinneswahrnclunung
• Signale an die Umwelt Klini k In der Haut spielen sich viele spezifische Krank-
• immunologische Überwachung heiten ab, die mit unterschiedlichen Symptomen wie z.B.
• Bildung von Vitamin D unter dem Einfluss von Sonnen- Rö tungen, Knoten oder Blasen einhergehen. Im Aussehen
licht (UV-B). der Haut spiegeln sich aber auch viele andere Krankheiten,
auch psychische, wider.
Im allgemeinen täglichen Sprachgebrauch werden alle
Schichten der KörperoberBäche Haut genannt. In der ana-
tomischen Nomenklatur hingegen werden nur die beiden 16.1 Epidermis
oberen Schichten
• Epidermis (Oberhaut) und Die Epidermis (Oberhaut) bildet die unmittelbare Oberflä-
• Dermis (Korium = Lederhaut) che des Körpers und seine Grenze gegen die Umwelt. Sie
besteht aus mehrschiebtigern verhorntem Plattenepithel, das
als Haut (= Kutis) bezeichnet. Die unter dieser Kutis befind- von den Keratinozytcn (Kap. 16.1.1) aufgebaut wird. Die
liche Schicht ist die Subkutis (Hypodcrmis = Unterhaut). Epidermis der Leistenhaut ist auffällig dick (0,4-0,6 mm),
Kutis und Subkutis zusammen bilden die Hautdecke (lnte- die der Felderhaut verhältnismäßig dünn (75- 150 J.lm). Die
glllnentwn commune). Der Haut gehören nicht nur das Epidermis enthält zusätzlich Melanozyten, Langerhans-Zel-
kräftige verhornte Plattenepithel der Epidermis und kom- len und Mcrkcl-Zellen, die locker verteilt in ihren tieferen
466 16 Haut
Schichten vorkommen (Kap. 16.1.2). Die Epidermis ist nicht Krankheitsprozesse abspielen, die zu diagnostisch wegwei-
nur eine dynamische tmd anpasstmgsfähige Schutzschicht sender Verdickung der Basalmembran führen können, z. B.
Sie istauch sekretorisch aktiv und bildetz.B. antimikrobielle beim Lupus erythematodes.
Peptide wie die Defensine.
Die Oberfläche der Epidermis verläuft entweder glatt
16.1.1 Keratinozyten
(Felderhaut) oder sie bildet Leisten aus (Leistenhaut). Auch
ihre Unterseite bildet Leisten aus, die in die Dermis hinein- Keratinozyten als spezifische Epithelzellen der Epidermis er-
ragen, tmd die Reteleisten heißen (Abb. 16.1, Abb. 16.5). neuern sich im Laufe von 4 Wochen und bilden dabei typi-
Die Epidermis lagert auf einer kräftigen Basalmembran sehe Differenzienmgsstadien. Die Differenzierung ist gene-
(dermal-epidermale Junktion), an der sich oft spezifische tisch programmiert. Sie beginnt mit dem postmitotischen
b c
16.1 Epidermis 469
In der basalen Zellschicht gibt es ständig teiltmgsfahige
StammzeUen, die an Mitosefiguren oder an positiver Reak- -~-
tion mit dem Antikörper Ki67 zu erkennen sind. Diese Zel-
len besitzen keine oder nur kurze Füßchen und liegen v.a.
über den Papillen der Derm.is. Aber nicht nur Stammzellen
sind durch Mitosefiguren gekennzeichnet; aus den Stamm-
zellen gehen ztmächst teilungsfreudige Vorläuferzellen •
hervor. Erst postmitotische Keratinozyten treten in den
Differenzierungsweg zu den verhornten Epithelzellen ein. 1 j
<111 Abb. 16.3 Epidermis in EM-Aufnahmen. a: Basis der Epidermis. Im Zytoplasma der Basalzellen (1 ) zahlreiche Ribosomen
und Intermediärfilamente (Keratinfilamente, Tonofilamente), die dichte Bündel bilden (*); ~ Hemidesmosomen; -+ Basal-
lamina; 2: Bindegewebsmatrix unter der Basallamina. Mensch, Vergr. 49 960-fach. b: Keratinozyten (1) im Stratum basale der
Epidermis. B Basallamina, ~ : Desmosomen, -+ Bündel aus Keratinfilamenten, * l nterzellulärraum, dessen begrenzende Ober-
fläche durch zahlreiche Mikrovilli und Mikrofalten der Zellmembranen benachbarter Keratinozyten stark vergrößert ist. Ratte,
Vergr. 12 000-fach. c: Epithelzelle im Stratum granulosum mit Keratohyalingranula (~). die dichtem proteinhaltigem Material
entsprechen (s. Text), das in Tonofilamentbündel (* ) eingelagert wird. Vergr. 20 100-fach. d: Lamellenkörper (*) in Kerati-
nozyten am Übergang des Stratum granulosum (1) zum Stratum comeum (2). Rind, Vergr. 66740-fach.
470 16 Ha ut
dem Iipidhaitigen Material der Lamellenkörper (Abb. 16.3d) Zellerneuerung Neubildung, Differenzierung und Ab-
versiegelt und ist wasserundurchlässig. Lipidlösliche Sub- schilferung der Keratinozyten stehen im Gleichgewicht. In
stanzen, darunter auch Medikamente in Salben, können der Basalschicht neu entstandene Zellen benötigen beim
aber in die Epidermis eindringen. An der Oberfläche der Menschen ca. 2 Wochen, um sich zu ZeHen des Stratum
Epidennis schilfern die Hornzellen ab. corneum zu entwickeln. In dieser Schicht wandern sie im
Verlauf von ca. 2 weiteren Wochen an die Oberfläche der
Klinik Scabies (Krätze) ist eine Hautkrankheit, die durch Epidermis, wo sie durch Ablösung aus dem Epithelverband
die Kr'.i.tzmilbe (Sarcoptes scabiei) verursacht wird. Befruch- verloren gehen. Insgesamt bleiben die Zellen ca. 4 Wochen
tete Weibchen bohren Gänge in das Stratum corneum (z. B. im Epithel.
der Handgelenksbeuge und der Pingerseiten) und legen hier Die Neubildung der Epidenuls erfolgt unter dem Einfluss
Eier ab. Starker Juckreiz, eitrige Entzündung, Ekzembildung vieler Faktoren und Hormone, deren Expression bei der
u.a. kennzeichnen das Krankheitsbild. Die Tiere ernähren WundbeiJung der Epidermis gesteigert ist. Beispiele sind:
sich überwiegend von den toten Hornzellen. epidennaler Wachstumsfaktor (EGF, Abb. 16.6), Keratino-
zyten-Wachstumsfaktor und Retinsäure ("retinoic acid"), ein
Derivat des Vitamins A. Bei der Wundheilung spielen auch
Differenzierung der Keratinozyten Basallamina und Matrix der Dermis eine wichtige Rolle.
Zur Differenzierung gehören: Synthese und Modifizierung
von Strukturproteinen (v.a. Keratinen), Bildung, Umwand- Merke Die Epithelzellen der Epidermis (Keratinozyten)
lung und Abbau von Zellorganellen, Apoptose, Verände- differenzieren sich in einem vierwöchigen Umwandlungs-
rungen der Zellgestalt, Veränderungen der Zellmembran prozess zu toten, kcrn- und organelllosen schuppenförmi-
und Wasserverlust gen Zellen, die an der Oberfläche abgeschilfert werden.
16.1.2 Weitere Zelltypen der Epidermis Melanin Melanin findet sich sowohl in den Melanozyten
selbst als auch in den Keratinozyten. Ein Melanozyt ver-
Zu den weiteren Zellen der Epidermis gehören Melano- sorgt ca. 35 Keratinozyten mit Pigment (epidermale Mela-
zyten, Langerhans-Zellen tmd Merkel-Zellen (Abb. 16.7). nineinheit). Bei hellhäutigen Menschen enthalten die Me-
lanozyten meist kaum Melanin lll)(l sind dann aufraHend
Melanozyten helle, etwas ballonierte Zellen. Am sichersten lassen sie sich
immunhistochemisch nachweisen (Abb. 16.8). Dtmkelhäu-
U ngef<ihr jede 10. Zelle in der Basalschicht ist ein Melanozyt. tige Ethnien bilden mehr Melanin, sodass alle Zellen, auch
Dabei variiert die Zahl der Melanozyten in den einzelnen die Keratinozyten, speziell in den basalen Epithelschichten
Körperregionen, ist aber bei allen Ethnien des Menschen an- dicht mit Melaningranula angeflillt sind (Abb. 16.9). In den
nähernd gleich. Melanozyten synthetisieren als einzige Zel-
len der Epidermis braunes Pigment, das Melanin (kommt
als Eumelanin [braun]tmd Phäomelanin [rötlich ] vor), das
sie aber in erheblicher Menge an Keratinozyten weitergeben.
Beim Menschen unterscheidet man 3 Melanozytentypen:
• epiden11ale Melanozyten, übertragen das Melanin auf
Keratinozyten
• uveale Melanozyten (in Uvea des Auges: lrisstroma, Ziliar-
körper, Aderhaut), bilden nur Eumelanin
• Melanozyten der Haarzwiebeln, teilen sich in der Ana-
genphase, bilden Ell\11elanin und Phäomelanin.
höheren Epidermisschichten verliert sich das Melanin wie- Abb. 16.10 Melanozyt (1) in der Epidermis. -+ Melano-
der, es werden also v. a. basal gelegene Zellen, einschließlich somen, 2 Keratinozyt. Tenrek, Vergr. 20000-fach.
der sich teilenden Stamm- und Vorläuferzellen, geschützt.
In der Dermis findet man teilweise Makrophagen, die
Melanin phagozytiert haben (Melanophagen).
16.2 Dermis Merke Die Dcnnis besteht aus Bindegewebe ttnd bildet
2 Schichten, das kapillarreiche Stratum papillare und das
Die Dermis (Lederhaut, Korium) ist das spezielle Bindege- kollagenreiche Stratum reticulare.
webe der Haut; sie macht zusammen mit der Subkutis bis zu
ca. 15-20% des Körpergewichts aus. Wichtige Funktionen
sind der Schutz vor Verletzungen und die Speicherung von 16.2.3 Gefäße
Wasser. Außerdem verleiht sie der Haut Festigkeit und Elas-
tizität. Die Dennis besteht aus Kollagen, elastischen Fasern, Arterien Die Arterien der Hautzweigen aus den Gefäßen
Mikrofibrillen, Hyaluronsäure, Dermatanst!lfat, Flbronec- der Muskulatur ab und laufen dtrrch die Subkutis zur Ober-
tin, N erven und Gefäßen. In der Derrnis sind verschiedene fläche. Sie bilden an der Grenze der Subkutis zur Dermis
Zelltypen wie Fibrozyten, Makrophagen, Lymphozyten und ein arterielles Gefäßnetz, parallel dazu läuft ein venöses Ge-
Mastzellen zu finden. fäßnetz. Einige abzweigende Arterienäste ziehen zurück
zum subkutanen Fettgewebe und versorgen auch die End-
stücke der Schweißdrüsen in der Subkutis und die Haar-
wttrzeln. Andere, aufsteigende Aste bilden einen Plexus un-
ter den Papillen des Strattun papillare. Aus diesem Plexus
entspringen die schlingenförmigen KapiUaren in den Bin-
degewebspapillen, die die Epidermis versorgen.
16.3 Subkutis
Schichten Die Subkutis liegt unter der Derrnis (Abb.
16.1). Der wesentliche Bestandteil der Subkutis ist, in un-
terschiedlichem Ausmaß, Fettgewebe, das mindestens 3
Schichten erkennen lässt und das durch Bindegewebssepten
(Rctinacula cutis) untergliedert ist. Die oberste Schicht ist
bei Frauen dicker und hat bei ihnen deutlich weniger Bin-
degewebssepten als bei Männern. Die fettgewebehaltigen
Kammern sind also bei Frauen größer als bei Männem, was
auch in Korrelation zu Altcrsveränderungen der Haut von
Frauen steht (,.Orangenhaut"). Die genannten Unterschie-
de in der Architektur der oberen Subkutis sind androgen-
abhängig.
16.5 Haare
Haare sind Teil der sog. "pilaren Einheit", der außer den
Haaren der Haarfollikel, die Talgdrüsen sowie, wenn vor-
handen, die Duftdrüsen und der M. arrcctor pili angehören.
Haare sind schräg in der Haut steckende epidermale Gebilde
tLOd entsprechen feinen Zylindern aus verhornten Epithel-
zellen (Abb. 16.20). Haare stehen meist allein, können aber
auch in Büsehein an der Oberfläche erscheinen.
Bei Erwachsenen unterscheidet man Vellushaare (fein,
weich, ohne Mark, kurz, lLOpigmentiert) und Terminal-
haare (fest, dick, mit Mark, lang, oft pigmentiert, lLOter-
schciden sich meist deutlich bel den verschiedenen Ethnien
des Menschen). Vellushaare bilden die feine Behaarung von
Rumpf tLOd Extremitäten. Terminalhaare bilden die Kopf-,
die Scham-, die Achselhöhlen- und die Bartbehaarung sowie
die Wimpern. Beim Menschen gibt es auf genetischer Basis
3 Typen von Tcrminalhaaren:
• gerade kräftige Haare (z.B. bei Ostasiaten)
• gewellte feine Haare (bei vielen Europäern)
• kurze krause Haare (z.B. bei Afrikanern südlich der
Sahara).
Abb. 16.19 Holokrine Talgdrü.s en. a: Holokrine Talgdrüse
(1) der Achselhöhlenhaut mit Haarwurzel (2). 3 apokrine
16.5.1 Aufbau der Haare
Drüsen. Mensch; Färbung: Masson-Trichrom; Vergr. 150-fach.
b: Talgdrüse mit Nachweis teilungsfahiger Zellkerne Haare entspringen in der Tiefe einer Epidermiseinstülpung,
(rot gefärbt) im Drüsenepithel durch den Ki67-Antikörper. des Haarfollikels, dessen Ursprung bei Terminalhaaren in
Teilungsfähig sind nicht nur die Zellen der basalen Zellreihe, der oberen Subkutis liegt; der un1gangssprachliche Begriff
sondern auch noch viele höher im Epithel gelegene Zellen, "Haar" bezieht sich meist nur auf den über die Hautober-
die schon aktiv Talg bilden. Mensch; Vergr. 250-fach. fläche hinaus ragenden Teil des Haares, für den es auch den
(Präparat PD Dr. Dr. Ch. Schubert) Begriff"Haarschaft" gibt.
16.5 Haare 4 79
a b
Abb. 16.20 Haare in de r Kopfhaut. a: Übersicht, zu sehen sind vor allem meist etwas schräg angeschnittene HaarfollikeL
1 Epidermis, 2 Oermis, 3 Subkutis, 4 Haarschaft, 5 Haa rtrichter, 6 Haarbulbus. Färbung: Azan, Vergr. 12-fach. b: Zwei leicht
schräg angeschnittene Haarbulbi mit dermaler Papille( ~). Details s. Abb. 16.24. Mensch; Färbung: Azan, Vergr. 130-fach.
Haarschaft ten Zellen und luftgcfli.llten Räumen vor, das Mark. Im Alter
nimmt oft die Zahl an Luftbläschen zu, was zur Graufärbung
Der Haarschaft besteht aus Rinde und Mark. Der H aupt- der Haare fUhrt.
bestandteil ist die dicke Rinde aus dicht gelagerten verhorn-
ten Zellen, die im Wesentlichen aus hartem Keratin beste-
hen. Die Rinde ist außen von der Haarkutikula (Abb. 16.21) Haarfollikel
bedeckt, die aus flachen, verhornten Zellen besteht, die sich Der Haarfollikel ist eine schlauchf6 rmige Einsti.Upung der
wie Dachpfannen überdecken. Nur im Innern von Tenni- Epidennis, die ftir das Wachsturn des Haares sowie seine
nalhaaren kommt ein dünner Strang aus größeren verhorn- Erneuerung verantwortlich ist. Der Haarfollikel besteht aus
(Abb. 16.22)
• dem Haarbulbus
• der inneren Wurzclscheide, die aus 3 rasch verhornenden
Schichten weichen Keratins besteht,
• der äußeren Wurzclscheide, die erst oberhalb der Ein-
m ündung der Talgdrlisen verhornt.
Bindegewebspa pille In den Haarbulbus stiilpt sich von und der äu.ßcren epithelialen W urzelscheide. Oie innere
unten eine Bindegewebspapille (dermale Papille) mit Blut- epitheliale W urzclscheide endet in mittlerer Höhe des
kapillaren ein (Abb. 16.22, Abb. 16.23). Oie Fibroblasten Haarfollikels, dort, wo die Talgdrüsen in den Follikel ein-
der Bindegewebspapille steuern die Teilungsaktivität der münden und wo der Haartrichter beginnt. Sie differenziert
Matrixzcllen. Basale Epithelzcllen des Bulbus proliferieren sich schnell in 3 Schichten, die zunächst aus lebenden Zel-
und bilden Haarschaft und innere epitheliale W urzclscheide len bestehen und dann rasch verhornen. Von innen nach
(Abb. 16.22). außen lassen sich unterscheiden:
• die Scheidenkutikula
Matrix Die tiefe Region des Bulbus, die dem Stratum ba- • die Huxley-Schicht
sale bzw. germinativum der Epidermis vergleichbar und • die Henle-Schicht.
durch die proliferierenden Zellen gekennzeichnet ist, heißt
auch Matrix oder Zone mit Matrixzellen. In der Matrix Die dünne Scheidenkutikula ist mit der ähnlich gebau-
kommen auch stark verzweigte Melanozyten vor, die den ten Haarkutikula, der äuikrsten Schicht der Haarwurzel.
später verhornenden Zellen der Haarwurzel Melanin mit- schwach verzahnt. Oie einander gegenüberliegenden, schup-
geben. Blonde Haare besitzen wenig Melanin; das spezielle penartigen, verhornten Zellen beider Kutikulae greifen in-
Melanin roter Haare, Phäomelanin, besitzt rundliche Me- einander. Oie Huxley-Schicht ist die breiteste Schicht der
lanosomen, die typischen Melaningranula brauner und inneren epithelialen Wurzelscheide und enthälteosinophile
schwarzer Haare sind elliptisch. Trichohyalingranula, die den - sonst basophilen - Kerato-
hyalingranula entsprechen. Oie Henle-Schicht ist flach tmd
verhornt schnell.
Wurzelscheiden
Oberhalb des Haarbulbus wird der sich difrerenzierende Äußere epitheliale Wurzelscheide Diese entspricht der
Haarschaft von der inneren und der äußeren epithelialen reagenzglasfOrmigen Einsenkung der Epidermis, in deren
Wurzelscheide umgeben. Außen wird der Follikel von einer Tiefe das Haar entspringt. Sie ist in den oberen Abschnitten
bindegewebigen Wurzelscheide umhüllt. wie die Epidermis aufgebaut, verliert aber unter der Ein-
mündtmg der Talgdrüsen Stratum granulosum und Stra-
Innere epitheliale Wurzelscheide Sie liegt dem Haar tum corneum. Sie wird ztmehmend dünner tmd geht am
direkt an und entsteht auch aus der Matrixregion. Sie um- Boden des Follikels in die Matrixzone der Haarwurzel über.
gibt das wachsende Haar und befindet sich zwischen ihm Oberhalb der Einmündtmg der Talgdrüsen in den Haar-
follikel ist die äußere epitheliale Wurzelscheide vom Haar
durch einen freien Raum, den Haartrichter, getrennt. Un-
luftgefilllter Raum terhalb der Einmündtmg der Talgdrüsen ist die äuikre mit
Haarkutikula
im Mark der inneren epithelialen Wurzelscheide verbunden. Eine
'•, •• besonders wichtige Region der äußeren Wurzelscheide ist
Haarschaft der Wulst. Es handelt sich tun eine Verdicktmg dieser
• Scheide unter der Einmündung der Talgdrüsen. Hier befin-
den sich Stammzellen der Keratinozyten, die sich in ver-
Mark -
schiedene Richtungen ausbreiten können:
Epidermis • Ein Teil wandert den Haartrichter aufwärts und besiedelt
' das Stratum basale der in der Nähe liegenden Epidermis.
• Ein weiterer Teil wandert abwärts in die Matrixregionen
des Bulbus, wo Abkömmlinge der Stammzellen weiter
Dermis·· · proliferieren und Haarschaft tmd innere Wurzelscheide
bilden.
• Aus Stammzellen des Wulstes können auch Talgdrüsen
hervorgehen. Am 'N ulst setzt außen der M. arrector pili
an.
bindegewebige • Im Wulst finden sich auch Stammzellen der Mclanozyten.
Wurzelscheide • ·
Bindegewebige Wurzelscheide (Haarbalg) Attßen wird
der epitheliale Haarfollikel von einem Bindegewebsmantel,
- Setleidenkutikula dem Haarbalg (= der bindcgewebigen Wurzelscheide), um-
- Huxley-Schicht geben. Im Haarbalg (Abb. 16.23, Abb. 16.24) finden sich
-- - Hen~t zahlreiche sensible Nervenfasern. Zwischen Dermis und
Haar- •••• Haarwttrzel verlaufen die Mm. arrectores pili, aus glatten
bulbus - - - - - innere Wurzelscheide Muskelzellen gebildete feine Muskeln, die die Haare auf-
- - - - - lußere Wurzelscheide richten können (Gänsehaut).
Haarkutikula
Scheidenkutikula
Huxtey-Schicht --
Haarmark -,
'
Haarlinde
--~ Henle-Schicht
äußere Wurzelscheide
' , Huxley-Schicht
Haarbalg
Pigment
Haarzwiebel
Abb. 16.23 Haarfollikel, Längsschnitt. Bei höherer Vergrößerung zeigen die epithelialen Wurzelscheiden eine komplizierte
Schichtengliederung in eine äußere und eine dreischichtige innere epitheliale Wurzelscheide. Letztere beginnt innen mit der
Scheidenkutikula, die durch Verzahnung mit der Haarkutikula der Befestigung der Haarwurzel in der Scheide dient. Es folgen
nach außen die ein- oder zweischichtige Huxley- und die sehr niedrige Henle-Zell-Schicht. Die äußere epitheliale Wurzel-
scheide ist ein mehrschichtiges Epithel, das in Höhe der Einmündung der Talgdrüsen in das Stratu m germinativum des Haar-
trichters übergeht. Zur Grenze gegen die bindegewebige Wurzelscheide (Haarbalg) liegt eine Glas haut, eine kräftige Basal-
membran. Kopfhaut, Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 200-fach. (Aus (1))
482 16 Haut
Haarrinde
Huxley-Schicht
Glashaut-'
\
-~.
;'
;'
•
,,
...
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,
,t.----- ...~-~--.-
~\ .-.:-- ,~~
----:..
~. 7'
Blutgefäße \ ,,/
äußere Wurzelscheide
Haarbalg
Abb. 16.24 Haarfolllkel, Querschnitt. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 300-fach. (Aus (1])
Nagelwurzel
NageWall Schwef3drüse
Eponychvm
' '
Nagel ' ''
,' ' ''
/ Oermis
Abb. 16.25 Nagel, Nagelbett und Nagelwall eines Neugeborenen, Längsschnitt. Korium - Dermis. Mensch; Färbung: H. E.;
Vergr. 30-fach. (Aus (1])
Rückbildungsphase Der Wachstumsphase folgt eine im W ulst aktiv, die einen neuen Bulbus mit Matrixzellen
RUckbildungsphase (das Katagen). die ca. 3 Wochen an- aufbauen, von dem dann ein neues Haar gebildet wird. Die
dauert und in der der Haarbulbus beginnt, sich zurück- Stammzellen aktivieren auch Pibroblasten, die eine Papille
zubilden. bilden und dann ihrerseits die Matrixzellen beeinflussen.
Während der Wachstwnsphase sind die Stammzellen im
Ruhephase Es schließt sich eine ca. 3 Monate andauern- Wulst relativ ruhig und derWulstfällt als Struktur in dieser
de Ruhephase (das Telogen) an, in der sich Bulbus und er- Phase oft nicht besonders auf. Mitunter findet man in
hebliche Teile des Pollikels weiter zurlickbilden. Der untere einem Follikel sowohlnoch das alte Haar als auch schon ein
Teil des Follikels verschwindet bis in Höhe des Wulstes, das auswachsendes neues. Beim Kopfhaar sind i. A. gut 90% der
Haar fillt aus. Es werden in dieser Phase aber Stammzellen Haare in der Wachstumsphase.
16.7 Sinnesstrukturen der Haut 483
Sinnesorgane
17.1 Gleichgewichts- und Gehörorgan ...... 486 17.3 Geschmacksorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
17.1.1 Aufbau des Ohres ................... 486 17.3.1 Geschmacksknospen ................. 516
17 .1.2 Gleichgewichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . 488 17 .3.2 Geschmackspapillen . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
17.1.3 Gehörorgan ....................... 491 17.3.3 Geschmacksstoffe, Geschmacks-
17 .1.4 Hörvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518
Die Sinnesorgane nehmen mithilfe spezieller reizaufneh- Reize können in der Umwelt auftreten - die zugeordneten
mender Sinneszellen (Rezeptorzel1en, Sensoren) optische, Sinneszellen heißen dann Elcterozcptoren - oder im Kör-
mechanische, chemische und thermische Reize aus der Um- perionern - die darauf reagierenden Sinneszellen sind die
welt oder dem Körperionern auf und wandeln sie in elek- sog. Interozcptoren. Um auf den jeweiligen Reiz reagieren
trische Erregungen um, die dem ZNS zur Interpretation zu können, besitzen die Sinneszellen unterschiedlich kom-
zugeleitet werden. Sie beeinilussen alle Aktivitäten des Or- plexe Membranspezialisierungen, z. B. Sinneshaare oder
ganismus und ermöglichen die biologisch erforderlichen modifizierte Kinozilien. Die Reize lösen physikalische und
Anpassungen an inneres und äußeres Milieu. chemische Vorgänge aus, z.B. den Einstrom von Kationen,
oder Molekiüe, in denen Reizcverschliisselt sind (z.B. Duft-
stoffe), binden an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Derar-
Typen von Sinnesorganen tige Prozesse Hiliren zur Erregung der Sinneszelle, was oft
Sinnesorgane vermitteln uns über ihre Sinneszellen ein hoch den Einstrom von Ca2• und die Abgabe eines Neurotrans-
komplexes und sehr diflcrenziertes Bild der Umwelt. Die mitters zur Folge hat. Der Transmitter löst dann i. A. ein
großen Sinnesorgane Innenohr und Auge enthalten dabei Aktionspotenzial eines sensiblen Neurons aus.
nicht nur Rczcptorzcllen, sondern auch essenziell wichtige
Hilfscinrichtungen. Zu diesen großen oder "höheren" Sin- Merke Die Umwandlung des Reizes in die elektrische Er-
nesorganen zählen traditionell: regt.mg der Sinneszelle wird als Transduktion bezeichnet.
• Gleichgewichts- und Gehörorgan (Kap. 17.1) Durch verschiedene biochemische und biophysikalische
• Sehorgan (Kap. 17.2) Mechanismen entsteht ein Rezcptorpotenzial, das einen
• Geschmacksorg.m (Kap. 17.3) Schwellenwert erreichen kann und dann in der zugehöri-
• Geruchsorgan (Kap. 17.4). gen Nervenfaser ein Aktionspotenzial auslöst (Transfor-
mation). Das Aktionspotenzial wird über Zwischenstatio-
Daneben gibt es verschiedene einfache kleine Sinneskör- nen der sensorischen Endhirnrinde zugeleitet Lmd dort
perehen und sog. freie Nervenendigungen (Kap. 17.5), die interpretiert.
unterschiedliche Reize (z.B. Druck, Schmerz oder Hitze)
sowohl aus der Umwelt als auch aus dem Körperionern auf- Primäre und seku ndäre Sinneszellen Sinneszellen, die
nehmen. einen Reiz selbst aufnehmen Lmd weiterleiten, nennt man
primäre Sinneszellen oder Sinnesnervenzellen (z. B. Riech-
sinneszellen). Sind die Sinneszellen dagegen Epithelzellen,
Sinneszellen welche basal synaptisch mit einer sensiblen Nervenzelle
Reizaufna hme Sinnesorgane - mittels ihrer Sinneszellen - verknüpft sind, heißen sie sekundäre Nervenzellen. Bei
oder Endiguogen sensibler Nervenzellen reagieren jeweils ihnen ist ein spezieller Transmitter in den Erregt.mgsfluss
auf einen spezifischen Reiz, den sog. adäquaten Reiz. Diese eingeschaltet (z.B. Haarzellen im Innenohr).
486 17 Sinnesorgane
Die Sinnesorgane fiir Gleichgewicht und Gehör sind eng mechanismen sowie der onto- und phylogenetischen Ent-
miteinander verwandt, das lässt sich an der histologischen wicklung klar erkenn en. Beide Sinnesorgane befinden sich
tmd elektronenmikroskopischen Struktur, den Funktions- beim Menschen im Innenohr (Abb. 17.1). Das Gehörorgan
hat sich aus dem phylogenetisch älteren Gleichgewichts-
organ entwickelt.
Endolymphraum Das Gehörorgan dient der Aufnahme sowie der ersten
Analyse akustischer Reize (Schallwellen) aus der Umwelt;
die in den Reizen verschlüsselten Informationen werden im
SteigbOgel
und ovales
ZNS interpretiert. Das Gehör bat wesentliche Funktionen
Fenster im Sozialverhalten (z.B. hinsichtlich Sprachverständnis und
Sprechen) und bei der Orientierung in der Umwelt.
\ \
Amboss \
I
Das Gleichgewichtsorgan vermittelt Informationen über
Lage, Stellung und Bewegung im Raum. Phylogenetisch
stammt das Gleichgewichtsorgan von den Strömungsrezep-
toren der Haut der Fische ab.
• ---------------
1 I
: Perilymphraum :
•------ -------- ·
---------------
1 I
: Endolymphraum :
•-------------- ·
- --- -Cupula
' Sinneszellen
bunden. Die Zellen haben die Gestalt einer bauchig aufge- Erregungsmechanismus Ein spezifischer Reiz flir beide
triebenen Flasche und werden von einer großen kelchför- Sinneszelltypen ist die Abbiegung der Stereozilien durch
migen afferenten Synapse umfasst. Diese große Synapse ist Bewegung der Endolymphe. Werden die Stereozilien zur je-
ihrerseits mit efferenten Synapsen verknüpft. weiligen Kinozilie hin gebogen, steigt die Leitfahigkeit der
Stereozilienmembran für Kationen in den Zellen. Die Kino-
Typ-li-Sinneszelle Die Typ-Tl-Sinneszelle besitzt eben- zilie wird envas in den Zellapex eingestaucht Kationen-
falls ein ca. 50 J.lm langes, nur passiv bewegliches Kinozi- kanäle in der Membran der Stereozilien öffnen sich. Es strö-
litun. Die Stereozilien sind ähnlich lang wie auf den Typ-I- men Kationen, unter denen Kalium funktionell besonders
Zellen. Auch sie verlieren stufenweise mit zunehmender wichtig ist, in die Zelle ein, die Zelle wird depolarisiert.
Entfernung vom Kinozilium an Höhe. Die Gestalt der Zelle Eigene spannungsunabhängige Calciwnkanäle öffnen sich
ist zylindrisch. Die Typ-TI-Sinneszellen sind schlanker als daraufhin, Ca2 ' strömt massiv in die Zelle, woraufhin Glut-
die Typ-I -Zellen und besitzen zahlreiche glatte ER-Zister- amat freigesetzt wird, was die Entstehung eines Aktionspo-
nen. An der Basis finden sich mehrere kleine efferente und tenzials in der ableitenden sensiblen Nervenfaser bewirkt.
afferente Synapsen. Die Abbiegung der Stereozilien vom Kinozilium weg fiihrt
zu leichter Anhebung der Kinozilie: Hyperpolarisation =
•• 2
1
..• •
3 -
Hemmung. Die eflcrente Innervation beeinflusst die Emp- auf minimale lineare Gravitationsbeschleunigtmgen (Erd-
findlichkeit der Sinneszellen. beschleunigungen) an. In der Macula utriculi registrieren
sie horizontale und in der Macula sacculi vertikale Bewe-
gungen.
Utriculus und Sacculus
Zellen Die Sinneszellen von Utriculus und Sacculus sind
17 .1.3 Gehörorgan
in ca. 2 mm langen fleckförmigen Arealen, den sog. Macu-
lae staticae, konzentriert. Wie auf den Cristae ampullares Die Schnecke (Kochlea) ist das Gehörorgan der Menschen
sind auch die Sinneszellen der Maculae Mechanorezep- und der Säugetiere. In ihr bilden endolymphhaltige epithe-
toren. In diesen Maculae kommen, wie auf den Cristae am- liale Strukturen den gewundenen Ductus cochlearis (Scala
pullares, Typ-1- und Typ-TI-Sinneszellen und Stützzellen media, Schneckengang). Am Boden des Ductus cochlearis
vor. befindet sich ein streifenfö nniges Sinnesorgan mit Sinnes-
zellen, das Corti-Organ. Ductus cochlearis tmd Corti-Organ
Otolithenmembran Die Maculaewerden von der gallerti- bilden beim Menschen 2'h Windungen tml einen zentralen
gen Otolithenmembran (Statokonienmembran) und relativ Knochenzapfen, den Modiolus. Der Ductus cochlearis ist von
schweren Kristallen aus Calciumkarbonat (in Form des den Perilymphrätunen (Scala vestibuli und Scala tympani)
Kalzits) bedeckt, den sog. Oto- oder Statolithen. Die Otoli- und Knochengewebe (knöcherne Schnecke, Schnecken-
then sind in der Mitte der Maculae kleiner, sodass hier eine kanal) tungeben (Abb. l7.1, Abb. 17.8).
flache Rinne (Striola) entsteht. Die Sinneszellen werden da- Die Sinneszellen des Corti·Organs perzipieren Frequen-
durch auf2 sich gegenüberliegende Felder verteilt. zen zwischen 1,6 Hz tmd ungefähr 16000 Hz.
•
1
Modiolus
In der Achse des Modialus verlaufen das spiralig angeordne-
te Ganglion spircile und dessen myelinisierte Nervenfaser-
bündel, die den N. cochlearis bilden. Die bipolaren, bei
vielen Säugetieren leicht myelinisierten Perikarya (beim
Menschen sind sie nicht myelinisiert) des Ganglion spirale
liegen in einer Höhlung am Puße der Lamina spircilis ossea
(Abb. 17.10). Vom Ganglion aus ziehen rezeptive Nerven-
fasern ztun Corti-Orgdn. Der freie Rand der Lamina spiralis
ossea liegt tmgefahr in Höhe der inneren Haarzelle.
lnterdeQtalzellen Nuei-Raum
' '
innere Haarzelle
''
innere ' Membrana äußere Haarzellen
Phalangenzelle
'' tectoria -:
'
'' äußerer Tunnel
innere ', ••
Grenzzelle •,
.•äußere Grenzzene
Hensen-
Zellen
......."' Claudlus-
Limbus Zellen
sprralis '
'''
------~
lig.
spirale
innere
Pfeilerzelle '
'
äußere Epithel der
'.
Lamrna Pfeilerzelle Scala tympanl
spiralis ossea
r-------------------~
:_~?-~~~~X~P.?.~!J
Abb. 17.11 Corti-Organ im Innenohr (Schema). Oie komplexe afferente und efferente Innervation der Haarzellen ist sehr
vereinfacht dargestellt. (Aus [1])
sitzen. Auch sie besitzen ein hochdifferenziertes Zytoske- genzelle (Abb. 17.12). Mit ihrem Apex erreichen sie die
lett. Die medial an die inneren Phalangenzellen grenzende Oberfläche des Epithels. An ihrer Zelloberfläche tragen sie
Stützzelle wird auch innere Grenzzelle genannt. mehrere tmterschiedlich hohe C-förmige Reihen kippbarer,
wenigCJ,tm langer Stereozilien (Tab. 17.1), die frei in die En-
Interdentalzellen Medial der inneren Grenzzelle verliert dolymphe des Subtektorialraums ragen und nicht mit der
das Epithel rasch an Höhe und kleidet den inneren Sulcus Membrana tectoria verbunden sind. Oie Höhe der Stereo-
spiralis aus. Dieser grenzt an den Limbus spiralis, der sich zilien nimmt von basal (4~-tm) bis zum Helicotrema (8 ~tm)
über der Lamina spiralis ossea erhebt und von den birnen- zu. Oie C-förmige Anordmmg ist derart, dass die Konkavi-
förmigen, sog. Interdentalzellen bedeckt wird (Abb.17.9, tät des C nach medial weist. An ihrer schmalen Basis können
Abb. 17.11). die Stereozilien hin- und herbewegt (detlektiert) werden.
Schon bei geringster mechanischer Abbiegung der Stereozi-
Membrana tectoria Die Interdentalzellen sezernieren die lien wird die Haarzelle v. a. dmch den Einstrom von K• de-
Membrana tectoria. Diese bedeckt das Corti-Organ, steht polarisiert (Abb. 17.12), was ZtLr Öffnung eines spannungs-
aber nur mit den Spitzen der Stereozilien der äußeren Haar- abhängigen Ca2•-Kanals und Zlll11 Einstrom von Cah führt,
zellen in direktem Kontakt. Oie Membrana tectoria ist eine woraufhin der Transmitter Glutamat freisetzt und damit
zellfreie Masse, die u. a. verschiedene Kollagene (II, V, IX, die Erregung in Form eines Aktionspotenzials weitergeleitet
XI) und die Proteine a- und ß -Tectorin enthält. Sie ist wird (Kap.17.1.4).
speziell über vemetzt-fadige Strukturen an den Grenzzellen Im Zytoplasma sind die zahlreichen dicht gepackten
befestigt. Der schmale Rawu zwischen Membrana tectoria Aktinfilamente der Stereozilien in einem dichten terminalen
und der Oberfläche des Corti-Organs wird Subtektorial- Netz, das überwiegend aus Aktin und Spektrin aufgebaut ist,
raum genannt. verankert, der sog. Kutikularplatte. An der Zellmembran
kommen einzelne glatte ER-Zisternen vor. Basal enthalten
Innere Haarzellen Oie relativ organellenarmen birnen- die inneren Haarzellen synaptische Stäbchen, denen hier
f<irrnigen inneren Haarzellen sind die eigentlichen Schall- zahlreiche afferente und efferente Synapsen anliegen. Es
sensoren. Sie können nach der Geb urt nicht erneuert wer- überwiegt stark die afferente Innervation.
den und bilden entlang dem Corti -Organ (Abb. 17.11) eine
Zellreihe, die aus insgesamt 3500 Zellen besteht. Oie einzel- Äußere Phalangenzellen Lateral vom Corti-Tunnel be-
nen Haarzellen sitzen auf der Schulter der inneren Phalan- finden sich die schlanken äußeren Phalangenzellen, deren
494 17 Sinnesorgane
säulenfönnige Körper die äußeren Haarzellen tragen beim Menschen, z. B. nach einer Schädigung, schon ab dem
(Abb. 17.12). Die äußeren Phalangenzellen bilden 3 Reihen 5. Schwangerschaftsmonat nicht regeneriert werden. Sie
in der unteren tmd 5 Reihen in der oberen Schneckenwin- sind kontraktil, können also ihre Länge ändern. Im Zyto-
dung. Sie besitzen in mittlerer Höhe eine Schulter, auf der plasma liegt apikal ein eigentümlicher rundlicher Körper
die Haarzellen sitzen. Von der Schulter zieht ein schmaler, aus annähernd spiralig angeordneten glatten ER-Zisternen
halsfönniger Ausläufer an die Epitheloberfläche. Dort ist er (Hensen-Körpcr), außerdem besitzen sie ein hochent-
über einen schmalen, llügelartigcn, apikalen Kopfteil über wickeltes System glatter Membranzisternen tmter der Zell-
Zellkontakte mit dem Apex mehrerer Haarzellen verknüpft. membran ("subsurface cisterns"). Zwischen lateraler Zell-
Ebenso ist die Gesamtheit der Apices von Pfeiler-, Phalan- membran und den "subsurface cisterns" befindet sich ein
gen- und Haarzellen fest über Zonulae occludentes und spezifisches Membranskelett aus Aktin, Spektrin und Myo-
Zonulae adhaerentes verbunden tmd bildet insgesamt die sin, das wesentlich an den Längenändenmgen dieser Zellen
Membrana reticularis. Die tmmittelbar an die äußerste beteiligt ist. Die Längenänderungen der Zellen vennittelt
Phalangenzelle grenzende Zelle wird auch als äußere das Motorprotein Prcstin an der lateralen Zellmembran.
Grenzzelle bezeichnet. Apikal tragen die äußeren HaarzeHen ca. 100 bis ca. 10 J.iln
hohe Stereozilien (ihnen fehlt wie den inneren Haarzellen
Äußere Haarzellen Die ca. 15000 äußeren Haarzellen ein Kinoziliurn). Die Stereozilien (Tab. 17.1) bilden mehre-
(Abb.17.12) sind kochlcäre Verstärkerelemente, die den re Reihen tmd sind in einer M-förmigen Formation ange-
inneren Haarzellen vorgeschaltet sind. Auch sie können ordnet. Dttrch die Schwingungen in der Endolymphe, die
17.1 Gleichgewichts- und Gehörorgan 495
Lage sitzen auf den inneren Phalangenzellen sitzen auf den äußeren Phalangenzellen
Anordnung 1 Reihe • 3 Reihen an der Basalwindung
• 4 Reihen in der mittleren Windung
• 5 Reihen an der Spitzenwindung
• amorpher extrazellulärer Substanz Jen Komplex mit Zonulae ocdudentes verbtmden sind.
• länglichen Fibroblasten Sie sezernieren Kalium in die Endolymphe. Die Zellen
• einer epithelähnlichen Schicht aus Fibroblasten, jedoch sind mitochondrienreich und bauen ein sehr komplexes
mit deutlichen Lücken. Diese Schicht bildet die Begren- basales Labyrinth auf. Sie bilden Fortsätze, die den Kapil-
zung der Scala tympani. laren anliegen und die sich auch mit Zellausläufern der
Intermediärzellen verflechten.
Die Basilarmembran ist am Stapes deutlich steifer als am • Intermedi.ärzd.l.en: Die Intermediärzellen sind spezielle
Helicotrema und wird in Richtung Helicotrema auch stetig Melanozyten tmd über Nexus mit Marginal- und Basal-
breiter. Es findet sich flir jede Anregungsfrequenz eine Stelle zellen verbunden.
mit optimaler Schwingungsfahigkeit bzw. jeder Frequenz ist • Basal.zellen: Die kleinen Basalzellen bilden v.a. flache la-
ein bestimmter Ort der Basilarmembran zugeordnet {Orts- terale Fortsätze aus, die mit entsprechenden Fortsätzen
theorie). von benachbarten Epithelzellen Zonulae ocdudentes aus-
bilden. Über Nexus stehen basale Zellausläufer mit hell-
kernigen Fibrozyten in Kontakt, was eine Bedeutung bei
Stna vasculans der Rezirkulation des Kaliums zwischen Haarzellen und
Die laterale Wand des Ductus cochlearis wird von der Stria Slria vas~:.'Ularis hat. Diese bemerkenswerte Rezirkulation
vascularis gebildet (Abb. 17.13), einer Epithelverdickung des K• tunfasst die Stationen Endolymphe, äußere Haar-
(Marginalepilhel), der ein besonders dichtes Kapillarnetz zellen, äußere Phalangenzellen, laterale Epithelzellen am
unterlagert ist. Perizytcnbedeckle Kapillarschlingen dieses Sulcus spiralis externus, spezielle Fibrozyten des Lig. spi-
Netzes dringen in das Epithel der Stria ein. Das Kapillar- rale, Basalzellen der Stria vascularis, Intermediärzellen der
endothel ist kontinuierlich. Stria, Marginalzellen der Stria, Endolymphe. Eine typi-
sche Basallamina unter dem Epithel der Stria vascularis ist
Epithel Das mehrreihige Epithel der Stria ist nicht nur an bei Erwachsenen nicht ausgebildet.
der Bildung der Endolymphe beteiligt, sondern auch am
Stoffwechsel des Corti-Organs. Es besteht aus 3 Epithelzell- Metaoozyten Für die Punktion des Innenohrs sind ver-
typcn: mutlich im subepithelialen Bindt.-gewebe vorkommende
• Marginalzellen: Die Marginalzellen bilden die Epithel- Melanozyten wich'lig. Pigmenlierungsstönmgen können
oberfläche, wo sie über einen gut entwickelten junktiona- mit angeborener Taubheil verbtmden sein (Waardenburg-
Syndrom).
17.1.4 Hörvorgang
Der Mensch hört Schallwellen mit Frequenzen zwischen
16 und 16000 Hertz (Hz).
Erregung auf die Pasern des N. acusticus überträgt. Schlie- auch akustische Energie, die sich mit Spezialmikrofon en am
ßen sich die Kationenkanäle der Stereozilien, führt dies zu Trommelfell messen lässt. Diese otoakustischen Emissionen
Repolarisierung. Bei den äußeren Haarzellen hat der Katio- (OAEs) entstehen in den äußeren Haarzcllen, sie treten
neneinstrom nicht nur eine Oepolarisierung, sondern auch spontan und nach akustischer Reizung auf.
eine Verkürzung zur Polge. Nach Repolarisierung kommt
es zu Hyperpolarisierung, die wieder zu einer Verlängerung Potenziale Oie Endolymphe im Ductus cochlearis hat
der äußeren Haarzellen führt, sodass oszillierende Längen- ein Bestandpotenzial (endolymphatisches Potenzial) von
änderungen entstehen, an denen das Membranskelett betei- +80 mV bis +110 mV gegenüber der Pe.rilymphe. Dies Po-
ligt ist. Oie äußeren Haarzellen können auf chemische, me- tenzial wird aktiv in der Stria vascularis erzeugt. Oie inne-
chanische und elektrische Reize ihre Länge verändern. Oie ren Haarzellen besitzen in Ruhe ein Zellpotenzial von
Motilitätder äußeren Haarzellen ändert auch die Mikrome- -40 m V, die äußeren eines von - 70 m V. Ober die apikale
chanik der inneren Haarzellen und fiihrt zu einer kochleä- Zellmembran der Sinneszellen herrscht also eine Potenzial-
ren Verstärkung, die flir die außerordentliche Empfindlich- differenz von ca. 120-150 bzw. 150-180 m V.
keit und Frequenzselektivitätder Kochlea wesentlich ist.
Klinik Manche Formen der Schwerhörigkeit sind mit Ver-
Innervationsmuster Oie inneren und äußeren Haarzellen ändenmgen und Verlust der Haarzellen korreliert. Im Alter
des Corti-Organs sind ähnlich strukturierte Mechanorezep- sind vorwiegend die äußeren Haarzellen betroffen. Sie atro-
torzellen, haben aber unterschiedliche Innervationsmuster. phieren und gehen zugrunde, zum Teil entstehen unge-
Oie inneren Haarzellen, die eigentlichen Schallsensoren, wöhnlich große Riesenstereozillen. Dies geht mit dem Ver-
sind ganz überwiegend afferent innerviert. Oie äußeren lust der Fähigkeit, hohe Töne zu hören, einher. Haarzellen
Haarzcllen, die als Verstärkerelemente den inneren Haarzel- können durch Lärm, Virusinfektionen, ototoxische Sub-
len vorgeschaltet sind, sind dagegen v. a. efferent innerviert. stanzen (z. B. Aminoglykoside, Chinin, Purosemid tmd Cis-
Die efferente Innervation ist inhibitorisch. Das Corti-Organ platin) tmd andere Ursachen meist irreparabel geschädigt
reagiert nicht nur auf akustische Reize, sondern produziert werden.
17.2 Sehorgan
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Oie Wand des Augapfels lässt sich in 3 Schichten gliedern: Das Kammerwasser wird von den Ziliarzotten gebildet,
• äußere Augenhaut mit Sklera und Korne-a gelangt in die hintere Augeokanuner und von dort durch
• mittlere Augenhaut (Uvea) mit Choroidea, Ziliarkörper die Pupille in die vordere Augenkammer, ehe es über
und Irisstroma die Fontana-Räume des Kammerwinkels in den Schlemm-
• innere Augenhaut mit den verschiedenen Abschnitten Kanal abfließt.
der Retina. Die hintere Augenhälfte wird von der Retina be-
herrscht, die hier Lichtrezcptoncllen besitzt (Pars optica
Oie Sklera ist eine feste schützende Schicht aus straffem der Retina). Die Retina baut sich aus 2 Schichten auf, dem
Bindegewebe. Die Kornea (Hornhaut) ist völlig trans- äußeren Retinablatt, das hier lediglich das Pigmentepithel
parent und besteht aus bildet, und dem inneren Retinablatt (Stratum nervosum),
• vorderem Kornealepithel (unverhorntes Plattenepi- das in der Pars optica sehr komplex gebaut und die Retina
thel), im landläufigen Sinne ist. Polgeode Zelltypen müssen im
• dem Kornealstroma mit regelhaft. angeordneten Schich- Strattun nervoswn differenziert werden: Von außen (an
ten von Kollagenfasern und Proteoglykanen tmd das Pigmentepithel grenzend) si nd hier 3 Neurone hinter-
• dem hinteren (innen gelegenen) Kornealendothel und einandergeschaltet: Das 1. Neuron wird durch die Licht-
dessen spezieller Basallamina, der Des~emet-Membran. rezeptorzcllen repräsentiert, das 2. Neuron sind die
Bipolaren, das 3. Neuron sind die Ganglienzellen. Diese
Die blutgefaßreiche mittlere Augenhaut versorgt die Neurone sind sehr komplex synaptisch miteinander ver-
äußeren Anteile der Retina und bildet den Ziliarkörper btmden. Es werden 2 Typen von Lichtrezeptorzellen
mit Ziliarmuskel (Akkommodation) tmd Ziliarzotten unterschieden: Zapfen (Parbsehen) tmd Stäbchen (Hell-
(Kammerwasserbildtmg). Oie Iris trägt aufihrer Rückseite dunkel-Sehen). Die Lichtrezeptorzellen besitzen eine ein-
das pigmentierte zweischichtige lrisepithel, das entwick- zigartige Ultrastruktur, ihr lichtrezeptiver Anteil weist
ltmgsgeschichtlich der Retina angehört. Oie Iris differen- nach außen.
ziert 2 Muskeln, den M. sphincter pupillae und den M. dl- Schützende Hilfseinrichtungen der Augen sind Augen-
lator pupillae. Hinter der Pupille liegt die verformbare lider, Bindehaut lmd Tränendrüse.
Linse, die über die Zonulafasern mit den Ziliarzotten ver-
bunden ist.
17.2.1 Aufbau des Auges Augapfel Der Augapfel ist annähernd kugelig und hat
Das Auge ist das paarig ausgebildete Sehorgan des Men- einen Durchmesser von ca. 2,4 cm. SeineWand lässt sich in
schen. Es besteht aus dem Augapfel (Bulbus oculi) und ver- 3 Schichten gliedern (Abb. 17.14):
schiedenen Hilfs- und Schutzorganen (u.a. dem Augenlid). • äußere Augenhaut (funica fibrosa bulbi), die aus der
498 17 Sinnesorgane
Kornec1
M. sphincter pupillae
I
I
I
I I
I I ~~~~~ Lens
Processus :: -~~
ci/iares '/
Fibrae zonulares der
Zonu/a ci/iaris
Retina (Pars caeca)
Sklera
__ Choroidea
Papi/la n. opüci
Retina (Pars optica)
Fovea centralis
Vasa centralia retinae
Arachnoidea
N. opticus
Abb. 17.14 Augapfel, Zeichnung des Horizontalschnitts. Papilla = Discus n. optici. Mensch; Färbung: van Gieson;
Vergr. 7-fach. (Aus [1))
17.2 Se horgan 499
Abb. 17.16 Hornhaut (Kornea). Die Kornea ist gefäßfrei Limbus corneae Am Rand geht die Kornea in die tm-
und ihr Stroma (2; Substantia propria) besteht aus Kollagen- durchsichtige, weiße Sklera über (Abb. 17.15). Die Über-
fibrillenlamellen, zwischen denen nur die Kerne der abge- gangszonewird Limbus corneae genannt. Die Sklera bildet
flachten, verzweigten Hornhautfibrozyten (Hornhautkörper- hier 2 Auslättfer, die den Rand der Ko rnea außen und innen
chen) erkennbar sind. 1 Kornealepithel, 3 Kornealendothel. tunfassen. Der innere Ausläufer wird Sklerasporn genannt.
Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 80-fach. Der Limbusbereich ist besonders gut kapillarisiert.
Vordere Augenkammer
Die vordere Augenkal1u11er (Camera anterior) wird von der
Rückseite der Kornea und von der Vorderseite der Iris
begrenzt.
Abb. 17.18 Iris. 1 vo rdere Augenkammer, 2 Irisstroma, Kammerwinkel Der Winkel zwischen der Kornea und
* Blutgefäß im Irisstroma, 3 M. dilatator pupillae, entspricht der Iriswurzel ist der Kammerwinkel (Angulus iridocor-
nealis, Abb. 17.15, Abb. l 7.19), in dem das Kammerwasser
den kontraktilen Fortsätzen des äußeren (an das Irisstroma
grenzenden) Irisepithels, 4 inneres pigmentiertes Irisepithel abfließt. Das Gewebe des Kammerwinkels ist stark aufge-
5 hintere Augenkamm er. Mensch; Färbung: H. E. ; lockert und enthält ein Maschenwerk aus Bindegewebstra-
Vergr. 110-fach. bekeln, das auch Myofibroblasten enthält. Zwischen den
Trabekeln findet sich ein System Oüssigkeitsgefilllter Kanäl-
chen und Räume (Fontana-Räurne), die mit der vorderen
Augenkammer kommunizieren. Die Pontana-Rätune wer-
Stroma Das Stroma gehört zur mittleren Augenhaut
den von einem dünnen Epithel ausgekleidet, das in vieler
(Uvea). Es besteht v. a. aus Fibrozyten und zarten Kollagen-
Hinsicht dem Koroealendothel ähnelt, aber auch phago-
faserbündeln, die eine bogengitterartige Anordnung besit-
zytiert.
zen. Diese Anordnung der Kollagenfasern ermöglicht die
variable Weitstellung der Pupillen. In unterschiedlicher
Schlemm-Kanal Am Vorderrand dieses Maschenwerks
Menge kommen im Stroma verzweigte melaninhaltige, aus Trabekeln und Fontana-Rämuen verläuft ringf6nllig
lichtabsorbierende Pigmentzellen (Melanozyten) vor. Die
der Schlemm-Kanal (Abb.l7.19, Abb. l7.20),der das Kam-
An7.ahl der Pigmentzellen ist für die Augenfarbe verant- merwassec aufnimmt und über intra- und episklerale Ve-
wortlich: Viele Pigmentzellen ergeben "braune" Augen, we- nennetze abfiihrt. Der Schlemm-Kanal ist von einer ge-
nige Pigmentzellen "griine", "graue" oder "blaue" Augen.
schlossenen Endothelschicht ausgekleidet, die Basallamina
Fehlt das Pigment Melanin generell (Albinos), sind die Au- ist unvollständig. Die Endothelzellen bilden ultrastrukturell
gen rötlich. Die Vorderseite der Iris wird von abgeplatteten
erkennbare 2- 3 J.Lm weite Poren oder Kanälchen, die sich
Fibrozyten des Irisstromas gebildet, zwischen denen weite
zeitweise öffnen oder schlieBen und so den Abflussverhält-
Lücken klaffen können. Das Stroma enthält ein ungewöhn- nissen anpassen können. Bel hohem Augenbinnendruck
lich reich und komplex ausgebildetes Blutgefäßsystem, das
entstehen im Endothel bis zu 20 J.Lm groBe Vesikel, die sich
für die Ernährung und Versteifung der Iris und die Tempe-
sowohl nach außen als auch zum Llunen des Schlemm-
ricrung des Kammerwassers verantwortlich ist.
Kanals hin öflnen können. Ober den Schlemm-Kanal flie-
ßen gut 80% des Kammerwassers ab; der Rest sickert in das
Muskulatur In rämnlich enger Beziehung zum Pigment-
lockere Bindegewebe ein, das die Muskelzellen des Ziliar-
epithel der Iris findet sich die Irismuskulatur (Abb. 17.18).
körpers umgibt (uvosklcraler Abfluss).
Es handelt sich um glatte Muskulatur, die in Form von
schlanken Portsätzen der äußeren pigmentierten Irisepi-
thelzellen (nach außen Zlun Irisstroma weisend) oder in Klinik Ist der Kammerwasserabfluss behindert, steigt der
Form von isolierten glatten Muskelzellen auftreten kann: Augenbinnendruck Mögliche Polgen sind Schädigungen
• M. sphincter pupillae: Seine schlanken glatten Muskel- von Retina und Sehnerv, Sehfeldausfälle, grünliche Reflexe
zellen sind konzentrisch am Rand der Pupille angeordnet. der Linse, zum Teil starker Schmerz u. a. Das Krankheitsbild
Sie gehen aus dem äußeren Irisepithel hervor und haben wird griiner Star (Glaukom) genannt. Dabei werden ver-
sich von ihm abgelöst. Sie enthalten sowohl Zytokeratine schiedene Glaukomtypen unterschieden, z.B. das Weitwin-
als auch Vimentin und Desmin. Der Muskel wird vom kelglaukom (normale Weite des Kanu11erwinkels, aber ob-
Parasympathikus innerviert und verengt die Pupille. struktive Ver'anderungen im trabekulären Maschenwerk und
• M. dilatator pupillae: Seine Muskelzellen verlaufen vor im Schlemm-Kanal, oft altersbedingt) oder das Engwinkel-
dem äußeren Epithel radiär. Sie sind Fortsätze des äuße- glaukom (infolge Einengung des Kamme.rwinkels, verschie-
502 17 Sin nesorgane
.;.
..:('"
·'
Conjunctiva-- - -·· -· Sklera
bulbi ~
--Pars caeca
der Retina
Trabekel und
Fontana-Räume -- --Ziliannuskel
"'~.... ..
' ' '" --
....' ' .. ' .... ..
... fliiasi<örper!
..... -· ....... .
~.
Schlemm--- -,:·____ _
Kanal .:
--- -Processus
.. ciliaris
..
hintere
.... , Augenkammer
Ko rnea
...
vordere
Augenkammer Unse
Abb. 17.19 Funktionell wesentliche
M. Komponenten in der vorderen Augen-
dilatator pupillae-- -w~'--'·
hälfte (Schema).
Linse
3 Die Linse (Lens) ist neben der Kornea das zweite wichtige
lichtbrechende Organ im Auge. Sie dient dem Fokussieren
des Lichts und ist vorn weniger stark gekrümmt als hinten.
Sie entsteht aus einem ektodermalen epithelialen Bläschen.
Dessen anfangs vorhandener zentraler Ra tun wird im Laufe
der Entwicklung von den in die Länge wachsenden Zellen
der Hinterwand des Bläschens ausgefiillt.
,
,
• •
•
Abb. 17. 22 Linsenfasern. Beim Einbetten und Schneiden
hat sich der enge Verbund der Linsenfasern etwas gelockert,
zwischen den Fasern sind artifizielle Spalten entstanden,
sodass die quer getroffenen einzelnen linsenfasern erkenn-
' bar werden. Die Oberfläche der Linsenfasern bildet feine
längs verlaufende Leisten, durch die benachbarte Fasern mit-
einander verbunden sind. Rind; Färbung: Masson-Trichrom,
Vergr. 450-fach.
Abb. 17.21 Vorderrand der Linse (L) mit dem Linsen-
epithel (? ) und Zonulafasern, die an der Linsenkapsel
ansetzen (• ). Mensch; Färbung: H. E., Vergr. 250-fach. Ziliarkörper
Der Ziliarkörper (Strahlenkörper, Corpus ciliare) dehnt sich
von der Ora serrata bis zur Jriswur:>~l ringförmig mn die
neo Zellkern und katun Organellen. Wesentliche Bestand- inneren Wandbereiche des Augenbulbus aus (Abb. 17.14,
teile sind die sehr stabilen linsenspezifischen Proteine Crys- Abb. 17.19, Abb. 17.23). Seine wesentlichen Punktionen sind
tallin CL, ß und y sowie Pilensin. Crystalline sind reichlich Akkommodation und Bildungdes Kammerwassers.
vorhanden tmd erhöhen den Brechkraftindcx der Linse. Sie
sind lösliche Proteine. Pilensin bildet zusammen mit Pha-
kinin linsenspezifische Intermediärfilamcntc, die mit den Ziliannuskel und Akkommodation
Crystallinen verbunden sind. Für die Transparenz ist ein Ziliarmus kel Der Ursprung des Ziliarmuskels (M. cilia-
Wassergehalt von ca. 65% erforderlich, der aktiv (Na•-K•- ris) sind der Sklerasporn und die Desr;emet-Membran des
ATPase, Na•-HCO)·-Co-Tran sporter- bcidc im vorderen Kornealendothels; den Ansatz bilden die elastischen Fasern
Linsenepithel -, Aquaporine) aufrechterhalten wird. Lin- der sog. Bruch-Membran, der Grenzschicht zwischen Ader-
senfasern bleiben zeitlebens erhalten. In geringem Maße haut und Retina. Diese elastischen Pasern sind gleichzeitig
proliferieren ständig Linsenzellen am Linscnäquator, so- die Antagonisten des Ziliarmuskels. Der Ziliarmuskel er-
dass die Linse sehr Ia ngsam, aber stetig wächst. Dieses scheint im Schnittpräparat durch die vordere Augenhälfte
Wachsttun wird zu einem erheblichen Teil dadurch kom- von Mensch und anderen Primaten flach dreieckig. Er be-
pensiert, dass im Ionern die Linsenfasern etwas schrwnp- steht aus einem komplex angeordneten System glatter Mus-
fcn ltnd sich verdichten, wodurch hier der sog. Altcrskern kelzcllen, die außen libcrwicgend längs (Meridionalfasern,
entsteht. Hauptmetabolit der Linse ist Glucose. Brücke-Muskel) und innen vorwiegend zirkulär (Miiller-
Muskel) angeordnet sind. In der Mitte verlaufen die Mus-
Klinik Eine Trübung der Linse wird als grauer Star (Kata- kelfasern schräg-radiär. Im Übergangsbereich zwischen zir-
rakt) bezeichnet. Hierbei werden die Crystallinc unlöslich. kulären tmd radiären Pasern sind die Muskelzellen netzartig
Eine Katarakt kann angeboren (Röteln-, Herpes-simplex- (retikulär) angeordnet. Der Ziliarmuskel ist reich parasym-
oder Syphilisinfektion während der Schwangerschaft) oder pathisch innerviert. Viele andere Säugetiere, die weniger
erworben sein. Erworbene Formen sind altcrsbedingt oder stark auf präzise Akkommodation angewiesen sind und de-
Begleitcrkranktmgen bei Diabetes mellitus, Bestrahlung. ren Augen auch in Histologiekursen gezeigt werden, haben
Galaktosämic und Hypokalzämie. Eine Dauertherapie mit oft einen erstalmlieh locker aufgebauten Ziliarmuskel.
Cortison fordert die Entstehung subkapsulärer posteriorer
Katarakte. Akkommodation Bei Nahakkommodation (Naheinstel-
Mit dem Alter wird die Linse ztmehmcnd starrer und ver- lung) des optischen HUfsapparats kontrahiert sich der ganze
liert ztmelunend ihre Akkommodationskraft (Altersweit- Ziliarmuskel. Die meridionalen und radiären Pasern ver-
sich tigkeit, Presbyopia senilis). lagern durch ihre Kontraktion den Ziliarmuskel etwas
nach vorn, die Kontraktion der zirkulären Pasern ftihrt zur
Bildtmg eines Wulstes (,.Muskclkante"), was den ganzen
Ziliarmuskel näher an die Linse heranbringt. Die Bruch-
Membran wird angespannt. Dadurch entspannen sich v.a.
504 17 Sinnesorgane
•
•
2
3
Glaskörper
- ·-- Basallamina Der gdllertig-weiche, wasserklare Glaskörper (Corpus vitre-
-- Zonula ocdudens um) besteht überwiegend aus Wasser (989') tmd Hyaluron-
sättre sowie einzelnen Fibrozyten (Hyalozyten), vereinzelten
-- Nexus
Makrophagen und einem feinen Netz aus 8-15 zum Teil
__ nicht-pigmentierte innere bis 30 nm dicken Kollagenfibrillen (Typ-li-Kollagen), das
Ziliarepithelzellen {NPE) sich an seiner Oberfläche etwas verdichtet (Membrana vit-
- - Desmosom rea) tmd den Glaskörper innen an der Retina befestigt. Diese
Befestigtmg ist besonders fest an der Ora serrata tmd an der
Sehnervenpapille. Der Glaskörper wird von den nicht pig-
-- Nexus
mentierten Zellen der Pars caeca (Pars plana) der Retina
pigmentierte äußere und von den Hyalozyten gebildet.
-- Ziliarepithelzellen {PE)
-- Desmosom Klinik Der Glaskörper unterliegt physikalischen tmd bio-
chemischen Altersveränderungen. Es kommt oft zu gutarti-
----Basallamina
- gen Trübungen (mouches volantes), die als dtmkle Flecken
empftmden werden, die sich mit den Augenbewegtmgen be-
'--------....J
( ) -- - -- fenestrierte Kapillare
- --- Stroma der Ziliarzotten
wegen. Bluttmgen aus Retinagefaßen Lmd Membranbil-
dungen treten z. B. bei diabetiseher Retinopathie auf. Zahl-
reiche andere Krankheiten, z. B. Arnyloidose, können zu
Abb. 17.25 Ziliarepithel, Zonulafa.sem und Sekretion Ablagertmgen im Glaskörper fUhren.
des Kammerwa.ssers. Die Zellen des inneren und äußeren
Ziliarepithels sind durch Nexus und Desmosomen verbunden,
die inneren Epithelzellen zusätzlich durch Zonulae occluden- 17 .2.3 Hintere Augenhälfte
tes. Die gefaltete basale Zellmembran der äußeren Epithel- In der hinteren Augenhälfte befinden sich die typischen
zellen enthält in reichem Maße die Na'-K'-ATPase, den Motor Wandschichten der Augenhäute:
für die Kammerwassersekretion. In der Basallamina des inne- • außen die Lederhaut
ren Epithels sind die Zonulafasern verankert. Die Zonula- • in der Mitte die Aderhaut
fasem sind nicht einheitlich, kräftige Haltefasern entsprin- • innen v. a. der lichtrezeptive Teil der Netzhaut.
gen am Orbiculus ciliaris (Pars plana des Ziliarkörpers) und
Laufen auf die vordere und hintere Seite der Region des Außerhalb der Lederhaut liegt ein kollagenfaseranuer Gleit-
Linsenäquators zu. Feinere Spannfasern verbinden die raum, der an der Grenze Zttrn Pettgewebe der Orbita eine
Haltefasern mit den Wülsten (Processus ciliares) der Corona kapselähnliche Grenzschicht aufuaut, die sog. Tenon-Kap-
ciliaris (Pars plicata des Ziliarkörpers). sel. In dem Spaltrawu kann sich der Bulbus oculi wie ein
Gelenkkopf in einer Gelenkpfanne bewegen.
7 8 9
Äußeres Retinablatt
Das sehr dünne äußere Retinablatt (Stratum pigmenti, Pig-
mentepithel, Abb. 17.27) ist auch im Bereich der Pars optica
retinae stets nur ein einschichtiges pigmentiertes Epithel. Es
ist ein kubisches Epithel, das mit seiner Basallamina der
Bmch-Membran aufliegt. Die Zellen des Pigmentepithels
(Pigmentzcllcn) sind reich an glattem ER, tmd v. a. apikal
enthalten sie ovale Pigment:körnchen. Mit schlanken Aus-
läufern legen sie sich den Lichtsinneszellen, den Stäbchen
und Zapfen, an. Die Pigmentzellen phagozytieren die Spit-
zen der Lichtsinneszellen, die im Rahmen der ständigen
Membranerneuerung an der Basis der Außensegmente zu-
gnmde gehen. Deshalb enthält das Zytoplasma der Pigment-
zellen auch viele Lysosomen. Die basale Zellmembran weist
dicht gestellte Einfaltungen auf, lateral sind sie über Kontak-
te, darunter Zonulae ocdudentes, verbtmden. Dem Pigment-
epithel kommen neben dem Abbau der Stäbeben und Zap-
fen mehrere andere Punktionen zu. Es bildet v.a. eine
wichtige Barriere zwischen dem Blut der Aderbaut und den
Rczeptorzellcn.
Blutgefäße
der
=====--- 3. Neuron
Retina < - -- ----(Ganglienzellen)
Synapsenzone
-- -(innere plexifonne Schicht)
1. Neuron
-------(Sinneszellen)
••• Stäbchen--
'
'
äußere
Gliagrenzmembran
retinalas
-- - --- Pigmentepithel
'
------------· Abb. 17.29 Neuronale Elemente
:0 Choroidea :I
.......................... der Retina (Schema).
Die Stäbchen sind schlanke Portsätze für das Hell-dunkel- reiche Ellipsoid und das weiter innen liegende Myoid,
Sehen, Zapfen sind plumpere Portsätze für das Parbensehen das v.a. durch den Golgi-Apparat, glattes und raues ER
(Abb. 17.30, Tab.l7.2). gekennzeichnet ist. Das Myoid ist mit dem weiter innen
liegenden kcrnhaltigen Teil der Zelle über einen relativ
Lichtrezeptiver Fortsatz Die lichtrezeptiven Fortsätze schlanken Zellabschnitt verbunden, die sog. Außenfaser.
werden jeweils in ein Innensegment (Innenglicd) und ein
Außensegment (Außenglied) gegliedert Perikaryon Die Kerne der Rezeptorzellen bilden die
• Außensegment: Das Attßensegment grenzt an das Pig- äußere Körnerschicht (= 4. Schicht der Retina).
mentepithel und wird von der Zellmembran umgeben. Es
enthält dicht gelagerte flache Membranstapel (in den Axon Vom Kern crstreckt sich das schlanke kurze Axon
Stäbchen) bzw. Membraneinfaltungen (in den Zapfen); nach innen und endet mit der aufgetriebenen Synapsen-
diese Membranen enthalten Sehpigmente, die mit den region der Zelle, in der neben zahllosen hellen synaptischen
Einheiten des Lichts, den Photonen, re-agieren. Der licht- Bläschen synaptische Stäbchen (.,synaptic ribbons") vor-
empfindliche Teil der Rezeptorzellen ist dem Licht abge- kommen, Transmitter ist Glutamat.
wandt (Abb. 17.27, Abb. 17.29). An ihrer Basis erneuern
sich die Membranstapel bzw. die Membraneinfaltungen
ständig. Sie werden an der Spitze abgestoßen und vom Merke Zapfenzellen ähneln Stäbchenzellen sehr stark, sie
Pigmentepithel phagozytiert. Das Außensegment ist über sind aber generell etwas plw11per, ihr Außensegment ist
ein Verbindungsstück (Sinneszilie: 9x2+0) mitdem In- etwas kürzer und konisch und enthält eher dicht gepackte
nensegment verbunden. dünne Membranfalten als Membranscheiben. Innen-
segment, Außenfaser und Axon sind dicker als bei den
• Innensegment: Das Innensegment ist wiederum in 2 Be-
Stäbchenzcllen.
reiche gegliedert: das außen liegende mitochondrien-
17.2 Sehorgan 509
Blutkapillare --
--- --Pigment-
epithel
IZapfenI IStäbchen!
- -VerbindungsstOck--
Abb. 17. 30 Rezeptorzellen. Schema (Zilie) --Ellipsoid--;
;··Ellipsoid·-
einer Zapfenzelle (links) und einer Stäb-
chenzelle (rechts) sowie des Pigment-
''
'
Innensegment
.
'
'
Innensegment
epithels. Die nach außen gerichteten Fort- ' '
'~ ----Myoid -- -- '
---Myoid • .• :
sätze der Rezeptorzellen werden Zapfen
bzw. Stäbchen genannt und jeweils in ein ---- Zonulae ------
adhaerentes
Innen- und ein Außensegment gegliedert.
Das Pigmentepithel phagozytiert die sich
--- Perikaryo!l- -
ablösenden Teile der Außensegmente.
Zwischen den Sinneszellen und den Müller-
Stützzellen bilden sich Zonulae adhaeren- --------Axon-------
Endkolben
tes aus, deren Gesamtheit der Membrana ''
limitans extema entspricht. Die ca. 2 11m ''
'
-• Synapsenband.
·.
dicke zellfreie Bruch-Membran besteht aus
Basallamina, Kollagenfibrillen und einem
dichten Netz elastischer Fasern; ihr liegen
fenestrierte Kapillaren an. (Aus (1])
Vorkommen nicht in der Fovea lutea, bei 20° außerhalb der Fovea besonders im Zentrum der Retina
am dichtesten, zur Peripherie hin abnehmend
Morphologie • ca. 90 11m lang, schlank • ca. 90 11m lang, plumper
• Außensegment gut 20 11m lang und 2 11m dick, • Außensegment knapp 20 11m lang, eher konisch,
Membranscheiben Membraneinfaltungen
Sehpigment Rhodopsin Zapfenopsin mit 3 Typen
Sehpigmente Der folgende Text kann nur auf einige scheiben ihrer lichtempfindlichen Portsätze registrieren die
wichtige Tatbestände hinweisen, ein vertieftes Verständnis Photorezeptoren das Licht. Das Photopigment der Stäb-
ist nur mithilfe von Lehrbüchern der Physiologie möglich. chen ist das Rhodopsin. Das Photopigment der Zapfen
Mithilfe des Seh-(Photo-)Pigments in den Membran- (Zapfenopsin) ähnelt dem Rhodopsin stark und unterschei-
510 17 Sinnesorgane
dct sich im Opsinanteil nur hinsichtlich einiger Amino- Äußere plexiforme Schicht Oie Zone, in der die Licht-
säuren. rezeptorzellen mit dem 2. Neuron synaptisch verbunden
Rhodopsin besteht aus dem Glykoprotein Opsin und sind, ist komplex strukturiert und wird äußere plexiforme
dem 11-cis-Retinal, einem Derivat von Vitamin A. Opsin ist Schicht genannt. Wesentliche Komponenten dieser Schicht
ein 7-Transmembranhclix-Protein, das an ein G-Protein (= 5. Schicht der Retina) sind die Endkolben und -knöpf-
(Transducin) gekoppelt ist. Oie Opsin-Retinal-Komplexe eben der Rezeptorzellen.
sind in der Membran der Membranscheiben außerordent-
lich dicht gepackt. Diese Membranen zählen deshalb zu den 2. Ne uron
proteinreichsten Membranen des Organismus. Die Sinnes- Das 2. Netrron (Abb. 17.28, Abb. 17.29) ist typischerweise
zellen sind im Dunkeln depolarisiert; in diesem Zustand eine bipolare Nervenzelle (= Bipolarzelle, Bipolare), deren
wird ständig Glutamat freigesetzt, was bei Belichtung unter- Transmitter auch Glutamat ist. Es verknüpft die Rezeptor-
drückt wird. Sehr bemerkenswert ist, dass Opsin nicht durch zellen(= 1. Neuron) und die Ganglienzellen ( = 3. Neuron).
ein anderes Molcklü, sondern durch Photonen aktiviert Es lassen sich morphologisch tmd funktionell verschiedene
wird. Es entscheidet, welche Wellenlänge vom Retinal ab- Typen von bipolaren Zellen unterscheiden:
sorbiert wird. Oieses wandelt sich bei Absorption von Licht- • Es werden On- und Off-Bipolare unterschieden. Zapfen-
quanten (Photonen) in Pikosekunden vom 11-cis-Retinal zellen sind mit On- und Off-Bipolaren verbunden, Stäb-
zum all-trans-Retinalmn. Oie Umwandlung von 11 -cis-Re- chenzellen mrr mit On-Bipolaren. On-Bipolare besitzen
tinal in all-trans-Retinal bewirkt, dass Opsin das Transducin metabotrope Glutamatrezeptoren, sie sind bei Dunkelheit
aktiviert. Transducin seinerseits aktiviert daraufhin die hyperpolarisiert, Belichtung rührt zu Depolarisation. Off-
cGMP-Phosphodiesterase, die cGMP zu GMP abbaut. Die- Bipolare besitzen einen ionotropen Glutamatrezeptor, sie
ser Abbau bewirkt, dass cGMP-gcsteuerte Natriumionen- sind bei Dunkelheit depolarisiert, Lich teinfall reduziert
kanäle in der Zellmembran geschlossen werden. Natrium die Glutamatfreisetztmg aus den Zapfenzellen ttnd negati-
kann also nicht mehr in die Rezeptorzelle einströmen. Dies viert das Membranpotenzial der Otr-Bipolaren (s. Physio-
hat zur Folge, dass die Zellmembran hyperpolarisiert ist. Oie logiebücher).
Hyperpolarisation wird also durch Licht ausgelöst. Oie Folge • In der Fovea centralis verbindet eine bipolare Zelle eine
der Hyperpolarisation ist, dass die Rezeptorzellen keinen Zapfenrezeptorzelle mit einer kleinen Ganglienzelle.
Transmitter freisetzen. Wenn das Rhodopsin sich wieder • Außerhalb der Povea centralis sind mehrere Zapfenre-
regeneriert, normalisiert sich die Natriumpermeabilität der zeptorzellen mit einer bipolaren Zelle und und diese mit
Zellmembran, wobei auch erneut cGMP synthetisiert wird einer großen Ganglienzelle verknüpft.
und sich die speziellen Natritunkanäle wieder öffnen. • Stäbchen sind nur mit einem Typ von Bipolaren verbun-
Nachdem es seine Funktion erfiillt hat, wird das all-trans- den, der sich wie eine On-Bipolare verhält. Sie sind aber
Retinal aus den Rezeptorzellen in das Pigmentepithel trans- mit On- ttnd Off-Ganglienzellen verschaltet, was durch
portiert. Hier wird es zunächst ztml all-trans-Retinol umge- amakrine Zellen festgelegt wird.
wandelt, das dann zum 11 -cis- Retina! regeneriert und in die • Stets sind mehrere Stäbchenrezeptorzellen mit einer
Lichtrezeptorzelle zurücktransportiert wird. Dort verbindet Bipolaren verbunden, die über die amakrinen Zellen mit
es sich erneut mit Opsin. einer großen Ganglienzelle verknüpft ist.
Unter den Zapfen, deren Photopigment aus dem Zapfen-
opsin tmd 11-cis-Retinal besteht, lassen sich 3 Typen mit Innere Körnerschicht Oie Kerne der bipolaren Zellen sind
Sehpigmentcn unterschiedlicher Sensitivität unterscheiden, H auptbestandteil der inneren Körnerschicht (= 6. Schicht
tmd zwar für langwelliges rotes (Wellenlänge 565 nm), mit- der Retina). In dieser Schicht liegen auch die Kerne der
telwelliges griines (Wellenlänge 535 nm) tmd kurzwelliges Miiller-Gliazellen, der H orizontalzellen (verknüpfen die
blaues (Wellenlänge 420 nm) Licht. Dementsprechend wer- Rezeptorzellen) tmd der a makrinen Zellen (bilden Synap-
den L-(R-)Zapfen (rot), M-(G-)Zapfen (griin) und K-(B-) sen sowohlmit Dendriten der Ganglienzellen als auch mit
Zapfen (blau) unterschieden. Axonen der bipolaren Zellen). Es existieren verschiedene
Typen von amakrinen Zellen mit unterschiedlichen Trans-
mittern. Oie Miiller-Gli.azellen (Abb. 17.29) sind lange
Klinik Oie Gene für rote tmd grüne Zapfenpigmente sind schlanke Gliazellen mit zahllosen lateralen Fortsätzen, die
auf dem X-Chromosom lokalisiert, das Gen für blaue sich von der äußeren bis zttr inneren Gliagrenzmembran
Zapfenpigmente auf Chromosom 7. Mutationen der roten der Retina erstrecken. Ihre inneren Füßchen ruhen auf
tmd grünen Pigmente verursachen bei 8~ der Männer eine einer Basallamina, die die Grenze ztun Glaskörper markiert.
angeborene Farbschwäche. Sie nehmen die Farben anders Ihr äußerer Zellpol endet zwischen Perikaryon ttnd Innen-
wahr tmd kombinieren das monochromatische Licht an- segment der Lichtsinneszellen. Oie Müller-Gliazellen sind
dersartig. vermutlich auch Lichtleiter, die das Licht durch die Retina
Bei Vitamin-A-Mangel wird allmählich weniger Sehfarb- mit iliren dichten Fasergeflechten hindurch zu den Sinnes-
stotr produziert, was sich insbesondere auf die Stäbchen zellen leiten. In den inneren Retinaschichten finden sich
nachteilig auswirkt. Es entsteht Nachtblindheit. auch Astrozyten und v.a. Blutgefäße (Verzweigtmgen der
A. und V. centrales retinae).
Äußere Gliagrenzmembran Am Übergang vom Innen-
segment zwu Perikaryon sind die Rezeptorzellen über Innere plexiforme Schicht Oie Synapsenzone zwischen
Zonulae adhaerentes mit den Apices der Mmier-Gliazcllen den bipolaren Zellen (= 2. Neuron) und den Ganglien-
verbunden. Oie Kette der benachbarten Zonulae adhaeren- zellen (= 3. Neuron) bildet die innere plexiforme Schicht
tes bildet im histologischen Präparat eine feine Linie, die (= 7. Schicht der Retina).
der äußeren Gliagrenzmembran (= 3. Schicht der Retina)
entspricht.
17.2 Sehorgan 511
Abb.t7.31 Foveacen-
traUs (*) der gelblichen,
ca. 1,5 mm weiten Macula
lutea. Die meisten Retina-
schichten sind hier stark ab-
geflacht und die Zapfenzellen
monosynaptisch verschaltet.
1 Sinneszellen, 2 Bipolare, ..
3 Ganglienzellen, Ch Choro-
idea, S Sklera. Mensch; I
Färbung: H. E., Vergr. 130- I
•• •
fach.
512 17 Sinnesorgane
wurde berechnet, dass ca. 110 000 Zapfenzellen in der Fovea einer On-Ganglienzelle Aktionspotenziale aus. Der Signal-
centralis vorkommen. Sie sind hier vielfach 1:1:1 mit Bipo- fluss von den Zapfenrezeptorzellen zu den Ganglienzellen
laren tmd (kleinen) Ganglienzellen verknüpft, deren Peri- läuft entweder über On- oder Otr-Bipolare zu On- oder Off-
karya an dieser Stelle mehrheitlich zur Seite gedrängt sind. Ganglienzellen. Der Signalfluss von den Stäbchenrezeptor-
zellen zu On- tmd Off-Ganglienzellen nimmt seinen Weg
Papilla n. optid In der Papilla n. optici (Discus n. optici, über einen Bipolarentyp und Amakrine.
Durchmesser ca. 1,5 mm) laufen alle Axone der Ganglien-
zellen zusammen tmd verlassen die Retina (Abb. 17.32). An Rezeptive Felder, Konvergenz Durch die Verknüp-
dieser Stelle finden sich keine lichtempfindlichen Neurone, fung der Retinazellen bauen sich rezeptive Felder rnit ei-
und sie wird daher auch als blinder Fleck bezeichnet. In der nem Zentnun und einer Peripherie (.,Umfeld") auf. Diese
Papilla n. optici treten A. und V. centrales retinaein die Re- Felder sind die wesentlichen funktionellen Baueinheiten
tina ein und verzweigen sich in zahlreiche Äste. Das Zent- der Retina. Nach Verarbeitung der Photorezeptorerregung
rum der Papille ist eingesenkt (Excavatio papillae). und -antwort durch diesen hochdiflcrcozierten neuronalen
Komplex in der Retina konvergiert der Fluss der Informa-
Kurze Zusammenfassung der Erregungsleitung tion auf die Ganglienzellen der Retina. Speziell am Rand
der Retina der Retina herrscht eine erhebliche Konvergenz der Infor-
Transduktion Die 3 Neurone der Retina stehen funktio- mationen. Tausende von Stäbchenzellen beeinflussen eine
nell in Zusammenhang: Die Photorezeptoren (= 1. Neuron) Ganglienzelle. Im foveomakulären Peld, das dem zentralen
werden durch Licht hyperpolarisiert und aktivieren bipo- Sehen dient, herrscht dagegen nur eine geringe Konver-
lare (= 2. Neuron), horizontale und amakrine Neurone in genz, ztun Teil sind hier Zapfen, bipolare Zellen tmd Gang-
der inneren Körnerschicht Tm Pali der Stäbchen ist be- lienzellen im Verhältnis 1:1:1 verkn üpft.
kannt, dass bei Dtmkelheit Kationenkanäle fiir Natrium Die Ganglienzellen übersetzen das visuelle Bild, das auf
und Calcilun in der Membran geöftnet sind. Der Einstrom die Retina auftriffl., in eine kontinuierlich wechselnde Fre-
von Natrilun und Calcium bewirkt die Depolarisienmg der quenz von Aktionspotenzialen, die entlang der primären
Zelle tmd in der Folge die Abgabe des Transmitters Glut- optischen W cgstrecke zu den visuellen Zentren im Gehirn
amat. Bei einem Lichtreiz schließen sich die Kationenkanä- geleitet werden. In jedem Auge gibt es 1 Million Ganglien-
le, es kommt zur Hyperpolarisierung der Zelle. Dadurch zellen tmd somit auch 1 Million Nervenfasern in jedem Op-
wird wiederum die Glutamatausschüttung gehemmt. Dies tikusstrang. Die Hälfte dieser Pasern hat ihren Urspnmg in
fiihrt in den nachgeschalteten Neuronen zu Potenzialverän- der Macula lutea tmd deren tmrnittelbarer Umgebtmg.
derungen, d.h. zu einem elektrischen Impuls. Die Zapfen
besitzen ähnliche Mechanismen, sind aber 100-mal licht-
N. opticus
unempfindlicher als die Stäbchen. Die 3 Zapfentypen ab-
sorbieren nur das Licht der Wellenlänge, fiir das sie emp- Der N. opticus (Abb. 17.32, Abb. 17.33) entspricht einem
findlich sind. in die Peripherie verlagerten Hirnteil tmd verbindet den
Augenbulbus mit dem Gehirn. Er besteht aus ca. 1 Million
On-, Off-Zellen On-Neurone sind lichterregte Neurone, Axonen der retinalcn Ganglienzellen. Die Nervenfasern des
Off-Nellrone lichtgehe1wnte Neurone. Ein Lichtreiz löst in N. opticus werden von Hirnhäuten umgeben. Außen liegt
Excavatio papillae
I
I
I
I
I
N. oplicus Duralscheide
Abb. 17.32 PapUla (Dtscus) n. optici (• blinder Fleck der Retina) mit der zentralen Excavatio papiUae, Längsschnitt durch
den Sehnerv. Mensch; Färbung: van Gieson; Vergr. 20-fach. (Aus [1])
17.2 Se horgan 513
die Dura mater, die im Bulbus in die Sklera übergeht. Es fol- muskels (M. Ievator palpebrae) ein. Die Sehne spaltet sich
gen nach innen die Arachnoidea mit Subarachnoidalraum in viele einzelne Faserbündel auf, die den Ringmuskel
(hier auch Vaginalraum genannt) und die Pia mater. An der durchsetzen lmd in der Dermis enden. Andere Faserzüge
Oberfläche der Nervenfasern befinden sich eine astrozytäre dieser Sehne setzen am Tarsus an, der die innere Partie des
Membrana limitans gliae extema sowie die dazugehörige Augenlids ausfüllt.
Basallamina. Von der schmalen Pia materausgehende sehr
Tarsus DerTarsus ist eine feste Gewebeplatte aus dichtem
schlanke Bindegewebssepten trennen die Nervenfaserbün- kollagenfaserigem Bindegewebe im oberen lmd lmteren
del und fiihren kleine Blutgefäße. Die Axone werden un-
Augenlid. In den Tarsus sind 20 - 25 Meibom-Driisen
mittelbar nach dem Verlassen der Retina von Oligodendro-
(Gll. tarsales) eingelagert. Dies sind verzweigte holokrine
zyten in unterschiedlichem Ausmaß myelinisiert und zu
Talgdrüsen, die jeweils aus zahlreichen Endstücken (Alveo-
Biindeln zusammengefasst. A. und V. centrales retinae tre-
len) und einem zentralen Gang bestehen. Die Gänge mün-
ten 1- 1,5 cm vor dem Bulbus in denN. opticus ein.
den in einer Reihe an der freien Kante der Lider und haben
keine Beziehung zu Haaren. Das lipidreiche Sekret bildet
17 .2.4 Augenlider, Bindehaut, Tränendrüse einen Film über der Tränenflüssigkeit und verhindert da-
durch das Austrocknen der Kornea. Am oberen lmd unte-
Augenlider ren Tarsus setzen jeweils der obere b zw. un tere M. tarsalis
Das Augenlid (Abb. 17.34) wird außen von zarter Haut be- an. Er ist aus glatter Muskulatur aufgebaut Lmd sympa-
deckt. Es finden sich hier vereinzelt sehr feine Haare mit thisch innerviert. Sein Tonus hält das Auge im Wachzu-
Talgdrüsen und kleine SchwcH3drüsen. In der Mitte finden stand offen.
sich Skelettmuskulatur und Tarsus, innen die Conjunctiva
Merke Die Augenlider sind bewegliche Schutzeinrichtun-
palebralis.
gender vorderen Augenhälfte. Sie bestehen im Wesentli-
chen aus Muskelgewebe (M. orbicularis oculi, M. tarsalis
Muskulatur Im Augenlid befindet sich die Pars palpebra-
lis des quergestreiften M. orbicularis oculi, der die Lidspalte Lmd im oberen Augenlid die Sehne des M. Ievator palpe-
brae), straffem Bindegewebe mit Stlitzflmktion (Tarsus),
verengt und verschließt. In das obere Augenlid tritt von
Wimpern lmd Dri.isengcwebe.
oben kommend die Sehne des quergestreiften Lidheber-
Pia mater
Arochnoidea rrit
Spat. st.htJmchncida/e Bindegewebssepten
der Pia
,-
lockeres Bindegewebe ,,-
V. centra/is retinae
Abb. 17.33 N. opticus, Querschnitt. Als Hirnteil wird er von sämtlichen 3 Hirnhäuten umgeben, zwischen denen auch ein
schmaler, mit Liquor gefüllter Subarachnoidalraum erhalten bleibt. Oie für dieses Präparat oft als charakteristisch angegebe-
nen Anschnitte der erst 1 cm (!) vor dem Bulbus in den Sehnerv eintretenden A. und V. centrales retinaefehlen jedoch immer
dan n, wenn der N. opticus proximal von dieser Eintrittstelle geschnitten wi rd. Sie sind damit also kein un bedingt erforder-
Liches differenzialdiagnostisches Kriterium. Mensch; Färbung: van Gieson; Vergr. 22·fach. (Aus [1))
514 17 Sinnesorgane
M. tarsa/is St4J.
• • Blutgefäß
M. orbicu/aris oculi
(Pars palpebralis)
Epidermis
Tarsus
Merle
Ausführungsgang (Meibom-Drüse)
Abb. 17.34 Oberes Augenlid, Sagittalschnitt. Der plattenförmige, aus dicht gelagerten KoUagenfasern aufgebaute Tarsus
bildet das Skelett des Lids, in das die in einer Reihe angeordneten länglichen Meibom-Drüsen (Gll. tarsales) eingelagert sind.
Diese Talgdrüsen stehen nicht in Beziehung zu den Wimpern. Diesen sind eigene kleine Talgdrüsen (Zeis-Drüsen) und die
apokrinen Moll-Drüsen (Gll. ciliares) zugeordnet. Der glattmuskuläre M. tarsalis superiorhält durch seinen Tonus die Lidspalte
offen, der kräftig entwickelte quergestreifteM. orbicularis verschließt die Augen. Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 17-fach.
(Aus (1])
17.2 Se horgan 515
Wimpern, Zeis- und Moll-Drüsen Die Wimpern sind verhornt und enthält v. a. nasalund im unteren Lid Becher-
große, dicke Haare am Lidrand. Sie werden alle zellen.
100-150 Tage gewechselt. Thnen zugeordnet sind die leis-
und Moll-Drüsen. Die Zcis-Drüsen sind kleine Talgdrüsen, Conjunctiva fornicis Die Conjunctiva fornicis (Binde-
die ebenso wie die Moll-Drüsen in die Haartrichter ein- haut der Überg-clOgsfalten) ist eine faltenreiche Tasche, in
münden. Die Moll-Drüsen (Abb. 17.35) sind apokrine deren Bereich Conjunctiva palpebralis und Conjunctiva
Drüsen, die v. a. im Dienste der Abwehr stehen und anti- bulbi ineinander übergehen. Dieser Obergangsbereich wird
mikrobielle Pcptide bilden. Fornix conjunctivaegenannt. Hier finden sich viele Becher-
zellen und stellenweise mehrschichtiges prismatisches Epi-
Merke Die große Mcibom-Drüse ist eine holokrine Talg- thel.
drüse ohne Beziehung zu den Wimpern, die Moll-Drüsen
sind apokrine Drüsen, die antimikrobielle Peptide sezer- Conj unctiva bulbi Die Conjunctiva bulbi (Bindehaut des
nieren, und die kleinen Zeis-Drüsen sind die Talgdrüsen Augapfels, Abb. 17.19) liegt der Sklera auf und endet an der
der Wimpern. Kornea. Sie ist mit der Sklera nur locker verbunden und
unterblutet leicht.
Im Epithel aller Bindehautbereiche können regelmillig
Klinik Eine Entzündung der Meibom-, Zeis- oder Moll- Lymphozyten beobachtet werden. Subepithelial finden sich
Drüsen wird Gerstenkorn (Hordeolum) genannt. Erreger vereinzelt kleine Aggregate lymphatischen Gewebes. In der
sind zumeist Staphylokokken. Ei n äuHeres Gerstenkorn be- Lamina propria der Conjunctiva palpebralis treten öfter
ruht auf Entziindung der Zels- oder Moll-Drüsen, ein inne- Melanozytcn sowie akzessorische Tränendrüsen auf.
res auf Entzündung der Mclbom-Drüsen. Ein Hagelkorn
(Chalazion) ist eine chronische schmerzlose, granulomatöse Klinik Entzündungen der Bindehaut sind häufig tmd wer-
Entzündung der Meibom-Drüsen. den Konjunktivitis genannt. Ursache können verschiedene
Viren oder Bakterien sein (infektiöse Konjtmktivitis). Be-
Konjunktiva • Bindehaut sonders häufig sind verschiedene Formen der allergischen
Konjunktivitis, ausgelöst z. B. dttrch Pollen. Symptome sind
Die Bindehaut ist eine schleimhautähnliche Schicht, die v. a. Röttmg, wässriges oder schleimig-eitriges Sekret, u. U.
Augenlid und Augenbulbus (unter Freilassung der Horn- Tuckreiz und meist ertr.iglichcr Schmerz.
haut) zu einer beweglichen Einheit verbindet. Die Bindehaut
ist transparent und zartrosa. Ihre großen Blutgefcille sind rot
und leicht zu verschieben. Sie ist glatt und feucht glänzend
Tränendrüse
und lässt sich in 3 Abschnitte gliedern: Die paarige Tränendrüse (GI. lacrimalis) liegt im äuHeren
oberen Bereich der Augenhöhle (Orbita). Sie bildet die
Conjunctiva palpebralis Die Conjunctiva palpebralis Tränenflüssigkeit.
(Bindehaut der Lider) bedeckt innen das Augenlid, mit des-
sen Tarsus sie fest ve!W'achsen ist. Sie besteht aus einer lo- Morphologie Tcde Drüse hat 8 - 12 getrennte Ausfüh-
ckeren, gefaßreichcn Bindegewebsschicht (Lamina propria) nmgsgänge, die lateral in den oberen Fornix münden. Die
und einem 2-5-schichtigen Epithel. Dieses Epithel ist un- Endstücke der Drüsen sind verzweigt tubuloalveolär,
ihr Lumen ist deutlich weiter als das anderer seröser Drü- Austrocknung. Sie schwemmt kleine Schmutzpartikel weg,
sen (Abb. 17.36). Die prismatischen Drüsenzellen der End- dient der Abwehr von Krankheitserregern und bildet einen
stücke sind vom serösen Typ und apikal über typische junk- Gleitfilm fiir die Augenlider.
tionale Komplexe verbunden. Das Zytoplasma enthält gut
entwickeltes basales raues ER. Aus dem umfangreichen Tränengänge Die Tränenflüssigkeit wird über 2 Tränen-
supranukleären Golgi-Apparat gehen die Sekretionsgranula g'Jnge im medialen Augenwinkel abgeleitet. Die Tränen-
hervor, die apikal über Exozytose ausgeschleust werden. g'J nge beginnen an den Tränenpünktchen tmd münden in
Die Zellen sind relativ mitochondrienreich tmd enthalten den Tränensack. Von dort leitet der Tr'J nennasengang die
öfter einzelne Fetttropfen. Basal treten an die Drüsenzellen Tränenflüssigkeit in die Nasenhöhle ab.
parasympathische und sympathische Nervenfasern heran.
Zwischen den DrüsenzeHen lagern basal kleine, schwer zu
erkennende Myoepithelzellen und eingewanderte Lympho- Merke Die Tränendrüse ist eine seröse Drüse, deren
zyten. Auch im Bindegewebe zwischen den Endstücken be- Sekret die Oberfläche der Kornea bedeckt und vor Aus-
finden sich oft Lymphozyten und Plasmazellen. In den Aus- trocknung schützt. Die Flüssigkeit gleicht zusätzlich
ftihnmgsg'Jngen können Schleim bildende Zellen auftreten. kleinste Unebenheiten der Oberlläche der Kornea aus und
D as Gangepithel ist einschichtig prismatisch mit Myoepi- optimiert so die Bildentstelm ng. Die Tr'J nenflüssigkeit
thelzellen, Schalt- und Streifenstücke fehlen. enthält antimikrobielle Proteine.
17.3 Geschmacksorgan
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Die chemosensitiven schlanken Geschmackssinneszellen die Geschmacksknospen genannt werden. Diese Ge-
sind sekundäre Sinneszellen, die mit Mikrovilli die Ober- schmacksknospen besitzen einen erheblichen Zellumsatz
fläche der Schleimhaut der Zunge erreichen. In der Mem- und sind im Epithel spezieller kleiner Gewebepapillen der
bran der Mikrovilli befinden sich die molekularen Rezep- Zunge lokalisiert. Es werden Papillae vallatae, fungiformes
torproteine. Die Sinneszellen bilden kleine Zellgruppen, und foliatae unterschieden.
:------
Geschmacksporus
••
• • • S1meszelle
-----Randzelle
••• Basalzelle
''
Basallamina
Schwann-Zelle ... •
Abb. 17.37 Geschmacks knospen (*) aus den Papillae
foliatae. ~ Geschmacksporus; 1 unverhorntes Plattenepithel Abb. 17.40 Geschmacksknospe (Schema). Der Geschmacks-
der Zunge. Der Geschmacksporus der Geschmacksknospen porus ist mit dem Wasser bindenden Sekret (den Muzinen)
auf der rechten Bildseite liegt außerhalb der Schnittebene. der Stützzellen gefüllt. Alle Zellen, die den Geschmacksporus
Rhesusaffe; Plastikschnitt; Färbung: H. E.; Vergr. 450-fach. erreichen, sind über light Junctions verbunden.
proteine, die die Geschmacksempfindung vermitteln. Die es unterschiedliche Sinneszellen gibt, zum Te.il werden die
Sinneszellen besitzen relativ wenige Zellorganellen, das Stützzellen als unreife Sinneszellen angesehen .
filamentäre Zytoskclett ist dagegen gut entwickelt. Ge-
schmackssinncszellen unterliegen einem stetigen Umsatz. Merke Die Geschmackssinneszellen sind sekundäre Sin-
Sie leben ca. 10 Tage und werden ständig aus basalen neszellen.
Stammzellen neu gebildet. Die Stützzellen enthalten apikal
kleine Sekretgranlila (Abb.l7.39) mit Muzinen. Diese wer-
den apikal ausgeschleust und fiillen den Geschmacksporns 17 .3.2 Geschmackspapillen
aus (Abb. l 7.40). Auch die Stützzellen besitzen Mikrovilli,
Die Geschmackspapillen sind unterschiedlich gestaltete,
die in den Geschmacksperus hineinragen. meist wenige mm große Gebilde auf der Oberfläche der
Die zelluläre Zusanunensetzung der Geschmacksknospen
Zunge. In der Nachbarschaft der Geschmackspapillen kom-
unterscheidet sich bei den einzelnen Säugetieren tmd ist in
men seröse Spüldrüsen (v.-Ebner-Drüsen) vor, die wohl
manchen Details tunstritten. Zum Teil wird vermutet, dass
ähnlich wie die Bowrnan-Drüscn der Riechschleimhaut
auch Proteine bilden, die Geschmacksstoffe binden.
chen. Bei chronisch entziindlichen oder degenerativen Er- zellen kann durch Medikamente, die Zellteilungen tmter-
krankungen der Mundhöhle können die Sinneszellen zu- drücken, unterbleiben. Geschmacksknospen gehen bei Zer-
grunde gehen. Auch bei Schwermetallvergifttmgen ist der störung der Geschmacksfasern (z. B. Durchtrennung der
Geschmackssinn eingeschränkt. Oie Neubildung der Sinnes- Geschmacksnerven) zugrtmde.
17.4 Geruchsorgan
_____________________________________ ZurOrientierung -------------------------------------
Das Geruchsorgan des Menschen ist ein relativ kleiner, mit einer kleinen Auftreibung, dem Bulbus dendriticus
verdickter Epithelbezirk in der Schleimhaut des Nasen- (= dendritischer Kolben = olfaktorisches Vesikel), endet.
höhlendachs, der Regio olfactoria. Das Riechepithel besitzt Von dieser Endauftreibung gehen seitlich mehrere lange
neben Stützzellen die kenn7.cichnenden Riechsinneszellen. olfaktorische Zilien ab, die im Schleim der Epitheloberflä-
Oiese chemosensitiven Zellen sind primäre Sinneszellen. ehe liegen tmd deren Membran viele verschiedene Rezep-
Ihr Axon verlässt das Epithelood läuft durch die Siebbein- torproteine enthält In der Regio olfactoria befinden sich
platte zwn Bulbus olfactorius. Oie Axone bilden Bündel, Glandulae olfactoriae, deren sezernierte Proteine Geruchs-
die Fila olfactoria, die von einer diinnen Lamelle spezieller stotre binden.
Glia tlffihüllt werden.
Oie Sinneszellen besitzen außerdem einen schlanken
rezeptiven Fortsatz, der die Epitheloberfläche erreicht tmd
Der Geruchssinn ist in den chemorezeptiven primären Sin- Morphologie Das Riechepithel ist mehrreihig prismatisch
neszellen der Nasenschleimhaut lokalisiert. Er prüft Geruch und hellbräunlich pigmentiert. Es ist bis zu 60 f.!m dick lmd
lmd Verträglichkeit der Nahrung. Zusammen mit Trigemi- somit erkennbar dicker als die übrige Schleimhaut der
nus-, Glossopharyngeus- tmd Vagusafle renzen überwachter Nasenhöhle. Das olfaktorische Epithel enthält weder Be-
auch die inhalierte Luft auf giftige Substanzen sowie Wärme cher- noch Flimmerepithelzellen. Oie typischen Zellen die-
lmd Kälte. Geruchs- und Geschmackssinn arbeiten ftmktio- ses Epithels sind Riechsinneszellen, Mikrovilluszellen,
nell eng zusammen. Stützzellen tmd Basalzcllen. Oie Riechsinneszellen haben
helle Kerne mit einem deutlichen Nukleolus tmd liegen in
der Tiefe des Epithels; die Kerne der Stützzellen sind dunkel
17 .4.1 Olfaktorisches Epithel und liegen weiter oben im Epithel (Abb. 17.44). Oie obere
Das Geruchsorgan des Menschen befindet sich in einem Schicht des Epithels enthält fast keine Kerne tmd fällt daher
kleinen, ca. 5 cm2 großen Schleimhautbereich im Dach der als helles Band auf(Abb. I7.45).
Nasenhöhle (Regio olfactoria). Oie Chemorezeptoren der
Nasenschleimhaut liegen im Riechepithel (olfaktorisches Gll. olfactoriae Unter dem Riechepithel finden sich tu-
Epithel). bulös verzweigte, seröse Bowman-Spilldrüsen (Gll. olfac-
toriae), deren Lwnen aufl'allend weit ist. Das Sekret ist so-
wohl Spülmittel als auch Lösu ngsmediwn ftir Geruchsstotle.
520 17 Sinn esorga ne
·~
0
0 ~- -
0 a ---- ---Schleimgranula
0 0
~ ••• ....
e
• . . . . -· • :::-Pigmentgranula
• •----------
$- -- • ------- · - Stützzelle
-
- - -- -
-
''
--- -:\Axone.
,' '
,
Abb. 17.46 Riechsinneszellen, Basal- und Stützzellen (Schema). Olfaktorisches Vesikel = Riechbläschen = Bulbus
dendriticus.
a a
Abb. 17.47 Bulbus Abb. 17.48 Subepitheliale
dendriticus. Bündel feiner Axone.
olfaktorische Drüsen
(Bowm;"rHlrüsen) ~~~--------------------Piasmezelleo
Sekret mit Odorant- : ~~
Bindungsproteinen • - -lgA
(OBP) ',, '
AJConbündel
, , - - - - Basalzelle
'
'
J;J..-.....;f:; .11!--. -- Basallamina
unreife
- - - olfaktorisdle
Zelle
.. __olfaktorische
~ri4.\~llf Sinneszelle
rezeptiver
-"Fortsatz
- Zonula
\mrmtu o occludens
~0 Abb. 17.49 Funktionelle Histologie
' des olfaktorischen Epit hels. Die
verschiedene •,;: __ --~- - OBP
Geruchsstoffe ••• olfaktorische Zilien Geruchsstoffe werden durch die
Komplex aus Geruchsstoff und geruchsbindenden Proteine (OB Ps)
OBP (odorentbindlng protein), der Gll. olfactoriae gebunden. Der ent-
der an elnan Rezepor an der
Oberfläche der Zilienmembran stehende Komplex bindet seinerseits
gebunden lsl an die olfaktorischen Zilien.
(Vomeronasalorg.m) auf, einem chemorezeptiven Organ in Basalzellen Die Basalzellen liegen als kleine Elemente an
der Nasenscheidewand vieler Säugetiere. Mit ihm prüfen der Basallarnina. Sie können sich teilen Lmd sind Vorläufer-
z.B. männliche Tiere den Gehalt an Geschlechtshormonen zellen der anderen Zellen des Epithels.
bei weiblichen Tieren, um den Zeitpunkt für eine erfolg-
reiche Befruchtung festzustellen ("Plehmen"). Dieses Or- Klini k Störungen des Geruch ssin.n s können auftreten,
gan ist beim Menschen nur in der Embryonalzeit nachweis- wenn der Zugang der Geruchsstoffe zu den Rezeptorzellen
bar. gestört ist, z. B. bei entzündlich bedingten Schwellungen
der Nasenschleimhaut. Die Rezeptorzellen können durch
Virusentzi.indungen, Twnoren, chronische Inhalation toxi-
Stützzellen und Basalzellen scher Chemikalien, Bestrahlung oder Medikamente, die die
Stützzellen Die Stützzellen des Riechepithels (Abb. 17.46) Zellteilung Lmterdrücken, zugrunde gehen. Eine weitere Ur-
besitzen apikal zahlreiche schlanke Mikrovilli, die etwas sache für den Verlust des Geruchssinns können Erkrankun-
kürzer als die der Mikrovilluszellen sind. Ihre Kerne sind gen zentraler olfaktorischer Strukturen sein, wie z.B. beim
länglich und befinden sich im apikalen Bereich des Epithels. Morbus Parkinson. Ein gravierender Vitamin-B11 -Mangel
Sie enthalten viele Mitochondrien und andere Organellen oder die Anwendung neurotoxischer Substanzen kann
sowie einzelne Pigmentgranula (bräunlich goldene Farbe ebenfalls den Geruchssinn irritieren oder sogar zerstören.
des Riechepithcls) und bilden schleimhaltige Sekretgranula. Olfaktorische Gliazellen werden therapeutisch bei Schädi-
Sie sind über apikale Zellkontakte (Zonulae ocdudentes gLmgen des ZNS, z.B. des Rückenmarks nach Bestrahlungs-
und adhaerentes) mit den Riechzellen verbunden. schäden, eingesetzt. Sie fördern die Re-Myelinisierung.
17.5 Sinneskörperchen, freie Nervenendigungen 523
Zusätzlich zu den großen Sinnesorganen versorgen sehr 17 .5.1 Komponenten der Sinneskörperehen
viele freie Nervenendigungen und einfach gebaute Sinnes-
körperehen das ZNS ständig mit wichtigen Informationen, Generell gehören den Sinneskörperehen 3 Komponenten
z.B. über Temperatur, Schmen_, Druck, Berührung und an, die nettralc, gliale ttnd bindcgewebigc Komponente.
Vibrationen. Die sensiblen Strukturen lassen sich folgender-
maßen einteilen: Neurale Komponente Die neurale Komponente ist re-
• Organe der Oberflächensensibilität (Exterozeptoren), präsentiert durch eine sensorische Nervenfaser (dendriti-
• Organe der Tiefensensibilität (Propriozeptoren) und sches Axon), deren Perikaryon im Spinalganglion liegt. Die
• Organe der Eingeweidesensibilität (Viszerozeptoren). Endigttng dieser Nervenfaser ist etwas aufgetrieben. Sie
enthält viele Mitochondrien und cnillcrdcm entweder helle
Oberflächen- und Tiefensensibilität werden auch als soma- Vcsikel oder kleine Granula.
tische Sensibilität zusammengefasst.
Gliale Komponente Der glialc Anteil wird von den ter-
Rezeptortypen Die Empfindungsmodalitäten dieser mor- minalen Schwann-Zcllen repräsentiert. Diese bilden ttnter-
phologisch vielgestaltigen Sinnesstrukturen sind vielfältig. schiedlichc H üllstrukturcn um die Ncrvcnfascrcndigung,
Die Reize werden von verschiedenen Rezeptoren wahrge- meist in Form von dürtncn, zytoplasmatischcn Lamellen,
nommen, die in allen Sinneskörperehen und natürlich auch und sind von einer Basallamina bedeckt.
bei den freien Nervcnendigungen durch sensible Nerven-
fasern repräsentiert werden. Es lassen sich 4 Haupttypen Bindegewebige Komponente Oie bindcgcwcbigc Kom-
der Rezeptoren unterscheiden: ponente bildet eine Kapsel um neurale ttnd glialc Kompo-
• Mechanorczcptoren reagieren auf mechanische Einwir- nenten. Sie entstammt dem Endo-, dem Pcri- sowie dem
kungen, z. B. Druck, Epincurium tmd baut die Sinneskörper in ihre Umgebung
• Chemorezeptoren reagieren auf chemische Reize, z. B. 0 2 - ein.
odcr C02-Partialdruckwerte,
• Thermorezeptoren reagieren auf Hitze und Kälte und 17.5.2 Typen von Sinneskörperehen
• No7irezeptoren (Schmerzrezeptoren) reagieren auf gewe-
beschädigende schmcr7..auslösende Verletztmgen. Exterozeptive Sinneskörperehen
Extcrozeptive Sinneskörperehen liegen in der Haut tmd den
Die Schmerzfasern sind meist polymodal, d. h., sie reagieren Schleimhäuten tmd vcnni ttcln Informationen libcr die Um-
aufverschiedenartige Reize (z.B. Hitze, groBe Kälte, mecha- welt. Funktionell sind sie Schmerz-, Temperatur-, Chcmo-
nische Einwirkungen ttnd starke chemische Reize, die dann und Mcchanorczcptoren. Proximal der Ncrvcnfasercndi-
als Schmerz empfunden werden). Opiate setzen die Empfin- gungen finden sich die afrercntcn myclinisicrtcn oder nicht
dungsschwelle der Rezeptoren herab, Prostaglandine tmd myclinisiertcn sensorischen Axone.
Bradykinin (Substanzen, die bei der Entzündungsreaktion
freigesetzt werden) sind dagegen erregtmgsf6rdernd.
Merkel-Zellen
Histologie Freie Nervenendigungen finden sich im Merkcl-Zellen kommen einzeln oder in kleinen Gruppen in
ganzen Ki rper verbreitet. Sie sind Endabschnitte sensibler der Epidermis ltnd in den mehrschichtigcn tmvcrhorntcn
Nervenfasern, die mtr nech stellenweise ven Schwann-Zcl- Plattenepithelien vor (Abb. 17.50). Sie sind an berührungs-
len bedeckt sind. An freien Stellen sind sie eft kne tcnfe r- empfindlichen Stellen, z.B. den Finger- ttnd Zehenspitzen,
mig verdickt tmd enthalten viele Mite chendricn. Sie sind besonders zahlreich. An ihnen enden große, flache Ncrvcn-
Temperatur-, Schmerz-, Chcme - ttnd auch Mcchane rc- cndigungcn, die reich an Mitochondrien sind. Werden meh-
zcptercn. Die Sinneskörperehen sind ke mpli7icrtcr gebaut rere Merkcl-Zellen von einer sensorischen Faser versorgt,
und besitzen zusätzlich zur sensiblen Nervenfaser Hilfscin- spricht man von einer Merke!-Tastscheibe.
richtungcn, die ven Glia- und Bindegewebszellen aufge-
baut werden. Morphologie Merkcl-Zellen haben helle Kerne mit meh-
reren Einkerbungen (Abb. 17.51), bilden kurze, plumpe mi-
krovillusartige Fortsätze aus, die Aktinfilamente enthalten,
und sind libcr Desmosomcn mit benachbarten Epithel-
524 17 Sinnesorgane
zellen verbunden. Sie enthalten viele Mitochondrien, helle
Zellfortsätze mit Vesikel, das spe7ielle Zytokeratin 20 und kennzeichnende
rEpici~~~~-:
~------------·
Aktinfilamenten ca. 80-100 nrn große Granula mit verschiedenen Neu-
ropeptiden (z.B. Met-Enkephalin und Bombesin) und Se-
rotonin, deren genaue Funktion in diesen Zellen noch un-
bekannt ist. Möglicherweise repräsentieren sie eine sekre-
torisch-parakrine Funktion dieser Zellen.
Lamellenkörper
Sekret-
granule'' Die bekannteste Gruppe der Sinneskörperehen sind die
sensible
Nervenendigung Lamellenkörper, die auch im histologischen Präparat gut zu
erkennen sind, z. B. in Haut, Pankreas und Gelenkkapseln.
' Sie haben entweder gar keine oder nur eine einfache oder
'
Basallamina
,.---·----- aber eine hochdiflerenzierte perineurale Kapsel.
~~~~!~_:
-- Markscheide des Lamellenkörper ohne oder mit einfacher
afferenten Neurons______.
(dendritisches Axon)
perineuraler Kapsel
Meissner-Tastkörperchen Die länglich ovalen Meissner-
Abb. 17.50 Merket-Zelle in der Epidermis (Schema). Tastkörperchen sind schnell adaptierende Druckrezepto-
Sie besitzen Merkmale einer Sinneszelle sowie einer sekre- ren. Sie nehmen insbesondere die Bewegtmg eines Objek-
torischen Zelle. tes auf der Haut wahr und spielen eine wichtige Rolle bei
der Regulierung der Griffkraft Sie kommen in den Rinde-
gewebspapillen des Strattun papillare der Leistenhaut
(Abb.l7.45), im subepithelialen Bindegewebe des Anus,
des Penis und der Mundschleimhaut vor. Sie bestehen aus
schraubenfdrmig angeordneten Endverzweigtmgen von
1-7 sensorischen Axonen, die terminal verdickt sind tmd
von Lamellenstapeln mehrerer terminaler Schwann-Zellen
(Lamellenzellen) tunhüllt werden (Abb.l752, Abb.l7.53).
a Die Zellkerne, die im Präparat im Meissner-Körperchen er-
Abb. 17.51 Merket-Zelle. kennbar sind, gehören diesen Schwann-Zellen an. In den
unteren Bereichen werden die Meissner-Körperchen von Die sehr flachen äußeren (perineuralen) Lamellenzellen sind
1 - 2 flachen Perineuralzcllen umgeben. Zwischen die La- innen und außen von einer Basallamina bedeckt. Zwischen
mellen dringen feine Kollagen fibrillen vor, die auch mit der den Lamellenzellen befinden sich Kollagenfibrillen, Wasser
Basallamina der Epidermis verknüpft sind. Die Kollagenfib- bindende Proteoglykane und auch einzelne Blutgefaße.
rillen spielen eine Rolle bei der Übertragung des Drucks auf Viele der kleineren, einfacheren Lamellenkörper reagieren
die Nervenendigungen. auf Druck und adaptieren schnell (RA-Rezeptoren, RA =
"rapidly adapting").
Haarfollikelrezeptoren An Haaren treten spezielle Haar-
follikelrczcptoren auf, die keine perineurale H ülle besitzen. Vater-Padni-Körperchen Die größten Lamellenkörper
Die sensorischen Endstrukturen sind wie eine Manschette sind die Vater-Pacini-Körperchen (Abb. I7.54, Abb. 17.55).
im Bindegewebe an der äußeren Oberfläche des Haarfolli- Sie sind in den tieferen Schichten der Dennis und der Sub-
kels verankert und reagieren auf Biegung des Haarschafts. kutis zu finden, in den Mesenterien, im Pankreas, in der
Sie bestehen aus einer abgeflachten, lanzettförmigen, mito- Harnblase, der Vagina und den Septen zwischen Muskel-
chondrienreichen Nervenendigung, die an den flachen Sei- bündeln und Periost. Sie können verein1..clt über 2 mm groß
ten von jeweils einer Schwaon-Zelle bedeckt ist. Zwischen werden. Die Zahl der Lamellen beträgt im Innenkolben bis
den Schwann-Zellen bleib t ein schmaler Spaltraum frei, an über 50 und in der äußeren Lamellenschicht zun1 Teil auch
dem die rezeptive Membran der Nervenfaser an die Ober- 50. Lamellenkörper mit 2 oder mehr Innenkolben werden
fläche tritt und durch Bewegungen des Haares erregt wird. auch Golgi-Mazzoni-Körperchen genannt. Vater-Pacini-
Diese Rezeptorstrukturen adaptieren schnell Körperchen sind Mechanorezeptoren, die große rezeptive
Pelder besitzen, Geschwindigkeitsveränderungen eines me-
Lamellenkörper mft hochdifferenzierter chanischen Reizes wahrnehmen, rasch adaptieren und be-
perlneuraler Kapsel sonders gut auf Vibrationen reagieren. Sie sind auch an der
Lamellenkörper mit einer sehr differenzierten perineuralen Regulierung der Kraft beim Bearbeiten von Gegenständen,
Kapsel treten in erheblicher morphologischer Vielfalt auf. z. B. beim Schnitzen, beteiligt.
Sie bestehen aus:
• einer (seltener 2) sensorischen, mitochondrienhaltigen Ruffini- Körpe rchen Die vielgestaltigen Ruffini-Körper-
Nervenendigung, die verzweigt sein und gestreckt oder chen kommen in der Haut, in Gelenkkapseln und in der
auch gewunden verlaufen kann Wurzelhaut der Zähne vor. In der Dermis besitzen sie eine
• aus dicht gepackten Zytoplasmatischen Lamellen einer an beiden Enden offene, zyli.nderförmige Kapsel, die einem
oder weniger terminaler Schwann-Zellen, die den sog. Perineurium gleicht. Im Innern befinden sich Kollagen-
Innenkolben bilden fasern, die an den Enden ein- bzw. austreten. Ein sensori-
• aus einer unterschiedlichen Zahl konzentrischer Schichten sches (afferentes) Axon tritt seitlich oder an einem Ende der
flacher Lamellenzellen, die zusammen mit ihrer Binde- zyli.nderförmigen Struktur in dessen Inneres ein und ver-
gewebsmatrixaus dem Perineurium hervorgehen (äußere zweigt sich hier. Die Endstrukturen der Nervenfaser sind
Lamellenschicht). mit den Kollagenfasern verknüpft. I n den Gelenkkapseln
•• •
• terminale
___ __ •• --- Schwann-Zelle
......... .. •• --Perlneuralzelle
•
•• • sensible
---- --- -::--·- Endigungen
.... .. .-
••
Abb. 1 7.53 Melssner-Tastkörperchen
••• • --• • ·:: ~- Kollagenfasern
-
(Schema). Die termi nalen Schwaon-
...... --·-
Zellen (hell ocker-bräunlich) sind eng
miteinander verzahnt Zwischen ihren
•
Fortsätzen verzweigen sich die Endi-
gungen sensibler Nervenfasern (gelb). Basallamina
Das Tastkörperchen ist über Kollagen-
fasern mit Epidermis und Umgebung
verknüpft.
526 17 Sinnesorgane
~~~..
Innenkolben (terminale
Schwann-Zellen)
Abb. 17.54 Vater- Paclnl-Körperchen, Querschnitt. Im Abb. 17.55 Vater- Paclnl-Körperchen (Schema).
Zentrum liegt die Nervenfaser( ~ ). 1 Innenkolben; 2 äußere
Lamellenschicht (perineurale Lamellen); 3 Kapsel; ~ kleine
Blutgefäße; 4 Fettzellen im Unterhautbindegewebe. Subkutis
der palmaren Haut eines Fingers, Mensch; Färbung: Masson - Golgi-Sehnenorgane
Trichrom; Vergr. 110-fach.
Golgi-Sehnenorgane (Sehnenspindeln) sind eingekapselte
sensorische Nervenendigungen, die am Übergang von Ske-
lettmuskulatur zu Sehnen oder Aponeurosen auftreten
(Abb. 17..56).
kommen Ruffini-Körperchen mit und ohne Kapsel vor,
darunter solche, die an Golgi-Sehnenorgane erinnern. Morphologie Die spindeiförmigen Strukturen sind sehr
Manche dieser Körperehen in Gelenkkapseln sind ver- variabel gestaltet und können bis zu I ,5 mm lang und bis zu
zweigt und enthalten Kollagenfasern, die in unterschied- 120 J..llll dick sein. Sie sind von einer Kapsel aus platten Pe-
lichen Richtungen angeordnet sind. Ruffini-Körperchen rineuralzellen umgeben und enthalten mehrere schlanke
sind langsam adaptierende Rezeptoren (SA-Rezeptoren, Bündel aus Kollagenfasern. Diese sind einerseits mit der
SA = "slowly adapting"), die Dehnungen und Scherkräfte Skelettmuskulatur und andererseits mit der inneren Kap-
im Bindegewebe perzipieren, mit dessen Kollagenfasern sie selwand verknüpft (Abb. 17.56). Außen ist die Kapsel mit
immer strukturell und funktionell verbunden sind. den normalen Sehnenfasern verbunden, sodass der Innen-
rawn der Spindel und ihre Umgebung strukturell eng ver-
Merke Die verschiedenen Sinneskörperehen besitzen zu- knüpft sind.
sätzlich zu einer in ihrem Jnnern gelegenen sensorischen Seitlich treten in die Kapsel meist mehrere myelinisierte,
Nervenendigung Hilfscinrichtungen, die die Reize ver- sensorische (afferente) Ib-Ax.one ein, die sich im Innern des
stärken. Diese Hilfseinrichtungen sind meist larnelläre Sehnenorgans unter Verlust der Markscheide verzweigen.
Hiillen, die sowohl von den Schwann-Zellen als auch vom Die Verzweigungen sind von ei ner Schwann -Zelle bedeckt.
Bindegewebe aufgebaut werden. Sie breiten sich zwischen den Kollagenfasern im Innern des
Sehnenorgans aus und ranken sich lLm diese henun. In ih-
rem Verlauf treten Verdickungen mit Mitochondrien auf,
Propriozeptive Nervenendigungen die terminalen Strukturen entsprechen und die Zlun Teil nur
von einer Basallarnina, Zlun Teil aber von sehr flachen Aus-
(Golgi-Sehnenorgane, Muskelspindeln)
läufern der Schwann-Zcllen bedeckt werden. Diese rezepti-
Die propriozeptiven Nervenendigungen liefern Informatio- ven Endstrukturen sind über die Basallamina der Schwann-
nen über Stellung und Bewegung der Gelenke, Tonus der Zellen mit den Kollagenfasern im Golgi-Sehnenorgan ver-
Muskulatur, Spannung von Sehnen u. Ä. Sie zählen zum knüpft.
Kraft-, Stellungs- und Bewegungssinn des Bewegungsappa-
rats und sind in Muskulatur, Gelenkkapseln und Sehnen zu Funktion Golgi-Sehnenorgane perzipieren Veränderun-
finden. Golgi-Sehnenorgane messen die Spannung der Ske- gen des Spannungszustands der Muskeln und der Sehne.
lettmuskulatur, Muskelspindeln messen die Länge dieser Sie werden durch Zug an der Sehne gedehnt und aktiviert
Muskulatur. und liegen in Serie mit der Skelettmuskulatur (Muskulatur
und Sehnenorgane liegen hintereinander). Die Sehnenorga-
ne arbeiten funktionellmit den Muskelspindeln zusammen.
17.5 Sinneskörperchen, freie Nervenendigungen 527
••
- Spindelkapsel mit
Perineurium
motorische
-_..__ Endigungen der
dynamischen
y-Faser
pariaxialer-
Raum dynamische
•• y -Faser
~=:::::::::::=:=§~~--~- --Ja-Faser
--n-Faser
• • statische
y -Faser
intrafusale •
·•· Mulospiralige
sensorische Abb. 17.58 Muskelspindel (Schema).
intrafusale-- Nervenendigungen
Kernkettenfaser der Ja-Faser Alle intrafusalen Muskelfasern (orange)
werden an ihren Endabschnitten
sensorische motorisch innerviert. und zwar durch
Endigungen y-Fasern. Diese sind überwiegend stati-
derll-Faser scher, zum Teil aber auch dynamischer
Natur. Alle intrafusalen Muskelfasern
werden außerdem sensorisch durch
=• • • motorische
Endigungen der primäre (anulospiralige) la-Fasern ver-
statischen sorgt. Des Weiteren versorgen sensori-
y-Faser sche li-Fasern die Kernsackfasern (mit
Blütendoldenendigungen) und die
Kernkettenfasern (zum Teil mit
anulospiraligen Endigungen). Extra-
fusale Fasern: braun.
für Längcnvcrändcrungcn. Statische y-Motoneurone inner- gen der Muskelspindeln werden durch passive Dehmmg
vieren v. a. die Kernkettenfasern und registrieren v. a. stati- tmd auch durch fusimotorische Impulse erregt.
sche Messfunktionen, z.B. die absolute Muskellänge. Unter
den sensorischen Endigungen lassen sich primäre und se-
Freie Nervenendigungen
kundäre Endigungen unterscheiden.
• Die primären Endignngen (anulospiralige Endigungen) Freie Nervenendigungen kommen verbreitet in vielen inne-
sind spiralig um den kernhaltigen mittleren Bereich so- ren Organen, im Bewegungsapparat und in der Haut vor. Sie
wohl der Kernkettenfasern als auch der Kernsackfasern dienen der Wahrnehmung von Schmerz (Nozirezeptoren),
gewunden. der Wahrnehmung der Temperatur (1hermorezeptoren)
• Die sekundären Endignnge.n (Blütendoldenendigungen) und der Wahrnehmung von Druck tmd vergleichbaren Rei-
innervieren ober - und unterhalb der primären Endigun- zen (Mechanorczcptoren).
gen die Kernkettenfasem. Sektmdäre Endigungen können
sowohl ein blütendoldenähnliches als auch spiralfönniges
Aussehen annehmen.
Morphologie
Endigungen sensorischer Nervenfasern enden frei oder zum
Beide Endigungsformen gehören myelinisierten Axonen an, Teil von Schwann-Zellen bedeckt im Gewebe. Die Membran
die primären Endigungen den Ja-Fasern und die sekundä- der frei liegenden Anteile hat wahrscheinlich rezeptive
ren Endigungen den li-Fasern. Die sensorischen Endigun- Funktion und spricht auf jeweils tmterschiedliche Reize an.
17.5 Sinneskörperchen, freie Nervenendigungen 529
Die Endigung ist meistens erweitert und enthält Mitochond- innerviert, und zwar überwiegend atlcrent. Oie afferenten
rien, helle Vesikel und mitunter auch Granula. Die zuge- Fasern gehören zwn N. glossopharyngeus. Außerdem gibt
hörigen sensorischen Axone sind meistens nicht myelini- es eine sympathische und in geringem Ausmaß auch para-
siert (IV-Fasern); es gibt aber auch schwach myelinisierte sympathische Innervation.
sensorische Axone (III-Fasern), deren Endigungen zusätz-
lich Mikrotubuli besitzen. Stützzellen Die schlanken Stützzellen (= Hüllzcllen) ent-
sprechen den Schwann-Zellen und besitzen dunklere, läng-
liche Kerne. Sie mnhüllen mit schlanken Fortsätzen die
Funktionen Hauptzellen.
Freie Nervenendigungen registrieren v. a. mechanische und
chemische Reize, wnfassen aber auch Schmerz- und Ther- Funktion Die Hauptzellen der Karotiskörperehen sind
morezeptoren. In der Nähe der Karotiskörperehen liegen periphere Chemorezeptoren. Sie registrieren es, wenn der
in der Wand des Karotissinus Mechanorezeptoren (Baro- art.erielle 0 2 -Partialdruck oder der pH-Wert abnehmen
[Presso-]Rezeptoren), die den Druck im Gefäß perzipieren. oder der arterielle C02 -Partialdruck zunimmt. Oie Wahr-
Es sind freie Nervenendigungen, die auch zwn N. glosso- nehmung dieser Reize führt zum Einstrom von Ca2• , was
pharyngeus gehören. Die Media der Karotis ist hier relativ die Abgabe des Transmitters Dopamin auslöst, der ein Ak-
dünn und dehnbar. Oie Rezeptoren befinden sich in der Ad- tionspotenzial der sensiblen Axone des Karotissinusnervs
ventitia und werden durch die Dehnung der Sinuswand ge- (Ast des N. glossopharyngeus) bewirkt.
reizt. Auch im Aortenbogen und in den V orhöfen befinden
sich Dehnungsrezeptoren, die eine Rolle bei der Regelung
des Blutdrucks spielen. Lungendehnungsrezeptoren sind an
der Regelung der Atemtiefe beteiligt. Mechanorezeptoren
im Magen-Darm-Trakt regulieren Peristaltik und Entlee-
rungsfrequenz im Rektum. Sie vermitteln Informationen
zwn FiHlungszustand vom Magen und Darm.
Schmerzrezeptoren finden sich v. a. in der Haut und in
der Wand von Hohlorganen. Sie sind verantwortlich für die
Schmerzempfindung, die z. B. durch krampfartige Kontrak-
tion der glatten Muskulatur (Koliken) verursacht wird.
Schmerzrezeptoren in der Wand von Blutgefäßen registrie-
ren Organschäden infolge von Mangeldurchblutung (z.B.
die Rezeptoren der Koronararterien bei Angina pectoris).
Glomera (Sing. Glomus) sind Angehörige der Paragang-
lien. Sie sind wenige Millimeter große, gut durchblutete,
chemorezcptive Organe, die mehrheitlich in der Wand von
Blutgefäßen vorkommen. Am bekanntesten sind das Karo-
tiskörperchen, das im Bereich der Karotisgabelung liegt, und
die sehr ähnlichen Glomera am Aortenbogen (Glomera aor-
tica). Die Hauptfunktion der Glomera ist, den Organismus
vor Sauerstoffmangel zu schützen.
Karotiskörperehen
Das Karotiskörperehen (Glomus caroticum, Abb. 17.59) be-
steht aus Hauptzellen, Stützzellen, sensiblen Nervenendi-
gungen und zahlreichen Blutkapillaren mit fenestriertem
Epithel.
C 17 Lernhinweise zu Kapitel 17
530 17 Sin nesorgane
Basallamina
'
Schwann-Zelle--
Blutkapillare
'
'
Nervensystem
T. Deller und U. Welsch
Das Nervensystem ist nicht das ein1jge (vgl. endokrines Sys- genan seine Umgebung. Es bedient sich für seine Aktionen
tem s. Kap. 11 , Immunsystem s. Kap. 6), aber das größte elektrischer Erregungen und eines hochdiflcrenzierten Sys-
und höchstentwickelte Koordinationsorgan des Körpers. Es tems von Signalmolekülen, den Neurotransmittern. Das
nimmt Informationen aus der Umwelt und aus dem Kör- Nervensystem reagiert aber nicht nur stereotyp auf Reize,
perionern auf, verarbeitet diese und kann innerhalb kurzer sondern es kann auch aus Erfahrungen lernen und somit
Zeit auf Veränderungen reagieren. Es ermöglicht dem Orga- neue, möglicherweise bessere Verhaltensweisen entwickeln.
nismus somit kurzfristige und lebenserhaltende Anpassun- Es verfügt somit über die Fähigkeit zu Plastizität.
18.1 Grundlagen
------------------------------------- ZurOrientierung -------------------------------------
Das Nervensystem wird in peripheres (PNS) und zentrales PNS und ZNS liegt auf H öhe der Wurzeln der aus
Nervensystem (ZNS) unterteilt. Das PNS umfasst Gang- dem ZNS austretenden Nerven (am Übergang der zentra-
lien (sensorische und autonome) und Nerven, das ZNS Jen Hüllglia, Oligodendroglia, in die periphere Hüllglia,
das Rückenmark und das Gehirn. Die Grenze zwischen die Schwann-Zellen).
18.1.1 PNS und ZNS Struk turen des ZNS werden vo n den Hirnhäuten ttmgeben
Bedeutung der Hüllglfa Das Nervensystem bildet eine (Kap. 3.4.7).
funktionelle Einheit. Es wird zwar anatomisch in PNS tmd
ZNS gegliedert, die Gren1..c zwischen beiden Teilen wird Graue und weiße Substanz Die meisten Str ukturen des
jedoch nicht durch die J\xo ne der Nervenzellen bestimmt, ZNS lassen sich weiter ltntergliedern. Die graue Substanz
da diese ohne Unterbrechungvom PNS ins ZNS ziehen und (Substantia grisea) besteht aus den Perikarya der Nerven-
ttmgekehrt. Vielmehr wird die zentrale Hüllglia (Oligoden- zellen, die weiße Substanz (Substantia alba) überwiegend
droglia) der Nervenfasern am Übergang zwischen ZNS tmd aus myelinisierten Axonen. Graue und weiße Substanz sind
PNS von der peripheren Hüllglia (Schwann-Zellen) abge- von Region zu Region tmterschiedlich verteilt, z.B. liegt die
löst und die Nervenfasern werden gebündelt tmd von Bin- graue Substanz im Endhirn und Kleinhirn überwiegend
degewebe tunhüllt Histologisch besteht das PNS aus außen und bildet dort eine Rinde (Cortex cerebri; Cortex
Nervenzellgruppen (in Ganglien oder in Organen), Ner- cerebelli), während sie im Rückenmark innen liegt und wie
venzellfortsätzen (in Nerven) tmd Nervenendigtmgen, die ein Schmetterling geformt ist. An anderen Stellen ist die
überwiegend an Zellen von peripheren Organen (z.B. Mus- graue Substanz von weißer Substanz umgeben und bildet
kelzellen oder Drüsen) enden oder mit Sinneszellen (z. B. einen Kern (Nucleus). In der grauen Substanz liegen die
Hautsinncszellen) in Verbindtmg stehen. Nerven und Gan- Perikarya der Nervenzellen häufig in Schichten oder in klei-
glien des PNS werden typischerweise von kollagenem nen Zellgruppen. Diese Anordnungen sind je nach Hirn-
Bindegewebe umhüllt (Epineurium, Perineurium und En- gebiet typisch und erlauben es, einzelne Regionen und
doneuriwn). Auch das ZNS enthält Nervenzellen, Nerven- Kerngebiete des ZNS anhand ihrer "Architektur", also der
fortsätze und Nervenendigungen. Die Nervenendigtmgen Anordmmg ihrer Bauelemente, voneinander zu unter-
erreichen aber überwiegend andere Nervenzellen und die scheiden.
532 18 Nervensystem
c
c Abb. 18.2 Markierung
Abb. 18.1 Hippocampus von Axonen mit einem
einer transgenen Maus. "Tracer".
Untersuchungszweck Methoden
Verteilung der Perikarya • H. E.-Färbung (Abb. 18.8)
(..Zytoarchitektur") • Färbungen des Perikaryons (Färbung nach Nissl; Abb. 18.33)
• Färbungen der Lipofuszinpigmente (,.Pigmentarchitektur")
• In-situ-Hybridisierung (Nachweis von mRNA in Zellen; Abb. 18.22)
• immunhistochemischer Nachweis von intrazellulären Proteinen (Abb. 18.23)
• genetische Verfahren (Nervenzellen werden genetisch verändert und produzieren
fluoreszierende Substanzen); ausschließlich experimenteller Einsatz (Abb. 18.1 )
Faser- und Bahnverläufe • Färbungen der Myelinscheide (Markscheidenfarbungen; Abb. 18.11, Abb. 18.25)
(" Faserarchitektur") • Markierung von Axonen mit "Tracer"-Substanzen (anterograd: Transport des
Tracers vom Perikaryon zur Synapse hin; retrograd: Transport des Tracers von der
Synapse zum Perikaryon); überwiegend experimenteller Einsatz (Abb. 18.2)
• genetische Verfahren (Nervenzellen werden genetisch verändert und produzieren
fluoreszierende Substanzen); ausschließlich experimenteller Einsatz (Abb. 18.1)
Form einzelner Neurone und Gliazellen • Silberimprägnationen nach Golgi (Abb. 18.19, Abb. 18.24)
("Zellmorphologie") • intrazelluläre Injektionen von Markersubstanzen
• immunhistochemischer Nachweis intrazellulärer Proteine (Abb. 18.23)
• genetische Verfahren (Nervenzellen werden genetisch verändert und produzieren
fluoreszierende Substanzen); ausschließlich experimenteller Einsatz (Abb. 18.1)
Neurotransmitter und ihre Rezeptoren • immunhistochemischer Nachweis von Neurotransmittern und Rezeptoren
("Chemo- und Rezeptorarchitektur") • autoradiographischer Nachweis von Rezeptoren und Ligandenbindungsstellen
18.2.1 Sensorische Ganglien Hirnstamm. Im Bereich der Wirbelsäule bezeichnet man ein
Die sensorischen Ganglien (kraniospinale Ganglien, Tab. sensorisches Ganglion als Spinalganglion (Ganglion spina-
18.2) liegen in enger Nachbarschaft zum Rückenmark und le; Abb. 18.3), am Schädel spricht man von einem kranialen
18.2 Peripheres Nervensystem 533
Ganglion (Ganglion craniale). Spinalg-anglien sind mit den in die Rückenmarkshäute aufteilt (Übergang von Bindege-
Spinalncrven, kraniale Ganglien mit den Hirnnerven ver- webshi.illen des PNS in die Hirnhäute des ZNS). Im Innem
bunden. des Spinalg-anglions (Abb. 18.3) findet sich zartes Bindege-
webe, das dem Endoneurittm peripherer Nerven entspricht
und in das einige 10000 pseudounipolare Nervenzellen, ihre
Funktion und Verschaltung peripheren und zcntralwärts gerichteten Portsätze sowie
Die sensorischen Ganglien sind von fundamentaler Bedeu- Blutkapillaren eingelagert sind. Oie Perikarya (Abb. 18.4)
tung für das Nervensystem. In ihnen liegen die Perikarya der sind von einer Schicht sog. Satellitenzellen (Mantelzellen,
Urspnmgsneurone fast aller somata sensorischen Bahnen. Lemnozyten) umgeben, die peripheren Gliazellen (Schwann-
Wiirden diese Ganglien fehlen, hätte der Mensch keine Zellen) entsprechen. Alle Perikarya enthalten feine, konzen-
Wahrnehmung (z.B. Tastgefühl, Schmenwahrnelummg, trierte Nissl-Substanz, zum Teil auch gelbbraunes Lipofus-
Vibrationsgeflihl) mehr aus der Körperperipherie. Die Ner- zin (Abb. 2.65); sie können auch virale Einschlusskörper
venzcllen in den kraniospinalen Ganglien gehören zum beinhalten (Abb. 18.4). Es Jassen sich große tmd kleinere
p seudounipolaren Typ: Vom Perikaryon geht ein kurzes, Perikarya unterscheiden. Oie großen (A-Zellen, Durchmes-
anfangs stark geschlängeltes Nervenfasersegment (Crus ser ca. 100 J.l.lll, 80~ der Perikarya) sind die Perikarya der
commune) aus, das sich in 2 Axonfortsätze teilt: einen nach schnellleitenden tmd myelinisierten Axone. Sie bilden den
zentral (axonalcs Axon) und einen in die Peripherie (dendri- Anfang der Bahnen des Tastsinns und der Propriozeption
tisches Axon). Oie Erregungsübertragung beginnt in der Pe- (Berlihrttng, Druck Temperatur, Stellung der Gelenke, In-
ripherie, z. B. an einer freien Nervenendigung, und wird tm- fonnationen aus Muskelspindeln und Sehnenorg-anen).
mittelbar vom peripheren Axonfortsatz auf das zentralwärts
gerichtete Axon übergeleitet. Oie zentralwärts gerichteten Merke In den sensorischen Ganglien liegen die ersten
Axone der pcudouni polaren Ganglienzellen bilden die Neurone der somatasensorischen Bahnen.
Hinterwurzeln des Rückenmarks. Das Perikaryon der Ner-
venzclle besitzt ausschlicßllch ernährende Punktion, eine Oie kleineren (B-Zcllen, Dttrchmesser b is 50 f!m, ca. 20~)
Verschaltung oder eine Verarbeitung von Reizen (Informa- sind i.d.R. die Pcrikarya der ttn- oder schwach myelinisier-
tionen) findet im Spinalga.nglion nicht statt. ten Axone. Einige dieser NervenzeHen bilden den Anfang
der Schmerzbahnen (Nozizcption), andere enthalten Sinnes-
Histologie informationen aus den inneren Organen (Viszerozeption).
'lf Histologie
. ...... ~·
• I
-,
.
·'.. .--
.;..r
.
....
Graue Substanz
Gliederung
Aufbau
Durch die Bündeltmg der Wurzelfäden zu Wurzeln wird das
Rückenmarkder Länge nach in Rückenmarkssegmente un- Rückenmarkskolumnen In allen Abschnitten des Rücken-
tergliedert. Entsprechend der Austrittshöhe der Spinal- marks lassen sich links und rechts in der grauen Substanz je
nerven werden auHerdem 4 groHe Abschnitte - Zervikal-, ein Vorderhorn (Cornu anterius, Abb. 18.8) und je ein Hin-
Thorakal-, Lumbal- und Sakralmark - unterschieden. Im terhorn (Cornu posterius) benennen. Thorakal kommt auf
Querschnitt werden die auHen liegende weiße Substanz tmd beiden Seiten das Seitenhorn (Cornu laterale) hinzu. Diese
die im Zentrum liegende, der Form eines Schmetterlings äh- "Hörner" sind Querschnittstigmen von längs verlaufenden
nelnde graue Substanz voneinander abgegrenzt (Abb. 18.7). Leisten oder Säulen, weshalb auch die Begrifl"e Colurnna an -
Dieser Querschnitt sieht in allen Abschnitten (Zervikal-, terior, Colurnna posteriorund Columna lateralis gebräuch-
Thorakal-, Lumbal- tmd Sakralmark) prinzipiell ähnlich aus. lich sind, um die räumliche Ausdehnung dieser Struktmen
Mikroskopisch lassen sich jedoch die verschiedenen Rücken- zu beschreiben.
markslängsabschnitte aufgrund von Besonderheiten in der
Verteilung ihrer gntuen und weißen Substanz weiter unter- Kommissur und Zentralkanal Die beiden Seiten des
gliedern. Rückenmarks sind dmch eine Brücke grauer Substanz mit-
einander verbunden, die als Conunissura grisea bezeichnet
.,
Abb. 18.8 Rückenmark, Ausschnitt. 1 Vorderhorn (Cornu *
Abb. 18.9 Rückenmark. Zentralkanal mi t ependymaler
anterius); 2 Zentralkanal (canalis centralis); 3 Hinterhorn Wa ndun g. Der Zentralkanal ist von der hellen Substantia
(Cornu posterius); ~ motorische Vorderhomzellen. Mensch; gelatinosa centralis umgeben. Mensch; Färbung: H. E.;
Färbung: H. E.; Vergr. 45-fach. Vergr. 300-fach.
wird. In ihr befindet sich der Zentralkanal (Canalis centra- zeptive Informationen aus den Muskelspindeln und pro-
lis; Abb. 18.9), ein Überrest des Neuralrohrs, d er im kauda- jiziert zum Kleinhirn
len Rückenmark teilweise oder vollständig verschlossen • Nudetts intcrmediolateralis: liegt in Schicht VII (Seiten-
(obliteriert) sein kann. Er ist mit einem einschichtigen Epi- horn); er enthält die Pcrikarya der präganglionären Neu-
thel aus Epcndymzellen ausgekleidet. Die Ependymzellen rene des Sympathikus (thorakolumbal) tmd des Parasym-
sind kubisch bis prismatisch geformt und tragen an ihrer pathikus (sakral).
Oberfläche Mikrovilli und Kinozilien. Um den Zentral-
kanal hertun liegt die Substantia gelatinosa centralis, die
überwiegend aus Gliazellen besteht.
Nervenzellen der grauen Substanz
Die Nervenzellen der grauen Substanz werden nach dem
Laminae, Kerngebiete Die graue Substanz des Rücken- Ziel ihrer Axone (Projektion) in 3 Gruppen gegliedert:
marks wird in Schichten gegliedert, die Larninae I- X (nach • motorische (efferente) Zellen, Motoneurone
Rexed, Abb. 18.10), in denen einzelne Kerngebiete noch (" W urzelzcll cn")
weiter unterschieden werd en können (weiterführendes • sensorische (afferente) Zellen, sensorische Neure ne
neuroanatomisches Wissen). Kerngebiete, die in der Lite- ("Strangzellcn")
ratur häufig Erwähnung finden, sind: • Interneurane ("Schaltzellen")
• Substantia gclatinosa (Rolandi, Abb. 18.8, Abb. 18.10):
entspricht der Lamina II; in ihr und in ihren angrenzen- Alle 3 Neuronengruppen gehören dem Typ des multipola-
den Schichten (I- ill) enden segmental eintretende affe- ren Neurons an, d. h., sie besitzen zahlreiche Dendriten und
rente Axone, darunter die Schmerzfasern ein Axon.
• NuclettS proprius: mächtigster Kern des H interhoms; er
liegt in den Schichten TU- V ttnd erhält vielfaltige soma- Motoneuron e
tosensorische Informationen (fastsinn, Propriozeption, Motorische Neuronc haben Axone, die das Rückenmark
Temperatur und Schmerz) über die vordere Wurzel verlassen. Somatamotorische
• Nuclcus dorsalis (Ciarke): auch Nd. thoradcus posterior; Neurene (Vorderhorn) innervieren die Skelettrnuskulatur,
Stllling-Ciarke-Säule; liegt in Schicht VI, erhält proprio- viszeramotorische Neuronc (Seitcnhorn) die Eingeweide-
538 18 Nervensystem
Radix
posterior
Funiculus__
lateralis
Radix
anterior
·- ...
BerOhrung
muskulatur. Motoneurone sind erregend (exzitatorisch) Rückerunarks und haben Durchmesser von 50-90 J.tm.
und verwenden Acetylcholin als Neurotransmitter. Die y-Motoneurone sehen ähnlich aus, sind jedoch mit
30- 50 J.tm Durchmesser deutlich kleiner. Histologisch sind
Somatornotorische Neurone Die motorischen Vorder- die multipolaren moto rischen Vorderhornzcllen gut zu er-
hornzcllen werden in die großen a.-Motoneurone tmd die kennen (Abb. 3.4.1, Abb. 18.7, Abb. 18.8). Die einzelne Zelle
kleineren y-Motoneurone tmterteilt. Die a.-Motoneurone besitzt einen großen, kugeligen, hellen Kern mit einem auf-
innervieren über motorische Endplatten die Skelettmuskel- fälligem Nukleolus. Im Zytoplasma und in den Anfangs-
fasern. Sie erhalten tmd verarbeiten motorische Impulse aus regionen der Dendriten befinden sich grobe Nissl-Schollen
dem Rückenmark (Reflcxbahnen) tmd aus dem Gehirn (ab- (Stapel rauer ER-Zisternen), die im Abgangsbereich des
steigende motorische Bahnen). Auf diese Weise werden alle Axons (Ursprungskcgel) fehlen.
motorischen Impulse gesammelt tmd über eine einzige An den Motonettronen finden sich einige tausend erre-
Nervenzelle, die "Endstrecke der Motorik", an die Skelett- gende und hemmende synaptische Kontakte anderer Neu-
muskelfasern weitergeleitet. Die y-Motoneurone inner- rone. Sie liefern lnfonnationcn aus der Peripherie, aus
vieren die intrafusalen Pasern der Muskelspindeln und anderen Segmenten des Rückenmarks, aus der Endhirn-
regulieren deren Empfindlichkeit. Auch an ihnen enden rinde, aus dem Kleinhirn und aus dem Hirnstarrun. Diese
spinale Reflexbahnen und absteigende zerebrale motorische zahllosen Informationen werden von den Motoneuronen
Bahnen. verarbeitet und Hiliren zu einer biologisch sinnvollen Ant-
Die a.-Motoneurone sind die größten Nervenzellen des wort.
18.3 Zentrales Nervensystem 539
Merke Rückenmark
Das Rückenmark ist Teil des ZNS. Es leitet Informationen
aus der Körperperipherie ztun Gehirn (und Ltrngekehrt)
und vermittelt zahlreiche Reflexe. Im Rückenmark liegt
die graue Substanz im Zentntrn, umgeben von weißer
Substanz. Die graue Substanz bildet im Querschnittsbild
eine schmetterlingsähnliche Pigur mit 2 schlanken Hin-
terhörnern (sensorische Neurone) tmd 2 plwnpen Vor- ••
derhörnern (somatomotorische Neuronc), deren Konfi-
guration sich in Hals-, Brust-, Lenden - und Sakralmark
unterscheidet. Im Brustmark finden sich zusätzlich 2 Sei-
tenhörocr (viszeramotorische Neurone). Die weiße Subs- Abb. 18.13 Lumbalmark im Querschnitt, breite Vorder-
tanz wird in Vorderseiten- und Hinterstränge gegliedert, und Hinterhömer. Graue Substanz rosa; weiße Substanz
die Bahnen zwn und vom Gehirn enthalten . graublau. Mensch; Markscheidenfärbung; Vergr. 6-fach.
18.3 Zentrales Nervensystem 541
stamm (Mesencephalon, Pons, Medulla oblongata) tmd schließlich die Bewegungsabläufe der Motorik Außerdem
Kleinhirn unterteilt. Sie sind jeweils unterschiedlich gebaut, ist es für das Erlernen neuer Bcwegtmgsmuster wichtig tmd
funktionell spezialisiert und in sich heterogen und regional soll an einigen kognitiven Ptmktionen beteiligt sein.
unterschiedlich strukturiert. So wird z. B. die Endhirnrinde
in über 50 Unterregionen untergliedert, die anhand ihrer Makroskopie Das Kleinhirn sitzt dem Hirnstamm von
Zellarchitektur unterschieden werden können. dorsal attf und ist mit diesem über "Stiele" verbunden. Im
Ein erster Einblick in die mikroskopischen Strukturen des horizontalen Schnitt durch das Kleinhirn bildet die graue
menschlichen Gehirns ist anhand der mikroskopischen Substanz die Rinde (Cortex cerebelli), die weiße Substanz
Anatomie des Kleinhirns und einiger ausgewählter Bereiche das Mark Im Marklager eingebettet findet man einige
der Endhirnrinde möglich. Kemgebiete, die Kleinhirnkerne.
Merke Kleinhirn
Oie Pmkinje-Zelle ist die Hauptzelle der Rinde, die dtrrch
erregende Fasern (Kletterfasern, Parallelfasern) und hem-
mende Interneuronc (Sternzellen, Korbzcllen, Golgi-Zcl-
len) direkt oder indirekt beeinflusst wird. Die Pmkinje-
Zelle selbst entsendet ein hemmendes Axon zu den
Kleinhirnkernen, die ebenfalls von erregenden Kollatera-
len der Moos- tmd Kletterfasern erreicht werden.
Kleinhirnrinde
Oie Rinde des Kleinhirns ist etwa 1 mm dick und enthält
vermutlich mehr als 50 Milliarden Neurone. Das sind tmge-
fabr die Hälfte aller Neuronen des Gehirns. Die 3 Schichten
der Kleinhirnrinde lassen sich im Mikroskop gut erkennen
Abb. 18.16 Klelnhlrnrinde. Die stark gefaltete, dreischich- und grenzen das Kleinhirngewebe differenzialdiagnostisch
tige Rinde besteht aus der Molekularschicht (1 ), der dünnen von anderen neuronalen Geweben ab.
Purkinje-Zell-Schicht ( .... ) und der Körner2ellschicht (2).
Weiße Substanz (3). Mensch; Färbung: H. E.; Vergr. 25-fach. Molekularschicht
Oie faserreiche Molekularschicht (Stratum molcculare)
bildet die Oberfläche der Kleinhirnrinde (Abb. 18.16,
den kurzen Dendriten der Körnerzellen. Oie Axone der Abb. 18.18). In ihr verlaufen die reich verzweigten Dendri-
Kömerzellen steigen in die Molekularschicht auf und ver- ten der Pmkinje-Zellen, die Kletter- und die Parallelfasern
laufen in ihr parallel zur Kleinhirnoberfläche (Pa rallel- (s. a. Abb. 18.17). Zusätzlich befinden sich hier auch Gliazel-
fasern). Sie bilden ztun einen Synapsen mit den Purkinje- len (u.a. Bergrnann-Giia) sowie die Perikarya und Fortsätze
Zellen, zum anderen erreichen sie Internetrrone in der der Sternzellen (Abb. 18.19) und Korbzcllen. Korb- ttnd
Molekular- (Sternzelle, Korbzclle) und Körnerzellschicht Sternzellen sind inhibitorische Internemonc, die von den
(Golgi-Zclle). Oie Interneurone können sowohl die Akti- Parallelfasern (Axonverzweigungen der Körnerzellen) erregt
vität der Körnerzellen als auch die Aktivität der Ptrrkinje- werden:
Zellen beeinflussen. • Oie Korbzellen erreichen mi t ihren Axonverzweigtmgen
• Kletterfasern: Sie entstammen Nervenzellen, deren Peri- (Transmitter: GABA) die Perikarya der Purkinje-Zellen.
karya in der unteren Olive (Nucleus olivaris inferior) lie- Sie umgeben die Perikarya der Pmkinjc-Zellen dabei so
gen. Sie steigen durch die Körnerzellschicht auf und dicht mit einem Geflecht hemmender Nervenfasern und
enden direkt an den PurkinJe-Zellen. Eine Kletterfaser in- Nervenendigungen, dass der Eindruck eines "Korbes" um
nerviert 1-10 Purkinje-Zellen, eine Purkinje-Zclle erhält das Perikaryon der Purkinje-Zelle entsteht. Die "Körbe"
aber nur genau eine Kletterfascr. Da Kletterfasern eine mn die Pmkinje-Zcllen können nm mit Spezialfärbungen
Vielzahl von Synapsen mit einer Purkinje-Zelle ausbilden, sichtbar gemacht werden (Abb.18.18).
können sie .,ihre" Purkinje-Zcllen stark und gezielt erre- • Oie Sternzellen, so benannt aufgrtmd des sternförmigen
gen. Sie können motorische Abläufe zeitlich genau kop- Verzweigungsmusters ihres Dendritenbaums (Abb. 18. 19),
peln und motorische Lernvorgänge einleiten. erreichen mit ihrem Axon die Dendriten der Pmkinje-
Zcllen.
Ausgang Oie Purkinje-Zcllen sind schließlich die einzi-
gen Zellen, deren Axone die Kleinhirnrinde verlassen und Purkinje-Zeli-Schicht
die Kleinhirnkerne erreichen. Sie regulieren die Aktivität Purkinje- Zelten Als Purkinje-Zell-Schicht (Stratum pm-
der Kleinhirnkerne und damit den Informationsfluss aus kinjense) bezeichnet man die Zone, in der die Perikarya
dem Kleinhirn in die anderen Hirnregionen. der Pmkinje-Zellen liegen. Purkinje-Zellen sind mit 30 I-liD
Dtrrchrncsser die größten Zellen der Kleinhirnrinde
(Abb. 18.18, Abb. 18.20, Abb.l8.21). Sie enthalten viele
18.3 Zentrales Nervensystem 543
i------------.
: Stratum :
Abb. 18.17 Neurone und Faser- : moleculare :
'- ------ ----- -·
verknüpfungen in der Kleinhirnrinde
(Schema). Das Kleinhirn besteht aus Parallelfaser
einer relativ dünnen äußeren Rinde,
dem Marklager und den Kleinhirn-
kernen. Die Rinde besteht von außen
nach innen aus Molekular-, Purkinje-
Zell- und Körnerzellschicht Die Pur-
.---- -- -------,
kinje-Zelle ist die Hauptzelle der : Stratum :
Rinde, die durch erregende Fasern : pur1dnjense : Purl<inje-Zelle
(Kletter-, Parallelfasern) und hemmen- ·------------~
de Interneurane (Stern-, Korb-, Golgi- Golgi-Zelle Kömerzeile
Zellen) direkt oder indirekt beeinflusst j ·-----------,
' Stratum '
wird. Die Purkinje-Zelle selbst ent- :' granulosum :'
sendet ein hemmendes Axon zu den ·- -----------~
Kleinhirnkernen, die auch von erre-
genden Kollateralen der Moos- und
Kletterfasern erreicht werden. Wird
die Purkinje-Zelte aktiviert, sind die
Kleinhirnkerne gehemmt und der In-
forrnationsfluss aus dem Kleinhirn re-
~------.
: Mark :
·---- --4
@ ·I Kleinhlmkeme !-- @
duziert. Wird die Purkinje-Zelle
gehemmt, sind die Kleinhirnkerne
Nucleus Pons, Tectum
enthemmt ("Disin hibition") und der olivaris inferior Formatio reticularis
Informationsfluss aus dem Kleinhirn Nuclei vestibulares
gesteigert. + erregende Synapsen; Rückenmark
- hemmende Synapsen.
- . I
••
Abb. 18.20 Klelnhlrnrtnde. Oie Silberimprägnation nach Abb. 18.21 Klelnhtrnrtnde. 1 Molekularschicht 2 Purkin-
Golgi stellt die Purkinje-Zellen mit ihrem großen Dendri ten- j e-Zelle; 3 Körnerzellschicht Beachte die kernfreien Areale
*
baum gut dar; -+ Perikarya der Purkinje-Zellen; Dendriten- *),
(Glomeruli cerebellares, die komplexen Synapsenregio-
baum in der Molekularschicht Hund; Vergr. 250-fach. nen zwischen Moosfasern und Dendriten der Körnerzellen
entsprechen. -+ Golgi-Zellen; 4 weiße Substanz. Oie mye-
tinisierten Nervenfasern (blau gefärbt) sind in der weißen
Mitochondrien, viel raues ER, Golgi-Felder und Lysoso- Substanz die domina nten Strukturen, treten aber auch in
men. Es sind also besonders stoffwechselaktive Zellen. Sie der Körnerschich t auf und bauen sogar einen relativ dichten
bilden als einzige Nervenzellen in der Kleinhirnrinde das Plexus in der Tiefe der Molekularschicht auf. Katze; Mark-
Calcium bindende Protein Calbindin und können darüber scheidenfiirbung mit luxol Fast Blue sowie modifizierte
nachgewiesen werden (Abb. 18.22, Abb. 18.23). Goldner-Färbung als Gegenfärbung. (Präparat Prof. Or. K.
Reischhauer, Bonn)
Dendritenbaum Besonderes morphologisches Charak-
teristikum der Purkinje-Zellen ist der Dendritenbaum. Er
beginnt mit einem zur Oberfläche des Kleinhirns gerich- kleinen Nervenzellen (Durchmesser der Perikarya 5-8 f.tm)
teten Hauptdendriten, der sich dann vielfach verzweigt (Abb.18.16, Abb. 18.21). Der Zellkern wird nur von einem
(Abb. 18.18, Abb. 18.20). Der Dcndritenbawn ist jedoch dünnen Saum aus Zytoplasma umgeben, weshalb die ge-
nicht in alle Richtungen des Raums verteilt, sondern steht farbten Zellkerne bei niedrigerVergrößerungwie eine An-
flach in einer Ebene quer zur Längsachse einer Kleinhirn- samml ung von Körnern wirken (Abb. 18.16). Das mensch-
windung (,.Spalierobstbaum"). Die Dendriten einer Pur- liche Kleinhirn soll ca. 5 x lO it Körnerzellen enthalten. Die
kinje-Zellebesitzen ca. 180000 - 200 000 Dornen, an denen Körnerzellen bilden nur 3- 5 kurze Dendriten aus, die in-
die Parallelfasern und Klctterfasern Synapsen bilden. Das nerhalb der Körnerzellschicht verbleiben. An diesen Dend-
Axon verlässt die Purkinje-Zellc auf der zur Körnerzell- riten enden die Moosfasern Ltnd die Axone der Golgi-Zellen
schicht liegenden Seite. Es durchdringt die Körnerzell- und bilden große, komplex gebaute Synapsen. Diese synap-
schicht und verläuft in der weißen Substanz zu den tiefen tischen Bereiche sind so ausgedehnt, dass zwischen den ein-
Kleinhirnkernen. zelnen Körnerzellen immer wieder körnerzellfreie Areale
entstehen, die bei höherer Vergrößerung auch lichtmikro-
Körnerzellschicht skopisch erkennbar sind. Diese Areale werden als Glome-
Körnerzellen Die unterste Rindenschicht, die Körnerzell- ruli cerebellares bezeichnet (Abb. 18.21). Die Axone der
schicht (Stratum granuloswn), besteht aus dicht gepackten, Körnerzellen steigen in die Molekularschicht auf und ver-
c a
Abb. 18.22 Kleinhirn- Abb. 18.23 Kleinhirn-
rinde, In-sltu-Hybrldl- rinde, Calblndln-Immun-
sterung (Purkinje-Zellen). färbung (Purklnje-Zellen).
18.3 Zentrales Nervensystem 545
I
•
I
•/
Abb. 18.24 Bergmann-Gliazellen in der Molekularschicht. Abb. 18.25 Weiße Substanz des Kleinhirns. Die Mark-
Vom Perikaryon dieser Zellen ( *), das in Höhe der Purkinje- scheidenfärbung mit Luxol Fast Blue hebt das sich ver-
Zell·Perikarya liegt, zieht ein langer Fortsatz(~) mit seit- ästelnde Marklager des Kleinhirns (blau gefärbt, *) hervor.
lichen Lamellenbildungen zur Rindenoberfläche. Mensch; Mensch; Färbung: Luxol Fast Blue zusammen mit modifi-
Silberimprägnation nach Golgi. Vergr. 250-fach. zierter Goldner-Färbung. Vergr. 8-fach.
546 18 Nervensystem
nellen Spezialisierungen der menschlichen Endhirnrinde ge- was mit Variationen der isokortikalen Architektur einher-
wonnen und mit der Histologie verglichen werden. geht, d. h., die 6 Nervenzellschichten sind regional tmter-
schiedlich stark ausgeprägt und enthalten unterschiedlich
Untergliederung des Endhirns viele Nervenzellen. Diese Variationen im Bauplan des Iso-
kortex sind die Grundlage fttr die weitere Untergliederung
Ri nde und Mark Die graue Substanz des Endhirns findet des Neokortex in die Brodmann-Areale.
sich in der Nähe der Oberfläche und bildet eine Rinde (Cor-
tex cerebri). Die weiße Substanz liegt innen und bildet das Allokortex Die restliche Endhirnrinde besteht aus Arebi-
Mark. In der Tiefe des Marks findet man Ansammlungen kortex oder Paläokortex. Hier findet man variable Zell-
grauer Substanz (Kerngebiete). verteilungen, die ein- oder mehrschichtig sein können. Die
allokortikalen Regionen müssen individuell betrachtet wer-
Neo-, Archi-, Paläokortex Aufgrund der Entwicklungs- den, da die strukturellen Unterschiede zwischen ilmen zu
geschichte des Gehirns teilt man die Endhirnrinde in neue groß sind, ttrn allgemeine Regeln aufzustellen. Eine wich-
Rinde (Neokortex, z. B. parietaler Kortex), alte Rinde tige allokortikale Region des ZNS ist der Hippocampus.
(Archikortex, z. B. Hippocampus) tmd sehr alte Rinde (Pa-
läokortex, z. B. olfaktorischer Kortex) ein. Die Rinde des Merke Endhirnrinde
Neokortex ist relativ einheitlich aufgebaut und besteht aus D ie Endhirnrinde wird in Isokortex und Allokortex tm-
6 horizontalen, d. h. parallel zur Oberfläche gelegenen, Ner- terteilt. Der Isokortex ist in 6 aufei nanderfolgende Zell-
venzellschichten (laminäre Gliederung der Endhirnrinde). schichten (Laminae) gegliedert. Der Allokortex ist ein
Die Rindenbereiche des Archi- und Paläokortcx sind dage- Kortex, der von diesem Auibau,.versch iedcn" ist.
gen variabel aufgebaut.
Isokortex
I so-, Allokortex Man hat die Endhirnrinde in 2 große
Kategorien eingeteilt: Laminae Die scchsschichtige horizontale Gliederung des
• Isokortex: Kortex mit sechsschichtigem Bau (Neokortex; Isokortex lässt sich dttrch verschiedene Färbungen sichtbar
Abb. 18.26, Abb. 18.27, Abb. 18.28, Abb. 18.29, Abb. 18.30) machen (Abb. 18.26). Niss!- tmd Pigmentfarbung farbcn
• Allokortex: anders gebauter Kortex (Archi- tmd Paläo- die Perikarya und lassen die Zytoarchitcktur einer Region
kortex; Abb. 18.1; Abb. 18.37; Abb. 18.38). erkennen, die Markschcidcnfarbung stellt die Paserarchi-
tcktur tmd die Golgi-T cchnik die Morphologie der Einzel-
Als Mesokortex werden Obergangsbereiche der Rinde be- zellen dar. Am besten erkennt man die horizontale Schich-
zeichnet, in denen der sechsschichtige Isokortex auf den tung des Isokortex auf Präparaten, in denen nttr die
zumeist einfacher gebauten Allokortex übergeht. Perikarya gefacht sind und die bei mittlerer V crgrößcrung
betrachtet werden (Abb. 18.27, Abb. 18.28, Abb. 18.29, Abb.
Brodmann-Areale, Kolumnen Bei genauerer Betrach- 18.30). Unter diesen Bedingungen entsteht der optische
tung lassen sich histologische Unterregionen des Endhirns Eindruck von Schichten für den Betrachter dttrch die An-
unterscheiden (52 Brodmann-Areale). Außerdem ist der sammltmg von tmterschicdlich großen und unterschied-
sechsschichtige Isokortex nicht nur horizontal, sondern lich dicht gepackten Nervenzeli-Perikarya, die in einem
auch vertikal strukturiert. Die Nervenzellschichten sind bestimmten Abstand von der Rindenoberfläche liegen. Be-
vertikal eng miteinander verbunden und bilden größere ginnend an der Oberfläche des Endhirns, nummeriert man
Funktionseinheiten (kortikale Kolumnen ). Eine Kolumne die Schichten (Laminae) des Endhirns mit römischen Zif-
ist circa 200 -300 J..lm groß u.nd umfasst alle in diesem fern von I- VI (Tab. I8.3).
Raun1 liegenden Nervenzellen, d. h. alle Nervenzellen aller
6 Schichten. Die Grenzen zwischen den Kolw1men lassen Radiäre Streifung Außer der augcnfalligen Schichtung
sich mit den üblichen histologischen Methoden nicht er- der Perikarya in horizontale Laminae existiert im Isokor-
kennen und können im Rah men von Lernvo rgängen ver- tex eine Gliederung in vertikale Zcllsäulcn, die attf senk-
ändert werden (neuronale Plastizität). recht zur Oberfläche angeschnittenen Präparaten (Abb.
18.27) auch gut zu erkennen ist. Die Zellsäulen sind ca.
Merke Die Einteiltmg in kortikale Kolunmen ist eine 300-500 ~Lm dick und crstrecken sich von der Basis der
funktionelle Charakterisierung, Brodmann-Areale wer- Rinde bis zu ihrer Oberfläche. Der Eindruck vertikaler Zell-
den dagegen histologisch charakterisiert: Die 52 Brod- säulen entsteht dttrch radiär verlaufende Axone (,,radiäre
mann-Areale enthalten jeweils sehr viele und insgesamt Strciftmg"). Diese strukturelle vertikale Glicdcnmg stimmt
vermutlich mehrere Millionen kortikale Kolunmen. mit der funktionellen vertikalen Gliederung (kortikale
Kolumnen) nicht übcrcin.
Endhirnrinde Merke Der Eindruck der Schichtung ist von der Färbtmg
Die Endhirnrinde des Menschen ist meist 3-4 mrn dick. Sie der Perikarya und der gewählten Vergrößcnmg abhängig.
enthält ca. 12-15 Milliarden Neurone und dazu noch eine
10-mal größere Zahl an Gliazellen. Die meisten der Glia- Typen der Nervenzellen Um die ein1..clnen Nervenzellen
zellen sind Astrozyten. der Endhirnrinde morphologisch charakterisieren zu kön-
nen, müssen die Portsätze der Neurone dargestellt werden
Isokortex Ungefähr 95% der Endhirnrinde des Men- (z.B. mithilfe von Versilberungstechniken; Abb. l8.32). Die
schen sind Neokortex und aus 6 Zellschichten aufgebaut Neurone des Isokortex sind zu ca. 85% Pyramidenzellen
(lsokortex). Der Neokortex ist regional unterschiedlich tmd modifizierte Pyranlidenzcllen, zu 15% Nicht-Pyrami-
spezialisiert (sensorische, motorische, kognitive Regionen), denzellen:
18.3 Zentrales Nervensystem 54 7
II
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VI
l • • •
Abb. 18.26 Isokortex. Schema l ' I 1
des Rindenaufbaus bei Anwendung •
verschiedener Techniken.
(Verändert nach [4))
' 3 J ' '
Abb. 18.27 Isokortex in unterschiedlicher Ausprägung Abb. 18.28 Isokortex im motorischen Kortex des Gyrus
im Gyrus pre- (1) und postcentraUs (2) im Endhirn. Die precentralis (Area 4 nach Brodmann). Bei mittlerer Vergröße-
beiden Gyri sind durch den Sulcus centralis (3) getrennt. rung kann man eine Schichtung erkennen. Von außen nach
~ große Pyramidenzellen. Mensch; Färbung nach Nissl; innen: I Molekularschicht II äußere Körnerzellschicht III
Vergr. 10-fach. äußere Pyramidenzellschicht; V innere Pyramidenzellschicht
(mit einigen auffallend großen pyramidenförmigen Perikarya,
den Betz-RiesenpyramidenzeUen); VI multiforme Schicht.
Die Schicht IV (innere Körnerzellschicht) ist in dieser Region
reduziert und nur schwer abgrenzbar (agranulärer Kortex).
*
Sulcus centralis. Mensch; Färbung: modifiziert nach Golgi;
Vergr. 20-fach.
548 18 Nervensystem
t...amila
mo/ectiarts
LBmha
grr;ntiarls ext
l.Bmha
pyrcm.tdaßs ext
Lamina
Abb. 18.29 Isokortex im somatasensorischen Kortex des pyramlcla.t/s lnt.
Gyrus postcentralis, höhere Vergrößerung. Im somatosenso-
rischen Kortex überwiegen die Körnerzellschichten (granu-
lärer l<ortex). Dennoch liegt ein sechsschichtiger Kortex vor
(I-VI). Das Erkennen aller Schichten ist aber - wie auch im
motorischen Kortex - oft schwerer als in anderen Endhirn-
regionen. Die Grenze zur weißen Substanz ist relativ scharf. Lamina
* Sulcus centralis. Mensch; Färbung: modifiziert nach Golgi; multlfotm/s
Vergr. 20-fach.
c
Abb. 18.33 Zwei Pyra-
midenzellen.
Gliazellen Neben den Nervenzellen liegen in der End- Fi.ir beide Systeme gilt, dass die Aktivität der Pyramidenzel-
hirnrinde und im Endhirnmark eine große Zahl an Gliazel- len dttrch zahlreiche Nicht-Pyramidenzcllen (überwiegend
len. Die Astrozyten grenzen die Rinde gegenüber der Ober- hemmende Interneurone) beeinUusst und moduliert wer-
fläche (Membrana limitans gliae superficialis) tmd den den kann. Diese Interneurone erhalten Kollateralen der
Gefäßen (Membrana limitans gliae vascularis) ab. Darüber Afferenzen, Eflcrenzcn ttnd sogar Afferenzen von anderen
hinaus sind sie ftir die Ernährung der Nervenzellen, ihre Internettronen.
synaptische Punktion und auch fiir Aspekte der synapti- Aus Abbildung 18.36 wird deutlich, dass der Begriff der
schen Plastizität (Lernen von Nervenzellen) wichtig. Die Schichtengliederung der Endhirnrinde in Bezug auf die Ver-
Oligodendrogliazellen umhüllen die Axone der kortikalen schaltung der Nervenzellen irrefUhrend ist. Zwar liegen die
Neurone und sind von entscheidender Bedeutung ftir die Perikarya der Nervenzellen in Schichten, ihre Fortsätze
schnelle Weiterleitung vo n Erregungen. Die Mikrogliazel- halten sich aber keinesfalls an diese Grenzen. So steigen
len schützen das Endhirn vor Krankheitserregern (Abwehr- die Dendriten der Pyramidenzellen in Schicht V durch die
funktion). In Nissl-gefarbten Präparaten lassen sich nur die Schichten N-I auf und verzweigen sich besonders stark
Kerne der Gliazellen nachweisen (s. a. Kap. 18.3.1). nahe der Oberfläche. Somit bilden diese Zellen, wenngleich
550 18 Nervensystem
II
111
IV
VI
E E
Abb. 18.35 Primäre Sehrinde (Area striata) bei stärkerer Abb. 18.36 Isokortikale Verschaltungen (Schema) mit
Vergrößerung und anderer Färbung. Die zellärmere Schicht V Betonung der funktionellen vertikalen Gliederung. Die dar-
und die charakteristische faserreiche Schicht IVb sind gut gestellten Komponenten entsprechen etwa einer Kolumne.
erkennbar. Die Schicht IVb enthält markhaltige Nervenfasern A =extrinsische Afferenzen, BP =bipolare Zelle,
und ist oft mit bloßem Auge erkennbar (Gennari-Streifen). OB = Doppelbusch zelte, E= Efferenzen, GK = große Korb-
Mensch; Färbung: modifiziert nach Golgi; Vergr. 40-fach. zelle, K= Kandelaberzelle, KK = kleine Korbzelle, P = Pyra-
(Aus (1)) midenzelle, NP = Nicht-Pyramidenzelle. (Aus [4))
18.3 Zentrales Nervensystem 551
ihr Perikaryon in Schicht V liegt, die übelWiegende Zahl an wurden. Attf diesen Schnitten (Abb. 18.37) ist der Hippo-
Synapsen in anderen Schichten aus. Dies zeigt, dass die campus eine eingerollte, S-förmige Windung, die sich in
histologische Einteilung der Endhirnregionen nur ein erster 2 große Abschnitte untergliedern lässt, den Gyrus dentatus
Schritt ztun Funktionsverständnis ist. (im Querschnitt auch Fascia dentata genannt) und das Am-
monshorn (Cornu arnrnonis). Seide Subregionen des Hippo-
Merke Isokorte:.\: camptts sind dreischichtig. Sie bestehen aus einer mittleren
Der Isokortex wird anhand der Schichtung der Nerven- Schicht mit zahlreichen Perikarya, die von 2 Schichten mit
zcllperikarya, wie siez. B. in Nissl-gefcirbten Präparaten zu wenigen Perikarya wngebcn ist:
sehen ist, horizontal untergliedert. Er ist aber aufgrund • Zellreiche Schicht: Der Gyrus dentatus ist in Nissl-Fcir-
der Verschaltung der Neurone auch vertikal gegliedert. btmgen aufgrund seiner kompakten Körnerzellschicht,
Dadurch entstehen die eigentlichen Funktionseinheiten des Streittun granulare, gut zu erkennen (Abb. 18.37;
des Kortex, die vertikalen Kolumnen. Abb. 18.38). Im Cornu ammonis findet sich eine Pyrami-
denzellschicht (Stratum pyrmidale), die anband der An-
Allokortex - Hfppocampus ordmmg, Morphologie und Verschalt:ung der Pyramiden-
Die allokortikalen Regionen des Endhirns sind sehr variabel zellen in 4 Subsektoren tmterteilt wird (CA1-CA4, Abb.
aufgebaut. Ein typisches Beispiel für eine allokortikale End- 18.37, Tab. 18.4).
hirnregion ist der Hippocampus, der den grögten Teil des • Zellarme Schichten: Die oberhalb der zellreichen Schicht
Archikortcx bildet (Archikortcx ist nicht identisch mit Allo- gelegene zellarme Schicht wird Molekularschicht ge-
kortcx!). Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle in der nannt, die andere zellarme Schicht polymorphe Schicht.
klinischen Medizin und der experimentellen Hirnforschtmg. Beide Schichten enthalten afferente und efl"erente Axone.
Die Terminologie zum Hippocampus ist nicht einheitlich. Die Molekularschicht wird z. T. in Unterschichten geglie-
Im Folgenden werden darunter die Subregionen Gyrus dert (Tab. 18.4).
dentatus, Ammonshorn (Cornu ammonis) tmd Subicuhun
verstanden. Die Bezeichnung "Hippocampusformation" Dieser Gnmdbauplan des Hippocampus findet sich in seiner
schließt zusätzlich zwn Hippocampus noch die angren- gesamten Längsausdehmmg. Die S-Form der zellreichen
zende Rindenregion des entorhinalen Kortex ein. Schichten kann allerdings in Abhängigkeit von der Schnitt-
höhe varüeren.
Gliederung Der Hippocampus findet sich beidseits im
Gehirn. Er liegt im medialen Temporallappen und wird zu Zelltypen Die Nervenzellen des Hippocampus können in
großen Teilen vom Gyrus parahippocampalis bedeckt. In 2 große Gruppen tmtergliedert werden: Prin.zipalzellen tmd
seiner Längsausdehnung hat er beim Menschen eine bogen- Nicht-Prinzipalzellen (Interneurone):
förmig (oder: bananenförmig) ausgezogene Struktur, die • PrinzipalzeLlen sind die glutamatergen Körnerzellen des
vom Balken bis zur Spitze des Seitenventrikels reicht. An Gyrus dentatus und die glutamatergen Pyramidenzellen
seinem temporalen Ende ist er deutlich dicker als an seinem des Cornu arnmonis. Diese Zellen bilden eine neuronale
rostralen Ende. Verschaltungskette (s. u.). Die Kö m erzellen des Gyrus
Die Subregionen und Schichten des Hippocampus las- dentatus sind kleine Neurone (ca. J 0 ~m), deren Perika-
sen sich am besten aufSchnitten erkennen, die am tempora- rya dicht gedrängt im Stratwu granulare liegen (Abb. 18.1;
len Pol senkrecht zur Längsachse des Hippocampus gelegt Abb. 18.38). Sie sind hochgrc1dig polar gebaut: Ihre Dend-
552 18 Nervensystem
·* CA3
Oie Region CA4 liegt innerhalb des Bereichs,
der von den Körnerzellen des Gyrus dentatus
~A4) umschlossen wird. Oie Region CA3 ist durch
2 eine sehr kompakte zellreiche Pyramidenzell-
·-
s schicht charakterisiert. Die Region CA1 bildet
den größten Teil des Hippecampus und be-
CA1 ,y steht aus einer breiter werdenden, teilweise
bilaminären Pyramidenzellschicht Das Subl-
euturn (S) schließt sich an die Region CA1 an.
* Plexus choroideus. Mensch; Färbung:
nach Nissl; Vergr. 6-fach. (Aus [1))
.. .:.· sln
srad
einer oberflächlichen Molekularschicht (Stra-
tum moleculare, smol), einer Schicht mit den
Körnerzellperikarya (Stratum granulare, sg)
sla-mol und einer darunter gelegenen dünnen poly-
morphen Schicht (nicht eingezeichnet). Die
CA4· Pyramidenzellen des Cornu ammonis (2)
füllen einen Großteil des Raums zwischen
• den Körnerzellen aus. Daran schließt sich das
smol kompakte Band der CA3-Pyramidenzellen an.
Oberhalb der Pyramidenzellen des Stratum
pyramidale ( sp) liegt die Molekularschicht,
•• die in Stratum lucidum (slu), Stratum radia-
tum (srad) und Stratum lacunosum-mole-
' culare (sla-mol) untergliedert wird. Unter-
halb der Pyramidenzellen befindet sich die
polymorphe Schicht, die hier Stratum oriens
(so) genannt wird. * Plexus choroideus.
Mensch; Vergr. 20-fach. (Aus [1))
18.3 Zentrales Nervensystem 553
ritcn liegen überwiegend im Stratum moleculare (wo sie das Hilum und in die Sektoren CJ\4 und CA3 hinein
von aftcrenten Axonen aus dem entorhinalen Kortex (Abb. 18.1). Die Pyramidenzellen des Cornu ammonis
erreicht werden), ihre Axone, die Moosfasern, ziehen in sind etwas größere Zellen mit typischer Pyramidenform
(s.a. Abb. 3.4.2; Abb. 18.39) . Ihre apikalen Dendriten rei-
chen in die Subschichten der Molekularschicht (Tab. 18.4)
hinein, während ihre basalen Dendriten im Stratum ori-
ens zu finden sind. Die Pyramidenzellen des Cornu
ammonis projizieren zu anderen Nervenzellen innerhalb
der Hippocampusformation (intrinsische Verbindungen),
aber auch zu Zielen in anderen Hirnregionen (Efferen-
zen).
• Nicht-Prinzipalzellen (Intcrneurone) sind hemmende
(GABAerge) Neuronc. Sie becintlussen und steuern die
Aktivität der erregenden Prinzipalzellen, zeigen vielfaltige
Formen und finden sich in allen Schichten. Etwa 10~ der
Neurone des Hippocampus sind hemmende (GABAerge)
Interneurone. Die Interneurane enden nicht nur an den
Prinzipalzellen des Hippocampus, sondern auch an ande-
ren Interneuronen.
Funktionelle Bedeutung Die Hippecampusformation ist findet man cxtrazelhiläre Pre teinablagcnmgen (Amyleid-
ein zentraler Bestandtell des limbisehen Systems. Sie ist eng Plaques) und intrazelluläre Pre teinaggregate aus hyper-
mit dem Hypothalamus und dem Mandelkern (Corpus phesphoryliertem Tau-Pre tein ("Neurofibrillen-Verände-
amygdaloideum) verbunden und spielt eine wichtige Rolle rungen"). Von besonderer Bedeutung für die Entstehung
bei der Steuerung vegetativer und endokriner Funktionen. des Morbus Alzheimer wird eine Störung der Prozessie-
Sie ist darüber hinaus entscheidend für das dauerhafte Er- rung des Amyle idve rläufcrpre teins (,.amyloid precllfser
lernen von Pakten und Ereignissen (explizites Gedächtnis). pre tein"; APP) angesehen.
Eine besondere Rolle wird dem Hippecampus auch bei der
Bildung von räumlichen Gedächtnisinhalten (Ortsgcdächt- ~ 18 Lernhinweise zu KapitellS
nis) zugeschrieben.
KAPITEL
Differenzialdiagnose
histologischer Präparate
T. Deller
Das Erkennen von Org-c~nen und Strukturen in histologi- • Wie ist das Präparat o rientiert? Wo ist "oben" und "un-
schen Präparaten ist eine der zentralen Fertigkeiten, die Stu- ten"?
<lierende im Rahmen des Kurses der Zytologie, Histologie • Welche Färbung wurde verwendet (H. E., Azan, Spezial-
und mikroskopischen Anato mie erwerben sollen. H ierzu Hirbtmg)?
muss man ein Lichtmikroskop bedienen können, mit den • Ist das Präparat ein Quer- oder ein .Längsschnitt durch ein
Grundsätzen der histologischen Färbemethoden vertraut Gewebe?
sein tmd systematisch ein mikroskopisches Pr'aparat durch - • Wie ist der Rand des Präparats aufgebaut? Schnittkante
mustern tmd untersuchen kö nnen. Schließlich müssen die oder Epithel?
Infom1ationen zusammenfügt und die Gewebs- und Org-c~n • Gibt es eine tmmittelbar sichtbare Gliederung des Prä-
<liagnose gestellt werden. parats?
Diese Fertigkeilen erfordern teilweise praktische Übun- • Gibt es Artefakte?
gen am Mikroskop und genügend Zeit, um ausreichend Er-
fahrungen zu sammeln. Neben dem geschulten und geübten Schritt 3: mittlere Vergrößerung
Auge, das auch den erfahrenen Anatomen und Pathologen
Das Präparc~t wird bei niedriger/mittlerer Vergrößerung sys-
auszeichnet, ist aber gerade eine systematische Herange-
tematisch analysiert, indem man es mäanderfünDig von
heuswelse flir eine Diagnosestelhmg bedeutsam. Diese Her-
einer Ecke ("links oben") zm andere n Ecke ("rechts unten")
angehensweise kann erlernt und geübt werden. Der Dia-
dmchmustert. Dies geht bei mittleren Vergrößerungen
gnoseprozess ist normalerweise zweistufig:
recht schnell und man karm di e wichtigsten Gewebe erken-
• systematisches Sammeln vo n lnfom1ationen (Untersu-
nen und die folgenden Fl"agen beantworten:
chtmgsalgorithmus)
• Gibt es ein Epithel, Binde-, Muskel-, Nervengewebe?
• Interpretation der gesammelten Informationen und Dia-
• Gibt es Hinweise auf Besonderheiten des Gefaßsystems?
gnosestellung.
• Wie sind die einzelnen Gewebe geformt (flächig, gefaltet,
tubulös, azinös)?
• Wie liegen diese Gewebe zueinander (geschichtet, neben -
19.1 Untersuchungsablauf einander, dmchmischt, ...) u.n d zum Gefaßsystem?
Histologische Präparate sollten immer mit der gleichen • Gibt es eine erkennbare Ausrichtung der Zellen innerhalb
Routine betrachtet tmd untersucht werden, damit keine we- eines Gewebes?
sentlichen Strukturen übersehen w erden: • Gibt es innerhalb des Präparats Einschlusskörper oder be-
sondere Struklmen (z.B. Prostatasteine, Hassall-Körper),
welche eine Diagnose erlauben?
Schritt 1: mit bloßem Auge
Das Präparat wird mit bloßem Auge betrachtet, weil da - Schritt 4: hohe Vergrößerung
dmch bereits erste wichtige Informationen gewonnen wer-
Nm selten ist es flir die Diagnose eines Präparats erforder-
den körmen. Orientierende Fragen sind:
lich, den Aufbau einzelner Zellen oder die Interzellularsubs-
• Welche Größe hat das Präparat?
tanz bei hoher Vergrö ßerung zu betrachten. Dennoch kann
• Welche Form hat das Präparat?
dies hilfreich sein, um bestirrmlle Zelltypen zu identifiZieren
Gibt es Merkmale, die bereits jetzt die Diagnose erlauben und um die folgenden Fragen zu klären:
(z. B. vordere Augenhälfte)? • Zellkern: Wie viele Kerne sind es und wo liegen diese in-
nerhalb des Zytoplasmas (z. B. Osteoklasten, Megakaryo-
zyten)?
Schritt 2: niedrige Vergrößerung • Zytoplasma: irmere Struktm (z. B. wabig, Einschlusskör-
Das Präparat w ird bei niedriger Vergrößerung betrachtet, per, basale Querstreifung)?
weil nm bei niedrigen Vergrößerungen die Gliederungs- • Zellfonn (z. B. rund, spindelförmig, fase!"drtig) und Zell-
prinzipien von Geweben sich tbar werden (z.B.: Mark und gro"ße?.
Rinde; Schichten aus Epithel-, Binde- und Muskelgewebe). • Oberfläche: Gibt es Oberflächenspe.z ialisierungen (z. B.
Fragen sind: Kinozilien)?
556 19 Differenzialdiagnose histologischer Präparate
Organgruppe/System Lettmerkmale
lymphatisches System dichte Ansammlung von lymphatischen Zelten, oft Follikel und oft umgeben von Binde-
gewebskapseln
Blut Knochenmark Überwiegen von Blutzellen, einzeln oder gruppiert
respiratorisches System Schleimhaut mit Rimmerepithel, Knorpel; in der Lunge vor allem Alveolen
Dann typischer vierschichtiger Wandaufbau
Leber radiäre epitheliale Zellstränge, dazwischen Kapillaren (Sinusoide), Perlportalfelder
exokrines Drüsengewebe Endstücke, Ausführungsgangsystem
endokrines Drüsengewebe Zellbalken oder Follikel, keine Gänge, zahlreiche Kapillaren
Niere, Harnwege Glomeruli, Tubuli, Übergangsepithel
Geschlechtsorgane Mann Tubuli seminiferi, Spennien, Gangsystem mit typischem Epithel (oft zweireihig, oft Stereozilien)
Geschlechtsorgane Frau Ovarialfollikel; Tube mit gefalteltem Epithel und Uterus mit gewundenen Drüsen
Brustdrüse Gangsystem und Endstücke in Binde- und Fettgewebe; tubuloalveoläre Drüse mit apokriner
Sekretion (laktierend)
Plazenta verzweigte Zotten in einem blutgefültten, kavernösen Hohlraum
Haut verhorntes mehrschichtiges Plattenepithel, Haare, Hautdrüsen
Sinnesorgane Sinnesepithelien
peripheres Nervengewebe Nervenzellen, Nervenfasern, Bindegewebe
zentrales Nervengewebe graue und weiße Substanz, oft in Schichten angeordnete Nervenzellen
19.2 Diagnosestellung 557
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w z - Griißenerdnungen 3
Wachstumsfakte ren 1!12 Zähne 2!13 - 303 - hyperplastische 6!1
-Ovar 426 - Aufbau 2!13 - hypertrephische 6!1
Wachst1rmshermen 357 - bleibende 2!13 - 2!16 - labile 60
- azidephile Zellen 35!1 -Dentin 2!13 - metaplastische 6!1
- Fettgewebe 121 - Di:tferenzienmg 2!16 - mukiise, Speicheldrüsen 306-307
- Flmktien, Freisetzung und Regulienmg - Gebiss, bleibendes 2!14 - Nervengewebe 140
35!1 - Gleckenstadium 2!16 - 2!17 - permanente 60
- sematet repeZellen 357 - Hartsubstanzen 300 - 30 1 - p rekaryelische 13-14
Waldeyer-Rachenring 247 - Milchgebiss 2!14 - selcrete rische, Speicheldrüsen 306
'Naller-Degeneratie n 165 - Schmelz 2!13 - seriise, Speicheldrüsen 306
Wandenvene 4!16 - Schmelzbildung 2!1!1 -stabile 60
Warzenhef{Areela) 463-464 -Zement 2!13 - Ultrastruktur 10
Wasseraustausch, Kapillaren 211 Zalmanlage 2!16 - zentreazinäre 8!1
Wasserrückrese rplien, Sammelrehr Zahnentwicklw1g 2!13 - 2!16, 2!18 Zellenleb re I
3!16 - Gleckenstadium 2!13 Zellkem (Nukleus) 33-38
Weibei- Palade-Kiirper 202 - Knespenstadium 2!13 - llepatezyten 338
weiße Substanz 531 - pretein senic hedgel1eg (shh) 2!17 - IIerzmuskelzelle 136
- Kleinhimrinde 545 Zahnfleisch 2!15, 303 - Muskelzelle, glatte 124
- Rücken mark 53!1 Zahngeneralien 2!14 - preliferierender 33
- ZNS 140 - Ersatzzähne 2!15 - Radspeichenstruktur, Plasmazellen
weißes Fettgewebe 122 - 123 - Milchzähne 2!15 !16
Weitsicht (Fernakkemmedalie n) 504 - Zuwachszähne 2!15 - Skelettmuskulatur 12!1
Weitsichtigkeit (I Iyperepie) 506 Zahnglecke 2!16 Zellkentakte 26, 27-32
Weitvvinkelglaukem 50 I - Mesenchym 2!17 - Endethelzellen 20 I
\-Vharten-Sulze 105 Zahnh als 2!15 Zell-Matrb:-Verbindung 26
ven-\'Villebrand-Fakt er Zahnhalteapparat (Pared entiwn) Zellmembran 17-32
- Endethelzellen 203 302 - 303 - Charakteristika 17- 18
- Thre mbezyten 18!1 Zahnhartgewebe, Hauptmerkmale 301 - Dünnschnittpräparat 17
ven-\'Villebrand-(Jürgens-)Syndrem 18!1, Zahnknespen 2!17 - Endethelzellen 20 I -202
202-203 Zahnleiste 2!13 - 2!16 - Punklien 17
Willl-ürmeterik 538 Zalmpapille 2!16 - 2!18 - Gefrierbmchpräparat 17
Wtlse n-Krankheit 51 Zalmpulpa 2!13, 2!15, 2!17, 301- 302 - Glykekalyx I !I- 20
- Ceemleplasmin 51 - Blutgelaßbildung, Ode nteblasten 302 - Jenenkanäle I !I
Wrmpern 514, 515 - friihe 2!18 - Lipiddeppelschicht 18
Wrmperzellen Tuba uterina 434 - Melaren 301 - Membranfluss 18
1;\rmdkesselfunk:tie n, Arterien ve m Zalmsäckchen 2!16 - 2!17 - Membranpre teine 18-1!1
elastischen Typ 204 Zalmschli:tf 300 - Muskelzelle, glatte 124
\Ymterschläfer, Fettgewebe, bralmes - Hartsubstanzen 300-301 - Skelettmuskulatur 12!1
122 Zalmwurzel 2!15 - Zuckerketten I !I - 20
\ ·\rubeJ, Bandapparat 261 - Bildung 300 Zellme rpbelegie, Nervensystem 532
\·\rubelkanal, Dura mater 176 -Zement 302 Zelleberfläche, Dilferenzienmgen
Welff-Gang 403 - 404 Zapfenepsin 510 20-23
Wlmdheihmg Zapfenzellen 508 - 510 Zelle rganellen 3!1 - 51
- Basallamina 74 Zeis-Drüsen 514, 515 - I lerLmuskelzelle 136
- Epidermis, Neubildlmg 4 70 Zelladhäsien 25 - Muskelzelle, glatte 124
- Kellagensyntheseslii nmg 101 Zelladh äsienskentai-.'te, pw1kiferm ige 2!1 - Skelettmuskulatur 12!1
Wurmerkrankw1gen, Eesin ephile 186 Zelladhäsiensmeleküle 1!1, 25-27 Zellpepulalienen 60
Wurmfertsatzs. Appendix vermifermis - hm mmglebulin-Superfamilie 27 Zellstrul'turen, pigmentierte 53
Wu rzeldentin 2!15 Zellbestandteile, Griißenerdmmgen 3 Zellteilw1g (Zytekinese) 64-65
Wurzelfüßchen, Stratum basale 77 Zelleinschlüsse 52 -54 Zellted 6!1 - 70
Wurzelliaut {Desmedent) 302-303 - f<etttrepfen 52 - 53 - pregnnnmierter 6!1 - 70
Wluzelscheide - Glykegenpartikel 52 zelluläres Lernen, Synapse 172
-äußere 480 - 482 - Hämesiderin 53 Zellunterg'cinge (Nekresen) 34 1
- bindegewebige 480 - Kehlenstaub 54 Zell wand, Bakterien 13
- epilheliale(Hertwig-Wurzelscheide) - kristalline 53 Zellweger-Syndrem 4!1
300 - Upefuszingranula 53 Zellzyklus 5!1 - 65
- Haarbulbus 480 - Skelettmuslnilatur 12!1 - cyclinabhängige Kinasen 60
-innere 482 - Vimspartikel 54 - G,-Pbase 5!1 -60
Wurzelscheiden, innere 480 Zellen 13 - G1-Pbase 5!1
Wurzelzellen, graue Subs tanz, Rücken- - Anpassungen, allgemeine 6!1 - G1-Pbase 5!1
mark 537 - atrephische 6!1 - Ke ntrellpunkte 60
- Blut 17!1 - Kentre llsystem 60
X - dysplastische 6!1 - Mitese 61
X-Ouem ese m, inaktives, Barr-Kiirper- - endekrine s. en dekrine Zellen - M-Phase 5!1
chen 37 - Epithelgewebe 72 - Phasen 5!1 - 60
- eukaryetische 15 - 16 - S-Phase 5!1
596 Sachverzeichnis
Zement 2, 5, 301, 303 Z-Linie (Zwischenstreifen, Z-Streifen, ZP (Zena-pellucida-Pretein) 444
- Hauptmerkmale 301 Z-Scheibe) 12, -131, 140 Zuckerketten, Zellmembran 1' - 20
- Sharpey-Fasern 302 - Sarkemere 130 Zuckerkrankheil (Diabetes mellitus) 381
-Zähne 2'3 ZNS (zentrales Nervensystem) 140,531, Zuckungsfasern
- Zahnwunel 302 535-554 - rele 133
Zementlinien (Kittlinien), Knechen - axenale Regeneratien 165 - Skelettmuskulatur 133- 134
114 - GUascheiden 160- 162 -weiße 133
Zentralarterien, Milz 238 - graue Substanz 140 Ztmge 2'2
Zentralarterielen, Milz 238 - Kandelaberzellen 14' Zungenpapillen 2' 2
Zentralkanal 536-537 - Kerngebiet (Nucleus) 140 Zungenspitze 2~
Zentralspindel 63 - Ki rnenellen 14' Zuwachszähne 2' 5
Zentralvene 336 - Kerbzellen 142, 144, 14' - Zahngeneratien 2' 5
Zentralvenenläppchen 332, 336 - Mitraizelien 14' Zwischenwirbelscheiben 25' - 261
-Aufbau 334-335 - Perikarya 140 Zygetän, Zellzyklus 68, 411
- Bestandteile 335 - Pyramidenzellen 14' Zylinderepithelien 78
- Bindegewebe 335,337 - Regeneratien 165 Zy~ten
- Gallengänge 335 - Rinde (Kertex) 140 - Adenehype physe 356
- Leber 333, 334-336 - Sternzellen 14' -Ovar 433
- Parenchym 335 -weiße Substanz 140 Zy~tennieren 3' 6
- vaskuläre Elemente 335 Zi liakie 328 zystische Pibrese(Mukeviszidese) 1, ,
Zentrielen 15,55 -56 Zena 271,476
- y- Tubulin-Ringkemplexe 56 - celerectalis, Analkanal 330 Zytearchilektur, Nervensystem 532
zentreazinäre Zellen 8' - cutanea, Analkanal 330 Zytekeratin 7 ( CK7), hmmmhistechemi-
- Pankreas, exekrines 344,345 - fasciculata 370 scher Nachweis 58
Zentreblasten, Lymphkneten 246 - - Glucecerticeide 370 Zytekeralin 1' (CK1' )
Zentremer, Chremesemen 38 - glemerulesa 36' - 370 - hnmunhistechemie 6
Zentresern 64 -- Aidesteren 370 - Milchdrüsenepithelien 45'
- M.ikretubuli 55 - - Mineralcerticeide 370 Zytekeraline (CK) 58, 322
Zentrezyten, Lymphknelen 246 - haemerrheidalis 330 Zytekine
Zerumen (Ohrschmalz) 487 - pellucida 444 - Blutze!JbUdtmg 1'1 -1' 3
Zeruminaldrüsen 4 76 - - Glykepreteine 444 - Fettzellen, Reguliemng 121
Zervikalmark 540 - - Spermatezeen, Bindung 444 - Immunsystem, angeberenes
Zervix 436 - reticularis 371 (unspezüisches) 225
Zervixepnhelien,Selcret 436-437 - squamesa, Analkanal 330 - Osteeblasten 110
Zervixschleimhaut 436 - transitienalis, Analkanal 330 Zytekinese (Zellteilung) 61,64-65
- Ektrepienierung 437 Z.nula( -ae) 27 - Meiese 68
Ziehl-Neelsen-Färbung, Bakterien 14 - adhaerens 15, 26-27, 27, 2'- 30 - Mitese 63
Ziliarepithel, Z.nulafasern 505 - ecdudens (T~ght Junctien) 15, 26, 2, , Zytekinrezepteren I, 2, 352- 353
Ziliarki rper 503 31-32 Zytelegie I
Ziliarmuskel 502, 503 Zenulafasern 502, 504 Zyteplasma
Ziliar!Aitten, Ziliarkirper 504 Zenula-ecdudens-Preteine - Bakterien 14
Zilien (Kinezilien) 20 - 21 (ZO-Preteine) 32 - Endetbelzellen 20 I - 202
-primäre 22 Zetten - I Iepalezyten 338- 33'
Ziliendefekte 21 - Cherien 447 - I Ierzmuskelzelle 135
- angeberene 276 - Diinndarm 320- 321, 321- 322, 325 - Muskelzelle, glatte 124
Zirbeldrüse s. Epiphyse - - Glykekalyx 322 - Skelettmuskel7.elle 128-12'
zirkadiane (diurnale) Rhythmen, - - Mikrevilli 322 Zyteplasmabrücke, Mitese 63
Hennene 350 - - Oberflächenepithel 321 Zyteskeletl 54 - ~
zirkumventrikuläre Organe (perl ventri- - Duedenum 324 - 325 - Endetbelzellen 202
kuläre Organe) 155- 156 - Plazenta 448, 451 - Nervenzellen (Neurene) 147
- Blut-I Iirn-Schrdllke 155- 156 Zettenepnhel 323 - Skelettmuskulatur 132
- stmkiureller Aufbau 156 - Regeneratien 324 Zytesel 3'
- Tanyzyten 156 Zettengefaße, Dünndarm 321 Zytetrepheblast 444, 446