Deutsche Grammatik
Deutsche Grammatik
Deutsche Grammatik
WespA
Wrzburger elektronische sprachwissenschaftliche Arbeiten
Band 11
Claudia Blidschun
Systemstrukturen des Deutschen
WespA
Wrzburger elektronische sprachwissenschaftliche Arbeiten
Die Wrzburger elektronischen sprachwissenschaftlichen Arbeiten sind ein Publikationsforum fr Arbeiten, die am oder in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl fr deutsche
Sprachwissenschaft der Universitt Wrzburg entstanden sind. Auf diese Weise werden
Forschungsergebnisse schnell verffentlicht, um die sprachwissenschaftliche Diskussion
zu intensivieren. Die Herausgeber sind fr jede Reaktion dankbar.
Herausgeber:
Wolf Peter Klein, Johannes Schwitalla, Peter Stahl, Werner Wegstein, Norbert Richard Wolf
http://www.spr.germanistik.uni-wuerzburg.de/wespa
WespA. Wrzburger elektronische sprachwissenschaftliche Arbeiten
Nr. 11 (Oktober 2011)
Claudia Blidschun
Systemstrukturen des Deutschen
ISSN: 1864-9238
ISBN: 978-3-923959-78-5
Julius-Maximilians-Universitt Wrzburg
Wrzburg.
Universittsbibliothek Wrzburg
97074 Wrzburg
Am Hubland
97074 Wrzburg
http://www.spr.germanistik.uni-wuerzburg.de
Wrzburg 2011.
http://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/
Deckblattgestaltung: Dagmar Runer-Blank
Vorwort
Dieses Buch vermittelt die grammatischen Grundlagen fr die syntaktische Analyse des Deutschen. Es
bildet die Arbeitsgrundlage fr das Modul Systemstrukturen des Deutschen am Lehrstuhl fr Deutsche
Sprachwissenschaft am Institut fr Deutsche Philologie der Julius-Maximilians-Universitt Wrzburg.
Es dient in diesem Rahmen der Vor- und Nachbereitung der Studierenden und ergnzt die Vorlesung,
das Seminar und das Tutorium, aus denen sich das genannte Modul zusammensetzt.
Ziel des Moduls Systemstrukturen des Deutschen ist es, den Studierenden ein Instrumentarium an
Termini und Methoden zu vermitteln, um Stze valenzgrammatisch analysieren zu knnen.
Dementsprechend steht die mglichst einfache Vermittlung grundlegender Definitionen und
Methoden der Valenzgrammatik im Vordergrund. Dadurch mssen viele Dinge unter den Tisch fallen,
die in der grammatischen Forschung teilweise hei diskutiert werden. Um zumindest einige dieser
strittigen Punkte aufzugreifen und so auch das Offene der grammatischen Arbeit anzudeuten, wird
an manchen Stellen auf unterschiedliche Sichtweisen hingewiesen. Die zahlreichen Literaturhinweise
sind zudem eine Anregung, sich mit den einzelnen Themen intensiver als in diesem einfhrenden
Modul auseinanderzusetzen.
Der Aufbau und die bungsaufgaben resultieren aus der langjhrigen Lehrpraxis aller sprachwissenschaftlichen Dozenten am Wrzburger Institut fr Deutsche Philologie. Die einzelnen Kapitel entsprechen den wchentlichen Sitzungen im Laufe des Semesters, in denen ein oder mehrere Themen
besprochen werden. Die Theorie wird immer anhand vieler Beispiele erlutert, wozu Varianten des
Otto-trinkt-Bier-Satzes herangezogen werden, um die besprochenen grammatischen Phnomene
anhand konstruierter Stze gezielt zu erklren. Literaturhinweise schlieen jedes Kapitel ab und
zeigen, wo man sich detaillierter ber das entsprechende Thema informieren und ggf. auch andere
Auffassungen zu den jeweiligen Themen nachlesen kann. Zum Abschluss gibt es bungsaufgaben, die
die Anwendung der erlernten Theorie zeigen und die im Seminar gelst werden.
Das vorliegende Buch basiert auf dem Skript zum Sprachwissenschaftlichen Seminar II von Norbert
Richard Wolf, das grundlegend berarbeitet wurde und um entsprechende Hinweise zu aktuellen
Standardwerken der Grammatik ergnzt wurde.
Herzlich danken mchte ich meinen Kollegen am Lehrstuhl fr die tatkrftige Untersttzung, die
zahlreichen Ideen und die vielen Diskussionen, aus denen dieses Buch hervorgegangen ist: Wolf
Peter Klein, Sabine Krmer-Neubert, Stephan Moser, Helmut Spiekermann, Sven Staffeldt, Peter
Stahl und Ralf Zimmermann. Zum Abschluss mchte ich auch allen meinen Studentinnen und
Studenten danken fr ihre Kommentare, Verbesserungen und Rckmeldungen, die dazu beigetragen
haben, dieses Buch besser zu machen.
Wrzburg 2011
Claudia Blidschun
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................................................................... 1
1. Kapitel .................................................................................................................................................. 5
1.1 Satzdefinition................................................................................................................................. 5
1.2 Grammatische Proben................................................................................................................... 6
bung: Grammatische Proben .......................................................................................................... 10
2. Kapitel ................................................................................................................................................ 12
2.1 Wortarten .................................................................................................................................... 12
2.2 Kommunikative Satzarten und Stellungsmglichkeiten des finiten Verbs ................................. 19
bung: Wortartbestimmung ............................................................................................................. 22
bung: Verbstellung und kommunikative Satzart ............................................................................ 23
3. Kapitel ................................................................................................................................................ 24
3.1 Topologie ..................................................................................................................................... 24
3.2 Hierarchische Strukturen im linearen Satz .................................................................................. 29
3.3 Verwendungsweisen von es ........................................................................................................ 31
bung: Topologische Felder .............................................................................................................. 37
bung: Es........................................................................................................................................... 38
4. Kapitel ................................................................................................................................................ 39
4.1 Valenzunabhngige Satzglieder: Typen von Angaben ................................................................ 39
4.2 Komplexe verbale Kerne: Funktionsverbgefge und feste verbale Wendungen ....................... 44
bung: Angaben ................................................................................................................................ 48
bung: Funktionsverbgefge (FVG) .................................................................................................. 50
5. Kapitel ................................................................................................................................................ 52
5.1 Verbale Valenz ............................................................................................................................. 52
5.2 Dative .......................................................................................................................................... 57
bung: Ergnzungen ......................................................................................................................... 63
bung: Dative .................................................................................................................................... 67
6. Kapitel ................................................................................................................................................ 70
6.1 Genitive ....................................................................................................................................... 70
6.2 Hilfs-, Modal- und Modalittsverben .......................................................................................... 74
6.3 Das Reflexivpronomen ................................................................................................................ 77
bung: Genitive................................................................................................................................. 82
bung: Hilfs-, Modal-, und Modalittsverben .................................................................................. 84
1. Kapitel
Themen:
1. Satzdefinition
2. Grammatische Proben
Das Seminar Systemstrukturen des Deutschen beschftigt sich mit sprachlichen Strukturen, die
Verbindungen oberhalb der Wortebene sind, d.h. mit der Syntax.
Syntax befasst sich mit den Regeln, nach denen Stze und Wortgruppen aufgebaut werden.
1.1 Satzdefinition
Eine Satzdefinition ist schwierig. Hentschel/Weydt zhlen sie gar zu den unlsbaren Problemen der
Linguistik (Hentschel/Weydt 2003: 332). Das liegt daran, dass es verschiedene Definitionskriterien
gibt. Bei einem prototypischen Satz treffen alle Definitionskriterien eindeutig zu, bei nicht-prototypischen Stzen sind nicht alle Definitionskriterien erfllt.
Hufig genannte Definitionskriterien fr Stze:
Ein Satz ist
eine sprachliche Einheit, die von einem (finiten) Verb bestimmt wird.
relativ selbstndig.
intonatorisch bzw. durch Interpunktion abgeschlossen.
eine kommunikative Ausdruckseinheit.
Definition fr einen prototypischen (Minimal)satz:
Ein Satz ist eine sprachliche Einheit, die mindestens aus einem Verb als strukturellem Zentrum und
einer bestimmten, vom Verb determinierten Menge von Ergnzungen besteht.
1.
trinkt
Otto
ein Bier
2.
Beispiel fr einen Satz mit zustzlichen nicht vom Verb determinierten Angaben:
Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Satz
trinkt
Otto
Angaben
Abbildung 2: Darstellung eines Satzes mit Angaben als Baumgraph (zu den Termini Ergnzungen und
Angaben siehe S. 52 und S. 39)
Verschiebeprobe am Beispiel: Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
ein Satzglied
Heute
Otto
Rasch
Ein Bier
Beim Fuballschauen
finites Verb
trinkt
trinkt
trinkt
trinkt
trinkt
weitere Satzglieder
Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
heute rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Otto heute ein Bier beim Fuballschauen.
Otto heute rasch beim Fuballschauen.
Otto heute rasch ein Bier.
Tabelle 1: Durchfhrung einer Verschiebeprobe am Beispiel Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim
Fuballschauen.
Anmerkung: Wenn das finite Verb nicht an zweiter Stelle steht (wie z.B. in Nebenstzen),
wandelt man den Satz in einen Satz mit Verbzweitstellung um, um die Verschiebeprobe
durchzufhren: z.B. (Otto trinkt Bier,) weil es ihm schmeckt.
In dem Nebensatz weil es ihm schmeckt steht das finite Verb am Schluss. Um die Satzglieder
zu bestimmen, formt man den Nebensatz zu einem Hauptsatz mit Verbzweitstellung (Es
schmeckt ihm.) um und fhrt an dem neuen Satz die Verschiebeprobe durch:
Es schmeckt ihm.
Ihm schmeckt es.
b)
finites
Verb
trinkt
trinkt
trinkt
trinkt
trinkt
weitere Satzglieder
Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
heute rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Otto heute ein Bier beim Fuballschauen.
Otto heute rasch beim Fuballschauen
Otto heute rasch ein Bier.
Tabelle 2: Durchfhrung einer Ersatzprobe am Beispiel Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Prdikationstest
Es wird versucht, ein Satzglied aus dem ursprnglichen Satz auszugliedern und in einem
einfachen, eigenstndigen Satz (z.B. einem Satz mit dem Verb tun oder geschehen)
anzuschlieen.
Dieser Test funktioniert nur bei Angaben und nicht bei Ergnzungen, da Ergnzungen vom
Verb des Ursprungsatzes bestimmt werden, whrend die Angaben unabhngig von diesem
Verb zum Minimalsatz dazukommen.
Prdikationstest am Beispielsatz: Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Heute trinkt Otto rasch ein Bier beim Fuballschauen.
Otto trinkt rasch ein Bier beim Fuballschauen. Das (= Ottos Biertrinken) geschieht
heute.
heute ist eine Angabe
Beim Fuballschauen trinkt Otto heute rasch ein Bier.
Otto trinkt heute rasch ein Bier. Das tut Otto beim Fuballschauen.
beim Fuballschauen ist eine Angabe
Rasch trinkt Otto heute ein Bier beim Fuballschauen.
Otto trinkt heute ein Bier beim Fuballschauen. Das geschieht rasch.
rasch ist eine Angabe
Otto trinkt heute rasch ein Bier beim Fuballschauen.
*Heute trinkt rasch ein Bier beim Fuballschauen. Das tut Otto.
Otto ist eine Ergnzung
Ein Bier trinkt Otto heute rasch beim Fuballschauen.
?
Otto trinkt heute rasch beim Fuballschauen. *Das tut Otto ein Bier.
(Das hochgestellte Fragezeichen signalisiert, dass die Grammatikalitt des Satzes
bezweifelt wird.)
ein Bier ist eine Ergnzung
d)
1. Mit welchen zwei grammatischen Proben ermittelt man die Satzglieder eines Satzes?
a) _________________________________________________
b) _________________________________________________
D.h. Satzglieder erkennt man daran, dass sie in Aussagestzen _________________ vor
_________________________________________ gestellt werden knnen
UND _____________________________ knnen.
2. Mit welcher grammatischen Probe unterscheidet man Ergnzungen und Angaben?
c) _________________________________________________
D.h. Ergnzungen lassen sich nicht ________________________________________.
10
3. Bestimmen Sie mit den unter Aufgabe 1 genannten Proben die Satzglieder des ersten Satzes Ein
zwlfjhriger Junge hat in der sterreichischen Stadt Linz innerhalb eines Jahres rund 40 giftige
Spinnen sowie Schlangen und Skorpione von seinem Taschengeld erworben. Fr das erste
Satzglied sind die Proben schon durchgefhrt und in der Tabelle eingetragen.
finites Verb
1.
2.
hat
3.
4.
5.
4. Welche der in Frage 3 bestimmten Satzglieder sind Ergnzungen, welche sind Angaben?
Ermitteln Sie dies mit Hilfe der unter Aufgabe 2 genannten Probe. Fr das erste Satzglied ist diese
Probe schon durchgefhrt.
1. *In der sterreichischen Stadt Linz hat innerhalb eines Jahres rund 40 giftige Spinnen sowie Schlangen
und Skorpione von seinem Taschengeld erworben. Das tat ein zwlfjhriger Junge.
Ein zwlfjhriger Junge ist eine Ergnzung
2. ______________________________________________________________________
________________________________________________________________________
______________________________________________ ist eine _________________
3. ______________________________________________________________________
________________________________________________________________________
______________________________________________ ist eine _________________
4. ______________________________________________________________________
______________________________________________ ist eine _________________
5. ______________________________________________________________________
______________________________________________ ist eine _________________
11
2. Kapitel
Themen:
1. Wortarten
2. Kommunikative Satzarten und Stellungsmglichkeiten des finiten Verbs
2.1 Wortarten
Die elementaren Bausteine der Syntax sind die Wrter, die sich zu Wortarten gruppieren lassen. Die
Wortarten werden auch lexikalische Kategorien genannt, weil sie im Lexikon einer Sprache verzeichnet sind. (Pittner/Berman 2004: 14)
Eine Wortart ist eine Gruppe von Wrtern mit bestimmten morphologischen, syntaktischen und semantischen Merkmalen. (vgl. Hentschel/Weydt 2003: 14)
Morphologische Merkmale: z.B. Ist das Wort flektierbar? Deklinierbar, konjugierbar, gradierbar?
Syntaktische Merkmale: z.B. Ist das Wort erststellenfhig in einem Aussagesatz? Kann es
prdikativ verwendet werden?
Semantische Merkmale: z.B. Ist es ein Inhaltswort oder ein Funktionswort?
Um Wortarten sicher bestimmen zu knnen, muss man diese Merkmale in verschiedener Kombination beachten. Die unten stehende Tabelle (siehe S. 13) listet die einzelnen Wortarten auf und gibt
die dazugehrigen semantischen, morphologischen und syntaktischen Eigenschaften an. Die genannten morphologischen, syntaktischen und semantischen Kriterien treffen auf den Kernbereich einer
Wortart zu; es gibt jedoch immer wieder Wrter, auf die nicht alle Kriterien ihrer Wortart zutreffen.
So sind Adjektive prinzipiell komparierbar, aber es gibt auch Ausnahmen wie schwanger, umsonst
oder egal, bei denen die Steigerbarkeit aufgrund ihrer Bedeutung eingeschrnkt ist; in konkreten
Verwendungssituationen knnen aber auch diese Adjektive gesteigert werden.
Zuvor noch eine Erluterung wichtiger verwendeter Termini:
Terminus
Inhaltswort (auch
Autosemantikum,
Bedeutungswort)
Funktionswort (auch
Synsemantikum)
Deiktikum (auch
Zeigwort)
Flexion
Deklination
Erluterung
semantisches Kriterium:
Ein Inhaltswort ist ein Wort, das eine kontextunabhngige, selbststndige lexikalische
Bedeutung hat. (Bumann 2008: s.v. Autosemantikum), z.B. Haus, trinken, kalt
semantisches Kriterium:
Ein Funktionswort ist die Bezeichnung fr sprachliche Elemente, die primr grammatische
(anstelle von lexikalischer) Bedeutung tragen. (Bumann 2008: s.v. Funktionswort), z.B. auf,
denn, dass, ja
semantisches Kriterium:
Whrend die Nennwrter [= Inhaltswrter] einen bestimmten Ausschnitt aus der
auersprachlichen Wirklichkeit benennen, zeigen die Zeigwrter oder Deiktika [] nur auf
etwas. Deiktika sind Wrter wie ich, jetzt oder hier, die auf Personen, Zeitpunkte oder Orte in
der auersprachlichen Wirklichkeit verweisen, indem sie diese in ihrem Verhltnis zur
Sprechsituation [] definieren. (Hentschel/Weydt 2003: 18)
morphologisches Kriterium:
Wortstmme bestimmter Wortarten werden in morphologisch verschiedenen Wortformen
realisiert, die regelhaft wortartspezifisch verschiedene syntaktisch-semantische Funktionen
mitausdrcken, vgl. im Dt. Deklination (Nomen), Konjugation (Verb), Komparation (Adjektiv)
(Bumann 2008: s.v. Flexion)
morphologisches Kriterium:
Flexionsweise von Substantiv, Artikel, Adjektiv, Numerale und Pronomen hinsichtlich Kasus,
Genus und Numerus
12
Konjugation
Komparation
artikelfhig
Satzgliedwert
erststellenfhig
Fgteil
Kasusrektion
subordinierend
koordinierend
morphologisches Kriterium:
Flexionsweise des Verbs hinsichtlich Person, Numerus, Tempus, Modus [und] Genus Verbi (=
Diathese)
morphologisches Kriterium:
morphologische Kategorie von Adjektiven (und vereinzelten Adverbien) zum Ausdruck von
Gradangaben und Vergleichen. Es gibt die Stufen Positiv, Komparativ, Superlativ und Elativ.
(Bumann 2008: s.v. Komporation), z.B. modern, moderner, am modernsten, modernste
syntaktisches Kriterium:
Fhigkeit, sich mit dem bestimmten oder unbestimmten Artikel zu verbinden: z.B. eine Sngerin
die Sngerin
syntaktisches Kriterium:
Satzgliedwertige Wortarten knnen prinzipiell ohne weitere Wortarten Satzglieder (zu ermitteln ber die Verschiebe- und Ersatzprobe) bilden, wie z.B. Substantive (i.d.R. zusammen mit
einem Artikel), Adjektive, Adverbien: Jetzt ist das Haus schn. ( Das Haus ist jetzt schn. Schn
ist das Haus jetzt.)
Nicht satzgliedwertig sind z.B. Prpositionen, Gradpartikel, Konjunktionen, z.B. Aber die Ziegel
auf dem Dach sind zu rot. ( *Aber sind zu rot die Ziegel auf dem Dach. *Auf sind dem Dach die
Ziegel zu rot. *Zu sind die Ziegel auf dem Dach rot.)
syntaktisches Kriterium:
Fhigkeit, in einem Aussagesatz vor dem finiten Verb zu stehen, z.B. von Substantiven,
Adjektiven und Adverbien. Nicht alle satzgliedwertigen Wortarten sind auch erststellenfhig, so
sind satzgliedwertige Partikeln nicht erststellenfhig wie z.B. Das Kind kommt nicht mit. Es
kommt doch mit? ( *Nicht kommt das Kind mit. *Doch kommt es mit?)
syntaktisches Kriterium:
Fgteile fgen Wrter, Wortgruppen oder Stze aneinander, z.B. Prpositionen, Konjunktionen:
die Taube + auf + dem Dach, das Kind + und + die Frau
syntaktisches Kriterium:
Eigenschaft, den Kasus seines Bezugswortes zu bestimmen. Kasusrektion besitzen Prpositionen,
z.B. ohne + Akkusativ, zwischen + Dativ, infolge + Genitiv
semantisches/syntaktisches Kriterium:
Prpositionen und Subjunktionen sind subordinierend, d.h. sie stellen zwischen Wrtern bzw.
Wortgruppen und Nebenstzen eine Unterordnung her, z.B. die Taube auf dem Dach, Das Kind
spielt drauen, obwohl es regnet.
semantisches/syntaktisches Kriterium:
Konjunktionen sind koordinierend, d.h. sie stellen zwischen Wrtern und Wortgruppen oder
Stzen eine Nebenordnung her, z.B. Das Kind und seine Puppe werden nass, aber sie lassen sich
davon nicht stren.
konjugierbar
deklinierbar, genusfest
(d.h. knnen Genus nicht
wechseln)
syntaktische
Merkmale
nicht frei verschiebbar, da Stellung
abhngig von der Satzart. (Fragesatz:
Wann singt die Sngerin? *Wann die
Sngerin singt?)
i.d.R. artikelfhig
semantische
Merkmale
benennen Prozesse, d.h.
Vorgnge, Handlungen oder
Zustnde
benennen Gegenstnde, fassen
Entitten als wahrnehmbare oder
begrifflich isolierbare Substanz
13
Adjektiv
z.B. schn, gut, froh
Adverb
z.B. vielleicht, vergebens
morphologische
Merkmale
deklinierbar, komparierbar, nicht genusfest, d.h. sie passen
ihr Genus dem jeweiligen Bezugswort an
(ein schner Snger /
eine schne Sngerin).
nicht deklinierbar,
aber einige Adverbien,
z.B. oft, gerne, bald,
sind gradierbar.
Deiktika
Proadverb
z.B. heute, dort, deshalb
Relativadverb
z.B. wo, wofr, womit, wie
nicht flektierbar
Interrogativadverb
z.B. wo, warum, wann, wie
Personalpronomen
z.B. ich, du, er/sie/es
syntaktische
Merkmale
knnen im Satz attributiv (Die
schne Sngerin singt.), prdikativ (Die Sngerin ist schn.)
oder adverbial (Die Sngerin
singt schn.) verwendet
werden.
semantische
Merkmale
benennen Eigenschaften, durch
die Substanzen, Personen usw.
charakterisiert werden
erststellenfhig
erststellenfhig
Reflexivpronomen
z.B. sich
Possessivpronomen
z.B. mein-, dein-/Ihr-, seinDemonstrativpronomen
z.B. der, dieser, jener,
derjenige, (ein) solcher
Interrogativpronomen
z.B. wer, was, welch-
deklinierbar
nehmen im
Satz die
Position
von Substantiven
oder attributiven Adjektiven ein
Relativpronomen
z.B. der, wer, was, welch-
Indefinitpronomen
z.B. etwas, irgendein-,
welch-, irgendwelch-,
jemand, jedermann, kein
leiten Ergnzungsfragen
bzw. Interrogativnebenstze
ein: Wer kommt
mit? Weit du,
welches Buch sie
liest?
leiten einen Nebensatz ein: Die
Sngerin, die
singt, ist schn.
14
Funktionswrter
Prposition
z.B. auf, unter, neben
Vergleichspartikel
wie, als
mit Kasusrektion
ohne Kasusrektion
Konjunktion
z.B. aber, oder, denn, und
Fgteil
Subjunktion
z.B. als, whrend, dass
Modalpartikel (auch
Abtnungspartikel)
z.B. aber, denn, doch, eben
Negationspartikel
nicht
ohne Kasusrektion
knnen im Satz
im Vorvorfeld,
d.h. vor dem
ersten Satzglied stehen
(Otto geht in die
Stadt. Und Paul
bleibt zuhause.)
ohne Kasusrektion,
leiten
Nebenstze ein
(Als Otto in die
Stadt ging, blieb
Paul zuhause)
nicht flektierbar
satzgliedwertig, aber nicht
erststellenfhig
Fokuspartikel
z.B. sogar, besonders, nur
Gradpartikel
z.B. sehr, beraus, kaum
nicht satzgliedwertig
Gesprchspartikel
= Gliederungspartikeln
und Antwortpartikeln
z.B. hallo, nicht wahr, hm
oder ja, nein, doch
Interjektionen
z.B. pfui, oh, tja
subordinierend
koordinierend: stellen einen Vergleich zwischen zwei Gren her
(Er luft schneller als sein
Freund., Leben wie Gott in
Frankreich.)
koordinierend
subordinierend
drcken Sprechereinstellung
(Emotionalitt, Einstellung zum
Gesagten) aus, z.B. Komm doch
mit! (Doch dient hier der
Verstrkung.)
negieren gesamte Aussagen oder
einzelne Wrter/Wortgruppen:
Sie singt nicht., Sie singt nicht
schn.
lenken die Aufmerksamkeit
(Fokus) auf ein Wort oder eine
Wortgruppe (Nur Otto geht in
die Stadt.)
geben an, in welchem Grad /
welcher Intensitt / auf welcher
Stufe einer Skala etwas der Fall
ist: Sie singt sehr schn.
dienen der Organisation und
Aufrechterhaltung des Gesprchs
(Interaktion Sprecher/Hrer,
Markierung von Redebeitrgen,
Pausenfllung), z.B. Na ja,
Entschuldigung, Hallo bzw.
drcken Zustimmung oder
Ablehnung aus, z.B. ja, nein
Ausdruck spontaner, reaktiver
Emotionen oder Bewertungen,
z.B. pfui, hurra.
15
Phrasen
In obiger Tabelle kommt der Terminus Nominalphrase vor. Unter einer Phrase versteht man eine
Wortgruppe, z.B. der schlaue Otto. Phrasen werden nach der Wortart ihres Kerns (im Sinne eines
Regens, siehe S. 30) benannt, da der Kern syntaktische Eigenschaften der Phrase bestimmt. Otto ist
der Kern der Phrase der schlaue Otto, es handelt sich folglich um eine Substantivphrase bzw.
Nominalphrase. Der Kern Otto bestimmt Numerus, Kasus und Genus des Adjektivs schlaue (=
Kongruenz).
In Phrasen knnen weitere Phrasen eingebettet sein, so beinhaltet die Prpositionalphrase auf dem
Dach des Hauses die Substantivphrase dem Dach des Hauses, in die ihrerseits die Substantivphrase
des Hauses eingebettet ist.
Bei Substantivphrasen wird zur Przisierung manchmal auch der Kasus genannt, es gibt also
Nominativ-, Genitiv-, Dativ- und Akkusativphrasen.
Beispiele fr verschiedene Phrasen:
a) Adjektivphrase seiner Biersorte treu: (Otto bleibt) seiner Biersorte treu.
b) Adverbphrase dort drben: (Otto steht) dort drben.
c) Prpositionalphrase auf dem Sofa: (Otto liegt) auf dem Sofa.
d) Substantivphrasen,
Nominativphrase der schlaue Otto: Der schlaue Otto (trinkt Bier).
Genitivphrase der Bierflasche: (Otto studiert das Etikett) der
Bierflasche
Dativphrase seinem Freund: (Otto schenkt) seinem Freund (ein Bier).
Akkusativphrase ein khles Bier: (Otto trinkt) ein khles Bier.
Weitere Einzelheiten zu Phrasen sind beispielsweise nachzulesen unter Gallmann 2009: 766ff.
Ergnzung zu den Substantiven:
Bei Substantiven knnen verschiedene Bedeutungsgruppen unterschieden werden (siehe Gallmann
2009: 146-151; Eisenberg 2006: 158-167; Zifonun et al 1997: 32). blich ist die Unterteilung der
Substantive in Gattungsbezeichnungen (auch Appellativa), Stoffbezeichnungen (auch Kontinutiva)
und Eigennamen (auch Propria), die jeweils verschiedene grammatische und semantische Merkmale
aufweisen.
Gattungsbezeichnung:
Eine Gattungsbezeichnung (wie Katze, Mann, Kind, Tisch, Hoffnung, Fahrt) bezeichnet eine
Gattung oder Klasse, deren Exemplare ein Bndel von Eigenschaften gemeinsam haben
(wobei ein einzelnes Exemplar nicht unbedingt alle Eigenschaften aufweisen muss): Ein Tisch
ist ein Mbelstck, das aus einer waagerecht auf einer Sttze, in der Regel auf vier Beinen,
ruhenden Platte besteht, an der gesessen, gearbeitet, auf die etw. gestellt, gelegt werden
kann (DUW 2006: s.v. Tisch)
Stoffbezeichnung:
Stoffbezeichnungen sind Bezeichnungen fr Substanzen jeder Art wie Holz, Papier, l, Gas,
Butter. Im Gegensatz zu den Gattungsbezeichnungen knnen Stoffbezeichnungen auch im
Singular ohne Artikel (oder andere determinierende Einheit wie Pronomen) auftreten: Holz
ist brennbar. (*Tisch ist ein Mbelstck.)
Eigennamen:
Eigennamen benennen Einzelnes, z.B. ein bestimmtes Individuum. Im Gegensatz zu Gattungsbezeichnungen und Stoffbezeichnungen knnen keine Klassenmerkmale angegeben werden
(nicht alle Ottos sind blond, aber alle Tische sind Mbelstcke).
16
Substantive treten in der Regel zusammen mit einem sog. Determinativ auf: der Tisch, eine Blume,
dieses Bier (zu Fllen ohne Determinativ siehe S. 106). Diese Determinative verweisen und
thematisieren innerhalb eines Textes. Die hufigsten Determinative sind der definite (bzw.
bestimmte) Artikel der/die/das und der indefinite (bzw. unbestimmte) Artikel ein/eine/ein. Die
Artikel legen die Referenz des Substantivs fest. Der bestimmte Artikel kennzeichnet eindeutig
identifizierbare Gren, die hufig im situativen oder sprachlichen Kontext prsent sind. Der
unbestimmte Artikel kennzeichnet dagegen (noch) nicht eindeutig identifizierte Gren.
(Pittner/Berman 2004: 17; siehe auch S. 107)
Definiter und indefiniter Artikel werden in vielen Grammatiken als eigene Wortart behandelt, in
anderen Grammatiken zhlen sie zu den Pronomen oder es gibt eine Wortart Determinatoren fr
Artikel und artikelartige Pronomen (siehe Eisenberg 2006: 140f.; Zifonun et al 1997: 33ff.). Im
Rahmen des Seminars Systemstrukturen des Deutschen werden wir die Artikel als eigene Wortart
behandeln. Da sie sich jedoch nicht eindeutig einer der in Tabelle 4 verwendeten Oberkategorien
zuordnen lassen, sind sie dort nicht aufgefhrt.
Ergnzung zu den Adverbien:
Die heterogene Wortart Adverb wird ja nach Semantik, Funktion, Geltungsbereich (Skopus), Bildungsweise und Syntax (Nbling 2005: 578) in verschiedene Klassen unterteilt. Am Beispiel der sog.
Konjunktionaladverbien (z.B. trotzdem, folglich, zustzlich) lsst sich die funktionale hnlichkeit
bestimmter Wortarten zeigen. Konjunktionaladverbien stehen funktional betrachtet den
Konjunktionen nahe, da sie Stze koordinieren: Otto ist nchtern. Folglich ist er schlecht gelaunt. Im
Gegensatz zu Konjunktionen sind Konjunktionaladverbien jedoch erststellenfhig und zhlen deshalb
zu den Adverbien.
Vorsicht: Homonyme
Im Bereich der nicht flektierbaren Wortarten gibt es viele Homonyme. Erst in der konkreten Verwendungssituation ist entscheidbar, um welche Wortart es sich handelt.
Beispiel: doch
1. (Der Arzt hat ihm Alkohol verboten). Doch Otto trinkt immer noch Bier.
Doch = Konjunktion
2. Otto trinkt doch Bier!
doch = Modalpartikel
3. Ich glaube, Otto mag kein Bier.
Doch!
Doch = Gesprchspartikel
4. Doch trinkt Otto immer noch Bier.
Doch = (Konjunktionaladverb)
Offene und geschlossene Wortarten
Wortarten, bei denen aufgrund von Wortbildungen und Entlehnungen aus anderen Sprachen stndig
neue Vertreter dazukommen, bezeichnet man als offen, also die Inhaltswrter mit den Wortarten
Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb. Die Deiktika und Funktionswrter dagegen werden als
geschlossene Klassen bezeichnet, da es hier kaum zu einer Vernderung des Wortbestandes kommt.
17
18
19
Satzart / Kommunikationstyp
Aussagesatz
Wunschsatz
Vergewisserungsfrage
Ergnzungsfrage
Entscheidungsfrage
Satz
Fragestze
V2-Satz
Aufforderungssatz
Aussagesatz (u.a. Textsorte Witz)
Ausrufesatz
uneingeleiteter Nebensatz (z.B. im
Konditionalgefge)
VL-Satz
eingeleiteter Nebensatz
Nebenstze
V1-Satz
Wunschsatz
bersicht 1: Zusammenhang zwischen kommunikativer Satzart und Verbstellung
Zu beachten:
Aus der Verbstellung allein lsst sich nicht die kommunikative Satzart ablesen. Man muss also immer
auf die Handlung achten, die der Sprecher mit seiner uerung vollziehen will.
Folgende sechs Beispielstze sind V2-Stze, jedoch unterscheiden sie sich in der kommunikativen Satzart:
a) Otto trinkt Bier. Aussagesatz
b) Was trinkt Otto? Ergnzungsfrage
c) Otto trinkt doch Bier? Vergewisserungsfrage
d) Ewig trinke Otto Bier! Wunschsatz
e) Du wirst jetzt sofort dein Bier trinken! Aufforderungssatz
f) Wie viel Bier hat Otto nicht schon getrunken! Ausrufesatz
Bei einigen kommunikativen Satzarten sind die Stellungsmglichkeiten des Verbs sehr
variabel, z.B. beim Ausrufesatz (siehe Beispiele unten). D.h. in solchen Fllen ist die
Verbstellung kaum ein Hinweis auf die Satzart, es kommt allein auf die Illokution an.
V2-Satz: Wie viel Bier hat Otto nicht schon getrunken!
V1-Satz: Hat Otto aber heute wenig getrunken!
VL-Satz: Und ob Otto heute Bier trinken wird!
20
21
bung: Wortartbestimmung
Bestimmen Sie die Wortarten der fett gedruckten Wrter anhand ihrer semantischen,
morphologischen und syntaktischen Merkmale:
Der Koala gehrt neben dem Knguruh zu den Nationaltieren Australiens. (Mannheimer Morgen,
14.03.1998)
Koala
_____________________________________________________
neben
_____________________________________________________
Australiens
_____________________________________________________
Sein rechter Arm schlft ein, und es ist etwas mhsam, ihn zu sich zurckzuholen. (Renate Schoof: In
ganz naher Ferne)
schlft
_____________________________________________________
ein
_____________________________________________________
etwas
_____________________________________________________
ihn
_____________________________________________________
Glcklicherweise blieb Nnemann unverletzt, sein BMW ist Schrott. (Hamburger Morgenpost,
31.05.2007)
Glcklicherweise ____________________________________________________
Nnemann
_____________________________________________________
sein
_____________________________________________________
BMW
_____________________________________________________
Ostern fiel in diesem Jahr recht spt, doch obwohl der April fast zur Neige ging, war das Wetter kalt
und regnerisch. (Simone Knodel: Adelheid von Lare)
diesem
_____________________________________________________
doch
_____________________________________________________
obwohl
_____________________________________________________
22
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Da kommt jemand.
Position des finiten Verbs:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
Satzart:
23
3. Kapitel
Themen:
1. Topologie
2. Hierarchische Strukturen im linearen Satz
3. Verwendungsweisen von es
3.1 Topologie
Topologie 1 beschftigt sich mit der Wortstellung, insbesondere mit der Stellung der Satzglieder in
den verschiedenen Satzarten. Die Stellungsmglichkeiten des finiten Verbs sind im 2. Kapitel
besprochen worden, nun geht es v.a. darum, in welcher Abfolge die Satzglieder stehen.
3.1.1 Klammerstruktur
Ausgangspunkt fr die Gliederung eines Satzes in topologische Felder ist die Klammerstruktur. Die
Klammerstruktur [bildet] das Grundgerst fr die Stellungsfelder: Vor dem klammerffnenden
Ausdruck [= linke Satzklammer (LSK)] befindet sich das Vorfeld, innerhalb der Klammer das
Mittelfeld, nach der Klammer das Nachfeld. (Altmann/Hofmann 2008: 70) Das Vorhandensein einer
Klammerstruktur wird oft als Besonderheit des Deutschen dargestellt (vgl. Altmann/Hofmann 2008:
71)
Die Klammerstruktur kann auf verschiedene Arten gebildet werden. Die hufigsten Strukturen lauten
wie folgt:
1. Bei der verbalen Klammer bildet die finite Verbform in V2- und V1-Stzen die linke
Satzklammer (= LSK) und die infinite(n) Verbform(en) bzw. die trennbare Verbpartikel bilden
die rechte Satzklammer (= RSK).
Otto hat (= LSK) heute mit seinem Freund ein Glas Bier trinken wollen (= RSK).
Ist (= LSK) Otto heute schon in der Kneipe gewesen (= RSK)?
Otto trinkt (= LSK) sein Bier rasch aus (= RSK).
2. Zwischen Kopulaverben (das sind Verben wie z.B. sein, werden, bleiben) und Prdikativum
entsteht in V2- und V1-Stzen eine Prdikativklammer. Die linke Satzklammer wird dabei
vom finiten Kopulaverb bzw. Hilfsverb gebildet, die rechte Satzklammer vom Prdikativum (+
eventuell infiniten Verbformen).
Otto ist (= LSK) wirklich ein Biertrinker (= RSK).
Wird (= LSK) Otto je wieder nchtern werden (= RSK bestehend aus dem Prdikativum
nchtern und der infiniten Verbform werden)?
3. Bei VL-Stzen, die von einer Subjunktion eingeleitet werden, bildet die Subjunktion die linke
Satzklammer und der Verbalkomplex (finites Verb und eventuell weitere infinite
Verbformen) die rechte Satzklammer. Diese Konstruktion wird auch (Glied)satzklammer
genannt.
(Otto ist stets betrunken), weil (= LSK) er immer zu viel Bier trinkt (= RSK).
(Otto behauptet), dass (= LSK) er gerade kein Bier hat trinken wollen (= RSK).
Statt von einer linken und rechten Satzklammer spricht man auch von klammerffnenden und
klammerschlieenden Elementen.
1
Topologie ist wrtlich die Lehre von den Orten: {topo-} von gr. tpos: Ort, Gegend und {-logie} von gr. lgos:
Vernunft (gebraucht als Lehre von). Mit Orten sind hier Felder an der Oberflche von Stzen gemeint.
24
Vorfeld
(= VF)
Otto
Otto
Denn
(Konjunktion)
Trotzdem,
(Parakonjunktion)
Was inzwischen
jeder wei,
(metakommunikativer Nebensatz)
Sehr geehrte
Leserinnen und
Leser,
(Anrede)
Finitum =
linke
Satzklammer
(= LSK)
hat
trinkt
Mittelfeld
(= MF)
rechte
Satzklammer
(= RSK)
Nachfeld
(= NF)
getrunken.
aus.
Weil Otto
stndig Bier
trinkt,
Otto
ist
sein Bier
schnell
er
mag
nur Bier
trinken,
heute
hat
Otto Bier
getrunken
Otto
will
Otto
bleibt
heute kein
Bier
immer
getrunken
haben.
ein
Biertrinker.
Otto
ist
ein echter
Bierkenner.
betrunken
gewesen,
weil er zu viel
Bier bekommen
hat.
25
Aber
Hallo,
Vorfeld
(= VF)
unbesetzt
Vorvorfeld
(= VVF)
Finitum =
linke
Satzklammer
(= LSK)
Trink
Hat
hat
Mittelfeld
(= MF)
Otto Bier
Otto nicht
ist
Otto
rechte
Satzklammer
(= RSK)
aus!
getrunken?
gewusst,
Nachfeld
(= NF)
ein
Biertrinker?
26
Klammer
b)
c)
d)
e)
das
was
wo
f)
dessen
Lieblingsbiermarke
Subjunktion
= linke
Satzklammer
(= LSK)
dass
Mittelfeld
(= MF)
rechte
Satzklammer
(= RSK)
fahren darf
weil
trinkt
kommt
wei
gibt,
unbesetzt
a)
unbesetzt
Vorfeld
(= VF)
Nachfeld
(= NF)
ein Geheimnis
bleibt
27
Klammer
Vorfeld Finitum = linke
(= VF)
Satzklammer (= LSK)
Mittelfeld
(= MF)
a)
Wei
Otto,
b1) Otto
b2) Otto
trinkt
trinkt
heute Bier
heute Bier mit
seinen Freunden.
rechte
Satzklammer (=
RSK)
Nachfeld
(= NF)
dass man betrunken
nicht Autofahren
darf?
mit seinen Freunden.
Tabelle 8: Topologische Felder im V1- und V2-Satz mit unbesetzter rechter Satzklammer
28
verbaler Kern
trinkt
Angabe Angabe
Angabe
heute
rasch beim Fuballschauen
Ergnzung Ergnzung
Otto
ein Bier
Abbildung 3: Darstellung eines Konstituenzverhltnisses durch einen durchgezogenen Strich
29
3.2.2 Dependenz
Dependenz ist eine spezielle Art der syntaktischen Abhngigkeit. Man spricht von einem Dependenzverhltnis zwischen zwei Elementen, wenn das bergeordnete Element (= Regens) ohne das untergeordnete (= Dependens) vorkommen kann, das untergeordnete aber nicht ohne das bergeordnete.
Beispiel: (Otto trinkt) frnkisches Bier.
Zwischen dem attributiven Adjektiv frnkisches und dem Substantiv Bier besteht ein Dependenzverhltnis. Das Adjektiv ist von dem Substantiv abhngig. Das Substantiv kann zwar ohne das Adjektiv
vorkommen (Otto trinkt Bier), aber nicht das Adjektiv ohne das Substantiv (*Otto trinkt frnkisches.).
D.h. das Substantiv Bier regiert das Adjektiv frnkisches (und bestimmt dessen Flexion, d.h. das
Adjektiv kongruiert mit dem Substantiv, vgl. Abb. 4)
Graphisch wird ein Dependenzverhltnis durch einen gestrichelten Pfeil dargestellt.
Regens
Bier
Regens
Wein
Regens
Milch
Dependens
frnkisches
Dependens
frnkischen
Dependens
frnkische
Abbildung 4: Darstellung eines Dependenzverhltnisses durch einen gestrichelten Pfeil an den Beispielen (Otto
trinkt) frnkisches Bier / frnkischen Wein / frnkische Milch.
3.2.3 Valenz
Unter Valenz versteht man die logisch-semantisch motivierte Fhigkeit bestimmter Wortarten v.a.
von Verben, Substantiven und Adjektiven Leerstellen zu erffnen und deren Besetzung grammatisch und semantisch vorzubestimmen.
Die Valenz von Verben ist satzkonstituierend, d.h. durch die Fhigkeit des Verbs, eine bestimmte
Menge an Leerstellen zu erffnen, die von den Ergnzungen gefllt werden (knnen), entstehen
Stze (vgl. Definition eines prototypischen Minimalsatzes S. 5). Die Valenz von Adjektiven und Substantiven ist satzgliedkonstituierend, d.h. durch die Leerstellen der Substantive und Adjektive knnen
komplexe Satzglieder gebildet werden.
Beispiel fr verbale Valenz (Details siehe Kapitel 5)
Das Verb backen in der Bedeutung etwas bei trockener Hitze im Backofen o.. herstellen (VALBU
s.v. backen) erffnet zwei Leerstellen: Jemand backt etwas (z.B. Ottos Mutter backt einen Apfelkuchen). Die Valenz des Verbs backen fordert, dass die erste Ergnzung (jemand) im Nominativ steht
und die zweite Ergnzung (etwas) im Akkusativ. Auerdem gibt die Valenz von backen auch semantische Bedingungen fr die Ergnzungen vor: Bei der Ergnzung im Nominativ handelt es sich um das
Agens (= Tter), d.h. sie muss das semantische Merkmal Person/Institution aufweisen, die Ergnzung im Akkusativ ist das Patiens (= von der Verbhandlung verndertes Objekt/Subjekt) und muss das
semantische Merkmal konkretes Objekt besitzen.
30
verbaler Kern
backt
Ergnzung im
Nominativ
Ottos Mutter
Ergnzung im
Akkusativ
einen Erdbeerkuchen
Abbildung 5: Darstellung eines Valenzverhltnisses durch einen durchgezogenen Pfeil am Beispiel des Verbs
backen
31
Nur im ersten Satz ist es ein Pronomen mit der entsprechenden deiktischen Funktion, d.h. hier
Stellvertreter fr das Substantiv Bier. Im Folgenden werden die verschiedenen Verwendungsweisen
von es vorgestellt.
3.3.1 Es als Pronomen
Beispiel: Otto holt sich ein Bier. Er trinkt es gensslich.
Ein pronominales es ist an folgenden Eigenschaften zu erkennen:
Es als Pronomen vertritt eine Nominalphrase (d.h. im einfachsten Fall ein Substantiv) und ist
durch diese zu ersetzen: z.B. Er trinkt das Bier gensslich.
Weil das pronominale es fr eine Nominalphrase steht, ist es auch erfragbar: z.B. Was trinkt
er gensslich?
Das pronominale es kann im Mittelfeld stehen: Er trinkt es gensslich.
Falls es das Subjekt vertritt, kann es auch im Vorfeld stehen: *Es trinkt er gensslich. bzw.
(Das Kind spielt.) Es lacht laut dabei.
Syntaktische Funktion eines pronominalen es: Satzglied (Ergnzung)
Darstellung im Baumgraph am Beispielsatz Er trinkt es gensslich:
S.
verbaler Kern
trinkt
Angabe
gensslich
32
verbaler Kern
es geht
verbaler Kern
belsst es
Anmerkung:
Ein es als Scheinsubjekt oder Scheinobjekt wird auch Pseudoaktant bzw. unpersnliches es oder
expletives es genannt (vgl. Gallmann 2009: 822f., Pittner/Berman 2004: 128).
3.3.4 Es als Platzhalter (auch Vorfeld-es)
Beispiel: Es besuchen ihn pltzlich zwei Freunde.
Ein es als Platzhalter ist an folgenden Eigenschaften zu erkennen:
33
Ein es als Platzhalter steht nur im Vorfeld. Bei einer Verschiebeprobe fllt dieses es immer
weg:
z.B. Pltzlich besuchen ihn zwei Freunde.
Das Platzhalter-es hat die Funktion, das Vorfeld bei einem V2-Satz zu besetzen, wenn alle
Satzglieder im Mittel- bzw. Nachfeld stehen.
Es als Platzhalter ist nicht durch eine Nominalphrase zu ersetzen und auch nicht erfragbar.
Syntaktische Funktion von es als Platzhalter: Im grammatischen Sinne ist es nicht Teil des Satzes,
deshalb ist es nicht im Baumgraph darstellbar und wird stattdessen im Kommentar zum Satz
erwhnt.
Darstellung im Kommentar zum Baumgraph am Beispielsatz Es besuchen ihn pltzlich zwei Freunde:
S.
verbaler Kern
besuchen
Angabe
pltzlich
34
Syntaktische Funktion von es als Korrelat: Ein Korrelat kndigt den gesttzten Nebensatz nur an, im
grammatischen Sinne ist das Korrelat nicht Teil des Satzes, deshalb ist es nicht im Baumgraph
darstellbar und wird stattdessen im Kommentar zum Satz erwhnt.
Darstellung im Kommentar zum Baumgraph am Beispielsatz Otto schtzt es, dass auch sie gerne Bier
trinken:
S.
verbaler Kern
schtzt
Ergnzung im Nominativ
Otto
Ergnzung im Akkusativ
dass auch sie gerne Bier trinken
Anmerkung:
Neben es bernehmen auch manche Pronominaladverbien wie darber, darunter, dabei die Funktion
eines Korrelats, z.B. Otto freut sich darber, dass seine Freunde kommen. Zu den Korrelaten siehe
auch S. 96.
35
36
Vorfeld
LSK
Mittelfeld
RSK
Nachfeld
(2) Und von den Mdchen meldeten sich nur zwei ab.
(3) Am Anfang, als das Projekt noch freiwillig war, haben sich die Lehrer gefragt, wie viele Schler
wohl mitmachen wrden.
37
bung: Es
Bestimmen Sie die Funktion von es in den folgenden Stzen:
1.
Vor der Wohnungstr lag ein Telegramm. Er hob es auf, legte es vor sich auf den Kchentisch
und frhstckte weiter.
2.
Pltzlich gibt es irgendwo frischen Blumenkohl, Salatgurken, oder ein fliegender Hndler bietet
neuerdings aus dem Kofferraum seines Polski Fiat Bananen an.
3.
4.
Kauko Nyyssnen fing an, seine Tante Linnea als einen groartigen Menschen zu preisen, er
bekannte, da er es ohne die alte Frau in seinem Leben nicht einmal zu dem gebracht htte, was
er jetzt war.
5.
6.
Es war einundzwanzig Monate her, da er das letztemal diese Worte gehrt hatte.
7.
"Warum schlft dein Kind im Flur?" fragte Dallow. Die junge Frau errtete und sagte: "[] nur fr
heute nacht. Sonst schlft es bei mir im Zimmer.
8.
9.
38
4. Kapitel
Themen:
1. Valenzunabhngige Satzglieder: Typen von Angaben
2. komplexe verbale Kerne: Funktionsverbgefge und feste verbale Wendungen
39
verbaler Kern
trinkt
Aadv
Aadv
langsam im Wohnzimmer
40
Adverbialklasse Semantische
Untergruppe
modal
modal i.e. S.
graduierend
komitativ
(Begleitung und
Gegenteil)
instrumental
kausal
kausal i.e. S.
konditional
final
konzessiv
(unwirksamer
Grund)
konsekutiv (Folge)
erfragbar
durch
wie? auf welche Weise?
wie sehr?
mit wem?
ersetzbar
durch
so
Beispiel
so
mit + Pers.
Pron.
womit?
damit
warum?
weshalb?
weswegen?
in welchem
Fall?
wozu? zu
welchem
Zweck?
trotz wessen?
darum,
deshalb,
deswegen
in diesem
Fall
dazu
mit welcher
Folge?
trotzdem
Tabelle 9: Semantische Untergruppen von Adverbialen nach Pittner/Berman 2004: 38 und Gallmann 2009: 783785.
41
S.
verbaler Kern
trinkt
Aprd
gut gekhlt
42
S.
Amod
vielleicht
S (= Restsatz)
verbaler Kern
trinkt
Aadv
im Wohnzimmer
Alim
In Bezug auf Bier
verbaler Kern
ist
43
Eigenschaft von
Subjekt oder Objekt
Sprechereinstellung Gltigkeitsfestlegung
Aadv
Aprd
Amod
Alim
44
Fgungen wie zur Sprache bringen werden als Funktionsverbgefge bezeichnet, solche wie ins Auge
fassen als Redewendung / Phraseologismus. Im Folgenden wird dargestellt, wie Funktionsverbgefge
und Phraseologismen definiert werden.
4.2.1 Funktionsverbgefge (FVG)
Ein (prototypisches) Funktionsverbgefge erkennt man an folgenden Kriterien:
1. FVG bestehen aus einem substantivischen Element und einem Verb:
z.B. in Verbindung + setzen; in Betrieb + nehmen; in Angst + versetzen
Das Verb hat seine Bedeutung verloren, es trgt v.a. grammatische Funktion. Der
Bedeutungsschwerpunkt liegt auf dem substantivischen Element, das von einem Verb
stammt.
2. FVG sind durch ein einfaches Verb ersetzbar.
z.B. zur Sprache bringen = ansprechen, Rache nehmen = sich rchen; zur bereinstimmung
kommen = bereinstimmen
3. Das substantivische Element kann nicht durch ein Pronomen ersetzt werden.
z.B. Otto und Willi bringen ihre Wnsche zur Sprache. *Otto und Willi bringen sie dorthin.
Der Arzt versetzt Otto in Angst. *Der Arzt versetzt Otto dahin.
Zur Abgrenzungsproblematik:
Die Grenze zwischen einem Funktionsverbgefge und einem normalen Verb, das mit einem Akkusativ oder einem Prpositionalgefge zu einer gebruchlichen Wendung verbunden ist, lsst sich
manchmal nur schwer ziehen. Es knnen zwar einige Kriterien fr die Abgrenzung von Funktionsverbgefgen angegeben werden; sie treffen indessen regelmig nicht fr alle Mitglieder dieser Gruppe
zu. (Hentschel/Weydt 2003: 85f.)
Syntaktisch kann ein Funktionsverbgefge als Ganzes als verbaler Kern betrachtet werden:
Z.B.: Der Arzt versetzt Otto in Angst.
S.
verbaler Kern
versetzt in Angst
45
Eine Aktionsart bezeichnet die Verlaufsweise des Vorgangs, die Art, wie dieser vor sich geht (Erben
1972: 69).
Beim Vergleich der beiden Stze
1. Otto und Willi kommen zu einer bereinstimmung.
2. Otto und Willi stimmen berein.
fllt auf, dass der zweite Satz mit dem einfachen Verb bereinstimmen einen Zustand ausdrckt, ber
dessen Verlaufsweise im Sinne von Beginn Dauer Ende nichts ausgesagt wird. Im ersten Satz dagegen drckt das FVG zu einer bereinstimmung kommen aus, dass die Verbalhandlung gerade erst
beginnt.
Zur Beschreibung der Aktionsarten von Funktionsverbgefgen gengt folgende Auswahl, eine
ausfhrlichere Liste der Aktionsarten findet man beispielsweise bei Hentschel/Weydt 2003: 41f.
Funktionsverbgefge sind nur eine sprachliche Mglichkeit zum Ausdruck von Aktionsarten, weitere
Mglichkeiten bietet u.a. die Wortbildung (z.B. aufblhen verblhen) oder syntaktische Fgungen
(z.B. beginnen zu blhen aufhren zu blhen).
Auswahl an Aktionsarten:
1. durativ: der Vorgang/der Zustand wird als andauernd beschrieben, z.B. in Verbindung sein
2. terminativ: der Vorgang/der Zustand wird als zeitlich begrenzt beschrieben, z.B. in Verbindung
kommen
3. kausativ: der Vorgang/der Zustand wird als von jemandem verursacht beschrieben, z.B. in
Verbindung setzen
4.2.2 Redewendungen/Phraseologismen
Auch manche Redewendungen bzw. Phraseologismen knnen wie Funktionsverbgefge einen
komplexen verbalen Kern bilden. Hier werden nur einige Kriterien aufgefhrt, anhand derer
Redewendungen/Phraseologismen erkannt werden knnen.
Erkennungsmerkmale fr Redewendungen/Phraseologismen
Die Gesamtbedeutung kann nicht aus den einzelnen Komponenten erschlossen werden. Sie
mssen als feste Wortverbindung gelernt werden.
ins Auge fassen, das Bett hten, auf die Palme bringen
46
S.
verbaler Kern
fasst ins Auge
47
bung: Angaben
Aufgabe: Bestimmen Sie die Angaben in den Stzen 1, 4 und 8 des folgenden Textes. Halten Sie Ihre
Ergebnisse in den vorgezeichneten Baumgraphen fest!
HAINERS WELT
Vom kleinen Herzogenaurach aus spielt der Adidas-Vorstandsvorsitzende in der Champions League
der Sportartikelindustrie
Mnchen (2) Am liebsten wre er Fuballprofi geworden, aber dafr hat mein Talent nicht ganz
gereicht, sagt Herbert Hainer. (3) Immerhin kickte der Metzgerssohn aus dem niederbayerischen
Dingolfing einige Zeit in der dritthchsten Liga. (4) Als Manager spielt er hingegen seit sieben Jahren
in der Champions League. (5) Hainer ist Vorstandsvorsitzender der Adidas AG, dem im Dax notierten
grten europischen Sportartikelhersteller. (6) Der sitzt in Herzogenaurach, dem 22 000-EinwohnerStdtchen eine halbe Autostunde nordwestlich von Nrnberg. (7) Hainer hat einmal erzhlt, bei
seinem ersten Besuch habe er sich geschworen, niemals nach Herzogenaurach zu ziehen. (8)
Inzwischen ist er dort lngst geschftlich wie privat heimisch geworden. (Sddeutsche Zeitung, 23.
Juli 2008)
Satz 1: Vom kleinen Herzogenaurach aus spielt der Adidas-Vorstandsvorsitzende in der Champions
League der Sportartikelindustrie.
Grobanalyse: Es liegt ein einfacher Aussagesatz mit Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (als Baumgraph):
S.
48
Satz 4: Als Manager spielt er hingegen seit sieben Jahren in der Champions League.
Grobanalyse: Es liegt ein einfacher Aussagesatz mit Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (als Baumgraph):
S.
VK
spielt
Enom
er
Satz 8: Inzwischen ist er dort lngst geschftlich wie privat heimisch geworden.
Grobanalyse: Es liegt ein einfacher Aussagesatz mit Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (als Baumgraph):
S.
S'
Hilfsverb (HV)
ist
VK
geworden
Enom
er
Prdikativergnzung
(Eprd)
heimisch
49
2.
3.
50
4.
Das Regal kam pltzlich zu Fall und begrub den Schreibtisch unter sich.
FVG: ______________________________ Aktionsart: __________________________________
Begrndung: ____________________________________________________________________
______________________________________________________________________________
5.
6.
7.
8.
9.
51
5. Kapitel
Themen:
1. Verbale Valenz
2. Dative
52
Unter der qualitativen Valenz versteht man die syntaktischen Realisierungsmglichkeiten der
Leerstellen. Die Anzahl der Ergnzungsklassen, die die Leerstellen besetzen knnen, wird je nach
Grammatik unterschiedlich angesetzt; meist jedoch werden sieben bis neun Klassen unterschieden
(vgl. Eisenberg 2006: 62-65, Pittner/Berman 2004: 35-39, VALBU 2004: 30), die hier im Folgenden
vorgestellt werden.
Kasusbestimmte Ergnzungsklassen
1. Nominativergnzung (Enom): Otto lacht.
Enom entspricht weitgehend dem Subjekt (bei Stzen im Aktiv). Sie kongruiert mit dem Verb.
ersetzbar z.B. durch die Pronomen jemand, etwas, er, sie, es
2. Akkusativergnzung (Eakk): Otto trinkt ein Bier.
ersetzbar z.B. durch die Pronomen jemanden, etwas, ihn, sie, es
3. Dativergnzung (Edat): Otto spendiert seinem Freund ein Bier.
ersetzbar z.B. durch die Pronomen jemandem, etwas, ihm, ihr
4. Genitivergnzung (Egen): Der Arzt verdchtigt Otto des Biertrinkens.
ersetzbar z.B. durch die Pronomen jemandes, etwas, dessen
(Genitivergnzungen sind im Sprachgebrauch recht selten, hufig in der Rechtssprache oder
in gehobener Stilebene: Er erinnert sich seiner Jugend. statt Er erinnert sich an seine Jugend)
Prpositionale Ergnzungsklassen
5. Adverbialergnzung (Eadv): Otto stellt das Bierglas auf den Tisch.
Eadv geben lokale, temporale oder modale Umstnde an.
ersetzbar z.B. durch die Pronomen irgendwo, -wohin, -woher, -wann
6. Prpositionalergnzung (Eprp): Otto freut sich auf sein Bier.
Die Prposition ist bedeutungsleer, d.h. auf hat in dem Beispiel keine lokale Bedeutung.
ersetzbar z.B. durch Prposition + jemand bzw. da(r)- + Prposition
Sonstige Ergnzungsklassen
7. Mensuralergnzung (Emens): (Otto ist grer als Willi.) Er misst einen Meter achtzig.
Emens ist eine Mabestimmung, die durch eine akkusativische Nominalphrase oder ein
Adjektiv realisiert wird.
Ersetzbar z.B. durch das Pronomen soviel
8. Propositionalergnzung (Eprop): Otto sagt, dass er Bier trinkt. / Es heit, Otto trinke zuviel
Bier.
Eprop kommt nur bei Verben des Sagens/Meinens/Denkens vor. Der Inhalt des Gesagten /
Gemeinten / Gedachten kann nur satzfrmig realisiert werden oder durch Pronomen wie
das/etwas ersetzt werden.
Otto sagt, dass er Bier trinkt. *Otto sagt sein Biertrinken.
(Wichtig: Eine Propositionalergnzung muss satzfrmig realisiert sein, aber nicht jede
satzfrmig realisierte Ergnzung ist eine Propositionalergnzung, wie folgendes Beispiel
zeigt: Otto freut sich, dass er Bier trinkt. Otto freut sich ber sein Biertrinken. Hier zeigt die
Umformbarkeit in eine nicht-satzfrmige Realisierung, dass das Verb sich freuen eine
Prpositionalergnzung fordert.)
9. Prdikativergnzung (Eprd):
Otto ist ein Genieer. Otto ist klug.
Als Subjektsprdikativum bezieht sich die Eprd auf das Subjekt.
53
Der Arzt schimpft Otto einen Dummkopf. Der Arzt nennt Otto dumm.
Als Objektsprdikativum bezieht sich die Eprd auf ein Objekt.
Eine Eprd ist immer zweiter Teil einer sog. ist-Prdikation, die bei einem Objektsprdikativum
allerdings verdeckt ist: Der Arzt schimpft: Otto ist ein Dummkopf.
Typische Verben fr Prdikativergnzungen sind die Kopulaverben sein, werden, bleiben. Die
Prdikativergnzungen sind hier substantivisch oder adjektivisch realisiert.
Bei anderen Verben mit einer Eprd kann die Eprd auch als Prpositionalphrase oder
Vergleichspartikelphrase realisiert sein, also durch ein Fgteil angeschlossen sein:
Die Vereinsmitglieder whlen Otto zum Schriftfhrer.
Der Arzt bezeichnet Otto als Dummkopf.
5.1.2. Inhaltsseitige Valenz: semantische und logische Valenz
Unter der semantischen Valenz versteht man die semantischen Beschrnkungen der Leerstellenbesetzer. D.h. das Verb legt fr seine Mitspieler bestimmte semantische Merkmale fest. Bezogen auf
die ausdrucksseitige Valenz ist folgender Satz grammatisch:
*Der Tisch trinkt einen Apfel.
Dieser Satz verletzt aber die semantischen Beschrnkungen des Verbs trinken:
Die Nominativergnzung muss das semantische Merkmal [+belebt] aufweisen. Hier sollte
also eine Person oder ein Tier stehen.
Die Akkusativergnzung muss das semantische Merkmal [+flssig] aufweisen.
D.h. der Satz *Der Tisch trinkt einen Apfel. ist insgesamt betrachtet ungrammatisch, da die semantische Valenz des Verbs nicht beachtet wird.
Unter der logischen Valenz versteht man folgenden Sachverhalt: Aufgrund seiner logischen Struktur
gibt das Verb eine bestimmte Anzahl an Leerstellen vor, die in einer bestimmten auersprachlich
festgelegten Beziehung zum Prdikat (=verbaler Kern) stehen.
Die logische Struktur des Verbs trinken gibt zwei Leerstellen vor, wobei der eine Mitspieler der Verursacher des Prdikatgeschehens ist und der andere Mitspieler direkt von dem Prdikatgeschehen
betroffen ist.
Diese verschiedenen Beziehungen zum Prdikat bezeichnet man als Argumentklassen oder auch semantische Rollen. Die Unterteilung in semantische Rollen unterscheidet sich im Detail hufig von
Autor zu Autor. Folgende Liste versucht einen gemeinsamen Konsens der am hufigsten erwhnten
semantischen Rollen abzubilden (vgl. Pittner/Berman 2004: 50f., Eisenberg 2006: 75f.):
1.
Agens (auch Agentiv)
Verursacher eines Geschehens: z.B. Otto trinkt Bier.
2.
Adressat (auch Rezipient)
Empfnger / der vom Geschehen Betroffene: z.B. Otto ruft seinen Freund an.
3.
Patiens (auch Thema)
direkt vom Geschehen betroffener Mitspieler, der oft bewegt oder verndert wird: z.B. Otto
trinkt Bier.
4.
Experiencer
Trger eines mentalen oder emotionalen Prozesses: z.B. Otto liebt Bier.
5.
Stimulus
Auslser eines mentalen oder emotionalen Prozesses: z.B. Otto gefllt seine Stammkneipe.
54
6.
7.
8.
9.
Lokativ
Ort, an dem das Geschehen stattfindet: z.B. Otto wohnt in Wrzburg.
Direktiv
Ort bzw. Richtung, auf den bzw. die das Geschehen gerichtet ist: z.B. Otto stellt sein Bier auf
den Tisch.
Instrumental
Mittel, das fr das Geschehen eingesetzt wird: z.B. Otto ffnet die Flasche mit dem Feuerzeug.
Instrumentale sind allerdings i.d.R. keine vom Verb geforderten Mitspieler sondern Angaben.
(vgl. Tabelle 9)
Benefizient
Nutznieer des Geschehens: z.B. Otto kauft seinem Freund ein Bier.
Wie bei den Instrumentalen handelt es sich bei Benefizienten meist um valenzunabhngige
Angaben.
55
b)
Wichtig:
Leerstellen, die das Verb aufgrund seiner Valenz erffnet, mssen in einer konkreten Verwendungssituation nicht unbedingt besetzt werden, d.h. Ergnzungen mssen nicht realisiert sein. Im
entsprechenden Kontext ist nahezu jede Ergnzung weglassbar, wenn sie aus der Situation
erschlossen werden kann. So erffnet beispielsweise das Verb trinken zwei Leerstellen (Otto trinkt
Bier). Im Befehlssatz Trink! ist jedoch keine dieser Leerstellen besetzt.
5.1.3 Verbalisieren eines Baumgraphen
Die hierarchischen Strukturen eines Satzes, d.h. die Konstituenz-, Dependenz- und Valenzverhltnisse
(siehe S. 29f.), knnen bersichtlich in Form eines Baumgraphen dargestellt werden (siehe z.B. Abb.
20). Wie ein solcher Baumgraph verbalisiert werden kann, soll hier am Beispielsatz Otto trinkt heute
frnkisches Bier. erlutert werden.
56
Enom
Otto
Eakk
frnkisches
Bier
Nominalgruppe
(NGr)
nominaler
Kern (NK)
Bier
die Nominativergnzung
Otto und die
Akkusativergnzung
frnkisches Bier.
Die Akkusativergnzung
ist realisiert als
Nominalgruppe.
Die Nominalgruppe
besteht aus dem
nominalen Kern Bier.
Kommentar
Konstituenz wird als
besteht aus verbalisiert
VK
trinkt
verbalisierter Baumgraph
Der Aussagesatz
besteht aus
Dependenzverhltnis wird
als regiert in einem
Dependenzverhltnis
verbalisiert
zu den Satzgliedteilen siehe
Kapitel 8
Baumgraph
S.
Abbildung 20: Baumgraph und verbalisierter Baumgraph am Beispielsatz Otto trinkt heute frnkisches Bier
5.2 Dative
Dativphrasen, d.h. Nominalphrasen, die in einem nicht von einer Prposition geforderten Dativ
stehen, nehmen unterschiedliche syntaktische Funktionen ein. Im Folgenden werden diese verschiedenen Typen von Dativen aufgefhrt und besprochen, nach der Vorstellung der einzelnen Dativtypen
folgt eine bersicht ber die Dativtypen samt Kriterien (siehe S. 61).
Als eine der Ergnzungsklassen ist bereits die Dativergnzung Edat erwhnt worden. Dieser Dativ ist
als Ergnzung valenzabhngig. Die brigen Dativtypen werden hufig als freie Dative bezeichnet, da
sie nicht valenzabhngig sind. Allerdings wird die Frage der syntaktischen Funktion fr einzelne
Dative in der Wissenschaft diskutiert, nachzulesen u.a. in Pittner/Berman 2007: 55-59.
57
VK gibt aus
Enom
Otto
Eakk
ein Bier
Edat
seinem
Freund
Abbildung 21: Darstellung eines Dativobjekts im Baumgraph am Beispiel Otto gibt seinem Freund ein Bier aus.
Enom
Otto
Aadv
seinem Freund
Eakk
ein Bier
Abbildung 22: Darstellung eines Dativus commodi im Baumgraph am Beispiel Otto kauft seinem Freund ein Bier.
58
Aadv
seinem Freund
Enom
das Bierglas
Abbildung 23: Darstellung eines Dativus incommodi im Baumgraph am Beispiel Seinem Freund kippt das
Bierglas um.
VK trinkt
Enom
Eakk
Otto zu viel Bier
Abbildung 24: Darstellung eines Dativus iudicantis im Baumgraph am Beispiel Otto trinkt seinem Arzt zu viel
Bier.
59
Erste Ansicht: Der Pertinenzdativ ist ein eigenes Satzglied. Je nach Valenz des Verbs kann der Pertinenzdativ dann eine valenzabhngige Ergnzung oder eine valenzunabhngige Angabe sein. Dafr
spricht, dass man ein Rezipientenpassiv mit dem Pertinenzdativ als Nominativphrase im Passiv bilden
kann (zum Passiv siehe Kapitel 9):
Otto schttelt ihm die Hand. Er bekommt die Hand von Otto geschttelt.
Zweite Ansicht: Der Pertinenzdativ ist kein Satzglied, sondern Teil der Bezugsgre. Dafr spricht,
dass man den Pertinenzdativ immer durch ein Possessivpronomen bzw. ein Substantiv im Genitiv
ersetzen kann und dass Pertinenzdativ und Bezugsgre zusammen pronominalisierbar sind:
Otto schttelt seine Hand/Otto schttelt die Hand des Freundes. Otto schttelt sie.
Bei dieser Ansicht ist der Pertinenzdativ ein Satzgliedteil, d.h. ein Attribut (Satzgliedteile werden im
8. Kapitel unter nominaler Valenz besprochen).
Pertinenzdativ als Satzglied:
S.
VK schttelt
Enom
Otto
Aadv
ihm
Eakk
die Hand
VK schttelt
Enom
Otto
Eakk
ihm die Hand
Abbildung 25: Darstellung eines Pertinenzdativs im Baumgraph am Beispiel Otto schttelt ihm die Hand. Beim
linken Baumgraph wird die Ansicht wiedergegeben, dass der Pertinenzdativ ein Satzglied sei, beim rechten
Baumgraph wird der Pertinenzdativ als Satzgliedteil betrachtet.
Amod mir
Amod nicht
60
Dativobjekt
ja
Dativus
commodi
ja
Dativus
incommodi
ja
beides
beides
nein
Das
geschieht
im
Interesse
von
nein
Possessivbestimmung
Besonderheit
nein
syntaktische
Funktion
Edat
Beispielstze
Otto gibt
seinem
Freund ein
Bier aus.
Aadv
Otto
kauft
seinem
Freund
ein Bier.
Dativus
iudicantis
ja
Pertinenzdativ
ja
beides
beides
beides
Das
geschieht
zum
Nachteil
von
nein
Der
Meinung
nach
nein
nur
pronominal
nein
nein
ja
nein
kombiniert
mit zu/allzu
+ Adjektiv
oder nicht +
Adjektiv +
genug
Amod
Bezugsgre i.d.R.
Krperteil
oder
Kleidungsstck
Satzglied
(Ergnzung
oder
Angabe)
bzw.
Satzgliedteil
(Attribut)
Otto
schttelt
seinem
Freund die
Hand.
Aadv
Otto kippt
seinem
Freund das
Bierglas
um.
Otto trinkt
seinem Arzt
zu viel Bier.
Dativus
ethicus
nein
Amod
Du trinkst
mir heute
nicht!
61
62
bung: Ergnzungen
Aufgabe: Bestimmen Sie die ausdrucksseitige Valenz der Verben in folgenden Stzen. Ergnzen Sie
auerdem die entsprechenden Baumgraphen!
1. Auch viele andere chirurgische Techniken harren noch einer konsequenten Prfung. (FAZ,
Mittwoch / 03.01.2007 / Nr. 2 / Seite N2)
S.
VK
Aadv
noch
Enom
Auch viele anderer
chirurgische Techniken
2. Zum Start ins neue Jahr schenkte mir ein nicht minder guter Freund das 460 Seiten starke Werk
"Der Gentleman - Handbuch der klassischen Herrenmode". (Berliner Zeitung, 03.01.2000, S. 04)
VK
Aadv
Zum Start ins
neue Jahr
63
3. "Ich achte auf meine Statistik", sagt Horst Purtschick. In seinem abgegriffenen Schulheft stehen
die Rundengewinne von Rennen aus DDR-Zeiten. (Berliner Zeitung, 10.01.2000, S. 24)
Grobanalyse: Beim ersten Satz (S1) handelt es sich um einen komplexen Aussagesatz. Es liegt
ein Satzgefge mit dem Hauptsatz sagt Horst Purtschick und dem Nebensatz Ich achte auf
meine Statistik vor.
Beim zweiten Satz liegt ein einfacher Aussagesatz mit Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (Darstellung der Stze als Baumgraph):
S1.
VK
S2.
VK
64
4. (Zwar sind aussichtsreiche Geschftsideen derzeit Mangelware, ein Konzept aber sollte geprft
werden: die Grndung eines Clubs fr geschasste Chefs von Telekom-Firmen.) Diese Zielgruppe
wird nmlich immer grer. (Berliner Zeitung, 24.06.2002, S. 25)
Grobanalyse: Bei dem Satz Diese Zielgruppe wird nmlich immer grer liegt ein einfacher
Aussagesatz in Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (Darstellung des Satzes als Baumgraph)::
S.
S'
Amod
nmlich
VK
Grobanalyse: Bei dem Satz Doch Palast handelt es sich um einen durch die Konjunktion doch
eingeleiteten einfachen Aussagesatz..
Feinanalyse (Darstellung des Satzes als Baumgraph):
S.
Aadv
eines Tages
VK
Aadv
aus
Machtsucht
65
Grobanalyse: Bei dem Satz Eine Portion Euro liegt ein einfacher Aussagesatz in
Verbzweitstellung vor.
Feinanalyse (Darstellung des Satzes als Baumgraph):
S.
VK
Aadv
dort
66
bung: Dative
Aufgabe: Bestimmen Sie die Dativphrasen und deren Funktionen in den folgenden Stzen!
1. Die Feldmaus schadet dem Getreide.
Dativphrase: _____________________________
Funktion:
_____________________________
Kriterien:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Baumgraph:
_____________________________
Kriterien:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Baumgraph:
67
_____________________________
Kriterien:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Baumgraph:
4. (Lisa lie den Umschlag sinken.) Trnen stiegen ihr in die Augen.
Dativphrase: _____________________________
Funktion:
_____________________________
Kriterien:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Baumgraph:
68
_____________________________
Kriterien:
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
____________________________________________________________
Baumgraph:
69
6. Kapitel
Themen:
1. Genitive: Typen, Paraphrasen und syntaktische Funktion
2. Hilfs-, Modal- und Modalittsverben
3. Das Reflexivpronomen
6.1 Genitive
Im 5. Kapitel kommt der Genitiv als Genitivergnzung vor (siehe S. 53), z.B. Otto beschuldigt Willi des
Lgens. Weit hufiger kommt der Genitiv jedoch als Teil eines Satzgliedes vor, z.B. Die Anschuldigungen des Arztes rgern Otto. Um solche Genitivphrasen, die Satzgliedteile sind, geht es in diesem
Abschnitt.
Als Satzgliedteil ist ein Genitiv immer von einem Kernsubstantiv abhngig:
Beispiel: Die Anschuldigungen des Arztes rgern Otto.
Nominativergnzung bestehend aus dem Kernsubstantiv Die Anschuldigungen und der
Genitivphrase des Arztes
Die mglichen Beziehungen zwischen Kernsubstantiv und Genitiv sind vielfltig und werden mit
verschiedenen Termini bezeichnet. Um die inhaltlichen Beziehungen zwischen Kernsubstantiv und
Genitiv zu verdeutlichen, bildet man eine Paraphrase, d.h. man bildet einen Satz, der Kernsubstantiv
und Genitiv enthlt. Anhand dieser Paraphrase ist dann der Genitivtyp zu bestimmen. Die folgende
Darstellung orientiert sich an Gallmann 2009: S. 824-832.
6.1.1 Possessiver Genitiv im weiten Sinn
Allen possessiven Genitiven im weiten Sinn ist gemeinsam, dass der Genitiv durch ein Possessivpronomen (mein, dein, sein/ihr) ersetzbar ist. So kann man beispielsweise statt Ottos Bier auch sein
Bier sagen. Innerhalb der possessiven Genitive im weiten Sinne unterscheidet man folgende Typen:
Genitivus possessivus
Beispiel: Ottos Bier (steht im Khlschrank.)
Semantisch drckt der Genitivus possessivus eine Zugehrigkeit im weitesten Sinne aus.
Paraphrase: Das Bier gehrt Otto.
Merkmale des Genitivus possessivus:
Paraphrase mit gehren o..
Das Kernsubstantiv wird zur Nominativergnzung in der Paraphrase
Genitivus subiectivus:
Beispiele:
Ottos Trinkerei (rgert seinen Arzt.)
Die Bitterkeit des Bieres (schmeckt Otto.)
Semantisch zeichnet sich der Genitivus subiectivus dadurch aus, dass das Kernsubstantiv auf
ein Verb (oder ein Adjektiv) bezogen werden kann. Der Genitiv bernimmt in der Paraphrase
die Subjektstelle.
Paraphrase: Otto trinkt. / Das Bier ist bitter.
Kapitel 6: Genitive / Hilfs-, Modal- und Modalittsverben / Reflexivpronomen
70
71
72
Paraphrase:
Beispiel
Paraphrase mit
Genitivus
possessivus
Ottos Bier
Genitivus
subiectivus
Ottos
Trinkerei
die Bitterkeit
des Bieres
das ffnen
einer
Bierflasche
gehren o..:
Das Bier gehrt
Otto.
dem Kernsubstantiv
als Verb oder sein:
Otto trinkt.
Das Bier ist bitter.
dem Kernsubstantiv
als Verb:
Jemand ffnet eine
Bierflasche.
Hersteller/Urheber:
Die frnkischen
Braumeister sind
Hersteller des
Bieres.
Genitivus
obiectivus
Kernsubstantiv
wird zu in der
Paraphrase
Enom
Genitiv wird
zu in der
Paraphrase
Besonderheiten
verbaler Kern
bzw.
Eprd
Enom
verbaler Kern
Eakk
Kernsubstantiv ist
eine deverbale oder
deadjektivische
Wortbildung
Kernsubstantiv ist
eine deverbale
Wortbildung
Genitivus
auctoris
Enom
Genitiv des
Produkts
Produkt:
Das Bier ist ein
Produkt der
Braumeister.
Genitivus
qualitatis
Bier erster
Gte
Enom
Eprd
Genitivus
explicativus
die Form
einer Kugel
sein:
Das Bier ist erster
Gte. / Das Bier ist
erstklassig.
sein:
Eine Kugel ist eine
(Art) Form.
Eprd
Enom
Genitivus
partitivus
Teil:
Die Hlfte ist Anteil
des Bieres als
Ganzem.
Enom
Enom
73
74
6.2.2 Hilfsverben
Hilfsverben (auch Auxiliare genannt) werden zur Bildung von bestimmten Tempus- und Modusformen und zur Bildung der Passivformen eingesetzt. (Pittner/Berman 2004: 18)
Hilfsverben treten in Kombination mit dem Infinitiv oder dem Partizip II eines Voll- oder Kopulaverbs
auf.
Beispiele:
1. Otto hat Bier getrunken. Tempusbildung
2. Otto wrde nie Jasmintee trinken. Modusbildung
3. Das Bier wurde von Otto getrunken. Diathesenbildung
Das Dependenzverhltnis zwischen Hilfsverb (abgekrzt als HV) und verbalem Kern wird im
Baumgraph so dargestellt:
S.
HV
wrde
Aadv
nie
VK
trinken
Enom
Eakk
Otto Jasmintee
Abbildung 27: Darstellung eines Hilfsverbs im Baumgraph am Beispiel Otto wrde nie Jasmintee trinken.
6.2.3 Modalverben
Die Modalverben knnen, drfen, mssen, sollen, wollen, mgen ergnzen das Modalsystem, indem
sie eine Mglichkeit, Fhigkeit, Erlaubnis o.. bezeichnen.
Modalverben treten in Kombination mit dem einfachen Infinitiv eines Voll- oder Kopulaverbs auf.
Beispiele:
1. Otto darf jetzt kein Bier mehr trinken.
2. Otto soll ein Biertrinker sein.
Modalverben zeichnen sich durch verschiedene morphologische Besonderheiten aus, u.a.
durch die Bildung der 3. Person Singular ohne -t: Otto will trinken.
durch die Bildung des Perfekts mit dem sog. Ersatzinfinitiv: Otto hat ein Bier trinken wollen
(nicht gewollt).
dadurch, dass der Konjunktiv-II von mgen hufig als Indikativ empfunden wird: Otto mchte
ein Bier trinken.
75
Modalverben werden als MV im Baumgraph abgekrzt. Die Darstellung sieht beispielsweise so aus:
S.
MV
soll
VK
sein
Enom
Eprd
Otto
ein Biertrinker
Abbildung 28: Darstellung eines Modalverbs im Baumgraph am Beispiel Otto soll ein Biertrinker sein.
76
ModV
pflegt
Aadv
dauernd
VK
zu trinken
Enom Eakk
Otto Bier
Abbildung 29: Darstellung eines Modalittsverbs im Baumgraph am Beispiel Otto pflegt dauernd Bier zu trinken.
Dativ
Sg.
mir
dir
sich
Genitiv
Pl.
Sg.
uns meiner
euch deiner
sich seiner
Pl.
unser
eurer
ihrer
77
VK
schmt sich
Enom
Otto
Abbildung 30: Darstellung einer unmotivierten Reflexivkonstruktion am Beispiel Otto schmt sich.
Es gibt auch Argumente, die dafr sprechen, ein Reflexivpronomen bei reflexiven Verben im engeren Sinne als
eine Art formales Objekt zu behandeln, weitere Informationen siehe Pittner/Bermann 2004: 136f.
78
Darstellung im Baumgraph:
S.
VK
kauft
S.
Aadv
sich
Enom
Eakk
Otto ein Bier
VK
wscht
Enom Eakk
Otto sich
Abbildung 31: Darstellung einer motivierten Reflexivkonstruktion am Beispiel Otto kauft sich ein Bier und Otto
wscht sich.
Reziproke Verwendungsweise
Bei reflexiv gebrauchten Verben kann wenn das Subjekt eine Menge bzw. ein Kollektiv bezeichnet
abhngig von der Verbbedeutung ein reziproker Gebrauch des Reflexivpronomens vorliegen. Das
Reflexivpronomen kann zur Verdeutlichung mit gegenseitig verbunden werden und statt des
Reflexivpronomens kann in solchen Konstruktionen das reziproke Pronomen einander verwendet
werden: Otto und Willi begrten sich. Otto und Willi begrten sich gegenseitig. Otto und Willi
begrten einander.
Auch dieses Reflexivpronomen ist ein Satzglied in der Funktion einer Ergnzung oder einer Angabe.
Darstellung im Baumgraph:
S.
VK
begrten
Enom
Eakk
Otto und Willi sich
Abbildung 32: Darstellung einer reziproken Konstruktion am Beispiel Otto und Willi begrten sich.
79
unmotivierte
Reflexivkonstruktion
Otto ruspert sich laut.
motivierte
reziproke Konstruktion
Reflexivkonstruktion
Otto stellt sich dem Kunden Otto und Willi helfen
vor.
sich.
ersetzbar
nein
ja
ja
*Otto ruspert Willi laut. Otto stellt Willi dem Kunden Otto und Willi helfen
vor.
ihren Freunden.
anreihbar
nein
ja
ja
*Otto ruspert sich und
Otto stellt sich und Willi
Otto und Willi helfen sich
Willi laut.
dem Kunden vor.
und ihren Nachbarn.
ersetzbar durch
nein
nein
ja
einander
*Otto ruspert einander. *Otto stellt einander dem
Otto und Willi helfen
Kunden vor.
einander.
Tabelle 14: Kriterien zur Unterscheidung von motivierten, reziproken und unmotivierten Konstruktionen mit
Reflexivpronomen.
Wichtig
Viele Verben kommen in unterschiedlicher Bedeutung sowohl als reflexive Verben im engeren Sinne
(d.h. als unmotivierte Reflexivkonstruktion) wie auch als reflexiv gebrauchte Verben (d.h. als motivierte Reflexivkonstruktion) vor. Bei den verschiedenen Testverfahren muss man darauf achten, dass
die Bedeutung des Verbs gleich bleibt.
Beispiel:
1. etw. beklagen: ber einen Verlust, Todesfall Empfindungen des Schmerzes, der Trauer in
[lauten] Worten uern (DUW s.v. beklagen)
2. sich ber etw. beklagen: jmdm. gegenber sein Unzufriedenheit ber ein Unrecht o..
klagend uern. (DUW s.v. sich beklagen)
Bei dem Satz (In der Kneipe gibt es keinen Kartoffelsalat mehr). Deshalb beklagt sich Otto laut. liegt
die unmotivierte Reflexivkonstruktion sich beklagen (siehe Bedeutung 2 im DUW) vor, d.h. Otto
uert seine Unzufriedenheit darber, dass es keinen Kartoffelsalat mehr gibt. Bei diesem Satz fhrt
Kapitel 6: Genitive / Hilfs-, Modal- und Modalittsverben / Reflexivpronomen
80
die Ersatzprobe zwar zu einem grammatikalisch korrekten Satz (wie beispielsweise Deshalb beklagt
Otto sein Fehlen laut.), allerdings hat sich die Bedeutung des Verbs gendert, da hier beklagen im
Sinne von Bedeutung 1 im DUW realisiert wird. Insgesamt gesehen funktioniert die Ersatzprobe also
nicht, so dass sich sich beklagen als unmotivierte Reflexivkonstruktion bestimmen lsst.
81
bung: Genitive
Aufgabe: Bestimmen Sie in den folgenden Stzen die Genitivphrase, fhren Sie dann davon eine
Paraphrase durch und bestimmen Sie den Genitiv.
1.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
2.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
3.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
4.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
5.
Die punischen Kriege, die sich ber ein Jahrhundert (264146 v. Chr.) hinstreckten,
endeten mit der Zerstrung Karthagos.
Genitivphrase:
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
82
6.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
7.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
8.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
9.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
10.
________________________________________________________
Paraphrase:
________________________________________________________
Genitivus ___________
83
84
bung: Reflexivpronomen
Aufgabe: Welche Konstruktion mit dem Reflexivpronomen liegt in den folgenden Stzen vor?
1. Sie hatte sich vor einem Jahr in den USA niedergelassen.
____________________________________________________________________
Baumgraph:
S.
Aadv vor einem Jahr
HV hatte
VK niedergelassen
Enom sie
S.
VK wnschte
Enom er
3. Angelika und Aribert wollten sich vor kurzem einen Toaster kaufen.
____________________________________________________________________
4. Ich sagte: "Verpisst euch doch alle."
____________________________________________________________________
5. Er ist auch in Marggrabowa geboren, wie Vater, sie kennen sich seit ihrer Jugend.
____________________________________________________________________
85
6. Und schon hier sprtest du, wie methodisch er darauf aus war, sich blozustellen.
____________________________________________________________________
7. Wusstest du, dass sich viele Stars vor der Oscar-Verleihung Botox in die Achselhhlen
spritzen, damit sie keine Schweiflecken kriegen?
____________________________________________________________________
8. Nach einigem berlegen lsen sich viele Probleme wie von selbst.
____________________________________________________________________
86
7. Kapitel
Themen:
1. Einfache und komplexe Stze
2. Ausbau der Satzglieder zu Nebenstzen bzw. satzwertigen Konstruktionen
3. Grobanalyse
87
Der Hauptsatz ist der Teilsatz, der keinem anderen Teilsatz untergeordnet ist (im Beispiel Otto freut
sich). Ein Nebensatz ist ein Teilsatz, der einem anderen Teilsatz das kann der Hauptsatz oder auch
ein Nebensatz sein untergeordnet ist (im Beispiel dass er gleich ein Bier bekommt).
88
Prdikativsatz
Umstandsergnzungssatz
Beispiel
Wer bei Otto zu Gast ist, trinkt bevorzugt Bier.
Man bezichtigt Otto, dass er zu gerne Bier trinkt.
Wem er will, gibt Otto ein Bier aus.
Otto trinkt, was aus Hopfen und Malz gebraut ist.
Otto freut sich, dass es zum Mittagessen Schnitzel
gibt.
Otto denkt, dass es morgen Schnitzel zum
Mittagessen gibt.
Otto ist, was man einen Biertrinker nennt.
Wo man singt, lass dich ruhig nieder.
89
Rein uerlich knnen Relativpronomen bzw. -adverb und Interrogativpronomen bzw. -adverb
identisch sein. Ein Interrogativpronomen bzw. -adverb ist jedoch daran zu erkennen, dass kein
Bezugselement hinzugefgt werden kann: *Derjenige, der mit ihm ein Bier trinken geht, fragt sich
Otto. / *Dort, wo es das beste Bier gibt, will Otto wissen.
Uneingeleitete Ergnzungsstze sind V2-Stze, es handelt sich dabei meist um uneingeleitete
indirekte Rede. Solche Nebenstze knnen in eingeleitete Ergnzungsstze umformuliert werden:
7. Otto behauptet, er trinke kaum Bier.
Umformulierung zu einem eingeleiteten Ergnzungssatz: Otto behauptet, dass er kaum Bier
trinke.
Auch Angabestze treten eingeleitet und uneingeleitet auf. Eingeleitet werden Angabestze durch
eine Reihe von Subjunktionen (z.B. weil, dass, obwohl, whrend, wenn, als, nachdem etc.) oder durch
Relativpronomen bzw. -adverbien.
8. Otto trinkt Bier, obwohl es ihm schadet.
9. Otto kauft, wem er will, ein Bier.
Hinzufgung eines Bezugselements zum Relativpronomen wem: Otto kauft jedem, dem er
will, ein Bier. (Hier liegt ein Dativus commodi vor, siehe S. 58)
10. Otto trinkt Bier, wo er es gemtlich findet.
Hinzufgung eines Bezugselements zum Relativadverb wo: Otto trinkt dort Bier, wo er es
gemtlich findet.
Uneingeleitete Angabestze sind V1-Stze. Zur Bestimmung ihrer Semantik (siehe 7.1.3) empfiehlt es
sich, sie in eingeleitete Angabestze umzuformulieren:
11. Isst Otto in seiner Stammkneipe, nimmt er immer das Jgerschnitzel.
Umformulierung zu einem eingeleiteten Angabesatz: Wenn Otto in seiner Stammkneipe isst,
nimmt er immer das Jgerschnitzel.
Satzglied-Stze ohne finites Verb: Infinitiv- oder Partizipkonstruktionen
Ergnzungs- und Angabestze knnen auerdem auch ohne finites Verb formuliert werden. Man
spricht dann von (satzwertigen) Infinitiv- bzw. Partizipkonstruktionen.
Beispiele:
1. Infinitivkonstruktion:
Der durch die Subjunktion dass eingeleitete Nebensatz (Otto hofft,) dass er heute Abend Bier
trinkt. enthlt das finite Verb trinkt.
Als Infinitivkonstruktion lsst sich dieser Nebensatz auch so formulieren: (Otto hofft,) heute
Abend Bier zu trinken.
2. Partizipkonstruktion:
Ebenso lsst sich der Nebensatz Als Otto aus der Kneipe zurckkehrte, (trank er noch einen
Absacker) in eine Partizipkonstruktion ohne finites Verb umformulieren: Aus der Kneipe
zurckgekehrt, (trank er noch einen Absacker). bzw. Aus der Kneipe zurckkehrend, (trank er
noch einen Absacker).
Die Beispiele zeigen die typischen Eigenschaften von Infinitiv- oder Partizipkonstruktionen:
Da das finite Verb fehlt, gibt es keine Informationen ber Person, Numerus, Tempus und
Modus
Ein Einleitewort fehlt zumeist.
Diese Eigenschaften bewirken, dass Infinitiv- und Partizipkonstruktionen oft mehrdeutig sind, insbesondere in Bezug auf die semantische Klassifikation von Adverbialen.
Kapitel 7: Ausbau der Satzglieder zu Nebenstzen
90
91
92
Eine Parenthese ist ein unabhngiger Einschub (in Form eines Satzes, einer Wortgruppe), der in einen anderen
Satz eingebettet ist.
93
Satzrelativstze zhlen als Satzglieder, auch wenn sie kaum erststellenfhig sind: *Wofr er eine
Runde zahlen muss, kommt Otto zu spt. Aber sie sind ersetzbar: Mit dieser Folge kommt Otto zu
spt.
Pittner / Bermann fassen die Sonderstellung der Satzrelativstze wie folgt zusammen:
Weiterfhrende Nebenstze [= Satzrelativstze] stellen einen bergang zwischen der Unterordnung
und der Nebenordnung dar. Einerseits sind sie formal untergeordnet, sie haben alle Verbendstellung,
aber andererseits sind sie inhaltlich eher nebengeordnet bzw. weiterfhrend. Deshalb kann man sie
auch in selbstndige Verbzweitstze umwandeln. (Pittner / Bermann 2004: 114)
Die semantische Besonderheit, dass Satzrelativstze inhaltlich eher nebengeordnet bzw.
weiterfhrend oder sogar bergeordnet sind, lsst sich an folgenden Beispielen zeigen:
1. Otto kommt zu spt, wofr er eine Runde zahlen muss.
Otto kommt zu spt und muss eine Runde zahlen.
Otto kommt zu spt. Deshalb muss er eine Runde zahlen.
Dieser Satzrelativsatz ist semantisch betrachtet nebengeordnet bzw. weiterfhrend.
2. Otto will ab sofort auf seinen Bierkonsum achten, worber sich sein Arzt freut.
Sein Arzt freut sich darber, dass Otto ab sofort auf seinen Bierkonsum achten will.
Dieser Satzrelativsatz ist semantisch betrachtet bergeordnet.
7.2.3.1 Syntaktische Funktion von Satzrelativstzen
Satzrelativstze sind Angabestze. Es kann sich um eine Modalitts- oder um eine Adverbialangabe
handeln:
1. Satzrelativsatz als Modalittsangabe:
Kommentierende Satzrelativstze, die in einen bergeordneten Satz umgeformt werden
knnen und die hufig durch ein Adverb ersetzbar sind, sind Modalittsangaben:
Otto will ab sofort auf seinen Bierkonsum achten, worber sich sein Arzt freut.
Sein Arzt freut sich darber, dass Otto ab sofort auf seinen Bierkonsum achten will.
Erfreulicherweise will Otto ab sofort auf seinen Bierkonsum achten.
2. Satzrelativsatz als Adverbialangabe:
Satzrelativstze, die nicht kommentieren, sondern Umstnde oder Folgen des bergeordneten Satzes angeben, sind Adverbialstze.
Bei dem Beispiel Otto kommt zu spt, wofr er eine Runde zahlen muss. handelt es sich um
eine konsekutive Adverbialangabe.
7.2.3.2 Semantische Klassifikation von Satzrelativstzen
In Abhngigkeit von der syntaktischen Funktion der Satzrelativstze unterscheidet man folgende
semantische Klassen:
1. Modalittsangabe:
Eine Modalittsangabe gibt die Sprechereinstellung wieder oder kommentiert den
bergeordneten Satz.
2. Adverbialangabe:
Bei einem Satzrelativsatz als Adverbialangabe liegen die selben semantischen Klassen wie bei
einem Satzglied-Satz als Adverbialangabe vor, siehe S. 91.
94
7.2.4 bersicht ber die syntaktische Funktion und Semantik von Nebenstzen
Nebenstze
mit
Satzgliedfunktion
Teil eines
Satzgliedes
valenzabhngig
valenzunabhngig
Ergnzungsstze:
SubjektObjektUmstandsergnzungsPrdikativsatz
Attributsatz
Semantik
syntaktische Funktion
Nebenstze
Adverbialsatz
Subjekt(d.h. Aadv /
ObjektEadv)
Prdikativsatz
Temporal-,
Lokal-,
Kausal-,
Konzessiv-,
Konditional-,
Final-,
Konsekutiv-,
Vergleichs-,
Grad-,
Modalsatz
Inhaltssatz
nichtrelativer
Attributsatz
relativer
Attributsatz
(Relativsatz)
Satzrelativsatz
Modalittsangabe
Adverbialangabe
Sprechereinstellung
/ Kommentar
siehe
Adverbialsatz
95
7.3 Grobanalyse
Die sog. Grobanalyse ist der erste Schritt einer vollstndigen Satzanalyse. Eine Grobanalyse besteht
aus folgenden Schritten:
1. Bestimmung der kommunikativen Funktion eines Satzes:
Liegt ein Aussage-, Frage-, Aufforderungs-, Ausrufe- oder Wunschsatz vor? (vgl. S. 19)
2. Bestimmung der Komplexitt eines Satzes:
Ist der zu analysierende Satz ein einfacher oder ein komplexer Satz?
3. Bei komplexen Stzen:
Handelt es sich bei dem zu analysierenden Satz um eine Satzreihe oder ein Satzgefge?
3.1 Bei Satzreihen nennt man die einzelnen Teilstze.
3.2 Bei Satzgefgen bestimmt man den Hauptsatz und den Nebensatz oder die Nebenstze
3.3 Bei Satzgefgen gibt man auerdem die syntaktische Funktion und Semantik jedes
Nebensatzes an.
An die Grobanalyse schliet sich eine Feinanalyse an. Hier werden die hierarchischen Strukturen des
zu analysierenden Satzes bestimmt, d.h. die Konstituenz-, Valenz- und Dependenzverhltnisse
angegeben. Dies kann in Form eines Baumgraphen oder eines Textes geschehen.
Beispiel fr eine Grobanalyse
Am folgenden Beispiel wird eine vollstndige Grobanalyse demonstriert:
Da statisches Dehnen nach dem Sport die Regeneration der Muskulatur behindert, weil die
Blutversorgung eingeschrnkt wird, rt der Fachmann, darauf zu verzichten und stattdessen lieber
locker auszulaufen. (Main Post, 27.8.2010)
96
Der vorliegende Satz ist ein komplexer Aussagesatz. Es ist ein Satzgefge. Der Hauptsatz lautet rt
der Fachmann. Diesem Hauptsatz ist der Nebensatz Da statisches Dehnen nach dem Sport die
Regeneration der Muskulatur behindert untergeordnet, dem seinerseits der Nebensatz weil die
Blutversorgung eingeschrnkt wird untergeordnet ist. Auerdem ist dem Hauptsatz auch noch die
Nebensatzreihe darauf zu verzichten und stattdessen lieber locker auszulaufen untergeordnet.
Diese Nebensatzreihe besteht aus den durch die Konjunktion und syndetisch verbundenen Teilstzen
darauf zu verzichten und stattdessen lieber locker auszulaufen. Diese Teilstze sind als
Infinitivkonstruktionen realisiert.
Zur syntaktischen Funktion und Semantik der Nebenstze
Der Nebensatz Da statisches Dehnen nach dem Sport die Regeneration der Muskulatur
behindert ist ein adverbialer Angabesatz (Aadv), die semantische Klasse ist kausal.
Der Nebensatz weil die Blutversorgung eingeschrnkt wird ist ebenfalls ein adverbialer
Angabesatz (Aadv), die semantische Klasse ist kausal.
Die Nebensatzreihe liegt als Infinitivkonstruktion vor, die folgendermaen in einen
eingeleiteten Satz umformuliert werden kann: rt der Fachmann, dass man darauf
verzichtet und dass man stattdessen lieber locker ausluft. Die Teilstze der
Nebensatzreihe sind Objektstze mit der Semantik Inhaltssatz.
97
Verbalisierung
Der Aussagesatz
S.
besteht aus
VK
freut sich
Enom
Otto
Eprp
FT (Subj.) dass + ES
Aadv
zum
Mittagessen
VK
es gibt
Eakk
Schnitzel
Abbildung 35: Darstellung eines Ergnzungssatzes am Beispiel Otto freut sich, dass es zum Mittagessen
Schnitzel gibt. im Baumgraph und dessen Verbalisierung
S.
VK
trinkt
Enom
Otto
Aadv
FT (Subj.) obwohl + AS
Eakk
Bier
VK
schadet
Enom
es
Edat
ihm
Abbildung 36: Darstellung eines adverbialen Angabesatzes am Beispiel Otto trinkt Bier, obwohl es ihm schadet.
im Baumgraph.
98
S.
MV
will
Amod
AS
Aadv
ab sofort
VK
achten
Enom
Otto
VK
sich freut
Enom
sein Arzt
Eprp
worber
Eprp
auf seinen Bierkonsum
Abbildung 37: Darstellung eines Satzrelativsatzes (Semantik Sprechereinstellung) am Beispiel Otto will auf
seinen Bierkonsum achten, worber sich sein Arzt freut. im Baumgraph.
99
Kapitel 7: bung zur Bestimmung der syntaktische Funktion und Semantik von Nebenstzen
100
Kapitel 7: bung zur Bestimmung der syntaktische Funktion und Semantik von Nebenstzen
101
5. Die Journalisten fragten sich verwundert, ob die Mauer tatschlich geffnet werden soll.
Grobanalyse: komplexer Aussagesatz, Satzgefge:
Hauptsatz: _____________________________________________________________________
Nebensatz: _____________________________________________________________________
syntaktische Funktion: ___________________________________________________________
semantische Klasse: _____________________________________________________________
6. Die Lsung lautet, stark vereinfacht, 42.
Grobanalyse: komplexer Aussagesatz, Satzgefge:
Hauptsatz: _____________________________________________________________________
Nebensatz: _____________________________________________________________________
Kapitel 7: bung zur Bestimmung der syntaktische Funktion und Semantik von Nebenstzen
102
9. Otto, der gerne Bier trinkt, geht hufig in die Kneipe, worber ich mich nicht wundere.
Grobanalyse: komplexer Aussagesatz, Satzgefge:
Hauptsatz: _____________________________________________________________________
1. Nebensatz: ___________________________________________________________________
syntaktische Funktion: ___________________________________________________________
semantische Klasse: _____________________________________________________________
2. Nebensatz: ___________________________________________________________________
syntaktische Funktion: ___________________________________________________________
semantische Klasse: _____________________________________________________________
Kapitel 7: bung zur Bestimmung der syntaktische Funktion und Semantik von Nebenstzen
103
8. Kapitel
Thema:
Aufbau von Satzgliedern
Einleitung
Der folgende Satz enthlt ein komplexes Satzglied:
Noch vor zwei Wochen htte sich kaum jemand fr die Meinung der liberaldemokratischen Partei
ber die Zukunft von Britanniens Atomstreitmacht in Form von vier alternden U-Booten mit
Nuklearraketen interessiert. (SZ, 23. 4. 2010)
(Dass es sich hierbei um ein Satzglied handelt, zeigen die Verschiebe- und Ersatzprobe: Fr die Meinung der liberaldemokratischen Partei ber die Zukunft von Britanniens Atomstreitmacht in Form von
vier alternden U-Booten mit Nuklearraketen htte sich noch vor zwei Wochen kaum jemand
interessiert. Dafr htte sich noch vor zwei Wochen kaum jemand interessiert.)
In diesem Kapitel werden folgende Fragen beantwortet:
Wie sind solche komplexen Satzglieder aufgebaut?
Welche Arten von Satzgliedteilen gibt es?
Welche Realisierungsmglichkeiten und Stellungsregeln gibt es fr die Satzgliedteile?
8.1 Aufbau von Satzgliedern
Ein Satzglied ist eine funktionale Einheit eines Satzes. Satzglieder werden formal als Gruppen, d.h. als
Nominalgruppen, Adjektivgruppen bzw. Adverbgruppen, realisiert oder wenn es sich um SatzgliedStze handelt als Ergnzungs- oder Angabestze. So ist die Prdikativergnzung in den folgenden
Beispielen einmal als Nominalgruppe (Beispiel 1: ein Biertrinker), einmal als Adjektivgruppe (Beispiel
2: sehr durstig) und einmal als Prdikativsatz (Beispiel 3: was man einen passionierten Biertrinker
nennt) realisiert:
1. Otto ist ein Biertrinker.
2. Otto ist sehr durstig.
3. Otto ist, was man einen passionierten Biertrinker nennt.
Den Kern einer Gruppe bilden Inhaltswrter, meist erkennt man ihn intuitiv. Sonst kann die Weglassprobe helfen, den Kern einer Gruppe zu bestimmen. Um einen grammatisch korrekten Satz zu
erhalten, reicht in vielen Fllen der Kern bzw. bei einem substantivischen Kern das Substantiv plus
Artikel/Pronomen (vgl. Gallmann 2009: 768).
1. Otto ist seinem Vater hnlich 4. Otto ist hnlich. (d.h. hnlich ist der Kern des komplexen
Satzgliedes seinem Vater hnlich)
2. Der Kauf des Bieres ist schnell erledigt. Der Kauf ist schnell erledigt.
3. Die Bitterkeit des Bieres schmeckt Otto. Die Bitterkeit schmeckt Otto.
4. Der Zweck des Biertrinkens ist unwichtig. Der Zweck ist unwichtig.
5. Otto trinkt nur dieses helle Bier vom Fass. Otto trinkt nur Bier.
Allerdings knnen manche valenzabhngigen Attribute (siehe unten) zu adjektivischen Kernen
obligatorisch sein, dann funktioniert die Weglassprobe nicht:
6. Otto ist seine Sorgen los. *Otto ist los.
7. Otto ist dem Wirt seiner Stammkneipe 40 Euro schuldig. ?Otto ist schuldig.
4
Kerne sind in der Schrift blau markiert, Satzgliedteile sind rot und fett markiert.
104
Die Gruppen werden nach der Wortart des Kernes benannt. Eine Gruppe kann auch nur aus ihrem
Kern bestehen, wie Beispiel 3 zeigt:
1. Nominalgruppe (bei Substantiven und Pronomen): Das frnkische Bier (ist lecker.)/ Es (ist
lecker.)
2. Adjektivgruppe: (Otto ist) seinem Vater hnlich.
3. Adverbgruppe: (Das Bier steht) dort.
Einfache Satzglieder
Einfache Satzglieder werden als eine Nominal-, Adjektiv- oder Adverbialgruppe realisiert, die nur aus
dem nominalen, adjektivischen oder adverbialen Kern besteht. Die Darstellung dieses Konstituenzverhltnisses im Baumgraph wird an dem Beispielsatz Otto luft schnell dorthin. erlutert:
S.
VK
luft
Aadv
AdjGr
Enom
NGr
Eadv
AdvGr
NK
Otto
AdvK
dorthin
AdjK
schnell
Verbalisierung:
Der Aussagesatz besteht aus dem verbalen Kern luft und
einer modalen Adverbialangabe (Aadv).
Die Adverbialangabe ist als eine Adjektivgruppe (AdjGr)
realisiert, die aus dem adjektivischen Kern (AdjK) schnell
besteht.
Der verbale Kern regiert in einem Valenzverhltnis eine
Nominativergnzung Enom und eine Adverbialergnzung Eadv.
Die Nominativergnzung ist als eine Nominalgruppe (NGr)
realisiert, die aus dem nominalen Kern (NK) Otto besteht, und
die Adverbialergnzung ist als eine Adverbgruppe (AdvGr)
realisiert, die aus dem adverbialen Kern (AdvK) dorthin
besteht.
Abbildung 38: Darstellung des Aufbaus einfacher Satzglieder am Beispiel Otto luft schnell dorthin.
Da von den nominalen, adjektivischen oder adverbialen Kernen einfacher Satzglieder keine Satzgliedteile abhngig sind, ist eine verkrzte Notierung mglich, wenn diese Satzglieder nicht durch Fgteile
angeschlossen werden.
S.
VK
luft
Enom
Otto
Aadv
schnell
Eadv
dorthin
Abbildung 39: Der Beispielsatz Otto luft schnell dorthin. in verkrzter Notierung (vgl. Abb. 38)
105
Komplexe Satzglieder
Die Nominal-, Adjektiv- bzw. Adverbialgruppen als Realisierungen komplexer Satzglieder bestehen
aus einem Kern und zustzlichen Satzgliedteilen:
z.B.:
1a) einfaches Satzglied: (Otto trinkt) Bier.
b) komplexes Satzglied: (Otto trinkt) nur dieses helle Bier vom Fass.
c) komplexes Satzglied: Selbst Otto (trinkt Bier.)
2a) einfaches Satzglied: (Otto trinkt) rasch (ein Bier.)
b) komplexes Satzglied: (Otto trinkt) sehr rasch (ein Bier.)
8.2. Satzgliedteile
Man unterscheidet bei Satzgliedteilen vier syntaktische Funktionen:
1. Determinative, z.B. dieses Bier
2. Attribute, z.B. das Bier vom Fass, Ottos Trinkerei, seinem Vater hnlich
3. Intensivierer, z.B. sehr rasch
4. Fokusoperatoren, z.B. Selbst Otto
8.2.1 Determinative
Als Determinative werden definiter und indefiniter Artikel und Pronomina wie dieser, jener, kein,
sein, welcher bezeichnet. Substantive treten in der Regel mit einem Determinativ auf, so dass man
die Kombination Determinativ + Kernsubstantiv auch als minimale Nominalgruppe bezeichnen kann
(siehe Zifonun et al 1997: 1928ff.). D.h. das Satzglied ist als eine Nominalgruppe realisiert, die aus
einem nominalen Kern besteht, von dem in einem Dependenzverhltnis das kongruierende
Determinativ abhngt. Im Baumgraph wird das komplexe Satzglied also so dargestellt:
Verbalisierung:
Der Aussagesatz
besteht aus dem
S.
VK
trinkt
in einem Valenzverhltnis
Enom
NGr
Eakk
NGr
NK
Otto
NK
Bier
Det
dieses
Abbildung 40: Darstellung eines komplexen Satzgliedes mit Determinativ im Baumgraph am Beispielsatz Otto trinkt dieses
Bier. (Det = Abkrzung fr Determinativ)
Ohne Determinativ kommen Substantive in speziellen Fllen vor und zwar bei den meisten Eigennamen, bei Nicht-Zhlbarem, bei artikellosen Pluralen oder in Schlagzeilen.
106
107
Der Satzformulierungs-Test zeigt, dass helle und vom Fass Attribute sind und dieses und nur
keine Attribute sind.
2. Beispiel:
(Otto ist) auf seine Biersammlung stolz.
Der Kern des komplexen Satzgliedes auf seine Biersammlung stolz ist das Adjektiv stolz (siehe
oben, stolz als Kern kann nicht weggelassen werden: *Otto ist auf seine Biersammlung.).
Zwischen Kern und Satzgliedteil kann ein Satz formuliert werden, z.B. Der Stolz bezieht sich
auf seine Biersammlung. D.h. auf seine Biersammlung ist ein Attribut zum adjektivischen
Kern stolz.
Attribute sind potentiell attribuierbare Kerne.
1. Beispiel:
(Otto trinkt gerne) Wein aus Holzfssern.
(Otto trinkt gerne) Wein aus kleinen Holzfssern aus Eiche.
In der Nominalgruppe Wein aus Holzfssern ist aus Holzfssern ein Attribut zum nominalen
Kern Wein. Als Attribut kann der nominale Kern Holzfssern selber attributiert werden, z.B.
durch das Adjektiv kleinen oder durch die Prpositionalphrase aus Eiche.
2. Beispiel:
(Otto ist) auf seine Biersammlung stolz.
(Otto ist) auf seine groe Biersammlung aus Franken stolz.
Auf seine Biersammlung ist ein Attribut zum adjektivischen Kern stolz. Der nominale Kern
dieses Attributs Biersammlung kann durch die zwei Attribute groe und aus Franken
erweitert werden.
Darstellung im Baumgraph
Attribute stehen in einem Dependenzverhltnis zum nominalen, adjektivischen oder adverbialen
Kern, zur Darstellung im Baumgraph siehe Abbildung 41.
Wie diese Darstellung im Baumgraph (siehe Abbildung 41) zu lesen ist, wird am Satzglied ein frisch
gezapftes Bier und am Satzglied stolz auf seine Biersammlung erlutert:
Das Satzglied ein frisch gezapftes Bier ist eine Akkusativergnzung zum verbalen Kern spendierte. Die
Akkusativergnzung ist als Nominalgruppe ein frisch gezapftes Bier realisiert. Diese Nominalgruppe
besteht aus dem nominalen Kern Bier. Von diesem nominalen Kern sind in einem Dependenzverhltnis das Determinativ ein sowie das Attribut frisch gezapftes abhngig. Dieses Attribut ist als
Adjektivgruppe realisiert. Die Adjektivgruppe besteht aus dem adjektivischen Kern gezapftes. Der
adjektivische Kern gezapftes regiert in einem Dependenzverhltnis das Attribut frisch, das als eine
Adjektivgruppe realisiert ist, die nur aus dem adjektivischen Kern frisch besteht.
Das Satzglied stolz auf seine Biersammlung ist eine Prdikativangabe (Subjektsprdikativum, siehe S.
41). Die Prdikativangabe ist realisiert als eine Adjektivgruppe, die aus dem adjektivischen Kern stolz
besteht. Der adjektivische Kern stolz regiert in einem Dependenzverhltnis das Attribut auf seine
Biersammlung. Dieses Attribut ist als Fgteil (Prposition) auf und als Nominalgruppe seine Biersammlung realisiert. Diese Nominalgruppe besteht aus dem nominalen Kern Biersammlung, der in
einem Dependenzverhltnis das Determinativ seine regiert.
108
S.
VK
spendierte
Enom
NGr
Edat
NGr
Eakk
NGr
NK
Otto
NK
Gast
NK
Bier
Det
jedem
Attr
NGr
Det
ein
Attr
AdjGr
NK
Stammlokals
AdjK
gezapftes
Det
seines
Attr
AdjGr
Aprd
AdjGr
Aadv
AdvGr
AdjK
stolz
AdvK
gestern
Attr
Attr.
NGr
NK
Biersammlung
NK
Abend
Det
seine
AdjK
frisch
Abbildung 41: Darstellung von Attributen im Baumgraph am Beispielsatz Stolz auf seine Biersammlung spendierte Otto
gestern Abend jedem Gast seines Stammlokals ein frisch gezapftes Bier. (Attr. = Abkrzung fr Attribut)
109
VK
trinkt
Aadv
AdjGr
Enom
NGr
Eakk
NGr
AdjK
rasch
NK
Otto
NK
Bier
Int
sehr
Der verbale Kern trinkt regiert in einem Valenzverhltnis die Nominativergnzung Otto und die
Akkusativergnzung ein Bier. Die Nominativergnzung
ist als eine Nominalgruppe realisiert, die aus dem
nominalen Kern Otto besteht. Die Akkusativergnzung
ist auch als eine Nominalgruppe realisiert. Diese
Nominalgruppe besteht aus dem nominalen Kern Bier,
von dem in einem Dependenzverhltnis das Determinativ ein regiert wird.
Die Adverbialangabe sehr rasch ist als Adjektivgruppe
realisiert. Diese Gruppe besteht aus dem adjektivischen
Kern rasch, der in einem Dependenzverhltnis den
Intensivierer sehr regiert.
Det
ein
Abbildung 42: Darstellung von Intensivierern im Baumgraph am Beispielsatz Otto trinkt sehr rasch ein Bier (Int = Abkrzung
fr Intensivierer)
110
8.2.4 Fokusoperatoren
Fokuspartikeln (siehe S. 15) nehmen innerhalb von komplexen Satzgliedern die Funktion von Fokusoperatoren ein (siehe Eisenberg 2006: 232f.), z.B. die Fokuspartikeln selbst und sogar in den
folgenden Stzen:
1. Selbst Otto (trinkt Bier.)
2. (Bier ist) sogar gesnder und teurer als Wein.
Fokusoperatoren sind eine Konstituente von Nominal-, Adjektiv- oder Adverbgruppen. Gallmann
spricht davon, dass Fokuspartikeln an Phrasen angelagert werden (vgl. Gallmann 2009: 804). Sie
knnen vor oder nach der Gruppe, auf die sie sich beziehen, stehen (Allein Otto/Otto allein trinkt
Bier.). Der Fokus von Fokusoperatoren ist in geschriebenen Texten hufig unklar. Bezieht sich die
Fokuspartikel sogar im Satz 2 (Bier ist sogar gesnder und teurer als Wein.) nur auf das Adjektiv
gesnder oder auch auf das Adjektiv teurer? In einer konkreten Sprechsituation ergibt sich der Fokus
durch die Prosodie innerhalb der Gruppe, da das fokussierte Wort betont wird.
Die Darstellung von Fokusoperatoren im Baumgraph zeigt Abbildung 43:
Enom
NGr
FO
NK
selbst Otto
S.
S.
VK
trinkt
VK
ist
Eakk
NGr
NK
Bier
Enom
NG.
NK
Bier
Eprd
AdjGr.
FO
sogar
AdjK
gesnder
FT (Konj.) und
AdjK
teurer
Attr.
NK
Wein
Abbildung 43: Darstellung von Fokusoperatoren (Abkrzung FO) im Baumgraph an den Beispielstzen Selbst Otto trinkt
Bier. und Bier ist sogar gesnder und teurer als Wein.
Fokusoperatoren kommen in den Satzgliedern Selbst Otto und sogar gesnder und teurer als Wein
vor.
Die Nominativergnzung Selbst Otto in dem Beispielsatz Selbst Otto trinkt Bier. ist als Nominalgruppe
realisiert. Die Nominalgruppe besteht aus dem Fokusoperator Selbst und dem nominalen Kern Otto.
Die Prdikativergnzung sogar gesnder und teurer als Wein in dem Satz Bier ist sogar gesnder und
teurer als Wein. ist realisiert als Adjektivgruppe. Diese Adjektivgruppe besteht aus dem Fokusoperator sogar, dem adjektivischen Kern gesnder und dem adjektivischen Kern teurer. Die adjektivischen
Kapitel 8: Satzgliedteile und ihre syntaktische Funktion
111
Kerne gesnder und teurer werden durch die Konjunktion und syndetisch aneinandergefgt. Das
Attribut als Wein hngt in einem Dependenzverhltnis von den adjektivischen Kernen gesnder und
teurer ab. Das Attribut ist realisiert als Fgteil (Vergleichspartikel) als und als eine Nominalgruppe,
die nur aus dem nominalen Kern Wein besteht.
8.3 Zusammenfassung: Satzgliedteile in Satzgliedern
Ein komplexes Satzglied besteht aus einem adjektivischen, nominalen oder adverbialen Kern und
weiteren Satzgliedteilen. Den Kern eines komplexen Satzgliedes erkennt man entweder intuitiv oder
mit Hilfe der Weglassprobe (siehe 8.1).
Bei Satzgliedteilen unterscheidet man nach der syntaktischen Funktion zwischen Determinativen,
Attributen, Intensivierern und Fokusoperatoren.
Determinative sind an ihrer Wortart zu erkennen; es handelt sich entweder um den
definiten/indefiniten Artikel oder um ein Pronomen.
Intensivierer sind ebenfalls an ihrer Wortart zu erkennen. Gradpartikeln bernehmen diese
syntaktische Funktion.
Fokusoperatoren werden durch Fokuspartikeln realisiert.
Alle anderen Satzgliedteile sind Attribute. Attribute knnen verschiedenen Wortarten
angehren; es gibt sie in zahlreichen Realisierungsmglichkeiten (siehe unten).
Determinative, Intensivierer und Attribute stehen in einem Dependenzverhltnis zum
regierenden Kern.
Fokusoperatoren sind neben dem Kern Bestandteile der bergeordneten Gruppe.
8.5 Realisierungsmglichkeiten von Attributen
Die Realisierungsmglichkeiten von Attributen sind vielfltig. Die folgenden Beispiele listen die
hufigsten Mglichkeiten auf.
1. Das Attribut ist realisiert als Nominalgruppe; deren nominaler Kern ist ein Substantiv
im Genitiv: Ottos Bier; die Bitterkeit des Bieres
im Dativ: seinem Vater hnlich
im Akkusativ: (das) den Fluss berquerende (Boot)
in einem Prpositionalkasus: das Bier in der Flasche, Vorfreude auf sein Bier
2. Das Attribut ist realisiert als (weite) Apposition (zur Definition siehe Gallmann 2009: 979f.):
Otto, der leidenschaftliche Biertrinker, (trumt von einem Pils)
3. Das Attribut ist realisiert als Adjektivgruppe mit einem adjektivischen Kern:
vorangestellt (und flektiert): ein khles Bier, der rztliche Rat
nachgestellt (und unflektiert): Natur pur
4. Das Attribut ist realisiert als Adverb:
das Bier dort, die Rckkehr dorthin
5. Das Attribut ist realisiert als Nebensatz (= Satzgliedteil-Satz):
als Relativsatz: das Bier, das Otto gerade getrunken hat
als Subjunktionalsatz: die Hoffnung, dass er gleich ein Bier bekommt,...
als uneingeleitete indirekte Rede: der Wunsch, er mge damit aufhren,
als Infinitivkonstruktion: die Hoffnung, ein Bier zu bekommen,
6. Das Attribut ist realisiert als eine Nominalgruppe, die durch eine Vergleichspartikel angefgt ist:
mit der Vergleichspartikel wie: Schnell wie ein Verdurstender (trinkt Otto sein Bier).
mit der Vergleichspartikel als: (Otto kann) schneller (trinken) als sein Freund.
Kapitel 8: Satzgliedteile und ihre syntaktische Funktion
112
Ein Genitivattribut im Sinne von Eisenberg ist eine Nominalgruppe mit einem Substantiv im Genitiv als
nominalen Kern. Ein Prpositionalattribut ist eine mit einer Prposition als Fgteil angeschlossene
Nominalgruppe.
113
bung: Nominalgruppen
Aufgabe: Bestimmen Sie bei den markierten Satzgliedern den nominalen Kern und dessen
Satzgliedteile. Stellen Sie Ihr Ergebnis als Baumgraph dar.
VK
besteht
Aadv
Enom
NK
ihm
Enom
NGr
Eprd
NK
Pistazien
Attr.
AdjGr
AdjK
Gerstete
114
3. Auch die Feldmaus wird dem Getreide gefhrlich, obwohl sie viel kleiner als unser Hamster ist.
S.
VK
wird
Enom
Aadv
FT (Subj.) obwohl + AS
Eprd
VK
ist
Enom
sie
Eprd
VK
weicht aus
Enom
Azucena
Edat
115
5. Beim Einsatz der Ambulanzen mangele es an Kooperation. Die Sanitter wursteln teilweise ohne
rztliche Mitwirkung.
a) Beim Einsatz der Ambulanzen mangele es an Kooperation.
S.
Aadv
VK
mangele es
Eprp
FT (Prp) an + NGr
NK
Kooperation
Aadv
VK
wursteln
Aadv
teilweise
Enom
NGr
NK
Sanitter
Det
die
116
6. Kein Kind, das hierher kommt, hat nur eine Krankheit, sagt Stromilowa, die Chefin der
Station.
S.
VK
sagt
Enom
Eprop
ES
VK
hat
Enom
Eakk
NGr
FO
NK
nur Krankheit
Attr
AdjGr1
AdjK
eine
In dem Satz Kein Kind, das hierher kommt, hat nur eine Krankheit. ist eine ein Zahladjektiv und nicht der unbestimmte Artikel. Die Stelle des Determinativs zum Substantiv Krankheit ist hier unbesetzt, knnte jedoch durch ein
Pronomen wie diese ausgefllt werden: Kein Kind, das hierher kommt, hat nur diese eine Krankheit.
117
9. Kapitel
Thema:
Diathese: Aktiv und Passiv
An diesem Beispiel lsst sich Folgendes erkennen: Im Aktiv steht das Agens (Otto) im Nominativ, es
handelt sich um die Nominativergnzung. Das Patiens steht im Akkusativ, den Wein ist die Akkusativergnzung. Im Passiv dagegen ist das Agens als Prpositionalphrase (von Otto) realisiert, im
Gegensatz zum Aktivsatz kann im Passiv das Agens auch weggelassen werden:
- *Den Wein verschttete.
- Der Wein wurde verschttet.
Das Patiens steht im Passiv als Nominativphrase (der Wein). Agens und Patiens fungieren im Passivsatz nicht als Ergnzungen. Ergnzungen sind valenzabhngige Satzglieder, die Valenz eines Verbs
zeigt sich nur im Aktivsatz (vgl. 9.3). Allenfalls kann man von der Nominativphrase als Subjekt
sprechen, greift dabei aber auf ein anderes Grammatikmodell zurck.
Aktivsatz und Passivsatz kodieren also dieselben semantischen Rollen, aber ber unterschiedliche
syntaktische [Realisierungen]. (Eisenberg 2006: 124) Auerdem wird im Passiv das Agens prinzipiell
weglassbar.
Eine Passivbildung ist nur bei agentiven Verben mglich, d.h. bei Verben, deren Valenz eine Agensrolle beinhaltet (siehe obiges Beispiel Otto (Agens) verschttet den Wein (Patiens). Der Wein wird
von Otto verschttet.). Agenslose Verben knnen kein Passiv bilden (z.B. bekommen: Otto (Rezipient)
bekommt einen Mahnbrief (Patiens) *Ein Mahnbrief wird von Otto bekommen.).
Konversion
Die in Abb. 44 dargestellte Umschichtung der semantischen Rollen und der syntaktischen Realisierungen, die bei der Umwandlung vom Aktiv zum Passiv zu beobachten ist, bezeichnet man als Konversion (bzw. Konverse).
Die Konversion wirkt sich auch auf die Stellung der Satzglieder im Satz aus, da das Subjekt dazu
tendiert, am Satzanfang zu stehen:
Kapitel 9: Diathese
118
D.h. durch die Wahl eines Aktiv- oder Passivsatzes ergeben sich verschieden markierte
Satzgliedstellungen mit entsprechender Wirkung auf den einzelnen Satz und den sich daraus
ergebenden Text (weitere Informationen dazu sind unter den Stichwrtern Funktionale
Satzperspektive, Thema-Rhema-Progression zu finden, z.B. bei Eisenberg 2006: 134ff.).
Perspektivenwechsel
Ein weiterer Unterschied zwischen Aktiv und Passiv liegt in der Perspektive. Im Aktiv fokussiert der
Sprecher dadurch, dass das Agens (immer) genannt wird, das Handeln bzw. Verursachen: Otto verschttete den Wein. Im Passiv dagegen wird der Vorgangs- bzw. Prozesscharakter des Geschehens
betont, das Agens tritt in den Hintergrund (vgl. Eisenberg 2006: 129): Der Wein wurde verschttet.
Da im Passiv das Agens immer weglassbar ist, ist die Agensabgewandtheit eine charakteristische
Eigenschaft des Passivs. Sollte das Agens im Passiv doch genannt werden, fllt dies auch durch die
Realisierung als Prpositionalphrase besonders auf: Durch Otto wurde der Wein verschttet.
Kapitel 9: Diathese
119
Vorgangspassiv
Hilfsverb +
Part II
werden
Zustandspassiv
sein
Rezipientenpassiv bekommen
Subjekt im Passivsatz
Beispiel
Eakk (Aktiv)
Nominativphrase (Passiv)
Eakk (Aktiv)
Nominativphrase (Passiv)
Dativphrase (Aktiv)
Nominativphrase (Passiv)
Abbildung 46: bersicht ber die Bildungsweise von Vorgangs-, Zustands- und Rezipientenpassiv am
aktivischen Beispielsatz Der Arzt verbindet dem Hund die Pfote.
Kapitel 9: Diathese
120
Das Aktiv zeigt die Kombination von ausdrucksseitiger und inhaltsseitiger Valenz:
Aktiv
Beispielsatz
Otto
schttet
das Bier
in ein Glas.
inhaltsseitige
Agens
Patiens
Direktiv
Valenz
ausdrucksseitige Nominativphrase
Akkusativphrase
Prpositionalphrase
Valenz
Tabelle 17: Ausdrucksseitige und inhaltsseitige Valenz im Aktiv am Beispiel schtten
Im Passiv stimmt die Kombination von Inhaltsseite und Ausdrucksseite nicht mit der inhalts- und
ausdrucksseitigen Valenz des Verbs berein:
Passiv
Beispielsatz
Das Bier
wurde von Otto
in ein Glas
geschttet.
Inhaltsseite
Patiens
Agens
Direktiv
AusdrucksNominativphrase
Prpositionalphrase Prpositionalphrase
seite
Tabelle 18: Ausdrucksseite und Inhaltsseite im Passiv am Beispiel schtten
Der Vergleich der obigen Stze im Aktiv und Passiv zeigt, dass sich nur aus einem Aktivsatz die Valenz
eines Verbs korrekt bestimmen lsst. So gibt die Valenz des Verbs schtten z.B. vor, dass das Agens
im Nominativ stehen muss. Im Aktivsatz trifft das auch zu, im Passivsatz jedoch wird das Agens als
Prpositionalphrase realisiert. Aus diesem Grund muss man vor einer Valenzanalyse jeden Passivsatz
in einen Aktivsatz umformulieren. Am Aktivsatz wird dann die Valenzanalyse durchgefhrt. Um den
Passivsatz vollstndig zu analysieren, mssen auerdem noch die Transformationen, die beim Diathesenwechsel eintreten, beschrieben werden.
Exemplarische Analyse eines Passivsatzes
Die exemplarische Analyse des Satzes Das Bier wurde ausgetrunken. zeigt, wie man einen Passivsatz
analysiert. Im Vergleich zu der Analyse eines Aktivsatzes kommen die Punkte Umformulierung vom
Passiv zum Aktiv mit Begrndung und Transformationen beim Diathesenwechsel hinzu.
Beispiel: Das Bier wurde ausgetrunken.
1. Grobanalyse:
Es liegt ein einfacher Aussagesatz vor.
2. Umformulierung vom Passiv zum Aktiv (dabei Modus- und Tempus beachten) mit
Begrndung:
Da die Valenz eines Verbs und somit auch dessen Ergnzungen vom Aktiv aus
definiert sind, ist eine Valenzanalyse nur bei Verben im Aktiv sinnvoll. Deshalb wird
der Passivsatz vor der Feinanalyse in einen Aktivsatz umformuliert:
Jemand 6 trank das Bier aus.
Wenn das Agens im Passivsatz fehlt, wird der Aktivsatz durch ein mglichst inhaltsloses Agens (z.B. ein
Indefinitpronomen wie man oder jemand) ergnzt.
Kapitel 9: Diathese
121
VK
trank aus
Enom
[Jemand]
Eakk
das Bier
Abbildung 48: Baumgraph zu dem Satz Jemand trank das Bier aus. Die eckige Klammer um
Jemand signalisiert, dass die Leerstelle im vorliegenden Satz nicht konkret gefllt ist.
9.4 Passivkonkurrenzen
Die Leistungen des Passivs knnen auch durch andere Formulierungen erreicht werden, die man als
Passivkonkurrenzen bzw. Passivalternativen bezeichnet (vgl. Fabricius-Hansen 2009: 549f.). Hier eine
Auswahl hufiger Konkurrenzformen zum Passiv:
1. Funktionsverbgefge:
Das Gesetz kommt zur Abstimmung. (aktivisch: Die Abgeordneten stimmen ber das Gesetz ab.)
2. Reflexivpronomen sich als Passivkonkurrenz:
Die Tr ffnet sich. (aktivisch: Jemand ffnet die Tr.)
3. sich lassen + Infinitiv:
Das Buch lsst sich schnell lesen. (aktivisch: Man kann das Buch schnell lesen.)
4. sein + Infinitiv mit zu (= Modalittsverb sein):
Die Tr ist stets zu abzuschlieen. (aktivisch: Man muss die Tr stets abschlieen.)
Kapitel 9: Diathese
122
5.
Kapitel 9: Diathese
123
bung: Passivstze
Aufgaben:
a) Bestimmen Sie (anhand des Hilfsverb), ob in den Stzen ein Vorgangs-, Zustands- oder
Rezipientenpassiv vorliegt.
b) Formen Sie die Stze ins Aktiv um.
c) Bestimmen Sie, in welchem Tempus der jeweilige Satz steht.
(1)
a)
b)
c)
(2)
a)
b)
c)
(3)
a)
b)
c)
(4)
a)
b)
c)
124
(5)
a)
b)
c)
(6)
a)
b)
c)
(7)
a)
b)
c)
(8)
a)
b)
c)
(9)
a)
b)
c)
125
Analysieren Sie zunchst die Grobstruktur, formulieren Sie anschlieend unter Beachtung von Modus
und Tempus den Passivsatz in einen Aktivsatz um, bevor Sie eine Feinanalyse in Form eines Baumgraphen erstellen.
Grobstruktur:
126
Wir
werden
gefragt.
Nom.
Verb (fin.)
Akk.
Nom.
HV
Verb (Part.II)
Morphosyntaktisch: Die Eakk des Aktivsatzes wird zur Nominativphrase im Passivsatz, aber nicht zur
Enom. Die Enom des Aktivsatzes wird weglassbar und in unserem Beispiel auch weggelassen.
Satzsemantisch: Die Nominativphrase im Passivsatz wird erststellenfhig, ohne dass sie (wie
eventuell die Eakk des Aktivsatzes) in emphatischer Spitzenstellung steht. Dadurch wird ein
thematischer Anschluss an den Vorgngersatz mglich.
Konversion: Umkehrung der Blickrichtung des Sprechers bei gleich bleibendem Sachverhalt.
Aufgrund der Weglassbarkeit der Nominativergnzung (auf der Ebene der logischen Valenz: des
'Agens') wird das Passiv zur agensabgewandten Diathese. Das 'Resultat' wird fokussiert und
thematisiert.
Dadurch, dass das Passiv im Gegenwartsdeutschen eine analytische Verbform ist, bildet es eine
verbale Klammer, der verbale Kern (in Form eines Partizips II) kommt in die 'Eindrucksstellung'.
127
10. Kapitel
Thema:
Zeit und Tempus
Auf der Zeitachse knnen Vergangenheit (= vor dem jetzt), Gegenwart (= jetzt) und Zukunft (nach
dem jetzt) unterschieden werden. Gegenwart und Zukunft stehen dabei fr die Nicht-Vorzeit in
Bezug auf das Sprecher-Jetzt, die Vergangenheit fr die Vorzeit.
Der Sprechzeitpunkt dient dem Sprecher als bergeordneter Fix- oder Bezugspunkt beim Gebrauch
deiktischer Ausdrcke, die sich auf die Dimension Zeit beziehen. Der Sprechzeitpunkt das Jetzt
des Sprechers liegt auch der Einteilung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugrunde: alle
Geschehen, die vor diesem Zeitpunkt liegen, gehren aus Sicht des Sprechers der Vergangenheit, alle
anderen der Gegenwart oder Zukunft der Nichtvergangenheit an. Die Gegenwart lagert sich um
den Sprechzeitpunkt herum und ist nur vage begrenzt: sie umfasst aus der Sicht des Sprechers sein
Jetzt und Geschehen, die zu dem Zeitpunkt schon begonnen haben oder ablaufen. In die Zukunft des
Sprechers fallen Geschehen, die insgesamt nach dem Sprechzeitpunkt liegen, zum jeweiligen Sprechzeitpunkt also noch nicht begonnen haben. (Fabricius-Hansen 2009: 497f.)
Neben der Sprechzeit, d.h. dem Zeitpunkt des Sprechens bzw. Schreibens, braucht man, um die zeitliche Situierung zu beschreiben, auch die sog. Aktzeit und die sog. Betrachtzeit. Unter der Aktzeit
(auch Geschehenszeit) versteht man den Zeitpunkt oder das Zeitintervall des verbalisierten Geschehens; die Betrachtzeit (auch Orientierungszeit) nimmt Bezug auf einen weiteren Zeitpunkt bzw.
auf ein weiteres Zeitintervall (vgl. Eisenberg 2006: 111). In dem Beispielsatz Otto wusste 1990 noch
128
nicht, dass er zehn Jahre spter nach Nrnberg ziehen wrde. ist die Sprechzeit der Zeitpunkt der
uerung des Satzes, die Aktzeit fr den Prozess des Umziehens liegt im Jahr 2000, die Betrachtzeit,
von der aus auf den Prozess des Umziehens geschaut wird, ist 1990.
Es gibt verschiedene sprachliche Mittel, um einen Sachverhalt zeitlich zu situieren: Im weiteren
Kapitel werden v.a. die morphologischen Mittel behandelt werden:
1. lexikalische Mittel:
durch Temporaladverbien wie jetzt, gestern, morgen
2. lexikalisch-syntaktische Mittel:
durch Substantivgruppen wie am 14. Dezember, vor vier Tagen, in zwei Wochen
3. morphologische Mittel:
Tempora des Verbs wie Prsens, Prteritum, Futur
4. Wortbildungsmittel:
durch verbale Prfixableitungen, die Beginn oder Ende (= Aktionsart, siehe S. 46) eines Prozesses
angeben, wie einschlafen, aufessen
5. morphosyntaktische Mittel:
durch Funktionsverbgefge (siehe S. 45) wie in Betrieb setzen
Tempus und Zeit knnen nicht gleichgesetzt werden. Whrend Zeit sich auf etwas Auersprachliches
bezieht nmlich auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft sind die Tempora wie Prsens,
Perfekt, Futur I etc. grammatische Formen. Dass die Tempora keinen festen Zeitbezug haben, zeigt
sich beispielsweise an folgenden Stzen im Prsens:
1.
2.
3.
129
Details zur Formenbildung knnen in jeder Grammatik, u.a. bei Fabricius-Hansen 2009: 429ff., nachgelesen werden.
10.2.1 Tempora und ihre Grundbedeutung
Die drei Beispielstze in Kapitel 10.1. (Otto kommt 1980 in Wrzburg zur Welt. / Otto ist heute
krank. / In einer Stunde geht Otto in die Kneipe.) deuten schon an, dass einem Tempus (hier Prsens)
nicht nur eine einzige Bedeutung zukommt. Jedoch lassen sich gewisse Grundbedeutungen der
verschiedenen Tempora feststellen. Diese Grundbedeutungen knnen im jeweiligen Kontext
unterschiedlich gedeutet werden.
Die Grundbedeutung eines Tempus setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: zum einem aus
dem zeitlichen Bezug hinsichtlich der Sprechzeit und zum anderen aus einer aspektuellen
Komponente. Beim zeitlichen Bezug unterscheidet man zwei Mglichkeiten: Ein Prozess kann in der
Vorzeit (= Vergangenheit) der Sprechzeit liegen oder in der Nicht-Vorzeit (= Nichtvergangenheit) der
Sprechzeit, d.h. in der Gegenwart oder Zukunft. Die aspektuelle Komponente gibt die Sicht des
Sprechers auf den Ablauf der Verbhandlung wieder. Der Sprecher unterscheidet Prozesse als
abgeschlossen (auch perfektiv) oder nicht abgeschlossen (auch imperfektiv), wobei sich die NichtAbgeschlossenheit unterteilen lsst in die Flle erwartet bzw. unmarkiert. Erwartet drckt aus,
dass der Prozess noch stattfinden wird, unmarkiert bedeutet, dass der Sprecher keine Auskunft zur
Abgeschlossenheit bzw. Erwartung des Prozesses gibt (vgl. Eisenberg 2006: 111f.).
Die Grundbedeutung eines bestimmten Tempus ist an der Morphologie zu erkennen. Theoretisch
setzt sich jedes Tempus aus einem finiten und einem infiniten Verbteil zusammen. Nur bei den
synthetisch gebildeten Tempora Prsens und Prteritum entfllt der infinite Verbteil.
Z.B.: (Otto) hat getrunken.
Der zeitliche Bezug ist am finiten Verbteil ablesbar: Steht er im Prsens, wird der Prozess als nichtvorzeitig zum Sprechzeitpunkt betrachtet. Steht er im Prteritum, wird er als vorzeitig betrachtet. Die
aspektuelle Komponente ist am infiniten Verbteil zu erkennen: Wenn der infinite Verbteil fehlt, gilt
der Verlauf des Prozesses als unmarkiert. Ist der infinite Verbteil ein Partizip II, ist der Prozess als
abgeschlossen markiert. Ist der infinite Verbteil ein Infinitiv, erwartet der Sprecher den Prozess.
Zusammenfassung: Grundbedeutung der Tempora und ihre Morphologie:
zeitlicher Bezug zum Sprechzeitpunkt
finiter Verbteil steht im
Prteritum
Vorzeit
Prsens
Nicht-Vorzeit
Unter Benutzung diese Schemas (siehe Abb. 50) kann man aus einer konkreten Tempusform also die
Grundbedeutung ablesen:
Kapitel 10: Zeit und Tempus
130
Tempusform
Prsens
Prteritum
Perfekt
Plusquamperfekt
Futur I
Futur II
Futur praeteriti I
Futur praeteriti II
Superperfekt
finiter Verbteil
(er/sie/es)
kommt
(er/sie/es) kam
(er/sie/es) ist
(er/sie/es) war
(er/sie/es) wird
(er/sie/es) wird
(er/sie/es)
wrde/sollte
(er/sie/es)
wrde/sollte
(er/sie/es) ist
infiniter Verbteil
gekommen
gekommen
kommen
gekommen sein
Vorzeit
Nicht-Vorzeit
Vorzeit
Nicht-Vorzeit
Nicht-Vorzeit
kommen
Vorzeit
gekommen sein
Vorzeit
gekommen
gewesen
gekommen
gewesen
Nicht-Vorzeit
Vorzeit
unmarkiert
abgeschlossen
abgeschlossen
erwartet
abgeschlossen &
erwartet
erwartet
abgeschlossen &
erwartet
doppelt
abgeschlossen
doppelt
abgeschlossen
131
historisches Prsens
z.B. Merkel wird 2005 zur Bundeskanzlerin gewhlt.
Prsens mit Vergangenheitsbezug (markiert durch 2005) zur Darstellung allgemein bekannter
Fakten.
szenisches Prsens
z.B. (Otto ging in die Kneipe. Er setzte sich an seinen Stammtisch und bestellte ein Pils.) Pltzlich
kommt sein Kumpel Willi hereingestrzt und schreit
Tempuswechsel innerhalb einer Erzhlung. Das Prsens hat Vergangenheitsbezug und dient der
lebendigen Darstellung.
episches Prsens
Beim epischen Prsens ist das Prsens (statt Prteritum) das Erzhltempus.
132
133
Den Vergangenheitsbezug markiert das Adverb gestern kontextuell. Das Futur II drckt hier v.a.
eine Vermutung des Sprechers aus.
10.2.2.7 Kontextfunktionen des Futur praeteriti I und II
Futur praeteriti I und II mit Vergangenheitsbezug
z.B. Otto wusste zum Jahrtausendwechsel noch nicht, dass er in zwei Jahren ein Werbeangebot
einer bekannten Brauerei bekommen wrde.
Otto wusste zum Jahrtausendwechsel noch nicht, dass er in zwei Jahren ein Werbeangebot einer
bekannten Brauerei angenommen haben wrde.
In Bezug auf den Sprechzeitpunkt (= Sprecher-Jetzt) drckt das Futur praeteriti I und II einen
Vergangenheitsbezug aus und gleichzeitig in Bezug auf eine Betrachtzeit als Orientierungspunkt
(hier Jahrtausendwechsel) eine Nachzeitigkeit.
Das Futur praeteriti wird mit den Hilfsverben werden oder sollen gebildet, die jeweils im Konjunktiv II stehen. Wenn das Hilfsverb werden verwendet wird, sind die Ersatzform fr den
Konjunktiv und das Futur praeteriti homonym.
Das Futur praeteriti wird auch als Schicksalsfutur bezeichnet.
10.2.2.8 Kontextfunktionen des Superperfekts und Superplusquamperfekts
Superperfekt bzw. Superplusquamperfekt werden durch doppelte Perfektbildung erzeugt, d.h. dass
von dem perfektbildenden Hilfsverb selbst ein Perfekt gebildet wird. Statt Superperfekt und Superplusquamperfekt nennt man sie auch doppeltes Perfekt/Plusquamperfekt, Perfekt II/Plusquamperfekt II oder superkomponiertes Perfekt (siehe Fabricius-Hansen 2009: 463).
Beide Tempora stellen einen Vergangenheitsbezug her, durch die doppelten Partizip-II-Formen wird
die Abgeschlossenheit hervorgehoben.
Superperfekt und Superplusquamperfekt kommen eher in der gesprochenen als in der geschriebenen Sprache vor.
Superperfekt und Superplusquamperfekt mit Vergangenheitsbezug
z.B. Otto hat dir doch einen Brief geschrieben gehabt.
z.B. Hast du ihm auch geantwortet, nachdem er dir schon so nett geschrieben gehabt hatte?
134
135
2.
3.
4.
5.
6.
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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Vor zwei Jahren kaufte sich mein Onkel ein neues Auto.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
136
7.
8.
9.
10.
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
(Er bat mich, die Angelegenheit zu besprechen,) ber die er sich schon viele Gedanken
gemacht hatte.
11.
12.
13.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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(Ich war gerade auf dem Weg zur Uni.) Da sehe ich meinen Freund Udo auf mich zukommen.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
137
14.
15.
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
(Er begann mit 14 eine Lehre als Schneider.) Zwanzig Jahre spter sollte er ein gefeierter
Meister seines Fachs sein.
16.
Tempus:
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Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
Pinneberg greift in die Tasche, holt aus dem Etui eine Zigarette und brennt sie an. Um die
Ecke weht Lmmchen, im plissierten weien Rock (H. Fallada)
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18.
19.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
(Er wollte es nicht tun.) Sein Zgern wrde sich spter als Fehler erweisen.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
Vielleicht wird er es bis dahin geschafft haben, seinen Teil fertig zu machen.
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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Wenn der Prozess einmal in Gang gekommen ist, (lsst er sich nicht mehr aufhalten.)
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
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20.
21.
22.
23.
24.
25.
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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Grundbedeutung:
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Kontextbedeutung:
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kontextuelle Markierung:
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_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
Er hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht gehabt (und musste deshalb nachsitzen.)
Tempus:
_____________________________________________________
Grundbedeutung:
_____________________________________________________
Kontextbedeutung:
_____________________________________________________
kontextuelle Markierung:
_____________________________________________________
139
Napoleons Meisterschler
Ein Portrt des legendren preuischen Militrreformers und Generals August Neidhardt von
Gneisenau, der vor 250 Jahren geboren wurde.
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Es gibt kuriose historische Zuflle. Wie diesen hier: Ausgerechnet zum 250. Geburtstag August
Neidhardt von Gneisenaus, der einst fr die Wehrpflicht in Preuen stritt, wird die Wehrpflicht in
Deutschland aufgehoben. Ein schnes Festtagsgeschenk! Zumal an den verehrten General, der zu
jenen Militrs im Umkreis der preuischen Reformer Hardenberg, Stein und Humboldt gehrte, auf
die sich die Bundeswehr gern beruft. An Scharnhorsts 200. Geburtstag ist sie 1955 offiziell gegrndet
worden Mnner wie er und Gneisenau verkrperten damals die einzige militrische Tradition, an
die man noch halbwegs unverfnglich anschlieen konnte.
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Gneisenau zhlt neben Gerhard Scharnhorst und Carl von Clausewitz zu den bedeutendsten
Militrreformern Preuens, vor allem aber: Er ist der einzige echte Kriegsheld unter ihnen. Doch
sooft man seine Taten im Kampf gegen Napoleon beschrieben hat, so wenig wurde ber seine
Herkunft und Jugend bekannt.
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19
Er ist ein Kind des Mars, geboren mitten im Siebenjhrigen Krieg, am 27. Oktober 1760 in Schildau
bei Torgau an der Elbe. Gneisenaus Vater August Wilhelm Neidhardt gehrt als Artillerieleutnant der
sogenannten Reichsarmee an, die aus Kontingenten der kleineren deutschen Staaten besteht. Seine
Frau Maria Eva ist ihm ins Feld gefolgt. Sie stirbt ein Jahr spter in Frth, da ist der Junge schon in der
Obhut einer Schildauer Pflegefamilie.
(Die Zeit, 14. Oktober 2010)
Tempus
Beispiele
Kontextbedeutung
140
11. Kapitel
Thema:
Modus und Modalitt
Epistemische Modalitt
Wenn der Sprecher angibt, fr wie sicher er seine uerung hlt, wenn er also seine Einstellung
bezglich der Wahrheit oder Falschheit seiner uerung kundtut, dann spricht man von
epistemischer Modalitt.
z.B. Otto ist bestimmt/wahrscheinlich/vielleicht/auf keinen Fall Alkoholiker.
Bei bestimmt, wahrscheinlich, vielleicht, auf keinen Fall handelt es sich syntaktisch betrachtet
jeweils um Modalittsangaben, die den unterschiedlichen Grad angeben, fr wie gewiss der
Sprecher den Wahrheitsgehalt seiner uerung Otto ist Alkoholiker. einschtzt. Die Gewissheit,
dass die uerung wahr ist, ist bei dem Satz Otto ist bestimmt Alkoholiker. am grten (Es ist
bestimmt so, dass Otto Alkoholiker ist.). Mit dem Satz Otto ist vielleicht Alkoholiker. drckt der
Sprecher aus, dass er an der Wahrheit seiner uerung zweifelt (Es ist vielleicht so, dass Otto
Alkoholiker ist.), und durch den Satz Otto ist auf keinen Fall Alkoholiker gibt der Sprecher an,
dass er die Aussage fr falsch hlt (Es ist auf keinen Fall so, dass Otto Alkoholiker ist.).
2.
Nicht-epistemische Modalitt
Neben der epistemischen Modalitt gibt es weitere Modalitten, von denen hier exemplarisch
drei vorgestellt werden:
2.1 Emotionale Modalitt
Die emotionale Einstellung eines Sprechers zu seiner uerung gehrt zur emotionalen Modalitt. Diese wird bisweilen auch als Untergruppe zur epistemischen Modalitt gezhlt.
z.B. Otto ist leider/doch Biertrinker.
Die Modalittsangaben leider bzw. doch zeigen die emotionale Stellungnahme des Sprechers zur
Aussage Otto ist Biertrinker. Mit dem Satz Otto ist leider Biertrinker. bedauert der Sprecher den
in der Aussage genannten Sachverhalt (Es ist leider so, dass Otto Biertrinker ist.). Eine
141
Verstrkung wird durch den Satz Otto ist doch Biertrinker. zum Ausdruck gebracht (Es ist doch
so, dass Otto Biertrinker ist.).
2.2 Volitive Modalitt
Drckt der Sprecher seinen Willen in Bezug auf die Aussage aus, so spricht man von volitiver
Modalitt, z.B. Otto soll Bier trinken.
2.3 Deontische Modalitt
Mit der deontischen Modalitt verweist der Sprecher auf geltende Normen/Regeln, z.B. Man
darf nicht betrunken Auto fahren.
In konkreten uerungen kommen diese Teilaspekte von Modalitt oft miteinander kombiniert vor.
In dem Satz Leider will Otto sicherlich nicht mit dem Biertrinken aufhren. drckt die Modalittsangabe leider das Bedauern des Sprechers ber seine uerung, dass Otto sicherlich nicht mit dem Biertrinken aufhren will aus, hier kommt die emotionale Modalitt zum Tragen. Die Modalittsangaben
sicherlich und nicht gehren zur epistemischen Modalitt. Der Sprecher drckt damit aus, dass er sich
gewiss ist, dass die Aussage Otto will nicht mit dem Biertrinken aufhren. wahr ist, und dass die
Aussage Otto will mit dem Biertrinken aufhren. falsch ist. Schlielich zeigt das Modalverb will im objektiven Gebrauch den Willen des Subjekts an, dies ist volitive Modalitt.
Unter Satzadverbien versteht man solche Adverbien, die die Bedeutung eines ganzen Satzes modifizieren, d.h.
solche Adverbien sind syntaktisch betrachtet Modalittsangaben.
142
3.
4.
Syntaktische Mittel
Zu den syntaktischen Mitteln gehren die verschiedenen kommunikativen Satzarten (siehe
S. 19). Statt Satzart verwenden deshalb manche Autoren auch den Terminus Satzmodus.
z.B. Fenster ffnen!
Phonologische Mittel
Zu den phonologischen Mitteln gehrt v.a. die Prosodie, z.B. die Intonation oder der Satzakzent.
z.B. Er kommt jetzt? (Diese Entscheidungsfrage ist als sog. Intonationsfrage nur an der Intonation von einem Aussagesatz zu unterscheiden.)
143
den Konjunktiv I an den Infinitivstamm gehngt und fr den Konjunktiv II an den Prteritalstamm,
wobei starke Verben soweit mglich umlauten.
Konjunktiv I
Personalpronomen
ich
du
er/sie/es
wir
ihr
sie
Stamm Personalendung
trink
e
trink
est
trink
e
trink
en
trink
et
trink
en
Konjunktiv II
starkes Verb
Personal- Stamm
pronomen
ich
trnk
du
trnk
er/sie/es
trnk
wir
trnk
ihr
trnk
sie
trnk
Personalendung
e
est
e
en
et
en
schwaches Verb
PersonalStamm
pronomen
ich
lacht
du
lacht
er/sie/es
lacht
wir
lacht
ihr
lacht
sie
lacht
Personalendung
e
est
e
en
et
en
Aus Tabelle 20 lsst sich ablesen, dass viele Formen des Indikativ Prsens mit dem Konjunktiv I
homonym sind: 1. Pers. Sg. sowie 1. und 3. Pers. Pl. Ebenso sind bei schwachen Verben und bei nicht
umlautfhigen starken Verben die Formen des Konjunktivs II mit den Formen des Indikativs
Prteritum homonym.
Wegen der hufig auftretenden Homonymie von Konjunktiv II und Indikativ Prteritum bzw. wegen
der komplexen Bildungsweise gibt es fr den Konjunktiv II eine Ersatzform, die sog. wrde-Konstruktion, z.B. Man sagt, Otto wrde zu viel lachen. (statt: Man sagt, Otto lachte zu viel.)
Bildungsweise der wrde-Konstruktion: Konjunktiv II von werden + Infinitiv
Verwendung des Konjunktivs zur Kennzeichnung indirekter Rede
Der Begriff indirekte Rede(wiedergabe) lsst sich unterschiedlich weit fassen []. Indirekte Rede
im engeren Sinne liegt vor, wenn der aktuelle Sprecher den Inhalt einer anderen sprachlichen
uerung wiedergibt. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff auch die Wiedergabe von etwas, was
lediglich gedacht oder empfunden wird, ohne sprachlich ausgedrckt zu werden. (Fabricius-Hansen
2009: 523).
Indirekte Rede wird vom Sprecher gekennzeichnet, um zu verdeutlichen, dass die uerung nicht von
ihm stammt, sondern berichtet ist, und dass er so keine Gewhr fr die Wahrheit der uerung
bernehmen kann (= epistemische Modalitt).
Indirekte Rede kann syntaktisch unterschiedlich realisiert sein:
Nach einem Verbum dicendi oder sentiendi (d.h. nach einem Verb des Sagens, Meinens, Denkens, Fhlens u.a.) folgt die indirekte Rede als untergeordneter Nebensatz: z.B. als dass-Satz (a),
als Interrogativnebensatz (b) oder als uneingeleiteter Verbzweitnebensatz (c):
a) Man sagt, dass Otto ein Biertrinker sei/ist.
b) Die Frage, wo Ottos Stammkneipe sei/ist, war schnell zu beantworten.
c) Man meint, Otto hre/hrt bald mit dem Biertrinken auf.
Indirekte Rede kann auch syntaktisch unabhngig als selbststndiger Satz formuliert sein. Man
spricht dann von berichteter (d) oder erlebter Rede (e) (vgl. Fabricius-Hansen 2009: 524).
d) (Otto hat sich gestern vehement verteidigt.) Er sei noch lange kein Alkoholiker, nur
weil er jeden Tag Bier trinke.
Kapitel 11: Modus und Modalitt
144
e) (Otto dachte an seinen Freund Willi.) Vielleicht wrde er auch heute Abend in die Kneipe
kommen knnen. Hoffentlich war er wegen des gestrigen Streits nicht mehr verrgert.
Die fnf Beispielstze (a-e) zeigen, dass die Kennzeichnung indirekter Rede durch den Konjunktiv
nicht zwingend ist. Nach einem Verbum dicendi bzw. sentiendi kann der Konjunktiv oder der Indikativ
stehen. Dabei wird in der geschriebenen Sprache zumeist der Konjunktiv verwendet, in der mndlichen, alltglichen Kommunikation berwiegt der Indikativ. Berichtete Rede (siehe Satz d) muss im Konjunktiv stehen, erlebte Rede steht im Indikativ. Generell ist der Modusgebrauch in diesem Bereich
stark register- und textsortenabhngig. (Fabricius-Hansen 2009: 523)
Konjunktiv I und Konjunktiv II werden gleichermaen zur Kennzeichnung indirekter Rede verwendet.
Beide Konjunktivkategorien werden in dieser Funktion verwendet, und zwar ohne erkennbaren
oder eindeutig nachweisbaren Bedeutungsunterschied. (Fabricius-Hansen 2009: 523) Prinzipiell
gengt der Konjunktiv I als Kennzeichnung fr indirekte Rede (siehe unten Satz a). Da jedoch
Konjunktiv I und Indikativ hufig homonym sind (b), wird als Ersatz der Konjunktiv II (c) oder die
Ersatzform/wrde-Form des Konjunktiv II (d) verwendet:
a) In der Zeitung steht, die Deutschen seien zu oft krank. (seien = Konjunktiv I)
b) In der Zeitung steht, die Deutschen verdienen zu viel. (verdienen = Konjunktiv I oder Indikativ
Prsens)
c) In der Zeitung steht, die Deutschen verdienten zu viel. (verdienten = Konjunktiv II oder Indikativ
Prteritum)
d) In der Zeitung steht, die Deutschen wrden zu viel verdienen. (wrden verdienen = Ersatzform
fr Konjunktiv II bzw. wrde-Form)
Verwendung des Konjunktiv I zur Kennzeichnung von Aufforderungen, Wnschen oder
Handlungsanweisungen
Die Verwendung des Konjunktivs I ist abgesehen von der indirekten Rede, im Wesentlichen auf einige stark konventionalisierte Wunschformeln sowie auf Handlungsanweisungen in bestimmten Textsorten wie z.B. Rezepte, Gebrauchsanweisungen u. . beschrnkt (Hentschel/Weydt 2003: 119) Laut
Fabricius-Hansen beschrnkt sich die Verwendungsweise des Konjunktiv I als Wunsch, Bitte oder Aufforderung zum groen Teil auf das Verb sein und die Modalverben mgen, wollen und sollen.
(Fabricius-Hansen 2009: 537)
Beispiele:
Wunschformeln: Es lebe Otto! / Gott sei Dank! / Wohl bekomms! / Das wolle Gott verhten!
Handlungsanweisungen: Man nehme drei Eier, Die Gerade g sei die Verbindung von Punkt z
mit Punkt y.
Redewendungen: Komme, was wolle, / Wie dem auch sei
Der Konjunktiv I dient auch als Ersatzform fr den Imperativ der 1. Person Plural: z.B. Seien Sie so nett
und schlieen Sie das Fenster, bitte! Der so verwendete Konjunktiv I wird auch als (Ad)hortativ
bezeichnet.
Dient der Konjunktiv I als Ausdruck eines Wunsches, bezeichnet man ihn als Optativ, dient er als
Handlungsanweisung an die 3. Person Sg. oder Pl., so nennt man ihn auch Jussiv.
Wnsche und Aufforderungen knnen auch indirekt geuert werden, z.B. Ottos Wunsch, dass es
auch im Ausland gutes Bier gebe, ging in Erfllung. / Die Aufforderung, dass er sofort nach Hause
kommen solle, ignorierte Otto. Solche Beispiele zeigen, wie sich die Verwendungsweisen des Kon-
145
junktivs als Kennzeichnung indirekter Rede und als Kennzeichnung von Wnschen oder Aufforderungen berlappen knnen.
Verwendung des Konjunktiv II bei Irrealitt bzw. Potentialitt
Durch den Konjunktiv II markiert der Sprecher seine uerung als gedankliches Konstrukt. Er gibt zu
verstehen, dass das Gegenteil von dem, was der entsprechende Aussagesatz im Indikativ ausdrckt,
aus seiner Sicht zutrifft oder wenigstens nicht auszuschlieen ist. (Fabricius-Hansen 2009: 516)
z.B.
a) Wenn Otto reich wre, wrde er nicht arbeiten. (Irrealis: Der Sprecher betrachtet Otto in Wirklichkeit als nicht reich.)
b) Wenn Otto morgen zu Geld kme, wrde er kndigen. (Potentialis: Der Sprecher schliet die Mglichkeit, dass Otto zu Geld kommt, nicht aus.)
Bei Prozessen, die in der Zukunft liegen, spricht man vom Potentialis, da die Mglichkeit, dass sie
eintreten, nicht auszuschlieen ist.
Irreale uerungen treten hufig in folgenden Konstruktionen auf:
als irreales Konditionalgefge:
Wenn Otto nicht immer so viel trnke, htte er keinen Bierbauch.
als irrealer Wunschsatz:
Trnke Otto doch lieber Tee als Bier!
als irrealer Aussagesatz:
Eine Erhhung der Biersteuer wre fr Otto der finanzielle Ruin.
als irrealer Vergleichssatz:
Otto trinkt Bier, als wre es Wasser.
In irrealen Konditionalgefgen und Vergleichsstzen kann auer Konjunktiv II auch der Indikativ oder
der Konjunktiv I stehen.
Z.B. irreales Konditionalgefge: Otto wrde sich freuen, wenn es auf der Party Bier gibt.
Bei irrealen Konditionalgefgen reicht es hufig, wenn ein Teilsatz im Konjunktiv II steht.
irreale Vergleichsstze: Otto trinkt Bier, als sei es Wasser/als ob es Wasser sei.
Wenn durch den Kontext klar ist, dass es sich um einen irrealen Vergleich handelt, kann der
Indikativ oder Konjunktiv I stehen.
Verwendung des Konjunktiv II als Hflichkeitsform
Der Konjunktiv II wird hufig in den Dienst der Hflichkeit genommen, beispielsweise zum Ausdruck
einer hflichen, in der Form einer Frage gekleideten Bitte, die die direkte Aufforderung vermeiden
mchte, oder einer vorsichtigen unaufdringlich-zurckhaltenden Feststellung, die den Partner nicht
vor den Kopf stoen soll [] Es handelt sich beim hflichen Konjunktiv II um konventionalisierte
Verwendungsweisen, die die irreale Unterstellung, die mit dem normalen Gebrauch des Konjunktivs
verbunden ist, ausnutzen, um der angesprochenen Person in der Gesprchssituation einen greren
Handlungsspielraum zu verschaffen. (Fabricius-Hansen 2009: 521).
Z.B. Ich htte gerne vier Brtchen. (unausgesprochen: Wenn es Ihnen nichts ausmacht, mich zu
bedienen, htte ich gerne vier Brtchen.)
Wrden Sie bitte hereinkommen? (unausgesprochen: Wenn es Ihnen gefllt, wrden Sie bitte
hereinkommen?)
146
Grundtempus
Vorzeitigkeitsbezug =
Perfektform
Nachzeitigkeitsbezug =
Futurform
Konjunktiv I
er/sie/es trinke
er/sie/es habe getrunken
Konjunktiv II
er/sie/es trnke
er/sie/es htte getrunken
147
bung: Modus
Aufgabe: Bestimmen Sie den Modus in den Beispielstzen und erklren Sie dessen Funktion (=
Verwendungsweise).
1.
2.
Wenn ich gewusst htte, dass du kommst, htte ich einen Kuchen gebacken.
Modus: _______________________
3.
Funktion: ___________________________________
9.
Funktion: ___________________________________
8.
Funktion: ___________________________________
7.
Funktion: ___________________________________
6.
Funktion: ___________________________________
5.
Funktion: ___________________________________
4.
Funktion: ___________________________________
Funktion: ___________________________________
Als es 22.10 Uhr wurde, sahen wir einen gro angekndigten ZDF-Film, in dem der neunjhrige
Johnny Napolitano aus New York von Auerirdischen erzhlte, die ihn in einem Raumschiff auf
den Tisch gelegt und untersucht htten.
Modus: _______________________
Funktion: ___________________________________
10. Ufos! Mein Gott, wenn man doch blo selber mal eines she!
Modus: _______________________
Funktion: ___________________________________
148
Funktion: ___________________________________
12. Und bringt uns abends zurck, zum Redaktionsschluss und zum Abendessen.
Modus: _______________________
Funktion: ___________________________________
Funktion: ___________________________________
149
Literaturverzeichnis
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