Die Entstehung von Herrenalb
Es irrt der Graf von Eberstein
In tiefer Nacht durchs Thalgewinde:
Getrennt von seinem Jagdgesinde,
Sucht er den Weg beim Sternenschein.
Da hört er wunderbare Stimmen,
Hoch über Felsen muß er klimmen,
Wo Schatten wie Gespenster ziehn.
Jetzt tönet eines Glöckleins Klang;
Tief unter sich ein Kloster stehen,
Und hört den dumpfen Chorgesang.
Da wird es leichter ihm zu Sinn,
Er eilt hinab in die Kapelle;
Die Wände schmücket Waldesgrün;
Und singend steht im hohen Chor
Der blassen Mönche Doppelreihe,
Der Priester hebt zur heil’gen Weihe
Der Graf sinkt nieder zum Gebet,
Ihm ist, er werd’ hinaufgezogen
Aus wildempörten Meereswogen,
Ins Land, wo ew’ger Friede weht.
„Geht hin zur stillen Ruh, ihr Müden,
Und du auch, Berthold, zeuch in Frieden,
Jedoch vergiß des Herren nicht!“
Dieß sagend winkt er mit der Hand,
Und wie von einem Traum entbunden
Steht Berthold an des Waldbachs Rand.
Im Osten scheint ein mattes Licht;
Der Graf kehrt heim im ernsten Sinnen,
Will nimmermehr das Traumgesicht.
„Wohl,“ – ruft er, „ist die Deutung klar! –
Wo jene Wunder mir erschienen,
Da sollen fromme Männer dienen,
Er theilt alsbald Befehle aus,
Und in dem Thal, vom Silberbogen
Der spiegelhellen Alb umzogen
Erhebt sich bald das Gotteshaus.
- ↑ Das Kloster Herrenalb liegt nicht weit von der Badischen Grenze, schon im Würtembergischen Gebiete; gehört jedoch eben sowohl, wie Frauenalb, unserm Sagenkreis an.Der Herausg.