Schwedische Batterie- und Brummidramen
Zum Northvolt-Spatenstich in heute kamen auch Olaf Scholz und Robert Habeck. Foto: Marcus Brandt / dpa

Schwedische Batterie- und Brummidramen

Liebe Leserin, lieber Leser,

BYD nutzt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, um Journalisten aus ganz Europa in seine Autos zu bekommen. Wie schön, wenn man dabei wohlwollende Feedbacks für Werbefilmchen bekommt. Daumen hoch für BYD!

Wem die Chinesen am Mittwochabend beim 2:0 zwischen Deutschland und Ungarn wohl ihre Daumen gedrückt haben? In Ungarn baut BYD ein Werk. Deutschland ist der wichtigste Markt, soll die Expansion nach Europa ein Erfolg werden. Man verfolge seine „Fußballträume“ und wolle „neue Meilensteine auf dem Spielfeld“ erreichen, textet BYDs Werbetruppe. Bleibt noch eine Herausforderung, die BYD bisher in Europa nicht so recht gemeistert hat: auf der Straße Meilensteine zu setzen. Die „echten“ Kundinnen und Kunden halten die Daumen noch unten.

In den Themen der Woche schauen wir stärker gen Norden, konkret nach Schweden:

  • Warum Northvolt in seine erste Krise gerät.

  • Wieso ein Truckerstreit bei Volkswagen eskaliert.

  • Weshalb der Komplettverkauf von DB Schenker wackelt.

  • Wie Waymo die Autoindustrie mit KI-Taxis deklassiert.

Topthema: Warum Northvolt in seine erste Krise gerät

Unter Druck: Northvolt-Chef Peter Carlsson verliert den ersten ungeduldigen Großkunden. Foto: Jewgeni Roppel / manager magazin

Wenn Northvolt-Chef Peter Carlsson (53) ruft, springt sogar die Spitzenpolitik. Für den Spatenstich der Batteriefabrik in Heide zog es im März Bundeskanzler Olaf Scholz (66; SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (54; Grüne) auf einen Acker in Norddeutschland. Northvolt ist die große Hoffnung von Europas Autoindustrie; die Schweden sollen die Branche mit Batteriezellen versorgen. Eine Feelgood-Story in schweren Zeiten? Schön wär’s. In die Euphorie mischen sich Zweifel. BMW, immerhin Anteilseigner von Northvolt, ist von der Akkuqualität nicht überzeugt – und schickt Carlsson und seine Crew in ihre erste Krise. Michael Freitag und Margret Hucko berichten: BMW hat einen Milliarden-Auftrag an Northvolt zurückgezogen.

Köpfe: Christian Levin ++ Winfried Vahland ++ Hasmeet Kaur ++ Sabine Scheunert

Nur zu Besuch: Traton- und Scania-Chef Christian Levin in München. Foto: Daniel Delang / manager magazin
  • Christian Levin (57) ist Scania- und Traton-Chef. Moment mal: Müsste die Reihenfolge nicht umgekehrt sein? Schließlich ist Scania Teil von Volkswagens Lkw-Holding Traton. Und Levin der Herr über die Brummis und Summis (E-Lkw). Allerdings, so empfinden es viele in der Truck-Company, agiert der Schwede doch arg Scania-freundlich. Er überrollt Partner MAN, ignoriert Vereinbarungen mit dem Aufsichtsrat. Mein Kollege Michael Freitag berichtet: Jetzt eskaliert der Streit der Volkswagen-Trucker.

  • Ein bisschen schwedisch ist auch Polestar. Die Volvo-Ausgründung und Tochter des chinesischen Autokonzerns Geely hängt ihren Zielen hinterher. Im Aufsichtsrat wird nun umgebaut. Der bisherige Vorsitzende Håkan Samuelsson (73) tritt ab. Seinen Posten übernimmt der frühere Škoda-Chef Winfried Vahland (67). Neben Samuelsson scheidet auch Carla De Geyseleer (56) aus dem Gremium aus. Als neue Aufsichtsratsmitglieder schlägt Polestar seinen Investoren Christine Gorjanc und Xiaojie Shen, Rufname Laura, vor.

  • Vor gut einem Jahr stieg Hasmeet Kaur (37) bei Roland Berger in den Vorstand auf. Ein Coup für die Beratung, gilt Kaur doch als Expertin im Boombereich der künstlichen Intelligenz. Auch in der Autobranche ist die studierte Biochemikerin gut vernetzt. Offenbar so gut, dass es sie jetzt operativ in die Branche zieht. Kaur wird beim Autozulieferer Mann+Hummel den neuen Bereich „Transportation“ leiten.

  • Über den Abschied von Sabine Scheunert (49) als IT-Chefin des Mercedes-Vertriebs hatte meine Kollegin Margret Hucko vergangenes Frühjahr exklusiv berichtet. Jetzt hat die Managerin einen neuen Job ohne expliziten Autobezug: Scheunert leitet künftig die Region Zentraleuropa der Softwarefirma Dassault Systèmes.

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Unternehmen: DB Schenker ++ Nio ++ Fisker ++ Ford ++ Boeing

Schicksalsjahr: Die Spedition Schenker lockt viele Kaufinteressenten an. Doch wird die Traditionsmarke den Besitzerwechsel auch überleben? Foto: Jens Büttner / dpa / picture alliance
  • Großzügige Angebote gibt es einige für DB Schenker, die Logistiksparte der Deutschen Bahn. Doch plötzlich gibt es Zweifel, ob sich der Staatskonzern tatsächlich komplett von einer seiner wenigen rentablen Sparten trennen sollte. Das hat auch mit den Bietern zu tun: Die dänischen Interessenten DSV und Maersk hinterließen bei vergangenen Übernahmen Blutspuren. Von Schenker könnte wenig übrig bleiben, bekäme einer der beiden den Zuschlag. Mein Kollege Michael Machatschke hat recherchiert, welchen Plan sich Bahn-Chef Richard Lutz (60) nun überlegt hat.

  • Nio will mit seinen Elektroautos in Europa Mercedes, BMW und Audi Konkurrenz machen. Nur: die bislang 190 Neuzulassungen 2024 liegen noch hinter Ferrari (932) und Lamborghini (542). Der Posten des Deutschlandchefs bei Nio ist wohl auch deshalb ein Schleudersitz: Der erst Ende 2023 neu installierte Marius Hayler (55) ist schon wieder weg.

  • Komplett weg vom Fenster dürfte bald Fisker sein. Zum zweiten Mal endet der Autotraum des einstigen BMW-Designers Henrik Fisker (60) in der Pleite.

  • So weit ist Ford noch längst nicht, äußerst angespannt ist die Lage beim traditionsreichen Autobauer in Europa aber allemal. Nachdem Ford am Standort Köln in den letzten fünf Jahren bereits rund 7000 Stellen abgebaut hat, wird jetzt nach Angaben des Betriebsrats noch einmal verschärft: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten sich auf weiteren Jobabbau einstellen. Ford widerspricht, es seien keine Maßnahmen geplant, die nicht schon bekannt wären. Alarm statt Alaaf in der Domstadt.

  • Seit den Abstürzen von zwei 737 Max mit 346 Toten steht Boeing wegen mangelnder Qualitätskontrollen in der Kritik. Nun musste sich CEO David Calhoun (67) vor dem US-Senat verantworten. Calhoun bat um Entschuldigung „für das Leid, das wir zugefügt haben“. Die Senatoren überschütteten den Chef mit Vorwürfen. Boeing sei „ein einstmals kultiges Unternehmen“, sagte der Ausschussvorsitzende Richard Blumenthal, „das irgendwie vom Weg abgekommen ist.“

Mehr Mobilität: Waymo ++ Accell ++ Fernride ++ Waabi

Waymo mit und ohne Wow-Effekt: Meist merken Fußgänger in San Francisco gar nicht, dass niemand am Steuer der Robotaxis sitzt. Foto: MP Curtet / Waymo
  • „Wann sitzen wir in autonomen Autos?“ ist seit Jahren ein Evergreen für Autopanels und -podcasts. Mein Kollege Jonas Rest kann für sich behaupten: schon jetzt. Er hat in Kalifornien Waymos Robotaxis unter die Lupe genommen. Die Alphabet-Tochter ist dem Rest der Szene enteilt. Noch aber verbrennt Waymo Geld, die Verluste gehen in die Milliarden. Hier lesen Sie, wie die Google-Schwester die Hightechautos zum lukrativen Business machen will.

  • Wird ein Unternehmen von einer Ratingagentur herabgestuft, ist das unschön. Wird ein Unternehmen von einer Ratingagentur binnen eines Jahres gleich viermal herabgestuft, brennt der Baum. So zu sehen beim taumelnden Fahrradriesen Accell, den die Bonitätswächter von Fitch mittlerweile mit dem verheerenden Kürzel „CCC-“ bewerten: Ausfallrisiko sehr hoch.

  • Für Start-ups gilt Deutschland nicht eben als Eldorado. Zu viel Bürokratie, zu viel Skepsis, zu wenig Speed, heißt es immer wieder. Hendrik Kramer (29) lässt sich davon nicht beirren. Seine Firma Fernride lässt Lkw auf Betriebsgeländen per teleoperiertem Fahren aus dem Büro steuern. Kunden wie DB Schenker und Volkswagen setzen die Technologie bereits ein, von Investoren erhielt das Start-up bis dato fast 50 Millionen Euro. In unserer Serie „Warum Deutschland den Bach raufgeht“ erklärt Kramer, warum er hier und nicht anderswo gegründet hat.

  • Komplett autonom will ein Start-up namens Waabi Lkw schon ab 2025 durch die Gegend fahren lassen. Auch das scheint Geldgebern zu gefallen: Von großen Namen wie Nvidia, Volvo, Scania und der Porsche-Holding gibt es 200 Millionen Dollar. Waymo übrigens, die Meister des autonomen Pkw, haben ihr Lkw-Projekt vorerst gestoppt. Zu schwierig.

Zahl der Woche: 31.500

Tsunami-Pause: Ein Elektrofahrzeug des chinesischen Autoherstellers BYD fährt von einem Transportschiff am Autoterminal in Bremerhaven. Foto: Focke Strangmann / AFP

Schon bevor die EU-Strafzölle auf chinesische Elektroautos greifen, haben Autoexporteure aus dem Reich der Mitte ihrem Tsunami um ein paar Windstärken abgeschwächt. Obwohl im Februar erstmals der BYD-Frachter „Explorer No. 1“ in Bremerhaven anlegte, kamen in Deutschland zwischen Januar und April mit 31.500 E-Autos aus China gut 15 Prozent weniger an als noch vor Jahresfrist. Gleichwohl stieg der China-Anteil an allen importierten Stromern auf 40,9 Prozent.

Deep Drive: Wie umgehen mit der Multikrise?

Die Autobranche steckt in tiefen Schwierigkeiten. In einem „Krisenradar“ beäugt die Boston Consulting Group die Lage in der Autoszene neben der Chemie- und Immobilienbranche als besonders angespannt. Schwache Nachfrage, Rabattschlachten, konstanter Kostendruck und hohe Investitionen – „das alles drückt auf die Profitabilität und Liquidität“, sagt BCG-Transformationsexperte Tobias Wens. Und nun? Kopf in den Sand? An einer Konsolidierung führt wohl kein Weg vorbei. Schwarzmalen will Wens aber nicht: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die europäische und deutsche Autoindustrie auch im Bereich der Elektromobilität und Software wieder aufholen wird.“

Geisterfahrer der Woche

Kein Bahn- und kein Spielglück: Fans der österreichischen Fußballnationalmannschaft erlebten einen EM-Auftakt zum Vergessen. Foto: Max Slovencik / dpa

Zum Abschluss noch mal Fußball. Der 3:0-Erfolg der rumänischen Nationalmannschaft gegen die Ukraine war eine der bisherigen EM-Überraschungen. Die Reise von ihrem Quartier in Würzburg zum Spielort nach München hatten die Rumänen mit der Deutschen Bahn angetreten. Zur Freude von Jürgen Kornmann (58), dem „DB-Konzernbeauftragten für die UEFA EURO 2024“. Der feierte am Montag die „sehr entspannte“ Reise der Rumänen und legte wenig später nach: „Der Ball rollt und unsere Züge auch.“ Noch im Laufe des Montags dürfte sich Kornmann dann aber wie ein Fußballer gefühlt haben, dem der Videoschiedsrichter ein Tor aberkennt: Vor dem Spiel Österreich gegen Frankreich in Düsseldorf strandeten viele Austria-Fans mit der Deutschen Bahn in Passau. „Wir haben alles versucht, die Fans rechtzeitig ins Stadion zu bringen. Aber es ist uns leider nicht gelungen“, leistete Kornmann am Dienstag Abbitte. „Sorry, liebe österreichische Fans! 😢“

Ich hoffe, Sie kommen ohne ungeplante Verzögerungen durch die Woche.

Ihr Christoph Seyerlein

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